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Auch wenn Sie aktuell nicht einmal im Traum daran denken, sich neue Laut- sprecher zu kaufen, sollten Sie diesen Artikel lesen. Er hilft Ihnen, Ihre HiFi- Anlage besser einzuschätzen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Vielleicht benötigen Sie doch neue Boxen. Joachim Pfeiffer All THE BEST 8 Bowers & Wilkins Audio 01/2017 AFJ

8 Bowers & Wilkins Audio All THE BEST - gute-anlage.de · ein verzeihlicher Irrtum. Je größer oder besser: Mit je mehr Volumen gerüstet der Lautsprecher, desto wirklichkeitsgetreuer

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Auch wenn Sie aktuell nicht einmal im Traum daran denken, sich neue Laut-sprecher zu kaufen, sollten Sie diesen

Artikel lesen. Er hilft Ihnen, Ihre HiFi-Anlage besser einzuschätzen und die

richtigen Schlüsse zu ziehen. Vielleicht benötigen Sie doch neue Boxen.

Joachim Pfeiffer

All THEBEST

8 Bowers & Wilkins Audio

01/2017 AFJ

Form follows function Was für Proportionen! Der Turbinen-Kopf von oben, hier zu sehen das fast baugleiche Modell 800.

Nein, laut mag man das System schon über-haupt nicht gerne hören. Die verstärkte Summe an Unzulänglichkeiten tönt nicht, törnt eher ab.

Was tun, wenn’s nicht klingt? Kommt Ihnen bekannt vor? Die Idee, mit einer 802 D3 den nächsten Gipfel in der High Fide-lity zu ersteigen (Fall 1) oder überhaupt erst einmal ein vernünftiges Basis-Camp (Fall 2) zu errichten, ist in beiden Fällen richtig.

Weil die Voraussetzungen stimmen. Mir ist in den vielen Jahren professioneller Beschäftigung durchaus eine Reihe von Lautsprechern begegnet, die unter bestimm-ten Bedingungen tatsächlich herausragend spielten. Wenn sich die Voraussetzungen indes änderten, sei es durch Veränderungen der räumlichen Gegebenheiten oder den Ein-satz anderer Elektronik und nicht zuletzt mit bestimmter Musik, dann drohte das schnelle Aus des Zaubers. Mit einem Laut-

sprecher dieser Spezies können Sie sich nicht wirklich weiterentwickeln: Er beherrscht Sie und Ihren Musikgeschmack und nicht etwa umgekehrt. Das bedeutet im Umkehr-schluss: Ein Lautsprecher muss von vorn-herein so entwickelt sein, dass er sich unter jedweden Bedingungen »zurückhält« und nichts anderes macht als das, was seine ursprüngliche Zweckbestimmung ist. Hier liegt die Kunst. Und Kunst kommt bekannt-lich von Können.

Betrachten wir die konstruktiven Beson-derheiten der 802 D3, die alle genau diesem Ziel dienen, also kein Selbstzweck sind. Bli-cken wir von oben nach unten: Der mittler-weile schon sagenumwobene Hochtöner mit einer (Industrie-)Diamant-Kalotte wurde in einem neuen, massiven und ultrastabilen Aluminium-Gehäuse verbaut, das wiederum auf einem ebenso neuen Aluminium-Kon-strukt thront, das deren Erbauer »Turbinen-Kopf« nennen. Klopfen Sie mal diskret daran

H alten wir kurz inne und denken darüber nach, was wir mit dem Kauf einer hochwertigen Kompo-

nente eigentlich bezwecken. Wenn wir bei-spielsweise über eine Investition in einen Lautsprecher wie die hier vorgestellte Bowers & Wilkins 802 D3 nachdenken, sie also ernsthaft in Erwägung ziehen. Viel-leicht ist man mit der bisherigen Konfigura-tion schon akustisch recht weit gekommen und ahnt, dass Quellen-Geräte und Verstär-ker einfach noch mehr Potenzial besitzen, als der aktuelle Schallwandler wiederzuge-ben weiß. Grob zusammengefasst: Man ist bereits glücklich und zufrieden und strebt nach noch Höherem. Oder trifft das zweite Szenario zu: Verglichen mit der Perfor-mance, die man zum Beispiel bei einem Freund und dessen Anlage gehört hat, fällt die des eigenen Equipments ab. Dieser betö-rende, leichte Wohlklang will sich partout nicht einstellen. Laut oder leise gespielt?

Welche Bowers & Wilkins für wen?

Muss es unbedingt das Modell 802 D3 sein oder kommt man mit einer oder zwei Nummern kleiner (und günstiger) nicht auch ans gleiche Ziel? Grundsätzlich stimmt das. Verglichen mit einem Auto-mobil ähneln sich die Fahreigenschaften der diversen Modelle doch sehr: Die tona-len Eigenschaften liegen absolut auf einem sehr hohen Niveau. Auch dynamisch tippt man auf Gleichstand, dies ist allerdings ein verzeihlicher Irrtum. Je größer oder besser: Mit je mehr Volumen gerüstet der Lautsprecher, desto wirklichkeitsgetreuer vermag er extrem leise wie auch brachial laute Passagen so selbstverständlich zu

reproduzieren, dass eine Korrektur am Pe-gelsteller des Verstärkers nicht notwendig ist. Flüsterleise funktioniert genauso über-zeugend wie ultralaut – da nichts verzerrt. Das gilt für extrem dynamische, in der Regel sinfonische Musik. So wie die seiner-zeit mit dem Rundfunk-Sinfonie orchester Berlin (RSB) produzierten CDs der Pure-Music-Reihe der Zeitschrift Audio: Sie erreichten einen Dynamik-Umfang von bis zu 60 dB. Folglich vermag die größere Schwester der 802, das Spitzenmodell 800 D3, in entsprechenden Räumen, angetrie-ben von standesgemäßer Elektronik noch einen Hauch realistischer aufzuspielen.

und Sie bekommen eine Ahnung, wie perfekt dessen Dämpfungskonzept ausgelegt wurde. Im »Turbine Head« befindet sich auch das Herzstück der neuen 800er-Serie: der völlig neue, sickenlose Mitteltöner mit einer Mem-bran aus einem exquisiten Gewebe namens Continuum.

Gelb war gestern. Die schimmert jetzt nicht mehr wie ihr Vorläufer aus Kevlar »gelb«, sondern silbrig-grau. Ich verwette eine rare Direktschnitt-Schallplatte aus mei-nem Bestand, dass noch in diesem Jahr andere Hersteller damit beginnen, ihre Mittel töner grau-silbern einzufärben, um sich einen schnöden Wettbewerbsvorteil zu ergaunern (… oder habe ich die Wette schon gewonnen?).

Netter Versuch, aber er ist sinnlos. Selbst wenn es irgendwem gelänge, aus einem Geheim-Laboratorium ein Kontingent des Continuum-Stoffes zu entwenden, um dar-aus einen vermeintlichen B&W-Klon zu bas-teln, würde sich das klangliche Resultat im Vergleich zum Original stark unterscheiden. Die zum Teil äußerst kniffligen Maßnah-men, bis hin zum »Tuned-Mass-Damper«-Konzept direkt auf dem Chassis-Rand des Mitteltöners, zeigen, wie komplex die Wege

zum Ziel sind. Dazu zählt auch der neue Anti-Resonanz-Phaseplug des Continuum-Drivers. Habe ich schon berichtet, dass die an Abmessungen durchaus moderate 802 D3 mit 94 Kilogramm das Stück nicht gerade ein Leichtgewicht ist? Da ist es schon von Vorteil, dass sie auf Rollen die Verpackung verlässt und bis zur Aktivierung der schon auf dem massiven Sockel vormontierten Spikes bequem und komfortabel zu ihren Standorten gefahren werden kann. Schwer ist die 802 insbesondere durch eine Beson-derheit von Bowers & Wilkins, die Geschichte schrieb und zu der sich immer wieder neue Kapitel gesellen:

Die Konstruktion im Inneren ist eine konsequente Fortentwicklung der ausge-fuchsten und auf totale Resonanzarmut getrimmten Matrix mit einem Aluminium-Stahl-Skelett und sorgt für traumhaft sta-bile Zustände. Finden Sie doch mal heraus, wie stabil und vor allem effizient das Gehäuse Ihrer Box ist. Greifen Sie am besten zu einem Track mit einem knochentrocke-nen, tiefen Impuls, so etwas in der Art eines realen Donners. Und, was geschieht, wenn Sie die Hand ans Furnier legen?

In den allermeisten Fällen vibriert das Gehäuse und verwandelt so wichtige Energie

Hersteller Bowers & WilkinsModell 802 D3

Typ Passiv-LautsprecherPreis um 22 000 € (Paar)

AFJ-Fakten

einfach nur in Wärme – der Donner mutiert zum Donnerlein. Sicher, mit solch einem Lautsprecher können Sie – Zimmerlaut-stärke vorausgesetzt – gewiss nett Musik hören, mit echter High Fidelity hat das aber nullkommanichts zu tun.

Auf die Boxen kommt es an. Wenn sich Ihre Anlage bis heute mit einem derart mäßigen Lautsprecher zufriedengeben muss, können weder formidable, höchstprei-sige CD-Player oder Plattenspieler noch preislich und technisch überragende Ver-

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AFJ 01/201701/2017 AFJ

B&W 802 D3

Klang Verarbeitung Preis/Leistung Wertstabilität

überragend

Lautsprecher wie die Bowers & Wilkins 802 D3 demonstrieren, was heute in der High Fidelity machbar und sinnvoll ist. Deshalb stimmen hier Preis und Leistung. Eine fan-

tastische Komponente.

stärker den akustischen Durchbruch erzie-len. Da hilft kein Tidal-Abo mit 16 Bit und 44,1 kHz Samplingrate, da sollte der Mut aufgebracht werden, den wahrhaft Verant-wortlichen auszumachen und letztlich des Raumes zu verweisen. Es muss ja nicht un bedingt die 802 D3 sein; ein mit ähnli-chem (oder sogar gleichem) Aufwand gebau-ter Schallwandler aus dem Portfolio der gewissenhaften und namhaften Hersteller, wie es eben auch Bowers & Wilkins einer ist, garantiert das lang ersehnte Hörvergnügen.

Fazit für denjenigen, der bereits in gute Elektronik investiert hat: Hören Sie sich doch endlich mal an, wie gut Ihr Accuphase, Rotel, Octave, Audionet, Krell und Co. klingt. Quasi alle guten Marken, ob deren Schaltungen mit Transistoren oder Röhren erdacht sind, danken es, wenn sie mit einem Schallwandler dieser Qualität verbunden werden. Verstehe, Sie besitzen keines von die-sen Edel-Produkten. Irgendwann bestimmt

einmal, aber Sie sind auch verunsichert, ob die eine oder andere Offerte für Sie auch die passende ist. In diesem Fall kann ich Sie erst recht ermuntern, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu tun. Auch wenn in Ihrer Anlage verstaubte, antiquierte (aber betriebs-sichere!) Verstärker aus dem letzten Jahrtau-send ihre Dienste erbringen und die weitere Peripherie aus ähnlichem Holz geschnitzt sein sollte:

Neues wagen. Jetzt. Geben Sie sich einen Ruck und Ihrer alten Box endlich den Lauf-pass. Spaßeshalber verkabelte ich die 802 D3 am Ende der regulären Testläufe mit einem steinalten Consumer-Class-Vollverstärker von Yamaha, klemmte einen CD-Player von Akai davor, verkabelte die ungleichen Part-ner mit Kabeln von QED und ließ mich in den Hörsessel fallen: Optimal war das nicht, aber es demonstrierte auf eine lässige und selbstverständliche Art, welche Defizite wie behoben werden konnten. Eine Freude, wie sich der Klang mit Austausch des CD-Players bis hin zu Accuphase ins nachvollziehbar Positive entwickelte, wie grandios die klang-lichen Differenzen über diverse Verstärker valide dargestellt wurden. Wie sich ab einer gewissen Qualitätsklasse Räume entwickel-ten und einem verdeutlichten, was eigent-lich »Auflösung« bedeutet.

Die Bowers & Wilkins 802 D3 ist ein Lehrmeister für die wahren Werte der High Fidelity. Keine Zicke, sondern ein freundli-cher Begleiter auf dem Weg zum Olymp.

Manufaktur-Arbeit Eine 800er fällt nicht vom Fließband, sie wird von vielen kundigen Menschen gebaut. Und wie hier lackiert.

Joachim Pfeiffer

Wer von High End träumt und wissen will, wie

es klingen kann, sollte die 802 hö-

ren. Dann wird er verstehen.

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