92
Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistung Beschreibung der Leistung Allgemeines 1. Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Bedarfspositionen (Eventualpositionen) dürfen nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Angehängte Stundenlohnarbeiten dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. 2. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. 3. (1) Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. (2) Erforderlichenfalls sind auch der Zweck und die vorgesehene Beanspruchung der fertigen Leistung anzugeben. (3) Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. (4) Die "Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung" in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten. 4. (1) Bei der Beschreibung der Leistung sind die verkehrsüblichen Bezeichnungen zu beachten. Technische Spezifikationen 5. Die technischen Anforderungen (Spezifikationen - siehe Anhang TS Nr. 1) an den Auftragsgegenstand müssen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein und dürfen den Wettbewerb nicht in unzulässiger Weise behindern. 6. Die technischen Spezifikationen sind in den Verdingungsunterlagen zu formulieren (1) entweder unter Bezugnahme auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen in der Rangfolge a) nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden , b) europäische technische Zulassungen c) gemeinsame technische Spezifikationen ), d) internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder,

81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

  • Upload
    lekhue

  • View
    216

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistung Beschreibung der Leistung

Allgemeines 1. Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die

Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Bedarfspositionen (Eventualpositionen) dürfen nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Angehängte Stundenlohnarbeiten dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden.

2. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände

und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.

3. (1) Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden

Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. (2) Erforderlichenfalls sind auch der Zweck und die vorgesehene Beanspruchung der fertigen Leistung anzugeben. (3) Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. (4) Die "Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung" in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten.

4. (1) Bei der Beschreibung der Leistung sind die verkehrsüblichen Bezeichnungen zu

beachten.

Technische Spezifikationen 5. Die technischen Anforderungen (Spezifikationen - siehe Anhang TS Nr. 1) an den

Auftragsgegenstand müssen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein und dürfen den Wettbewerb nicht in unzulässiger Weise behindern.

6. Die technischen Spezifikationen sind in den Verdingungsunterlagen zu formulieren

(1) entweder unter Bezugnahme auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen in der Rangfolge

a) nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden , b) europäische technische Zulassungen c) gemeinsame technische Spezifikationen ), d) internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder,

Page 2: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

e) falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauwerken und den Einsatz von Produkten.

Jede Bezugnahme ist mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

(2) oder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, die genau so zu fassen sind, dass sie den Bewerbern oder Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen; (3) oder als Kombination von Ziffer 1 und 2, d.h.

a) in Form von Leistungsanforderungen unter Bezugnahme auf die Spezifikationen gemäß Ziffer 1 als Mittel zur Vermutung der Konformität mit diesen Leistungs- und Funktionsanforderungen; b) oder mit Bezugnahme auf die Spezifikationen gemäß Ziffer 1 hinsichtlich bestimmter Merkmale und mit Bezugnahme auf die Leistungs- und Funktionsanforderungen gemäß Ziffer 2 hinsichtlich anderer Merkmale.

7. Verweist der Auftraggeber in der Leistungs- oder Aufgabenbeschreibung auf die in

Nummer 6 Absatz 1 Buchstabe a genannten Spezifikationen, so darf er ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, die angebotene Leistung entspräche nicht den herangezogenen Spezifikationen, sofern der Bieter in seinem Angebot dem Auftraggeber nachweist, dass die von ihm vorgeschlagenen Lösungen den Anforderungen der technischen Spezifikation, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.

8. Legt der Auftraggeber die technischen Anforderungen in Form von Leistungs- oder

Funktionsanforderungen fest, so darf er ein Angebot, das einer nationalen Norm, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird oder einer europäischen technischen Zulassung, einer gemeinsamen technischen Spezifikation, einer internationalen Norm oder einem technischen Bezugssystem, das von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurde, entspricht, nicht zurückweisen, wenn diese Spezifikationen die von ihm geforderten Leistungs- oder Funktionsanforderungen betreffen. Der Bieter muss in seinem Angebot mit geeigneten Mitteln dem Auftraggeber nachweisen, dass die der Norm entsprechende jeweilige Leistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des Auftraggebers entspricht. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.

9. Schreibt der Auftraggeber Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- oder

Funktionsanforderungen vor, so kann er die Spezifikationen verwenden, die in europäischen, multinationalen Umweltgütezeichen oder anderen Umweltgütezeichen definiert sind, wenn

a) sie sich zur Definition der Merkmale des Auftragsgegenstands eignen, b) die Anforderungen des Umweltgütezeichen auf Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Informationen ausgearbeitet werden; c) die Umweltgütezeichen im Rahmen eines Verfahrens erlassen werden, an dem interessierte Kreise - wie z.B. staatliche Stellen, Verbraucher, Hersteller, Händler und Umweltorganisationen - teilnehmen können, und d) wenn das Gütezeichen für alle Betroffenen zugänglich und verfügbar ist.

Page 3: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen angeben, dass bei Leistungen, die mit einem Umweltgütezeichen ausgestattet sind, vermutet wird, dass sie den in den Verdingungsunterlagen festlegten technischen Spezifikationen genügen. Der Auftraggeber muss jedoch jedes andere geeignete Beweismittel, wie technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, akzeptieren. Anerkannte Stellen sind die Prüf- und Eichlaboratorien sowie die Inspektions- und Zertifizierungsstellen, die mit den anwendbaren europäischen Normen übereinstimmen. Der Auftraggeber erkennt Bescheinigungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Stellen an.

10. Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen

Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis

11. Die Leistung soll in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe

(Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden.

12. Erforderlichenfalls ist die Leistung auch zeichnerisch oder durch Probestücke darzustellen

oder anders zu erklären, z.B. durch Hinweise auf ähnliche Leistungen, durch Mengen- oder statische Berechnungen. Zeichnungen und Proben, die für die Ausführung maßgebend sein sollen, sind eindeutig zu bezeichnen.

13. Leistungen, die nach den Vertragsbedingungen, den Technischen Vertragsbedingungen

oder der gewerblichen Verkehrssitte zu der geforderten Leistung gehören (§ 2 Nr. 1 VOB/B), brauchen nicht besonders aufgeführt zu werden.

14. Im Leistungsverzeichnis ist die Leistung derart aufzugliedern, dass unter einer

Ordnungszahl (Position) nur solche Leistungen aufgenommen werden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen sind. Ungleichartige Leistungen sollen unter einer Ordnungszahl (Sammelposition) nur zusammengefasst werden, wenn eine Teilleistung gegenüber einer anderen für die Bildung eines Durchschnittspreises ohne nennenswerten Einfluss ist.

Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm

15. Wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, abweichend von Nr. 11

zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechte Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln, kann die Leistung durch ein Leistungsprogramm dargestellt werden.

16. (1) Das Leistungsprogramm umfasst eine Beschreibung der Bauaufgabe, aus der die

Bewerber alle für die Entwurfsbearbeitung und ihr Angebot maßgebenden Bedingungen

Page 4: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

und Umstände erkennen können und in der sowohl der Zweck der fertigen Leistung als auch die an sie gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen angegeben sind, sowie gegebenenfalls ein Musterleistungsverzeichnis, in dem die Mengenangaben ganz oder teilweise offen gelassen sind. (2) Die Nummern 12 bis 14 gelten sinngemäß.

17. Von dem Bieter ist ein Angebot zu verlangen, das außer der Ausführung der Leistung den

Entwurf nebst eingehender Erläuterung und eine Darstellung der Bauausführung sowie eine eingehende und zweckmäßig gegliederte Beschreibung der Leistung - gegebenenfalls mit Mengen- und Preisangaben für Teile der Leistung - umfasst. Bei Beschreibung der Leistung mit Mengen- und Preisangaben ist vom Bieter zu verlangen, dass er

a) die Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere die von ihm selbst ermittelten Mengen, entweder ohne Einschränkung oder im Rahmen einer in den Verdingungsunterlagen anzugebenden Mengentoleranz vertritt, und dass er b) etwaige Annahmen, zu denen er in besonderen Fällen gezwungen ist, weil zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch nicht bestimmt werden können (z.B. Aushub-, Abbruch- oder Wasserhaltungsarbeiten) - erforderlichenfalls anhand von Plänen und Mengenermittlungen - begründet.

81.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 9 VOB/A vergleichbar sind im Bereich der VOB § 9b VOB/A, im Bereich der VOF § 8 VOF und im Bereich der VOL §§ 8, 8a, 8b VOL/A. Die Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu der Kommentierung des § 9 herangezogen werden.

81.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 9 sind in den Nummern 5 – 10 Regelungen über technische Spezifikationen neu aufgenommen.

81.3 Bieterschützende Vorschrift

81.3.1 § 9 Nr. 1 Die Vorschrift zielt darauf ab, den Bietern eine klare Kalkulationsgrundlage zu liefern. Zugleich - und damit korrespondierend - hat sie den Zweck, die Vergleichbarkeit der Angebote zu sichern. Dass die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung auch zutreffend in dem Sinne sein muss, dass die Ausführung der beschriebenen Leistung aller Voraussicht nach zur Erreichung des seitens des Auftraggebers mit dem Auftrag verfolgten Zwecks führt, wird in § 9 VOB/A zwar zumindest nicht ausdrücklich gesagt, kann jedoch die Grundvoraussetzung dafür sein, dass die Beschreibung der Leistungen eine hinreichende Kalkulationsgrundlage bildet. Soweit Leistungen wegen ersichtlicher Unausführbarkeit nicht

4051

4052

4053

Page 5: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

verlässlich kalkuliert werden können, stellen sie keine hinreichende Basis für einen Vergleich der Angebote dar. Eine unzutreffende Leistungsbeschreibung kann insoweit Bieterrechte verletzen (VK Südbayern, B. v. 08.06.2006 - Az.: 14-05/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 26.07.2005 - Az.: 1 VK 39/05; 1. VK Bund, B. v. 6.3.2002 - Az.: VK 1 - 05/02; Saarländisches OLG, B. v. 23.11.2005 - Az.: 1 Verg 3/05; B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; VK Hamburg, B. v. 30.07.2007 - Az.: VgK FB 6/07; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.01.2007 - Az.: 1 VK 41/06 für den vergleichbaren § 8 Nr. 1 VOL/A; 2. VK Bund, B. v. 16.02.2004 - Az.: VK 2 – 22/04). Der Wortlaut der Nr. 1 des § 9 VOB/A hat also eindeutig eine bieterschützende Tendenz. Ist das Nachprüfungsverfahren im Falle europaweiter Publizität des Vergabeverfahrens eröffnet, so kann ein Bieter im Falle eines Verstoßes gegen § 9 Nr. 1 VOB/A die Wiederholung des Vergabeverfahrens erzwingen (VK Lüneburg, B. v. 29.1.2004 - Az.: 203-VgK-40/ 2003, B. v. 30.10.2003 - Az.: 203-VgK-21/2003).

81.3.2 § 9 Nr. 2, Nr. 3 Abs. 1, Nr. 4 Abs. 1, Nr. 10 Die entsprechenden Vorschriften der VOB/A dienen der Chancengleichheit der Bieter und dem Schutz vor einer unangemessenen Überbürdung von Risiken durch den Auftraggeber (Saarländisches OLG, B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; OLG Düsseldorf, B. v. 5.12.2001 - Az.: Verg 32/01). § 9 Nr. 10 VOB/A hat bieterschützende Funktion. Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Wettbewerbes dient der Wahrung der Bieterrechte; diese können sich auf die Verletzung des Gebots zur produktneutralen Ausschreibung berufen (BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; im Ergebnis ebenso VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; B. v. 28.04.2005 - Az.: 13-03/05).

81.4 Grundsatz

81.4.1 Rechtsprechung Die in § 9 geregelten Anforderungen an die Gestaltung der Leistungsbeschreibung sind sowohl für das Vergabeverfahren als auch für die spätere Vertragsdurchführung mit dem erfolgreichen Bieter von fundamentaler Bedeutung. Die Leistungsbeschreibung bildet dabei das Kernstück der Vergabeunterlagen (VK Lüneburg, B. v. 12.01.2007 - Az.: VgK-33/2006; B. v. 12.4.2002 - Az.: 203-VgK-05/2002; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Die Regelung des § 9 Nr. 1 VOB/A zählt zu den Zentralnormen des Vergaberechts. Sie stellt nicht nur inhaltliche Anforderungen an die Beschreibung der Leistung, die als "invitatio ad offerendum" den wesentlichen Inhalt des zu schließenden Vertrages bestimmt. § 9 VOB/A ist darüber hinaus unmittelbarer Ausfluss der in § 97 Abs. 1 und 2 GWB enthaltenen Grundsätze einer transparenten, die Bieter gleich behandelnden Vergabe im Wettbewerb (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer Leistungsbeschreibung sind individuell aufgestellte Regelungen zur Bauausführung, zur Verwendung und zum Einbau von Materialien und

4054

4055

4056

4056/1

Page 6: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Stoffen, die sich in einer solchen Ausführlichkeit nicht im Leistungsverzeichnis wiederfinden. Die Leistungsbeschreibung ist daher unverzichtbarer Erklärungsinhalt jeden Angebotes (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07). leer

81.5 Festlegung der Bauaufgabe und damit Festlegung des Inhalts der Leistungsbeschreibung

81.5.1 Allgemeines Es ist Sache des Auftraggebers, zu entscheiden, welche Bauaufgabe verwirklicht werden soll. Der öffentliche Auftraggeber ist also grundsätzlich frei in der Definition dessen, was er beschaffen möchte (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09; B. v. 04.03.2009 - Az.: VII-Verg 67/08; B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 52/08; B. v. 26.07.2006 - Az.: VII - Verg 19/06; B. v. 14.04.2005 - Az.: VII - Verg 93/04; OLG München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09; B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 10/08; OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2007 - Az.: 1 Verg 14/06; Thüringer OLG, B. v. 06.06.2007 - Az.: 9 Verg 3/07; B. v. 26.06.2006 - Az.: 9 Verg 2/06; LSG Baden-Württemberg, B. v. 17.02.2009 - Az.: L 11 WB 381/09; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 19.11.2009 - Az.: L 21 KR 55/09 SFB; B. v. 08.10.2009 - Az.: L 21 KR 39/09 SFB; B. v. 24.08.2009 - Az.: L 21 KR 45/09 SFB; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09; B. v. 15.02.2006 - Az.: 2 VK 82/05; B. v. 21.09.2005 - Az.: 2 VK 54/05; VK Berlin, B. v. 09.02.2009 - Az.: VK-B 1-28/08; 1. VK Bund, B. v. 20.01.2010 - Az.: VK 1 - 233/09; B. v. 10.12.2009 - Az.: VK 1 - 188/09; B. v. 04.12.2009 - Az.: VK 1 - 203/09; B. v. 26.11.2009 - Az.: VK 1 - 197/09; B. v. 10.11.2009 – Az.: VK 1 – 191/09; B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; 2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09; B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; B. v. 31.08.2009 - Az.: VK 2 – 108/09; B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v. 20.04.2009 - Az.: VK 1 - 13/09; B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 3. VK Bund, B. v. 01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09; B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; B. v. 26.03.2009 - Az.: VK 3 – 43/09; B. v. 20.03.2009 - Az.: VK 3 - 40/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08; B. v. 05.03.2008 - Az.: VK 3 - 32/08; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Münster, B. v. 18.03.2010 - Az.: VK 1/10; B. v. 07.10.2009 - Az.: VK 18/09; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Niedersachsen, B. v. 16.11.2009 - Az.: VgK-62/2009; VK Nordbayern, B. v. 10.02.2010 - Az.: 21.VK - 3194 - 01/10; B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/09; B. v. 21.04.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 10/09; B. v. 16.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 14/08; B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; 3. VK Saarland, B. v. 07.09.2009 - Az.: 3 VK 01/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06). Das Risiko, dass der von ihm bestimmte Leistungsgegenstand sich als nicht geeignet zur Erreichung der mit ihm verfolgten Zwecke erweist, trägt der Auftraggeber (1. VK Bund, B. v. 6.3.2002 - Az.: VK

4057

4058

Page 7: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

1 - 05/02; im Ergebnis ebenso VK Lüneburg, B. v. 18.06.2004 - Az.: 203-VgK-29/2004, B. v. 18.12.2003 - Az.: 203-VgK-35/2003). Weder im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren ist für die am Auftrag interessierten Unternehmen Raum, eigene, insbesondere abändernde Vorstellungen hinsichtlich des Auftragsgegenstandes anzubringen oder gar gegen den Auftraggeber durchzusetzen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 04.03.2009 - Az.: VII-Verg 67/08). Das Vergabeverfahren und ein sich daran anschließendes Vergabenachprüfungsverfahren dienen grundsätzlich allein dazu, den Vertragspartner für den vom Auftraggeber einseitig festgesetzten Auftragsgegenstand zu finden. Sie können nicht dazu benutzt werden, um Vorstellungen des Unternehmers über einen anderen Auftragsgegenstand zu verfolgen oder gar durchzusetzen. Anders ist dies in gewissem Umfange nur dann, wenn der Auftraggeber den Auftragsgegenstand nicht vollständig selbst beschreibt und dem Unternehmer Raum für eigene Vorstellungen (z.B. mittels der Zulassung von Nebenangeboten, Alternativpositionen oder einer funktionellen Ausschreibung) zubilligt (OLG Düsseldorf, B. v. 04.03.2009 - Az.: VII-Verg 67/08). Die Bestimmung des Auftragsgegenstands ist einer etwaigen Ausschreibung und Vergabe vorgelagert und muss vom öffentlichen Auftraggeber erst einmal in einer zu einer Nachfrage führenden Weise getroffen werden, bevor die Vergabe und das Vergabeverfahren betreffende Belange der an der Leistungserbringung interessierten Unternehmen berührt sein können. Dagegen können Bieter nicht mit Erfolg beanspruchen, dem Auftraggeber eine andere Leistung mit anderen Beschaffungsmerkmalen und Eigenschaften, als von ihm in den Verdingungsunterlagen festgelegt worden ist, anzudienen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09). Schon in Ermangelung entsprechender vergaberechtlicher Vorschriften, deren Einhaltung überprüft werden könnte, ist es auch nicht Aufgabe vergaberechtlicher Nachprüfungsinstanzen und liegt auch nicht in deren Kompetenz, zu überprüfen, ob dieser Bedarf in sinnvoller Weise definiert wurde oder ob andere als die nachgefragten Varianten vorteilhafter bzw. wirtschaftlicher wären (OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 52/08; B. v. 06.07.2005 - Az.: VII - Verg 26/05; B. v. 14.04.2005 - Az.: VII - Verg 93/04; OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09; B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 10/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; 3. VK Bund, B. v. 26.03.2009 - Az.: VK 3 – 43/09; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; 2. VK Bund, B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; VK Münster, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; 1. VK Sachsen, B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08; B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G). Anders als z. B. bei der Frage, in welcher Weise die Leistung auszuschreiben ist oder welcher Bieter im Einklang mit dem Vergaberecht den Zuschlag erhalten darf, ist der Auftraggeber bei der Formulierung des Bedarfs grundsätzlich autonom. Der öffentliche Auftraggeber muss als späterer Nutzer der nachgefragten Leistung schließlich am besten wissen, was er braucht (VK Baden-Württemberg, B. v. 17.03.2004 - Az.: 1 VK 12/04; 1. VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; B. v. 8.1.2004 - Az.: VK 1 - 117/03; 2. VK Bund, B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08; B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 3. VK Bund, B. v. 05.03.2008 - Az.: VK 3 - 32/08; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06).

4058/1

4058/2

4059

Page 8: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Dies gilt selbst dann, wenn eine vom Bieter angebotene Technologie zwar nicht den sich aus dem Leistungsverzeichnis konkludent ergebenden, objektiven gesetzlichen Konsequenzen, wohl aber den im Leistungsverzeichnis niedergelegten Anforderungen entspricht. Beschließt also beispielsweise eine Vergabestelle, ein Auto zu beschaffen, ohne im Leistungsverzeichnis eine TÜV-Zulassung zu verlangen, so braucht auch nur ein Auto ohne TÜV-Zulassung angeboten zu werden, auch wenn die Vergabestelle erkennbar vorhat, später damit am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Ob und wie sich die Vergabestelle diese TÜV-Zulassung später besorgt, ist nicht Sache des Bieters (VK Baden-Württemberg, B. v. 17.03.2004 - Az.: 1 VK 12/04). Die Vergabenachprüfungsinstanzen haben weder eine bestmögliche noch eine möglichst risikolose Beschaffung durch den öffentlichen Auftraggeber sicherzustellen. Wie ein Privater hat der öffentliche Auftraggeber allein die Art der zu vergebenden Leistung und den Auftragsgegenstand zu bestimmen. Wenn der Auftraggeber durch die Beschreibung der Leistung - z.B. durch Aufstellen bestimmter, von den Angeboten (lediglich) einzuhaltender Mindestanforderungen - gewisse Risiken im Hinblick auf den angestrebten Leistungserfolg in Kauf nehmen will, ist dies von den Vergabenachprüfungsinstanzen hinzunehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09). Das Vergaberecht regelt grundsätzlich nicht das "Ob" oder "Was" einer Beschaffung, sondern lediglich das "Wie". Sofern an die Beschaffenheit der Leistung keine ungewöhnlichen Anforderungen gestellt werden, ist es deshalb vergaberechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber mit der bisherigen Bedarfsdeckung zufrieden ist und daher den nunmehr zu vergebenden neuen öffentlichen Auftrag unter Verwendung ähnlicher oder gleicher Bedingungen dem Wettbewerb unterstellt (VK Lüneburg, B. v. 07.09.2005 - Az.: VgK-38/2005). Die Vergabestelle ist auch nicht verpflichtet , ihren Bedarf so auszurichten, dass möglichst alle auf dem Markt agierenden Teilnehmer leistungs- und angebotsfähig sind (LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 19.11.2009 - Az.: L 21 KR 55/09 SFB; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Münster, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Nordbayern, B. v. 16.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 14/08; 3. VK Saarland, B. v. 07.09.2009 - Az.: 3 VK 01/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/041-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: 39-12/06; VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G). Dies gilt auch im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs (OLG Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2007 - Az.: 1 Verg 14/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06). Der Auftraggeber darf in der Beschaffenheit seines Produktes auch von technischen Regelwerken abweichen (VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09). Dem öffentlichen Auftraggeber muss es darüber hinaus möglich sein, im Verlaufe des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten; anderenfalls würde der Auftraggeber dazu verpflichtet, ein Produkt zu kaufen, von dem er bereits im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung weiß, dass es seine Bedürfnisse nicht optimal befriedigt. Ein derartiges Ergebnis stünde nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und

4060

4060/0

4061

4062

4062/1

4062/1,1

4062/2

Page 9: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Sparsamkeit, zu deren Einhaltung öffentliche Stellen verpflichtet sind (3. VK Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09). Was ein öffentlicher Auftraggeber beschafft, obliegt grundsätzlich allein seiner Entscheidung, er bestimmt, welche Leistungseigenschaften und -inhalte der Auftragsgegenstand seiner Auffassung nach haben soll und umgekehrt, welche weiteren Kriterien für ihn möglicherweise nicht relevant sind. Ein Vergaberechtsverstoß liegt also nicht bereits darin, dass ein öffentlicher Auftraggeber Vorgaben an den Inhalt der Angebote stellt, die auch solche Angebote erfüllen, die aus Sicht eines Bieters die Besonderheiten des von ihm angebotenen Produkts nicht hinreichend berücksichtigen (1. VK Bund, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK 1 - 197/09). Ausgangspunkt der Angebotsvergleichbarkeit ist die Leistungsbeschreibung, deren Erstellung Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, der sich an seinem Beschaffungsbedarf orientiert. Daher obliegt es zunächst ihm allein festzulegen, welche Leistungseigenschaften und -inhalte der Auftragsgegenstand seiner Auffassung nach haben soll und umgekehrt, welche weiteren Kriterien für ihn möglicherweise nicht relevant sind, soweit dies nur für alle Bieter hinreichend deutlich und transparent wird. Solche weiteren Kriterien, die für den öffentlichen Auftraggeber nicht relevant sind, können bei objektiver Betrachtung daher durchaus Produktunterschiede charakterisieren; sie führen jedoch nicht dazu, dass diese Produkte im Rahmen der betreffenden Ausschreibung nicht miteinander verglichen werden könnten – vorausgesetzt, diese Güter genügen gleichermaßen den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers. Ein Vergaberechtsverstoß liegt also nicht bereits darin, dass ein öffentlicher Auftraggeber Vorgaben an den Inhalt der Angebote stellt, die auch solche Angebote erfüllen, die aus Sicht eines Bieters unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und somit (ebenfalls aus Sicht des Bieters) nicht untereinander vergleichbar sind. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht des öffentlichen Auftraggebers als Nachfrager. Die abgegebenen Angebote müssen daher lediglich geeignet sein, den in der Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend beschriebenen Bedarf des öffentlichen Auftraggebers zu decken (1. VK Bund, B. v. 20.01.2010 - Az.: VK 1 - 233/09).

81.5.2 Begrenzung durch die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes wird allerdings begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; 2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09; B. v. 31.08.2009 - Az.: VK 2 – 108/09; B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v. 20.04.2009 - Az.: VK 1 - 13/09B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 3. VK Bund, B. v. 01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09; VK Nordbayern, B. v. 10.02.2010 - Az.: 21.VK - 3194 - 01/10; B. v. 16.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 14/08; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09). Eine willkürliche Diskriminierung von Bietern im Wege der Leistungsbeschreibung ist daher unzulässig, und eine Leistungsbeschreibung darf nicht in solchem Maße fehlerhaft sein, dass eine Vergleichbarkeit der auf ihr basierenden Angebote schlechterdings ausgeschlossen erscheint (2. VK Bund, B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 1. VK Bund, B. v. 6.3.2002 - Az.: VK 1 - 05/02; VK Lüneburg, B. v. 18.12.2003 - Az.: 203-VgK-35/2003).

4062/3

4062/4

4063

Page 10: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Der öffentliche Auftraggeber und die Vergabenachprüfungsinstanzen müssen auch auf die Abgrenzung achten, ob das einer Ausschreibung zugrunde gelegte Leistungsprofil der allein der Disposition der Vergabestelle überlassenen "Bauleistung" im Sinn von § 1 VOB/A zuzurechnen ist oder aber innerhalb dieses Rahmens als produkt- bzw. verfahrensspezifische Beschränkung zu gelten hat, die den bieterschützenden Anforderungen des § 9 Nr. 5 VOB/A unterliegt. Maßgebend für diese Abgrenzung sind die - anhand der Einzelfallumstände zu ermittelnden - mit dem Beschaffungsprojekt verfolgten Ziele und Zwecke (Thüringer OLG, B. v. 26.06.2006 - Az.: 9 Verg 2/06; VK Nordbayern, B. v. 16.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 14/08). Seine Grenzen findet die Dispositionsfreiheit auch im Gebot der Losaufteilung, wie er in § 97 Abs. 3 GWB bzw. § 5 Nr. 1 VOL/A niedergelegt ist (2. VK Bund, B. v. 15.09.2008 - Az.: VK 2 – 94/08). Vgl. dazu die Kommentierung zu § 97 Abs. 3 GWB RZ 268. Seine Grenzen findet die Dispositionsfreiheit auch dann, wenn der Auftraggeber eine aus rechtlichen Gründen unmögliche, objektiv nicht erfüllbare Leistung ausgeschrieben hätte, oder er - um im Sinne des § 16 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A eine Vergabereife herzustellen - verpflichtet gewesen wäre, eine gegebenenfalls erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung z.B. für eine von ihm geplante Entsorgung herbeizuführen oder insoweit wenigstens die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit zu klären (OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 52/08). Die Freiheit des öffentlichen Auftraggebers, seinen Bedarf autonom zu definieren, besteht nur innerhalb der Grenzen des Vergaberechts. Diese Grenzen sind überschritten, wenn die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung verstößt (OLG München, B. v. 05.11.2009 - Az.: Verg 15/09; 2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09; B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; B. v. 20.04.2009 - Az.: VK 1 - 13/09).

81.5.3 Festlegung des Sicherheitsniveaus einer Leistungsbeschreibung Es ist Aufgabe der Vergabestelle bereits in der Vorphase eines Vergabeverfahrens, das Sicherheitsniveau festzulegen, nach dem die ausgeschriebenen Bauarbeiten auszuführen sind. Diese Festlegung gilt in allererster Linie bereits für das der Ausschreibungskonzeption zugrunde zu legende Sicherheitskonzept. Hierbei verbleibt der Vergabestelle bei allen die Sicherheit der Baumaßnahmen z. B. im Kanalbau betreffenden Fragen auch nach Klärung der technischen Aspekte, die mit einzelnen Lösungsvorschlägen verbunden sind, grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum, den sie mit ihren Wertungen ausfüllen kann. Die Vergabestelle kann sich ohne Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften unter mehreren möglichen Lösungen, die alle technisch durchführbar und innerhalb einer bestimmten Bandbreite sicher sind, entweder für die eher konservative, dafür aber bewährte Lösung oder für die eher fortschrittliche, dafür aber aus Sicht der Vergabestelle mit gewissen Risiken behaftete Lösung entscheiden (VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; 2. VK Bund, B. v. 8.10.2003 - Az.: VK 2 - 78/03).

4064

4064/1

4064/2

4064/3

4065

4066

Page 11: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.5.4 Bekanntgabe auch der später auszuschreibenden Lose? Bei der getrennten Ausschreibung und Vergabe eines einzelnen Loses ist den Bietern nicht bekannt zu geben, dass der Gesamtbedarf ein weiteres, getrennt ausgeschriebenes und zu vergebendes Los umfasst. Dies kann zwar kalkulationsrelevant sein, weil bei der Preisermittlung für das erste Angebot die reelle Chance auf die Erteilung des Zuschlags für den nachfolgenden Leistungszeitraum mit berücksichtigt werden kann. Im Ergebnis wird damit aber die Eröffnung einer Spekulationsmöglichkeit begehrt, denn es ist völlig unsicher, wer den Zuschlag für den Zweitauftrag erhält. Dies ist vom Schutzzweck des Transparenzgebots jedoch nicht umfasst. Die Eröffnung solcher Spekulationsmöglichkeiten steht der Vergleichbarkeit der Angebote der beteiligten Bieter und damit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz geradezu entgegen: Um eine möglichst weitgehende Vergleichbarkeit der abgegebenen Angebote zu erreichen, sind durch das Vergaberecht nicht nur Pflichten für den Auftraggeber, z.B. bei der Gestaltung der Leistungsbeschreibung, festgelegt. Vielmehr ist auch der Bieter gehalten, seine Preise seriös und auskömmlich zu kalkulieren (3. VK Bund, B. v. 29.09.2005 - Az.: VK 3 - 121/05).

81.5.5 Literatur • Erdl, Cornelia, Unklare Leistungsbeschreibung des öffentlichen Auftraggebers im

Vergabe- und im Nachprüfungsverfahren, BauR 2004, 166 • Kenter, Carolin, / Brügmann, Klaus, Dominierendes Bestimmungsrecht des

Auftraggebers, BauR 2004, 395 • Kummermehr, Wolfgang, Angebotsbearbeitung und Kalkulation des Bieters bei unklarer

Leistungsbeschreibung, BauR 2004, 161 • Markus, Jochen, Ansprüche des Auftragnehmers nach wirksamer Zuschlagserteilung bei

„unklarer Leistungsbeschreibung“ des Auftraggebers, BauR 2004, 180 • Noch, Rainer, nicht immer zwingend – Leistungsbeschreibung und subjektive Rechte,

Behörden Spiegel, September 2005, 21 • Prieß, Hans-Joachim, Die Leistungsbeschreibung – Kernstück des Vergabeverfahrens

(Teil 1), NZBau 2004, 20 • Prieß, Hans-Joachim, Die Leistungsbeschreibung – Kernstück des Vergabeverfahrens

(Teil 2), NZBau 2004, 87 • Quack, Friedrich, Über die Eindeutigkeit von Gesetzen, Vertragstexten und sonstigen

Beschreibungen einschließlich der Leistungsbeschreibungen, ZfBR 2009, 411

81.6 Notwendigkeit der Festlegung strategischer Ziele und Leistungsanforderungen in der Leistungsbeschreibung Ein Auftraggeber, der im Vorfeld einer Ausschreibung, noch unbeeinflusst von der Kenntnis möglicher Angebote der Bieter, nicht zumindest eigene strategische Ziele und Leistungsanforderungen definiert, ist im Rahmen einer späteren Wertung der Angebote regelmäßig auch nicht in der Lage, die für ihn wesentlichen Nutzen- und Kostenaspekte der einzelnen Angebote zu analysieren. Er setzt sich der Gefahr aus, seine Zuschlagentscheidung letztlich fremdbestimmt zu treffen. Hierin liegt eine Verletzung des Wettbewerbsprinzips

4067

4068

4069

Page 12: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

und auch des Diskriminierungsverbotes, weil eine Gleichbehandlung aller Angebote auf dieser Grundlage nicht gewährleistet ist (OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06).

81.7 Pflicht der Vergabestelle, bestehende Wettbewerbsvorteile und -nachteile potentieller Bieter durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen "auszugleichen"?

81.7.1 Allgemeines Es ist letztlich Sache der Unternehmen, auf welche technischen Verfahren sie sich am Markt spezialisieren. Dies kann in Vergabeverfahren grundsätzlich nicht dazu führen, dass ihnen eine wirtschaftliche Ausnutzung eines möglicherweise bestehenden Marktvorteils zum Nachteil ausgelegt wird und ihre Teilnahmechancen am vergaberechtlichen Wettbewerb beschnitten werden. Dies liefe dem Wettbewerbsprinzip des § 97 Abs. 1 GWB gerade zuwider (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; 2. VK Bund, B. v. 8.10.2003 - Az.: VK 2 - 78/03). Auch ist ein Informationsvorsprung nicht per se wettbewerbswidrig (BayObLG, B. v. 5.11.2002 - Az.: Verg 22/02; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09). Es ist eine Tatsache, die weder abänderbar noch zu beanstanden, sondern im Gegenteil wünschenswert ist, dass die Bieter in einem Vergabeverfahren unterschiedliche Wettbewerbsvoraussetzungen mitbringen. Es ist die praktische Umsetzung des auch dem Vergaberecht zugrunde liegenden allgemeinen Wettbewerbsgedankens, § 97 Abs. 1 GWB, dass diese vorhandenen Wettbewerbsvorteile bei der Angebotserstellung - und zwar auch im Rahmen von Nebenangeboten - nutzbar gemacht werden. Es wäre lebensfremd und würde dem Wettbewerbsprinzip zuwiderlaufen, die Ausnutzung eines derartigen Wettbewerbsvorteils zu bestrafen, indem der Vergabestelle verboten wird, ein darauf basierendes Angebot zu werten und gegebenenfalls den Zuschlag hierauf zu erteilen, solange die Vergabestelle nicht ihrerseits den Wettbewerbsvorteil in diskriminierender Weise verschafft hat (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 – Az.: VK-SH 25/06; VK Hessen, B. v. 13.10.2005 - Az.: 69 d VK – 69/2005; 1. VK Bund, B. v. 11.6.2002 - Az.: VK 1 - 25/02). Ebenso ist ein Kostenvorteil durch mehrere Aufträge nicht zu beanstanden (2. VK Bund, B. v. 18.11.2004 - Az.: VK 2 – 169/04). Die Verpflichtung der Vergabestelle, den Auftrag in einem fairen Wettbewerb zu vergeben, beinhaltet nicht die Schaffung identischer Ausgangsbedingungen. Potentiell kalkulationserhebliche Unterschiede, die sich aus der Vielfalt privatrechtlicher Organisationsformen mit verschiedenen Steuerregeln ergeben, können mit dem Instrumentarium des Vergaberechts ebenso wenig beseitigt werden wie standortabhängige Unterschiede (z.B. unterschiedliche Hebesätze bei der Gewerbesteuer oder niedrigere Steuern im Ausland) (OLG Koblenz, B. v. 28.10.2009 - Az.: 1 Verg 8/09).

4070

4071

4072

4072/1

Page 13: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 7 VOB/A RZ 3812.

81.7.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• sind vom früheren Betriebsinhaber betriebliche Versorgungsanwartschaften für Arbeitnehmer begründet worden, so haftet dieser im Falle eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB nur für die innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang fällig werdenden Betriebsrentenansprüche. Dies gilt auch, wenn der (Teil-)Betriebsübergang (hier: Neubereederung eines Forschungsschiffes) auf der Grundlage eines vergaberechtlichen Ausschreibungsverfahrens erfolgt ist. Der Betriebsübernehmer ist den ihn treffenden nachteiligen Folgen in einem solchen Fall nicht schutzlos ausgeliefert. Zwar können der Betriebsübernehmer und der alte Betriebsinhaber die zu erwartenden Versorgungslasten nicht - wie bei einem direkten Erwerb - bei der Gestaltung des Kaufpreises berücksichtigen. Jedoch bleibt es dem Übernehmer im Rahmen des Vergabeverfahrens unbenommen, die mit dem Betriebsübergang einhergehenden Belastungen bei seinem Angebot zu berücksichtigen. Der Einwand, ein Bieter sei dann aber bei der Kalkulierung seines Angebots gegenüber einem anderen Bieter, der bereits entsprechende Rückstellungen getroffen habe, im Nachteil, hätte, wenn überhaupt, allenfalls im Vergabeverfahren von Bedeutung sein können (BGH, B. v. 19.03.2009 - Az.: III ZR 106/08)

• aus der Möglichkeit sowohl neue als auch gebrauchte Abfallbehälter in die Angebote der Lose 1 und 2 aufzunehmen, ergibt sich kein unzulässiger Wettbewerbsvorteil. Grundsätzlich bleibt es allen Bietern unbenommen, ganz oder teilweise neue oder gebrauche Behälter aus dem eigenen Unternehmen zur Verfügung zu stellen oder - neu oder gebraucht - zu erwerben. Möglicherweise entsteht hieraus ein Vorteil für diejenigen Bewerber, die bereits über einen ausreichenden Vorrat gebrauchter Behälter auch in den erforderlichen Farben und Erhaltungszustand verfügen. Allerdings müssten auch diese die Behälter zu einem früheren Zeitpunkt angeschafft und die Kosten hierfür aufgewendet haben (VK Hessen, B. v. 01.06.2005 - Az.: 69 d VK - 33/200)

• der Auftraggeber ist nicht verpflichtet , Leistungen, die er aufgrund eigener Erfahrungen in der Vergangenheit bedarfsgerecht ausgeschrieben und bewertet hat, bei jeder Neuausschreibung abzuändern nur um den bisherigen Anbietern keinen (vermeintlichen) Wettbewerbsvorteil zu eröffnen (3. VK Bund, B. v. 28.01.2005 - Az.: VK 3 - 221/04 – für den Bereich der VOL/A)

• patentrechtlich gesicherte Bauverfahren (2. VK Bund, B. v. 8.10.2003 - Az.: VK 2 - 78/03)

• ein aufgrund besonderer Geschäftsbeziehungen erlangter Informationsvorsprung der hier in Frage stehenden Art ist nicht per se wettbewerbswidrig. Besondere Umstände, die das Verhalten etwa als unlauter oder kartellrechtswidrig erscheinen lassen könnten, sind weder dem Sachvortrag der Beteiligten noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen (BayObLG, B. v. 5.11.2002 - Az.: Verg 22/02)

• allein die Tatsache, dass ein Bieter bereits durch frühere Forschungstätigkeit Erfahrungen gesammelt hat und damit im Gegensatz zu anderen Bietern einen Wettbewerbsvorteil besitzt, bedeutet noch keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Denn bei derartigen Erfahrungen handelt es sich um Werte, die aufgrund eigener wirtschaftlicher Leistung erworben wurden und damit auch

4073

4074

Page 14: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

in der Vergabeentscheidung positiv berücksichtigt werden können (2. VK Bund, B. v. 26.9.2003 - Az.: VK 2 - 66/03)

• die Möglichkeit, ein Pauschalangebot zu kalkulieren, hatte lediglich der Bieter, der aufgrund der bei ihm vorhandenen Kenntnisse - allgemeine Ortskenntnis infolge vorangegangener Aufträge, konkrete Kenntnisse bezüglich des Auftrags infolge Ortsbesichtigung - über Informationen verfügte, die über die Leistungsbeschreibung hinausgingen. Ihm kam ein - zulässiger - Wissensvorsprung und damit ein Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu den Konkurrenten um den Auftrag zu (1. VK Bund, B. v. 11.6.2002 - Az.: VK 1 - 25/02)

• der Eignungsgrad und die unternehmensspezifischen Kosten, die mit einer Auftragsübernahme verbunden wären, differieren je nach personeller und materieller Ausstattung, Lage der Betriebsstätten, der Auslastung und unternehmensspezifischen Erfahrungen. Ein an den Auftraggeber gerichtetes Gebot, derartige Wettbewerbsvorteile bereits bei der Entscheidung über die Leistung, die beschafft werden soll, auszugleichen, gibt es grundsätzlich nicht. Vielmehr kann ein Auftraggeber, wenn es vernünftige Gründe dafür gibt, den Leistungsinhalt so bestimmen, dass einzelne Bieter Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen haben. Der Auftraggeber darf sich dabei z. B. von Erwägungen der Wirtschaftlichkeit leiten lassen, selbstredend jedoch nicht von der Absicht der Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens (VK Münster, B. v. 14.11.2002 - Az.: VK 16/02)

81.8 Auslegung der Leistungsbeschreibung

81.8.1 Objektiver Empfängerhorizont Beim Vergabeverfahren nach der VOB/A ist maßgebend der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht der potentiellen Bieter (BGH, Urteil vom 23.1.2003 - Az.: VII ZR 10/01, Urteil vom 18.4.2002 - Az: VII ZR 38/01, Urteil vom 28.2.2002 - Az.: VII ZR 376/00; Brandenburgisches OLG, B. v. 05.01.2006 - Az.: Verg W 12/05; OLG Celle, B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; OLG Düsseldorf, B. v. 31.07.2007 - Az.: VII - Verg 25/07; OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; Urteil v. 19.05.2006 - Az.: 8 U 69/05; OLG Köln, B. v. 23.12.2009 - Az.: 11 U 173/09; OLG München, B. v. 10.09.2009 - Az.: Verg 10/09; B. v. 19.12.2007 - Az.: Verg 12/07; B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; B. v. 11.08.2005 - Az.: Verg 012/05; OLG Saarbrücken, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07; B. v. 13.11.2002 - Az.: 5 Verg 1/02; Thüringer OLG, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; 1. VK Bund, B. v. 11.11.2003 - Az.: VK 1 - 103/03; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; VK Lüneburg, B. v. 12.01.2007 - Az.: VgK-33/2006; 3. VK Bund, B. v. 14.07.2006 - Az.: VK 3 - 63/06; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 26/09; B. v. 22.09.2009 - Az.: VK 16/09; B. v. 16.01.2008 - Az.: VK 28/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 07.12.2007 - Az.: VK 39/07; B. v. 08.11.2007 - Az.: VK 43/07; 1. VK Sachsen, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1/SVK/003-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.02.2010 - Az.: VK-SH 27/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08; B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07; B. v. 08.06.2006 - Az.: 14-05/06; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06; B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-

4075

Page 15: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

03/06; B. v. 13.07.2004 - Az.: 46-06/04), die mit der geforderten Leistung in technischer Hinsicht vertraut sind (Brandenburgisches OLG, B. v. 14.09.2004 - Az.: Verg W 5/04; OLG Celle, B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; B. v. 08.02.2005 - Az.: VII - Verg 100/04; B. v. 15.5.2002 - Az.: Verg 4/01, B. v. 29.12.2001 - Az.: Verg 22/01; OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; OLG München, B. v. 29.03.2007 - Az.: Verg 02/07; B. v. 11.08.2005 - Az.: Verg 012/05; BayObLG, B. v. 17.02.2005 - Verg 027/04; Saarländisches OLG, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07; Thüringer OLG, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; 3. VK Bund, B. v. 01.08.2006 - Az.: VK 3 - 72/06; B. v. 14.07.2006 - Az.: VK 3 - 63/06; B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; B. v. 14.01.2010 - Az.: VK 26/09; B. v. 22.09.2009 - Az.: VK 16/09; B. v. 16.01.2008 - Az.: VK 28/07; B. v. 19.06.2007 - Az.: VK 12/07; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; ; B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05; 1. VK Sachsen, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1/SVK/003-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08; B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07; B. v. 08.06.2006 - Az.: 14-05/06; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06; B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06; B. v. 10.05.2005 - Az.: 14-03/05). Das mögliche Verständnis nur einzelner Empfänger kann nicht berücksichtigt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 - Az.: VII - Verg 02/05; OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; Urteil v. 19.05.2006 - Az.: 8 U 69/05; B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Erweist sich die Leistungsbeschreibung in den strittigen Punkten aber als eindeutig, ist für die Auslegung kein Raum (VK Brandenburg, B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; VK Südbayern, B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der jeweils für die Abgabe eines Angebots in Frage kommende Bieterkreis über ein erhebliches Fachwissen verfügen muss. Das bedeutet, dass beispielsweise selbstverständliche fachliche Zusammenhänge, die für jeden Bieter offensichtlich sind oder von ihm ohne weiteres erkannt werden können, nicht eigens dargestellt und erläutert zu werden brauchen. Dies gilt umso mehr, weil es der Bieter in der Hand hat, vor Abgabe seines Angebots etwaige für ihn bestehende Unklarheiten zum Inhalt der Leistungsbeschreibung durch eine Anfrage bei der Vergabestelle aufzuklären (VK Lüneburg, B. v. 12.01.2007 - Az.: VgK-33/2006; VK Münster, B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Neben dem Wortlaut sind bei der Auslegung die Umstände des Einzelfalls, unter anderem die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - Az.: VII ZR 194/06; Urteil vom 18.4.2002 - Az: VII ZR 38/01; 1. VK Bund, B. v. 11.11.2003 - Az.: VK 1 - 103/03; VK Münster, B. v. 22.09.2009 - Az.: VK 16/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06). Besonders bedeutsam ist auch der Wortlaut (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - Az.: VII ZR 194/06; Urteil vom 9.1.1997 - Az.: VII ZR 259/95; KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09; Brandenburgisches OLG, B. v. 14.09.2004 - Az.: Verg W 5/04; OLG Braunschweig, Urteil vom 19.7.2001 - Az.: 8 U 134/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.1.2001 - Az.: U (Kart) 9/00; OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; Urteil v. 19.05.2006 - Az.: 8 U 69/05; B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05;

4075/1

4076

4077

Page 16: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Thüringer OLG, B. v. 30.03.2009 - Az.: 9 Verg 12/08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; VK Südbayern, B. v. 13.07.2004 - Az.: 46-06/04). Bei der Frage, wie ein Leistungsverzeichnis zu verstehen ist, darf der Bieter nicht einfach von der für ihn günstigsten Auslegungsmöglichkeit ausgehen und unterstellen, nur diese könnte gemeint sein. Er muss sich stattdessen ernsthaft fragen, was die Vergabestelle aus ihrer Interessenlage heraus wirklich gewollt hat. Wenn ihm bei dieser Überlegung Zweifel kommen müssen, ob seine Auslegung tatsächlich dem Willen der Vergabestelle entspricht, ist es ihm zumutbar, diese Zweifel durch eine Anfrage bei der Vergabestelle aufzuklären (OLG Brandenburg, B. v. 04.03.2008 - Az.: Verg W 3/08; OLG Köln, B. v. 23.12.2009 - Az.: 11 U 173/09; 2. VK Bund, B. v. 22.1.2003 - Az.: VK 2 - 94/02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK-SH 29/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 14.05.2008 - Az.: VK-SH 06/08; B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Um die Abgabe vergleichbarer Angebote sicherzustellen und damit einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ist es nämlich zwingend erforderlich, dass sämtliche Bieter eines Vergabeverfahrens die ausgeschriebenen Leistungsmerkmale in gleicher Weise verstehen und demzufolge vergleichbare Angebote abgeben können. Dieser das Vergabeverfahren tragende Grundsatz würde ausgehebelt werden, wollte man jedem Bieter bei Zweifeln am Wortlaut der Ausschreibungsunterlagen zugestehen, diese nach eigenem Gutdünken auszulegen und sein Angebot darauf abzustellen (OLG Brandenburg, B. v. 04.03.2008 - Az.: Verg W 3/08; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Erkennt ein Bieter, dass ein bestimmtes Produkt verlangt und damit anzubieten ist und ist ihm nur ein Hersteller bekannt, dessen Produkt die Vorgaben erfüllen kann, darf er aus dem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß einer verdeckten Leitfabrikatsausschreibung nicht schließen, dass er diesen Umstand nicht rügen muss, sondern – die Verdingungsunterlagen auslegend - ein abweichendes Produkt anbieten darf. Die gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu erhebende Rüge gemäß § 107 Abs. 3 GWB dient der möglichst frühzeitigen Beseitigung erkannter Vergaberechtsverstöße. Diese Obliegenheit kann nicht durch Auslegung der Verdingungsunterlagen ersetzt werden (VK Brandenburg, B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07). Intensive Auslegungsbemühungen, wie sie im Streitfall einem Gericht obliegen, sind von einem Bieter regelmäßig nicht zu erwarten (OLG Koblenz, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05). Nachträglich – z.B. im Laufe eines Vergabenachprüfungsverfahrens – auftretende Zweifel bei der Auslegung der Verdingungsunterlagen gehen zu Lasten der Vergabestelle (Thüringer OLG, B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08).

81.8.2 VOB-konforme Auslegung Der Bieter einer Ausschreibung nach der VOB/A darf bei möglichen Auslegungszweifeln eine Ausschreibung als den Anforderungen der VOB/A entsprechend verstehen. Kann also beispielsweise ein Leistungsverzeichnis unter anderem auch in einer Weise verstanden werden, dass dem Bieter kein ungewöhnliches Wagnis zugemutet wird, so darf der Bieter die Ausschreibung in diesem, mit den Anforderungen der VOB/A übereinstimmenden Sinne verstehen (BGH, Urteil vom 9.1.1997 - Az.: VII ZR 259/95, Urteil vom 11.11.1993 - VII ZR

4078

4078/1

4079

4079/1

4080

Page 17: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

47/93; OLG Koblenz, Urteil v. 19.05.2006 - Az.: 8 U 69/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.06.2006 - Az.: VK-SH 12/06;).

81.8.3 Kein Vorrang des Leistungsverzeichnisses vor den Vorbemerkungen Es gibt innerhalb der Leistungsbeschreibung (§ 1 Nr. 2 a VOB/B) keinen grundsätzlichen Vorrang des Leistungsverzeichnisses vor den Vorbemerkungen. Zur Leistungsbeschreibung gehören sowohl die Vorbemerkungen als auch die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses. In aller Regel enthalten die Vorbemerkungen wesentliche Angaben, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind. Diese Angaben sind in Verbindung mit dem Leistungsverzeichnis und auch anderen vertraglichen Unterlagen als sinnvolles Ganzes auszulegen. Konkret auf das Bauvorhaben bezogenen Vorbemerkungen kann bei der Auslegung der Leistungsbeschreibung allerdings größeres Gewicht zukommen als nicht genügend angepasste Formulierungen eines Standardleistungsverzeichnisses (BGH, Urteil vom 11.3.1999 - Az.: VII ZR 179/98).

81.8.4 Heranziehung der Eigenschaften von Leitfabrikaten Soweit die verbale Leistungsbeschreibung über eine wesentliche Eigenschaft eines zu liefernden Produkts keine ausreichend differenzierte Aussage trifft, ist im Zweifel auf die entsprechende Produkteigenschaft des Leitfabrikats zurückzugreifen (OLG Naumburg, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1 Verg 20/04). Werden Anforderungen an eine Leistung durch nicht genannte Eigenschaften von Leitfabrikaten beschrieben, sind diejenigen Eigenschaften dieser Leitfabrikate, die Bezug zu Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit und Gesundheit haben, zwingend für die ausgeschriebene Leistung. Sonst wäre durch ausdrückliche Benennung deutlich zu machen müssen, welche Eigenschaften zwingend und welche entbehrlich sind (VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09).

81.8.5 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• aus der Sicht des potentiellen Bieter ist es eindeutig oder zumindest nahe liegend, dass mit der im Leistungsverzeichnis enthaltenen Kennzeichnung der Fugenspalten mit den Maßen "28 - 30 mm" bzw. "8 - 40 mm" die Minimal- und Maximalbreite der Fugespalten bezeichnet worden ist. Für einen potentiellen Bieter ist es offenkundig, dass bei einer zu sanierenden Fahrbahn infolge der langjährigen Abnutzung die Fugenspaltbreite nicht - wie beim Neubau - konstant, sondern variabel ist (OLG Köln, B. v. 23.12.2009 - Az.: 11 U 173/09)

• fordert der Auftraggeber ein funktionales Angebot des Auftragnehmers zur Erstellung einer technischen Anlage für ein Bauwerk unter Vorlage der von ihm bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Bauwerksplanung, so wird diese grundsätzlich Gegenstand des Angebots (BGH, Urteil vom 13.03.2008 - Az.: VII ZR 194/06)

4081

4082

4082/0,1

4082/1

Page 18: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

• verwendet die Straßenbauverwaltung für die Leistungsbeschreibung der Position „Verkehrssicherung“ bei der Erstellung von Vergabeunterlagen die Textbausteine des Standardleistungskataloges für den Straßen- und Brückenbau, Leistungsbereich 105 - Verkehrssicherung, Ausgabe 1974 (und ist danach die Vergütung für die Maßnahmen der Verkehrssicherung automatisch gemäß dem Wortlaut der Ausschreibung pauschaliert) und wird zum 10.05.2005 das AVA-Programm „Arriba planen Version V 11.1“ eingeführt, wobei gleichzeitig der bereits im August 2003 neu eingeführte Standardleistungskatalog Leistungsbereich 105 – Verkehrssicherung an Arbeitsstellen – für jeden Anwender in der öffentlichen Verwaltung verbindlich wird, gemäß dem grundsätzlich ein Wechsel von der Pauschalierung hin zu Einheitspreisen erfolgte und gibt anders als in den weiteren Ausschreibungen die Straßenbauverwaltung die Stückzahl in den streitgegenständlichen Ausschreibungen allerdings mit „1,00“ und nicht mit einer größeren Mengenangabe an (vgl. die Langtextverzeichnisse für die Projekte 03-05-001V1 [B…], 05_106 [Be…] und 05_106 [Br…], Bl. 30, 59 f., 72 f. d. A.), weil sie versehentlich entgegen behördeninternen Vorgaben die Angabe „Stück“ nicht in „pauschal“ änderte, bleibt es hinsichtlich der Abrechnung bei der Menegeneinheit „1 Stück“; eine Pauschalierung kann darin nicht gesehen werden (OLG Brandenburg, Urteil v. 04.06.2008 - Az.: 4 U 122/07)

81.9 Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung (§ 9 Nr. 1 Satz 1)

81.9.1 Grundsätze (§ 9 Nr. 1 Satz 1) Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 VOB/A bezweckt das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, die Vorstellungen des Auftraggebers von der gewünschten Leistung in Bezug auf technische Merkmale oder Funktionen, Menge und Qualität für den Auftragnehmer so deutlich werden zu lassen, dass dieser Gegenstand, Art und Umfang der Leistung zweifelsfrei erkennen kann. Dieses Gebot hat sich an der Durchführbarkeit der Leistung zu orientieren und soll die exakte Preisermittlung sowie die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten (1. VK Bund, B. v. 7.4.2004 - Az.: VK 1 - 15/04, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK 1 - 11/04, B. v. 30.3.2004 - Az.: VK 1 - 05/04). Leistungsbeschreibungen sind also klar und eindeutig abzufassen, dass - abgestellt auf einen durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Empfänger - alle Bewerber sie notwendig in einem gleichen Sinn verstehen müssen (OLG Düsseldorf, B. v. 2.8.2002 - Az.: Verg 25/02; VK Hamburg, B. v. 30.07.2007 - Az.: VgK FB 6/07; 3. VK Bund, B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 3 - 15/06; VK Niedersachsen, B. v. 22.10.2009 - Az.: VgK-49/2009; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn die Leistungsbeschreibung Angaben lediglich allgemeiner Natur enthält oder verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt oder Zweifelsfragen aufkommen lässt (2. VK Bund, B. v. 11.11.2004 - Az.: VK 2 - 196/04). Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass der jeweils für die Abgabe eines Angebots in Frage kommende Bieterkreis über ein erhebliches Fachwissen verfügen muss. Das bedeutet, dass selbstverständliche fachliche Zusammenhänge, die für jeden Bieter offensichtlich sind oder von ihm ohne weiteres erkannt werden können, nicht eigens dargestellt und erläutert zu werden brauchen (VK

4083

4084

Page 19: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09). Eindeutig und erschöpfend bedeutet, dass die Leistungsbeschreibung klar und unmissverständlich, aber auch gründlich und vollständig sein muss (VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L). Es gilt somit der Grundsatz: Je detaillierter, desto besser (OLG Koblenz, B. v. 5.9.2002 - Az.: 1 Verg. 2/02). Eindeutig heißt auch, dass die Leistungsbeschreibung so beschaffen sein muss, dass aus der Perspektive des Bieters bei Anlegung eines professionellen Sorgfaltsmaßstabes auch ohne „intensive Auslegungsbemühungen„ ohne weiteres klar ist, welche Leistung von ihm in welcher Form gefordert wird. Erschöpfend bedeutet, dass keine Restbereiche verbleiben dürfen, die seitens der Vergabestelle nicht schon klar umrissen sind (Saarländisches OLG, B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; 3. VK Bund, B. v. 23.11.2009 - Az.: VK 3 - 199/09; B. v. 28.10.2009 - Az.: VK 3 - 187/09; VK Niedersachsen, B. v. 22.10.2009 - Az.: VgK-49/2009). Allerdings liegt allein darin, dass der Inhalt der Leistungsbeschreibung auslegungsfähig ist, noch kein Verstoß gegen § 9 VOB/A. Auch bei sorgfältiger Erstellung eines Leistungsverzeichnisses kann nie ausgeschlossen werden, dass geringe Unklarheiten auftreten, da jeder Begriff der Sprache auslegungsfähig ist und das genaue Verständnis stets vom Empfängerhorizont abhängt. Würde man bei jeder noch so geringen Unklarheit dem Auftraggeber die Verantwortung aufbürden, bestünde die Gefahr, dass die Bieter durch geschickte Argumentation nachträglich Unklarheiten in die Leistungsbeschreibung hineininterpretieren könnten, um Vorteile aus diesem „Fehler“ der Vergabestelle bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses unverhältnismäßig zu erhöhen (Brandenburgisches OLG, B. v. 14.09.2004 - Az.: Verg W 5/04). Der Auftraggeber muss also den Bietern alle Angaben und Daten mitteilen, die für eine sachgerechte Kalkulation einerseits und für eine Vergleichbarkeit und Wertbarkeit der Angebote andererseits erforderlich sind (3. VK Bund, B. v. 23.11.2009 - Az.: VK 3 - 199/09; B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 3 - 15/06). Die Leistungsbeschreibung ist also dann eindeutig und vollständig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennen lässt, keine Widersprüche in sich oder zu anderen Regelungen enthält und für die Leistung spezifische Bedingungen und Anforderungen darstellt (VK Münster, B. v. 22.09.2009 - Az.: VK 16/09). Nur wenn die Leistung eindeutig und so erschöpfend beschrieben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können und alle kalkulationsrelevanten Umstände in den Verdingungsunterlagen angegeben sind, können die Verdingungsunterlagen ihrer Funktion genügen, eine klare und unzweifelhafte Grundlage für die vom Auftragnehmer erwartete Leistung und deren Kalkulation zu bilden. Darüber hinaus sollen diese Regelungen gewährleisten, dass die Angebote aller Bieter überhaupt vergleichbar sind, was wiederum unabdingbare Voraussetzung für eine faire und transparente Entscheidung über den Zuschlag ist (OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; im Ergebnis ebenso 1. VK Bund, B. v. 10.12.2009 - Az.: VK 1 - 188/09; 3. VK Bund, B. v. 28.10.2009 - Az.: VK 3 - 187/09). Dieses Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gilt auch für das Verhandlungsverfahren (OLG Düsseldorf, B. v. 2.8.2002 - Az.: Verg 25/02) und die funktionale Leistungsbeschreibung (1. VK Bund, B. v. 7.4.2004 - Az.: VK 1 - 15/04). Die Bestimmung der Leistung, z.B. des Materials des geforderten Schotters, kann gerade in einer EU-weiten Ausschreibung nicht in einer Form erfolgen, die den Bieter zwingt,

4085

4085/1

4086

4086/0

Page 20: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

umfangreiche Nachforschungen potentiell anwendbarer Erlasse und Regelwerke aus der deutschen Fachwelt zu betreiben und ggf. gutachterlich zu klären, was gemeint sein könnte. Die notwendige Ermittlung derartiger fachlicher Begriffe über Gutachten ist auch als nicht zulässige umfangreiche Vorarbeit anzusehen. Die Anforderung in einer Leistungsbeschreibung "Tragschichtschotter liefern, einbauen 2200 m³ Schottertragschicht ZTV-T-STB, Verformungsmodul EV 2 mind. 120 MM/m² aus Schottersplitt-Brechsand-Gemisch, Körnung 0/56, Schichtdicke bis 45 cm" lässt nicht eindeutig erkennen, dass Naturschotter geliefert und eingebaut werden muss. Auch ein Recycling-Schotter erfüllt die Anforderung der Leistungsbeschreibung (VK Arnsberg, B. v. 04.09.2009 - Az.: VK 20/09). Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 VOB/A soll lediglich sicherstellen, dass die Bieter die Leistungsbeschreibung in gleicher Weise verstehen und daher miteinander vergleichbare Angebote einreichen. Nur so ist gewährleistet, dass der Auftraggeber die Angebote unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien diskriminierungsfrei werten kann. Mängel der Leistungsbeschreibung sind daher vergaberechtlich nur insoweit relevant, als sie diese Funktion beeinträchtigen. Soweit allgemein eine Kontrolle daraufhin vorgenommen wird, ob die Leistungsbeschreibung den allgemein anerkannten technischen Regeln entspricht, insbesondere nicht zu Sachmängeln des geplanten Baus (§ 633 Abs. 2 BGB) führt, ist dem nicht zu folgen. Es ist allein Sache des Auftraggebers, den Gegenstand des Auftrages zu bestimmen. Das Vergaberecht dient, jedenfalls soweit es den Schutz der Bieter betrifft, nicht dazu, den Auftraggeber vor technisch oder wirtschaftlich unsinnigen Aufträgen zu schützen. Wenn die Leistungsbeschreibung zu technischen Mängeln des Werks führt, hat dies der Auftragnehmer – nach Anmeldung seiner Bedenken (vgl. nach Vertragsabschluss § 4 Nr. 3 VOB/B und im Vergabeverfahren gemäß der vorvertraglichen Hinweispflicht) – ebenso hinzunehmen wie die Ausschreibung einer – überflüssigen und den haushaltsrechtlichen Vorschriften widerstreitenden - Luxusausführung. Der Auftraggeber trägt dann die sich daraus ergebenden Risiken, und zwar unabhängig davon, ob er sie bewusst übernimmt oder die Risiken – möglicherweise zu Unrecht – leugnet. In jedem Falle kann der Auftraggeber aus etwaigen auf seine Leistungsbeschreibung zurückzuführende technische Mängel keine Rechte gegen den Auftragnehmer herleiten (vgl. § 13 Nr. 3 VOB/B) und vielmehr nur die Herstellung eines Werks entsprechend den konkreten Angaben in der Leistungsbeschreibung verlangen, und zwar auch dann, wenn diese mit dem Risiko z.B. des Entstehens von Durchfeuchtung und der Nichteinhaltung der – in der Leistungsbeschreibung allgemein als einzuhaltend aufgeführten - EnVO verbunden ist. Die Angebote bleiben damit vergleichbar, und zwar auch dann, wenn die Leistungsbeschreibung – unweigerlich oder möglicherweise – zu technischen Mängeln des Werks führt (OLG Düsseldorf, B. v. 13.01.2010 - Az.: I-27 U 1/09).

81.9.2 Widersprüchliche Leistungsbeschreibungen, die keine Wertung zulassen Enthält das Leistungsverzeichnis eine unerfüllbare Forderung, muss der Auftraggeber das eingeleitete Vergabeverfahren entweder gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei das Leistungsprogramm, soweit zur Beseitigung unerfüllbarer Anforderungen erforderlich, ändern und den Bietern angemessene Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote auf der Basis des veränderten Leistungsprogramms geben (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; Urteil v. 01.08.2006 - Az.: X ZR 115/04; OLG Düsseldorf, B. v. 05.07.2007 - Az.: VII - Verg 12/07; B. v. 24.05.2007 - Az.: VII - Verg 12/07; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg

4086/1

4087

Page 21: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

12/08; LG Frankfurt (Oder), Urteil v. 14.11.2007 - Az.: 13 O 360/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Brandenburg, B. v. 19.12.2008 - Az.: VK 40/08; VK Düsseldorf, B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; B. v. 02.03.2007 - Az.: VK - 05/2007 – L; 1. VK Sachsen, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Ein Ausschluss des Angebots darf nicht erfolgen (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09; VK Düsseldorf, B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Es kann einem Bieter auch nicht zugemutet werden, für eine nicht baubare Position dennoch kommentarlos einen Preis anzubieten und die Frage der Herstellbarkeit auf einen eventuellen Rechtsstreit mit dem Auftraggeber nach Zuschlagserteilung zu verlagern (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09). Das gilt gleichermaßen, wenn bestimmte Nachweise über die Beschaffenheit der angebotenen Leistung verlangt werden, aber nicht rechtzeitig beigebracht werden können. Denn auch dann fehlt eine vom öffentlichen Auftraggeber für wesentlich gehaltene Grundlage für den Vergleich der abgegebenen Angebote und damit für die sachgerechte Entscheidung, der das eingeleitete Vergabeverfahren dienen soll. In einem unter anderem durch eine unmöglich zu erfüllende Vorgabe gekennzeichneten Vergabeverfahren darf deshalb auch in einem solchen Fall kein Auftrag vergeben werden. Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht durch transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe behoben werden und/oder macht der öffentliche Auftraggeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist er deshalb gehalten, die Ausschreibung wegen des ihr anhaftenden Mangels aufzuheben (OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; 1. VK Sachsen, B. v. 11.12.2009 - Az.: 1/SVK/054-09). Das gilt gleichermaßen, wenn sonstige Nachweise über die Beschaffenheit der angebotenen Leistung verlangt werden, aber überhaupt nicht beigebracht werden können. Der öffentliche Auftraggeber ist gehalten, die Änderung und damit auch die Abstandnahme von einer objektiv unmöglichen Anforderung in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren vorzunehmen, z.B. durch den Verzicht auf die Vorlage einer geforderten Bestätigung (OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 12/08; OLG Düsseldorf, B. v. 05.07.2007 - Az.: VII - Verg 12/07; B. v. 24.05.2007 - Az.: VII - Verg 12/07; VK Düsseldorf, B. v. 02.06.2008 - Az.: VK – 15/2008 – L; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08). Das gilt gleichermaßen, wenn der Auftraggeber eine zunächst eindeutige Leitungsbeschreibung durch Mitteilungen an die Bieter während der Ausschreibung mehrdeutig macht (3. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 3 - 59/08). Ist ein Auftraggeber aufgrund von widersprüchlichen Angaben in den Verdingungsunterlagen nicht in der Lage, überhaupt ein zuschlagfähiges Hauptangebot zu ermitteln, das die von ihm verbindlich vorgegebene Qualitätsanforderung durchweg einhält, muss die Ausschreibung aufgehoben werden (VK Lüneburg, B. v. 29.1.2004 - Az.: 203-VgK-40/2003).

4087/1

4087/2

4087/3

4088

Page 22: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.9.3 Fehlerhafte Leistungsbeschreibungen, die von Bietern erkannt werden Zu den Rechtsfolgen einer unterlassenen Aufklärung durch den Bieter vgl. die Kommentierung zu § 17 VOB/A.

81.9.4 Fehlerhafte Leistungsbeschreibungen, die von Bietern nicht erkannt werden In solchen Fällen ist diejenige bieterfreundliche und praktikable Anpassung des fehlerhaften Textes der Leistungsbeschreibung vorzunehmen, die den Interessen eines objektiven Betrachters entgegen kommt. Verdingungsunterlagen müssen nach dieser Entscheidung nur insoweit unverändert bleiben wie sie rechtmäßig sind. Danach kann bei einem Leistungsverzeichnis, was eine längst außer Kraft getretene DIN benennt, entweder nur eine Aufhebung der Ausschreibung wegen fehlerhaften Leistungsverzeichnisses erfolgen oder die Anforderung nach der DIN muss vollständig bei der Bewertung der Angebote entfallen. Eine nur teilweise Geltung dieser Vorgabe erscheint nicht sachgerecht (1. VK Sachsen, B. v. 9.4.2002 - Az.: 1/SVK/021-02). In Betracht kommt auch, die Bieter auf fehlerhafte Erklärungen im Angebot, die auf einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung beruhen, hinzuweisen und ihnen im Rahmen der Prüfung und Wertung Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Dem steht auch nicht eine in den Vergabeunterlagen gesetzte Nachfragefrist entgegen, die die Bewerber einhalten mussten, wenn die Vergabeunterlagen nach ihrer Auffassung Unklarheiten enthielten. Mit dieser Vergabebestimmung kann sich der Auftraggeber nicht seiner Verantwortung für objektiv nicht eindeutig genug formulierte Vergabebedingungen entledigen (OLG Düsseldorf, B. v. 19.12.2001 - Az.: Verg 42/01). Jedenfalls erfordert es in Fällen, in denen wegen Unklarheiten der Ausschreibungsunterlagen Bieter aufgrund einer nachvollziehbaren unterschiedlichen Interpretation der Anforderungen voneinander abweichende Angebote unterbreiten, das Prinzip der Gleichbehandlung, die objektive Mehrdeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen nicht zum Nachteil eines Bieters ausschlagen zu lassen (VK Nordbayern, B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 41/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 40/09).

81.9.5 Unschädlichkeit einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung Eine unzureichende Leistungsbeschreibung kann ausnahmsweise dann, wenn alle Bieter sie einheitlich und richtig verstehen, für das Vergabeverfahren unschädlich sein (OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02; VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L).

81.9.6 Verwendung eines nicht mehr am Markt erhältlichen Fabrikates

4089

4090

4091

4091/1

4092

Page 23: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Der Auftraggeber verstößt zu Lasten der Bieter gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A und damit gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB, wenn er für eine Position ein Leitfabrikat vorgibt, das nicht nur am Markt nicht mehr erhältlich ist , sondern mit dem sich vor allem das von ihr gleichfalls in den Verdingungsunterlagen geforderte Leistungsziel (z. B. ein bestimmtes Schalldämmmaß) faktisch nicht einhalten lässt (VK Lüneburg, B. v. 30.10.2003 - Az.: 203-VgK-21/2003). Der Bieter darf in solchen Fällen jedoch nicht von sich aus ein anderes Fabrikat in das Leistungsverzeichnis einsetzen. Er ist vielmehr gehalten, den Auftraggeber auf diesen Umstand hinzuweisen und eine entsprechende Änderung der Verdingungsunterlagen zu erwirken (VK Lüneburg, B. v. 29.10.2002 - Az.: 23/02).

81.9.7 Fehlende Vorgabe der Lieferung von Bauteilen aus ungebrauchtem Material Enthalten weder die Leistungsbeschreibung noch der Leistungsverzeichnistext selbst Angaben dazu, ob die zu liefernden Bauteile (z. B. Schienen, Betonschwellen und Bremsprellböcke) aus neuem oder altem Material sein müssen, ist dies kein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung. Nach § 9 Nr. 13 VOB/A brauchen Leistungen, die nach den Technischen Vertragsbedingungen zu der geforderten Leistung gehören, nicht besonders in der Leistungsbeschreibung aufgeführt werden. Die Vorgabe der Lieferung von Bauteilen aus ungebrauchtem Material ergibt sich aus der VOB/C, Ziffer 2.3.1 der ATV DIN 18299, welche nach der Leistungsbeschreibung (Ziffer 0.10.4) - entsprechend § 10 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A - Vertragsbestandteil sein soll. Dabei gelten als ungebrauchte Materialien auch wiederaufbereitete (Recycling-) Stoffe unter der Voraussetzung, dass sie für den jeweiligen Verwendungszweck geeignet und aufeinander abgestimmt sind. Die ATV DIN 18299 unterscheiden jedoch ausdrücklich zwischen solchermaßen wiederaufbereiteten und gebrauchten Stoffen. Letztere sind eindeutig nicht zugelassen. Im Folgenden sind mit ungebrauchten Materialien auch wiederaufbereitete gemeint, die die genannten Voraussetzungen erfüllen (1. VK Bund, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02).

81.9.8 Unzulässig hoher Umfang von Wahlpositionen Eine Ausschreibung von Wahl- oder Alternativleistungen stellt deswegen jedenfalls dann einen Verstoß gegen das Vergaberecht dar, wenn diese - was ihren aus der Leistungsbeschreibung ersichtlichen Umfang und die Wertung der Angebote anbelangt - keinen mehr oder minder geringfügigen Teil der Leistungen betreffen, sondern im Vergleich zu den Haupt- oder Grundleistungen ein gleich großes Gewicht erhalten, und sie der Bedeutung der Haupt- oder Grundleistungen für die Zuschlagsentscheidung daher gleich gestellt sind. In einem solchen Fall ist das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verletzt (OLG Düsseldorf, B. v. 2.8.2002 - Az.: Verg 25/02; VK Magdeburg, B. v. 22.2.2001 - Az: 33-32571/07 VK 15/00 MD). Das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung ist auch dann verletzt, wenn die Ausschreibung mit zahlreichen Leistungsvarianten erst dazu diese soll, ein Konzept für die erwartete Leistung zu erarbeiten, das im Zeitpunkt der Ausschreibung

4093

4094

4095

4096

4097

Page 24: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

noch nicht vorliegt (z.B. 80 unterschiedliche Varianten für ein Stadtbuslinie). In einem solchen Fall liegt kein anerkennenswertes Bedürfnis des Auftraggebers für die Ausschreibung verschiedener Wahlleistungen vor (VK Hessen, B. v. 28.07.2004 - Az.: 69 d VK – 49/2004).

81.9.9 Keine eindeutige Bezeichnung von Bedarfspositionen Behandelt ein Auftraggeber verschiedene Einzelpositionen eines Leistungsverzeichnisses als Bedarfspositionen, obwohl er diese im Leistungsverzeichnis nicht als Bedarfspositionen gekennzeichnet hat, verstößt er sowohl gegen die Verpflichtung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 VOB/A, die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen zu können. Er verstößt ferner gegen das Gebot gemäß § 9 Nr. 2 VOB/A, dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Der Auftraggeber hat ferner gemäß § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A zur Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Dazu gehört zweifelsohne auch die Kennzeichnung sämtlicher Bedarfspositionen, da der Bieter bei der Kalkulation seines Gesamtangebotes wissen muss, von welchem Umfang einer Beauftragung er ausgehen kann bzw. welche abgefragten Positionen gegebenenfalls entfallen können (VK Lüneburg, B. v. 10.3.2003 - Az.: 203-VgK-01/2003).

81.9.10 Bezeichnung von Alternativpositionen als Bedarfspositionen Können die Bieter aus der Formulierung der Positionen erkennen, dass es sich hier nicht um Bedarfspositionen, sondern um Alternativpositionen handelt, verletzt die Tatsache, dass der Auftraggeber einige Positionen als Alternativpositionen gewertet hat, obwohl er diese irrtümlich im Leistungsverzeichnis als Bedarfspositionen bezeichnet hat, die Bieter nicht in ihren Rechten (VK Lüneburg, B. v. 17.9.2001 - Az.: 203-VgK-18/2001).

81.9.11 Keine eindeutigen Zuschlagskriterien Bei unklaren Zuschlagskriterien (z. B. Preis- und Zahlungsbedingungen) sowie widersprüchlichen Kriterien (z. B. fehlende Abgrenzung zwischen "Lieferbedingungen" und "logistische Abwicklung der Lieferung in die einzelnen Anlieferungsstellen") fehlt es an einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L).

81.9.12 Keine eindeutigen Eignungskriterien Bei unklaren Eignungskriterien (z. B. wechselweise Forderung der Eignungsnachweise gleichzeitig mit dem Angebot oder teilweise auf Verlangen) fehlt es an einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Der Auftraggeber hätte es in der Hand, sich nach Belieben auf die Forderung nach gleichzeitiger Vorlage oder die Vorlage auf Verlangen zu berufen. Der Bieter kann nicht erkennen, ob er mit seinem Angebot Gefahr läuft, wegen

4098

4099

4100

4101

Page 25: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Unvollständigkeit ausgeschlossen zu werden oder ob er seine Reaktionszeit voll zur kaufmännischen Erstellung des Angebotes nutzen kann, weil ihm für die Beschaffung der Eignungsnachweise noch nach dem Angebotsabgabetermin Zeit genug bleibt (VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L).

81.9.13 Keine eindeutigen Kriterien für einen Wartungsvertrag Ist der Inhalt eines Wartungsvertrages nicht vorgegeben, sind die Vertragsangebote per se nicht vergleichbar. Soweit sie allerdings vorgelegt werden, enthalten sie selbstverständlich Preisangebote. Diese Preise aber sind Grundlage der Kalkulation des jeweiligen Bieters. Damit sind die Angebote mit und ohne Wartungsvertrag nicht mehr vergleichbar. Die zwingende Forderung nach einem Wartungsvertrag mag zum Einen weitere Bieter, die nicht im unmittelbaren Umfeld von dem Leistungsort ihren Sitz haben, zum Angebot abschrecken, weil die Wartung über mehrere Jahre auf längere Distanz kaum kalkulierbar und leistbar ist. Dies schränkt den Wettbewerb also auf ortsnahe Bieter ein noch dazu, wo der Bieterkreis für diese Art Aufträge in der Regel den kleinen und mittelständischen Unternehmen zuzurechnen ist. Soweit die Bieter dann ohne Wartungsangebot anbieten, riskieren sie den Ausschluss, so dass sich die Erarbeitung eines Angebots als unsinnig oder als unrentabel darstellt. Diese Forderung des Leistungsverzeichnisses ist mithin wettbewerbsverzerrend (VK Arnsberg, B. v. 05.04.2004 - Az.: VK 1-4/04).

81.9.14 Keine Verpflichtung, alle denkbaren Rahmenbedingungen für eventuelle Nebenangebote aufzuführen Wenn ein Bieter im Rahmen eines Nebenangebots Annahmen - sei es in negativer oder positiver Ausprägung - trifft, die durch den Inhalt der Ausschreibung nicht bzw. nicht eindeutig bestimmt werden, so trägt allein er das Risiko entsprechender Fehleinschätzungen. Er weicht in einem solchen Falle - bei späterer Konkretisierung möglicher bzw. nicht erkennbarer ausgeschlossener Vorstellungen durch den Auftraggeber - mit seinem Angebot vom Inhalt des Leistungsverzeichnisses und den darin enthaltenen Zielbestimmungen des Auftraggebers ab. Will er dies vermeiden, besteht die Möglichkeit im Hinblick auf von ihm beabsichtigte Änderung im Nebenangebot entsprechende Information zum Zwecke der Verifizierung seiner - zunächst spekulativen - Annahme einzuholen (VK Hessen, B. v. 14.3.2002 - Az.: 69 d VK - 07/2002; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.5.2001 - Az.: 1 VK 7/01).

81.9.15 Begriff der Baustelleneinrichtung Der Begriff der Baustelleneinrichtung ist nicht gesetzlich definiert. Er wird in Leistungsverzeichnissen auch nicht stets in übereinstimmender Bedeutung gebraucht. Anhand der Definitionen der Baustelleneinrichtung in der Literatur kann keine zwingende Ableitung hinsichtlich der Zuordnung einzelner Leistungen erfolgen (2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 – Az.: VK 2 – 33/07; B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07). Nach einer verbreiteten Definition umfasst die Baustelleneinrichtung die Bereitstellung, Aufstellung, Instandhaltung und den Abbau aller Gerüste, Geräte und Maschinen und Einrichtungen, die für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung erforderlich sind.

4102

4103

4104

Page 26: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Nach dieser Definition wäre der Betrieb eines Kranes während der Bauzeit nicht erfasst (OLG München, B. v.24.05.2006 - Az.: Verg 10/06). Abzustellen ist bei Streitfällen z.B. über den Inhalt des Begriffs im Rahmen einer Leistungsbeschreibung daher allein auf die in der jeweiligen Ausschreibung gewählte Leistungsbeschreibung (2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 – Az.: VK 2 – 33/07; B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07).

81.9.16 weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• ein widersprüchliches Leistungsverzeichnis (hier: konkrete Produktvorgabe oder Leitfabrikat) ist anhand einer Zusammenschau aller relevanten Bestandteile aus Sicht eines verständigen, fachkundigen und mit Leistungen der ausgeschriebenen Art vertrauten Bieters auszulegen (VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09)

• durch die Formulierung, dass ein Bauprodukt „eine CE-Zertifizierung nachweisen“ müsse, tritt zu Lasten der Bieter eine Unklarheit dahingehend ein, ob das Produkt (z.B. eine Dichtungsmatte) zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe „nur“ ein CE-Kennzeichen aufweisen oder ob ein anderweitiger „Zertifizierungsnachweis“ geführt werden muss. Der Begriff der CE-Zertifizierung existiert im BauPG jedoch weder im Allgemeinen noch konkret für das in diesem Fall zu führende Nachweisverfahren. Das hier anwendbare Nachweisverfahren für Geotextilien ergibt sich gemäß § 8 Abs. 4 BauPG aus den entsprechenden harmonisierten (technischen) Normen oder den europäischen technischen Zulassungen. Unstreitig ist bei geosynthetischen Dichtungsbahnen das sog. System 2+ als Nachweisverfahren anzuwenden. Danach muss zum Nachweis, dass die Dichtungsbahn den Normungsanforderungen genügt, der Hersteller eine Konformitätserklärung (vgl. § 8 Abs. 3 i.V.m. § 9 BauPG) abgeben. Bestandteil dieser Konformitätserklärung des Herstellers ist neben einer Beschreibung des Produkts eine Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle des Herstellers durch einen Dritten, eine notifizierte Körperschaft. Diese führt eine Erstinspektion des Werks und der werkseigenen Produktionskontrolle beim Hersteller durch bzw. stellt gegebenenfalls eine kontinuierliche Überwachung, Beurteilung und Bestätigung der werkseigenen Produktionskontrolle sicher. Hierfür wird ein Zertifikat ausgestellt. Da das Nachweisverfahren hier auch ein Zertifizierungsverfahren, nämlich das der werkseigenen Produktionskontrolle, enthält, ist die Begrifflichkeit des Nachweises einer „CE-Zertifizierung“ nicht hinreichend klar. Es ist daher nicht auszuschließen, dass ein durchschnittlicher Bieter davon ausgeht, dass über das CE-Kennzeichen hinaus mit Angebotsabgabe die Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle als Teil des Konformitätsnachweisverfahrens nach § 9 BauPG vorzulegen ist. Der Auftraggeber verhindert durch die von ihm gewählte unklare Terminologie, dass alle Bieter die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses in einer transparenten Weise gleich verstehen können und so auf gleicher Basis Angebote kalkulieren können (3. VK Bund, B. v. 19.01.2009 - Az.: VK 3 - 182/08)

• fehlen in einem Leistungsverzeichnis für Baumsicherungsarbeiten die Beschreibungen für die Positionen "Baumsicherungsschnitt", "Kronensicherung liefern und einbauen", "Kronenpflege nach Windbruch durchführen", "Wurzelstöcke ausfräsen", "Baumaufarbeitung" und "Stubbenbeseitigung nach Baumwindbruch", obwohl diese Leistungen typisch für Landschaftsbauarbeiten im Havarie- oder

4104/1

4105

Page 27: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Sturmfall sind, und fehlen außerdem Angaben bzw. Festlegungen zu den örtlichen Verhältnissen, zu den Nebenkosten durch Stromabschaltungen, den Sicherungsanforderungen im Bereich von Geh- und Radwegen sowie Aussagen zu dem Abruf der Leistung, sind die Voraussetzungen von § 9 Nr. 1 VOB/A nicht erfüllt (LG Cottbus, Urteil v. 24.10.2007 - Az.: 5 O 99/07)

• ein behördlich gefordertes Schadstoffkataster ist bereits vor Ausschreibung der zu beauftragenden Leistungen durch den Auftraggeber anfertigen zu lassen (LG Stralsund, Urteil vom 12.04.2005 - Az: 3 O 73/03)

81.9.17 Richtlinie des VHB 2008 Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn sie

• Art und Umfang der geforderten Leistungen mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, z. B. hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, technische und bauphysikalische Bedingungen, zu erwartende Erschwernisse, besondere Bedingungen der Ausführung und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfanges zweifelsfrei erkennen lässt,

• keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen technischen Vorgaben und vertragsrechtlichen Regelungen enthält (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.2.1.1).

Eine Leistungsbeschreibung ist vollständig, wenn sie

• Art und Zweck des Bauwerks bzw. der Leistung, • Art und Umfang aller zur Herstellung des Werks erforderlichen Teilleistungen, • alle für die Herstellung des Werks spezifische Bedingungen und Anforderungen

darstellt (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.2.1.2).

81.10 Positionsarten einer Leistungsbeschreibung In einer Leistungsbeschreibung können mehrere Positionsarten verwendet werden. Man kann unterscheiden zwischen:

• Normalpositionen, • Grundpositionen, • Bedarfspositionen (Eventualpositionen) • Wahlpositionen (Alternativpositionen) • Zulagepositionen.

4106

4107

4108

Page 28: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.10.1 Normalpositionen Sie sind in der VOB/A nicht ausdrücklich geregelt. Mit "Normalpositionen" sind alle Teilleistungen zu beschreiben, die ausgeführt werden sollen. Sie werden nicht besonders gekennzeichnet.

81.10.2 Grundpositionen "Grundpositionen" beschreiben Teilleistungen, die durch "Wahlpositionen" ersetzt werden können. Grund- und Wahlpositionen werden als solche gekennzeichnet; der jeweiligen Ordnungszahl (OZ) können z. B. ein "G" bzw. "W" beigefügt werden.

81.10.3 Bedarfspositionen/Eventualpositionen/Optionen (§ 9 Nr. 1 Satz 2) Bedarfspositionen (Eventualpositionen bzw. Optionen) dürfen nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden.

81.10.3.1 Allgemeines Nur solche Positionen, bei denen trotz Ausschöpfung aller örtlichen und technischen Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Ausschreibung objektiv nicht feststellbar ist, ob und in welchem Umfang Leistungen zur Ausführung gelangen (BGH, Urteil vom 23.1.2003 - Az.: VII ZR 10/01; OLG München, B. v. 15.07.2005 - Az.: Verg 014/05; Saarländisches OLG, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07; 2. VK Bremen, B. v. 10.09.2004 - Az.: VK 03/04) dürfen als Eventualpositionen ausgeschrieben und bei der Wertung berücksichtigt werden (VK Nordbayern, B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.11.2004 - Az.: VK-SH 28/04; VK Arnsberg, B. v. 28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003; VK Hessen, B. v. 5.5.2003 - Az.: 69 d VK - 16/2003; VK Baden-Württemberg, B. v. 15.1.2003 - Az.: 1 VK 71/02; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.11.2001 - Az.: 2 VK 15/01). Der Auftraggeber befindet hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen (VK Nordbayern, B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05). Bedarfsleistungen beinhalten also Leistungen mit dem Vorbehalt, dass sie unter Umständen zusätzlich zu einer im Leistungsverzeichnis enthaltenen Leistung auszuführen sind. Es handelt sich um Leistungen mit dem Anspruch des Auftraggebers, auf ihre Ausführung verzichten zu können, ohne dass dadurch die Notwendigkeit einer Teilkündigung entsteht. Deshalb sind die Bedarfspositionen nicht mit dem Zuschlag, sondern erst bei Bedarf in Auftrag zu geben (VK Nordbayern, B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05).

81.10.3.2 Bezeichnung als "nEP-Position"

4109

4110

4111

4112

4113

4114

Page 29: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Es ist verbreitet, mit der Abkürzung "nEP" Eventualpositionen zu bezeichnen (BGH, Urteil vom 23.1.2003 - Az.: VII ZR 10/01).

81.10.3.3 Zulässigkeit in einer Leistungsbeschreibung Zwar dürfen Bedarfs- oder Eventualpositionen nur im Ausnahmefall und in begrenztem Umfang ausgeschrieben werden, deren grundsätzliche Zulässigkeit steht aber nicht mehr außer Zweifel. Sie dürfen allerdings nicht dazu führen, Mängel einer unzureichenden Planung auszugleichen. Ein Grund für eine restriktive Handhabung von Bedarfspositionen ist, dass sie den Grundsätzen einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung widersprechen, die den Bieter in die Lage versetzen soll, seine Preise sicher zu berechnen. Der Auftraggeber soll nicht das Risiko von Fehlbestellungen auf den Auftragnehmer abwälzen können (VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.11.2004 - Az.: VK-SH 28/04; im Ergebnis ebenso Saarländisches OLG, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07; VK Berlin, B. v. 04.05.2009 - Az.: VK - B 2 - 5/09). Bedarfspositionen sind unzulässig, wenn sie von der Zahl oder ihrem Gewicht her keine sichere Beurteilung mehr erlauben, welches Angebot das wirtschaftlichste ist, insbesondere dann, wenn diese Bestandteile der Ausschreibung ein solches Gewicht in der Wertung erhalten sollen, dass sie der Bedeutung der Haupt- und Grundpositionen für die Zuschlagserteilungen gleichkommen (OLG Celle, B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03). Außerdem muss der Auftraggeber hinsichtlich der Ausübung der Bedarfsposition eine ernsthafte Durchführungsabsicht haben (1. VK Bund, B. v. 15.7.2003 - Az.: VK 1 - 53/03). Gegen die Ausschreibung von Wahl- oder Bedarfspositionen sind außerdem Bedenken angebracht, wenn sie den Grundsätzen einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung widersprechen, die Gefahr von Angebotsmanipulationen erhöhen oder zur Undurchsichtigkeit der Transparenz des Wettbewerbes führen können (VK Hessen, B. v. 28.07.2004 - Az.: 69 d VK – 49/2004). Unabhängig davon, ob man die Zulässigkeitsgrenze für Bedarfspositionen nun bei in der Regel 10% des geschätzten Auftragsvolumens ansetzt, wird eine absolute, keine Ausnahme mehr zulassende Obergrenze jedenfalls bei 15% anzusetzen sein (1. VK Bund, B. v. 14.07.2005 - Az.: VK 1 - 50/05).

81.10.3.4 Wartung als Bedarfsposition Bereits die Angabe der Wartung als Zuschlagskriterium widerspricht dem Verständnis der Bedarfsposition, denn das Zuschlagskriterium selbst kann nicht je nach Bedarf wegfallen oder zur Anwendung gelangen (VK Hessen, B. v. 5.5.2003 - Az.: 69 d VK - 16/2003). Die VK Südbayern geht ins soweit davon aus, dass die Wartung rechtlich als Bedarfsposition einzuordnen ist, da die Leistungen des Wartungsvertrages zum Vertragssoll des künftigen Auftragnehmers gehören können, dies aber von einer weiteren Anordnung der Vergabestelle bzw. des späteren Nutzers abhängt. Es ist nicht nur zulässig, Bedarfspositionen zu werten, sondern deren Wertung ist aus Gründen der Transparenz und der Wettbewerbsgerechtigkeit zwingend geboten (VK Südbayern, B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06).

4115

4116

4117

4118

4119

4120

4120/1

Page 30: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.10.3.5 Keine eindeutige Bezeichnung von Bedarfspositionen Bedarfspositionen müssen als Bedarfspositionen gekennzeichnet sein; ansonsten verstößt der Auftraggeber mindestens gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung; vgl. im Einzelnen die Kommentierung RZ 4098.

81.10.3.6 Beauftragung einer Bedarfspositionen Die Option bei der Beauftragung einer Wahlposition liegt für den Auftraggeber allein darin, dass es ihm freigestellt ist, die Eventualposition überhaupt in Auftrag zu geben; wenn er sie aber in Anspruch nimmt, muss er sie bei seinem Vertragspartner abrufen, es sei denn, er entzieht ihm den Auftrag. Nur in diesem Sinne ist eine Eventualposition als "Angebotsblanken" zu begreifen, für deren Ausführung es einer Anordnung des Auftraggebers bedarf. Meinungsstreit besteht in der Literatur auch nur darüber , ob die Eventualposition bei der Auftragsvergabe bereits als zusätzliche Leistung aufschiebend bedingt beauftragt worden ist oder ob dies durch gesonderte Anordnung des Auftraggebers während der Bauausführung bei Bedarf zu erfolgen hat (Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2003 - Az.: 1 U 108/02).

81.10.3.7 Richtlinie des VHB 2008 Wahl- und Bedarfspositionen dürfen weder in das Leistungsverzeichnis noch in die übrigen Vergabeunterlagen aufgenommen werden (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.6). leer

81.10.3.8 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Bedarfspositionen Bedarfspositionen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 VOB/A) sind nicht zu verwenden (Ziffer 1.4 Nr. 32).

81.10.4 Angehängte Stundenlohnarbeiten (§ 9 Nr. 1 Satz 3) Angehängte Stundenlohnarbeiten dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden.

81.10.4.1 Richtlinie des VHB 2008 Angehängte Stundenlohnarbeiten (§ 9 Nr. 1 Satz 3 VOB/A) dürfen nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang (Stundenanzahl und Lohngruppen, ggf. Geräte) aufgenommen werden (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.7).

4121

4122

4123

4124

4125

4126

4127

Page 31: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.10.4.2 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu angehängten Stundenlohnarbeiten Positionen (Verrechnungssätze) für Stundenlohnarbeiten (§ 9 Nr. 1 Satz 3 VOB/A) sind nicht zu verwenden (Ziffer 1.4 Nr. 32).

81.10.5 Wahlpositionen/Alternativpositionen Sie sind in § 9 nicht ausdrücklich geregelt.

81.10.5.1 Begriff Wahl- oder Alternativleistungen sind generell dadurch gekennzeichnet, dass bei Fertigstellung der Verdingungsunterlagen noch nicht feststeht, ob die Leistung in der einen oder anderen Ausführungsart tatsächlich erbracht werden soll, und der Auftraggeber sich - darin liegt der wirtschaftliche Sinn - die dahingehende Entscheidung bis zur Auftragserteilung vorbehalten will - Wahlschuldverhältnis - (OLG Düsseldorf, B. v. 2.8.2002 - Az.: Verg 25/02; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 17.2.2000 - Az: 11 U 91/98; VK Arnsberg, B. v. 28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003). Wahlpositionen kommen grundsätzlich nur an Stelle der alternativ im Leistungsverzeichnis aufgeführten Grundposition zur Ausführung. Werden Wahlpositionen ausgeführt, verdrängen sie somit die entsprechende Hauptposition (OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06; VK Nordbayern, B. v. 12.12.2001 - Az.: 320.VK-3194-41/01).

81.10.5.2 Zulässigkeit in einer Leistungsbeschreibung Die Aufnahme von Wahlpositionen in das Leistungsverzeichnis ist nicht per se vergaberechtlich unstatthaft. Sie beeinträchtigt allerdings die Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung. Die Verwendung von Wahlpositionen tangiert überdies die Transparenz des Vergabeverfahrens. Denn sie versetzt den öffentlichen Auftraggeber in die Lage, vermöge seiner Entscheidung für oder gegen eine Wahlposition das Wertungsergebnis aus vergaberechtsfremden Erwägungen zu beeinflussen. Aus diesem Grund ist der Ansatz von Wahlpositionen nur unter engen Voraussetzungen statthaft. Er kommt nur in Betracht, wenn und soweit ein berechtigtes Bedürfnis des öffentlichen Auftraggebers besteht, die zu beauftragende Leistung in den betreffenden Punkten einstweilen offen zu halten (OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06; OLG Düsseldorf, B. v. 24.3.2004 - Az.: Verg 7/04) bzw. wenn diese nur mehr oder weniger geringfügige Teile der ausgeschriebenen Leistung betreffen und ihnen weder in Bezug auf den Leistungsumfang noch auf die Zuschlagsentscheidung ein gleich großes Gewicht wie den Grundleistungen zukommt (VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09). Eine Ausschreibung von Leistungspositionen als Grund- und Alternativpositionen ist unzulässig, wenn bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der Ausschreibung eine Festlegung auf eine der beiden Alternativen möglich und zumutbar ist (OLG Naumburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: 1 U 99/07).

4128

4129

4130

4131

4132

4132/1

Page 32: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Alternativpositionen in Leistungsbeschreibungen sind nicht zulässig, um Mängel einer unzureichenden Planung auszugleichen (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 17.2.2000 - Az: 11 U 91/98; VK Arnsberg, B. v. 28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003). Ebenso sind sie unzulässig, wenn sie von der Zahl oder ihrem Gewicht her keine sichere Beurteilung mehr erlauben, welches Angebot das wirtschaftlichste ist (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 17.2.2000 - Az: 11 U 91/98), insbesondere dann, wenn diese Bestandteile der Ausschreibung ein solches Gewicht in der Wertung erhalten sollen, dass sie der Bedeutung der Haupt- und Grundpositionen für die Zuschlagserteilungen gleichkommen (VK Lüneburg, B. v. 17.9.2001 - Az.: 203-VgK-18/2001). Gegen die Ausschreibung von Wahl- oder Bedarfspositionen sind außerdem Bedenken angebracht, wenn sie die Gefahr von Angebotsmanipulationen erhöhen (VK Hessen, B. v. 28.07.2004 - Az.: 69 d VK – 49/2004). Eine Bedarfsposition muss sich außerdem an den Erfordernissen des § 9 Nr. 2 VOB/A messen lassen. Sie darf somit kein ungewöhnliches Wagnis darstellen (1. VK Bund, B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 132/04). Eröffnet das Leistungsverzeichnis das Angebot von Wahlpositionen, müssen auch diese den technischen Mindestbedingungen entsprechen, die das Leistungsverzeichnis fordert, und zwar zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe (OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06).

81.10.5.3 Formale Anforderungen im Leistungsverzeichnis Da das Austauschen und Zusammenstellen verschiedener Alternativen sehr wohl mit dem Blick auf einen favorisierten Bieter erfolgen kann und Manipulationsmöglichkeiten damit eröffnet werden, sind sie sorgfältig zu kennzeichnen, möglichst genaue Mengen anzugeben und auf keinen Fall in den Gesamtbetrag einzubeziehen. Aus diesem Grunde muss die Gesamtbetragsspalte bei der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses entsprechend gesperrt werden (VK Arnsberg, B. v. 28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003).

81.10.5.4 Bekanntgabe der Kriterien, die für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen Zur Gewährleistung eines transparenten Vergabeverfahrens bei Verwendung einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Wahlpositionen muss der Auftraggeber dem Bieterkreis vorab die Kriterien bekannt geben, die für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen. Er muss dazu z. B. in den Verdingungsunterlagen auf begrenzte Haushaltsmittel als entscheidender Maßstab für die Inanspruchnahme der Grund- oder einer der Wahlpositionen hinweisen sowie festlegen, in welcher Reihenfolge die aufgrund der Wahlpositionen in Betracht kommenden Ausführungsvarianten von ihm bevorzugt werden. Hierdurch wird nicht nur die Transparenz des Vergabeverfahrens gewährleistet, sondern auch ausgeschlossen, dass die Zuschlagsentscheidung mit Hilfe der Wahlpositionen manipuliert werden kann. Überdies stehen bei einer solchen Vorgehensweise die Bieter letztlich nicht anders, als wenn der Auftraggeber die von ihm in Aussicht genommenen Ausführungsvarianten nacheinander in jeweils separaten Vergabeverfahren ausschreibt (OLG Düsseldorf, B. v. 24.3.2004 - Az.: Verg 7/04).

4133

4134

4135

4136

4137

4138

Page 33: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.10.5.5 Richtlinie des VHB 2008 Wahl- und Bedarfspositionen dürfen weder in das Leistungsverzeichnis noch in die übrigen Vergabeunterlagen aufgenommen werden (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.6).

81.10.5.6 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Wahlpositionen "Wahlpositionen" sind nur vorzusehen, wenn sich von mehreren brauchbaren und technisch gleichwertigen Bauweisen nicht von vornherein die wirtschaftlichste bestimmen lässt (Ziffer 1.4 Nr. 34).

81.10.6 Zulagepositionen Zulagen sind Positionen, bei denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind, unter denen eine zusätzliche Vergütung gezahlt werden soll. Im Fall einer Zulagenposition wird der Auftrag zur Hauptposition unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) erteilt, dass die zusätzliche Vergütung bezahlt wird, wenn im einzelnen vom späteren Auftragnehmer nachgewiesen wird, dass und inwieweit die von der Zulage erfassten Erschwernisse eingetreten sind. Die Zulagenpositionen weisen also bedingte Mehrkosten aus, die auf der vierten Wertungsstufe bei Beurteilung der Frage, welches Angebot das wirtschaftlichste ist, sowie in der Phase der Abrechnung der Leistung eine Bedeutung erlangen können (OLG Düsseldorf, B. v. 05.04.2006 - Az.: VII - Verg 3/06).

81.11 Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses auf den Auftragnehmer (§ 9 Nr. 2) Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.

81.11.1 Sinn und Zweck der Regelung Hintergrund der Regelung des § 9 Nr. 2 VOB/A ist, dass die öffentliche Hand als Nachfrager regelmäßig über erweiterte Handlungsspielräume verfügt. Daher kann sie die Vertragsbedingungen oftmals ihre Vertragspartner diktieren und somit dem Auftragnehmer auf dem betreffenden Markt Wagnisse jeder Art aufbürden. Aufgabe des § 9 Nr. 2 VOB/A ist daher, angesichts dieses Ungleichgewichts zwischen den Vertragsparteien die Lauterkeit des Rechtsverkehrs zu wahren (Saarländisches OLG, B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; 1. VK Bund, B. v. 29.10.2009 - Az.: VK 1 - 185/09; 2. VK Bund, B. v. 14.09.2009 - Az.: VK 2 – 153/09; B. v. 26.3.2003 - Az.: VK 2 - 06/03; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009).

4139

4140

4141

4142

4143

Page 34: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.11.2 Grundsatz Die Ungewöhnlichkeit der Leistung kann sowohl im rechtlichen Bereich, nämlich in der Art der Vertragsgestaltung, als auch im tatsächlichen Bereich liegen (OLG Düsseldorf, B. v. 29.09.2008 - Az.: VII-Verg 50/08; VK Brandenburg, B. v. 08.09.2009 - Az.: VK 33/09; VK Münster, B. v. 22.09.2009 - Az.: VK 16/09). Das Vorliegen eines vergaberechtswidrigen ungewöhnlichen Wagnisses ist an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich zum einen an das Vorhandensein von Umständen, auf die der Bieter keinen Einfluss hat, und zum anderen die Auswirkung dieser Umstände auf die Preiskalkulation des Bieters. Die Vorschrift des § 9 Nr. 3 VOB/A stellt mithin für die Vergaberechtswidrigkeit eines auf einem öffentlichen Auftrag basierenden Vertragsverhältnisses nicht allein auf die mit einer Vertragsbedingung möglicherweise verbundenen Ungewissheiten ab, sondern fordert zusätzlich, dass diese Ungewissheiten eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation des Angebotspreises für den Bieter unzumutbar machen. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der vergaberechtlichen Prüfung einer Vertragsbedingung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und der sich an §§ 305 ff. BGB orientierenden Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Zivilgerichte. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung zwischen dem Prüfungsmaßstab der vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen einerseits und den Zivilgerichten andererseits sind vergaberechtlich alle Regelungen eines auf einem öffentlichen Auftrag basierenden Leistungsverhältnisses hinzunehmen, soweit diese dem Bieter noch eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation seines Angebotspreises ermöglichen (OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; 2. VK Bund, B. v. 14.09.2009 - Az.: VK 2 – 153/09; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 1. VK Bund, B. v. 26.11.2009 - Az.: VK 1 - 197/09; B. v. 14.09.2007 - Az.: VK 1 - 101/07; B. v. 31.08.2007 - Az.: VK 1 - 92/07; B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07; 1. VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08). Aus der Vorschrift folgt also nicht, dass dem Auftragnehmer kein Wagnis auferlegt werden darf. Die Verlagerung eines Wagnisses, das auf Umständen und Ereignissen beruht, auf die der Auftragnehmer einen Einfluss hat, und dessen Einwirkung auf die Preise er schätzen kann, ist vergaberechtlich nicht unzulässig. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, wonach dem Auftragnehmer Schätzungen zuzumuten sind (OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; B. v. 19.10.2006 - Az.: VII - Verg 39/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.05.2009 - Az.: 1 VK 21/09; 1. VK Bund, B. v. 20.01.2010 - Az.: VK 1 - 233/09; 2. VK Bund, B. v. 14.09.2009 - Az.: VK 2 – 153/09; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08). Maßstab der Regelung ist, welche Risiken ein Auftragnehmer üblicherweise in der Branche zu tragen hat (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; VK Lüneburg, B. v. 12.01.2007 – Az.: VgK-33/2006; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08). Folglich ist zur Klärung der Frage, welches Wagnis ungewöhnlich und damit vergaberechtlich nicht zulässig ist, einzelfallbezogen vorzugehen (Saarländisches OLG, B. v. 29.09.2004 - Az.: 1 Verg 6/04; LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; 1. VK Bund, B. v. 29.10.2009 - Az.: VK 1 - 185/09; 2. VK Bund, B. v. 26.3.2003 - Az.: VK 2 - 06/03; VK Niedersachsen, B. v. 15.01.2010 - Az.: VgK-74/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08).

4143/0,3

4143/1

4144

Page 35: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Der Auftragnehmer kann nur dann im Sinne von § 9 Nr. 1 VOB/A die Einwirkung des ihm überbürdeten Wagnisses auf die Preise schätzen, wenn er im konkreten Fall das Risiko selbst abzusehen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Preis zu ermessen vermag (OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09; B. v. 19.10.2006 - Az.: VII - Verg 39/06). Hierzu muss für ihn überschaubar sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich das Wagnis voraussichtlich realisieren und wirtschaftlich für ihn auswirken wird (OLG Düsseldorf, B. v. 09.06.2004 - Az.: VII - Verg 18/04; VK Lüneburg, B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; 2. VK Brandenburg, B. v. 08.12.2005 - Az.: 2 VK 72/05; 3. VK Bund, B. v. 06.05.2005 - Az.: VK 3 – 28/05). Unter § 9 Nr. 2 VOB/A fallen weder allgemeine Bauwagnisse noch besondere Wagnisse, die mit einer bestimmten Bauausführung oder einem Teil derselben ursächlich verbunden sind. Nicht "ungewöhnlich" i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A sind in der Regel auch solche Wagnisse und Risiken, auf die der Auftraggeber ausdrücklich hinweist, so dass der Auftragnehmer sich entscheiden kann, ob er sie übernehmen möchte (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05). Gewöhnliche Wagnisse sind solche, die - wie die Beschaffenheit und Finanzierbarkeit von Materialien oder technische Schwierigkeiten der Ausführung - zum typischen Risiko eines Unternehmers, zu seiner Sphäre, gehören und die im Prinzip von ihm beherrschbar sind (VK Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08). Für die Frage, ob den Bietern in unzulässiger Weise ein ungewöhnliches Kalkulationswagnis aufgebürdet wird, ist insbesondere maßgeblich, welchen Umfang das Risiko hat und wie wahrscheinlich seine Verwirklichung ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, welche Möglichkeiten Auftraggeber und Auftragnehmer haben, das Risiko zu beherrschen. Schließlich können sich Indizien für ein entsprechendes Wagnis daraus ergeben, dass das fragliche Risiko den Bietern in der Vergangenheit oder in anderen Vergabeverfahren nicht aufgebürdet wurde/wird. Schlichte Äußerungen im politischen Raum sind hingegen für sich genommen nicht geeignet, stichhaltige Anhaltspunkte für oder gegen die Annahme eines ungewöhnlichen Wagnisses im Rahmen der rechtlichen Prüfung zu geben (2. VK Bund, B. v. 14.08.2009 - Az.: VK 2 – 93/09). Die Übertragung eines ungewöhnlichen Wagnisses liegt vor, wenn dem Auftragnehmer Risiken aufgebürdet werden, die er nach der in dem jeweiligen Vertragstyp üblicherweise geltenden Wagnisverteilung an sich nicht zu tragen hat (LSG Hessen, B. v. 15.12.2009 - Az.: L 1 KR 337/09 ER Verg). Zu derartigen Umständen und Ereignissen können beispielsweise Beistellungen, Leistungen vorgeschriebener Unterauftragnehmer, Ersatzteilbedarf und Wartungsaufwand in der Nutzungsphase sowie andere Leistungsziele zählen. Zu einem ungewöhnlichem Wagnis wird aber auch in diesen Fällen das dem Auftragnehmer auferlegte Risiko erst dann, wenn es darüber hinaus nach Art der Vertragsgestaltung und nach dem allgemein geplanten Ablauf nicht zu erwarten ist und im Einzelfall wirtschaftlich schwerwiegende Folgen für den Auftragnehmer mit sich bringen kann (OLG Düsseldorf, B. v. 19.10.2006 - Az.: VII - Verg 39/06; OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; VK Lüneburg, B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008; B. v. 12.01.2007 – Az.: VgK-33/2006; B. v. 18.06.2004 - Az.: 203-VgK-29/2004 – für den Bereich der VOL/A). Die Vorschrift findet deshalb von vornherein auf solche Risiken keine Anwendung, die vertragstypisch ohnehin den Auftragnehmer treffen (OLG Düsseldorf, B. v. 9.7.2003 - Az.: Verg 26/03;

4145

4146

4146/1

4147

Page 36: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08; VK Lüneburg, B. v. 12.01.2007 – Az.: VgK-33/2006). So ist z. B. die Munitionsberäumung eines ehemaligen militärischen Truppenübungsplatzes typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Aufwand zur Abarbeitung des Auftrages vorab nicht hinreichend sicher zu ermitteln ist. Die Erstellung einer Leistungsbeschreibung für den Auftrag auf der Grundlage der "Hochrechnung" der Ergebnisse der Beräumung eines repräsentativen Testfeldes ist insoweit nicht als fehlerhaft im Sinne von § 9 VOB/A anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis nicht die Anzahl der Arbeitsstunden, sondern die Zahl bzw. das Gewicht der Fundstücke zur Grundlage der Berechnung der Vergütung erhebt. Es ist dann die ureigenste Aufgabe der Bieter, diesem für die hier zu erbringende Arbeit typischen Risiko durch eine entsprechend angepasste Kalkulation Rechnung zu tragen, etwa in dem aufgrund des diesem Vertrag immanenten, nicht zu vermeidenden und daher auch nicht ungewöhnlichen "Wagnisses" angemessene Zuschläge einkalkuliert werden (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05; Urteil vom 22.1.2002 - Az.: 1 U (Kart) 2/01).

81.11.3 Weite Auslegung zugunsten des Bieters Die Regelung dient dem Schutz des Auftragnehmers vor unangemessenen Vertragsbedingungen (VK Hamburg, B. v. 25.7.2002 - Az.: VgK FB 1/02). Entsprechend diesem Normzweck des § 9 Nr. 1 VOB/A ist die Vorschrift nicht eng, sondern eher weit auszulegen (2. VK Bund, B. v. 13.07.2005 - Az.: VK 2 – 69/05; B. v. 19.3.2002 - Az.: VK 2 - 06/02; 1. VK Bund, B. v. 19.7.2002 - Az.: VK 1 - 37/02).

81.11.4 Leistungs- und Erfüllungsrisiko Die Übertragung eines ungewöhnlichen Risikos liegt nicht im Leistungs- und Erfüllungsrisiko (VK Lüneburg, B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008). Der Auftragnehmer eines Bauauftrags trägt nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur das Risiko, seine vertraglich übernommen Verpflichtungen erfüllen zu können; ihm ist nach allgemeinem Vertragsrecht überdies auch das Risiko zugewiesen, die versprochene Leistung über die gesamte Vertragslaufzeit zu dem vereinbarten Preis kostendeckend erbringen zu können. Es fällt mithin auch in seinen Risikobereich, wenn bei einem unverändert bleibenden Leistungsgegenstand seine Kosten aufgrund veränderter gesetzlicher (oder wirtschaftlicher) Rahmenbedingungen steigen, so dass er seine Vertragsleistung mit einem erhöhten Kostenaufwand erbringen muss. Es ist nach der vertragstypischen Risikoverteilung - auch im Bauvertrag - vielmehr Sache des Auftragnehmers, für derartige Kostensteigerungen Vorsorge zu treffen und sie durch einen entsprechenden Wagniszuschlag in seiner Preiskalkulation zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, B. v. 9.7.2003 - Az.: Verg 26/03).

81.11.5 Bestehen eines Auftragsbedarfes und Finanzierbarkeit Behält sich der Auftraggeber die Möglichkeit vor, die Vertragsdauer durch einseitige Erklärung um ein Jahr zu verlängern, unter der Voraussetzung eines entsprechenden Bedarfs und der Finanzierbarkeit, wird das Risiko, dass nach einem bestimmten Zeitpunkt noch Bedarf für die Beratungsleistung besteht oder dass diese zu diesem Zeitpunkt

4148

4149

4150

4151

Page 37: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

finanzierbar ist - das ein Risiko darstellt, das grundsätzlich vom Auftraggeber zu tragen ist - entgegen der leistungstypischen Risikostruktur des Dienstleistungsvertrages auf den Auftragnehmer übertragen. Das hierdurch für den Auftragnehmer begründete ungewöhnliche Wagnis beruht auf Umständen und Ereignissen, auf die der Auftragnehmer keinen Einfluss nehmen kann (3. VK Bund, B. v. 19.4.2004 - Az.: VK 3 - 44/04). Ein außergewöhnliches Kündigungsrecht des Auftraggebers aus Haushaltsgründen beinhaltet grundsätzlich ein vergaberechtswidriges ungewöhnliches Wagnis für den Auftragnehmer. Es ist nicht zu rechtfertigen, dem Auftragnehmer das Haushaltsrisiko des Auftraggebers zu überbürden (VK Lüneburg, B. v. 10.03.2006 - Az.: VgK-06/2006). Die Bestimmung, wonach eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann, wenn ein Gericht rechtskräftig festgestellt hat, dass der Abschluss bzw. die Aufrechterhaltung des Vertrages gegen Vergaberecht verstößt, berücksichtigt eben so wenig, in wessen Verantwortungsbereich es liegt, wenn es zu einer solchen Feststellung kommt. Abgesehen davon vermag nicht jede Feststellung, dass der Abschluss eines Vertrages gegen Vergaberecht verstößt, eine Kündigung zu rechtfertigen. Lediglich soweit ein Sachverhalt vorliegt, wonach eine Vertragsaufhebung unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 18.7.2007, Rs. 503/4 erforderlich wird, mag eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein (VK Baden-Württemberg, B. v. 07.11.2007 - Az.: 1 VK 43/07).

81.11.6 Abnahme- bzw. Verwendungsrisiko Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Nach einer Auffassung ist nicht jegliche, und sei es auch eine nur geringfügige Verlagerung des Verwendungsrisikos auf den Auftragnehmer mit einem unzulässigen Wagnis gleichzusetzen. Das Vergaberecht selbst trägt mit der grundsätzlichen Zulassung von Bedarfs- oder Alternativpositionen dem Umstand Rechnung, dass der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht in vollem Umfang Klarheit über seinen Bedarf hat und setzt für einen solchen Fall dem Auftraggeber lediglich Grenzen für die Aufnahme derartiger Positionen. Entsprechend ist auch zu verfahren, wenn der Auftraggeber eine Vertragsgestaltung wählen möchte, die von der herkömmlichen Risikostruktur des Vertrags abweicht. Eine Risikoverlagerung in Höhe von 10% des Gesamtauftragswertes, für die der Auftragnehmer das Verwendungsrisiko trägt, erscheint hinnehmbar, wenn es sich um ein bestimmtes und quantitativ eingegrenztes Risiko handelt, das in der Kalkulation mit berücksichtigt werden kann, und wenn Möglichkeiten bestehen, die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen, die aus der Risikoverlagerung entstehen können, abzumildern, z.B. durch Übernahme des Belegungsrisikos oder durch einen erheblichen gestalterischen und organisatorischen Spielraum des Auftragnehmers bei der Verteilung der Teilnehmer auf die Berufsfelder und damit auch auf die von ihm für die Erbringung der Leistung eingeplanten und vorgehaltenen Personal- und Sachmittel (3. VK Bund, B. v. 06.05.2005 - Az.: VK 3 – 28/05; B. v. 24.3.2004 - Az.: VK 3 - 36/04; 1. VK Bund, B. v 08.08.2006 - Az.: VK 1 - 67/06; B. v. 7.4.2004 - Az.: VK 1 - 15/04, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK 1 - 11/04). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf können aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit und des Nichtbestehens eines Formen- und Typenzwangs im Zivilrecht die Vertragsparteien eine Verlagerung des Verwendungsrisikos der Dienstleistung vom

4152

4152/1

4153

4154

4154/1

Page 38: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Dienstherrn auf den Auftragnehmer bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) vereinbaren (OLG Düsseldorf, B. v. 18.11.2009 - Az.: VII-Verg 19/09). Jedoch ist eine Abweichung von der gesetzlichen Risikoverteilung, nach der der Auftragnehmer 20% der vereinbarten Vertragsleistung zusätzlich vorzuhalten hat, nicht unerheblich und bedeutet die Überwälzung eines unzulässigen Wagnisses (1. VK Bund, B. v. 20.10.2004 - Az.: VK 1 – 123/04; B. v. 29.09.2004 - Az.: VK 1 – 162/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 132/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 129/04; B. v. 23.09.2004 - Az.: VK 1 – 126/04; B. v. 26.08.2004 - Az.: VK 1 – 111/04; B. v. 26.08.2004 - Az.: VK 1 – 105/04; B. v. 26.08.2004 - Az.: VK 1 – 108/04); ebenso bei einer Überwälzung von 30% des Verwendungsrisikos (OLG Düsseldorf, B. v. 09.06.2004 - Az.: VII - Verg 18/04). In dieser Entscheidung tendiert das OLG Düsseldorf sogar dazu, grundsätzlich jegliche Überwälzung des Verwendungsrisikos für unzulässig zu erachten; mit Beschluss vom 23.03.2005 (Az.: VII – Verg 77/04) entscheidet das OLG im Sinne dieses Grundsatzes. In einer späteren Entscheidung korrigiert das OLG Düsseldorf diese Interpretation. Entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls (instruktiv OLG Düsseldorf, B. v. 19.10.2006 - Az.: VII - Verg 39/06). Wenn jedoch die grundsätzliche Gefahrenverteilung bei Bauverträgen, die darin besteht, dass der Auftraggeber das Abnahmerisiko trägt (was bestellt ist, wird auch bezahlt), durch die Ausschreibungsbedingungen im Ergebnis umgekehrt wird , handelt es sich um die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses selbst dann, wenn diese Risikoverlagerung in sehr begrenztem Umfang durch geringfügige Kostengarantien abgefedert wird (2. VK Bund, B. v. 19.3.2002 - Az.: VK 2 - 06/02). Auch wird durch eine Vergütungsregelung das Risiko mengenmäßiger Bedarfsschwankungen in nicht unerheblichem Umfang auf den Auftragnehmer überwälzt, wenn z. B. eine Vergütung pro Kunde und Monat gezahlt werden soll, sich also danach richtet, wie viele Kunden tatsächlich betreut werden und im Vertragszeitraum mindestens 1150 und höchstens 2100 Bewerber zu betreuen sein werden, wobei die Mindestzahl von 1150 Bewerbern garantiert ist. Der Abstand zwischen der garantierten Mindestzahl und der Höchstzahl von Bewerbern ist dann so hoch, dass sich der Umfang der zu erbringenden Leistung nicht im Voraus abschätzen lässt. Es handelt sich um eine Abweichung, die fast 50% beträgt. In diesem Umfang übernimmt der Auftragnehmer das Risiko, dass Bewerber in ausreichender Zahl vorhanden sind, von dem Auftraggeber zugewiesen werden und auch tatsächlich erscheinen. Entscheidet dann allein der Auftraggeber über die Zuweisung der Bewerber, handelt es sich um die Übertragung eines ungewöhnlichen Risikos (3. VK Bund, B. v. 19.4.2004 - Az.: VK 3 - 44/04). Wenn die grundsätzliche Gefahrenverteilung bei Leistungsverträgen, die darin besteht, dass der Auftraggeber das Abnahmerisiko trägt (was bestellt ist, wird auch bezahlt), durch die Ausschreibungsbedingungen im Ergebnis umgekehrt wird , handelt es sich um die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses selbst dann, wenn diese Risikoverlagerung in sehr begrenztem Umfang durch geringfügige Kostengarantien abgefedert wird (2. VK Bund, B. v. 19.3.2002, Az.: VK 2 - 06/02).

81.11.7 Absicherung eines Risikos über die Vergütung Ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 9 Nr. 2 VOB/A liegt dann nicht vor, wenn der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, das Wagnis in wirtschaftlicher , also in

4155

4156

4157

4158

4159

Page 39: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

vergütungsmäßiger Hinsicht, abzusichern (OLG Koblenz, Urteil v. 19.05.2006 - Az.: 8 U 69/05; OLG Naumburg, Urteil vom 22.1.2002 - Az.: 1 U (Kart) 2/01; 3. VK Saarland, B. v. 10.08.2009 - Az.: 3 VK 03/2008).

81.11.8 Zeitlicher Vorlauf zwischen Angebotseröffnung und Leistungsbeginn Für einen umfangreichen Auftrag für die Sammlung und den Transport von Abfällen, Behälterwirtschaftung, Verwertung von Altpapier pp. hat die Rechtsprechung entschieden, dass ein zeitlicher Vorlauf von 17 Monaten bzw. 24 Monaten nicht nur den fachkundigen Bietern zumutbar, sondern für den Auftraggeber auch geboten ist. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Bieter, der den Auftrag letztlich erhält, eine umfangreiche Logistik und gegebenenfalls einen Standort im Entsorgungsgebiet aufbauen muss. Ferner muss der Auftraggeber, wie die Praxis der Vergabekammern zeigt, bei einem derartig umfangreichen, auch von der Auftragssumme bedeutenden Auftrag, berücksichtigen, dass sich die Auftragserteilung durch Wahrnehmung der Bieterrechte gemäß § 97 ff. GWB und Stellung eines Nachprüfungsantrages erheblich verzögert (VK Lüneburg, B. v. 08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006; B. v. 12.11.2001 - Az.: VgK-19/2001). Entsprechende Beschlüsse für den Bereich der VOB/A gibt es nicht.

81.11.9 Zulässigkeit der Forderung einer Mischkalkulation Die Bildung einer Mischkalkulation bedeutet für die Bieter keine Übernahme eines ungewöhnlichen und unzumutbaren Risikos, wenn der tatsächliche Umfang der erforderlichen Arbeiten zum Zeitpunkt der Erstellung der Kalkulation der Größenordnung nach erkennbar gewesen ist (BGH, Urteil vom 18.4.2002 - Az: VII ZR 38/01).

81.11.10 Zulässigkeit von Umsatzrabatten Im Grundsatz ist es sachgerecht und nicht zu beanstanden, dass der öffentliche Auftraggeber Umsatzrabatte nach bestimmten Jahresumsatzzahlen gestaffelt bei den Bietern abfragt. Je nachdem, ob und welche Angaben die Bieter hierzu machen, kann sich ein bestimmtes Angebot als wirtschaftlich vorzugswürdig erweisen. Voraussetzung für eine vergaberechtskonforme Angebotswertung ist dann jedoch, dass die den Rabatten zugrunde gelegten (gestaffelten) Umsätze im Rahmen der von der Vergabestelle vorzunehmenden Prognose genügend abgesichert sind, das heißt, mit genügender Wahrscheinlichkeit auch erreicht werden können (OLG Düsseldorf, B. v. 1.10.2003 - Az.: Verg 45/03).

81.11.11 Keine eindeutige Bezeichnung von Bedarfspositionen Bedarfspositionen müssen als Bedarfspositionen gekennzeichnet sein; ansonsten verstößt der Auftraggeber mindestens gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung; vgl. im Einzelnen die Kommentierung RZ 4098.

4160

4161

4162

4163

4164

Page 40: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.11.12 Vorhaltung von Personal Ein öffentlicher Auftraggeber bürdet Bietern mit seiner Auffassung, dass bereits die Abgabe eines Angebots in einem anderen Vergabeverfahren unter Benennung des jeweiligen Personals als eine Verplanung des Personals anzusehen ist, ein ungewöhnliches Wagnis auf. Er zwingt damit die Bieter, ihr Personal bis zum Ablauf der Bindefrist zugunsten der Vergabestelle vorzuhalten, so dass sich die Bieter nicht gleichzeitig mit diesem Personal um andere Maßnahmen bewerben können. Da die Teilnahme an einem Vergabeverfahren für den Bieter letztlich nur die Chance auf Zuschlagserteilung bedeutet, er aber darauf angewiesen ist, sein Personal auszulasten, muss ihm die Möglichkeit offen stehen, durch gleichzeitige Abgabe mehrerer Angebote die Chancen auf Erlangung wenigstens einiger Aufträge zu erhöhen. Indem ein öffentlicher Auftraggeber die Bieter hinsichtlich dieser Möglichkeit einengt, beschränkt er deren wettbewerbliche Handlungsfreiheit in nicht hinnehmbarer Weise. Darin liegt gleichzeitig auch eine für die Bieter unangemessene Bedingung (1. VK Bund, B. v. 19.7.2002 - Az.: VK 1 - 37/02).

81.11.13 Gerüstvorhaltung für andere Unternehmen Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn ein öffentlicher Auftraggeber in der Ausschreibung fordert, dass die Gerüste für die Dauer der Arbeiten auch anderen genau bezeichneten Unternehmern "vorzuhalten" sind, weil es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, dass jeder Unternehmer, der tätig wird und ein Gerüst benötigt, mit entsprechendem Kostenaufwand sein Gerüst selbst stellt und wieder abbaut und auf diese Weise der Auftraggeber mehr bezahlen muss, als wenn ein Gerüst einmal gestellt wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts überbürdet ein Auftraggeber dem Anbieter kein unüberschaubares und für ihn in keiner Weise beeinflussbares Preisrisiko, wenn er bei dem Vorhalten von Gerüsten keine Angaben über die Dauer der Arbeiten macht. Hiergegen spricht schon der Umstand, dass üblicherweise in einer Ausschreibung auch Ausführungsfristen genannt sind. Selbst wenn für das den Bieter betreffende Gewerk die hierauf vorgesehene Ausführungsfrist genannt ist und nicht für die nachfolgenden, ändert dies nichts an der Beurteilung. Der Bieter hat verschiedene Möglichkeiten, sich Aufschluss über die voraussichtliche Dauer der Gerüstvorhaltung zu verschaffen und deren Wert zu kalkulieren. Er kann sich beim öffentlichen Auftraggeber erkundigen. Er hat auch die Möglichkeit, einen Einheitspreis zu kalkulieren, der für die Zeit nach Abschluss der eigenen Arbeiten nach Zeiteinheiten berechnet wird. Er hat die Möglichkeit, hierauf in den Anmerkungen zum Angebot hinzuweisen. Schließlich darf auch nicht die unternehmerische Erfahrung außer Acht gelassen werden. Ein Bieter ist als Fachunternehmen damit vertraut, wie sich der Ablauf bei Übernahme eines solchen Auftrages auch mit Nachfolgearbeiten anderer Handwerker und Unternehmer gestaltet (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 85/97).

81.11.14 Keine Mehrforderungen bei Mehr- oder Minderleistungen auch über 10%? Hat ein öffentlicher Auftraggeber in seinen Verdingungsunterlagen, ohne dies optisch oder sonst wie hervorzuheben, die Bestimmung getroffen, dass Mehr- oder Minderleistungen auch über 10% nicht zu Mehrforderungen berechtigen, bürdet dies den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis auf und widerspricht dem einzubeziehenden Regelwerk der

4165

4166

4167

Page 41: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

VOB/B. Das Wagnis wird dadurch verstärkt, dass auch alle angegebenen Maße nicht ohne Prüfung übernommen werden dürfen und die Bieter die Eignung der Verfahren und Materialien fortwährend zu überprüfen haben. Die Verdingungsunterlagen verlagern das Risiko der Arbeiten an einem nicht im Einzelnen von der Konsistenz, Stärke und Neigung her bekannten Mauerwerk auf den Bieter, versagen ihm aber die Mehrforderungen bei Mehrleistungen. Dies verstößt nicht nur gegen die bieterschützende Vorschrift aus § 9 Nr. 2 VOB/A, sondern lässt auch berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob alle Bieter die Abweichung von der VOB/B erkannt und in ihre Preiskalkulation miteinbezogen haben. Die vorliegende Unsicherheit, was den Bieter an Anforderungen erwartet, kann durchaus verglichen werden etwa mit den Wasser- und Bodenverhältnissen, deren Unwägbarkeiten auch nicht komplett auf den Bieter übergewälzt werden dürfen (VK Düsseldorf, B. v. 24.1.2001 - Az.: VK - 31/2000 - B).

81.11.15 Abrechnung von losem Material als festes Material ohne Angabe eines Umrechnungsschlüssels Eine Vertragsklausel, nach der tatsächlich lose anfallendes Material ohne Angabe eines Umrechnungsschlüssels fiktiv als fest abzurechnen ist, schiebt dem Auftragnehmer unter Verstoß gegen die VOB/A ein unangemessenes Wagnis zu, indem sie ihm zumutet, auf eigenes Risiko einen Umrechnungsmodus anzunehmen und zur Grundlage seines Angebotes zu machen. Da es für diesen Umrechnungsmodus verschiedene Möglichkeiten gibt und nach Auffassung des Berufungsgerichts sogar Experimente erforderlich sein können, wäre zudem nicht gewährleistet, dass alle Bieter die Ausschreibung im gleichen Sinne verstehen (§ 9 Nr. 1 VOB/A). Schließlich würde die Ausschreibung auch gegen die Vorgabe verstoßen, dass Preise leicht zu ermitteln sein sollen. Im Ergebnis müsste bei der vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Auslegung der Bieter selbst zunächst einmal für den Einbau ggf. auch nach Probewägungen den zu beschaffenden Materialbedarf abschätzen (BGH, Urteil vom 9.1.1997 - Az.: VII ZR 259/95).

81.11.16 Vorgabe von Standards durch den Auftraggeber Ein öffentlicher Auftraggeber kann Anforderungen stellen, die über die gesetzlichen Mindesterfordernisse hinausgehen und für die er einen höheren Preis zu zahlen bereit ist. Solche Anforderungen sind nicht zwangsläufig als "ungewöhnliche Wagnisse" anzusehen. Es ist dem Auftraggeber überlassen, welche Qualität einer Leistung er haben möchte; er muss sich nicht mit Mindeststandards begnügen. Er muss dabei allerdings z. B. beachten, dass die Leistung eindeutig beschrieben und der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird und die höheren Anforderungen nicht nur gestellt werden, um den Wettbewerb auszuschalten und einem bestimmten bevorzugten Bewerber den Auftrag zukommen lassen zu können. Die Forderung nach Vorlage aller erforderlichen Genehmigungen etc. oder die Verpflichtung zur Duldung von Probenahmen erscheint legitim, zumindest aber nicht überzogen (VK Hessen, B. v. 20.2.2002 - Az.: 69 d VK - 47/2001).

81.11.17 Parallelausschreibung

4168

4169

4170

Page 42: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Parallelausschreibung gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung verstoßen. Vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu § 16 VOB/A RZ 4619.

81.11.18 Vereinbarung einer Vertragsstrafe Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Damit muss ein Auftragnehmer rechnen. Ergibt sich außerdem die Höhe der Vertragstrafe aus einer gesetzlichen Regelung (z.B. einem Tariftreuegesetz) und übernimmt die vertragliche Regelung lediglich die gesetzliche Vorgabe, so „überbürdet“ oder verlagert der Auftraggeber mit dieser Regelung kein Risiko auf die Bieter, mit dessen Eintritt nach dem allgemeinen und vorhersehbaren Ablauf einer Vertragsbeziehung bzw. bei der Durchführung des Vertrages nicht gerechnet werden muss, wobei dem Bieter die Möglichkeit genommen wird, die für ihn nachteiligen wirtschaftlichen Folgen abzuwenden (VK Münster, B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 24/04; im Ergebnis ebenso 3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07).

81.11.19 Vereinbarung einer Vertragsstrafe und Kündigung bei illegalen Praktiken im Baugewerbe Es dürfte allgemein bekannt sein, dass illegale Praktiken im Baugewerbe ein Problem darstellen und dass der Auftraggeber ein anerkennenswertes Interesse daran hat, solche Verstöße zu verhindern. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei solchen Verstößen ist grundsätzlich zulässig. Hierdurch wird im konkreten Fall auch kein ungewöhnliches Wagnis auf den Auftragnehmer überwälzt. Illegale Beschäftigung und Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften gehören eher zum Risikobereich des Auftragnehmers, der auf die Beschäftigungsverhältnisse auf der Baustelle mehr Einfluss hat als der Auftraggeber und der sich ja der Nachunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen bedient. Zwar ist die Zurechnung jeglichen Verschuldens in der Nachunternehmerkette sehr weitgehend und begründet unter Umständen – je nach Anzahl der einzusetzenden Nachunternehmer – ein Wagnis für den Auftragnehmer. Dieses Wagnis ist hier aber nicht ungewöhnlich im Sinne des § 9 Nr. 2 VOB/A. Dass dem Auftragnehmer das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen auch im Rahmen vereinbarter Vertragsstrafen gemäß § 278 BGB zugerechnet wird, ist der Regelfall. Wenn Vorschriften, die mit deliktischen Sanktionen belegt sind, zum Gegenstand der vertraglich geschuldeten Leistung gemacht werden, ist die Anwendung des § 278 BGB nicht systemwidrig, sondern im Gegenteil folgerichtig. Das Risiko, dass der Auftragnehmer die vereinbarte Vertragsstrafe nicht an seine Nachunternehmer durchreichen oder von diesen Regress verlangen kann, besteht auch in anderen Fällen vereinbarter Vertragsstrafen, beispielsweise wenn ein Nachunternehmer eine bedeutende Verzögerung des Fertigstellungstermins verschuldet. Das übernommene Wagnis ist auch kalkulierbar, wenn eine mit der Rechtsprechung des BGH vereinbare Höchstsumme festgelegt wird; diese kann der Auftragnehmer in seinen Angebotspreis mit einkalkulieren (3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07).

4171

4171/1

Page 43: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.11.20 Vereinbarung einer Vertragsstrafe für nicht rechtzeitige Mitteilungen über organisatorische oder strukturelle Veränderungen beim Auftragnehmer oder Änderungen in der Zusammensetzung einer Auftragnehmergemeinschaft An der Bestimmung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass Leistungserbringer organisatorische oder strukturelle Veränderungen in ihrem Unternehmen oder Änderungen in der Zusammensetzung einer Auftragnehmergemeinschaft nicht oder nicht rechtzeitig mitteilen, ist nichts auszusetzen. Der Auftraggeber will sich während der Vertragslaufzeit über Veränderungen im Unternehmen der Leistungserbringer unterrichtet halten, welche die Fachkunde, die Leistungsfähigkeit oder die Zuverlässigkeit beeinträchtigen können. Dazu ist er bei einem für mehrere Jahre einzugehenden Dauerschuldverhältnis berechtigt. Ebenso wenig kann davon gesprochen werden, die von dem Auftraggeber getroffene Vertragsstrafenregelung bleibe hinter den gesetzlichen Anforderungen an Vertragsstrafen nach den §§ 339 ff. BGB zurück oder überbürde dem Leistungserbringer zu Unrecht den Nachweis, dass ihn an einem Vertragsverstoß kein Verschulden trifft. Die Bestimmungen der §§ 339 bis 343 BGB sind auf die in Vertragsbedingungen des Auftraggebers geregelten Vertragsstrafen ohne Weiteres anzuwenden (OLG Düsseldorf, B. v. 17.04.2008 - Az.: VII - Verg 15/08).

81.11.21 Vereinbarung einer Bürgschaft als Sicherheit für die Vertragserfüllung Soll eine Bürgschaft als Sicherheit für die Vertragserfüllung gestellt werden, ist ein derartiges Verlangen des Auftraggebers legitim, und die Erfüllung ist für den späteren Leistungserbringer nicht unzumutbar. Das Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers umfasst selbstverständlich auch etwaige Schadensersatzansprüche. Eine Sicherheitsleistung ist Leistungserbringern der Höhe nach zuzumuten, wenn sie fünf Prozent der pauschal zu zahlenden monatlichen Vergütung beträgt (OLG Düsseldorf, B. v. 17.04.2008 - Az.: VII - Verg 15/08).

81.11.22 Vorweggenommene Zustimmung zur Verlängerung der Bindefrist für den Fall eines Nachprüfungsverfahrens zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe Die Verpflichtung der Beter durch den Auftraggeber, bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe die vorweggenommene Zustimmung zur Verlängerung der Bindefrist mindestens bis zur Rechtskraft des letzten Beschlusses im Nachprüfungsverfahren zu verlangen, sofern der Bieter Beteiligter des Nachprüfungsverfahrens ist, stellt kein ungewöhnliches Wagnis dar. Nicht nur ein öffentlicher Auftraggeber, sondern auch die Bieter müssen bei europaweiten Vergabeverfahren stets damit rechnen, dass ein Bieter von seinem Rechtsschutz nach den §§ 107 ff. GWB Gebrauch macht. Darin liegt kein ungewöhnliches Kalkulationsrisiko. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich die Forderung nach der antizipierten Zustimmung zur Bindefristverlängerung ausdrücklich nur auf die Bieter beschränkt, die Beteiligte eines Nachprüfungsverfahrens werden. Dies sind neben dem jeweiligen Antragsteller regelmäßig nur die Bieter, die nach dem derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens die aussichtsreichsten Angebote abgegeben haben und deshalb von

4172

Page 44: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

der Vergabekammer gemäß 109 GWB zum Nachprüfungsverfahren beigeladen werden. Eine Rechtsverletzung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB durch die antizipierte Zustimmungserklärung scheidet für diesen Bieterkreis aus. Für den Antragsteller folgt dies schon daraus, dass er ohne Zustimmung zur Bindefristverlängerung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens die Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 2 GWB verliert, wenn das Zuschlagsverbot gemäß § 115 Abs. 1 GWB die Zuschlags- und Bindefrist nach § 19 VOL/A bzw. VOB/A überholt. Das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB und die damit verbundene Verzögerung des Vergabeverfahrens dient ja gerade den Interessen des Antragstellers und ist die zentrale Regelung des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes. Der damit verbundene Bieterschutz aber läuft ins Leere, wenn der Antragsteller den Zuschlag nach rechtskräftigem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens schon deshalb nicht erhalten kann, weil er mangels Verlängerung der Bindefrist kein wirksames Angebot mehr vorweisen kann. Da der Gesetzgeber bislang der Problematik, dass die Wirkung des Zuschlagsverbots gemäß § 115 Abs. 1 GWB die Zuschlags- und Bindefrist überholt, nicht Rechnung getragen hat, ist die Lösung über eine antizipierte Zustimmungserklärung zur Bindefristverlängerung eine recht- und zweckmäßige Regelung, die den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (VK Lüneburg, B. v. 08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006). Diese Auffassung muss differenziert betrachtet werden; sie ist mit Blick z.B. auf mögliche Materialpreissteigerungen bei Stahl oder Nichteisenmetalle (Kupfer) nicht haltbar .

81.11.23 Ausschreibungsbedingung, als Zeitraum für die späteste Aufforderung zum Beginn der Ausführung der Bauleistungen pauschal vier Monate nach Ablauf der Bindefrist des Angebotes vorzusehen Die Ausschreibungsbedingung, als Zeitraum für die späteste Aufforderung zum Beginn der Ausführung der Bauleistungen pauschal vier Monate nach Ablauf der Bindefrist des Angebotes vorzusehen, stellt ein ungewöhnliches Wagnis dar und verstößt gegen § 9 Nr. 2 VOB/A . Die Eintragung des Auftraggebers in den Besonderen Vertragsbedingungen, die späteste Aufforderung zur Ausführung der Leistung erfolgt ca. vier Monate nach Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist, enthält mehrere Varianten, sodass eine Kalkulation des Preises mehr auf Schätzungen als auf einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 9 Nr. 1 VOB/A) beruhen muss. So ist ungewiss, zu welchem Zeitpunkt der Auftragnehmer vom Auftraggeber in Anspruch genommen wird. Erstreckt sich z.B. die Ausführungsdauer über zwei Winterphasen, ist der Gesamtaufwand und mithin auch der Gesamtpreis, den die Antragstellerin anbieten kann, wesentlich höher als der Preis, der angeboten werden kann, wenn nur eine Winterphase zu berücksichtigen ist. Derjenige Bieter, der zwei Winterphasen seiner Kalkulation zugrunde legt, wird gegenüber Bietern, die nur einen Winter einkalkulieren, im Ergebnis keine Chance auf die Zuschlagserteilung haben. Für die Bieter muss aber überschaubar sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich das Wagnis - Bauausführung während einer oder zwei Winterperioden - voraussichtlich realisieren wird und mit welchem Ergebnis sich das Risiko sodann preislich entwickelt. Allein der Umstand, dass sich das theoretisch aufgebürdete Maximalrisiko benennen und preislich beziffern lässt, nimmt einer Auftragsbedingung, durch die ein Auftragnehmer im Sinne von § 9 Nr. 2 VOB/A ein ungewöhnliches und seinem Einfluss entzogenes Risiko aufgebürdet wird, noch nicht ihre Unangemessenheit. Erst dann, wenn der Auftragnehmer in der Lage ist, das zu überschauende Wagnis konkret abzuschätzen

4173

4173/1

Page 45: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts zu ermessen, ist es gerechtfertigt, die betreffende Auftragsbedingung vom Verbot des § 9 Nr. 2 VOB/A freizustellen. Das ist nicht der Fall, wenn Inhalt der Angebotskalkulation auch der in der Ausschreibung vorgegebene günstige oder ungünstige Zeitraum der Bauausführung ist. Ungünstige Zeiträume bedingen Veränderungen in den Leistungsanforderungen (andere Beton- und Bindemittelzusätze wegen Bauarbeiten in der Winterzeit, winterbedingte etwaige Unterbrechungen in der Bauausführung mit anderweitiger Verkehrsführung). Die zeitliche Verschiebung der Ausführung der Bauleistungen kann deshalb nicht ohne Einfluss auf die Preisgrundlage bleiben (VK Brandenburg, B. v. 30.09.2008 - Az.: VK 30/08).

81.11.24 Bedingter Zuschlag Ein bedingter Zuschlag z.B. dahingehend, dass bei einem einheitlichen Bauvorhaben, das in Losen ausgeschrieben ist, der Auftraggeber berechtigt ist, die Zuschlagserteilung eines Loses unter die aufschiebende Bedingung der Zuschlagserteilung der anderen Lose zu stellen, überträgt dem Bieter ein ungewöhnliches Wagnis und ist daher unzulässig. Ein Bieter kann den Ablauf der Vergabe grundsätzlich nicht beeinflussen und auch nicht für eine zusammenhängende Vergabe der Lose Sorge tragen. Die wesentlichen für eine Vergabe bedeutsamen Umstände hat der Auftraggeber in der Hand. Er schafft die Voraussetzungen für das Vorhaben, gestaltet die Verdingungsunterlagen und prüft und wertet die Angebote. Die aus der Sicht des Auftraggebers entscheidende Motivation für dieses Konstrukt, nämlich die zeitliche Verschiebung der Zuschlagserteilung in einem Los durch einen Nachprüfungsantrag, ist von dem im Parallelverfahren für den Zuschlag vorgesehenen Bieter ebenfalls nicht beeinflussbar. Durch die vorgesehene Möglichkeit, den Zuschlag unter die aufschiebende Bedingung der Zuschlagserteilung im Parallelverfahren zu stellen, wird dem Auftragnehmer das zeitliche Risiko des Nachprüfungsverfahrens bei der Parallelvergabe mit aufgebürdet. Zwar ist die Dauer des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer wegen der 5-Wochen Frist des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB noch einigermaßen voraussehbar. Für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens vor dem OLG trifft dies aber bereits nicht mehr zu. Für den Bieter ist damit nicht voraussehbar, wann er mit den Bauarbeiten wird beginnen können. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass dies auch die Planbarkeit der Auftragsausführung und unter Umständen auch die Verfügbarkeit von Ressourcen beeinflusst. Das dadurch dem Auftragnehmer überbürdete Wagnis ist auch in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: Zutreffend ist zwar, dass Terminverschiebungen in der Baubranche nichts Ungewöhnliches sind. Aus der Regelung des § 5 Nr. 2 VOB/B ergibt sich auch, dass ein Auftraggeber nicht zwingend vor Vertragsabschluss den Termin für den Baubeginn angeben muss. Ist der Vertrag zustande gekommen, gibt § 5 Nr. 2 VOB/B dem Auftragnehmer aber das Recht, Auskunft über den voraussichtlichen Leistungsbeginn zu verlangen. Diese Bestimmung berücksichtigt das wohlverstandene Interesse des Auftragnehmers, zumindest über den voraussichtlichen Baubeginn Bescheid zu wissen, um seine betrieblichen Planungen auf die Erfüllung der bauvertraglichen Pflichten einstellen zu können. Richtet der Auftragnehmer ordnungsgemäß die Frage über den Baubeginn an den Auftraggeber, so ist dieser verpflichtet, die geforderte Auskunft zu erteilen. Diese Rechte bestehen bei der bedingten Zuschlagserteilung nicht. Für den Fall, dass der Beginn der Ausführung von einer Aufforderung des Auftraggebers abhängt, bestimmt § 11 VOB/A Nr. 1 Abs. 3, dass die Frist innerhalb derer die Aufforderung auszusprechen ist, in den Verdingungsunterlagen festgelegt sein muss. In Verbindung mit § 5 Nr. 2 Satz 2 VOB/B, wonach der Auftragnehmer innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung zu beginnen hat, ist damit der Baubeginn und der Bauablauf planbar und kalkulierbar. Teilt der Auftraggeber insoweit mit, dass die Aufforderung mit Erteilung des Zuschlags erfolgt, läuft im Ergebnis

4173/1,5

Page 46: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

diese Mitteilung aber bei einer bedingten Zuschlagserteilung ins Leere, denn die Aufforderung ist damit unmittelbar selbst von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig. Im Ergebnis steht sich der Auftragnehmer so, als sei die Frist innerhalb derer die Aufforderung ausgesprochen werden kann, entgegen § 11 VOB/A Nr. 1 Abs. 3 nicht festgelegt worden. Auch der Einwand, dass der Baubeginn auch ohne bedingte Zuschlagserteilung dadurch auf unbestimmte Zeit verschoben werden kann, dass der Auftraggeber auf die Erteilung des Zuschlags zunächst verzichtet, ist nicht zielführend. Anders als im Fall der Zuschlagserteilung unter einer aufschiebenden Bedingung ist in diesem Fall der Bieter nur bis zum Ablauf der Bindefrist gezwungen, die angebotenen Ressourcen vorzuhalten. Da er die Bindefrist von Anfang an kennt, hat er insoweit eine sichere Kalkulationsgrundlage. Nach Ablauf der Bindefrist hat er die Möglichkeit, die erforderliche Verlängerung der Bindefrist zu verweigern, wenn die Auswirkungen der Verzögerung das von ihm kalkulierte Risiko überschreiten. Kommt der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Zuschlagserteilung im Parallelverfahren zustande, so hat er dieses Recht nicht. Der Vertrag ist voll gültig, der Eintritt seiner Rechtswirkungen hängt nur vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung ab und der Bieter kann sich hier nicht mehr ohne weiteres vom Vertrag lösen, wenn der Eintritt der aufschiebenden Bedingung sich länger als erwartet (und kalkuliert) verschiebt. Da bei einem bedingten Zuschlag keine gesicherten Eckpunkte für den Baubeginn und die Bauausführung zur Verfügung stehen und der Auftragnehmer sie sich auch nicht verschaffen kann, ist das überbürdete Wagnis für den Auftragnehmer auch nicht kalkulierbar. Auch die Kalkulation von Risikozuschlägen kann nicht völlig aus der Luft gegriffen werden, sondern muss sich an gewissen minimalen Vorgaben orientieren, die hier fehlen (3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07). Im Ergebnis ist diese Rechtsprechung mit der Rechtsprechung zu der Frage, wer letztlich die Mehrkosten aus einer Verschiebung des Baubeginns wegen eines Nachprüfungsverfahrens zu tragen hat, vergleichbar; vgl. insoweit die Kommentierung zu § 19 VOB/A RZ 4951/1.

81.11.25 Übertragung des Risikos der Verfügbarkeit und Bebaubarkeit der Bauflächen Die Verfügbarkeit und Bebaubarkeit der Bauflächen ist vom Auftraggeber vor der Ausschreibung sicherzustellen. Der Auftragnehmer hat hierauf typischerweise keinen Einfluss. Kommt es diesbezüglich zu Problemen, so wird im Regelfall eine Behinderung im Sinne des § 6 VOB/B vorliegen, mit der Möglichkeit unter den dort genannten Voraussetzungen die Fristen anzupassen bzw. Schadensersatz zu verlangen. Soll aber keine Behinderung vorliegen, wenn der Auftragnehmer die Arbeiten gleichwohl beginnen und ausführen kann, entfällt die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 6 VOB/B, unabhängig davon, ob die Arbeiten nur teilweise oder unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden können. Die Verantwortung für die termingerechte Fertigstellung trotz dieser Schwierigkeiten wird damit in vollem Umfang auf den Auftragnehmer übertragen. Für den Auftragnehmer ist jedoch nicht einschätzbar, in welchem Umfang mit Problemen bezüglich der Verfügbarkeit der Bauflächen zu rechnen ist und inwieweit dadurch im Einzelfall die Bauausführung beeinflusst werden kann. Er hat damit keinerlei Informationen, die es ihm ermöglichen würden, das zeitliche und finanzielle Risiko einzuschätzen (3. VK Bund, B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07; VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.: VK - 37/2009 – B).

4173/2

4173/3

Page 47: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Auftragnehmer gegen direktes Entgelt des Auftraggebers ein Bauwerk errichten soll oder ob er die Möglichkeit erhält, sich durch die Nutzung des Bauwerks zu refinanzieren. Die mangelnde Verfügbarkeit und Bebaubarkeit der Bauflächen lässt in beiden Fällen seinen wirtschaftlichen Erfolg entfallen (VK Düsseldorf, B. v. 28.01.2010 - Az.: VK - 37/2009 – B).

81.11.26 Übertragung des Risikos der Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit der Verdingungsunterlagen Das Risiko der Vollständigkeit und Fehlerfreiheit der Verdingungsunterlagen trägt der Auftraggeber (vgl. § 9 Nr. 1 und 3 VOB/A). Führt die Widersprüchlichkeit und Lückenhaftigkeit der Leistungsbeschreibung dazu, dass bei Auftragsausführungen Mehrleistungen zu erbringen sind, so sind diese zu vergüten; kommt es zu Verzögerungen, so geht dies ebenfalls zu Lasten des Auftraggebers. Zwar hat der Bieter gewisse Mitwirkungspflichten. Er muss, wenn er während des Vergabeverfahrens feststellt, dass die Verdingungsunterlagen unklar, lückenhaft oder sonst fehlerhaft sind, die Vergabestelle unverzüglich darauf hinweisen. Bei erkannter oder erkennbarer Unvollständigkeit soll der Bieter sich nicht im Nachhinein hierauf berufen können. Die vom Bieter verlangte Vollständigkeitserklärung geht aber weit über eine solche Mitwirkungspflicht hinaus , wenn der Bieter mit Abgabe des Angebots "versichern" muss, "dass die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und Angaben ausreichend waren, um die übernommenen Leistungen abnahmereif und funktionsfähig nach Ausführungsart und Umfang erbringen zu können." Die abzugebende Erklärung bezieht sich also nicht nur auf die Vollständigkeit der Verdingungsunterlagen, sondern weitergehend auf die Herstellung der Funktionsfähigkeit und der Abnahmereife. Sollte sich herausstellen, dass das errichtete Bauwerk mangels vollständiger Angaben in den Verdingungsunterlagen nicht voll funktionsfähig und abnahmereif zu erbringen war, so hat die abgegebene Erklärung zur Folge, dass der Auftragnehmer hierfür mit verantwortlich ist, und zwar unabhängig davon, ob er die Lückenhaftigkeit der Verdingungsunterlagen bei Erstellung des Angebots überhaupt hätte erkennen können. Bei erforderlichen Mehrleistungen zur Herstellung einer abnahmereifen Leistung kann der Auftraggeber dem Ansinnen des Auftragnehmers nach Mehrvergütung die streitige Klausel entgegenhalten. Wenn es infolge der Widersprüchlichkeit der Verdingungsunterlagen Zweifel am Umfang der geschuldeten Leistung gibt, soll der Auftraggeber bestimmen, wie die Verdingungsunterlagen hier zu verstehen waren und was die vereinbarte Leistung ist. Da die so im Nachhinein bestimmte Leistung dann die vertraglich vereinbarte Leistung im Sinne des § 2 Nr. 1 VOB/B ist, stehen dem Auftragnehmer keinerlei Mehrvergütungsansprüche zu. Im Ergebnis beansprucht der Auftraggeber damit aber das Recht, den in den Verdingungsunterlagen liegenden Fehler im Nachhinein zu seinen Gunsten zu korrigieren, ohne dass dem Auftragnehmer Ausgleichsansprüche zustehen. In ihren finanziellen Auswirkungen ist die Belastung durch beide Regelungen nicht absehbar oder gar kalkulierbar (3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07).

81.11.27 Vorabzustimmung des Bieters zur Übertragung der Rechte und Pflichten des Auftraggebers auf eine Projektgesellschaft Eine vorgesehene Vorabzustimmung des Bieters zur Übertragung der Rechte und Pflichten des Auftraggebers auf eine Projektgesellschaft überträgt ein ungewöhnliches

4173/3,1

4173/4

4173/5

Page 48: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Wagnis auf den Auftragnehmer. Nach § 415 BGB ist eine Schuldübernahme, um die es sich handelt, nur wirksam, wenn der Gläubiger zustimmt. Dies dient seinem Schutz, denn die Bonität des Schuldners ist für den Wert der Forderung von ausschlaggebender Bedeutung und er muss sich nicht auf einen Schuldner einlassen, den er sich nicht selbst ausgesucht hat. Die vorgesehene Vorabzustimmung ohne Kenntnis des Übernehmers nimmt dem Bieter jede Möglichkeit, sich von der Bonität seines neuen Schuldners zu überzeugen. Die bloße Mitteilung des Auftraggebers, die Werklohnforderung des Auftragnehmers könne vollständig abgesichert werden, ist nicht ausreichend. Das Risiko, das der Auftragnehmer mit einer Vorabzustimmung eingeht, kann er nur dann einschätzen, wenn ihm nähere Informationen zur Zusammensetzung der Projektgesellschaft, zu deren Kapitalausstattung oder zu sonstigen Absicherungen der Werklohnforderungen gegeben werden (3. VK Bund, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 3 - 154/07; B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07).

81.11.28 Belastung des Bieters mit der Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer ist regelmäßig Bestandteil des vom Bieter zu bestimmenden Angebotspreises. Der Bieter berechnet den Preis für seine Leistung und hat damit auch Einfluss auf die Berechnung der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist ein typisches Risiko eines Unternehmers, gehört zu seiner Sphäre und stellt sich damit nicht als ungewöhnliches, sondern vielmehr gewöhnliches Wagnis dar. Das Risiko der richtigen Ermittlung der Umsatzsteuer liegt damit aufseiten des Auftragnehmers. Zweifel oder Unklarheiten bei der Berechnung der Umsatzsteuer hat der Bieter - ggf. durch Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Finanzamt – zu beseitigen (VK Brandenburg, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07).

81.11.29 Kündigungsrechte des Auftraggebers Setzen sämtliche Gründe für eine außerordentliche Kündigung durch die Auftraggeber ausdrücklich ein Verschulden des Auftragnehmers voraus oder liegen sie zumindest ausdrücklich in der Sphäre des Auftragnehmers, so dass hier Eintritt oder Nichteintritt ausschließlich durch den Auftragnehmer beeinflussbar ist, wird den Bietern durch das dem Auftraggeber eingeräumte Kündigungsrecht kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet (VK Lüneburg, B. v. 15.05.2008 - Az.: VgK-12/2008). Die Aufnahme eines Kündigungsrechts für den Fall des endgültigen Scheiterns von notwendigen Vertragsverhandlungen nach § 2 Nr. 3 VOL/B ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere wird hierdurch dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis der Vertragsgestaltung aufgebürdet. Das Kündigungsrecht soll nur für den Fall bestehen, dass die Voraussetzungen des § 2 Nr. 3 VOL/B vorliegen, also Änderungen in der Beschaffenheit der Leistungen oder z.B. für Entsorgungsleistungen in der Zahl der Entleerungen pro Jahr oder eine Änderung der Jahresgesamtmengen. Es ist schon zweifelhaft, inwieweit diese ausdrückliche Regelung eines Kündigungsrechts eine nicht unerhebliche Abweichung gegenüber der rechtlichen Situation ohne diese Regelung darstellt. Denn scheitern die Vertragsverhandlungen, steht eine Beendigung des Vertragsverhältnisses ohnehin im Raum. Maßgeblich für die Frage der Risikoverteilung ist jedoch auch, dass das Kündigungsrecht beiden Vertragspartnern eingeräumt wird, so dass die Verhandlungssituation ausgeglichen bleibt (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08).

4173/6

4173/7

4173/7,2

Page 49: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.11.30 Forderung nach einer zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bereits abgeschlossenen Versicherung Verlangt der Auftraggeber, dass der Bieter bereits vor dem Zuschlag eine abgeschlossene Police vorlegen muss, dient diese Forderung nicht mehr der abstrakten Eignungsprüfung und der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Damit aber wird dem Bieter, der zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe seine Erfolgschancen denklogischer Weise noch nicht einschätzen kann, ein erhebliches wirtschaftliches Risiko des Abschlusses einer Versicherung auferlegt, die er womöglich später nicht benötigt. Die von den Bieter mit Angebotsabgabe verlangte Versicherungsbescheinigung stellt einen Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dar (1. VK Sachsen, 30.04.2008 - Az.: 1/SVK/020-08).

81.11.31 Forderung nach einer zum Zeitpunkt der Abgabe des Teilnahmeantrags bereits abgeschlossenen Versicherung Auch für einen Teilnahmewettbewerb stellt es eine nicht zumutbare Einschränkung der Bieterrechte dar, wollte man im Hinblick auf den im Ergebnis des Vergabeverfahrens abzuschließenden z.B. Dienstleistungsvertrag schon für das Stadium des Auswahlverfahrens verlangen, dass der Bieter rechtliche und finanzielle Bindungen eingeht, obwohl erst mit dem Abschluss des Vertrages auch der Abschluss einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen ist (VK Thüringen, B. v. 02.03.2009 - Az.: 250-4004.20-584/2009-002-EF). Auch nach Auffassung der VK Baden-Württemberg kann darin, dass sich der Auftraggeber vorbehält, zur Bietereignung den Nachweis über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung über Deckungssummen von 7,5 Mio. € für Personenschäden bzw. 50 Mio. € für Sachschäden vorlegen zu lassen, ein Vergabefehler zu sehen sein. Es handelt sich insoweit um eine unzumutbare Forderung. Es kann von den Bietern nicht erwartet werden, dass sie, ohne dass feststeht, dass sie den Zuschlag erhalten, Versicherungsverträge über solche Summen abschließen, die weit über das übliche Maß hinausgehen (VK Baden-Württemberg, B. v. 13.08.2009 - Az.: 1 VK 31/09).

81.11.32 Richtlinie des VHB 2008 Dem Auftragnehmer dürfen grundsätzlich keine Aufgaben der Planung und der Bauvorbereitung, die je nach Art der Leistungsbeschreibung dem Auftraggeber obliegen, übertragen und keine Garantien für die Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung abverlangt werden (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.2.1.1).

81.11.33 Literatur

• Roth, Frank, Die Risikoverteilung bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) aus vergaberechtlicher Sicht, NZBau 2006, 84

4173/8

4173/9

4173/10

4174

4175

Page 50: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.12 Angabe aller die Preisermittlung beeinflussenden Umstände (§ 9 Nr. 3 Abs. 1) Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben.

81.12.1 Umfangreiche Prüfungen Der Forderung an die Vergabestelle, "alle" die Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen, ist zu entnehmen, dass der öffentliche Auftraggeber umfangreiche Prüfungen gegebenenfalls durch Sachverständige vorzunehmen hat, um den Bietern auch tatsächlich alle Umstände mitteilen zu können, die sich auf die Preisermittlung auswirken können (2. VK Bund, B. v. 24.6.2003 - Az.: VK 2 - 46/03). Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit den genauen Leistungsgegenstand und -umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Er ist daher einerseits verpflichtet, zumutbaren finanziellen Aufwand zu treiben, um die kalkulationsrelevanten Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln. Diese Pflicht des Auftraggebers endet jedoch, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich ist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08). Soweit der Auftraggeber tatsächlich bestehende Möglichkeiten zu einer vollständigen Ermittlung nicht nutzt, obliegt ihm der konkrete Nachweis, dass eine vollständige Aufklärung wegen des damit verbundenen Aufwands trotz Aufklärungspflicht unzumutbar ist (VK Lüneburg, B. v. 07.09.2005 - Az.: VgK-38/2005).

81.12.2 Genaue Kennzeichnung der Bestandteile des Vertrages Der Auftraggeber ist verpflichtet , genau zu kennzeichnen, welche Teile der Verdingungsunterlagen Bestandteil des Vertrages werden und also die Bewertung beeinflussen können. Ein Vertragsmuster für einen Wartungsvertrag, welches vom Bieter mit Preisen zu versehen ist, muss dies deutlich erkennen lassen. Es wird nicht bereits dadurch zum Vertragsbestandteil, dass es den Verdingungsunterlagen beigefügt ist, sondern der Bieter muss auf diese Tatsache hingewiesen werden sowie darauf, dass er bereits jetzt verpflichtet ist, Preisangaben für einen zu einem späteren Zeitpunkt abzuschließenden Wartungsvertrag zu machen. Hierfür sind die anzukreuzenden Optionen auf dem Vorblatt des üblichen Wartungsvertragsmusters sowie gegebenenfalls sonstige Angaben (z. B. EVM(B)Ang) vorgesehen. Unterlässt der Auftraggeber es, hier die geforderten Angaben zu machen, entspricht dies nicht den Anforderungen, die gemäß § 9 Nr. 3 VOB/A an den Auftraggeber zu stellen sind (1. VK Sachsen, B. v. 11.10.2001 - Az.: 1/SVK/94-01).

4176

4177

4178

4179

Page 51: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.12.3 Hinweise auf Asbestzementmaterial Ein nach VOB/A erstelltes Leistungsverzeichnis über die Demontage von Abflussrohren muss auf etwaig erforderliche besondere Schutz- und Entsorgungsmaßnahmen aus der Behandlung und Beseitigung von Asbestzementmaterial ausdrücklich hinweisen (OLG Celle, Urteil vom 3.5.2001 - Az.: 13 U 186/00).

81.12.4 Genaue Kennzeichnung der Kostenbestandteile des geforderten Angebotspreises Aus den Verdingungsunterlagen muss deutlich werden, aus welchen Kostenbestandteilen sich der im Preisblatt anzugebende Angebotspreis zusammensetzen soll (3. VK Bund, B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 3 - 161/04).

81.12.5 Richtlinie des VHB 2008

81.12.5.1 Technische Richtigkeit einer Leistungsbeschreibung Eine Leistungsbeschreibung ist technisch richtig, wenn sie Art, Qualität und Modalitäten der Ausführung der geforderten Leistung entsprechend den anerkannten Regeln der Technik, den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder etwaigen leistungs- und produktspezifischen Vorgaben zutreffend festlegt (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.2.1.3).

81.12.5.2 Arbeiten in belegten Anlagen Wenn Leistungen in Bauwerken/Anlagen ausgeführt werden sollen, in denen der Betrieb weitergeführt wird, ist vor Aufstellung der Leistungsbeschreibung mit der nutzenden Verwaltung abzustimmen, welche besonderen Vorkehrungen bei der Ausführung getroffen werden müssen, siehe Nr. 0.2.2 der ATV DIN 18299 (Ziffer 6.1).

81.12.5.3 Auswertung von Gutachten Wenn Gutachten - z. B. über Baugrund, Grundwasser oder Altlasten - eingeholt werden, sind deren Ergebnisse und die dadurch begründeten Anforderungen in der Leistungsbeschreibung vollständig und eindeutig anzugeben; das bloße Beifügen des Gutachtens reicht für eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung nicht aus (Ziffer 6.2).

81.12.6 Besondere Hinweise für die Ausschreibung von Lebenszeitkosten

4180

4181

4182

4183

4184

Page 52: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Im Rahmen von Lebenszeitkosten eines Produktes oder einer Anlage, die vom Bieter anzugeben ist, kann ein Auftraggeber Art, Umfang und Häufigkeit von Wartungsarbeiten nicht im Einzelnen vorgeben, weil diese in technischer Hinsicht von der Konstruktion und den gewählten Materialien/Komponenten des jeweiligen zum Einsatz kommenden Produkts abhängen. Hieraus folgt zwangsläufig und liegt es in der Natur der Sache, dass der jeweilige Bieter die erforderlichen Wartungsarbeiten individuell bestimmt und die hierfür anfallenden Kosten in seine Berechnung mit einbezieht. Der Auftraggeber kann daher lediglich die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Nutzungsdauer des Produkts im Leistungsverzeichnis definieren. Dies macht er hinreichend dadurch, dass er fordert, dass die Teile und Komponenten des Systems auf eine Nutzungsdauer von z.B. 10 Jahren auszulegen – und bei geringerer Nutzungsdauer einzelner Teile – deren Wartungs- und Austauschaufwand als Folgekosten in die Rechnung einzustellen sind (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05).

81.12.7 Ausnahme Schützenswerte Interessen eines Auftraggebers können es in Ausnahmefällen rechtfertigen, von der Verpflichtung aus § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A abzusehen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Bieter sich die Informationen mit verhältnismäßig geringem, jedenfalls geringerem Aufwand als der Auftraggeber selbst beschaffen können und die Vergleichbarkeit der Angebote darunter nicht leidet (OLG Celle, B. v. 15.12.2005 - Az.: 13 Verg 14/05).

81.13 Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung in den DIN 18299 ff. (§ 9 Nr. 3 Abs. 4)

81.13.1 Aufbringen einer Haftbrücke Wenn eine Haftbrücke aufgebracht werden soll, muss dies im Leistungsverzeichnis verzeichnet sein; denn es handelt sich hier um eine Besondere Leistung - VOB/C, DIN 18353 Nr. 4.2.6, DIN 18299 Nr. 4.2 - (VK Münster, B. v. 25.2.2003 - Az.: VK 01/03).

81.13.2 Literatur

• Quack, Friedrich, Überlegungen zu Erfordernissen des Einzelfalls oder: Was verlangen die 0-Abschnitte der VOB/C wirklich?, ZfBR 2007, 211

81.14 Technische Spezifikationen (§ 9 Nr. 5)

81.14.1 Allgemeines

4185

4186

4187

4187/1

Page 53: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

In § 9 sind in den Nummern 5 – 10 Regelungen über technische Spezifikationen neu aufgenommen worden. Diese Regelungen entsprechen der Vorschrift des Art. 23 der Vergabekoordinierungsrichtlinie.

81.14.2 Begriff der Technischen Spezifikationen Der Begriff "technische Spezifikation" wird unterschiedlich verwendet: Teilweise werden die konkreten technischen Anforderungen im Leistungsverzeichnis als "technische Spezifikationen" angesehen, teilweise werden darunter nur die technischen Regelwerke verstanden. Die Begriffsbestimmungen im Anhang TS zur VOB/A sind insoweit nicht eindeutig. Nach Nr. 1 des Anhangs TS sind technische Spezifikationen sämtliche, insbesondere in den Verdingungsunterlagen enthaltenen, technischen Anforderungen an eine Bauleistung, ein Material, ein Erzeugnis oder eine Lieferung, mit deren Hilfe die Bauleistung, das Material, das Erzeugnis oder die Lieferung so bezeichnet werden können, dass sie ihren durch den öffentlichen Auftraggeber festgelegten Verwendungszweck erfüllen. Danach könnten auch die technischen Anforderungen im Leistungsverzeichnis als "technische Spezifikation" angesehen werden. Nach Nr. 2 des Anhangs TS wird dagegen eine "Norm" als technische Spezifikation bezeichnet (OLG Koblenz, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 Verg. 3/03; Brandenburgisches OLG, B. v. 20.8.2002 - Az.: Verg W 6/02; VK Südbayern, B. v. 10.06.2005 - Az.: 20-04/05). Nach einer anderen Auffassung zählen individuelle Festlegungen des Leistungsverzeichnisses an die zu erbringende Leistung nicht zu den technischen Spezifikationen. Dies ergibt sich aus § 9 Nr. 4 Abs. 2 und 3 VOB/A (a.F.), wonach in den Verdingungsunterlagen auf die technischen Spezifikationen Bezug zu nehmen ist (OLG München, B. v. 11.08.2005 - Az.: Verg 012/05; VK Münster, B. v. 17.06.2005 - Az.: VK 12/05; VK Südbayern, B. v. 10.06.2005 - Az.: 20-04/05; VK Nordbayern, B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; B. v. 18.01.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 54/04). Bei einem anderen Verständnis (RZ 4189) könnte außerdem der Auftraggeber individuelle auf das Bauvorhaben bezogene technische Vorgaben, auf welche er Wert legt, nicht mehr verbindlich festlegen. Denn jedes von den Angaben abweichende Angebot wäre dann als Hauptangebot nach § 21 Nr. 2 VOB/A zu werten, sofern es dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit entspricht (OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 10/08). Diese unterschiedliche Rechtsprechung hat weiterhin Bestand, da sich an den Definitionen des Anhangs TS insoweit nichts geändert hat und die technischen Spezifikationen in den Verdingungsunterlagen zu formulieren sind entweder unter Bezug auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen in einer bestimmten Reihenfolge oder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, die genau so zu fassen sind, dass sie den Bewerbern oder Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen oder als Kombination von beidem (§ 9 Nr. 6).

81.14.3 DIN-Normen Bei der Normreihe DIN handelt es sich um technische Spezifikationen im Sinne von § 9 Nr. 4 Abs. 2 VOB/A entsprechend der Begriffsbestimmung im Anhang TS Ziffer 1. Sie sind produktbezogen. Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische

4188

4189

4190

4191

4192

Page 54: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Regelungen mit Empfehlungscharakter. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Sie werden von dem gemeinnützigen Verein Deutsche Normen erarbeitet und von ihm herausgegeben. Dass bei Stoffen und Bauteilen, für die DIN-Normen bestehen, die Beschreibung der DIN-Güte- und Maßbestimmungen entsprechen muss, ergibt sich aus § 9 Nr. 3 Abs. 4 VOB/A, wonach die DIN 18299 ff. zu beachten sind (VK Brandenburg, B. v. 24.1.2002 - Az.: 2 VK 114/01). Der Auftraggeber ist nicht gehindert, bei den Anforderungen an eine Leistung im Rahmen der Leistungsbeschreibung über die Vorgaben der jeweiligen DIN hinauszugehen. DIN-Normen spiegeln einen bestimmten technischen Standard wieder, der aber durch die laufende Fortentwicklung von Produkten überholt werden kann (VK Münster, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05). Ist eine geplante europäische Norm für ein Produkt, die ein einheitliches Prüfungsverfahren für Europa enthalten und die Vergleichbarkeit garantieren soll, nicht bekannt gemacht und in Kraft getreten, kann diese auch nicht einer Ausschreibung zugrunde gelegt werden (VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06).

81.14.4 Vergleichbarkeit des GS-Prüfzeichens mit der CE-Kennzeichnung Nach § 12 Abs. 3 Bauproduktengesetz (BauPG) hat ein Bauprodukt, das die CE-Kennzeichnung trägt, die widerlegbare Vermutung für sich, dass es im Sinne des § 5 BauPG brauchbar ist und dass die Konformität nach § 8 BauPG nachgewiesen worden ist. Der durch die Konformitätserklärung und die CE-Kennzeichnung dokumentierte Sicherheitsstandard ist gleichwertig mit dem GS-Prüfzeichen, das vom Prüf- und Zertifizierungsinstitut des Verbandes Deutscher Elektrotechniker (VDE) vergeben wird, denn die Bedeutung der Europäischen Normen entspricht den DIN-Normen in ihrem Verhältnis zu den anerkannten Regeln der Technik (VK Brandenburg, B. v. 24.1.2002 - Az.: 2 VK 114/01).

81.14.5 Forderung nach einer RAL-Zertifizierung von Produkten Die Forderung eines Auftraggebers nach RAL-Zertifizierung stellt nicht eine Vorgabe bestimmter Erzeugnisse oder Verfahren im Sinne des § 9 Nr. 10 VOB/A dar, da grundsätzlich jedem Hersteller die Möglichkeit offen steht, seine Produkte RAL zertifizieren zu lassen. Es liegt jedoch ein Verstoß gegen § 9 Nr. 4 VOB/A vor. Danach sind bei der Beschreibung der Leistung die verkehrsüblichen Bezeichnungen zu verwenden, wobei auf "einschlägige Normen" dabei Bezug genommen werden darf. Diese müssen jedoch allgemein anerkannt sein und dürfen Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten nicht benachteiligen, was bei europaweit eingeführten Normen durch einen Zusatz (z. B. - EN) angezeigt wird. Bei nur nationalen Normen und Zertifizierungen wie z. B. dem RAL-Gütezeichen, die naturgemäß Produkten aus dem EU-Ausland nicht zu eigen sind, muss hingegen zwingend der Zusatz "oder gleichwertig" erfolgen, nur dann können die im Bezug genommenen Normen als diskriminierungsfreie Richtwerte verstanden werden (OLG Koblenz, B. v. 15.3.2001 - Az.: 1 Verg. 1/01; VK Berlin, B. v. 15.02.206 - Az.: VK - B 1 - 63/05; VK Thüringen, B. v. 07.02.2006 - Az.: 360-4002.20-063/05-EF-S; 3. VK Saarland, B. v. 19.01.2004 - Az.: 3 VK

4193

4193/1

4194

4195

Page 55: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

05/2003; VK Köln, B. v. 3.7.2002 - Az.: VK VOL 4/2002; VK Hessen, B. v. Juni 2001 - Az.: 69 d VK 14/2001; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 13.2.2001 - Az.: VK 28/00).

81.14.6 NATO-Vorschriften Es ist fraglich , ob auf einer NATO-Vorschrift basierende technische Vorgaben technische Spezifikationen im Sinne des insoweit maßgeblichen Anhangs TS (Technische Spezifikationen) der VOB/A sind (1. VK Bund, B. v. 11.11.2003 - Az.: VK 1 - 103/03).

81.15 Formulierung von technischen Spezifikationen unter Bezugnahme auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen (§ 9 Nr. 6 Abs. 1) Werden technische Spezifikationen in den Verdingungsunterlagen unter Bezug auf die in Anhang TS definierten technischen Spezifikationen formuliert und zwar durch Bezugnahme auf nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden, europäische technische Zulassungen, gemeinsame technische Spezifikationen, internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder, falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauwerken und den Einsatz von Produkten, ist jede Bezugnahme mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen. Werden technische Spezifikationen in den Verdingungsunterlagen dagegen formuliert in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, entfällt der Zusatz „oder gleichwertig“.

81.16 Ersetzung von nationalen Normen (§ 9 Nr. 7) Verweist der Auftraggeber in der Leistungs- oder Aufgabenbeschreibung auf die in nationalen Normen genannten Spezifikationen, so darf er ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, die angebotene Leistung entspräche nicht den herangezogenen Spezifikationen, sofern der Bieter in seinem Angebot dem Auftraggeber nachweist, dass die von ihm vorgeschlagenen Lösungen den Anforderungen der technischen Spezifikation, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten. Die Nachweispflicht liegt also beim Bieter.

81.17 Ersetzung von Leistungs- oder Funktionsanforderungen (§ 9 Nr. 8) Nimmt ein Bieter zur Darlegung der Erfüllung der vom Auftraggeber geforderten Leistungs- oder Funktionsanforderungen auf nationale Normen, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird oder eine europäische technische Zulassung, eine gemeinsame technische Spezifikation, eine internationale Norm oder ein technisches Bezugssystem, das von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurde, Bezug, muss er dem

4196

4197

4198

4199

4200

Page 56: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Auftraggeber nachweisen, dass die der Norm entsprechende jeweilige Leistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des Auftraggebers entspricht. Die Bestimmung stimmt mit den Regelungen in Art. 23 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG überein (OLG Düsseldorf, B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09).

81.18 Spezifikationen für Umwelteigenschaften (§ 9 Nr. 9) Schreibt der Auftraggeber Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen vor, so kann er unter bestimmten Bedingungen die Spezifikationen verwenden, die in europäischen, multinationalen Umweltgütezeichen oder anderen Umweltgütezeichen definiert sind.

81.19 Nennung von Bezeichnungen für Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion (§ 9 Nr. 10) Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen. § 97 Nr. 2 GWB verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, alle Teilnehmer an einem Vergabeverfahren grundsätzlich gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund des GWB ausdrücklich geboten oder gestattet. Es handelt sich hierbei um einen der zentralen vergaberechtlichen Grundsätze schlechthin. Das diesen Grundsatz flankierende Gebot der Produktneutralität gem. § 9 Nr. 10 VOB/A soll sicherstellen, dass eine Leistungsbeschreibung die Herstellung von Chancengleichheit im Vergabewettbewerb gewährleistet. Ziel ist es, dass alle Bieter die gleiche Ausgangsposition haben. Die Chancengleichheit bedingt, dass hinsichtlich bestimmter Erzeugnisse, Produkte, Verfahren, Hersteller etc. nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden darf. Daher gilt der Grundsatz der Produktneutralität. Gemäß § 9 Nr. 10 VOB/A dürfen daher bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist (2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09; VK Niedersachsen, B. v. 16.11.2009 - Az.: VgK-62/2009; B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009). Darüber hinaus darf die Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist. Die Reichweite der Zulässigkeit der Angabe von bestimmten Erzeugnissen, Verfahren, Produktnamen und Herstellerbezeichnungen hängt maßgeblich von dem Leistungsgegenstand ab, aber auch von der Verwendung am konkreten Einsatzort. Als

4201

4202

4202/1

4202/2

Page 57: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

maßgeblich zugrunde zu legen ist dabei der Auftraggeberwille in Bezug auf den konkreten Auftragsgegenstand, den Einsatzort und den individuellen Verwendungszweck. Dabei trägt diese Regelung dem Umstand Rechnung, dass Leistungsbeschreibungen auch in sehr subtiler Weise zu einer verbotenen Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Erzeugnisse führen können. Dabei können sich bei der Beschreibung technischer Merkmale sehr schnell diskriminierend wirkende Passagen einschleichen, ohne das die Vergabestelle dies beabsichtigt hat oder merkt (VK Niedersachsen, B. v. 16.11.2009 - Az.: VgK-62/2009). Die Rechtfertigungsbedürftigkeit von in der Leistungsbeschreibung aufgestellten Anforderungen, die bestimmte Produkte bevorzugen oder benachteiligen, folgt aus der einerseits bestehenden Freiheit des Auftraggebers, seinen Beschaffungsbedarf und damit den Auftragsgegenstand festzulegen, und den andererseits zu beachtenden vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs und der Diskriminierungsfreiheit und ist daher nicht auf technische Spezifikationen in einem engen Sinne zu beschränken. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf andere Anforderungen, die geeignet sind, die gleiche wettbewerbsbeschränkende oder diskriminierende Wirkung zu entfalten. Es ist daher nicht entscheidend, ob man das Verlangen nach einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung von ausgeschriebenen Türen als technische Spezifikation auffasst und ob, falls dies der Fall ist, diese Spezifikation die in § 9 Nr. 10 S. 1 VOB/A genannten Parameter betrifft . Maßgeblich ist vielmehr, ob Vorgaben in der Leistungsbeschreibung die in § 9 Nr. 10 S. 1 VOB/A beschriebene Wirkung haben. Ist dies der Fall, so bedürfen sie einer sachlichen Rechtfertigung, wobei offen bleiben kann, ob dies aus einer unmittelbaren oder analogen Anwendung von § 9 Nr. 10 VOB/A oder unmittelbar aus den vergaberechtlichen Grundsätzen der §§ 97 Abs. 1 und 2 GWB, 2 Nr. 1 und 2 VOB/A folgt (2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09).

81.19.1 Allgemeines Nach seinem Wortlaut lässt § 9 Nr. 10 zwei Ausnahmen von dem Verbot der Verweisung auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion zu; einmal ist eine Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand möglich; zweitens ist eine Verweisung dann zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen. Der Auftraggeber ist also nicht verpflichtet , z.B. Fabrikatsangaben im Angebot zu verlangen; er darf sie nach der Angebotsöffnung im Rahmen der Aufklärung nachfragen (VK Nordbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08; B. v. 23.04.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 15/08).

81.19.2 Erster Ausnahmetatbestand

81.19.2.1 Sinn und Zweck Die VOB kann ein legitimes Interesse des Auftraggebers, ein bestimmtes Produkt zu verwenden oder eine bestimmte Art der Ausführung zu erhalten, nicht einschränken

4202/3

4203

4203/1

4204

Page 58: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

(OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09; OLG Frankfurt, B. v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03; Saarländisches OLG, B. v. 29.10.2003 - Az.: 1 Verg 2/03; 2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 77/06; VK Lüneburg, B. v. 12.05.2005 - Az.: VgK-15/2005; VK Niedersachsen, B. v. 16.11.2009 - Az.: VgK-62/2009; VK Nordbayern, B. v. 09.07.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 15/09; B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 - Az.: VK-SH 25/06). Gründe für die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats können insbesondere in technischen Zwängen liegen, gestalterischen Gründen folgen oder der Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Wartung dienen (OLG Celle, B. v. 22.05.2008 - Az.: 13 Verg 1/08; OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; B. v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03; 2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 77/06; 1. VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; B. v. 11.12.2006 – Az.: 69 d VK 60/2006; VK Lüneburg, B. v. 12.05.2005 - Az.: VgK-15/2005; B. v. 29.1.2004 - Az.: 203-VgK-40/2003; VK Münster, B. v. 18.02.2010 - Az.: VK 28/09; VK Nordbayern, B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 - Az.: VK-SH 25/06; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 19.10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04; VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G). Auch die Erweiterung eines Gebäudes kann ein tragfähiger Grund sein (VK Südbayern, B. v. 28.04.2005 - Az.: 13-03/05). Hat ein Auftraggeber jedoch bei der Abfassung der Verdingungsunterlagen aufgrund eigener Vorstellungen oder aufgrund einer Beratung durch den Architekten oder ein Ingenieurbüro ein konkretes Leitfabrikat im Auge, genügt es nicht, die technischen Spezifikationen dieses Baustoffes in allen Einzelheiten in das Leistungsverzeichnis zu übernehmen, weil andere Produkte diese technischen Spezifikationen nicht in Gänze erfüllen könnten. Angebote unter Verwendung anderer Fabrikate könnten dann nur als Nebenangebote gewertet werden, die aber nicht in allen Punkten gleichwertig wären. Eine derartige Ausschreibungspraxis würde sowohl gegen § 9 Nr. 10 VOB/A als auch gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A und das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOB/A verstoßen (VK Lüneburg, B. v. 30.10.2003 - Az.: 203-VgK-21/2003). Die Vorschriften der Verdingungsordnungen schränken die in der Leistungsbeschreibung vorgenommene Festlegung auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Leistung lediglich dahin ein, dass es dafür einer sachlichen Rechtfertigung durch die Art der zu vergebenden Leistung bedarf. Zu einer sachlichen Rechtfertigung bedarf es objektiver, in der Sache selbst liegender Gründe, die sich zum Beispiel aus der besonderen Aufgabenstellung des Auftraggebers, aus technischen oder gestalterischen Anforderungen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; 3. VK Bund, B. v. 01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09; 1. VK Hessen, B. v. 11.12.2006 – Az.: 69 d VK 60/2006 – instruktiver Grenzfall; VK Münster, B. v. 18.02.2010 - Az.: VK 28/09; VK Nordbayern, B. v. 09.07.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 15/09; B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G) oder auch aus der Nutzung der Sache ergeben können. Allerdings genügt, dass sich die Forderung besonderer Leistungsmerkmale, bezogen auf die Art der zu vergebenden Leistung, „rechtfertigen“ lässt, mithin sachlich vertretbar ist, womit dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass in die (auch) kaufmännische Entscheidung des Auftraggebers, welche Leistung mit welchen Merkmalen beschafft werden soll, regelmäßig eine Vielzahl von Gesichtspunkten einfließt, die sich etwa daraus ergeben können, dass sich die auf dem Markt angebotenen Leistungen trotz grundsätzlicher Gleichartigkeit regelmäßig in einer Reihe von Eigenschaften voneinander unterscheiden (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09; VK Münster, B. v.

4205

Page 59: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

18.02.2010 - Az.: VK 28/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 - Az.: VK-SH 25/06; VK Südbayern, B. v. 19.10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04). Eine Differenzierung nach solchen Kriterien, soweit sie auf die Art der zu vergebenden Leistung bezogen sind, kann dem Auftraggeber nicht verwehrt werden. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm (auch in einem Nachprüfungsverfahren) nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein - letztlich in der Privatautonomie wurzelndes - Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09; B. v. 22.10.2009 - Az.: VII-Verg 25/09; B. v. 14.04.2005 - Az.: VII - Verg 93/04; OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; 2. VK Bund, B. v. 14.10.2009 - Az.: VK 2 – 174/09; 3. VK Bund, B. v. 01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09; B. v. 05.03.2008 - Az.: VK 3 - 32/08; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.11.2006 - Az.: VK-SH 25/06; VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G). Der Auftraggeber als Initiator des Vergabeverfahrens trägt ja auch die Verantwortung für jede Art unklarer Leistungsbeschreibung und der damit verbundenen Folgen (OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007). Der dem Auftraggeber zustehende Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Festlegungen der Leistungsbeschreibung (das Bestehen eines sachlichen Grunds für die Wahl einer bestimmten Ausführungsart) ist zwar nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich. Die Vergabekammer kann die Festlegung nur daraufhin prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraumes überschritten sind. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraumes ist beispielsweise anzunehmen, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder der Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird (3. VK Bund, B. v. 01.10.2009 - Az.: VK 3 - 172/09 – instruktive Entscheidung für die Notwendigkeit einer umfassenden Darstellung). Das OLG Düsseldorf hebt die Entscheidung der VK Bund auf und definiert die Überprüfungsmöglichkeit deutlich enger. Hinsichtlich des an eine Beschaffungsentscheidung, die zu einer Wettbewerbsbeschränkung führt, anzulegenden Prüfungsmaßstabs und der Prüfungsdichte ist die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht inhaltlich auf Vertretbarkeit, Nachvollziehbarkeit oder erst recht auf Richtigkeit, sondern nur daraufhin zu kontrollieren ist, ob sie auf sach- und auftragsbezogenen Gründen beruht. Ist ein derartiger sachlicher Bezug zum Auftragsgegenstand zu bejahen, findet keine Überprüfung nach den Maßstäben statt, die für die Ausübung eines Beurteilungsspielraums entwickelt worden sind. Insbesondere müssen der Beschaffungsentscheidung keine Untersuchungen in Form von Markterforschungen oder Marktanalysen vorangehen, die das Ziel haben zu erforschen, ob sich ein vertretbares Ausschreibungsergebnis auch durch eine produkt- oder technikoffene Ausschreibung erreichen lässt. Durch das Erfordernis der sachlichen Auftragsbezogenheit wird im Sinne einer Negativabgrenzung sichergestellt, dass der Auswahl- und Beschaffungsentscheidung des Auftraggebers nicht sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen zugrunde liegen. Eine weitergehende Überprüfung insbesondere auf sachliche Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit der vom Auftraggeber genannten Gründe hätte dagegen zur Folge, dass im vergaberechtlichen

4205/1

4205/2

Page 60: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Nachprüfungsverfahren – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - ermittelt würde, ob alternative Anforderungen seinem Beschaffungsziel genauso oder besser entsprechen und er gegebenenfalls verpflichtet würde, eine Leistung mit anderen als den von ihm festgelegten Merkmalen und Eigenschaften zu beschaffen. Dieses wäre mit dem Bestimmungsrecht des Auftraggebers unvereinbar (OLG Düsseldorf, B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09)

81.19.2.2 Objektive Kriterien Maßgebend für die Vorgabe von bestimmten Erzeugnissen oder Verfahren dürfen hierbei immer nur die Eigenart und Beschaffenheit der zu vergebenden Leistung und nicht die subjektiven Erwägungen und Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers sein (2. VK Bund, B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 - 52/03; OLG Düsseldorf, B. v. 14.3.2001 - Az.: Verg 32/00).

81.19.2.3 Sachliche Vertretbarkeit Bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren dürfen nur dann vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Hierbei genügt grundsätzlich, dass sich eine solche Ausnahme unter technischen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt, also sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 06.07.2005 - Az.: VII - Verg 26/05; 2. VK Bund, B. v. 8.8.2003 - Az.: VK 2 - 52/03; VK Hessen, B. v. 19.10.2006 - Az.: 69 d VK – 51/2006; B. v. 13.10.2005 - Az.: 69d VK – 69/2005; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06). Entscheidend ist also, ob aufgrund der vom Auftraggeber geltend gemachten besonderen Umstände des Einzelfalls ein legitimes Interesse anzuerkennen ist, ein bestimmtes Produkt vorzuschreiben (OLG Frankfurt, B. v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in die (auch kaufmännische) Entscheidung des Auftraggebers, welche Leistung mit welchen Merkmalen nachgefragt und ausgeschrieben werden soll, regelmäßig eine Vielzahl von Gesichtspunkten einfließt, die sich etwa daraus ergeben, dass sich die auf dem Markt angebotenen Leistungen trotz grundsätzlicher Gleichartigkeit regelmäßig in einer Reihe von Eigenschaften unterscheiden. Eine Differenzierung nach solchen Kriterien, soweit sie auf die Art der zu vergebenden Leistung bezogen sind, kann dem Auftraggeber nicht verwehrt werden, und nach welchen sachbezogenen Kriterien er seine Entscheidung auszurichten hat, ist ihm im Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben (OLG Düsseldorf, B. v. 14.3.2001 - Az.: Verg 32/00).

81.19.2.4 Aufwand in Bezug auf Ersatzteilhaltung, Mitarbeiterschulung und Wartungsarbeiten Von dem grundsätzlichen Gebot der Produktneutralität darf nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. Muss sich z. B. eine ausgeschriebene Anlage in eine Gesamtliegenschaft einfügen, die bereits mit Geräten von bestimmten Herstellern ausgestattet ist, bestehen berechtigte Interessen an der konkreten Produktvorgabe. Die Gründe, z.B. den mit der MSR-Technik für die Universität und die Universitätskliniken verbundenen Aufwand in Bezug auf

4206

4207

4208

4209

Page 61: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Ersatzteilhaltung, Mitarbeiterschulung und Wartungsarbeiten in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten, entsprechen der gebotenen wirtschaftlichen Beschaffung und genügen für die Zulässigkeit der Produktvorgabe. In dieser besonderen Situation erscheint eine auf spezielle Produkte zugeschnittene Ausschreibung gerechtfertigt (BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; Saarländisches OLG, B. v. 29.10.2003 - Az.: 1 Verg 2/03; OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; B. v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03; im Ergebnis ebenso VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06). In solchen Fällen muss der Auftraggeber darlegen, inwieweit und nach welchen Kriterien er eine Ersatzteillagerung vornimmt. Ersatzteile sind nämlich jederzeit bei den Herstellern z.B. von Beschlägen bestellbar. Aus Sicht der Vergabekammer ist bei einem Defekt daher weniger eine Lagerhaltung bei dem Auftraggeber notwendig, als vorrangig eine Beschaffung bei dem Hersteller zu gewährleisten. Der Auftraggeber kann sich hierfür zur Absicherung bei der Auftragsvergabe die Gewährleistung einer Ersatzteilversorgung über einen bestimmten Zeitraum vertraglich zusichern lassen. Aber selbst wenn man unterstellt, es ist eine gewisse Vorhaltung von Ersatzteilen erforderlich, so sind in bestimmten Fällen nur relativ wenige und vor allem kleine Ersatzteile von z.B. bestimmten anfälligeren Teilen der Beschläge (z.B. Schließmechanismus der Auszugssperre) vorzuhalten. Hierfür ist keine umfangreiche Bereithaltung von Lagerkapazitäten erforderlich, die einen Ausschluss des Wettbewerbs rechtfertigt (2. VK Bund, B. v. 23.01.2006 - Az.: VK 2 - 168/05). Sehr viel restriktiver beurteilt die 1. VK Hessen eine mögliche Rechtfertigung mit Blick auf Vereinfachung von Wartungsverträgen. Das Ziel der „Vereinfachung von Wartungsverträgen“ betrifft zwar ein durchaus berechtigtes Interesse des Auftraggebers. Jedoch reicht dieses Kriterium nicht als Rechtfertigung für die ausnahmsweise Zulassung eines bestimmten Erzeugnisses aus: Die Vergabestelle hat diesbezüglich die Möglichkeit, die eingehenden Angebote (bei Aufnahme entsprechender Wertungskriterien in den Ausschreibungsbedingungen) auch nach der Wartungsfreundlichkeit, der Erforderlichkeit von Schulungen der Hausmeister etc. zu bewerten. Entsprechende Zuschlagskriterien sind beispielsweise Folgekosten, Bedienungsfreundlichkeit, etc. (1. VK Hessen, B. v. 11.12.2006 – Az.: 69 d VK 60/2006).

81.19.2.5 Schnittstellenrisiko Ein öffentlicher Auftraggeber muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ein Bieter anbietet, durch Installation einer produktneutralen Schnittstelle die Kompatibilität - etwa im Mess-, Steuer- und Regeltechnikbereich bzw. Elektronikbereich - erst herzustellen. Allein die Notwendigkeit einer zusätzlichen Anbindung begründet ein Risiko, welches der Auftraggeber unter Berücksichtigung seiner legitimen Risiken nicht übernehmen muss (OLG Frankfurt, B. v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03; VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03). Zu Abwägungsfragen bei Schnittstellenrisiken im IuK- und EDV-Bereich vgl. die Kommentierung zu § 8 VOL/A RZ 6665.

81.19.2.6 Wahl zwischen nur zwei Systemen

4210

4210/1

4211

4212

Page 62: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Stehen nur zwei innovative Systeme zu Gebote und besitzt noch keines eine allgemeine Zulassung, so sind keine durchgreifenden Gründe erkennbar, dass die Vergabestelle nicht sich für eines entscheiden, die Einzelzulassung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Kostenbegrenzung betreiben und einzelsystemspezifisch ausschreiben dürfte. Andernfalls stünde sie in der Gefahr, die auf die beiden innovativen Systeme hin ausgerichteten Angebote, welche sie breit abgerufen hatte, selbst einer Zulassung zuführen zu müssen. In dieser aufgezeigten besonderen Situation erscheint eine auf ein spezielles System zugeschnittene Ausschreibung gerechtfertigt (OLG Stuttgart, B. v. 15.1.2003 - Az.: 2 Verg 17/02). Der Umstand, dass eine Vergabestelle der Ausschreibung in technischer Hinsicht unterschiedliche Leistungsvarianten zugrunde legt, ist in bestimmten Fällen vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Der Leistungsgegenstand unterliegt der autonomen Bestimmung des Auftraggebers. Dabei hat der öffentliche Auftraggeber im Prinzip freilich technikoffen auszuschreiben. Dem wird von der Vergabestelle jedoch entsprochen, wenn die aufgrund sachverständiger Beratung als technisch machbar in Betracht kommenden Bauarten (z.B. Ersatz der vorhandenen Betondecke und der oberen HGT-Lage durch einen bituminösen Aufbau = Ausschreibung 05T0536 sowie Ersatz der vorhandenen Betondecke und HGT-Schicht durch Schottertragschicht und bituminösen Aufbau = Ausschreibung 05T0537) parallel ausgeschrieben werden. Die Parallelausschreibung sicherte einen größtmöglichen Wettbewerb. Sie soll eine Auftragsvergabe auf das in jeder Hinsicht wirtschaftlichste Angebot vorbereiten (OLG Düsseldorf, B. v. 26.07.2006 - Az.: VII - Verg 19/06).

81.19.2.7 Festlegung auf nur ein Produkt Nach Auffassung der VK Münster kann auch eine Leistungsbeschreibung auf ein als einziges derzeit marktgängiges Produkt hinauslaufen. Dies führt nicht per se zu einer wettbewerbsfeindlichen Verengung des Angebotsmarktes, die durch § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A verhindert werden soll. Wenn nämlich die Bieter sich dieses Produkt besorgen können und die Bieter von der Möglichkeit eines Bezugs von der Herstellerfirma weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen sind, haben sie auch die Möglichkeit, sich dieses Produkt zu “besorgen“ und in ihrem Angebot anzubieten. Dass dies nicht wirtschaftlich ist, wenn man selbst ein ähnliches Produkt herstellt, kann nicht zum Anlass genommen werden, der Vergabestelle vorzuhalten, dass sie ein Produkt mit ganz bestimmten technischen Merkmalen nicht fordern darf (VK Münster, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05).

81.19.2.8 Bestimmte Art der Ausführung Die geforderte Leistung (Ausführung einer Sprinkleranlage) rechtfertigt eine Festlegung auf eine bestimmte Art der Ausführung (Bau einer Sprinkleranlage nur durch ein Unternehmen, das auf der Errichterliste der VdS Schadensverhütung GmbH steht) aber nur, wenn eine andere Art der Ausführung für den Bauherrn unzumutbare Härten oder wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen würden. Findet sich dafür kein Hinweis und ist die entsprechende Position des Leistungsverzeichnisses auch nicht mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" versehen, stellt dies einen Verstoß gegen § 9 Nr. 10 VOB/A dar, der den Bieter in seinen Rechten verletzt (VK Südbayern, B. v. 4.10.2001 - Az.: 31-09/01).

4213

4213/1

4214

4215

Page 63: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Wird in der Baugenehmigung (Brandschutzgutachten) oder von Seiten der Versicherer für eine Baumaßnahme eine Sprinkleranlage (z.B. Sprinkleranlage mit Zumischung filmbildender Schaummittel) gemäß den VdS CEA- Richtlinien für Sprinkleranlagen gefordert, ist unstreitig die Richtlinie VdS CEA 4001 Prüfgrundlage für die Abnahme. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Fall der Prüfung einer Löschanlage (z. B. einer Sprinkleranlage mit Zumischung filmbildender Schaummittel) durch die beauftragte VdS, die installierte Löschanlage auf Konformität mit den als Prüfungsgrundlage vorgegebenen Regelwerken (z.B. VdS CEA 4001) geprüft wird. Etwaige Abweichungen von den Prüfungsgrundlagen werden als Mängel dokumentiert und bewertet. Dennoch sind Sprinkleranlagen in Übereinstimmung mit diesen Richtlinien von VdS-anerkannten Errichtern unter Verwendung VdS-anerkannter Bauteile und Verfahren für die Dimensionierung der Rohrleitungen zu installieren. Der Errichter muss für jeden Anlagentyp, den er installiert, anerkannt sein (1.4.1 der VdS CEA-Richtlinien). Zudem müssen die Errichtung, Erweiterungen, Änderungen und Wartungen von Sprinkleranlagen von durch die Versicherer anerkannten Errichtern unter Verwendung von anerkannten Bauteilen durchgeführt werden (3.1 der VdS CEA-Richtlinien). Wird zwischen Vertragspartnern oder in einer Ausschreibung eine Sprinkleranlage (mit Schaumzumischung) nach den VdS CEA-Richtlinien gefordert, so gelten auch hier die entsprechenden Abschnitte der Richtlinien. Das heißt, die Errichterfirma muss anerkannt sein (VK Südbayern, B. v. 25.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-30-06/07). Das Thüringer OLG zieht die Grenzen insoweit deutlich enger. Der öffentliche Auftraggeber darf nicht nur ein spezielles technologisches - unter mehreren für die Aufgabenstellung theoretisch in Betracht kommenden - Verfahren (z.B. Hochdruck- oder Niederdruckwassernebelsystem) näher untersuchen und zur Feststellung gelangen, dass gerade dieses Verfahren exakt seinen Wünschen und Anforderungen genügt. Eine solche Vorgehensweise entspricht weder den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung noch den Vorgaben des Wettbewerbsprinzips. Hiernach ist der Auftraggeber vielmehr gehalten, vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen sich einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden Lösungsvarianten zu verschaffen und diese nicht gleichsam schon ex ante auszublenden. Nur so ist gewährleistet, dass die Beschaffung tatsächlich in der technisch und wirtschaftlich effizientesten Weise erfolgt. Schließt daher die Vergabestelle kraft der Definition ihrer Ausschreibungsbedingungen ausdrücklich oder inzident - durch Vorgabe bestimmter Parameter - ein Verfahren aus, hat sie nicht nur zu prüfen, ob die zugelassene Lösung den Ausschreibungszweck erfüllt, sondern darüber hinaus zu prüfen und positiv festzustellen, dass und aus welchen Gründen ein hiernach ausgeschlossenes Verfahren nicht geeignet erscheint. Zwar wird man der Vergabestelle im Rahmen einer solchen Prüfung eine gewisse Einschätzungsprärogative zubilligen müssen, da sie die Schwerpunkte und Nuancen ihrer Wünsche und Vorstellungen bezogen auf die Leistungsanforderungen am besten kennt. Das entbindet sie aber andererseits nicht, ihren zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum auch auszuschöpfen und in eigener Verantwortung eine substantiierte Einschätzung zu treffen (Thüringer OLG, B. v. 26.06.2006 - Az.: 9 Verg 2/06). Bei der Beschreibung von brandschutztechnischen Anlagen ist die Bezeichnung für diese bestimmten Erzeugnisse in Form der Angabe eines Leitfabrikats nicht notwendig. Denn es ist möglich, die Leistung und die hierfür verwendeten Erzeugnisse durch hinreichend genaue und allgemein verständliche Bezeichnungen zu beschreiben (VK Südbayern, B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06).

4215/1

4216

4216/1

Page 64: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.19.2.9 Technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung Der EuGH zieht die Grenze für eine Produkt- bzw. Herstellerangabe etwas enger. Die Vorteile z.B. einer Interoperabilität genügen nicht. Vielmehr muss ein Lieferantenwechsel den Auftraggeber zwingen, Material unterschiedlicher technischer Merkmale zu kaufen, und dadurch müssen eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung entstehen, wobei der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für die entstehenden Nachteile trägt (EuGH, Urteil v. 08.04.2008 - Az.: C-337/05).

81.19.2.10 Architektonisches Farbkonzept Der Auftragsgegenstand kann es rechtfertigen, dass eine Vergabestelle - allerdings allein - hinsichtlich des „Farbtons“ und der „Struktur der Farbgestaltung“ des Gegenstandes der Ausschreibung, sowohl zu den nicht ableitfähigen Linoleumbelägen als auch zu den ableitfähigen Linoleum- und Vinylbelägen hinsichtlich ihrer Farbe und Struktur und dem Oberflächenschutz mit ihren Angaben nicht bloß die Farbtöne nach standardisierten Klassifizierungen bestimmt, sondern auch ein konkretes Produkt eines bestimmt bezeichneten Herstellers zur Kennzeichnung verwendet. Existiert z.B. ein Farbkonzept für ein Bauprojekt, das die Vergabestelle anwendet und schon in Teilen realisiert hat und entsprechen die vorgesehenen Farbtöne und Strukturen des Ausschreibungsgegenstandes eben diesem Farbkonzept, ist gegen eine produktgebundene Ausschreibung mit dem Zusatz "oder gleichwertig" nichts einzuwenden (VK Thüringen, B. v. 08.05.2008 - Az.: 250-4002.20-899/2008-006-G).

81.19.2.11 Angabe von Leitfabrikaten für die Art der Dachabdichtung bei Flachdächern Die Montage eines Flachdaches mag zwar bestimmte Erzeugnisse, wie Plastomerbitumen-Schweißbahnen, bedingen. Nicht unumgänglich notwendig ist aber die Bezeichnung für diese bestimmten Erzeugnisse in Form der Angabe eines Leitfabrikats. Denn es ist möglich, die Art der Dachabdichtung und die hierfür verwendeten Erzeugnisse durch hinreichend genaue und allgemein verständliche Bezeichnungen zu beschreiben. Auch der Zusatz „oder gleichwertiger Art“ bzw. die Vorgaben im Leistungsverzeichnis, welchen Anforderungen andere als die angegebenen Fabrikate genügen sollten, führt deshalb nicht zu einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung (BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03).

81.19.2.12 Forderung nach einer bauaufsichtlichen Zulassung Die Forderung nach einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung z.B. von ausgeschriebenen Türen ist unzulässig, wenn auch eine Zulassung im Einzelfall oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis den Anforderungen des Auftraggebers genügen (2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09).

4216/2

4216/3

4217

4217/0

Page 65: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.19.3 Zweiter Ausnahmetatbestand

81.19.3.1 Sinn und Zweck Leitfabrikate dürfen nur ausnahmsweise verwendet werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Grund für diese Einschränkung ist, dass man im Allgemeinen davon ausgehen muss, dass es Sache der Bieter ist, aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde die für die Ausführung der Leistung notwendigen Erzeugnisse oder Verfahren auszuwählen. Dies ergibt sich daraus, dass sie insoweit die Leistung unter eigener Verantwortung eigenständig und selbstständig auszuführen haben (§ 4 Nr. 2 VOB/B). Außerdem schließt der Auftraggeber - oft zum eigenen Nachteil - den technischen und kaufmännischen Wettbewerb aus, wenn er bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren vorschreibt, da die unnötige Nennung eines Richtfabrikates die potenziellen Bewerber in Richtung dieses Richtfabrikates lenkt und somit den Wettbewerb negativ beeinflusst (OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; VK Halle, B. v. 21.12.2000 - Az.: VK Hal 22/00; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Lüneburg, B. v. 12.05.2005 - Az.: VgK-15/2005; B. v. 29.1.2004 - Az.: 203-VgK-40/2003; VK Südbayern, B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07; B. v. 29.01.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-37-11/06; B. v. 28.04.2005 - Az.: 13-03/05; B. v. 19.10.2004, Az.: 120.3-3194.1-60-08/04). Eine zusätzliche negative Begleiterscheinung der Nennung eines Richtfabrikates ist auch, dass es potenziellen Bewerbern nur sehr schwer möglich ist, die Gleichwertigkeit eines anderen Produktes oder Systems gegenüber dem Richtfabrikat nachzuweisen (VK Halle, B. v. 21.12.2000 - Az.: VK Hal 22/00). Aus dem Wortlaut „sind nur ausnahmsweise zulässig“ folgt, dass eine Ausschreibung für bestimmte Produkte jedenfalls die Ausnahme zu sein hat; § 9 Nr. 10 VOB/A ist eng auszulegen (OLG Frankfurt, B. v. 29.05.2007 - Az.: 11 Verg. 12/06; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; VK Arnsberg, B. v. 10.08.2009 - Az.: VK 17/09; VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007; VK Berlin, B. v. 15.02.2006 - Az.: VK - B 1 - 63/05; VK Lüneburg, B. v. 12.05.2005 - Az.: VgK-15/2005; VK Südbayern, B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07).

81.19.3.2 Inhaltliche Konsequenzen aus der Verwendung von Leitfabrikaten Werden die Anforderungen an die Leistung nicht nur durch die ausdrückliche Angabe von Anforderungen im Leistungsverzeichnis, sondern erkennbar auch durch nicht genannte Eigenschaften von Leitfabrikaten beschrieben, sind alle Eigenschaften der Leitfabrikate, die Bezug zu Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit und Gesundheit haben, zwingende Anforderungen an die Leistung. Ist dies nicht gewollt, muss der Auftraggeber verdeutlichen, welche Eigenschaften des Leitfabrikats zwingend und welche entbehrlich sind. Bereits geringfügige Unterschreitungen der durch die Vorgabe des Leitfabrikats geschaffenen Anforderungen bedeuten, dass die betreffende Anforderung nicht im gleichen Maße erfüllt wird und das Fabrikat hinsichtlich dieser Anforderung nicht den gleichen Wert besitzt (VK Thüringen, B. v. 1.3.2002 - Az.: 216-4002.20-004/02-EF-S). Dies kann auch nicht durch eine höhere Wertigkeit bei einer anderen Anforderung ausgeglichen

4218

4219

4220

Page 66: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

werden. Beispielsweise ist ein Weniger an Brandsicherheit nicht durch ein Mehr an Schallschutz kompensierbar (VK Münster, B. v. 15.1.2003 - Az.: VK 22/02).

81.19.3.3 Praxis der Leistungsbeschreibungen Eine Vorgabe von Leitfabrikaten ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Vorschriften nicht möglich ist. Dies müsste eigentlich in den seltensten Fällen einschlägig sein. Diese Einschränkung der Vorschrift wird jedoch nach Kenntnis der Vergabekammern nicht immer wahrgenommen: Es entspricht vielfältiger Praxis, dass sich Vergabestellen, ob mit oder ohne Unterstützung durch Planungsbüros, bereits vor der Ausschreibung für ein bestimmtes Produkt oder System entscheiden. Die technischen Spezifikationen werden sodann - mehr oder weniger kleinteilig - in das Leistungsverzeichnis übernommen (1. VK Sachsen, B. v. 13.9.2002 - Az.: 1/SVK/080-02).

81.19.3.4 Zwingende Verwendung des Zusatzes "oder gleichwertiger Art" Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulässigkeit oder Verwendung von Hersteller- und/oder Markennamen u.ä. ist, dass diese mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden (VK Arnsberg, B. v. 10.08.2009 - Az.: VK 17/09; VK Berlin, B. v. 15.02.206 - Az.: VK - B 1 - 63/05; VK Lüneburg, B. v. 30.10.2003 - Az.: 203-VgK-21/2003). Die europäische Richtlinie 2004/18/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge hat den Wortlaut für die Vorgabe technischer Spezifikationen in Art. 23 Abs. 8 zwar übernommen („Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf...“), hat aber die Ausnahme der produktscharfen Spezifikation uneingeschränkt unter die Vorgabe des Zusatzes „o.glw.“ gestellt: ("solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.“). Die für den nationalen Bereich noch weit auslegbare Aussage des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A wird damit für die EU-weite Vergabe nur unter diesem Vorbehalt möglich. Der scheinbare Widerspruch, dass bei einem ausschließlich brauchbaren Produkt der Zusatz „o.glw.“ keinen Sinn ergibt, weil ja eben nichts anderes erwünscht ist, löst sich unter der Prämisse des EU-Rechts auf, das offensichtlich davon ausgeht, dass es einen Auftraggeber gar nicht wirklich möglich ist, EU-weit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet. Das muss insbesondere für Märkte gelten, die sich schnell verändern wie der der IT-Beschaffung. Der wortgleiche § 8a Nr. 5 VOL/A ist daher kumulativ anzuwenden. Daher ist auch im IT-Bereich aufgrund des Vorrangs EU-rechtlicher Vorgaben oberhalb der Schwellenwerte eine produktscharfe Ausschreibung grundsätzlich nicht ohne Zusatz zulässig und die Ausschreibung mangels anderer Korrekturmöglichkeiten aufzuheben. Die für Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte geltende Formulierung lässt Verweise auf Produkte (nur) zu, wenn diese durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind, was dann der Fall ist, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Es dürfte wenige Auftragsgebiete geben, in denen der Auftragsgegenstand technisch präziser beschrieben werden kann als im IT-Bereich, so dass hier eine produktscharfe Ausschreibung nur unter ganz wenigen sonstigen Voraussetzungen zulässig sein kann. Da es dem Auftraggeber mit Produktvorgabe und Zusatz auch möglich ist, alle Details des Gewünschten festzulegen und im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung

4221

4222

4222/1

Page 67: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

anderes abzulehnen, geht er auch kein unzumutbares Risiko ein, sondern erhält sich die Chance marktgerechte Einkaufs unter Vermeidung von Abhängigkeiten (VK Arnsberg, B. v. 10.08.2009 - Az.: VK 17/09).

81.19.3.5 Ersetzung des Zusatzes "oder gleichwertiger Art" durch die Möglichkeit der Abgabe von Nebenangeboten Der Umstand, dass ein öffentlicher Auftraggeber die Festlegung eines Fabrikats nicht mit dem Zusatz oder "gleichwertiger Art" entsprechend § 9 Nr. 10 VOB/A versehen hat, führt nicht dazu, dass Angebote gleichwertiger Art im Sinne dieser Vorschrift von der Wertung ausgeschlossen werden, da Nebenangebote ausdrücklich zugelassen waren. Hätte der Auftraggeber diesen Zusatz in die Ausschreibung jeweils bei der Angabe des gewünschten Herstellers aufgenommen, hätte das Angebot eines Bieters und die Wertung keinen anderen Inhalt gehabt (VK Hessen, B. v. 16.6.2003 - Az.: 69 d VK - 19/2003; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03).

81.19.3.6 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• so sind z.B. im Falle von Sanierungen, Um- und Erweiterungsbauten bestimmte gestalterische Anforderungen hinsichtlich eines einheitlichen Gestaltungsbildes denkbar. Die Festlegung auf einen bestimmten Farbton sowie Technische Daten hinsichtlich Druckfestigkeit, Wasseraufnahme etc. eines Steinfußbodens sind mit den Anforderungen für eine neutrale Leistungsbeschreibung nicht vereinbar (VK Hessen, B. v. 13.10.2005 - Az.: 69d VK – 69/2005)

81.19.4 Unzulässige Verengung des Wettbewerbes durch Definitionen der Leistungsbeschreibung Eine Behinderung des Wettbewerbs liegt im Übrigen nicht erst dann vor, wenn Merkmale des geforderten Produkts durch einen Produkt- oder Markennamen bezeichnet werden, sondern bereits dann, wenn das Leistungsverzeichnis nach Form, Stofflichkeit, Aussehen und technischen Merkmalen so präzise definiert ist, dass dem Bieter keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr bleibt. Hierbei kommt es nicht auf die Feststellung einer subjektiven Absicht der Vergabestelle an, bestimmte Unternehmen zu bevorzugen zu wollen. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Leistungsbeschreibung bei objektiver Betrachtung geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugen zu wollen (OLG Düsseldorf, B. v.. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 64/08; Thüringer OLG, B. v. 26.06.2006 – Az.: 9 Verg 2/06; VK Arnsberg, B. v. 25.05.2009 - VK 08/09; 1. VK Sachsen, B. v. 7.2.2003 - Az.: 1/SVK/007-03; VK Südbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-23-06/08). Eine Behinderung des Wettbewerbs liegt auch dann vor, wenn durch die Art der geforderten Leistung nur ein Anbieter zum Zuge kommen kann und eine Rechtfertigung hierfür fehlt bzw. nicht dokumentiert ist (VK Hessen, B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 37/2007; B. v. 10.09.2007 - Az.: 69 d VK – 29/2007).

4223

4224

4225

4225/1

Page 68: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Eine herstellergebundene Leistungsbeschreibung liegt auch dann vor, wenn durch die Vorgabe einer Eigenschaft nur ein Produkt und nur ein Hersteller für die Erfüllung dieser Eigenschaft – z.B. Forderung nach Türbändern „gegossen (nicht gerollt)“ in Betracht kommt (OLG Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: Verg W 21/07). Wird die Ausschreibung eines bestimmten Produkts, z.B. einer Bentonit-Dichtungsbahn, auf der Basis der Produktbeschreibung dieses bestimmten Produkts erstellt, dieses Produkt als Leitfabrikat benannt und den Bietern die Möglichkeit eingeräumt, ein gleichwertiges Produkt eines anderen Herstellers anzubieten, verstößt dies gegen den vergaberechtlichen Grundsatz der produkt- und verfahrensmäßigen Neutralität nach § 9 Nr. 10 VOB/A. Der Ausnahmefall für eine Zulässigkeit einer produktspezifischen Ausschreibung liegt nicht vor, wenn die Verwendung eines bestimmten Produkts, z.B. einer bestimmten Bentonit-Dichtungsbahn (und deren technischer Anforderungen) nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall liegt ein Mangel des Vergabeverfahrens vor, aufgrund dessen allen Bietern die Möglichkeit eines neuen (Teil-)Angebotes in Bezug auf die ausgeschriebene Bentonit-Dichtungsbahn einzuräumen ist (3. VK Bund, B. v. 27.10.2008 - Az.: VK 3 - 134/08).

81.19.5 Literatur

• Ax, Thomas / Ortlinghaus, Julica, Produkt- und materialbezogene Ausschreibungen in den neuen Mitgliedstaaten, NZBau 2005, 676

• Noch, Rainer, Das Leid mit den Leitfabrikaten – Die Leistungsbeschreibung muss neutral sein, Behörden Spiegel November 2006, 27

• Hattenhauer, Daniela/Steinert, Carsten, Spezielle Auftraggeberwünsche - Gesetzliche Freiräume erkennen und nutzen, Behörden Spiegel Oktober 2008, 19

• Schneider, Matthias / Häfner, Sascha, Erhebliche rechtliche Schwierigkeiten - Beschaffung von Computern für Schulen, Behörden Spiegel Februar 2006, 20

81.20 Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (Nr. 11 - 14)

81.20.1 Allgemeines Die Leistung soll in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden.

81.20.1.1 Richtlinie des VHB 2008

4226

4227

4228

Page 69: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Vor dem Aufstellen der Leistungsbeschreibung müssen die Ausführungspläne, soweit sie nicht vom Auftragnehmer zu beschaffen sind, und die Mengenberechnungen vorliegen (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.1). Die Leistungsbeschreibung ist zu gliedern in

• die Baubeschreibung, • das Leistungsverzeichnis, bestehend aus den Vorbemerkungen und der Beschreibung

der Teilleistungen (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.2).

81.20.1.2 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu § 9 Nr. 11 Beim Aufstellen der Leistungsbeschreibung ist insbesondere § 9 VOB/A zu beachten. Im Regelfall ist die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis gemäß § 9 Nrn. 11 bis 14 VOB/A aufzustellen. Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm gemäß § 9 Nrn. 15 bis 17 VOB/A soll nur im Ausnahmefall angewendet werden (Ziffer 1.4 Nr. 1). Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis umfasst im Regelfall

• Titelblatt, • Baubeschreibung, • Leistungsverzeichnis, • Anlagen für Bietereintragungen, • Sonstige Anlagen

(Ziffer 1.4 Nr. 2).

81.20.2 Baubeschreibung (§ 9 Nr. 11)

81.20.2.1 Allgemeines Die Baubeschreibung, die als Teil des Leistungsverzeichnisses die allgemeine Darstellung des Bauauftrags zum Gegenstand hat, enthält die Angaben, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind und die sich nicht aus der Beschreibung der einzelnen Teilleistungen unmittelbar ergeben. Die Baubeschreibung steht unter der zwingenden Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 1 VOB/A, nach der die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass die Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Sie hat sich auf technische Angaben zum Verständnis der Bauaufgabe zu beschränken, dient aber nicht dazu, die Voraussetzungen aufzustellen, die für eine Teilnahme am Wettbewerb zwingend erforderlich sind (BayObLG, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 6/03). Es ist also nicht Sinn und Zweck der Baubeschreibung, festzulegen, welche

4229

4230

4231

4232

4233

Page 70: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Erklärungen im Angebot enthalten sein müssen und damit zwingend zur Vertragsbedingung werden (VK Nordbayern, B. v. 1.4.2003 - Az.: 320.VK-3194-08/03). Deshalb gehören nicht in die Baubeschreibung rechtliche Vertragsbedingungen über die Preisermittlungen. Solche Bedingungen sind im Rahmen einer Baubeschreibung überraschende Klauseln und damit nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam (VK Brandenburg, B. v. 30.04.2004 - Az.: VK 13/04).

81.20.2.2 Forderung nach einem Bauzeitenplan

81.20.2.2.1 Sinn und Zweck des Bauzeitenplans Ein Bauzeitenplan beschreibt den Bauablauf in zeitlicher Hinsicht und stellt als solcher in der Regel ein Betriebsinternum des Auftragnehmers dar; er kann zwar auch der Feststellung des Auftraggebers dienen, ob der Bieter zeitlich plausibel in der Lage ist, die Bauleistung zu bewältigen; er ermöglicht dem Auftraggeber vor Vertragsschluss, den geplanten Ablauf auf Übereinstimmung mit etwaigen Vertragsterminen, auf innere Stimmigkeit, auf korrekte Mengenansätze und auf plausible Zeitverbrauchsparameter zu überprüfen (VK Nordbayern, B. v. 15.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 06/07). In der Regel bildet der Bauzeitenplan keinen Beleg für die Eignung, sondern soll der Vergabestelle einen leichteren Überblick über den Ablauf der Bauleistung und deren Koordination mit anderen Unternehmen ermöglichen. Bauzeitenpläne, zumal vom Unternehmer erstellt, haben in der Regel also nur Kontrollfristenqualität. Denn im Allgemeinen hat der Auftraggeber nur ein Interesse daran, dass die Vertragsleistung in ihrer Gesamtheit fristgerecht begonnen und beendet wird; dagegen unterliegt der Zeitraum zwischen Beginn und Vollendung grundsätzlich der Disposition des Unternehmers (BayObLG, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 6/03; 1. VK Sachsen, B. v. 13.06.2007 - Az.: 1/SVK/039-07). Einen in Fachkreisen anerkannten Unterschied zwischen den Begriffen "Bauzeitenplan" und "Bauablaufplan" gibt es nicht . Beide Begriffe bezeichnen eine Übersicht über die zeitliche Abfolge von Arbeiten auf einer Baustelle zur Information über den geplanten Beginn, die Dauer und das voraussichtliche Ende einzelner Tätigkeiten. Ein solcher Plan kann auch in Form eines Netz- oder Balkenplans erstellt werden (OLG München, B. v. 23.05.2007 - Az.: Verg 03/07).

81.20.2.2.2 Forderung nach einem Bauzeitenplan zur Angebotsabgabe

81.20.2.2.2.1 Grundsatz Der öffentliche Auftraggeber kann auch die Forderung nach Vorlage eines Bauzeitenplanes bereits zur Angebotsabgabe aufstellen. Er muss diese Forderung dann klar und eindeutig entweder in der Bekanntmachung oder im Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) stellen und die für die Bieter notwendigen Fristen angeben (VK Nordbayern, B. v. 15.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 06/07; B. v. 1.4.2003 - Az.: 320.VK-3194-08/03).

4234

4235

4235/1

4236

Page 71: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.20.2.2.2.2 Forderung nach einem Bauzeitenplan zur Angebotsabgabe in der Baubeschreibung Nach Auffassung der VK Nordbayern kann ein Bauzeitenplan zur Angebotsabgabe in der Baubeschreibung nicht gefordert werden. Nach § 9 Nr. 11 VOB/A soll die Baubeschreibung dazu dienen, die Leistung durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe zu beschreiben. Dazu sind von Auftraggeberseite allgemeine Angaben zu machen, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind. In diesem Zusammenhang steht die Forderung, vor Baubeginn einen Bauzeitenplan vorzulegen. Der Auftraggeber möchte anhand des Bauzeitenplanes prüfen, ob die in den Besonderen Vertragsbedingungen festgelegte Baufrist sicher eingehalten wird. Dazu reicht es aus, dass der Bauzeitenplan rechtzeitig vor Beginn der Bauarbeiten vorgelegt wird (VK Nordbayern, B. v. 1.4.2003 - Az.: 320.VK-3194-08/03).

81.20.2.3 Richtlinie des VHB 2008 In der Baubeschreibung sind die allgemeinen Angaben zu machen, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind und die sich nicht aus der Beschreibung der einzelnen Teilleistungen unmittelbar ergeben. Hierzu gehören - abhängig von den Erfordernissen des Einzelfalles - z. B. Angaben über

• Zweck, Art und Nutzung des Bauwerks bzw. der technischen Anlage, • ausgeführte Vorarbeiten und Leistungen, • gleichzeitig laufende Arbeiten, • Lage und örtliche Gegebenheiten, Verkehrsverhältnisse, • Konstruktion des Bauwerks bzw. Konzept der technischen Anlage.

(Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.2.1).

81.20.2.4 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zur Baubeschreibung In der "Baubeschreibung" ist eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe zu geben. Darin sind alle objektbezogenen Angaben, Anforderungen und Bedingungen aufzunehmen, die zur Beschreibung der Leistung neben dem "Leistungsverzeichnis" erforderlich sind und dem Verständnis der Beschreibung der einzelnen Teilleistungen dienen. Leistungen, die sich nach Art und Umfang bestimmen lassen, sind nicht in der Baubeschreibung anzugeben, sondern als Positionen in das "Leistungsverzeichnis" aufzunehmen (Ziffer 1.4 Nr. 7). Die Baubeschreibung ist wie folgt zu gliedern: 1. Allgemeine Beschreibung der Leistung 2. Angaben zur Baustelle 3. Angaben zur Ausführung 4. Ausführungsunterlagen 5. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen (Ziffer 1.4 Nr. 8)

4237

4238

4239

4240

Page 72: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.20.3 In Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis (§ 9 Nr. 11)

81.20.3.1 Richtlinie des VHB 2008 Im Leistungsverzeichnis sind ausschließlich Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen sowie alle die Ausführung der Leistung beeinflussenden Umstände zu beschreiben (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.2.2). leer In die Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis dürfen nur Regelungen technischen Inhalts aufgenommen werden, die einheitlich für alle beschriebenen Leistungen gelten (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.3). leer Die Ausführung der Leistung beeinflussende Umstände, beispielsweise technische Vorschriften , Angaben zur Baustelle, zur Ausführung oder zu Arbeitserschwernissen, sind grundsätzlich bei der Teilleistung (Position) anzugeben. Nur wenn sie einheitlich für einen Abschnitt oder für alle Leistungen gelten, sind sie dem Abschnitt bzw. dem Leistungsverzeichnis in den Vorbemerkungen voranzustellen (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.4). Bei der Aufgliederung der Leistung in Teilleistungen dürfen unter einer Ordnungszahl nur Leistungen erfasst werden, die technisch gleichartig sind und unter den gleichen Umständen ausgeführt werden, damit deren Preis auf einheitlicher Grundlage ermittelt werden kann. Bei der Ordnungszahl sind insbesondere anzugeben:

• die Mengen aufgrund genauer Mengenberechnungen, • die Art der Leistungen mit den erforderlichen Erläuterungen über Konstruktion und -

Baustoffe, • die einzuhaltenden Maße mit den gegebenenfalls zulässigen Abweichungen

(Festmaße, Mindestmaße, Höchstmaße), • besondere technische und bauphysikalische Forderungen wie Lastannahmen,

Mindestwerte der Wärmedämmung und des Schallschutzes, Mindestinnentemperaturen bei bestimmter Außentemperatur, andere wesentliche, durch den Zweck der baulichen Anlage (Gebäude, Bauwerk) bestimmte Daten,

• besonders örtliche Gegebenheiten, z. B. Baugrund, Wasserverhältnisse, Altlasten, • andere als die in den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen vorgesehenen

Anforderungen an die Leistung, • besondere Anforderungen an die Qualitätssicherung, • die zutreffende Abrechnungseinheit entsprechend den Vorgaben im Abschnitt 05 der

jeweiligen Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV), • besondere Abrechnungsbestimmungen, soweit in VOB/C keine Regelung vorhanden

ist.

4241

4242

4243

4244

4245

4246

4247

Page 73: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

(Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.3.5).

81.20.4 Zeichnerische Darstellung der Leistung oder durch Probestücke (§ 9 Nr. 12)

81.20.4.1 Vorrang der schriftlichen Leistungsbeschreibung Es kann dahinstehen, ob die schriftliche Leistungsbeschreibung den Ergänzungsmitteln zumindest dann vorgeht, wenn kein eindeutiger Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Zeichnung in der Leistungsbeschreibung im Sinne von § 9 Nr. 12 VOB/A enthalten ist, ob schriftliche und zeichnerische Darstellung grundsätzlich gleichwertig sind oder ob es im Einzelfall auf eine Auslegung dessen ankommt, was aus Sicht des objektiven Empfängers zu erwarten war (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.1.2002 - Az.: 12 U 126/01). Es ist jedenfalls nicht die Regel, sondern die Ausnahme, die Leistung über die allgemeine Beschreibung der Bauaufgabe und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis hinaus vorab auch noch zeichnerisch, etwa durch Pläne, darzustellen (vgl. § 9 Nr. 11 und Nr. 12 VOB/A). In der Regel sind nämlich Zeichnungen und Pläne nur notwendig, wenn dies nach der besonderen Art der Leistung zu einer klaren Darstellung erforderlich ist (BayObLG, B. v. 17.11.2004 - Az.: Verg 016/04).

81.20.4.2 Darstellung in einer Entwurfsplanung Wesen der Entwurfsplanung ist es, dass diese nicht letztverbindlich die tatsächlich bei der Errichtung anfallenden Mengen und Massen wiedergibt. Die endgültigen Mengen und Massen sind vielmehr erst in der Ausführungsplanung enthalten, die aus der Entwurfsplanung entwickelt wird, dementsprechend allerdings auch von dieser noch abweichen kann soweit sich aus den statischen und konstruktiven Erfordernissen Änderungserfordernisse ergeben (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.1.2002 - Az.: 12 U 126/01).

81.20.4.3 Richtlinie des VHB 2008 Das Beifügen von Plänen zur zeichnerischen Erläuterung der Leistung entbindet nicht von der Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Teilleistungen (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.8.4).

81.20.5 Nebenleistungen/Besondere Leistungen (§ 9 Nr. 13) Leistungen, die nach den Vertragsbedingungen, den Technischen Vertragsbedingungen oder der gewerblichen Verkehrssitte zu der geforderten Leistung gehören (§ 2 Nr. 1 VOB/B), brauchen nicht besonders aufgeführt zu werden.

4248

4249

4250

4251

4252

Page 74: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.20.5.1 Gerüststellung für eigene Arbeiten Soweit ein vom öffentlichen Auftraggeber verlangtes Gerüst für die eigenen Arbeiten des Auftragnehmers erforderlich ist, handelt es sich insoweit um eine Nebenleistung, wie sie in verschiedenen DIN-Regelungen vorgesehen ist. Der Auftragnehmer kann seine Vertragsleistung nur mit einem Gerüst erbringen, und deshalb gehört die Gerüststellung notwendigerweise dazu (BGH, Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 85/97). Zu der Vorhaltung für andere Arbeiten vgl. die Kommentierung RZ 4166.

81.20.5.2 Richtlinie des VHB 2008 Nebenleistungen sind Leistungen, die auch ohne Erwähnung im Vertrag zur vertraglichen Leistung gehören (§ 2 Nr. 1 VOB/B, DIN 18299 Abschnitt 4.1) und mit den Preisen abgegolten sind. Sie sind grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Nebenleistungen, die von besonderer Bedeutung für die Preisbildung sind, können als eigenständige Teilleistung aufgenommen werden (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.5.1). leer Für Besondere Leistungen nach DIN 18299 Abschnitte 4.2 und 0.4.2 sind in der Regel eigene Teilleistungen (Positionen) in der Leistungsbeschreibung vorzusehen (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.5.2). leer

81.21 Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (§ 9 Nr. 15 - 17)

81.21.1 Begriffe Die Besonderheit des Leistungsprogramms besteht darin, dass bei dieser Art von Leistungsbeschreibung nur der Zweck bzw. die Funktion der gewünschten Bauleistung vorgegeben wird. Die konstruktive Lösung der Bauaufgabe obliegt den Bietern, wodurch diesen ein Spielraum bei der Gestaltung der Leistung einzuräumen ist. Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm wird in der Praxis und der Vergaberechtsprechung deshalb auch als funktionale Leistungsbeschreibung bezeichnet (VK Saarland, B. v. 27.05.2005 - Az.: 3 VK 02/2005).

81.21.2 Grundsatz Die Ausschreibungstechnik der funktionalen Leistungsbeschreibung ist verbreitet und in Fachkreisen allgemein bekannt. Sie kombiniert einen Wettbewerb, der eine Planung und Konzeptionierung der Leistung verlangt, mit der Vergabe der Ausführung der Leistung

4253

4254

4255

4256

4257

4258

4259

4260

Page 75: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

(VK Brandenburg, B. v. 31.1.2003 - Az.: VK 37/02, VK 39/02, VK 41/02) und unterscheidet sich hierdurch vom reinen Wettbewerb. Jedoch unterliegt auch die funktionale Leistungsbeschreibung der Anforderung, den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers optimal und mit größtmöglicher Bestimmtheit zum Ausdruck zu bringen (OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02). Die Wahl einer funktionalen Leistungsbeschreibung steht im Ermessen der ausschreibenden Stelle. Es sind dabei eingehende Überlegungen von Auftraggeberseite notwendig, ob die Voraussetzungen für diesen Ausnahmefall vorliegen. Typischerweise ist eine funktionale Ausschreibung im Bereich des „industrialisierten Bauens“ zweckmäßig, wenn es sich um Bauten des Massenbedarfs handelt, die mehrfach in der gleichen Ausführung errichtet werden sollen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass den Bietern im Rahmen der Ausschreibung Planungsleistungen aufgebürdet werden, die Bieter dadurch erhebliche Kosten für die Ausschreibung aufzuwenden haben (VK Lüneburg, B. v. 11.08.2005 - Az.: VgK-33/2005). Mit der Zulassung von funktionalen Leistungsbeschreibungen wird praktischen Bedürfnissen im Vergabewesen Rechnung getragen. Bei immer komplexer werdenden Beschaffungsvorgängen ist es dem Auftraggeber mangels ausreichender Marktkenntnis oftmals nicht möglich, den Leistungsgegenstand nach Art, Beschaffenheit und Umfang hinreichend zu beschreiben. In solchen Fällen kann der Auftraggeber den Zweck und die Funktion des Beschaffungsvorgangs beschreiben und hinsichtlich der Umsetzung auf die technische Vielfalt der Anbieter vertrauen. Damit werden auch traditionelle Beschaffungsvorgänge modernen Entwicklungen angepasst (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.08.2005 - Az.: 1 VK 48/05). Der Auftraggeber kann hierdurch unternehmerisches "know-how" abschöpfen (OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02; 2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007; 1. VK Bund, B. v. 7.4.2004 - Az.: VK 1 - 15/04, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK 1 - 11/04). Der Auftraggeber kann auch - typisch für die funktionale Leistungsbeschreibung - Risiken auf den Bieter verlagern (OLG Düsseldorf, B. v. 14.2.2001 - Az.: Verg 14/00; OLG Celle, Urteil vom 29.12.2000 - Az.: 7 U 249/96). Die Ausschreibungstechnik der funktionalen Leistungsbeschreibung ist verbreitet und in Fachkreisen allgemein bekannt. Ein sachkundiger Auftragnehmer kann sich deshalb nicht darauf berufen, die damit verbundene Risikoverlagerung habe er nicht erkennen können oder nicht zu erkennen brauchen (BGH, Urteil vom 27.6.1996 - Az.: VII ZR 59/95). Für die Wirksamkeit einer funktional beschriebenen Leistungsverpflichtung kommt es also nicht darauf an, dass der Auftragnehmer den Umfang der übernommenen Verpflichtung genau kennt oder zuverlässig ermitteln kann (BGH, Urteil vom 23.1.1997 - Az: VII ZR 65/96). Ist Leistungsinhalt die Erbringung verschiedener Leistungen in einem schlüssigen Betriebskonzept, das es insbesondere erlaubt, Synergieeffekte aufzuzeigen und die Leistung somit effizienter zu gestalten, als dies bei einer bloßen Betrachtung der Summe der Einzelleistungen möglich wäre, ist jedenfalls dieser Teil der Leistung nicht hinreichend genau beschreibbar. Die Konzepte können bei solchen Ausschreibungsgegenständen von den einzelnen Bietern weitaus besser dargestellt und ihrem jeweiligen Betrieb angepasst werden, als dies bei einer Beschreibung durch die Vergabestelle gewährleistet wäre. Es liegt hier also ein typischer Fall der funktionalen Leistungsbeschreibung vor, in dem die Vergabestelle Knowhow der Bieter nutzen möchte und sie sich daher auf eine Beschreibung

4261

4262

4263

4264

4264/1

Page 76: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

des Zwecks der Leistung beschränkt und beschränken darf (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007).

81.21.3 Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens Der Gewährleistung der Transparenz des Vergabeverfahrens kommt bei Verfahren, in denen die Leistungsbeschreibung in Form einer Funktionalausschreibung erfolgt und die insbesondere als Verhandlungsverfahren geführt werden, eine besondere Bedeutung zu. Denn in solchen Verfahren ist das gemeinsame Bedürfnis von Bietern und Auftraggeber an der Gewährleistung und Transparenz einer willkürfreien Verfahrensdurchführung durch den Auftraggeber erhöht, weil die Angebote wegen der teilweisen Übertragung der konzeptionellen Arbeit auf die Bieter regelmäßig in geringerem Maße miteinander vergleichbar sind und weil im Verhandlungsverfahren die Handlungsmöglichkeiten des Auftraggebers wegen der grundsätzlichen Verhandelbarkeit von Angebotsinhalt und Angebotspreis größer sind (OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02).

81.21.4 Anforderungen an die Bestimmtheit des Verfahrens Auch die funktionale Leistungsbeschreibung unterliegt gewissen Anforderungen an die Bestimmtheit. Der Auftraggeber darf nicht von jeder eigenen Planungstätigkeit absehen und diese - etwa um Kostenaufwand, Zeit und/oder Personal einzusparen - gänzlich den Bietern übertragen. Die eigene Planung des Auftraggebers muss vor einer Ausschreibung vielmehr insoweit feststehen, als die Kriterien für die spätere Angebotsbewertung festliegen und das Leistungsziel, die Rahmenbedingungen sowie die wesentlichen Einzelheiten der Leistung in der Weise bekannt sind, dass mit Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist. Dies folgt aus dem selbstverständlichen Gebot, dass auch die funktionale Leistungsbeschreibung Missverständnisse bei den Bietern vermeiden und damit letztlich sicherstellen soll, dass miteinander vergleichbare Angebote abgegeben werden, die nachher einer ordnungsgemäßen Bewertung zugänglich sind. Erfüllt eine funktionale Leistungsbeschreibung diese Anforderungen nicht, fehlt es der Ausschreibung an der Vergabereife; sie kann keine Grundlage für einen Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot sein (OLG Düsseldorf, B. v. 14.2.2001 - Az.: Verg 14/00; OLG Naumburg, B. v. 16.9.2002 - Az.: 1 Verg 02/02). Die Vergabestelle ist auch bei einer Funktionalausschreibung an die Grundsätze des § 9 Nr. 1 VOB/A gebunden (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007). Auch eine Funktionalausschreibung ist deshalb eindeutig und erschöpfend zu formulieren , gegebenenfalls sind weitere Feststellungen erforderlich. Besonders der Transparenzgrundsatz hat im Rahmen der Funktionalausschreibung einen hohen Stellenwert. Die Vergabestelle muss - auch im Rahmen einer Funktionalausschreibung - sorgfältig abwägen, ob die Feststellung eines bestimmten Umstandes im Verhältnis zur Erleichterung einer einwandfreien Kalkulation erforderlich ist. Bei dieser Abwägung sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: Der mit der Feststellung der maßgeblichen Umstände verbundene Aufwand ist ins Verhältnis zur Bedeutung des Auftrages zu setzen. Geht es nicht um die Ausschreibung einer isoliert zu sehenden Leistung sondern um ein Pilotprojekt , hat die Vergabestelle einen entsprechend höheren Aufwand zu betreiben. Hier sind durchaus auch Verzögerungen beim Beginn der Ausschreibung und des Beginns der Leistungsausführung hinzunehmen. Die Vergabestelle darf die Leistungsbeschreibung

4265

4266

4266/1

Page 77: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

ferner nicht zu einer versteckten Eignungsprüfung missbrauchen. Zwar kann die Vergabestelle eine gewisse Professionalität der Bieter erwarten. Sie darf jedoch - jedenfalls nicht grundsätzlich - von dem Satz ausgehen, der erfahrene Bieter kenne die für eine einwandfreie Kalkulation erforderlichen, in der Leistungsbeschreibung aber nicht angegebenen Umstände. Hält die Vergabestelle nur Bieter für geeignet, die Erfahrungen beim einem solchen Pilotprojekt haben, muss sie im Rahmen der Eignungsprüfung entsprechende Anforderungen stellen und gegebenenfalls ein Nichtoffenes Verfahren durchführen (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007). Es ist funktionalen Ausschreibungen wesensimmanent, dass diese zu sehr unterschiedlichen Angeboten führen und daher die Wertung erschwert wird. Dieser Mangel an Vergleichbarkeit - und somit an Transparenz - ist hinzunehmen, solange dieser allein aus den unterschiedlichen operativ- konzeptionellen Ansätzen der Bieter resultiert. Weitergehende Schwierigkeiten beim Vergleich der Angebote sind jedoch zu vermeiden. Dies bedeutet zum einen, dass den Bietern ein möglichst detailliertes Raster für die Darstellung ihres Konzeptes vorzugeben ist, anhand dessen die Auswirkungen des Konzeptes auf den angebotenen (Pauschal-)preis jedenfalls nachvollziehbar sind. Als Anhaltspunkt für den notwendigen Detaillierungsgrad ist zunächst eine Orientierung an der im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung nach § 9 Nr. 15 VOB/A vorzulegenden Entwurfsplanung möglich. Denkbar wäre beispielsweise, die Verdingungsunterlagen so zu gestalten, dass die Bieter jede Leistungspauschale unmittelbar durch konzeptionelle Erläuterungen nachvollziehbar darstellen müssen. Anzustreben ist dabei eine Gestaltung der Verdingungsunterlagen in einer Weise, die dem - dogmatisch konsequenten, aber in der Praxis nicht durchsetzbaren - Ziel nahekommt, dass das Leistungsverzeichnis von den Bietern und nicht von der Vergabestelle zu erstellen ist. Zum anderen bedeutet dies, dass die der Funktionalausschreibung immanente Intransparenz nicht durch eine - im Ergebnis abwägungsfehlerhafte - Gewichtung der Zuschlagskriterien "Preis" und "Konzept" weiter verstärkt werden darf. Vergleichbar sind im Rahmen einer Funktionalausschreibung nur die operativ- konzeptionellen Ansätze der Bieter. Idealtypisch (keinesfalls zwingend) ist daher eine gleichrangige Gewichtung des Preises und der von den Bietern erarbeiteten Konzepte in Hinblick auf die jeweils zu erwartende Effizienz und Qualität der Leistungserbringung. Bei einer hiervon abweichenden Gewichtung hat die Vergabestelle stets zu prüfen, ob die (relativ) geringere Gewichtung der von den Bietern zu erarbeitenden Konzepte noch geeignet ist, eine Funktionalausschreibung zu rechtfertigen. Grundidee der Funktionalausschreibung ist es, dass ein Planungswettbewerb nicht mit der Auslobung eines Preisgeldes sondern mit der Auftragserteilung verbunden ist. Je weniger Wert die Vergabestelle auf die Planungen der Bieter legt, desto eher ist davon auszugehen, dass sie die Planung auch selbst hätte vornehmen und durch ein Leistungsverzeichnis beschreiben können (2. VK Hessen, B. v. 26.04.2007 - Az.: 69 d VK - 08/2007).

81.21.5 Richtlinie des VHB 2008 leer Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm kann sich auf das gesamte Bauwerk oder auf Teile davon erstrecken (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.4.1). Eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm kann zweckmäßig sein,

4267

4268

4269

Page 78: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

• wenn dies wegen der fertigungsgerechten Planung in Fällen notwendig ist, in denen es beispielsweise bei Fertigteilbauten wegen der Verschiedenartigkeit von Systemen den Bietern freigestellt sein muss, die Gesamtleistung so anzubieten, wie es ihrem System entspricht,

• wenn mehrere technische Lösungen möglich sind, die nicht im Einzelnen neutral beschrieben werden können, und der Auftraggeber seine Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Funktionsgerechtigkeit erst aufgrund der Angebote treffen will (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.4.1.1).

Dabei ist sorgfältig zu prüfen, ob die durch die Übertragung von Planungsaufgaben auf die Bieter entstehenden Kosten in angemessenem Verhältnis zum Nutzen stehen, und ob für die Ausarbeitung der Pläne und Angebote leistungsfähige Unternehmer in so großer Zahl vorhanden sind, dass ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet ist (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.4.1.2). Eilbedürftigkeit oder Erleichterungen in der Organisation, Leitung der Baudurchführung und Vertragsabwicklung sowie Gewährleistung sind für sich keine Gründe für die Wahl dieser Beschreibungsart (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.4.1.3).

81.21.6 Notwendiger Inhalt des Leistungsprogramms (§ 9 Nr. 16)

81.21.6.1 Rechtsprechung Das Leistungsprogramm enthält eine Beschreibung der Bauaufgabe, aus der die Bewerber alle für die Entwurfsbearbeitung und ihr Angebot maßgebenden Umstände und Bedingungen erkennen können. Der Bauherr bzw. sein Architekt erstellt neben diesen Unterlagen regelmäßig nur die Vorentwurfsplanung, teilweise nicht einmal diese. Entscheidend für die Frage der Vollständigkeit ist, dass der Bieter mit seinem Angebot die ausgeschriebene Funktionalität erfüllt (VK Nordbayern, B. v. 26.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-47/03). Macht der Auftraggeber ergänzend zum Leistungsprogramm detaillierte Vorgaben, muss sich aus den Ausschreibungsunterlagen ergeben, ob diese Vorgaben zwingend sind bzw. einen Mindeststandard vorgeben sollen. Es muss also feststehen, inwiefern die Detailvorgaben das vom Bieter mit seinem Angebot zu erfüllende Bausoll abschließend definieren sollen. Zentrales Problem der funktionalen Ausschreibung ist weiter regelmäßig die konkrete Feststellung, welche Planungsleistungen von dem Bieter tatsächlich erwartet werden. Einerseits muss der Bauherr das Anforderungsprofil genau festlegen, andernfalls es an einer Vergleichbarkeit der Angebote fehlt. Der Auftraggeber hat die Pflicht, eine Leistung so eindeutig und so erschöpfend wie möglich zu beschreiben, damit alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen können, ansonsten die Gefahr des Eingehens nicht vergleichbarer Angebote besteht. Andererseits müssen das Leistungsprogramm, die Planungsunterlagen und die Beschreibungen dem Bieter einen gewissen Gestaltungsfreiraum belassen, ansonsten die funktionelle Ausschreibung unzulässig ist (Brandenburgisches OLG, B. v. 19.9.2003 - Az.: Verg W 4/03).

4270

4270/1

4271

Page 79: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Aber selbst wenn das Angebot die ausgeschriebene Funktionalität nicht gänzlich erfüllt, muss es nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. In solchen Fällen ist zunächst zu klären, ob es mit einer technischen Änderung geringen Umfangs nachgebessert werden kann. Solche Verhandlungen sind nach § 24 Nr. 3 VOB/A bei Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms statthaft (VK Nordbayern, B. v. 26.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-47/03).

81.21.6.2 Auslegung der Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm Haben die Parteien nach längeren Verhandlungen die Leistung funktional vollständig beschrieben, so kommt einem Angebot mit Leistungsverzeichnis, das Grundlage der Verhandlungen bildet, hinsichtlich dem Umfang der funktional beschriebenen Leistung keine entscheidende Auslegungsbedeutung mehr zu (BGH, Urteil vom 23.1.1997 - Az: VII ZR 65/96).

81.21.6.3 Richtlinie des VHB 2008 Bevor das Leistungsprogramm aufgestellt werden darf, ist sicherzustellen, dass die Grundlagen der Ausschreibung nicht mehr geändert werden. Die Beschreibung muss die in § 9 Nr. 3 bis 5 VOB/A geforderten Angaben eindeutig und vollständig enthalten und gewährleisten, dass die zu erwartenden Angebote vergleichbar sind (Richtlinien zu 100 – Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren - Ziffer 4.4.1.4). leer Als Anhalt für Angaben zum Leistungsprogramm und deren Gliederung kann die nachfolgende Aufstellung dienen. Dabei ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche dieser Angaben für eine genaue Beschreibung erforderlich sind (Anhang 9 – Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm). Angaben des Auftraggebers für die Ausführung:

• Beschreibung des Bauwerks/der Teile des Bauwerks • allgemeine Beschreibung des Gegenstandes der Leistung nach Art, Zweck und Lage • Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten wie z. B. Klimazone, Baugrund,

Zufahrtswege, Anschlüsse, Versorgungseinrichtungen • Beschreibung der Anforderungen an die Leistung • Flächen- und Raumprogramm, z. B. Größenangaben, Nutz- und Nebenflächen,

Zuordnungen, Orientierung • Art der Nutzung, z. B. Funktion, Betriebsabläufe, Beanspruchung • Konstruktion: ggf. bestimmte grundsätzliche Forderungen, z. B. Stahl oder Stahlbeton,

statisches System • Einzelangaben zur Ausführung, z. B.

o Rastermaße, zulässige Toleranzen, Flexibilität o Tragfähigkeit, Belastbarkeit o Akustik (Schallerzeugung, -dämmung, -dämpfung) o Klima (Wärmedämmung, Heizung, Lüftungs- und Klimatechnik) o Licht- und Installationstechnik, Aufzüge

4272

4273

4274

4275

4276

4277

Page 80: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

o hygienische Anforderungen o besondere physikalische Anforderungen (Elastizität, Rutschfestigkeit,

elektrostatisches Verhalten) o sonstige Eigenschaften und Qualitätsmerkmale o vorgeschriebene Baustoffe und Bauteile o Anforderungen an die Gestaltung (Dachform, Fassadengestaltung, Farbgebung,

Formgebung)

• Abgrenzung zu Vor- und Folgeleistungen • Normen oder etwaige Richtlinien der nutzenden Verwaltung, die zusätzlich zu

beachten sind • öffentlich-rechtliche Anforderungen, z. B. spezielle planungsrechtliche,

bauordnungsrechtliche, wasser- oder gewerberechtliche Bestimmungen oder Auflagen (Anhang 9 – Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm – Ziffer 1)

Unterlagen, die der Auftraggeber zur Verfügung stellt: Dem Leistungsprogramm sind als Anlage beizufügen z. B. das Raumprogramm, Pläne, Erläuterungsberichte, Baugrundgutachten, besondere Richtlinien der nutzenden Verwaltung. Die mit der Ausführung von Vor- und Folgeleistungen beauftragten Unternehmer sind zu benennen. Die Einzelheiten über deren Leistungen sind anzugeben, soweit sie für die Angebotsbearbeitung und die Ausführung von Bedeutung sind, z. B.:

• Belastbarkeit der vorhandenen Konstruktionen • Baufristen • Vorhaltung von Gerüsten und Versorgungseinrichtungen

(Anhang 9 – Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm – Ziffer 2) Ergänzende Angaben des Bieters: Soweit im Einzelfall erforderlich, kann der Bieter z. B. zur Abgabe folgender Erklärungen oder zur Einreichung folgender Unterlagen aufgefordert werden:

• Angaben zur Baustelleneinrichtung, z. B. Platzbedarf, Art der Fertigung • Angaben über eine für die Bauausführung erforderliche Mitwirkung oder Zustimmung

des Auftraggebers • Baufristenplan, u. U. auch weitere Pläne abweichend von der vorgeschriebenen

Bauzeit • Zahlungsplan, wenn die Bestimmung der Zahlungsbedingungen dem Bieter überlassen

werden soll • Erklärung, dass und wie die nach dem öffentlichen Recht erforderlichen

Genehmigungen usw. beigebracht werden können • Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Einbeziehung der Folgekosten, unterteilt in

Betriebskosten und Unterhaltungskosten, soweit im Einzelfall

4278

4279

4280

4281

4282

Page 81: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

(Anhang 9 – Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm – Ziffer 3)

81.21.7 Notwendiger Inhalt des Angebots des Bieters (§ 9 Nr. 17)

81.21.7.1 Mengenaufteilung Soll der Wille des Auftraggebers bei der Ausschreibung auf Klarstellung einer positions- und gebäudebezogenen Mengenaufteilung gerichtet sein, muss er eine Aufforderung zur gegliederten Mengendarstellung in klarer, unmissverständlicher Weise im Zusammenhang mit den übrigen Anforderungen an ein vollständiges, ordnungsgemäßes Angebot in den Ausschreibungsunterlagen formulieren. Andernfalls kann dem Bieter bei Unterlassen derartiger Darstellungen kein Nachteil bei der Wertung erwachsen. Unklarheiten oder Missverständnisse der Leistungsbeschreibung fallen in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers und können nicht zu Lasten des Bieters gehen (Brandenburgisches OLG, B. v. 19.9.2003 - Az.: Verg W 4/03).

81.21.7.2 Eigene Entwurfsplanung der Bieter Dass die eigenen planerischen Leistungen des Bieters im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung eine Selbstverständlichkeit darstellen, also auch ohne explizite Forderung des Auftraggebers ein eigener Entwurf zu erbringen sei, ist nicht anzunehmen. § 9 Nr. 17 VOB/A präzisiert diejenigen Anforderungen, die der Auftraggeber an den Bieter zu stellen hat. Danach soll Erstgenannter vom Bieter verlangen, dass das Angebot außer der Ausführung der Leistung den Entwurf nebst eingehender Erläuterung und eine Darstellung der Bauausführung sowie eine eingehende zweckmäßig gegliederte Beschreibung der Leistung - gegebenenfalls mit Mengen- und Preisangaben für Teile der Leistung - umfasst. Um die Vergleichbarkeit der Angebote der Bieter zu sichern, ist der Auftraggeber gehalten, diese Anforderungen im Hinblick auf die ihm zu unterbreitende Leistung unmissverständlich in den Ausschreibungsunterlagen darzustellen (Brandenburgisches OLG, B. v. 19.9.2003 - Az.: Verg W 4/03).

81.21.7.3 Richtlinie des VHB 2008 Es ist in der Aufforderung zur Angebotsabgabe 211 zu regeln, inwieweit Nr. 3.3 der Bewerbungsbedingungen 212 gelten soll. Außerdem ist in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots 211 vom Bieter zu verlangen, dass er sein Angebot so aufstellt, dass

• Art und Umfang der Leistung eindeutig bestimmt, • die Erfüllung der Forderungen des Leistungsprogramms nachgewiesen, • die Angemessenheit der geforderten Preise beurteilt und • nach Abschluss der Arbeit die vertragsgemäße Erfüllung zweifelsfrei geprüft werden

kann.

4283

4284

4285

4286

Page 82: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Dabei ist anzugeben, wie die Angebote gegliedert und durch Angabe von Kennzahlen oder dergleichen erläutert werden sollen. Der Bieter ist ferner aufzufordern, sämtliche zur Beurteilung des Angebots erforderlichen Pläne und sonstige Unterlagen mit einer eingehenden Erläuterung, insbesondere der Konstruktionsprinzipien und der Materialwahl seinem Angebot beizufügen. Er ist außerdem zu verpflichten, Pläne und Unterlagen, die nicht schon für die Beurteilung des Angebots, sondern erst für die Ausführung und Abrechnung erforderlich sind, zu bezeichnen und zu erklären, dass er alle für die Ausführung und Abrechnung erforderlichen Pläne im Falle der Auftragserteilung dem Auftraggeber rechtzeitig zur Zustimmung vorlegen werde. Der Auftraggeber hat Pläne und sonstige Unterlagen, deren Vorlage er bei Angebotsabgabe für erforderlich hält, nach Art und Maßstab im Einzelnen anzugeben. Mengen- und Preisangaben sind zu fordern, soweit diese für einen einwandfreien Vergleich bei der Wertung notwendig sind. In diesen Fällen ist in den Vergabeunterlagen eine Regelung nach § 9 Nr. 17 Satz 2 VOB/A zu treffen (Anhang 9 – Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm – Ziffer 5).

81.21.8 Anforderungen an die Unklarheit einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm Eine behauptete Unklarheit der Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm ist dieser Ausschreibungsart bis zu einem gewissen Grade immanent. Bei einer funktionalen Ausschreibung gibt es gerade kein detailliertes Leistungsverzeichnis, der Auftraggeber überlässt vielmehr auch und gerade die Erstellung des Entwurfs der Leistung dem Wettbewerb, § 9 Nr. 15 VOB/A. Deshalb können die Bieter von dem Auftraggeber beispielsweise nicht verlangen, dass er im Einzelnen alle auszuführenden Arbeiten beschreibt. Nach § 9 Nr. 15 VOB/A umfasst das Leistungsprogramm eine Beschreibung der Bauaufgabe, aus der die Bewerber alle für die Entwurfsbearbeitung und ihr Angebot maßgebenden Bedingungen und Umstände erkennen können und in der sowohl der Zweck der fertigen Leistung als auch die an sie gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen angegeben sind. Ein Leistungsverzeichnis ist nicht erforderlich, gegebenenfalls kann das Leistungsprogramm ein Musterleistungsverzeichnis enthalten, bei dem aber zulässigerweise die Mengenangaben ganz oder teilweise offen gelassen werden dürfen. Angesichts dieser Charakteristika einer funktionalen Ausschreibung bedarf es besonderer Anhaltspunkte dafür, dass sie derart unklar ist, dass der Auftraggeber diese Unklarheiten nicht beseitigen kann (Brandenburgisches OLG, B. v. 28.11.2002 - Az.: Verg W 8/02).

81.21.9 Funktionale Leistungsbeschreibung bei der Ausschreibung von Pionierprojekten Ein öffentlicher Auftraggeber muss gerade bei zukunftsbezogenen Projekten, die eine gewisse Pionierfunktion haben und bei denen man nur begrenzt auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann, die Möglichkeit haben, in der Weise funktional auszuschreiben, dass

4287

4288

4289

4290

4291

4292

Page 83: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

auch auf quantitative Vorgaben verzichtet werden kann, wenn ansonsten die Bieter in ihrer Freiheit, gänzlich neue Lösungsansätze zu suchen, beschränkt würden (2. VK Bund, B. v. 4.9.2002 - Az.: VK 2 - 58/02). Vgl. insoweit auch die Kommentierung RZ 4266.

81.21.10 Funktionale Leistungsbeschreibung bei der Ausschreibung von Komplettabriss und Komplettentsorgung Eine funktionelle Leistungsbeschreibung für einen Komplettabriss und eine Komplettentsorgung stellt keine bewusste Irreführung von Bietern und damit keinen Verstoß nach § 9 VOB/A dar, wenn als Eckpunkt lediglich vorgegeben ist, dass die "Schadstoffsanierung dem eigentlichen Abbruch vorgeschaltet" sein müsse und wenn konkrete Vorgaben zu den einzelnen Teilleistungen fehlen. Dann ist die technische und tatsächliche Umsetzung des Abbruchs und der Entsorgung nach der Ausschreibung erkennbar allein Sache des Auftragnehmers. Da konkrete Vorgaben zu den einzelnen, dabei zu erbringenden Leistungen fehlten, ist es – für jeden Bieter erkennbar - Sache des Bieters als potentiellem Auftragnehmer, die nötigen Informationen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses – vor Angebotsabgabe – einzuholen und vorhandene Unklarheiten zu beseitigen, ohne dass hierin ein Verstoß gegen § 9 VOB/A zu erblicken wäre. Ist einem Bieter als Fachbetrieb aufgrund der vorhandenen Leistungsbeschreibung bekannt, dass das Abbruchmaterial nicht unbelastet ist und kann er den genauen Belastungsgrad auch als ein fachkundiger Bieter zwar nicht wissen, ist der Bieter aber dennoch in der Lage, den Belastungsgrad zur Vermeidung eines spekulativen Gebotes und damit auch zur Eingrenzung des bestehenden Kalkulationsrisikos näher zu hinterfragen oder selbst – ggfls. durch Hinzuziehung eines Sonderfachmannes - klären oder – falls dies nicht möglich gewesen wäre - sein Gebot mit entsprechendem Vorbehalt einzuschränken (OLG Köln, Urteil v. 09.07.2008 - Az.: 11 U 72/07).

81.21.11 Beurteilungsspielraum bei der Wertung Der Beurteilungsspielraum für die Entscheidung, welches Angebot das wirtschaftlichste ist, ist bei Angeboten auf der Grundlage einer funktionalen Leistungsbeschreibung größer als bei Ausschreibungen auf der Grundlage eines Leistungsverzeichnisses. Wenn Angebote auf einer funktionalen Leistungsbeschreibung beruhen, muss der Auftraggeber auch die Variationen der angebotenen Leistungen hinsichtlich ihrer technischen und wirtschaftlichen sowie ggf. auch gestalterischen und funktionsbedingten Merkmale gegeneinander abwägen und mit den dafür geforderten Preisen vergleichen. Ein direkter Vergleich der Angebote untereinander ist dabei nur bedingt möglich. Eine vergleichende Wertung scheitert bei geforderten Lösungskonzepten an den unterschiedlichen Wegen, die zum geforderten Ziel führen. Die Qualitätsstandards sind bei funktionalen Leistungsbeschreibungen weitgehend offen, so dass jeder Bieter selbst entscheidet, ob er für seine technische Lösung mit den zur Erfüllung des Zwecks hinreichenden Grundstandards arbeitet oder aber höhere Standards zu höheren Preisen anbietet. Steht es den Bietern frei, über die Einreichung von Nebenangeboten mehrere technische Lösungen anzubieten, hängt die Entscheidung, welchen Standard der Auftraggeber letztendlich bezuschlagt, von den konkreten Anforderungen an die ausgeschriebene Lösung ab. Speziell die höheren Standards müssen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit aber immer gegen den Preis abgewogen werden

4292/1

4293

Page 84: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

(VK Baden-Württemberg, B. v. 17.03.2004 - Az.: 1 VK 12/04; VK Magdeburg, B. v. 1.3.2001 - Az.: VK-OFD LSA- 02/01).

81.22 Änderung des Leistungsverzeichnisses durch den Auftraggeber während der Ausschreibung

81.22.1 Zulässigkeit einer Änderung Der Auftraggeber ist nicht darauf beschränkt, Abänderungen der Ausschreibung nur in unbedingt notwendigem Umfange (etwa zur Beseitigung von Verstößen gegen das Vergaberecht) vorzunehmen. Es ist allein Sache des Auftraggebers zu bestimmen, ob, wann und mit welchem Inhalt er einen Auftrag vergibt. Er ist nicht gezwungen, den Auftrag überhaupt zu vergeben, und zwar im Allgemeinen auch dann, wenn er aufgrund ordnungsgemäßer Ausschreibung wertbare Angebote erhält. Er ist insbesondere nicht gehalten, einen Zuschlag auf Angebote mit Leistungsbeschreibungen zu erteilen, von denen er bereits während der laufenden Angebotsfrist erkennt, dass sie seinen Bedürfnissen nicht oder in geringerem Umfange als ursprünglich angenommen entsprechen. Der Auftraggeber ist mithin nicht darauf beschränkt, rechtliche oder technische Mängel zu beseitigen, sondern kann auf Grund seines Bestimmungsrechts auch aus sonstigen Gründen die Leistungsbeschreibung ändern. Folge einer Änderung der Leistungsbeschreibung während der laufenden Angebotsfrist kann allenfalls (bei einer wesentlichen Änderung) die Neubekanntmachung oder die Verlängerung der Angebotsfrist sein (OLG Düsseldorf, B. v. 13.01.2010 - Az.: I-27 U 1/09; B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 30.11.2009 - Az.: VII-Verg 41/09). Ein Verstoß gegen § 16 Nr. 1 VOB/A liegt bei solchen Änderungen nur vor, wenn der Auftraggeber den Bieter zu Beginn der Angebotsfrist nur unvollständige Verdingungsunterlagen zur Verfügung stellen kann, so dass diese Inhalt und Umfang der geforderten Leistung nicht beurteilen können. Der Vorschrift des § 16 Nr. 1 VOB/A lässt sich kein generelles Verbot nachträglicher Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen entnehmen. Allerdings lässt sich aus den Grundsätzen der Selbstbindung des Auftraggebers und des Vertrauensschutz für die Bewerber ableiten, dass die Vergabeunterlagen nach ihrer Bekanntgabe grundsätzlich unverändert bleiben müssen (3. VK Bund, B. v. 07.02.2008 - Az.: VK 3 - 169/07; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08). Die Zulässigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen richtet sich nach den Grundsätzen der Selbstbindung des Auftraggebers und des Vertrauensschutzes für die Bewerber. Zwar lässt sich aus diesen Grundsätzen ableiten, dass die Vergabeunterlagen nach ihrer Bekanntgabe grundsätzlich unverändert bleiben müssen. Zum einen gibt der Auftraggeber den interessierten Unternehmen durch die Aufforderung zur Angebotsabgabe in Verbindung mit der Überlassung der Vergabeunterlagen zu verstehen, dass er ihre Angebote auf der Grundlage dieser Unterlagen entgegen nehmen und werten wird (Selbstbindung des Auftraggebers). Zum anderen verlassen sich Bewerber und Bieter bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen und der Erstellung ihrer Angebote auf diese Zusage des Auftraggebers und auf die Beständigkeit der Vergabeunterlagen für die anstehende Vergabe (Vertrauensschutz für die Bewerber). Im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Auftraggebers, dass er die Leistung angeboten erhält, die er benötigt, sind von diesem Verbot der Änderung oder Ergänzung während des laufenden Vergabeverfahrens in bestimmten Fällen Ausnahmen

4293/0,6

4293/0,8

4293/1

Page 85: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

zuzulassen. Dies gilt zum einen für Korrekturen von Fehlern oder Ungenauigkeiten wie etwa die Berichtigung missverständlicher Formulierungen, die Ausfüllung von Lücken in der Darstellung, die Präzisierung von Angaben u.ä. Darüber hinaus sind aber auch Änderungen und Ergänzungen geringen Umfangs als vergaberechtskonform zu erachten, sofern diese die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung nicht grundlegend verändern und den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung oder zur Nichtbeteiligung am Wettbewerb nicht berühren (1. VK Sachsen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1/SVK/021-08, 1/SVK/021-08-G; 2. VK Bund, B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 2 - 7/09; B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 17.04.2008 - Az.: VII - Verg 15/08; 3. VK Bund, B. v. 07.02.2008 - Az.: VK 3 - 169/07; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08). Es begegnet auch keinen grundsätzlichen Bedenken, dass ein Auftraggeber von Mindestanforderungen, die im Verlauf des Verfahrens vor Angebotsabgabe als zu weitgehend erkannt werden und bei den Bietern zu Missverständnissen führen, Abstand nimmt (VK Brandenburg, B. v. 19.12.2008 - Az.: VK 40/08). Eine Änderung ist auch dann möglich, wenn der Auftraggeber ein bestimmtes Produkt als Teil der gesamten Beschaffung vorgibt, und im Laufe des Vergabeverfahrens festgestellt wird, dass der Hersteller des vorgegebenen Produkts von einem Teil der potenziell interessierten Bietern deutlich überhöhte Preise fordert und somit deren Angebotspreise im Vergabeverfahren deutlich verteuert. Hat der Auftraggeber deshalb berechtigten Grund zu der Annahme, den vergaberechtlich gewollten Bieterwettbewerb (§ 97 Abs. 1 GWB) nicht ordnungsgemäß gewährleisten zu können und setzt er sich zudem möglicherweise dem Vorwurf aus, die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung zu verletzen. darf der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen entsprechend anpassen, soweit diese Anpassung allen Bietern gegenüber transparent und diskriminierungsfrei erfolgt (1. VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08). Ein Auftraggeber ist im Fall einer von ihm angenommenen Änderungsbedürftigkeit der Verdingungsunterlagen nicht in jedem Fall dazu gezwungen, die Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Zumindest bei inhaltlich eng begrenzten Änderungen hat er vielmehr auch die Möglichkeit, diese den Bietern während der laufenden Angebotsfrist mitzuteilen und ihre Berücksichtigung zu verlangen. Eine solche Vorgehensweise ist in derartigen Fällen sachgerecht, um unverhältnismäßige Verzögerungen zu vermeiden, wie sie bei einer erneuten Aufforderung zur Angebotsabgabe wegen des dabei zu beachtenden Fristenregimes eintreten könnten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich die Änderungen auf einen kleinen Teil der Positionen des Leistungsverzeichnisses beschränken, der mit einem Anteil am Wert der Gesamtleistung von weniger als 3 % von untergeordneter Bedeutung war und dies insbesondere keine wesentliche Änderung des Ausschreibungsgegenstandes bewirkte und wenn diese Änderungen nicht willkürlich vorgenommen, sondern mit bautechnischen Notwendigkeiten begründet wurden, die der Auftraggeber während der Angebotsfrist erkannte (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09). Bis zum Eröffnungstermin hat also der Auftraggeber die Möglichkeit, etwaige Fehler im Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des Leistungsverzeichnisses zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis vornehmen. leer

4293/1,2

4293/2

4293/3

4294

4295

Page 86: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Eine Änderung des Leistungsverzeichnisses ist demgemäß zulässig, wenn sie vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt und alle Bewerber darüber informiert werden, Gleichbehandlung also gegeben ist (1. VK Bund, B. v. 30.07.2008 - Az.: VK 1 - 90/08; B. v. 19.12.2002 - Az.: VK 1 - 95/02; 2. VK Bund, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07; 1. VK Hessen, B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008). Gegebenenfalls sind die Angebotsabgabefrist angemessen zu verlängern (2. VK Bund, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07; 1. VK Hessen, B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008) und gegebenefalls die Zuschlags- und Bindefrist sowie die Vertragslaufzeit anzupassen (1. VK Hessen, B. v. 31.03.2008 - Az.: 69 d VK - 9/2008). leer Die VK Hessen fordert darüber hinaus, dass einer der Tatbestände des § 26 Nr. 1 VOB/A zur Rechtfertigung einer Änderung vorliegen muss. Eine Änderung allein aus „sachlichen Gründen“ ist dagegen nicht zulässig, denn Interessierte an einer Ausschreibung müssen sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass sie die Leistung wie zunächst gefordert auch anbieten können. In einer Vielzahl von Fällen mag es sachliche Gründe für Änderungen der Ausschreibungen geben. Wäre in all diesen Fällen eine inhaltliche Änderung abgesehen von Korrekturen offensichtlicher Unrichtigkeiten zulässig müssten Bieter häufig damit rechnen, dass in einem vorher nicht erkennbaren Umfang noch Einzelheiten der Ausschreibung nachträglich geändert werden (VK Hessen, B. v. 01.06.2005 - Az.: 69 d VK - 33/2005). Nach erfolgter Eröffnung der Angebote obliegt es ihm nicht, nachträglich Korrekturen am Leistungsverzeichnis vorzunehmen (VK Halle, B. v. 25.4.2001 - Az.: VK Hal 04/01). So kann eine Veränderung der Kalkulationsunterlagen bzw. von Rechengrößen, die direkt in die Preisbildung einfließen kann, insbesondere nach Ablauf der Angebotsfrist und Eröffnung der Angebote, nicht mehr erfolgen. Sie verbietet sich aufgrund der Selbstbindung der Vergabestelle und dem Vertrauensschutz der Bieter (VK Düsseldorf, B. v. 3.3.2000 - Az.: VK - 1/2000 - L). Unzulässig ist auf jeden Fall die Änderung der bekannt gemachten Eignungsnachweise. Will der Auftraggeber also die Eignungskriterien ändern, muss eine neue Bekanntmachung erfolgen. Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 17 VOB/A RZ 4670/1. Eine Änderung ist selbstverständlich auch dann zulässig, soweit sich Änderungsbedarf, weitergehend sogar ein Handlungszwang, aufgrund der Entscheidung einer Vergabekammer oder eines Vergabesenats ergibt, wenn ausdrücklich eine Abänderung der Verdingungsunterlagen gefordert wird. Aber auch darüber hinaus ist es dem Auftraggeber nicht verwehrt, bei der danach ohnehin gebotenen Anpassung der Verdingungsunterlagen neue Erkenntnisse, die nicht Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens gewesen waren, zu verarbeiten und in die Verdingungsunterlagen einzubringen. So kann z.B. ein Auftraggeber Erfahrungen und Erkenntnisse einarbeiten, die er erst im Laufe des Vergabeverfahrens anhand testweise erworbener Leistungsgegenstände gemacht hat. Im Sinne der Privatautonomie muss es dem öffentlichen Auftraggeber möglich sein, solche besseren Erkenntnisse auch zu verwerten; ansonsten würde man den Auftraggeber dazu verpflichten, ein Produkt einzukaufen, von dem er bereits im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung weiß, dass es seine Bedürfnisse nicht optimal bedient. Ein derartiges Ergebnis stünde nicht in Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, zu deren Einhaltung öffentliche Stellen verpflichtet sind (3. VK Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; B. v. 05.03.2008 - Az.: VK 3 - 32/08).

4296

4296/1

4297

4298

4298/1

Page 87: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.22.2 Information der Bieter Der Auftraggeber ist verpflichtet, jedem der beteiligten oder interessierten Unternehmer wesentliche Änderungen der Angebotsgrundlagen unverzüglich bekannt zu geben (BGH, Urteil vom 24.4.1997 - Az.: VII ZR 106/95; 3. VK Bund, B. v. 14.04.2008 - Az.: VK 3 - 38/08 – für das Verhandlungsverfahren). Hierbei sollte er sich auch dahingehend absichern, dass ihm alle Bewerber den Empfang der Mitteilung bestätigen (VK Halle, B. v. 25.4.2001 - Az.: VK Hal 04/01). Die Sorgfaltspflicht der Vergabestelle erfordert es also, den Zugang von Mitteilungen über Änderungen des Leistungsverzeichnisses auch positiv feststellen zu müssen. Unterbleibt diese Feststellung und verneint der Empfänger den Empfang dieser Mitteilung , so führt die damit verbundene Feststellung, dass der Zugang der Mitteilung über die Änderungen bei bestimmten Bietern gerade nicht festgestellt werden kann, dazu, dass die Vergabestelle diesen Bietern nicht entgegenhalten kann, dass sie ein anderes, als das von der Vergabestelle geforderte, Angebot abgegeben haben (VK Thüringen, B. v. 12.03.2008 - Az.: 360-4002.20-414/2008-001-NDH). Eine solche Änderung und Information ist auch in der Form zulässig, dass sie auf einer Internetseite – und dort z.B. in den FAQ – veröffentlicht werden, wenn auch die Vergabeunterlagen grundsätzlich nur zum "download" auf der Webseite des Auftraggebers zur Verfügung standen, so dass er den Kreis der Bewerber nicht kannte und diese somit nicht individuell schriftlich informieren konnte. Der Auftraggeber sollte allerdings in solchen Fällen einen Hinweis zur Änderungsmodalität auf der Internetseite aufnehmen. Wenn unter diesen Voraussetzungen ein Bieter die entsprechende Änderung nicht bemerkt hat, ist ihm dies selbst zuzurechnen (2. VK Bund, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07). Versendet der Auftraggeber die Änderungen per Computerfax und legt der Bieter, der nach eigenen Angaben dieses Fax nicht erhalten hat, sein Fax-Journal vor und lässt sich daraus entnehmen, dass an dem vom Auftraggeber behaupteten Tag ein 4-seitiges Fax eingegangen ist, dessen Absender nicht angezeigt wurde, sind sowohl die Tatsache, dass die Seitenzahl genau dem von dem Auftraggeber gefertigten Faxschreiben entspricht, wie auch die Erklärung des Auftraggebers, dass beim Versenden eines Computerfaxes der Server im Telefonnetz über keine Kennung verfügt und daher der Absender am Empfängergerät nicht erkennbar ist, zwar Indizien für den Eingang des Faxes, sie genügen aber nicht den Anforderungen an einen Nachweis. Im Übrigen steht selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass das Fax der Auftraggeberin beim Bieter eingegangen ist, nicht fest, dass es der tatsächlich zuständigen Abteilung zugegangen ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der Auftraggeber in diesem Fall an die unzutreffende Nummer geschickt hat. Dies lässt nicht die Annahme zu, dass ein dort eingehendes Fax ordnungsgemäß zugegangen ist. Wenn es innerhalb des Unternehmens des Bieters zu Versäumnissen bei einer Weiterleitung an die konkret zuständige Stelle gekommen sein sollte, liegt dies im Risikobereich des Auftraggebers, da er eine falsche Fax-Nummer gewählt hatte. Zugegangen ist eine Willenserklärung erst dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen; dazu zählt nur das vom Bieter gegenüber dem Auftraggeber angegebene und damit zur Entgegennahme von Erklärungen des Auftraggebers bereit gehaltene Fax. Folglich kann dem Bieter nicht vorgeworfen werden, die Änderung nicht in das Leistungsverzeichnis eingearbeitet zu haben (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08).

Page 88: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Liegen inhaltlich unterschiedliche Angebote vor, die auf Änderungen zurückzuführen sind und liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der Bieter, macht eine solche Situation es unumgänglich, das Vergabeverfahren in den Stand nach der erfolgten Bekanntmachung der Vergabeabsicht durch die Vergabestelle zurückzuversetzen. Mit dieser Zurückversetzung des Vergabeverfahrens wird die Vergabestelle erneut alle die Bieter zur Abgabe eines neuen Angebotes aufzufordern haben, die schon einmal die Verdingungsunterlagen abgefordert hatten. Ihnen ist die – dabei notwendig zu erläuternde - Möglichkeit zu geben, anhand von eindeutigen Verdingungsunterlagen und Angaben in den Leistungsverzeichnissen der Gesamtbaumaßnahme, ein ordnungsgemäßes Angebot abgeben zu können. Die Vergabestelle hat dafür Sorge zu tragen, dass den Bewerbern eine angemessene Frist zur Ausarbeitung ihrer Angebote zur Verfügung steht (VK Thüringen, B. v. 12.03.2008 - Az.: 360-4002.20-414/2008-001-NDH). Vgl. auch die Kommentierung zu § 114 GWB RZ 2263/1,3.

81.22.3 Verpflichtung des Auftraggebers zur unmissverständlichen Aufforderung an die Bieter, mit dem Angebot die aktualisierte Fassung der Verdingungsunterlagen einzureichen Im Hinblick auf die schwerwiegende Konsequenz eines Bieterausschlusses sind an vom Auftraggeber veranlasste Änderungsschreiben hohe Anforderungen zu stellen. Es muss sich für einen verständigen Bieter zwanglos und unmissverständlich die Forderung ergeben, dass mit dem Angebot die aktualisierte Fassung der Verdingungsunterlagen eingereicht werden soll. Nur so kann sichergestellt werden, dass nach aktuellem Stand der Ausschreibungsbedingungen in jeder Hinsicht identische und miteinander ohne weiteres vergleichbare Angebote eingehen und ein fairer Bieterwettbewerb gewährleistet ist. Eine Bitte um „Ergänzung in den Ihnen vorliegenden Ausschreibungen“ genügt nicht. „Ergänzung“ ist nicht identisch mit „Seitenaustausch“ (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08).

81.22.4 Obliegenheit der Bieter zur Erkundigung bei dem Auftraggeber über Änderungen Erhält ein Bieter eine Information über eine 2. Änderung der Verdingungsunterlagen und kennt er die 1. Änderung nicht, sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend, ob der Bieter sich beim Auftraggeber nach der 1. Änderung erkundigen muss. Trifft z.B. die Bezeichnung „2. Änderung“ allenfalls auf das Los 1 zu, nicht jedoch auf das Los 2 ist das Anschreiben des Auftraggebers unzutreffend bzw. missverständlich formuliert. Insbesondere im Hinblick auf Los 2 hätte eine Nachfrage keine weitere Aufklärung bezüglich einer 1. Änderung bringen können, da es eine solche unstreitig nicht gegeben hat. Zum anderen ist je nach Einzelfall die Besonderheit zu berücksichtigen, dass nicht einem Bieter in den ihm vorliegenden Verdingungsunterlagen „Ungereimtheiten“ aufgefallen sind, die er nicht einfach ignorieren darf, ohne ggf. Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, sondern vom Auftraggeber im Nachhinein weitere Schreiben versandt wurden, die die Bieter zu einem Handeln veranlassen sollten. Wenn es dann ein Auftraggeber unterlässt, klar darauf hinzuweisen, auf welche Lose sich welche Änderungen beziehen bzw. diese ggf. eindeutig zu kennzeichnen, ist das ein Sorgfaltsverstoß, der nicht zu Lasten eines Bieters gehen kann. Von Bedeutung kann auch sein, ob sich beim Auftraggeber ein eindeutiges System erkennen lässt, wie die

4298/1,2

Page 89: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Schreiben im Betreff bezeichnet oder durchnumeriert worden sind. Nimmt man eine Obliegenheitsverletzung an mit der Folge eines Ausschlusses des Angebots, überspannt man die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Bieters insbesondere dann, wenn ein Änderungsschreiben des Antragsgegners selbst offensichtlich nicht den erforderlichen Sorgfaltsmaßstäben entspricht (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08).

81.22.5 Verlängerung der Angebotsabgabefrist Beträgt die ursprüngliche Angebotsfrist 84 Tage und verbleiben nach Versand der Änderungen an die Bieter noch 52 Tage bis Angebotsabgabe, d.h. derjenige Zeitraum, der nach § 18 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A mindestens zwischen der Absendung der Bekanntmachung und dem Ende der Angebotsfrist liegen, d.h. für die erstmalige Beschäftigung mit der Ausschreibung und die komplette Ausarbeitung eines Angebots mindestens zur Verfügung stehen muss und berücksichtigt man die ursprünglich deutlich über die Mindestfrist hinausgehende Zeitspanne, die für die Angebotserstellung eingeräumt wurde, und den begrenzten Umfang der Änderungen an der Leistungsbeschreibung, so ist die verbleibende Frist von 52 Tagen trotz der überdurchschnittlichen Komplexität des vorliegenden Auftrags nicht als unangemessen kurz einzustufen (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09).

81.23 Verbot der Forderung des Auftraggebers nach einer Mischkalkulation des Bieters Ist von den Bietern die Angabe gefordert, ob sie in Bezug auf “weitere Leistungen“ jeweils eine gesonderte Vergütung oder keine gesonderte Vergütung verlangen, stellt dies einen Vergaberechtsverstoß dar, weil die Zulassung mischkalkulierter Preise einerseits und die Bewertung gesonderter Einheitspreise andererseits zu einer Unvergleichbarkeit der Angebote führen. Nach der fortgesetzten Rechtsprechung des BGH ist, damit ein Angebot gewertet werden kann, jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Grundsätzlich sind deshalb Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nämlich nicht die von ihm geforderten Preise, sondern "versteckt" die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots.. Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung darf die Möglichkeit einer Mischkalkulation nicht in die Opt ion der Bieter gestellt werden (1. VK Sachsen, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1/SVK/020-08).

81.24 Schadenersatzansprüche und Nachforderungen wegen Verletzung der Regelungen des § 9

Page 90: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.24.1 Grundsatz Ein etwaiger Verstoß einer öffentlichen Ausschreibung gegen § 9 VOB/A begründet allein noch keinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss. Erforderlich ist vielmehr, dass der Auftragnehmer/Bieter in seinem schutzwürdigen Vertrauen auf die Einhaltung der VOB/A enttäuscht worden ist. Ein Vertrauen in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn der Antragnehmer/Bieter den maßgeblichen Verstoß gegen die VOB/A nicht erkannt hat. Darüber hinaus muss sein Vertrauen schutzwürdig sein. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn er den Verstoß bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung hätte erkennen können. Die an die Prüfung des Bieters zu stellenden Anforderungen hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßstab ist ein sorgfältiger Bieter mit dem branchen-spezifischen Fachwissen. Ein Bieter muss sich jedenfalls ein Bild darüber verschaffen, ob er alle für eine sichere Kalkulation erforderlichen Angaben zur Verfügung hat. Zweifelsfragen sind durch vorherige Besichtigung der Gegebenheiten vor Ort sowie durch Einsichtnahme in vorhandene Planungsunterlagen oder durch entsprechende Rückfragen und Hinweise beim Auftraggeber zu klären. Diese Aufklärungspflicht besteht unabhängig davon, ob sie vom Auftraggeber in der öffentlichen Ausschreibung vorgegeben wird (OLG Naumburg, Urteil vom 30.11.2000 - Az: 2 U 149/00). Ist eine private oder öffentliche Leistungsbeschreibung erkanntermaßen oder zumindest für den Fachmann ersichtlich unklar/risikoreich, darf der Bieter diese Lückenhaftigkeit nicht durch eigene für ihn günstige Kalkulationsannahmen ausfüllen. Tut er es dennoch, handelt er auf eigenes Risiko und kann später keine Mehrkosten beanspruchen, wenn sich seine Erwartungen als falsch erweisen. Ein etwaiger vom öffentlichen Auftraggeber begangener Verstoß gegen § 9 VOB/A wird durch das spätere Verhalten des Bieters kompensiert. Etwas anderes kann in Betracht kommen, wenn die Ausschreibung den Bietern ein derart ungewöhnliches Wagnis auflegt, dass es dem Auftraggeber nach Treu und Glauben versagt wäre, sich auf die Risikoverlagerung auf den Bieter zu berufen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2003 - Az: I-23 U 27/03; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, B. v. 14.10.2008 - Az.: 11 Verg 11/2008). Es existiert also kein Rechtsgrundsatz dahin, dass ein Werkunternehmer riskante Leistungen (auch im Rahmen einer VOB/A-Vergabe) nicht übernehmen könnte (OLG Koblenz, Urteil vom 17.4.2002 - Az: 1 U 829/99).

81.24.2 Beispiele aus der Rechtsprechung

• eine nicht ordnungsgemäße und daher unvollständige Beschreibung einer Leistung in einem Leistungsverzeichnis kann grundsätzlich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. auslösen. Dies gilt erst Recht, wenn der Auftraggeber schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben über solche ihm bekannte Umstände macht, die für die Preisermittlung von Bedeutung sind (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05)

• ein ungewöhnliches Wagnis i.S.v. § 9 Nr. 2 VOB/A wird dem potenziellen Auftragnehmer aufgebürdet, wenn der Auftraggeber die Vorerkundung auf den vorab ausgewählten Testfeldern nicht vollständig durchführt und die Vorerkundungsergebnisse nicht vollständig in der Leistungsbeschreibung darstellt (hier: Abbruch der Testberäumung eines von drei Testfeldern und Verschweigen der

4299

4300

4301

4302

Page 91: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

Vorerkundungsergebnisse dieses besonders hoch belasteten Testfelds). Im Falle positiver Kenntnis außergewöhnlich hoher Bodenbelastungen in Teilbereichen der zu beräumenden Fläche verstößt es auch gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot, wenn der Auftraggeber nur pauschal auf die Möglichkeit von Belastungsabweichungen von einer durchschnittlichen Belastung hinweist, und zwar selbst dann, wenn er – entgegen der Auffassung des von ihm beauftragten Sachverständigen – die Ergebnisse des hoch belasteten Testfelds als nicht repräsentativ ansieht (OLG Naumburg, Urteil vom 15.12.2005 - Az.: 1 U 5/05)

• die im Rahmen eines öffentlichen Bauauftrags getroffene Vereinbarung, dass für die Vertragserfüllung erforderliche zusätzliche Leistungen auch dann nicht vergütet werden, wenn sie bei Vertragsschluss nicht bekannt und/oder nicht absehbar waren, ist trotz eines Verstoßes gegen § 9 VOB/A weder sittenwidrig noch nach § 134 BGB unwirksam. Bei einer derartigen gegen § 9 VOB/A verstoßenden offenen Risikozuweisung stehen dem Auftragnehmer auch keine Ansprüche aus enttäuschtem Vertrauen oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu (Landgericht Berlin, Urteil vom 12.11.2002 - Az: 13 O 264/02)

• wenn ein Bodengutachten auf konkrete Risiken hinweist, darf der Bieter den Nichteintritt dieses Risikos (z. B. Wassereinbrüche infolge hoher Bodendurchlässigkeit) nicht als sicher unterstellen und dies seinem Angebot (bei der Einheitspreisberechnung für die Wasserhaltung) zu Grunde legen (OLG Koblenz, Urteil vom 17.4.2002 - Az: 1 U 829/99)

• wenn das schriftliche Leistungsverzeichnis lediglich eine funktionale Leistungsbeschreibung ohne genaue Maße enthält und sich die endgültigen Maße erst aus der aus der Entwurfsplanung zu entwickelnden Ausführungsplanung ergeben, gehören derartige Maßänderungen zum Leistungsumfang. Sie liegen im Vergütungsrisiko des Unternehmers und berechtigen ihn nicht zu einer Nachforderung (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.1.2002 - Az: 12 U 126/01)

• wenn in der erfolgsorientiert funktional gestalteten Leistungsbeschreibung für eine von einer Gemeinde ausgeschriebene Schmutzwasserkanalisation der Baugrund mit Bodenklasse 3 bis 5 angegeben ist, muss der (den Zuschlag erhaltende) Tiefbauunternehmer auch das Vorhandensein einer sog. Tonlinse (i.e. hier: eine 270 m lange und mehrere Meter dicke wasserundurchlässige tonige Schluffschicht) einkalkulieren. Das "Baugrundrisiko" trifft den Unternehmer . Er kann dann keine Zusatzvergütung deshalb verlangen, weil er die Wasserhaltung durch Minifilter ergänzen muss (OLG Celle, Urteil vom 29.12.2000 - Az: 7 U 249/96 - durch Nichtannahmebeschluss vom Bundesgerichtshof bestätigt)

• ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen lückenhafter, unvollständiger oder missverständlicher Ausschreibung der Bauleistung ist ausgeschlossen, wenn der Auftragnehmer den Ausschreibungsmangel kennt und diesen in Kauf nimmt, um den Auftrag zu erhalten (OLG Bamberg, Urteil vom 7.6.1999 - Az: 4 U 255/98)

• gibt ein Leistungsverzeichnis, das nach den Grundsätzen der VOB/A aufgestellt ist, eine Vergütung für das Herstellen von Mauerwerksöffnungen als Zulage vor, werden damit alle verbundenen Schwierigkeiten vollständig abgegolten. Eine solche Vereinbarung bewirkt aber nicht auch noch zusätzlich einen Ausschluss der Abrechnungsregeln nach den ATV DIN 18330 VOB/C Nr. 5.2.1 und 5.2.2. Aus fachtechnischer Sicht ist das Leistungsverzeichnis so zu verstehen, dass zwar eine Zusatzvergütung erfolgen soll, das Mauerwerk selbst aber nach DIN 18330 Abschnitt 5 aufgemessen werden muss (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.1.1998 - Az: 22 U 149/97)

Page 92: 81. § 9 VOB/A - Beschreibung der Leistungoeffentliche-auftraege.de/text_files/file_1271797034.pdf · v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Kennzeichnend für den Inhalt einer

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

81.25 Literatur

• Quack, Friedrich, Warum § 9 VOB/A keine Anspruchsgrundlage für vertragliche Kompensationsansprüche des erfolgreichen Bieters sein kann, ZfBR 2003, 107

4303