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Oesellschaftsberichte. I. 82. Versammlung deutscher Naturforscher und .~rzte in Kiinigsberg i. Pr., 18.--24. September 1910. Abteilung 23, Ohrenheilkunde. 1. Sitzung. Geheimrat B e r t h o ld erSffnet die Sitzung, begriigt die ersehienenen Teilnehmer und weisg mig einem kurzen historisehen l~berbliek auf den mgehtigen Aufsehwung hin, welehen die otologisehe Zweigwissensehaft in den let zten Jahrzehngen ge~ nommen hag. Zum SehluB erinnert er an die groBen Verdienste Bezolds, Politzersund Sehwargzesum dieEnt- wicklung der Otologie und gedenkt mit einem dankerffillten Naehruf des letztgenannten, jiingst in Halle verstorbenen Griinders und Meisters der ogiatrisehen Chirurgie, dessen An- denken yon sgmtliehen Anwesenden dureh Erheben yon den Sitzen geehrt wird. Professor S t e n g e r (KSnigsberg): Geseh~ftliehe Mit- teilungen. Die Teilnehmer an den Verhandlungen der oto- logisehen Sektion sind vom Herrn Landeshauptmann zu einem Besueh der Provinzialtaubstummenanstalt eingeladen. Zum Vorsitzenden der gegenwgrtigen Tagung wird Privat- dozent ]Dr. N e u m a n n (Wien) vorgesehlagen und yon den Versammelten einstimmig gewfi.hlt. ]Der Vorsitzende nimmt die Wahl dankend an und tritt in die wissensehaftliehe Tagesordnung ein. 1. Privatdozent Dr. N e u m a n n (Wien) : ~ b e r S e h w i n d e l, Vortragender gibt zuniiehst einen kurzen ~Tberblick fiber das Wesen des Sehwindels und fiber seine ur- si~ehliehen Voraussetzungen. Er geht dabei aus yon den Mo- menten, welehe unter normalen Bedingungen den Sehwindel "¢erhindern, d. h. eine unbewuBte, aber sehr bedeutungsvolle Orientierung im Raum ermSglichen. ]Diese Momente sind: Archly f. Ohrenheilkunde. Bd. 84. Otolog. Rundschau. 6

82. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Königsberg i. Pr., 18.–24. September 1910

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Oesellschaftsberichte.

I. 82. Versammlung deutscher Naturforscher und .~rzte in Kiinigsberg i. Pr., 18.--24. September 1910.

A b t e i l u n g 23, O h r e n h e i l k u n d e .

1. S i t z u n g .

Geheimrat B e r t h o ld erSffnet die Sitzung, begriigt die ersehienenen Teilnehmer und weisg mig einem kurzen historisehen l~berbliek auf den mgehtigen Aufsehwung hin, welehen die otologisehe Zweigwissensehaft in den let zten Jahrzehngen ge~ nommen hag. Zum SehluB erinnert er an die groBen Verdienste B e z o l d s , P o l i t z e r s u n d S e h w a r g z e s u m d i e E n t - wicklung der Otologie und gedenkt mit einem dankerffillten Naehruf des letztgenannten, jiingst in Halle verstorbenen Griinders und Meisters der ogiatrisehen Chirurgie, dessen An- denken yon sgmtliehen Anwesenden dureh Erheben yon den Sitzen geehrt wird.

Professor S t e n g e r (KSnigsberg): Geseh~ftliehe Mit- teilungen. Die Teilnehmer an den Verhandlungen der oto- logisehen Sektion sind vom Herrn Landeshauptmann zu einem Besueh der Provinzialtaubstummenanstalt eingeladen.

Zum Vorsitzenden der gegenwgrtigen Tagung wird Privat- dozent ]Dr. N e u m a n n (Wien) vorgesehlagen und yon den Versammelten einstimmig gewfi.hlt.

]Der Vorsitzende nimmt die Wahl dankend an und tritt in die wissensehaftliehe Tagesordnung ein.

1. Privatdozent Dr. N e u m a n n (Wien) : ~ b e r S e h w i n d e l, Vortragender gibt zuniiehst einen kurzen ~Tberblick fiber das Wesen des Sehwindels und fiber seine ur- si~ehliehen Voraussetzungen. Er geht dabei aus yon den Mo- menten, welehe unter normalen Bedingungen den Sehwindel "¢erhindern, d. h. eine unbewuBte, aber sehr bedeutungsvolle Orientierung im Raum ermSglichen. ]Diese Momente sind:

Archly f. Ohrenhe i lkunde . Bd. 84. Otolog. Rundschau . 6

82 82. Versammlung deutscher Na%lrforseher u. J~rzte usw.

1. das Auge~ resp. die ziliare Augenmuskulatur, welche fiir die unbewuBte, akkommodative Abseh~tzung der N~he und Weite im Raum Sorge tragen, 2. der vestibulare Apparat im Ohrlabyrinth, weleher von den Verlagerungen des K6rper- gleichgewiehts Kenntnis gibt, und 3. der kiniisthetisehe Sinm reprgsentiert dutch die Sensibilitiitsbahnen des Riiekenmarks und ihr Zentrum im Kleinhirn. I)ureh Funktionsst5rungen im Bereieh dieser drei Faktoren kaim ein Sehwindel hervorge- rufen werden, und man unterseheidet danaeh 1. einen okularen. 2. einen aurikularen oder vestibularen und 3. einen statisehen oder zerebellaren Schwindel, je naehdem die betreffende StS- rung des normalen Gleiehgewiehts im ~Auge, im Ohr oder in der Sensibilitgtssph~re ihren Sitz und Angriffspunkt hat. Schon aus der Art des Schwindels kann man von vornherein auf den Sitz der schwindelerzeugenden StSrung schlieBen. Der Augen- sehwindel ist ein rein subjektives, nieht sehr peinigendes Ge- fiihl. Der zerebellare Sehwindel ist unbewugt und gugert sieh in ein plStzliehes Zusammenbreehen des K6rpers. I)er aurale- vestibulare Schwindel ist ein iiberaus quglendes Gefiihl, ver- anlagt dureh subjektive seheinbare Drehbewegungen der um- gebenden Gegenstiinde, hgufig begleitet dutch Ubelkeit und Erbreehen. Das objektive, diagnostisch-wahrnehmbare Zeiehen des vestibularen Schwindels ist der Nystagmus. Man kann bei auralem Schwindel den Nystagmus in zwei Komponenten einteilem in eine vestibulare und eine kortikale Komponente. Die erste wird reprgsentiert dutch die Nervenbahn yon der Pars vestibularis des Labyrinths aus bis zum Deitersschen /Kern, die kortikale Komponente stellt sieh dar in der Bahn yon dem Deitersschen Kern his zmn Gyrus angularis. Diese beiden Reflexbahnkomponenten stehen zueinander in einem antago- nistisehen Verhgltnis, die vestibulare Komponente ist eine tangsame, die kortikale eine sctmelle Reflexbewegung. Erstere geht der zweiten zeitlich voraus und kommt unter gewShn- lichen Bedingungen nieht zur Kenntnis des Beobachters. Mit dem Deitersschen Kern stehen ebenfalls durch Reflexbahnen der Museutus internus oeuli derselben Seite und der externus der entgegengesetzten Seite in Verbindung. Vortragender veranschaulicht diesen Zusammenhang der Adduktion und Abduktion des Auges mit dem Gleichgewiehtszentrum durch ein Schema, an dessen Hand er dann auch seine weiteren De- duktionen ausfiihrt. Was nun den Reiz am vestibularen An- griffspunkt anbelangt, so mug zwischen hSherwertigen und minderwertigen Reizqualitgten untersehieden werden, und es

82. Vers~mmtung deutscher Naturforscher u. :~rzte usw. 8~

ist durch ein Experiment E w a 1 d s, welches vom Vortragenden ~ kurz geschildert wird, festgestellt, dab im horizontalen Bogen- gang der hSherwertige Reiz eine Wellenbewegung der Krista- haare bedingt, d ie yon den Ampullen zum Utrieulus geriehtet ist, w~hrend beim minderwertigen Reiz die Haarbewegung yon den Ampullen zum nicht ampullaren Teil der Bogen- g~tnge sich vollzieht. Aus demselben Experiment geht hervor, dab bei den vertikalen Bogenggngen die Bewegung der Krista- haare in genau entgegengesetzter Weise in Erscheinung tritt . Die verschiedenen Reizqualit~ten aui~ern sich in einer ver- schiedenen Form des Nystagmus. HSherwertige Reize, die Vortragender mit ,,plus" bezeichnet, 18sen eine langsame vesti- bulare Reflexkomponente nach der entgegengesetzten und eine schnelle kortikale Komponente nach der gleichnamigen Seite ausl wahrend minderwertige Reize, mit ,,minus" bezeich- net, eine vestibulare Komponente naeh derselben Seite und eine kortikale Komponente nach der entgegengesetzten Seite bewirken. Zum Schlui] sprieht Vortragender yon der M 6- n i ~ r e schen K r a n k h e i t u n d unterscheidet dabei zwei Formen: 1. eine solche, wo die Schwindelanfalle in Attacken auftreten, bis das Organ vollst~ndig zerstSrt ist oder bis die organisehen VerKnderungen im Vestibulum in Heilung fiber- gehen, und 2. solche, wo im ersten Anfall eine totale Destruk- tion des Vestibularlabyrinths eintritt. W~hrend die zweite Form eines M 6 n i ~ r e einer besonderen Behandlung nicht mehr bedarf, ist die erste Form, weil sie ftir die Betroffenen 5beraus qualend und gefahrlich ist, in letzter Zeit vielfach mit Erfolg Gegenstand operativer Behandlung gewesen, die darin besteht, dab das erkrankte Vestibulum mit Schneeke vSllig ver- 5det wird. Natfirlieh geschieht dies nur in solchen Krankheits- f~llen, wo bereits eine vSllige ZerstSrung des HSrvermSgens eingetreten ist.

D i s k u s s i o n :

S t e n g e r (KSnigsberg) macht darauf aufmerksam, dab er in einer frfiheren Arbeit bereits den Unterschied zwischen zerebellarem und vestibularem Schwindel beschrieben hat.

B e r t h o 1 d (KSnigsberg) bitter um Aufklgrung fiber die Art des E w a 1 d schen Experimentes.

S t e i n (KSnigsberg) erkundigt sich nach den Resultaten der Labyrinthoperation.

K a y s e r , B e r t h o l d und S e h u l z bitten den Vor- 6*

84 82. Versammlung deutscher NaSurforscher u. Xrzte usw.

tragenden noeh um weitere Aufkl~rung fiber einzelne Punkte seines Vortrages.

N e u m a n n (SehluBwort) gibt die gewfinsehte Auf- kl/~rung und ffihrt einzelne Punkte seines Vortrages ausfiihr- ]ieher aus, unter anderem gibt er eine genaue AufklErung des E w a 1 d schen Experimentes.

2. Privatdozent Dr. H. S t r e i t (KSnigsberg i. Pr.) : E x- p e r i m e n t e l l e B e i t r E g e z u r P a t h o - u n d H i s t o - g e n e s e d e r o t o g e n e n M e n i n g i t i s . (Autoreferat).

Der Vortragende hat, versucht, vermittels Infektionsver- suchen an ~unden und Katzen der Frage n~her zu kommen, welehe pathologisch-anatomischen Befunde dem Symptomen- bilde der meningitisehen Reizung zugrunde liegen d/irften. Im ganzen wurden 18 Tiere verwandt und die in Frage kom- menden Stellen des Gehirns, der Dura und des Knochens mikroskopisch untersucht. Vortragender ist zu folgenden SehluBfolgerungen gekommen.

1. Ziemtich ohne Ausnahme sind als Folgen einer Dura- infektion, mit oder ohne Verletzung der barren HirnhauL eine Paehymeningitis externa und interna, geringerer oder st~rkerer Art, resp. deren Residuen naehweisbar.

2. H~ufig, aber keineswegs immer, finden sieh mehr oder weniger ausgesprochene Leptomeningitiden, resp. deren Folgen vor. Je grSBer die Beteiligung der Dura, der weichen tIirn- hau t und der oberfl~chliehen Zerebralschiehten an der Ent- zfindung ist, um so bedeutendere Zerebralsymptome werden sich intra vitam feststellen lassen. Letztere dfirften schwanken yon dem G effiht leichter Eingenommenheit des Kopfes bis zu meningitisehen Einzelsymptomen und bis zum ausgesproche- nen Krankheitsbilde der Meningitis.

Vortragender ist der Ansieht, dab aueh beim Menschen ge- ringere Grade yon Paehymeningitis interna ziemlieh h~ufig seien, dab dieselben jedoch in der Regel, ohne zur Feststellung zu gelangen, ausheilten. Sehwerere ]?ormen yon Paehymenin- gitis interna wiirden, sobald sie zu Komp]ikationen geffihrt h/~tten, dutch dieselben verdeekt. Mikroben im Subduralraum ohne konsekutive Entzfindungserseheinungen kommen naeh Ansicht des Vortragenden nicht vor, wohl aber Entzfindungs- erscheinungen an den Meningen ohne Mikroben im SubduraI- raum. Daher ist der Bakterienbefund hn Lumba]punktat bei den otitischen Erkrankungen vorl/£ufig noch als beweisend ffir das Bestehen einer Meningitis anzusehen. Gelapptkernige

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Leukozyten sind meist gleiehfalls als Hinweis auf eine Menin- gitis purulenta bakterieller Provenienz zu bewerten. Bis- weilen kSnnen sieh Eiterzellen im Liquor vorfinden, ohne dab Bakterien im Subduralraum naehzuweisen sind.

D i s k u s s i o n .

L i n c k (KSnigsberg) berichtet yon einem Falle, wo im Anschlul~ an eine Siebbeinausr~umung wegen ehroniseher Sieb- beineiterung mit enormer Polypenbildung zwei Ta~e naeh der Operation unter den Symptomen foudroyanter eitriger Me- ningitis der Exitus eintrat. Die Sektion ergab fiber dem ver- eiterten Siebbein eine zirkumskripte ehronische Paehymenin- gitis mit miliarer Erweichungsstelle und akuter eitriger Lepto- meningitis. Der Fall zeigt, dal~ bereits l~ngere Zeit eine Paehy- meningitis undiagnostiziert bestanden hatte.

B e r t h o 1 d (KSnigsberg) weist auf seine Erfahrungen hin, welche er bei schweren Masernepidemien mit stark hervor- tretenden meningitischen Symptomen gesammelt hat. Er er- kl~rt diese Symptome mit meningitischen Prozessen, welehe mit Abklingen der Infektion zur Heilung gelangen.

J e r o s e h (KSnigsberg) berichtet von einem Patienten aus seinem Krankenhaus, weleher im Laufe einer eitrigen Ohr- affektion offenbare Symptome einer Meningitis gezeigt butte. Dieselben sind jedoeh in Heilung fibergegangen.

S t r e i t (Sehlu[twort) : Ihm s ind aus eigener Effahrung und aus Literaturberichten zahlreiche F~lle yon geheilten Me- ningitiden bekannt, welche im Laufe yon eitrigen Ohrerkran- kungen aufgetreten und in'Heilung iibergegangen sind.

3. Dr. J e r o s c h (KSnigsberg i. Pr.). B e i t r a g z u r o t i t i s e h e n P y ~ m i e. (Autoreferat).

Vortragender beriehtet fiber einen Fall von otitischer Py- ~mie. Am 23. 6. 1910 /~urde ein Mann yon 34 Jahren mit rechtsseitiger akuter Mittelohreiterung und Mastoiditis fiebernd auf die Ohrenstation aufgenommen und am gleiehen Tage operiert. Prompte, aber nicht vollst~ndige Entfieberung. Am t0. Tage unbestimmte Schmerzen im linkeu Arm und Fieber- anstieg. Es entwickelte sich eine schwere Phlegmone des linken Unterarms bis zur Handfl~ehe, welehe mehrfaeh operiert werden mul~te. Der Sinus wurde bis zum Knie und Bulbus weir frei- gelegt, aber vSllig intakt gefunden. Die Temperaturen be- wegten sich zwischen 37,0 und 41,0 in py~mischer Kurve. An Armen und Beinen traten noeh mehrfaeh RStungen und Sehwel- lungen auf, die al~er unter Umschl~gen zurfickgingen. Auch

86 82. V e r s a m m l u n g d e u t s c h e r Nat ,ur forscher u. X r z t e usw.

Husten, ohne nachweisbare Veranderungen der Lungen, wurde beobachtet. Allmahlieh t rat Entfieberung ein, und Patient ist gesund entlassen. Vortragender ffihrt die Pyamie auf oti- tischen Ursprung zurfick, obwohl der Sinus v5tlig gesund war und aueh keine Anzeiehen ffir eine Bulbus-Thrombose vor- lagen.

D i s k u s s i o n .

N e u m a n 11 (Wien) halt das Vorkommen einer reinen Py~mie ohne Thrombose, ohne Vermittlung einer Sinuserkran- kung f~'~r m5ghch, aber pathologisch-anatomiseh bisher nieht sicher erwiesen. Er sehildert einen Fall von Pyamie aus seiner Beobachtung, der ebenfalls ohne weiteren Eingriff ausheilte.

S t e n g e r (KSnigsberg) weist auf den yon ihm angemeldeten Vort.rag fiber die Indikationsstellung bei Unterbindung der Vena jugularis bin und bitter, die weitere Diskussion bis dahin aufzuschieben. Seinem Vorschlag wird Folge gegeben und die Diskussion vertagt.

4. Herr K r a f f t-KSnigsberg [Direktor der Provinzial- Taubstummenanstalt) : D i e T a u b s t. u m m e n f f i r s o r g e i n O s t p r e u It e n. (Autoreferat).

Der Vortragende knfipft an die geschichtliehe Entwieklung der Taubstummenbildung an, deren erste, in das 16. Jahrhun- dert zurfickreichende Spuren nach Spanien hinweisen und die erst vor 100 Jahren zur Grfindung yon Taubstummenanstalten ffihrte, und geht dann nach kurzen Er5rterungen fiber das taub- stumme Kind selbst und fiber den Einfluf3 der GehSr- und Sprach- losigkeit auf das Gemfits- und Geistesleben des Individuums zu der Betraehtung der modemen Taubst.umn~enschule iiber, die auf Grund~der ,,deutschen" Methode ihre Schfiler spreehen lehrt, die Lautsprache nach der technischen und begriffliehen Seite zur Aneignung bringt und vermittels dieser kfinstlich nach phonetischen Gesetzen zu entwiekelnden Sprache die ge- samte Ausbildung der Z5glinge sich vollziehen laftt. Es folgen durch Zeichnungen unterstiitzte Ausffihrungen des Vortragen- den fiber die Psychologie und Physiologie der bei dem taub- stummen Lautsprachschfiler kfinstlich erzeugten Spraehe; woran sich eine Beleuchtung des dem Ohrenarzt zufallenden ausgedehn- ten Arbeitsgebietes in einer Taubstummenanstal t anschlieBt. Vortragender betont dabei die Notwendigkeit; die vielfach auch nach der Ertaubung, in Fallen yon erworbener Taubstumm- heir, fortbestehenden Ohreiterungen durch spezialarztliche Be- handlung zu bessern, resp. zu beseitigen, die betreffenden

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Kinder somit von mannigfachem Leiden zu befreien and sie dadurch nieht nur ffir die Arbeit in der Schule, sondern aueh fiir das ganze Leben und den Kampf urns Dasein wider- standsf~hig und arbeitsfroh zu machen. Eine weitere Aufgabe der 5ffentlichen ohrenErztlichen Praxis sei in der nachdriick- lichen Aufkl~rung und Belehrung der Eltern zu erblieken, da- mit taubstumme Kinder mSgliehst friihzeitig einer Anstalt zugefiihrt wfirden. Letzteres sei besonders wichtig bei spEter ertaubten, in sehulpflichtigem Alter stehenden Kindern, weft nur dann die bereits erworbene Sprachf~higkeit dem Kinde erhalten bleiben k5nne. Auch bei sprachlosen Kindern mit gutem HSrvermSgen, bei denen die Ursache des Spraehausfalles in zentralen StSrungen der Spraehsph~re zu suchen sei, diirfte die versuchsweise ]3eschutung in einer Taubstummenanstal t anzuraten sein, damit auch solchen Kindern die Lautsprache vermittelt werden k6nne. In seinen SchluBausfiihrungen ver- breitete sich Vortragender aueh fiber die von ohren~rztlieher Seite empfohlenen HSrfibungen in dem Taubstummenunter- richt und kommt z u dem Ergebnis, dab eine Trennung der taubstummen Kinder im Unterrieht zun~chst nicht nach HSr- graden, sondern nach dem Grade der Bef~higung erfolgen miisse.

D i s k u s s i o n :

N e u m a n n (Wien) weist au /d ie Bestrebungen zugunsten der HSrfibungen im Taubstummenunterricht hin und fragt den Vortragenden, welche Erfahrungen er damit gemacht habe.

R h e s e (KSnigsberg) erw~.hnt die diesbezfiglichen Be- strebungen der badischen Anstalten im Sinne B e z o 1 d s, die naeh vorangegangener B e z o 1 d seher HSrprfifung eine Trennung der Sch/iler naeh den ttSff~higkeiten vornehmen.

B e r t h o 1 d (KSnigsberg) ffagt den Vortragenden, woman es liege, dab erwachsene Taubs tumme auf der StraBe und, wo man sie sonst 5ffentlich beobachten kSnne, zur grotesken Zeichensprache zurfickkehrten und auf die Lautsprache ver- ziehteten.

K r a f ft weist im SehluBwort auf seine eigenen prak- tischen, zu einem ablehnenden Ergebnis ffihrenden Erfah- rungen in der Frage der ttSrfibungen hin un~d erw~hnt, dab die wiirttembergischen Anstalten die angestellten Versuche nfit dem Sprachunterrieht durchs Ohr aueh bereits aufgegeben haben. :Die Vorliebe des Taubstummen ffir die Geb~rden- sprache auf der StraBe und im 5ffentlichen Leben sei zum Teil

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bedingt dureh die Sehwierigkeit, beim Gehen die Lautspraehe gegenseitig abzulesen. Zum anderen Teil aber gehe den Taub- stummen naeh der Entlassung aus der Ans ta l t die F~ihigkeit, sieh der Lautsprache zu bedienen, vielfach aueh wirklich ver- loren, weft staatlicherseits Iiir eine Fortbildung taubstummer ZSglinge bedauerlieherweise niehts getan werde, im Gegensatz zu den mannigfaehen MSgliehkeiten, welehe staattieherseits und obligatoriseh den entlassenen Z5glingen anderer Volks- bildungsstiitten geboten wiirden. K r a f f t gibt zum SehhB dem Wunsehe Ausdruek, dab in Zukunft yon BehSrde wegen hierin Bin Wandel zum Besseren eintreten m5ge, damit das nliihevolle Werk der Taubstmnmenanstal ten auch im sp~iteren Leben der ZSglinge dureh Fortbildung erhalten und gefSrdert werde.

5. Sanitiitsrat Dr. K a y s e r (Breslau). E i n e i n - f a c h e r E r s a t z f i i r d e n L g r m a p p a r a t .

Vortragender demonstriert, dab man dutch Auflegen der flaehen Hohlhand auf die Ohrmusehel und leiehte, rotato- risehe Reibebewegungen das betreffende Ohr votlstiindig t aub maehen kSnne. Der Effekt sei durch leises eigenes Summen noeh votlkommener zu gestatten.

D i s k u s s i o n : N e u m a n n (Wien) begriiBt die Erfindung, wail die

Lgrmtrommel durehaus kein vollkommenes Mittel zur kiinst- lichen Ertaubung eines Ohres darstelle.

II. S i t z u n g .

B e s i c h t i g u n g d e r T a u b s t u m m e n a n s t a l t u n d V o r f i i h r u n g y o n U n t e r r i e h t s k l a s s e n .

Naeh einer eingehenden Beobaehtung des Unterriehts- begriebes einer Artikulationsklasse, in der die EntwieMung der Spraehlaute und ihre Verbindung zu Silben und Begriffs- wSrtern mit ihrer Deutung veransehautieht wurde, gelangten mehrere Klassen, die den unterriehtliehen Fortsehrit t yon ,,gutbefghigten" und ,,minderbefghigten" Abteilungen in den versehiedenen Fgehern des Unterriehts veransehauliehten, zur Vorf/ihrung, wobei besonders auf der Oberklasse die er- worbene Fertigkeit des Ablesens vom Munde, die Reinheit der Ausspraehe, die Gelii, ufigkeit der spraehliehen Darstellung nnd ein hoher Grad des erworbenen Spraehverstiindnisses sieh zeigte. Mit der Vorfiihrung von Unterriehtsproben war

82. Versammlung deutscher Naturforscher u. )[rzte usw. 89

gleiehzeitig eine Auslage yon Aufzeiehnungen der seinerzeit unter Leitung des Herrn Geheimrat B e r t h o 1 d in K5nigs- berg mit der B e z o 1 d sehen Tonreihe vorgenommenen Unter- suehungen, sowie ferner eine Ausstellung yon Schiilerzeich- nungen verbunden. Interesse erregten zwei an zentrMer SpraehstSrung leidende Kinder, bei denen auf dem Wege laut- sprachliehen Verfahrens die Lautspraehe kiinstlieh zu ent- wickeln gelungen war.

I II . S i t z u n g .

K o m b i n i e r t e S i t z u n g d e r o t o l o g i s c h e n u n d 1 a r y n g o 1 o g i s e h e n S e k t i o n. Vorsitzende: K a y s e r

und B l u m e n f e l d .

O t o l o g i s e h e A b t e i l u n g . 1. g h e s e (KSnigsberg): D i e D i a g n o s t i k d e r

E r k r a n k u n g e n d e s S i e b b e i n t a b y r i n t h s u n d d e r K e i l b e i n h S h l e i m g S n t g e n b i l d . (Auto- referat).

Bei den sagittalen Aufnahmen sei bisher die Tatsaehe ggnz- lieh unbeaehtet geblieben, dab das hintere Siebbein aueh yon hinten her in die Orbita hineinzieht und dadureh lateral vom medialen Orbitalrand zwisehen diesem und der medialen Kante der Fissura orbitalis inferior, bzw. der vorderen Umrandung des Foramen optieum (laterale Grenzlinie) auf dem RSntgen- bride erseheint, t t ierdureh sei eine Differenzialdiagnose zwisehen Erkrankungen des vorderen und hinteren Siebbein- labyrinths mSglieh. Erkrankungen des hinteren Siebbeins bedingten Versehleierungen lateral yore medialen Orbital- rand, hgufig mit Verwasehungen, bzw. VerlSsehtsein der er- wiihnten lateralen Grenzlinien. Aueh die Erkrankungen der Keflbeinh5hle seien dureh das SagittMbild oft erkennbar als umsehriebene, hart an das Septum grenzende Versehleie- rungen. Die sagittalen Aufnahmen seien indessen vielfaeh unzureiehend, bzw. nieht vMsagend genug. Dann leisteten jedoeh Sehriigbilder, naeh einer besonderen Methode auf- genommen, oft ausgezeiehnete Dienste. Bei der Aufnahme derselben lgge die Platte unmittelbar vor der Orbita (Demon- stration einer Abbildung) ; die Dieke der Sehi~delkapsel werde hierdureh ausgesehaltet, Feinheiten wiirden dadureh gut er- kennbar und man erhalte ein 13bersiehtsbild fiber die ganzen anatomisehen Verhgltnisse. Dutch solehe Sehriigaufnahmen

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wiirden fotgende Vorteile geboten: 1. Sie liel~en deutlich er- kennen, welehe Teile des Siebbeins erkrankt sind. Das sei z. B. wichtig, wenn es sich um Erkrankungen der Frontalzellen und die Beziehungen derselben zur StirnhShle handelt, ferner da~ wo man Anhaltspunkte gewinnen will, ob Erkraakungen der Tr~nenwege dutch Affektionen der vorderen Siebbeinzelten bedingt sind. 2. Die Schr~gbilder seien geeignet, die Ergebnisse der sagittalen Aufnahme zu best~tigen. Das sei besonders wiehtig beziiglieh der KeilbeinhShle, bei deren Erkrankungen oft eine intensive Verschleierung mit Verwaschensein der Kon- turen erkennbar ist.

Es folgt die Demonstration yon 35 Diapositiven am Ski- optikon, tells in Sagittal-, tells in Schr~gbildern.

D i s k u s s i o n :

H e n k e (K6nigsberg) demonstriert eine RSntgenplatte, auf welcher sieh ein operierter otitiseher Hirnabszel~ durch diffuse Schattenbildung und mit einem Drainrohr pr~sentiert.

S t e n g e r (KSnigsberg) finder, dab die Abszeltbegren- zungen und auch die Grenzen yon entziindlichen NebenhShlen- erkrankungen im RSntgenbilde in der Regel undeutlieh sind und eine wfinschenswerte Zuverl~ssigkeit vermissen lassen. Er hat dasselbe neuerdings aueh in einem l~alle yon maligner Tumor- bildung der StirnhShle und des Siebbeins beobaehtet, wo durch das RSntgenbild eine scharfe Begrenzung der Neubitdung gegen die Dura vorgetguscht wurde, wghrend in Wirkliehkeit naehher bei der Operation die Tumormassen die Dura um- lagerten.

H a 1 ] e (Berlin) finder ebenfalls, dab die Beurteilung yon Sehgdelaufnahmen im l~Sntgenbilde hgufig der Zuvertgssig- keit entbehre. Die Teelinik der RSntgenphotographie mfiI~te daher verbessert werden.

v. z. M fi h 1 e n (Riga) gul~ert sieh in demselben Sinne und gibt dem Wunsche Ausdruck, dab RSntgenaufnahmen mit stereoskopischen Apparaten Besseres und Zuverlgssigeres leisten mSgen, als mit den jetzigen Mitteln mSglieh sei.

F 1 a t a u (Berlin) ist ebenfalls der Ansicht, dal~ die Re- sultate der RSntgenphotographie bei Sehgdelaufnahmen bisher noch nieht die wiinsehenswerte Sicherheit und Zuverlgssigkeit erreieht hgtten und der Verbesserung bed/irftig w~iren.

R h e s e (SchluBwort) betont, dag er die RSntgenphoto- graphie bei Siebbeinerkrankungen nur als ErgKnzung der Spiege]untersuchungen bewertet wissen wolle. Namentlieh

82. Versammlung deutscher Naturforscher u. ~rzte usw. 91

in solchen F~llen, wo der rhinoskopisehe ~berbl iek dureh ab- weichenden Nasenbau ersehwert oder gar (bei starker Sep- tumdeviation) unmSglich sei, halte er die Erg~nzung der Dia- gnose durch die RSntgenphotographie fiir unerl~l~lieh.. Wenn seine heutigen Aufnahmen vielfach noeh verbesserungsf~hig seien, so h~nge das mit dem alten Instrumentarium zusammen, mit dem er zu arbeiten gezwungen sei. Aber auch bei dem jetzi- gen Stande der Technik halte er die RSntgenphotographie zur Lokalisation yon Siebbeinerkrankungen ffir durchaus not- wendig.

2. Dr. D a h m e r - P o s e n : [ ~ b e r P l a s t i k b e i O h r - m i 1~ b i 1 d u n g e n. (Autoreferat.)

Nach kurzem Eingehen auf die Mil~bfldungen der Ohr- musehet, des GehSrganges und des mittleren und inneren Ohres berichtet Vortragender fiber einen Fall yon vollst~ndiger knScherner Atresie beider GehSrg~nge. Beide Ohrmuscheln waren stark verbildet. Vorhandensein des mittleren Ohre~ wurde vermutet, da Reibeger~usehe bei Luftdouche zu kon- statieren waren. Stimmgabeluntersuchung u n d damit Fest- stelluiig des Labyrinths war bei dem 3 j~hrigen Kinde nicht mSglich. Beide Seiten wurden radik~l operiert und in einer Tiefe yon ca. 12 mm eine PaukenhShle ohne Trommelfell ge- funden. Rechts fehlte der Hammer, links der Ambol~. Der Knochenkanal wurde mit T h i e r s c h schen Hautl~ppehen be- pfl~nzt und eine Persistenz der knSehernen GehSrg~nge er- zielt. Das Kind hSrte nach der Operation normal.

IV. S i t z u n g .

K o m b i n i e r t e S i t z u n g d e r o t o l o g i s c h e n u n d l a r y n g o l o g i s c h e n S e k t i o n : Vorsitzende: F l a -

t a u-Berlin und v. z. M fi h 1 e n-Riga.

O t o l o g i s c h e A b t e i l u n g :

t. Privatdozent Dr. A. L i n e k (KSnigsberg): U b e r d i e H i s t o g e n e s e d e r B u r s a p h a r y n g e a . (Auto~ referat.)

Vortragender geht aus yon den verschiedenen Theorien, die fiber die Entstehung der Bursa pharyngea verSffentlicht wurden, und knfipft dann an die yon D u r s y- G a n g h o f n e r und yon F r o r i ep ge~ul~erte Entstehungstheorie v o n d e r Fixation der Schleimhaut an den Resten der Chorda dorsalis. Ffir die Riehtigkeit dieser Ann~hmen sollen die Untersuchungs-

92 82. Versammtung deutscher Naturforscher u. ~rzte usw.

befunde des Vortragenden neue Gesichtspunkte und neue Be- weisgrfinde beibringen. Er teilt die Befunde seiner an 16 Embryonen yon 2--25 cm Scheitelful~l~inge vorgenommenen Untersuchungen in drei Gruppen.

Gruppe A. Die Chorda dorsalis zeigt fl~chenhafte Ver- bindung mit der R~chenoberfl~che bei einem FStus von 2 cm Scheitelfui~l~nge, und bei einem FStus yon 3 cm L~nge zeigt sich nur eine ventrale Vorstfilpung am Scheitelpunkt des Chordabogens.

Gruppe B. Die Rachenschleimhaut zeigt bei 8 FSten yon 4--12 cm Scheitelful]l~nge eine mehr oder weniger tiefe Epi- theleinstfitpung, mit deren Grunde direkt oder durch Vermitt- lung besonders kr~ftig gebildeter Bindegewebsfibrillen die Chordareste des aufsteigenden Chordaschenkels in Verbindung stehen.

Gruppe C. Die Rachenschleimhaut stellt sich bei 5 F5ten yon 2--25 cm ScheitelfuBl~nge als glatt und eben dar, und die Reste der Chorda dorsalis treten mit dieser nicht in Verbindung.

Aus diesen Befunden leitet Vortragender ffir die F~lle. bei denen im frfihen Entwicklungsstadium eine gewebliche Verbindung zwischen Chorda dorsalis und Rachenoberfl~che besteht und lange genug andauert, einen besonderen, durch den Chordastrang bewirkten Wachstumsmechanismus in der Rachenhaut her. Derselbe ffihrt unter der Abdriingung der Schleimhaut, welche mit dem Dickenwachstum der Rachen- haut Hand in Hand geht, und infolge des ungleichm~i~igen L~ingenwachstums des Os occipitale zu einer sti~rkeren Spannung des aufsteigenden Chordaschenkels, und diese wicder bewirkt durch elastischen Zug die Epitheleinstfilpung an der mit der Chorda fixierten Stelle der Rachenoberfl~che. Neben dieser rein mechanischen Entstehungsa, r t der Bursa pharyngea spielt das Rachenepithel nur e i n e . nebens~chliche aktive : Rolle insofern, als es grubenartig in die Tiefe w~chst, da, wo eine ver- tieftc Farm der Chord~fixation eine Gelegenheit dazu bietet.

D i s k u s s i o n :

G e r b e r (KSnigsberg) erw~hnt eine Arbeit yon P o e 1 c h e n. Dieselbe ist dem Vortragenden bekannt als Angabe einer be- Sonderen Sektionstechnik ffir die Rachensektion.

2. Privat.dozent Dr. S t r e i t (KSnigsberg) : 0 p e r a t i o n s- m e t h o d e n m i t E r h a l t u n g y o n T r o m m e l f e l l u n d G e h S r k n S c h e l c h e n . (Autoreferat.)

Vortragender referiert fiber streng nach dem lok~len Be-

82. V e r s a m m t u n g d e u t s c h e r N a t u r f o r s c h e r u. A r z t e usw. 93

fun@ individualisierende Operationsmethoden, die es sowohl aus akustischen Griinden ermSglichen, Trommelfell und GehSr- knSchelchenkette stehen zu lassen, als die griindliche Entfernung atler erkrankten Knoehenpartien in den oberen PaukenhShlen- r~iumen und um das Antrum herum garantieren. Diesc opera- tiven Eingriffe gruppieren sich um die sogenannte Totalauf- mei6elung mit Stehenlassen des Trommelfells herum und nghern sich bald mehr der einfachen Aufmeiitclung, bald mehr der Totalaufmeil~elung. Das haUpts~chlichste der Methode besteht darin, dab die knScherne hintere GehSrgangswand, so- weit sie gesund ist, stehen bleibt, wogegen die oberen Pauken- hShlenrKume und das Antrum breit freigclegt werden. L~ngs- plastik der GehSrgange wird nicht vorgenommen. Die Nach- behandlung finder s0wohl vom GehSrgang aus, als yore Knocheu her start. W~hrend derselben bildet sich um den hKutigen GehSrgangsschlauch eine Granulationswand, die Antrum und Mittelohrraume voneinander schcidet. Das Antrum granuliert zu, der obere PaukenhShlenraum epidermisiert sich. Die Erfolge waren sehr gute.

D i s k u s s i o n :

S t e n g e r (KSnigsberg) hat nach dieser Methode bereits drei Fglle, den ersten vor ca. acht Jahren, operiert und ist mit den Erfolgen zufrieden gewesen.

K r o n b e r g (Solingen) erinnert an die Verhandlungen der deutschen Hals- und Ohrengrzte, wo die Frage ausfiihrlich erSrtert worden ist.

J e r o s c h (KSnigsberg) hat ebenfalls vor mehreren Jahren einen Fall nach der besprochenen konservativen Methode operiert, derselbe sei zwar rezidiviert, aber einer weiteren ex- spektativen Behandlung gut zuggnglich geblieben.

B e h r e n d t (Danzig) hat vor lgngerer Zeit ebenfalts einen Fall konservativ operiert, mit gutem Erfolg, und ist seither bei Radikaloperationen stets so konservativ wie mSglich gewesen.

v. z. M ii h 1 e n (Riga) ~ul~ert sich in gleichem Sinne. H a 11 e (Berlin) desgleichen. S t r e i t-KSnigsberg (Schlut]wort) pr~zisiert genauer seine

Indikation zur Vornahme der Operation. 3. Privatdozent Dr. A. L i n c k (KSnigsberg) : D e m o n~

s t r a t i o n e i n e ~ s F a l l e s d o p p e l s e i t i g e r C h o l e - s t e a t o m b i l d u n g . (Autoreferat.)

Der betreffende Patient war an chron. Cholesteatomeiterung mit sekundgrem Schlafenlappenabszel~ und Meningitis zugrunde

94~ 82. Versammlung deutscher Nat.urforscher u. Arzte usw.

gegangen. Die Sektion ergab zunEehst rechts, auf der operierten Seite, neben der etwa apfelgroBen OperationshShle, weitere Cholesteatommassen auf der oberen Fl~ehe der Fetsenbein- pyramide und links, bei anscheinend vSllig intaktem Trommel- fell und Mittelohr, ein solitEres Cholesteatom im Tegmen tympani, von normMer Dura bedeekt. ZunEehst wurde mit Vorbehalt angenommen, dal~ es sieh bei dem linksseitigen Cholesteatom um ein wahres, durch Keimversprengung ent- standenes Geschwulstgebilde handeln kSnne. Dann aber zeigte die Speziatsektion der PaukenhShle, dab der ganze Attikus mit spongiSsen Knochenmassen angefiillt war, yon welehen Hammer- kopf und AmboB fast ummauert waren, und es wurde daraus der Sehlug gezogen, dal~ es sieh aueh auf der linken Seite, eben- so wie auf der reehten, um ein auf der Basis einer PaukenhShlen- eiterung entstandenes gewShnliehes, also falsehes Felsenbein- eholesteatom handelte, welches stationgr geworden und ge- blieben sei, weil die ursgehliehe Entziindung ausheilte. Gestiitzt wurde diese Annahme dureh die Anamnese. Dieselbe ergab, dab der Pat. in friihester Jugend naeh Seharlaeh liingere Zeit aueh links eine Ohreiterung gehabt hatte, dab dieselbe abet ausgeheilt war.

D i s k u s s i o n : S t e i n (K6nigsberg) beriehtet fiber einen Fall yon Chole-

steatombildung im Antrum mastoideum. 4. Professor S t e n g e r (KSnigsberg) sucht in l~ngeren

Ausffihrungen klarzulegen, dab in der Beurteilung der o t i- t i s c h e n S i n u s k o m p l i k a t i o n e n es auBerordent- lich wichtig sei, festzustellen, ob als Ursaehe der Erkrankung eine akute oder chronisehe Ohreiterung vorliege. Seiner auch frfiher ausgesproehenen Ansieht naeh ist diese Beriieksichtigung der ~tiologie augerordentlieh wichtig fiir die Art der einzu- schlagenden Therapie insofern, als bei akuten Eiterungen bei riehtiger Indikationsstellung Eingriffe am Sinus mSgliehst einzusehr~nken sind, ebenso auch die Unterbindung der Jugu- laris dementsprechend seltener erforderlieh ist, w~hrend bei chronischen Eiterungen, insbesondere bei den mit Chole- steatom komplizierten, die Unterbindung der Jugularis stets erforderlich ist. Gleichzeitig mit der Unterbindung muB aber eine vollst/indige Ausr~umung des Krankheitsgebietes vor- genommen werden. Der Vortrag ist ausffihrlich verSffentlicht in den P a s s o w sehen Beitr~gen zur Anatomie und Physio- logie des Ohres. A. L i n c k-KSnigsberg i. Pr.