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Rechtsprechung > BGH: Kein Auskunftsanspruch gegenüber Internet- portalbetreiber 3 > BGH: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Aus- kunftsverfahrens 4 > BGH: Irreführende Angaben zu Anbieterwechsel Betriebskrankenkasse II 5 > OLG Hamm: Schadensersatz für eBay-Abbruchjäger 6 > OLG Frankfurt: Keine Mehrwertdienstenummer als Kontakt im Impressum 7 > OLG Naumburg: Informationspflichten beim Inter- netsystemvertrag 8 > OLG Köln: Unzulässige Blickfangwerbung für De- Mail-Angebot 9 > LG Hannover: Keine Haftung des Anschlussinhabers für Haushaltsangehörige 10 > LG Berlin: Irreführende AGB-Klauseln für Facebook App-Zentrum 11 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis > Big Data und der Schutz der Daten, Koch 13 > Bewertungsportale und Online Reputation Ma- nagement, Wienen 20 Hinweise zur Vertragsgestaltung > Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen und Ergänzungen mittels AGB, Kremer/Sander 24 PVSt 45904 Januar 2015 | 15. Jahrgang | Seiten 1-28 Informationsdienst für IT-Recht und Datenschutz Berater-Modul IT-Recht In Kooperation mit: Arbeitsgemeinschaft IT-Recht Online Volltext aller Entscheidungen 1 15

95715 itrb 2015 01 Heft 1AK · 2016. 7. 14. · Dieser Ausgabe liegen Beilagen des Verlages Dr. Otto Schmidt, Köln, bei. ... Durchblick im Daten-Dschungel. Daten und Datenbanken

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Rechtsprechung

>> BGH: Kein Auskunftsanspruch gegenüber Internet-portalbetreiber 3

>> BGH: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Aus-kunftsverfahrens 4

>> BGH: Irreführende Angaben zu Anbieterwechsel –Betriebskrankenkasse II 5

>> OLG Hamm: Schadensersatz für eBay-Abbruchjäger 6

>> OLG Frankfurt: Keine Mehrwertdienstenummer alsKontakt im Impressum 7

>> OLG Naumburg: Informationspflichten beim Inter-netsystemvertrag 8

>> OLG Köln: Unzulässige Blickfangwerbung für De-Mail-Angebot 9

>> LG Hannover: Keine Haftung des Anschlussinhabersfür Haushaltsangehörige 10

>> LG Berlin: Irreführende AGB-Klauseln für FacebookApp-Zentrum 11

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

>> Big Data und der Schutz der Daten, Koch 13

>> Bewertungsportale und Online Reputation Ma-nagement,Wienen 20

Hinweise zur Vertragsgestaltung

>> Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen undErgänzungen mittels AGB, Kremer/Sander 24

PVSt 45904 Januar 2015 | 15. Jahrgang | Seiten 1-28

Informationsdienst fürIT-Recht und Datenschutz

Berater-ModulIT-Recht

In Kooperation mit:

ArbeitsgemeinschaftIT-Recht

OnlineVolltext aller Entscheidungen

1

15

Page 2: 95715 itrb 2015 01 Heft 1AK · 2016. 7. 14. · Dieser Ausgabe liegen Beilagen des Verlages Dr. Otto Schmidt, Köln, bei. ... Durchblick im Daten-Dschungel. Daten und Datenbanken

14:00–14:15 Uhr Begrüßung: Florian König M.L.E. (davit) / Andreas Schulte (HAV)

14:15–14:45 Uhr BusinessDisruption – eCommerce trends from the USA, (Vortrag in Englisch)Andrew Livingston, CEO Creative Concierges, N.Y./USA

14:45–15:30 Uhr Neue Geschäftsmodelle im eCommerce,Sebastian Karger, GGF Liquam Investment GmbH

15:30–16:15 Uhr Das neue eCommercerecht nach der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU,Florian König M.L.E., Rechtsanwälte König & Kollegen in der Speicherstadt

16:15–16:30 Uhr Kaffeepause

16:30–17:15 Uhr Haftung für geschäftsschädigende Äußerungen Dritter: Abgrenzung zwischen Meinungsforenund kombinierten Buchungs- und Bewertungsportalen,Dr. Stefan Schilling, RiLG, ZK 27 (Wettbewerbskammer), Hamburg

17:15–18:00 Uhr Virales Marketing und andere neue Werbeformen im Netz aus wettbewerbsrechtlicher Sicht,Prof. Dr. Wiebe LL.M., Georg-August-Universität Göttingen

18:00–18:15 Uhr Pause

18:15–19:00 Uhr Die digitale Agenda der neuen EU-Kommission,Bror Salmelin, pers. Berater des Direktors der DG CONNECT, Europäische Kommission Brüssel,(Vortrag in Englisch)

19:00 –19:30 Uhr Diskussion / Zusammenfassung / Ende der Veranstaltung

Auch Anfang des Jahres 2015 treffen sich wieder Juristen aus Anwaltschaft, Lehre, Justiz und Wirtschaft auf demHamburger IT-Rechtstag der Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie im Deutschen Anwaltverein (davit) inKooperation mit dem Hamburgischen Anwaltverein (HAV). Dieses Mal widmet sich der Hamburger IT-Rechtstag demThema „eCommerce“.

Immer wieder tauchen neue Geschäftsmodelle im eCommerce auf, die nicht nur aus technischer und ökonomischerSicht herausfordernd sind, sondern auch (oder gerade) in der juristischen Aufarbeitung neue Herausforderungenschaffen. In diesem Jahr haben wir zwei ausgewiesene Experten aus der Praxis gewinnen können, zum einen AndrewLivingston aus N.Y. / USA, der von neuen Trends aus den Vereinigten Staaten berichten wird (Vortrag in Englisch) undzum anderen Sebastian Karger, der die neuen Trends aus der Bundesrepublik und Europa vorstellt. Dieser praktische Teilsoll den Teilnehmer –innen/-n einen Ausblick auf die Herausforderungen geben, die es in Zukunft juristisch zu lösen gilt.Wie gewohnt ist auch die Hamburger Justiz vertreten; wir freuen uns auf RiaLG Dr. Schilling von der hiesigen Wett-bewerbskammer (ZK 27).

Aus der Lehre konnten wir Prof. Dr. Wiebe dafür gewinnen, etwas zum Thema Virales Marketing und anderen neuenWerbeformen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bei zu tragen. Ein ganz besonderer Gast kommt wieder aus Brüssel:Herr Bror Salmelin von der Europäischen Kommission aus der Generaldirektion Connect mit einem Ausblick auf diedigitale Agenda der neuen EU-Kommssion.

4. HAMBURGER IT-RECHTSTAGFreitag, den 06.02.2015, 14:00 bis 19:30 Uhr

Eine Veranstaltung der DAVIT in Kooperation mit dem HAVmit freundlicher Unterstützung des Verlages Wolters Kluwer

Generalthema „eCommerce“

Programmänderung vorbehalten. Die jeweils aktuelle Fassung ist unter davit.de abrufbar.

Die im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Veranstaltung gemachten Fotos, Filmaufnahmen und Interviews des Teilnehmers inRundfunk, Fernsehen, Printmedien, Büchern, fotomechanischen Vervielfältigungen können von den Veranstaltern ohne Anspruch aufVergütung verbreitet und veröffentlicht werden.

Die Veranstaltung findet in den Seminarräumen des HAV – Hamburgischen Anwaltvereins (Landgericht Hamburg, Zimmer B 200,Sievekingplatz 1, 22355 Hamburg) statt. Die Teilnehmerzahl ist dort auf 40 Teilnehmer begrenzt. Der HAV wird Sie ggf. über eineRaumänderung informieren.

Kosten: EUR 280,00 (ermäßigt EUR 140,00 für DAV- sowie DAVIT-Mitglieder und Junges Forum) inkl. Pausenerfrischungen.

Anmeldungen bitte über die Webseite des Hamburgischen Anwaltvereins unter www.hav.de.

Weitere Auskünfte erteilt auch der Regionalleiter Nord der DAVIT, Herr RechtsanwaltFlorian König M.L.E. aus Hamburg unter 040 / 30 39 49-0.

(*ohne Gewähr, bitte bei Ihrer zuständigen Kammer nachfragen)

Die Veranstaltung ist als Pflichtfortbildung i.S.d. § 15 FAO

(5 Zeitstunden Informationstechnologie Recht) konzipiert und

wird i.d.R. auch noch für das Jahr 2014 anerkannt*.

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Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Kurzinformationen

>> BGH: Umgehung technischer Schutzmaßnahmen für

Videospiele 1

>> LVerfG LSA: Teilweise Verfassungswidrigkeit des

Landespolizeigesetzes Sachsen-Anhalt 1

>> OLG Schleswig: Werbung für Gleitsichtbrillen im In-

ternet 1

>> OLG Köln: Kein Schadensersatz bei CC-Lizenz für

nicht-kommerzielle Nutzung 1

>> Änderung der Facebook-AGB 2

>> Kritik an Videoüberwachung in bayerischen Schu-

len 2

>> Umweltbelastungen durch Onlinehandel 2

Rechtsprechung

>> Kein Auskunftsanspruch gegenüber Internetportal-

betreiber

BGH, Urt. v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13 3

>> Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Auskunftsver-

fahrens

BGH, Beschl. v. 15.5.2014 – I ZB 71/13 4

>> Irreführende Angaben zu Anbieterwechsel – Be-

triebskrankenkasse II

BGH, Urt. v. 30.4.2014 – I ZR 170/10 5

>> Schadensersatz für eBay-Abbruchjäger

OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2014 – 28 U 199/13 6

>> Keine Mehrwertdienstenummer als Kontakt im Im-

pressum

OLG Frankfurt, Urt. v. 2.10.2014 – 6 U 219/13 7

>> Informationspflichten beim Internetsystemvertrag

OLG Naumburg, Urt. v. 24.4.2014 – 2 U 28/13 8

>> Unzulässige Blickfangwerbung für De-Mail-Angebot

OLG Köln, Urt. v. 14.2.2014 – 6 U 120/13 9

>> Keine Haftung des Anschlussinhabers für Haus-

haltsangehörige

LG Hannover, Urt. v. 15.8.2014 – 18 S 13/14 10

>> Irreführende AGB-Klauseln für Facebook App-Zen-

trum

LG Berlin, Urt. v. 28.10.2014 – 19 O 60/13 11

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

>> Big Data und der Schutz der Daten – Über die Un-

vereinbarkeit des deutschen und europäischen Da-

tenschutzrechts mit Big Data

Dr. Frank A. Koch 13

>> Bewertungsportale und Online Reputation Ma-

nagement – Gegenstand und Auswirkungen der

BGH-Entscheidung v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Ärz-

tebewertungsportal

Amrei Viola Wienen 20

Hinweise zur Vertragsgestaltung

>> Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen und

Ergänzungen mittels AGB – Grenzen der Vertrags-

freiheit der Vergabestelle

Sascha Kremer/Stefan Sander 24

Literaturempfehlungen

>> Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch bei Big

Data 27

Vorschau auf die nächste Ausgabe

Beiträge zu folgenden Themen sind geplant:

>> Testing in Softwareerstellungsprojekten Hengstler/Weber

>> Forschungs- und Entwicklungskooperation zwischen In-

dustrie und Lehre Hoff

Beilagenhinweis

Dieser Ausgabe liegen Beilagen des Verlages Dr. OttoSchmidt, Köln, bei. Wir bitten unsere Leser um freund-liche Beachtung.

ITRB 1/2015 Inhalt III

cr-online.de

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IT-Recht und zur Zeitschriften-App.

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ITRB erscheint monatlich.

www.itrb.de

Aboservice Telefon 0221 93738-997

Rechtsprechung

> EuGH: Recht auf Vergessenwerden

> Bildveröffentlichung bei Facebook

> Musiknutzung bei Video on Demand

> Tippfehler-Domain – wetteronline.de

> Streitwert bei Werbe-E-Mail

> Sperrung des Systemzugangs

> Unzulängliche Button-Beschriftung

> Personalisierung eines Computerspiels

> Pflicht zur Prüfung des Spam-Ordners

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

> Urheberrecht und Softwareschutz in Israel, Söbbing

Hinweise zur Vertragsgestaltung

> E-Invoicing, Intveen

> Neues Verbraucherrecht: Entgelte für Zahlungsmittelund Kundenhotlines, Schirmbacher/Freytag

Informationsdienst fürIT-Recht und Datenschutz

itrb.de

Berater-ModulIT-Recht

itrbRechts-berater

IT-

Neues unter www.cr-online.de

Grages, EuGH konkretisiert Vorgaben an Videoüber-wachung im privaten Bereich

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Bearbeiter

Der IT-Rechts-Berater (ITRB),

ehemals Computerrecht Intern (CI) 1998–2000

Herausgeber:

>> RA Prof. Dr. Jochen Schneider

Redaktion:

>> RAin Stefanie Fuchs-Galilea, LL.M. (verantw. Redakteurin)

>> Veronika Koch (Redaktionsassistentin), Anschrift des Ver-

lages, Tel. 02 21/9 37 38-1 89 (Redaktions-Sekr.) bzw. -4 99 (Ver-

trieb/Abonnementsverwaltung),

Fax 02 21/9 37 38-9 03 (Redaktions-Sekr.) bzw. -9 43 (Vertrieb/

Abonnementsverwaltung), E-Mail: [email protected],

Internet: www.itrb.de

Aktuelle Kurzinformationen:

>> RA German von Blumenthal, Berlin >> RAin Silke Minnerup,

Hannover >> RAin Vilma Niclas, Berlin

Rechtsprechung:

>> RA Thomas Elteste, LL.M., Frankfurt/M. >> RA Dr. Thomas

Engels, LL.M., LEXEA Rechtsanwälte, Köln >> RA Dr. Carsten

Intveen, Corso Rechtsanwälte LLP, Köln >> RA Dr. Ingemar

Kartheuser, LL.M., Linklaters LLP, Frankfurt/M. >> RA Dr.

Niclas Kunczik, Köln >> RA Markus Rössel, LL.M., Köln >> RA Dr.

Christian Wolff, Brock Müller Ziegenbein, Kiel >> RA Dr.

Thomas Wülfing vBP, Wülfing Zeuner Rechel, Hamburg

IT-Rechtsfragen aus der Praxis:

>> RA Frieder Backu, Schneider Schiffer Weihermüller, Mün-

chen >> RAin Elke Bischof, Schneider Schiffer Weihermüller,

München >> RA Prof. Klaus Gennen, LLR LegerlotzLaschet

Rechtsanwälte, Köln >> RA Dr. Malte Grützmacher, LL.M.,

Hamburg >> RA Dr. Michael Karger, TCI Rechtsanwälte, Mün-

chen >> RA Dr. Mathias Lejeune, München >> RA Dipl.-Inform.

Dr. Helmut Redeker, Rechtsanwälte Heinle & Partner, Bonn

>> RAin Birgit Roth-Neuschild, Bender Harrer Krevet, Karls-

ruhe >> Detlef Ulmer, Meister Rechtsanwälte, München >> RA

Andreas Witte, München

Hinweise zur Vertragsgestaltung:

>> RAin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Berlin >> RAin Dr. Christiane

Bierekoven, Rödl Partner, Nürnberg >> RA Prof. Dr. Stefan

Ernst, Freiburg/Br. >> RA Prof. Niko Härting, Berlin >> RA Dr.

Bernhard Hörl, Stuttgart >> RA Michael Intveen, Schindler

Rechtsanwälte, Düsseldorf >> RA Dr.Frank A. Koch, München

>> RA Sascha Kremer, LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte,

Köln >> RA Dr. Thomas Lapp, IT-Kanzlei dr-lapp.de, Frankfurt/

M. >> RA Prof. Dr. Jochen Schneider, Schneider Schiffer Wei-

hermüller, München >> RAin Michaela Witzel, LL.M., Schnei-

der Schiffer Weihermüller, München

Literaturempfehlungen:

>> RAin Silke Minnerup, Hannover

IV Inhalt ITRB 1/2015

Durchblick imDaten-Dschungel.

Daten und Datenbanken stehen im Fokus des Wirtschaftsge-schehens im 21. Jahrhundert. Die Unternehmen wollen sich dieRechte an diesem Rohstoff sichern, ohne die Grenzen der Ver-fügungsbefugnis zu verletzen. Dabei sehen sie sich Regelungenausgesetzt, die zahlreiche ungeklärte Fragen aufwerfen. Diesesneue Buch hilft Ihnen, die verschiedenen Ebenen zu überblickenund Sachverhalte richtig zu behandeln. Von den technischenGrundlagen über Rechtsschutz und Haftung bis zur Lizensierung,Vertragsgestaltung Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit des Um-gangs mit Daten und Datenbanken. Leseprobe gefällig? Dannschlagen Sie nach unter www.otto-schmidt.de

Bestellschein Fax (02 21) 9 37 38-943

Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht plus VersandkostenConrad/Grützmacher (Hrsg.) Recht der Daten und Datenbankenim Unternehmen Herausgegeben von RAin Isabell Conrad und RADr. Malte Grützmacher. Bearbeitet von einem großen Team namhafterAutoren. 2014, 1.216 Seiten Lexikonformat, gbd. 189,– €.ISBN 978-3-504-56092-8.

Bestel len Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim Ver lagDr. Ot to Schmidt · Pos t fach 51 10 26 · 50946 Köln

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Aktuelle Kurzinformationen

>>>>>>BGH: Umgehung technischer Schutzmaßnah-men für Videospiele

Der BGH hatte die Frage zu beurteilen, ob und unter wel-chen Voraussetzungen technische Schutzmaßnahmen beiVideospielen den Schutz des § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG ge-nießen (BGH, Urt. v. 27.11.2014 – I ZR 124/11, CR 2013,695 = ITRB 2013, 248). Dem Verfahren lag die Klage einesHerstellers von Videospielkonsolen und Videospielen zu-grunde, der Schutzrechteinhaber an den Computerpro-grammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken alsBestandteil der Videospiele ist. Diese Spiele werden aus-schließlich auf Speicherkarten verkauft, die in die Spiele-konsole des Herstellers passen. Er wandte sich gegen dasAngebot von Adaptern, die auch ein Abspielen von Raub-kopien, die über das Internet bezogen werden können, aufder Konsole ermöglichen.Während das LG der Klage auf Unterlassung und Scha-

densersatz stattgegeben hatte (LG München I, Urt. v.14.10.2009 – 21 O 22196/08, CR 2010, 76) und auch dieBerufung erfolglos geblieben war (OLG München, Urt. v.9.6.2011 – 6 U 5037/09), hat der BGH die Sache nun andas OLG München zurückverwiesen. Die Ausgestaltungder Karten und Konsolen des Herstellers falle unter denSchutz des § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG. Die Abstimmung derAbmessungen von Karten und Konsolen stelle eineSchutzmaßnahme dar, die ein Abspielen von Raubkopienverhindern solle. Die Adapterkarten seien hauptsächlichzur Umgehung der Schutzvorrichtung hergestellt worden;die legale Nutzungsmöglichkeit des Adapters trete inso-fern in den Hintergrund. Da aber legale Nutzungsmög-lichkeiten durch Schutzvorkehrungen nicht übermäßigbeschränkt werden dürften, müsse die Verhältnismäßig-keit des Einsatzes der technischen Schutzmaßnahmen ge-prüft werden. Entsprechende Feststellungen fehlten imBerufungsurteil.

Quelle: BGH, PM Nr. 175/2014 v. 27.11.2014,http://juris.bundesgerichtshof.deRAin Silke Minnerup, Hannover

>>>>>> LVerfG LSA: Teilweise Verfassungswidrigkeitdes Landespolizeigesetzes Sachsen-Anhalt

Das LVerfG Sachsen-Anhalt hat Vorschriften des ViertenGesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentlicheSicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt(SOG LSA) v. 26.3.2013 für verfassungswidrig erklärt(LVerfG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.11.2014 – LVG 9/13).Der zugrunde liegende Antrag richtete sich gegen sechsNeuregelungen des Gesetzes. Nach dem Urteil erlaubt

bleibt die Abschaltung der Handynetze (§ 33) unter be-stimmten Voraussetzungen. Die anderen fünf beanstande-ten Bereiche stufte das Gericht teilweise als nichtig einoder gab dem Gesetzgeber auf, diese bis Ende 2015 zu än-dern. So sei u.a. die Regelung zum sog. Staatstrojaner,nach der die Polizei zur Gefahrenabwehr ohne Wissen derbetroffenen Personen Telekommunikationsinhalte durchden Einsatz technischer Mittel erheben darf (§ 17c), nich-tig. Zwar verfolge der Gesetzgeber mit der Vorschrift ei-nen legitimen Zweck. Solange jedoch die technischen Vo-raussetzungen nicht geschaffen seien, könne der Gesetz-geber die erforderliche Abwägungsentscheidung nichttreffen. Die Regelungen zur Videoaufzeichnung bei Per-sonen- und Fahrzeugkontrollen müsse der Gesetzgebernachbessern. Bis dahin seien die Vorschriften nach Maß-gabe des Urteils anwendbar.

Quelle: LVerfG LSA, PM Nr. 011/2014 v. 11.11.2014RA German von Blumenthal/RAin Vilma Niclas, Berlin

>>>>>>OLG Schleswig: Werbung für Gleitsichtbrillenim Internet

Das Schleswig-Holsteinische OLG hat entschieden, dassein Online-Brillenhändler Gleitsichtbrillen, die auf einge-schränkter Datengrundlage (Daten aus dem Brillenpasseinschließlich Pupillendistanz, aber ohne HSA-Wert, Fas-sungsvorneigung und Einschleifhöhe) hergestellt werden,nicht anbieten darf, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen,dass ihre Benutzung eine Gefahr im Straßenverkehr dar-stellen kann (OLG Schleswig, Urt. v. 29.9.2014 – 6 U 2/14).

RAin Stefanie Fuchs-Galilea, LL.M., Köln

>>>>>>OLG Köln: Kein Schadensersatz bei CC-Lizenzfür nicht-kommerzielle Nutzung

Das OLG Köln hatte sich mit der Anwendung der Lizenz„Creative Commons Attribution-NonCommercial 2.0“(CC-BY-NC 2.0) zu beschäftigen (OLG Köln, Urt. v.31.10.2014 – 6 U 60/14, nrkr.). Diese erlaubt die kostenlo-se Nutzung, soweit die Nutzung nicht kommerziell erfolgt.Streitig war insb. die Auslegung des Begriffs „kommerziel-le Nutzung“ bei der Onlineverwendung eines Fotos durcheinen öffentlich-rechtlichen Sender. Das Gericht sah vor-liegend keine kommerzielle Nutzung.Der Sender, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts,

nutzte eine zurechtgeschnittene Bearbeitung des Fotos fürseine Onlinepräsenz. Dabei wurde die ursprüngliche Ur-heberbezeichnung entfernt und durch eine andere ersetzt.

ITRB 1/2015 Aktuelle Kurzinformationen 1

cr-online.de

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Dagegen wehrte sich der Fotograf als Urheber. Er hatteüber den Dienst Flickr das Foto für die nicht-kommerziel-le Nutzung unter der genannten Lizenz erlaubt und warder Auffassung, dass davon nur die rein private Nutzungerfasst ist, die bei der Verwendung durch den Sender nichtgegeben ist. Der Sender dagegen war der Meinung, dasskeine kommerzielle Nutzung vorliegt, da die Medien un-entgeltlich abrufbar sind und er lediglich seinen öffent-lich-rechtlichen Auftrag erfüllt.Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsver-

letzung aufgrund der unzulässigen Bearbeitung des Fotosgegeben ist. Ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Zah-lung eines Verletzerzuschlags bestehe jedoch nicht, da derFotograf das Foto unentgeltlich zur Verfügung gestellt ha-be. Daher scheide eine Berechnung in Anlehnung an dieMFM-Empfehlungen aus. Der „objektive Wert“ der nicht-kommerziellen Nutzung eines unter der CC-Lizenz ange-botenen geschützten Inhalts sei mit Null anzusetzen,ebenso entfalle der übliche Aufschlag von 100 Prozent aufden nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden.

RA German von Blumenthal/RAin Vilma Niclas, Berlin

>>>>>>Änderung der Facebook-AGB

Seit Ende November informiert das soziale Netzwerk Fa-cebook seine Nutzer über Änderungen seiner Nutzungs-bedingungen, die zum 1.1.2015 in Kraft treten sollen(https://www.facebook.com/legal/terms/update). Nach Mit-teilungen des Betreibers sind die ebenfalls zu Facebook ge-hörenden Dienste Instagram und WhatsApp nicht vonden Aktualisierungen betroffen.Facebook will Werbung gezielter auf die Einzelnutzer

zuschneiden. Sie sollen deshalb weitergehende Datennut-zungen erlauben. Nun soll auch ihr Surfverhalten im In-ternet außerhalb des Netzwerks selbst überwacht und aus-gewertet werden. Mobile Nutzer sollen darüber hinaus dieAuswertung ihres App-Einsatzes sowie Überwachung undAuswertung der Standortdaten erlauben. Diese Informa-tionen können mit den Daten von Freunden sowie mitWerbeanzeigen verbunden werden. Die Überwachung desSurfverhaltens außerhalb Facebooks erreicht der Dienstdurch Cookies, Pixeltags oder Plugins auf anderen Web-seiten. Auch die Gerätekennung soll ausgewertet werden,so dass auch Internetnutzer betroffen sein können, die beiFacebook weder registriert noch eingeloggt sind. Dem ge-genüber stehen einige Hinweise von Facebook, wie Nutzerdie Verwendung ihrer Daten steuern und die Zuschaltungvon Werbung kontrollieren können.Eine ausdrückliche Zustimmung zu den neuen AGB

soll nicht erforderlich sein, sondern durch die weitereNutzung der Facebookdienste auch nach diesem Datumerfolgen. Dass das Schweigen des Nutzers tatsächlich nachdeutschem Recht als Zustimmung zu sehen ist, ist jedochzweifelhaft.

RA German von Blumenthal/RAin Vilma Niclas, Berlin

>>>>>>Kritik an Videoüberwachung in bayerischenSchulen

Als Präventionsmaßnahme gegen Amokläufe, aber auchVandalismus und Diebstahl setzen viele Schulen auf Vi-deoüberwachung. Nach Recherchen des BayerischenRundfunks (www.br.de/nachrichten/heimliche-videoueber-wachung-bayerische-schulen-100.html) wird dabei in meh-reren Schulen nicht mittels Schildern auf die Videoüber-wachung hingewiesen; konkrete Fälle, die eine Über-wachung rechtfertigen würden, konnten nur wenigeSchulleiter benennen. Nach Bekanntwerden dieser Vor-gehensweise hagelte es Kritik von mehreren Stellen. NachAnsicht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Da-tenschutz verstoßen Ton- und heimliche Videoaufzeich-nungen gegen das geltende Datenschutzrecht. Den Schu-len, die gegen die Vorschriften verstoßen, wurden Bean-standungen angekündigt. Das Bayerische Innenministeri-um kündigte an, Hinweisen auf Datenschutzverstößenachzugehen, sofern diese vorlägen. Kritik kam auch vonder SPD und den Grünen. Die Grünen sehen gerade min-derjährige Schüler als besonders schutzbedürftig an. Diesedürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt wer-den.

RAin Silke Minnerup, Hannover

>>>>>>Umweltbelastungen durchOnlinehandel

Kostenlose Retouren bei Internetbestellungen sind prak-tisch für Verbraucher. Selten denkt man jedoch darübernach, was die Anzahl der Pakete und Fahrten für den Um-weltschutz bedeutet. Der BUND e.V. Bundesverband for-derte nun ein Umdenken in der Retourenpolitik der On-linehändler. Die Umweltschützer weisen darauf hin, dassder Internethandel bei allen Vorteilen enorme Belastun-gen für alle Bürger zur Folge hat, wie verstopfte Straßen,durch Zustellfahrzeuge blockierte Fahrradwege und zahl-lose Beförderungen von Lieferungen und Rücksendungenmittels Lkw durch die gesamte Republik. Daraus ergebensich nachteilige Folgen wie steigende Straßenbelastung,Lärm und Abgase, Gesundheitskosten, Klimaschädigungdurch erhöhten CO2-Ausstoß. Der BUND verweist fernerauf die Unmengen eingesetzten Verpackungs- und Füll-materials. Zudem verödeten wegen des Onlinehandels zu-nehmend Innenstädte, was sich auf die Infrastruktur vorallem in ländlichen Gebieten sowie auf das soziale Gefügenegativ auswirke.Händler sollten mehr auf den ökologischen Fußabdruck

in der Logistik achten und bspw. Mehrwegkartons und al-ternatives Füllmaterial nutzen. Expresslieferungen solltenteurer sein und es sollten keine kostenlosen Rücksendun-gen angeboten werden. Kunden sollten in der näherenUmgebung nach Läden zu suchen, die ökologisch her-gestellte und fair gehandelte Produkte anbieten. Da lokaleHändler in der Regel größere Warenmengen bestellen,verursacht dies deutlich weniger Transporte und verrin-

2 Aktuelle Kurzinformationen ITRB 1/2015

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gert das Verpackungsmaterial. Auch auf den Internetsei-ten der lokalen Händler lassen sich oft Angebote und Prei-se einsehen, was Preisvergleiche ohne zusätzliche Wege er-möglicht. Zudem bieten immer mehr Onlinehändler dieMöglichkeit, mehrere nacheinander erfolgte Bestellungen

zu einer Lieferung zusammenzufassen. Das erspart Trans-porte und Verpackungen. Außerdem könnte man Bestel-lungen auch mit Freunden oder Nachbarn gemeinsamaufgeben.

RAin Vilma Niclas/RA German von Blumenthal, Berlin

Rechtsprechung

>>>>>>Kein Auskunftsanspruch gegenüber Internet-portalbetreiber

Ein von persönlichkeitsrechtsverletzendem Inhalt Be-troffener kann von dem Betreiber eines Internetportalsnicht die Herausgabe der personenbezogenen Daten desNutzers ohne dessen Einwilligung verlangen, da es inso-weit an einer gesetzlichen Grundlage mangelt.

BGH, Urt. v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13(OLG Stuttgart, Urt. v. 26.6.2013 – 4 U 28/13)TMG §§ 12 Abs. 2, 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 Satz 4CR 2014, 597

Das Problem

Äußerungsdelikte können im Internet besonders leicht be-gangen werden. Da die meisten Internetdienste eine ano-nyme Nutzung ermöglichen, ist es für den von einer per-sönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerung Betroffenen nurschwer möglich, gegen den tatsächlichen Urheber einerÄußerung vorzugehen.Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob einem von

nachteiligen Aussagen in einem Ärztebewertungsportalbetroffenen Arzt gegen den Betreiber ein Auskunfts-anspruch zusteht, aufgrund dessen er die personenbezoge-nen Daten des Urhebers herausverlangen kann, um seineAnsprüche gegen diesen zu richten.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat einen solchen Auskunftsanspruch verneint,da es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fürdie Herausgabe personenbezogener Daten fehlt.Auskunftsanspruch: Es bestehe zwar grundsätzlich ein

Auskunftsanspruch nach den Grundsätzen von Treu undGlauben nach § 242 BGB. Das Wesen dieses Anspruchsbringe es mit sich, dass der Berechtigte in entschuldbarerWeise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Un-gewissen und der Verpflichtete in der Lage sei, unschwerdie zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichenAuskünfte zu erteilen. Das erforderliche Schuldverhältnisbestehe hier in einem gesetzlichen, begründet durch denUnterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB. Dieser

Auskunftsanspruch erstrecke sich auch auf die NamenDritter, soweit dies zur Ermittlung der Quelle der Rechts-beeinträchtigung erforderlich sei. Es könne offen bleiben,ob § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, demgemäß die Nutzung vonTelemedien grundsätzlich unter einem Pseudonym er-möglicht werden müsse, in diesem Zusammenhang einerAuskunft entgegenstehe.Datenschutz: Einem Auskunftsanspruch entgegen stehe

nämlich jedenfalls die Vorschrift des § 12 Abs. 2 TMG,nach der der Betreiber eines Internetportals nicht befugtsei, die zur Bereitstellung eines Telemediums erhobenenAnmeldedaten herauszugeben. Es fehle an der erforderli-chen datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage,die den Betreiber zur Erfüllung des Auskunftsanspruchsberechtigen würde. § 12 Abs. 2 TMG erlaube es innerhalbder engen Zweckbindung nicht, ohne gesetzliche Grund-lage oder die – hier nicht vorliegende – Einwilligung desBetroffenen die Daten herauszugeben. Der allgemeineAuskunftsanspruch sei nicht als solche Ermächtigungs-grundlage tauglich, weil er keine Erlaubnis i.S.d. § 12Abs. 2 TMG sei, die sich ausdrücklich auf Telemedien be-ziehe. Auch § 14 Abs. 2 TMG halte keine solche Ermäch-tigungsgrundlage bereit. Denn diese beziehe sich geradenicht auf die Auskunftserteilung zu Zwecken des Persön-lichkeitsrechtsschutzes.Keine analoge Anwendung: Eine analoge Anwendung

der Vorschriften des TMG sei ebenfalls nicht möglich. In-soweit fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. DieAuskunftsansprüche im TMG dienten der Umsetzung derEnforcement-Richtlinie 2004/48/EG und bezögen sich da-mit nur auf die Rechte am geistigen Eigentum, nicht je-doch auf Persönlichkeitsrechte. Eine etwaige Regelungs-lücke sei damit vom Gesetzgeber gewollt.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung bedeutet damit aus Sicht der von Per-sönlichkeitsrechtsverletzung Betroffenen einen Rück-schlag. Denn der BGH zeigt in der Entscheidung unmit-telbar auf, welche Maßnahmen nun noch möglich sind:Der Diensteanbieter selbst muss im Gefüge der Pflichtenaus der Störerhaftung und eigener Haftungsrisiken zu-nächst dazu aufgefordert werden, bestimmte Inhalte zu lö-schen. In den Grenzen, die der BGH in der Vergangenheit

ITRB 1/2015 Rechtsprechung 3

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bereits gesteckt hat (BGH v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10,CR 2012, 103 = ITRB 2012, 28), sind dann ggf. direkteUnterlassungsansprüche gegen den Diensteanbieter mög-lich.

BeraterhinweisIm Ergebnis überrascht das Urteil rechtlich wenig. DieVorschriften des TMG können nicht überspannt wer-den, um zu einem vermeintlich sachgerechten Ergebniszu gelangen. Den Betroffenen bleibt daher der Wegüber die Störerhaftung, ein etwaiges Strafverfahren, umauf diesem Weg die Daten des Nutzers zu erhalten oder– mit anderer Zielrichtung vor dem Hintergrund derEntscheidung des EuGH (EuGH v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12, CR 2014, 460 = ITRB 2014, 150) – die Geltend-machung von Ansprüchen gegenüber Suchmaschinen-betreibern, um zumindest die Auffindbarkeit solcher In-halte zu erschweren.

RA Dr. Thomas Engels, LL.M.,LEXEA Rechtsanwälte, Köln – www.lexea.de

>>>>>> Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Aus-kunftsverfahrens

Die Kosten eines Auskunftsverfahrens über den Inhabereiner IP-Adresse, über die urheberrechtliche Verlet-zungshandlungen ausgeführt wurden, sind grundsätzlicherstattungsfähig.

BGH, Beschl. v. 15.5.2014 – I ZB 71/13(OLG Hamburg, Beschl. v. 4.9.2013 – 8 W 17/13, CR2014, 271; LG Hamburg, Beschl. v. 5.2.2013 – 310 O 142/12)UrhG § 101 Abs. 2, 9; ZPO §§ 91 Abs. 1, 100

Das Problem

Eine Händlerin verlangte von einem InternetproviderAuskunft über die Inhaber von 32 IP-Adressen, über dieein Computerspiel unbefugt im Internet angeboten wor-den war. Die Verwendung der für die Erteilung einer sol-chen Auskunft erforderlichen Verkehrsdaten war gem.§ 101 Abs. 9 S. 1 UrhG richterlich gestattet worden. NachErteilung der Auskunft verlangte die Verletzte von demInhaber zweier IP-Adressen die Abgabe einer strafbewehr-ten Unterlassungserklärung sowie Zahlung eines Abgel-tungsbetrags. Da die daraufhin abgegebene Unterlassungs-erklärung aus Sicht der Verletzten unzureichend war, er-hob sie Klage. Der Rechtsstreit wurde durch Vergleich be-endet, worin sich der Anschlussinhaber verpflichtete, dieKosten des Rechtsstreits zu tragen. Fraglich ist, ob dazuauch die Kosten des Auskunftsverfahrens zählen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Verletzte könne die Kosten des Verfahrens auf Aus-kunft gegen den Anschlussinhaber im Kostenfestsetzungs-verfahren geltend machen, allerdings nur i.H.v. 2/32 derGesamtkosten.

Kosten des Rechtsstreits: Der Anschlussinhaber habesich per Vergleich verpflichtet, die Kosten des Rechts-streits zu tragen. Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO habe die unter-liegende Partei insb. die dem Gegner entstandenen Kostenzu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechendenRechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Zu den Pro-zesskosten zählten nicht nur die durch die Einleitung undFührung, sondern auch die durch die Vorbereitung einesProzesses ausgelösten Kosten, etwa für Detektivermittlun-gen oder Testkäufe.Auskunftsverfahren: Die Kosten eines Verfahrens nach

§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 UrhG dientenauch dann unmittelbar der Vorbereitung eines Rechts-streits gegen den Anschlussinhaber, wenn die erteilte Aus-kunft nicht sogleich zur Erhebung einer Klage gegen die-sen, sondern zunächst zur Abmahnung des Anschluss-inhabers verwendet werde. Die Kosten einer Abmahnungseien nicht unmittelbar zur Rechtsverfolgung notwendig,weil Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage nicht voneiner vorangegangenen Abmahnung abhingen. Dagegenkönne Klage nur erhoben werden, wenn der Inhaber derIP-Adresse ermittelt worden sei.Kein Gesamtschuldnerausgleich: Die Verletzte könne

nur 2/32 der Gesamtkosten beanspruchen, weil es ledig-lich um die beiden vom Anschlussinhaber verwendetenIP-Adressen gehe. Dieser könne nicht darauf verwiesenwerden, sich im Rahmen eines Gesamtschuldneraus-gleichs (§ 426 Abs. 1 BGB) bei den anderen Inhabern vonIP-Adressen schadlos zu halten. Es sei nicht ersichtlich,dass diese nicht als selbständige Täter, sondern als Mit-täter oder Beteiligte (§ 830 BGB) gehandelt hätten. Hättedie Verletzte alle 32 IP-Adresseninhaber erfolgreich inAnspruch genommen, hätten diese nicht als Gesamt-schuldner (§ 100 Abs. 1 ZPO), sondern nach Kopfteilen(§ 100 Abs. 4 ZPO) gehaftet.

Konsequenzen für die Praxis

Der BGH geht auf die streitige Frage der Erstattungs-fähigkeit von Kosten des urheberrechtlichen Auskunfts-verfahrens ein.Streitstand: In der Literatur war verschiedentlich ver-

treten worden, die Kosten des Verfahrens gem. § 101Abs. 9 UrhG seien erstattungsfähig. Das OLG Hamburghatte dagegen auf die Rechtsprechung des BGH abgestellt,die Kosten einer Abmahnung gehörten nicht zu den einenRechtsstreit unmittelbar vorbereitenden Kosten (vgl.BGH, Urt. v. 20.10.2005 – I ZB 21/05, MDR 2006, 776):Die Verletzte habe die ihr erteilten Auskünfte schon füreine ebensolche Abmahnung verwendet, so dass die Kos-ten des Auskunftsverfahrens nicht mehr zwingend für dieBeweissicherung im nachfolgenden streitigen Verfahrennotwendig seien. Dieser Ansicht erteilt der BGH nunmehrmit dem Argument eine Absage, dass ohne Auskunft überden Inhaber der maßgebenden IP-Adresse – unabhängigvon einer Abmahnung – keine Verletzungsklage erhobenwerden kann.Massenverfahren: Der BGH hatte in früheren Entschei-

dungen ausgeführt, dass das Kostenfestsetzungsverfahrenein Massenverfahren ist, das einer zügigen und unkompli-zierten Abwicklung bedarf. Dem stehe es entgegen, wenn

4 Rechtsprechung ITRB 1/2015

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in jedem Einzelfall über die Kosten einer bestimmtenRechtsverfolgungs- oder -verteidigungsmaßnahme gestrit-ten werden könne (BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – V ZB 85/06, NJW 2007, 2048). Der BGH führt dazu nun aus, dassdies beim Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG nichtdroht, da die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabersfür die Rechtsverletzung im Kostenfestsetzungsverfahrennicht überprüft wird.

BeraterhinweisDer Inhaber einer urheberrechtlich geschützten Positionkann nunmehr die Kosten eines Auskunftsverfahrensgeltend machen, selbst wenn er den Verletzer zuvor ab-mahnt.

RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M.,Linklaters LLP, Frankfurt/M.

>>>>>> Irreführende Angaben zu Anbieterwechsel –Betriebskrankenkasse II

Eine gesetzliche Krankenkasse, die auf ihrer Internetseitezur Irreführung geeignete Angaben macht, um ihre Mit-glieder von einem Wechsel zu einer anderen Kranken-kasse abzuhalten, ist wettbewerbsrechtlich als Unterneh-mer anzusehen. Die beanstandete Handlung kann daherdem UWG unterfallen.

BGH, Urt. v. 30.4.2014 – I ZR 170/10(OLG Celle, Urt. v. 9.9.2010; LG Lüneburg, Urt. v.29.10.2009)RL 2005/29/EG Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, d; UWG§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 8Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2GesR 2012, 318

Das Problem

Eine gesetzliche Krankenkasse informierte auf ihrer Inter-netseite die Mitglieder irreführend über die Folgen einesAnbieterwechsels, indem zwar auf die dann bestehendeVertragsbindung von 18 Monaten und die Möglichkeitder Erhebung von Zusatzbeiträgen hingewiesen wurde, je-doch unerwähnt blieb, dass im Fall der Erhebung solcherZusatzbeiträge ein Sonderkündigungsrecht der Mitgliederbesteht. Eine Verbraucherschutzorganisation nahm dieKrankenkasse in der Folge auf Grundlage des UWG aufUnterlassung in Anspruch.

Die Entscheidung des Gerichts

Nach Vorabentscheidung des EuGH (EuGH, Urt. v.3.10.2013 – Rs. C-59/12, BeckRS 2013, 81912) bestätigteder BGH die Entscheidung der Vorinstanz vollumfänglichund bejahte den Unterlassungsanspruch.Persönlicher Anwendungsbereich: Nach dem Urteil

des EuGH falle auch eine Körperschaft des öffentlichenRechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegendenAufgabe betraut sei, in den persönlichen Anwendungs-bereich der Richtlinie 2005/29/EG. Es komme demnachnicht darauf an, wie die Einordnung, die Rechtsstellung

und die spezifischen Merkmale der Einrichtung nach na-tionalem Recht ausgestaltet seien. Der Unionsgesetzgeberhabe den Begriff „Gewerbetreibender“ besonders weitkonzipiert. Auch komme dem mit der Richtlinie verfolg-ten Ziel, Verbraucher umfassend vor unlauteren Ge-schäftspraktiken zu schützen, entscheidende Bedeutungzu. Ebenso sei die strukturelle Unterlegenheit der Positionder Verbraucher zu berücksichtigen. Im konkreten Fallseien der öffentliche oder private Charakter der Kranken-kasse sowie deren spezielle Aufgabe unerheblich, da jeden-falls die Gefahr einer Täuschung der Mitglieder bestehe.Europarechtskonforme Auslegung: Die maßgeblichen

Vorschriften des UWG dienten der Umsetzung der Richt-linie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Sieseien daher im Lichte des Wortlauts und der Ziele derRichtlinie auszulegen (vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 5.10.2004 –Rs. C-397/01–Rs. C-403/01, EuZW 2004, 691). Eine Aus-legung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UWG, nach der die be-anstandete Werbemaßnahme als Geschäftspraktik im Ge-schäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchernanzusehen sei und die Krankenkasse bei Vornahme derWerbemaßnahme als Gewerbetreibende gehandelt habe,stehe im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. bund d der Richtlinie. Die von der Richtlinie verwendetenRechtsbegriffe „Geschäftspraktik von Unternehmen ge-genüber Verbrauchern“ und „Gewerbetreibender“ seienals Begriffe des Unionsrechts autonom auszulegen undsetzten eine marktbezogene wirtschaftliche Tätigkeit einesUnternehmens voraus. Die Kasse habe mit der Informati-on nicht zu sozialen, sondern zu wirtschaftlichen und da-mit unternehmerischen Zwecken gehandelt. Die bean-standete Information der Krankenkasse sei eine geschäft-liche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Sie stehe inunmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung ge-schäftlicher Entscheidungen ihrer Mitglieder und ziele da-rauf ab, diese von einem Anbieterwechsel abzuhalten.Machten die gesetzlichen Krankenkassen von den ihnenvom Gesetzgeber eingeräumten HandlungsmöglichkeitenGebrauch und träten sie damit mit anderen Krankenkas-sen in einen Wettbewerb um Mitglieder, handelten sie in-soweit unternehmerisch.Irreführung: Die Aussagen seien auch irreführend i.S.v.

§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG. Sie widersprächen der tat-sächlichen Gesetzeslage, da den Mitgliedern bei der Erhe-bung von Zusatzbeiträgen nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB Vein Sonderkündigungsrecht zustehe und in diesen Fälleneben keine Bindung von 18 Monaten an den neuen Ver-sicherer bestehe. Diese Irreführung sei geeignet, Mitgliedervon einem Wechsel abzuhalten.

Konsequenzen für die Praxis

Wer sich auf die Bühne des Wettbewerbs begibt, mussselbstverständlich auch dessen Regeln beachten. Das Ur-teil unterstreicht, dass grundsätzlich auch juristische Per-sonen des öffentlichen Rechts die wettbewerbsrechtlichenVorgaben einhalten müssen, soweit sie sich (auch) er-werbswirtschaftlich betätigen. Dies gilt insb. auch für dieTräger der sozialen Sicherungssysteme. Wäre dies anders,hätten die gesetzlichen Krankenkassen zudem auch gegen-über den privaten Krankenkassen einen deutlichen Wett-

ITRB 1/2015 Rechtsprechung 5

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bewerbsvorteil, der sich nur schwer begründen ließe. ZurVermeidung von Abmahnungen und Klagen sollten auchim Wettbewerb stehende juristische Personen des öffent-lichen Rechts ihre Werbebotschaften vorher auf etwaigeVerstöße gegen das UWG abklopfen.

BeraterhinweisBei der Anwendung des UWG auf Rechtssubjekte deröffentlichen Hand stellen sich zahlreiche Probleme, weilhier das Wechselspiel zwischen privatrechtlichen undöffentlich-rechtlichen Regelungen zu beachten und zubewerten ist. Hinsichtlich des Wettbewerbsschutzes ge-genüber der öffentlichen Hand ist aber grundsätzlichanerkannt (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014,§ 4 Rz. 13.9 m.w.N.), dass die Regelungen des UWG zurAnwendung kommen, wenn öffentlich-rechtlicheRechtssubjekte wie ein Privater am Wirtschaftslebenteilnehmen.

RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt,RAYERMANN Legal, München – www.rayermann.de

>>>>>> Schadensersatz für eBay-Abbruchjäger

Ein Verkaufsangebot bei einer eBay-Auktion kann nurbei Vorliegen eines berechtigenden Grundes widerrufenwerden, der sich auch aus den eBay-Regeln ergebenkann.

OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2014 – 28 U 199/13(LG Bielefeld, Urt. v. 24.9.2013 – 6 O 386/12)BGB §§ 117, 118, 145, 433

Das Problem

Eine gewerbliche Verkäuferin stellte einen gebrauchtenGabelstapler bei eBay zum Startpreis von 1 € ein. Ein Bie-ter, der sich an einer Vielzahl von Auktionen zu Fahrzeu-gen und Werkzeugen beteiligte, gab am 20.9.2011 ein Ge-bot mit einem Maximalbetrag von 345 € ab, das von ande-ren Geboten nicht erreicht wurde. Nachdem die Verkäufe-rin den Gabelstapler für 5.355 € an einen Landwirt ver-kauft hatte, beendete sie die Auktion mehr als 12 Stundenvor dem geplanten Endzeitpunkt. Die Gebote wurden ge-strichen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Bieter könne von der Verkäuferin gem. §§ 280 Abs. 1,283, 275, 433 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatz i.H.v.insg. 5.054 € verlangen.Unbedingtes Verkaufsangebot: Das verbindliche Ange-

bot i.S.d. § 145 BGB im Rahmen der eBay-Auktion richtesich an die Person, die innerhalb der Laufzeit der Auktiondas höchste Gebot abgebe, unabhängig davon, dass diePerson zunächst nicht feststehe (BGH, Urt. v. 7.11.2001 –VIII ZR 13/01, CR 2002, 213 = ITRB 2002, 53). Die in dasAngebot aufgenommene Formulierung „Der Käufer sorgtinnerhalb 5 Tagen nach der Auktion selbst für die Abho-lung!“ könne mangels Formulierungen des Handelsver-kehrs wie „fix“ oder „spätestens“ nicht so verstanden wer-

den, dass das Verkaufsangebot unter die auflösende Be-dingung habe gestellt werden sollen, dass der Höchstbie-tende innerhalb von fünf Tagen die Kaufsache abhole undbezahle (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2011 – 3 U 173/11,CR 2012, 135).Angebotsannahme: Wegen des unübertroffenen

Höchstgebots von 345 € sei nach § 10 Ziff. 1 Satz 5 eBay-AGB ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekom-men. Auch sei mangels Offenkundigkeit gem. § 164 Abs. 2BGB eine Stellvertretung auf Seiten des Bieters aus-geschlossen. Ein sog. Geschäft für den, den es angeht,komme nicht in Betracht, weil nach den eBay-Bedingun-gen die Identität des Käufers angesichts des Bewertungs-systems und der Möglichkeit der Angebotsstreichung beiZweifeln regelmäßig einen entscheidenden Umstand bilde.Selbst wenn man dem Bieter unterstelle, dass er sich alssog. Abbruchjäger systematisch an eBay-Auktionen betei-lige, um ggf. Schadensersatzansprüche realisieren zu kön-nen, setze ein solches Vorhaben gerade voraus, dass seinjeweiliges Höchstgebot bindend geworden sei (vgl. §§ 117,118 BGB).Keine allgemeine Widerrufsmöglichkeit: Bei Auktions-

abbruch habe die Widerrufsmöglichkeit des § 130 Abs. 1Satz 2 BGB nicht mehr bestanden, weil das Verkaufsange-bot bereits bei eBay veröffentlicht und von Teilnehmernzum Anlass genommen worden sei, ihrerseits Gebote ab-zugeben. Es könne dahinstehen, ob ein Verkaufsangebot i.R.e. eBay-Auktion überhaupt mit einer Freiklausel i.S.d.§ 145 BGB a.E. wie „freibleibend“ oder „unverbindlich“versehen werden könne, denn das sei im Streitfall jeden-falls nicht geschehen.Kein gesetzliches Anfechtungsrecht: Ein Anfechtungs-

recht i.S.d. § 123 BGB wegen arglistig verschwiegenerZahlungsunfähigkeit scheide aus, weil der Bieter dem Vor-wurf, er habe ohne finanzielle Leistungsfähigkeit Gebotevon über 200.000 € abgegeben, durch Vortrag sukzessiverGebotsabgabe in erheblicher Weise entgegengetreten sei.Vertragliches Widerrufsrecht: Die gegenseitigen Wil-

lenserklärungen seien nach den Bestimmungen in denAGB von eBay auszulegen, so insb. § 10 Abs. 1 eBay-AGBüber das Zustandekommen eines Vertrags bei vorzeitigerBeendigung der Auktion (BGH, Urt. v. 8.6.2011 – VIII ZR305/10, CR 2011, 608 = ITRB 2011, 199). Danach stehedas Verkaufsangebot unter dem Vorbehalt der vertraglichberechtigten Angebotsrücknahme, ohne dass es auf einAnfechtungsrecht ankomme (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – VIIIZR 63/13, CR 2014, 194). Da die eBay-AGB nur eine Aus-legungshilfe für das Vertragsverhältnis zwischen Verkäu-ferin und Bieter seien, könne die Einschränkung der Ab-bruchmöglichkeit nicht analog § 305c Abs. 2 BGB wegeneines Verstoßes gegen die Unklarheitenregelung als unbe-achtlich angesehen werden. Ein Verkäufer sei keineswegsi.S.e. Benachteiligung analog § 308 Nr. 5 BGB verpflichtet,den Startpreis bei nur 1 € anzusetzen, sondern könne demRisiko, eine hochwertige Kaufsache einem Frühbieter zu„opfern“, vielmehr ohne weiteres dadurch entgehen, dasser von vornherein einen angemessenen Mindestpreis an-setze (a.A. LG Aurich, Urt. v. 3.2.2014 – 2 O 565/13,MMR 2014, 600).

6 Rechtsprechung ITRB 1/2015

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Keine generelle Widerrufbarkeit: Auch ergebe sichnach verständiger Sicht aus den AGB nicht, dass bei Auk-tionen, die länger als 12 Stunden liefen, ein vorzeitiger Ab-bruch generell zulässig sei (a.A. AG Darmstadt, Urt. v.25.6.2014 – 303 C 243/13, MMR 2014, 602). Vielmehrkönne das Angebot nur bei berechtigtem Grund vorzeitigbeendet werden (OLG Nürnberg, Urt. v. 26.2.2014 – 12 U336/13, CR 2014, 316; OLG Celle, Urt. v. 9.7.2014 – 4 U24/14, MMR 2014, 663).Unmöglichkeit der Erfüllung: In der Rechtsfolge der

wegen der Weiterveräußerung zu vertretenden Unmög-lichkeit der Kaufvertragserfüllung (§§ 275, 280 Abs. 1Satz 2, 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) könne der Bieter von derVerkäuferin gem. § 249 BGB den Ersatz des Werts verlan-gen, den der Gabelstapler bei einer im September 2011vorgenommenen Übereignung gehabt hätte, abzgl. desKaufpreises, den er als zuletzt Höchstbietender hätte auf-bringen müssen. Im Rahmen der nach § 287 ZPO vor-zunehmenden Schadensschätzung sei auf den Bruttokauf-preis zurückzugreifen, den die Verkäuferin erhalten habe.Kein Rechtsmissbrauch: Selbst wenn der Bieter sich

systematisch als eBay-Abbruchjäger betätigt haben sollte,wäre es immer noch die Verkäuferin, die sich dem Risikoeines Verkaufs des Gabelstaplers zu unrealistischen Kon-ditionen ausgesetzt hätte (a.A. bei Bejahung eines Versto-ßes gegen § 242 BGB AG Alzey, Urt. v. 26.6.2013 – 28 C165/12, K&R 2013, 684; AG Idar-Oberstein, Urt. v.29.11.2011 – 312 C 512/11).

Konsequenzen für die Praxis

Die Rechtsprechung erkennt an, dass die in den Bedin-gungen von eBay genannten Gründe neben den gesetzli-chen Anfechtungsgründen zu einer vorzeitige Beendigungeines Angebots berechtigen können (vgl. http://pages.eBay.de/help/sell/end_early.html). Dazu gehören neben der un-verschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung wegen Zerstö-rung, Beschädigung, Diebstahl, rechtlichem Verbot oderRechtsmangel bspw. auch Fehler bei der Artikelbeschrei-bung und der Angabe eines Mindestpreises. Eine Ände-rung des Mindestpreises oder dessen erstmalige Einrich-tung soll selbst dann einen vorzeitigen Auktionsabbruchrechtfertigen, wenn der Anbietende bei der Abfassung desAngebotes gedankenlos agiert hat (OLG Hamm, Urt. v.4.11.2013 – 2 U 94/13, ITRB 2014, 52). Verkaufsreue be-rechtigt selbstverständlich nicht zum Auktionsabbruch(jüngst BGH, Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 90/14, BGH-PM Nr. 185/2014). Soweit die eBay-Bedingungen vorran-gig eine Ergänzung oder Änderung der Artikelbeschrei-bung vorsehen, dürfte dies wenig hilfreich sein, weil damiteine unzulässige Änderung des Angebots verbunden ist.Im Fall von Anfechtungsgründen gem. §§ 119 ff. BGB istvielmehr die unverzügliche Anfechtungserklärung erfor-derlich.

BeraterhinweisBei einem Anbieter, der eine halbe Stunde nach Abgabedes ersten Gebots die Auktion ohne Angabe von Grün-den vorzeitig beendet, nachdem er noch am selben Tagabgelehnt hatte, Fragen des einzigen Bieters zu derKaufsache zu beantworten, sind erhöhte Anforderungen

an die Darlegungslast hinsichtlich seiner unverschulde-ten Unkenntnis des Mangels zu stellen (LG Bonn, Urt.v. 5.6.2012 – 18 O 314/11; AG Eschweiler, Urt. v.1.10.2013 – 26 C 111/13; AG Nürtingen, Urt. v.16.1.2012 – 11 C 1881/11, MMR 2012, 230).

RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln

>>>>>>Keine Mehrwertdienstenummer als Kontaktim Impressum

Die Angabe einer kostenpflichtigen Rufnummer zurKontaktaufnahme erfüllt nicht das Erfordernis einer „ef-fizienten Kommunikation“. Dies gilt jedenfalls für kos-tenpflichtige sog. Mehrwertdienstenummern, die sich imoberen Bereich der zulässigen Höchstgrenze (§ 66dTKG) bewegen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 2.10.2014 – 6 U 219/13, nrkr.(LG Frankfurt/M., Urt. v. 2.10.2013)RL 2000/31/EG Art. 5 Abs. 1 lit. c; TMG § 5 Abs. 1 Nr. 2;TKG § 66d; UWG §§ 4 Nr. 11, 5a Abs. 4, 8 Abs. 1, 3

Das Problem

Eine Online-Anbieterin gab im Impressum neben derE-Mail-Adresse eine kostenpflichtige Mehrwertdiens-tenummer als Kontaktmöglichkeit an. Dabei entstandenden Kunden bei Anrufen aus dem Festnetz Kosten i.H.v.0,49 € pro Minute, bei Anrufen aus dem Mobilfunknetzsogar i.H.v. bis zu 2,99 € pro Minute.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, das denUnterlassungsanspruch einer Mitbewerberin bejaht hatte.Keine Telefonnummer: Dem Wortlaut nach verlange

zwar weder § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG noch die der Vorschriftzugrunde liegende Bestimmung in Art. 5 Abs. 1 lit. c RL2000/31/EG die Angabe einer Telefonnummer, unter derder Anbieter erreichbar sein müsse. Ebenso wenig werdeeine kostenlose Kontaktaufnahmemöglichkeit voraus-gesetzt.Vorgaben des EuGH: Nach der Entscheidung des

EuGH, Urt. v. 16.10.2008 – Rs. C-298/07, CR 2009, 17 =ITRB 2009, 27, müsse der Nutzer aber Informationen er-halten, die es ihm ermöglichten, schnell mit dem AnbieterKontakt aufzunehmen und unmittelbar und effizient mitihm zu kommunizieren. Dies setze voraus, dass der Nut-zer ohne die Einschaltung eines Dritten mit dem Anbieterkommunizieren könne und angemessene Informationeninnerhalb einer Frist erhalte, die mit seinen Bedürfnissenund Erwartungen vereinbar seien. Eine telefonische Kom-munikationsmöglichkeit erfülle diese Vorgaben zwar re-gelmäßig. Davon zu trennen sei indes die Frage, ob einedamit einhergehende, erhebliche Kostenbelastung ausSicht der Nutzer überhaupt eine realistische Alternativedarstelle.Verbraucherschutz: Mit Blick auf die Ziele der Richt-

linie sei auch der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zuberücksichtigen. Zumindest die hohen Kosten bei einem

ITRB 1/2015 Rechtsprechung 7

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Anruf aus den Mobilfunknetzen seien geeignet, eine er-hebliche Anzahl der Nutzer von einer telefonischen Kon-taktaufnahme abzuschrecken. Auch verschaffe sich derAnbieter durch die damit verbundene Kostenersparnis ge-genüber Mitbewerbern einen Vorteil. Zudem eröffne sichdadurch eine zusätzliche Einnahmequelle. Insgesamt seidies mit den verbraucherpolitischen Zielen der Richtliniebzw. des § 5 TMG nicht zu vereinbaren.Keine effiziente Kommunikationsmöglichkeit: Die

Angabe einer Mehrwertdienstenummer, bei deren Nut-zung Kosten anfielen, die am obersten Rand der noch zu-lässigen Höchstpreise von 3 € pro Minute gem. § 66dTKG lägen, ermögliche mithin keine unmittelbare und ef-fiziente Kommunikation zwischen Nutzer und Dienstean-bieter. Das Merkmal der Effizienz sei vor allem an den Be-dürfnissen und berechtigten Erwartungen der Verbrau-cher zu messen. Diese hätten aber ein legitimes Interessedaran, im Rahmen einer telefonischen Kontaktaufnahmenicht mit erheblichen Kosten belastet zu werden.

Konsequenzen für die Praxis

Soweit neben der E-Mail Adresse noch eine weitere „ge-eignete“ Kommunikationsmöglichkeit eröffnet ist (bspw.Fax), ist die Angabe einer Telefonnummer laut EuGH undmittlerweile auch der h.M. nicht zwingend erforderlich(vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Rechtder elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 5 TMG,Rz. 40 ff. m.w.N.). Allerdings sollte man dennoch daraufachten, dass die Reaktion auf die Anfrage in angemessenerZeit erfolgt (LG Bamberg, Urt. v. 23.11.2012 – 1 HK O 29/12: max. 60 Min.). Bietet man eine Telefonnummer an,sollten damit keine Kosten verbunden sein, die über dieüblichen Verbindungsentgelte hinausgehen. Das Gerichthat es mangels Entscheidungserheblichkeit zwar aus-drücklich offen gelassen, ob die Angabe einer günstigerenMehrwertdienstenummer noch mit § 5 TMG vereinbarwäre. Das Urteil des OLG Frankfurt sollte aber auf derarti-ge Experimente bis auf weiteres Abschreckungswirkungentfalten. Zu Recht hat das Gericht darauf hingewiesen,dass die Frage der Verwendung einer Mehrwertdiens-tenummer im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG nochnicht höchstrichterlich entschieden wurde, und hat folg-lich die Revision (I ZR 238/14) zugelassen. Es ist zu hof-fen, dass der BGH die Frage nun praktikabel klärt.

BeraterhinweisDie Argumentation des OLG Frankfurt zur Höchstgren-ze des Verbindungsentgelts nach § 66d TKG vernach-lässigt den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung.So hätte mehr Berücksichtigung finden können, dass so-wohl die Vorschriften des TKG als auch die des TMGeinen verbraucherschützenden Hintergrund haben. Esbesteht ein gewisser Wertungswiderspruch, wenn dasTKG bestimmte Preishöchstgrenzen ausdrücklich er-laubt, die im Lichte des TMG dann keine bzw. nur ein-geschränkte Wirkung entfalten („oberster Rand der zu-lässigen Höchstgrenze“).Premiumdienste: Soweit es sich bei der angegebenen

Telefonnummer tatsächlich um einen Premiumdienst

(vgl. § 3 Nr. 17b TKG) gehandelt hat, wären die Kostenmit 2,99 € insofern eben noch zulässig gewesen.Servicedienste: Bzgl. der Höchstgrenzen für Mehr-

wertdienstenummern sollte von den Anbietern ggf.auch auf die niedrigeren Schwellenwerte des § 66dAbs. 3 TKG geachtet werden. Demnach dürfen die Prei-se für Anrufe bei sog. Servicediensten (vgl. § 3 Nr. 8bTKG) aus den Festnetzen höchstens 0,14 €/Minute undaus den Mobilfunknetzen höchstens 0,42 €/Minute be-tragen.

RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt,RAYERMANN Legal, München – www.rayermann.de

>>>>>> Informationspflichten beim Internetsystem-vertrag

Bei Vertragsverhandlungen über einen Internetsystem-vertrag besteht eine Rechtspflicht des Diensteanbieters,auch ohne Nachfrage vollständige Informationen überVertragslaufzeit und Werklohn an die andere Partei zuübermitteln. Diese Pflicht wird durch Überlassung vonAGB erfüllt, die diese Angaben leicht auffindbar enthal-ten.

OLG Naumburg, Urt. v. 24.4.2014 – 2 U 28/13, rkr.(LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 28.12.2012 – 2 O 37/12)BGB §§ 123, 140, 649

Das Problem

Ein Internetdiensteanbieter und ein Besteller schlossen ei-nen sog. Internetsystemvertrag mit einer Laufzeit von48 Monaten, worunter sich der Anbieter zu einem entgelt-lichen Domainservice, einer Vor-Ort-Beratung und derGestaltung einer individuellen Internetpräsenz verpflich-tete. Der Besteller und seine Gesellschafter erklärten inder Folge die Anfechtung des Vertrags. Sie gaben an, sieseien durch den Anbieter arglistig getäuscht worden, dadessen Außendienstmitarbeiter wahrheitswidrig erklärthabe, die Vertragsleistungen würden kostenfrei oder ver-günstigt erbracht. Der Anbieter verlangte dagegen Zah-lung von Werklohn abzgl. ersparter Aufwendungen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Anspruch des Anbieters auf Zahlung von Werklohnbestehe.Keine Täuschung: Der Anbieter habe nicht arglistig ge-

täuscht. Er habe keine Pflicht zur Aufklärung über Werk-lohn und Laufzeit gehabt, da sich diese Informationen ausdem zweiseitigen Vertrag – inklusive AGB – ergäben under habe erwarten dürfen, dass sich der Besteller diesendurchlese. Der Hinweis des Außendienstmitarbeiters aufvergünstigte Preise sei nicht unwahr, da der Anbieter ver-gleichbare Leistungen seinen Kaufkunden teurer anbiete.Auch das Verschweigen des Umstands, dass Daten in Bul-garien gehostet würden, könne keine Anfechtung rechtfer-tigen, da nicht festgestellt werden könne, dass der Bestellerbei Kenntnis dieser Tatsache den Vertrag nicht geschlos-sen hätte.

8 Rechtsprechung ITRB 1/2015

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Kündigung: Die unwirksame Anfechtung sei aber ineine Kündigung des Vertrags gem. § 649 Satz 1 BGB um-zudeuten (§ 140 BGB). Die Parteien hätten das Kündi-gungsrecht nicht vertraglich abbedungen. Mit der vertrag-lichen Regelung der Laufzeit von 48 Monaten habe derAnbieter lediglich fristgebundene ordentliche Kündigun-gen ausschließen wollen, damit sich seine Aufwendungenfür die Vertragsdurchführung amortisierten. Dagegen ste-he dem Anbieter das freie Kündigungsrecht gem. § 649Satz 1 BGB weiter zu, da er hier gem. § 649 Satz 2 BGBdie vereinbarte Vergütung verlangen könne.Ersparte Aufwendungen: Der Anbieter müsse vom

Werklohn ersparte Aufwendungen abziehen und so darle-gen, dass der Besteller höhere Aufwendungen nachweisenkönne. Indem der Anbieter u.a. ersparte Aufwendungenaus Fahrt-, Porto- und Papierkosten angeführt habe, habeer seiner Darlegungslast genügt. Nicht abzuziehen seienTelefonkosten und Energiekosten. Marketingbudget undProvisionskosten habe der Anbieter nicht erspart. Zu wei-teren ersparten Aufwendungen habe der Besteller nichtausreichend vorgetragen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung konkretisiert die Pflicht des Anbieters,über bestimmte Umstände bei Internetsystemverträgenaufzuklären.Werkvertrag: Unter dem Oberbegriff „Internetsystem-

vertrag“ wird eine Vielzahl unterschiedlicher Vertrags-typen zusammengefasst, bei denen es sich zumeist um aty-pische oder gemischte Verträge handelt. Sofern die verein-barten Leistungen letztlich auf die Herstellung der Abruf-barkeit einer vom Anbieter erstellten und betreuten Web-site gerichtet sind, zielen sie auf einen Erfolg ab und sinddamit werkvertraglicher Natur (BGH, Urt. v. 4.3.2010 –III ZR 79/09, CR 2010, 327 m. Anm. Hilber/Rabus = BB2010, 1047). Auch zusammenhängende Leistungen wiez.B. Beratung fallen deshalb in die Kategorie des Werkver-trags. Gleichwohl wird man Internetsystemverträge nichtpauschal als Werkverträge einordnen können; vielmehrrichtet sich der Vertragscharakter nach den im Schwer-punkt geschuldeten Leistungen (vgl. Fritzemeyer, NJW2011, 2918 [2919]).Keine versteckten Informationen: Das Gericht verneint

jedenfalls dann, wenn der Vertragstext des Internetsys-temvertrags sehr überschaubar ist (hier zwei Seiten), einegesonderte Aufklärungspflicht des Anbieters über Preiseund Laufzeit. Anders urteilte das LG Kiel, weil in dessenFall Anschlusskosten und Vertragsdauer nicht sofort insAuge sprangen und der Kunde zudem schlecht deutschsprach (LG Kiel, Urt. v. 13.12.2011 – 2 O 135/11).Keine falschen Informationen: Eine Vorspiegelung von

falschen Tatsachen bei Vertragsschluss liegt nicht in derAussage, dass der Besteller vergünstigte Preise erhält,wenn der Anbieter anderen Kunden tatsächlich teurereAngebote macht. Nicht erforderlich ist es, dass der Anbie-ter bereits entsprechende Verträge abgeschlossen hat. Esgenügt also die Vergleichbarkeit der Angebote, wobei eineHervorhebung einzelner Umstände – etwa eines anderenVertriebswegs – keine Rolle spielt.

BeraterhinweisAnbieter von Internetsystemverträgen sollten möglichstumfassend über die geschuldeten Leistungen aufklärenund wichtige Vertragsbestandteile wie Preise und Lauf-zeiten nicht im Unklaren lassen. Andererseits kann derAnbieter erwarten, dass sich Interessenten vor Ab-schluss des Vertrags die AGB durchlesen und ihnenEckdaten wie Laufzeit und Kosten entnehmen. DieseInformationen sollten, sofern sie in den AGB enthaltensind, möglichst leicht aufzufinden sein.

RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M.,Linklaters LLP, Frankfurt/M.

>>>>>>Unzulässige Blickfangwerbung für De-Mail-An-gebot

Enthält eine Werbemaßnahme mehrere blickfangmäßigherausgestellte Werbeaussagen, die jede für sich einerAufklärung bedürfen, muss jeder Blickfang einen eigen-ständigen Sternchenhinweis enthalten.

OLG Köln, Urt. v. 14.2.2014 – 6 U 120/13(LG Bonn, Urt. v. 25.6.2013 – 11 O 9/13)BGB § 312g a.F.; EGBGB Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 7;UKlaG §§ 2, 4; UWG §§ 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Das Problem

Im September 2012 warb ein akkreditierter Provider fürDe-Mail-Konten auf seiner Internetseite wie folgt:

50 De-Mails mtl. inklusive

monatliches Freikontingent

0 €mtl.

Über einen Sternchenhinweis hinter der blickfangmäßigenAussage „0 € mtl.“ öffnete sich eine Fußnote mit weiterenInformationen zu dem Angebot. Über einen Link gelangteman zu einer Anmeldeseite, die am Ende des Registrie-rungsvorgangs einen ausführlicheren Erläuterungstextinsb. dahingehend enthielt, dass nur im Aktionszeitraumbis 31.12.2012 bis zu 50 Frei-De-Mails pro Monat kosten-frei versendet werden können.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Werbung auf der Internetseite sei irreführend und un-zulässig. Die Aussage „50 De-Mails mtl. inklusive“ sei fürsich genommen unvollständig, wenn dieses Angebot fürgerade einmal zwei Monate gelte. Entscheidend sei aller-dings, ob die Irreführung durch eine klarstellende Erläute-rung beseitigt werde.Unklare Zuordnung: In Fällen, in denen ein Blickfang

zwar nicht objektiv unrichtig sei, aber den Verbrauchernicht vollständig informiere, müsse ein Stern oder ein an-deres hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter zudem aufklärenden Hinweis führen. Voraussetzung sei,dass der Hinweis am Blickfang teilhabe und dadurch eine

ITRB 1/2015 Rechtsprechung 9

cr-online.de

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klare und unmissverständliche Zuordnung der weiterenInformationen zu den herausgestellten Angaben gewahrtbleibe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die beiden Aus-sagen „0 € mtl.“ und „50 De-Mails mtl. inklusive“ seien inder konkreten Gestaltung der Gesamtwerbeaussage deut-lich voneinander abgesetzt. Neben der gestalterischenTrennung handle es sich hierbei auch sachlich um unter-schiedliche Aussagen, da sie einerseits die vom Nutzer(nicht) geschuldete Gegenleistung, andererseits die Leis-tung des Anbieters beträfen. Da sich das Sternchen unmit-telbar an der Aussage „0 € mtl.“ befinde, werde der Be-trachter vermuten, der Hinweis führe zu einer Erläuterungder Angabe „keine Grundgebühr“. Es sei nicht ohne wei-teres erkennbar, dass der Hinweis Erläuterungen zu derAussage „50 De-Mails mtl. inklusive“ enthalte. Damit feh-le es bereits an einer eindeutigen Zuordnung.Unzureichende Erläuterung: Der Umstand, dass ein

Verbraucher, der sich für das Angebot interessiere, imZweifel der Erläuterung zum monatlichen Grundpreis fol-ge und dort dann auch Aufklärung zum Freikontingentfinde, entlaste den Anbieter nicht. Eine relevante Irrefüh-rung liege vielmehr schon dann vor, wenn der Verkehrdurch den – einen falschen Anschein erweckenden –Blickfang veranlasst werde, sich mit dem Angebot zu be-schäftigen. Wenn der Verbraucher über Leistungsein-schränkungen erst in anderem Zusammenhang informiertwerde, ändere dies nichts an der ursprünglichen Irrefüh-rung.Informationspflichten: Der Provider habe im Rahmen

des Registrierungsvorgangs die Informationspflichten des§ 312g Abs. 2 BGB a.F. erfüllt. Der Begriff des „Gesamt-preises“ in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB a.F. deckesich mit dem des „Endpreises“ in § 1 PAngV. Hierzu ge-hörten nur die Entgelte, die der Kunde allein aufgrund desVertragsschlusses schulde. Das Entgelt für weitere kosten-pflichtige Leistungen, die aufgrund des Vertrags in An-spruch genommen werden könnten, aber nicht müssten,müssten dagegen nicht angegeben werden. Es habe alsokeine Verpflichtung bestanden, die Preise für vom Kun-den versandte De-Mails – nach Ausschöpfung des Frei-kontingents – anzugeben, solange die Möglichkeit, De-Mails zu empfangen, für den Kunden kostenfrei sei.

Konsequenzen für die Praxis

Die vom OLG Köln aufgestellten Voraussetzungen einerzulässigen Blickfangwerbung mit einem klarstellendenSternchenhinweis liegen auf einer Linie der Rechtspre-chung des BGH. Zwar ergibt sich aus dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit, dass nicht jede unvollständige blick-fangmäßige Werbeaussage gleich eine Irreführung dar-stellt, sofern die angesprochenen Verkehrskreise durch ei-nen eindeutig zugeordneten Hinweis hinreichend auf-geklärt werden (vgl. Link, jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 5Rz. 180). Eine solche Zuordnung war bei der konkretenWerbeaussage nicht möglich.

BeraterhinweisEnthält eine Werbemaßnahme mehrere blickfangmäßigherausgestellte Werbeaussagen, die jede für sich einenklarstellenden Hinweis erfordern, reicht es zur Vermei-

dung einer Irreführung nicht aus, wenn über einenSternchenhinweis, welcher nur an einem Blickfang teil-hat, aufklärende Hinweise auch zu den weiteren Aus-sagen gemacht werden.

RA Sebastian Laoutoumai, LL.M.,Terhaag & Partner, Düsseldorf – www.aufrecht.de

>>>>>>Keine Haftung des Anschlussinhabers fürHaushaltsangehörige

Eine Störerhaftung des Inhabers eines Internetanschlus-ses, über den eine Urheberrechtsverletzung begangenwurde, scheidet im Hinblick auf eine unzureichende Si-cherung gegen unbefugte Nutzung aus, wenn nicht aus-geschlossen werden kann, dass Täter der Rechtsverlet-zung ein zur Nutzung berechtigter Familienangehörigerist.

LG Hannover, Urt. v. 15.8.2014 – 18 S 13/14(AG Hannover, Urt. v. 19.2.2014 – 539 C 11339/13)UrhG §§ 97, 97a

Das Problem

Über einen Internetanschluss wurde am 9.8.2009 in einerDateitauschbörse ein Filmwerk zum Download angeboten.Der Anschlussinhaber teilte sich zu diesem Zeitpunkt denAnschluss mit seiner Lebensgefährtin und deren zehnjäh-rigem Sohn.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Rechteinhaber habe keinen Anspruch gegen den An-schlussinhaber auf Zahlung von Schadensersatz und Ab-mahnkosten gem. §§ 97, 97a UrhG.Keine Täterhaftung: Eine tatsächliche Vermutung für

die Täterschaft des Anschlussinhabers im Hinblick aufeine über den Anschluss begangenen Urheberrechtsverlet-zung werde dann nicht begründet, wenn andere Personenden Anschluss hätten nutzen können, weil dieser entwedernicht hinreichend gesichert gewesen oder anderen Per-sonen – wie hier der Lebensgefährtin – bewusst überlassenworden sei (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 –BearShare, CR 2014, 472 = ITRB 2014, 176).Keine Nachforschungspflicht: Der Anschlussinhaber

genüge seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass ervortrage, ob andere Personen selbständigen Zugang zudem Internetanschluss hätten und um wen es sich dabeihandle. Er sei angesichts der familiären Verbundenheitnicht verpflichtet zu erforschen, ob die Lebensgefährtinden Anschluss am behaupteten Schadenstag genutzt habe.Auch wenn er annehme, dass die Lebensgefährtin dasWerk nicht heruntergeladen habe, könne er deren Täter-schaft nicht ausschließen.Sicherung des WLAN-Routers: Privaten Anschluss-

inhabern oblägen im Rahmen der Störerhaftung Prü-fungspflichten bzgl. der ausreichenden Sicherung einesWLAN-Anschlusses dahin, dass jedenfalls die im Kauf-zeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktübli-che Sicherungen ab Inbetriebnahme wirksam eingesetzt

10 Rechtsprechung ITRB 1/2015

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würden (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommerunseres Lebens, CR 2010, 458 = ITRB 2010, 151). Da aberhier die Lebensgefährtin als Täterin in Betracht komme,sei die Kausalität der unzureichenden Sicherung desWLAN-Anschlusses zweifelhaft (vgl. OLG Köln, Beschl. v.28.5.2013 – 6 W 60/13). Darüber hinaus habe der Rechte-inhaber den ihm obliegenden Beweis einer unzureichen-den Sicherung des WLANs nicht geführt. Mangels eigenerWahrnehmung und Kenntnis von dem konkreten Ver-schlüsselungsvorgang sei der Anschlussinhaber nicht ge-halten gewesen, hierzu näher vorzutragen.Bewusste Überlassung an Familienangehörige: Anders

als beim ungesicherten WLAN-Router beruhe die bewuss-te Überlassung zum einen auf familiärer Verbundenheit,zum anderen seien volljährige Familienangehörige selbstfür ihre Handlungen verantwortlich. Der Anschlussinha-ber sei ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verpflichtet,volljährige Familienangehörige hinsichtlich der rechtwid-rigen Nutzung von Internettauschbörsen zu belehren oderdiese zu verbieten (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 –BearShare, CR 2014, 472 = ITRB 2014, 176). Der imHaushalt lebende minderjährige Sohn der Lebensgefährtinhabe nach den Bekundungen des Anschlussinhabers nurunter Aufsicht das Internet nutzen können.

Konsequenzen für die Praxis

Das LG Hannover stützt sich auf im Wesentlichen auf dieBGH-Entscheidung „BearShare“, nach der bei Nutzungs-überlassung an volljährige Familienangehörige grundsätz-lich keine Belehrungspflichten bestehen, solange der An-schlussinhaber keine konkreten Anhaltspunkte für eineRechtsverletzung hat (a.A. OLG Köln, Beschl. v. 4.6.2012– 6 W 81/12, CR 2012, 533 = ITRB 2012, 222; OLG Köln,Beschl. v. 21.4.2011 – 6 W 58/11, CR 2012, 412).Volljährige Haushaltsangehörige: Sofern davon aus-

zugehen ist, dass der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1GG nicht notwendige Stütze dieser BGH-Rechtsprechungist, kämen in deren Genuss aufgrund ihres eigenverant-wortlichen Handelns auch nichteheliche Haushaltsange-hörige, wie die Lebensgefährten oder Untermieter. DerBGH hat diese Frage allerdings ausdrücklich offengelas-sen. Unter Wertungsgesichtspunkten spricht hierfür, dassdie Instanzgerichte im beruflichen und gewerblichen Be-reich Überwachungspflichten gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 TMGweitgehend ablehnen (vgl. zum Hotelier LG Frankfurt/M.,Urt. v. 18.8.2010 – 2/6 S 19/09, CR 2011, 411 = ITRB2011, 108; zum Arbeitgeber LG München I, Urt. v.4.10.2007 – 7 O 2827/07, ITRB 2008, 30 = CR 2008, 49; zuInternet-Cafés LG Frankenthal, Beschl. v. 6.3.2009 – 6 O60/09, GRUR-RR 2009, 382; a.A. LG Hamburg, Beschl. v.25.11.2010 – 310 O 433/10, CR 2011, 331).Minderjährige Haushaltsangehörige: Bzgl. minderjäh-

riger Familienangehöriger gebietet die Aufsichtspflicht,das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme anInternettauschbörsen zu belehren und ihm eine Teilnah-me daran zu verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, dieNutzung des Internets durch das Kind zu überwachen,den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kindden Zugang zum Internet (teilweise) zu sperren, bestehterst, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass

das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urt. v.15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus, CR 2013, 324 =ITRB 2013, 100 – Rz. 24). Bei minderjährigen Drittendürften neben Belehrungs- auch Überwachungspflichtenbestehen, da insofern weder Art. 6 GG noch die Eigenver-antwortung Erwachsener eine Privilegierungsgrundlagebieten (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 29.9.2006 – 7 O 62/06,ZUM-RD 2007, 252).

BeraterhinweisZweifel bestehen, ob die sekundäre Darlegungslast unddie vom BGH angenommene Nachforschungspflicht(a.A. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2011 – 22 W82/11, MMR 2012, 40 f.) tatsächlich so eng gefasst sind,dass weder über die Art der Sicherung des Internet-zugangs gegen Zugriff unbefugter Dritter noch über diekonkrete Möglichkeit einer Rechtsverletzung durchhaushaltsangehörige Personen im Rahmen der prozes-sualen Wahrheitspflicht vorzutragen ist. Denn immer-hin ließe sich durch die Annahme einer Täterschafthaushaltsangehöriger Personen im Weg eines bloßenVerweises auf eine Nutzungsüberlassung an sie im Er-gebnis die vergleichsweise strenge Haftung für unzurei-chend gesicherte Anschlüsse praktisch leicht vermeiden(vgl. auch AG München, Urt. v. 15.7.2014 – 158 C19376/13 – Ohne Höschen Vol.21). Im Verfahren zurBGH-Entscheidung „Morpheus“ wurde immerhin zurkonkreten Täterschaft des Stiefsohns vorgetragen.

RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln

>>>>>> Irreführende AGB-Klauseln für Facebook App-Zentrum

AGB-Klauseln in Facebooks Nutzungsbedingungen fürOnlinespiele sind nach deutschem Datenschutzrecht zubeurteilen. Klauseln, die die Reichweite der Verwendungpersonenbezogener Daten nicht erkennen lassen, sindintransparent und daher unwirksam.

LG Berlin, Urt. v. 28.10.2014 – 19 O 60/13UWG §§ 5, 7 Abs. 3 Nr. 2, 8; BDSG § 4a; TMG § 13

Das Problem

Das soziale Netzwerk Facebook bot auf seiner Internetsei-te ein sog. App-Zentrum an, in dem es u.a. in Deutschlandansässigen Nutzern Onlinespiele dritter Anbieter zugäng-lich machte. Auf der von Facebook (Irland) veröffentlich-ten Startseite der jeweiligen Spiele erschien unter demButton „Spiel spielen“ folgende – oder eine ähnliche – In-formation:

Durch das Anklicken von Spiel spielen erhält diese An-

wendung:

Deine allgemeinen Informationen (?)

Deine E-Mail-Adresse

ITRB 1/2015 Rechtsprechung 11

cr-online.de

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Über Dich

Deine Statusmeldungen

Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, ein-

schließlich Dein Punktestand und mehr.

Eine andere Startseite zeigte als letzte Zeile:

Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr

in deinem Namen posten.

Der Nutzer wurde informiert, dass er, wenn er fortfährt,den AGB und Datenschutzrichtlinien des Spieleanbieterszustimmt.

Die Entscheidung des Gerichts

Facebook habe es zu unterlassen, die auf der Startseite derSpiele verwendete Zustimmungserklärung von inDeutschland ansässigen Nutzern zur Verwendung undÜbermittlung (Posten) ihrer personenbezogenen Daten zuverwenden.Anwendbares Recht: Es finde das Verbraucherschutz-

statut des Art. 6 der Rom-I-Verordnung Anwendung, dadas Verhalten Facebooks die Rechte der Verbraucher be-einträchtige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt inDeutschland hätten.Irreführende Werbung: Die Verknüpfung zwischen

dem Button „Spiel spielen“ und der Zustimmung zum un-begrenzten Datentransfer erweise sich als irreführendgem. § 5 UWG, weil Facebook damit gegenüber dem Nut-zer den unzutreffenden Eindruck erwecke, seine Zustim-mung sei wirksam. Da der Nutzer die Reichweite seinerErklärung nicht kenne, könne er auch keine bewusste Ent-scheidung treffen. Zudem werde der Nutzer über dieRechtswirksamkeit seiner Erklärung getäuscht und davonabgehalten, seine Rechte zumindest nachträglich geltendzu machen: Die Voraussetzungen einer wirksamen Einwil-ligung nach § 4a BDSG und § 13 Abs. 2 TMG lägen nichtvor. Entsprechende Ansprüche folgten aus § 7 Abs. 2Nr. 3 UWG und § 13 Abs. 2 TMG.Intransparente Klausel: Der Hinweis auf das „Posten“

von Informationen verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB; die-ser sei über Art. 4 der Rom-II-Verordnung anwendbar.Der Hinweis sei als AGB-Klausel zu qualifizieren, da er ineiner unbestimmten Vielzahl von Fällen verwendet werde.Er sei unbestimmt und intransparent und erwecke wiede-rum den Eindruck einer wirksamen Zustimmung. Man-gels Hinweises auf einen anderen Verwender stelle Face-book die Klausel.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die Linie des LG Berlin zurWirksamkeit von AGB-Klauseln von sozialen Netzwerkenund Online-Anbietern (vgl. etwa LG Berlin, Urt. v.30.4.2013 – 15 O 92/12, CR 2013, 402 = ITRB 2013, 130).Sonderkollisionsrecht: Problematisch ist die Anwen-

dung deutschen Rechts über Art. 6 der Rom-I-Verord-nung. Zwar stellen die von Facebook verwendeten Hin-weise AGB-Klauseln dar. Allerdings wendet das Gericht

dann zur Inhaltskontrolle die Maßstäbe der § 4a BDSGund § 13 Abs. 2 TMG an, die es für nicht erfüllt erachtet.Hier hätte richtigerweise die Sonderkollisionsnorm des§ 1 Abs. 5 BDSG geprüft werden müssen (so auch dasKG, Urt. v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319 = ITRB14, 154; dazu Kartheuser/Klar, ZD 2014, 500). Dies hättezu dem Ergebnis führen können, dass wegen des Sitzesvon Facebook in Irland nicht deutsche, sondern irischeDatenschutznormen anwendbar sind. Warum das Gerichtzudem Art. 4 der Rom-II-Verordnung (und nicht etwaArt. 6) anwendet, bleibt unklar.Transparenz der Hinweise: Zumindest misslich er-

scheint auch, dass das Gericht mit keinem Wort begrün-det, warum die beanstandeten Hinweise Facebooks in ih-rer Reichweite nicht transparent sein sollten. Immerhinnennt die beanstandete Klausel die zu erhebenden per-sonenbezogenen Daten und Beispiele für Informationen,die im Namen des Nutzers gepostet werden konnten. Obein durchschnittlicher Internetnutzer tatsächlich dieReichweite seiner Einwilligung erkennen konnte, hätte ei-ner ausführlicheren Begründung bedurft, zumal das Ge-richt sogar von einer Irreführung ausgeht (§ 5 UWG).Einwilligung: Der Hinweis Facebooks, dass ein Nutzer

bei Fortfahren den Datenschutzhinweisen zustimmt, lässtunbeachtet, dass Datenschutzerklärungen gem. § 13Abs. 1 TMG nicht zustimmungsbedürftig sind. Er birgtzudem die Gefahr, dass die strengen Voraussetzungen da-tenschutzrechtlicher Einwilligungserklärungen Anwen-dung finden. Diese waren von Facebook zu beachten, dastrotz der Involvierung von Spieleanbietern als verantwort-liche Stelle gilt (vgl. zur Thematik von Fanpage-BetreibernVG Schleswig v. 9.10.2013 – 8 A 218/11, 8 A 14/12, 8 A37/12, ITRB 2014, 7).

BeraterhinweisOnline-Anbieter sollten prüfen, ob datenschutzrecht-liche Einwilligungserklärungen erforderlich sind. Wennja, ist eine Reihe von Anforderungen zu beachten.

RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M.,Linklaters LLP, Frankfurt/M.

12 Rechtsprechung ITRB 1/2015

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Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

Big Data und der Schutz der Daten

Über die Unvereinbarkeit des deutschen und europäischen Datenschutzrechts mit Big Data

von Dr. Frank A. Koch*

Big Data Processing (kurz „Big Data“) und Datenschutzsind inkompatibel. Zu zeigen ist, dass das herkömmliche,auf Small Data-Verarbeitungen ausgelegte statische Rege-lungsmodell des gesetzlichen Datenschutzes und die Logiksich dynamisch entfaltender Big Data-Anwendungen ei-nander geradezu diametral entgegengesetzt sind. Zunächstwerden die spezifischen und konstitutiven Merkmale geradevon Big Data-Anwendungen zusammengestellt und kurzerläutert (I). Im Hauptteil wird diskutiert, wie diese spezi-fischen Merkmale die Möglichkeit von Datenschutz ein-schränken oder gar aufheben. Insb. können Big Data-An-wendungen nach den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechungzur Vorratsdatenspeicherung EU-weit unzulässig sein.Auch unterliegen die Betroffenenrechte beim Übergang vonder übersichtlichen Small Data- zur Big Data-Welt einerweitgehenden Erosion, in der Anwendungen intransparentsind, mit totalen Datenerfassungsansprüchen auftreten undunkontrollierbar schnell, vernetzt sowie teilweise bereits au-tonom und damit Kontrollen entzogen arbeiten (II).

1. Zentrale Merkmale von Big Data-Anwendun-genBei Big Data geht es nicht einfach nur um Verarbeitungbesonders großer Datenmengen. Hierfür müsste man bloßgrößere Datenbanken einsetzen. Es geht vielmehr um ex-trem schnelle (teilweise sogar in Echtzeit erfolgende) Ver-arbeitung extrem großer Mengen heterogen strukturierterDaten(typen) unter Einsatz verschiedener fortgeschritte-ner mathematischer Verfahren. So nutzbringend Big Da-ta-Anwendungen (etwa in der Hochenergiephysik amCERN) sind, so problematisch werden sie im Bereich derVerarbeitung personenbezogener Daten, da die Anwen-dungen von ihrem technischen Ansatz her Grundkonzep-te und Kontrollmechanismen des Datenschutzrechts un-terlaufen.1 Schwierig ist schon der methodische Ansatzvon Big Data-Anwendungen, nach dem möglichst vieleDaten zu einer Person erfasst werden, um sie in all ihrensozialen Beziehungen (Social Graph) abzubilden,2 vor al-lem aber, dass Betroffenenrechte im Big Data-Bereichnicht mehr greifen. Dies verletzt ihre Grundrechte.

a) Definition

Als Big Data werden große Datenmengen aus vielfältigenQuellen3 bzw. Datensammlungen verstanden, die so großund komplex sind, dass sie mit bisherigen Tools für dasDatenbankmanagement und entsprechenden Anwendun-gen nicht verarbeitet werden können.4 Genauer grenztMainzer ab: Big Data-Anwendungen arbeiten hiernach imTerabyte-Bereich (1012 Byte) mit Web-Logs, Suchmärktenund Verhaltensspuren sowie im Petabyte-Bereich(1015 Byte) mit mobilen Netzen, Klickströmen, HD-Vi-deos, Audio, Bildern, SMS und MMS.5 Die Architekturender Big Data-Anwendungen orientieren sich an den Da-tentypen verschiedener Einsatz-Szenarien, so etwa Clicks-tream-Daten, Social-Media-Stimmungsdaten, Server-Log-dateien, Sensordaten, Maschine-zu-Maschine-Kommuni-kation, Standortdaten und Freitext-Daten,6 aber etwaauch Stimmanalysen oder Identitätsermittlungen ausFlickr-Fotosammlungen im Web.Wichtiger noch als rein quantitative Abgrenzungen er-

scheinen die erst und praktisch nur im Big Data-Bereicheinsetzbaren Verfahren zur Erfassung und Auswertungvon riesigen und laufend weiterwachsenden Datenbestän-den. Hierzu gehören (in Komplettlösungen) datenbezogenvier Schichten für Datenhaltung und -zugriff, analytischeVerarbeitung und Visualisierung. Flankierend kommenaußerdem die Schichten Datenintegration und Daten-

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* Der Autor ist Rechtsanwalt in München.1 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 192.2 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 157.3 So etwa das Stichwort „Big Data“ in https://de.wikipedia.org/wi-

ki/Big_Data. Ausführlich werden die Möglichkeiten von Big Da-ta-Anwendungen dargestellt im BITKOM-Leitfaden www.bit-kom.org/files/documents/BITKOM_LF_big_data_2012_online(1).pdf.

4 Zum gleichen Stichwort https://en.wikipedia.org/wiki/Big_data.5 Mainzer, Die Berechnung der Welt, 2014, S. 232.6 BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,

www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Leitfaden_Big_Data-Technologien_Wissen_fuer_Entscheider_Febr_2014.pdf, S. 17.

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sicherheit/-Governance (z.B. Multimandanten-Fähigkeit)hinzu.7

b) Spezifische Merkmale

Big Data-Systeme ermöglichen eine Totalerfassung derDaten von Betroffenen.8 Die Sammlungen können in un-terschiedlichsten Zusammenhängen und Formaten ge-sammelt werden, so etwa aus sozialen Netzwerken undKommunikationen per E-Mail, Twitter, WhatsApp, ausdurch Produktionssteuerung gewonnenen Mitarbeiter-daten, Daten zum Konsumentenverhalten im Web, vonNutzern in der Cloud gesammelten Tweets und Blog-Ein-trägen, Fotos (Flickr) und Videos (Youtube), automatischeErfassungen von RFID9-Lesern, (laufend gesammelte) An-fragen in Suchmaschinen, Aufnahmen durch in Rechnerintegrierte Digitalkameras, Mikrofone und sonstige Senso-ren. Zu denken ist auch an GPS-basierte Trackingsystemezur Handy-Ortung und Daten aus kleinen Überwachungs-rechnern am Handgelenk,10 mit denen man alle mögli-chen physiologischen Daten des eigenen Körpers erfassen,in der Cloud speichern und auswerten kann (Stichwort„Quantify yourself“), sowie schließlich in intelligentenHeizungssystemen generierte Daten, aus deren Auswer-tungen auf Lebensgewohnheiten der Bewohner geschlos-sen werden kann.11

Auch Personalisierungssysteme im Web, die auf indi-viduelle Präferenzen zugeschnittene Informationsangebotemachen, generieren eine Vielzahl von Daten. Bei Betreteneines Ladengeschäfts zeigt einem der Mobilrechner etwaverfügbare Kleidungsstücke an, wenn man auf der Face-book-Seite des Ladens ein Like setzt.12 Die unterschied-lichsten Datenformate können mittlerweile erfasst undeinheitlich so schnell ausgewertet werden („Datenfusion“),dass diese Dienste tatsächlich beim Betreten präsentierbarsind.Nur durch Einsatz fortgeschrittener Speichertechniken

können derartige Dienste in Echtzeit auch mit großen Da-tenmengen durchgeführt werden.13 Durch Search & Dis-covery können in Mengen unstrukturierter Daten genaueAntworten, aber auch ähnliche, verwandte Antworten ge-sucht und damit neue Informationen und Zusammenhän-ge entdeckt werden.14

Neben solcher leistungsfähiger Speichertechnik kom-men hochparallele Verarbeitungen zum Einsatz, in denenAufgaben auf 65.000 Prozessoren aufgeteilt und die Ergeb-nisse („MapReduce“ für Batch-Verarbeitung)15 durch ei-nen Rechnerverbund („Compute Cluster“)16 sowie durcheinen Instrumentenkasten spezifischer mathematischerVerfahren17 wieder zusammengeführt werden. Erst durchsolche Anwendungen wird es möglich, Konsumentenver-halten laufend und sofort auszuwerten und zu prognosti-zieren. Dies erlaubt etwa Vorhersagen dazu, wie viel Nut-zer verdienen, wie erfolgreich sie im Job sind und wie sta-bil ihr Privatleben ist18 oder mit ca. 90-prozentiger Wahr-scheinlichkeit, wann Freundschaften geschlossen wer-den.19

Eine Bindung an bestimmte Datenbankstrukturen (z.B.SQL) besteht nicht mehr; auch „NoSQL“-Anwendungen(aus nichtrelationalen Datenbanken) können einbezogenwerden. Die Anwendungen sowie die sie unterstützenden

IT-Systeme sind bedarfsspezifisch (oft über Cloud Com-puting) skalierbar.Während Data-Warehouse- und frühere Big Data-An-

wendungen zur Analyse „ruhender Daten“ eingesetzt wur-den (und werden), erfolgen die Überwachung und Steue-rung dynamischer Prozesse dadurch, dass mittels Strea-ming und Complex Event Processing „zeitlich geordneteEreignisse aus heterogenen Quellen überwacht, verdichtet,gefiltert und korreliert“ werden,20 etwa fortlaufend das„Click-Verhalten“ und sämtliche Aktivitäten der Nutzerim Web. Der jeweilige Datenbestand bis in die Korrelatio-nen der Daten zueinander ändert sich hierdurch ständig.Die analytische Verarbeitung erfolgt durch Einsatz un-

terschiedlicher Technologien wie Predictive Analytics,Data Mining und maschinelles Lernen (iterative Verfah-ren, statistische Analysen und rechenintensive Algorith-

14 Beiträge für die Beratungspraxis | Big Data und der Schutz der Daten | Koch ITRB 1/2015

7 BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,a.a.O., S. 15.

8 Was das gerade für typische Netznutzer in deren Alltag bedeutet,wird in der interaktiven Übersicht www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/datenspur-von-malte-spitz-so-durchschau-bar-sind-wir-im-netz-a-999858.html anschaulich dargestellt.

9 Radio Frequency Identification.10 Weichert, ZD 2013, 251 (255) verweist darauf, dass nach einer

Untersuchung von Bewegungsdaten einer Person mit 93-prozen-tiger Genauigkeit deren künftige Aufenthalte vorausgesagt wer-den können.

11 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 223.12 Beilage zum Handelsblatt vom Juli 2013, S. 3.13 Eingesetzt werden insb. „In-Memory“-Techniken, bei denen die

Datenbanken in entsprechend erweiterten schnellen Hauptspei-chern gespeichert (Stiemerling in Conrad/Grützmacher, Rechtder Daten und Datenbanken im Unternehmen, 2014, § 6 Rz. 24)und verarbeitet werden. Hierdurch können Auswertungen umden Faktor 1000 und mehr beschleunigt werden, also etwa bisherviele Stunden laufende Auswertungen in Sekunden ablaufen(BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,S. 24, www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Leitfa-den_Big_Data-Technologien_Wissen_fuer_Entschei-der_Febr_2014.pdf).

14 BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,a.a.O., S. 27.

15 Stiemerling in Conrad/Grützmacher, Recht der Daten und Da-tenbanken im Unternehmen, 2014, § 6 Rz. 28), als Open Source-Implementierung als „Hadoop“ verfügbar (Stiemerling, a.a.O.,Rz. 34) für nichtrelationale Datenbanken verfügbar (Hofstetter,Sie wissen alles, 2014, S. 95). Das Hadoop-Framework kann alsunternehmensweite Plattform (Shared Service) eingesetzt werden(BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,a.a.O., S. 16).

16 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 93.17 Etwa partielle Differentialgleichungen, die Bayes’sche Statistik

zur Kodierung von Vorwissen in Dichtefunktionen, RandomWalk, Monte Carlo Simulation und Markovketten-Prozesse(Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 99, 117), die erlauben, nicht-kontinuierliche Abläufe zu erfassen. Diese Instrumente sind inder Mathematica-Software von Wolfram verfügbar (Mainzer,Die Berechnung der Welt, 2014, S. 251).

18 Matthes u.a., Wirtschaftswoche Nr. 28 v. 8.7.2013, 58.19 Mainzer, Die Berechnung der Welt, 2014, S. 236.20 BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,

a.a.O., S. 16.

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men),21 etwa erfolgreich zur Vorhersage und räumlichenLokalisierung bevorstehender krimineller Handlungen.22

Erst in Big Data-Anwendungen wird es möglich, großeDatenmengen nach rein probabilistischen Korrelationenzu durchsuchen.23 Diese statistischen Korrelationen zeigennicht, warum etwas geschieht (kausale Erklärungen), son-dern nur, dass es geschieht.24 Zu beachten ist deshalb, dassEreignisse durch Zufall zusammentreffen können,25 alsoohne auslösenden Zusammenhang. Dennoch steigt derWert der Analyseergebnisse, wenn die Analyse auf sehrgroßen Datenmengen aufsetzt.26 „Mit sehr vielen undnoch mehr Daten werden wir im wahrsten Sinne desWortes besser berechenbar.“27 Man kann sogar feststellen,dass Big Data-Anwendungen nur auf sehr großen Daten-mengen aufsetzend ihr Leistungspotential voll entfaltenkönnen,28 also nur, wenn sie grundsätzlich nicht daten-sparsam angelegt sind.Eine qualitativ neue Stufe der Verarbeitung, aber auch

erhöhter datenschutzrechtlicher Risiken wurde durch Ein-satz intelligenter, autonom agierender Maschinen er-reicht, die in der „Industrie 4.0“ bzw. im „Internet derDinge“ genutzt werden.29 Hochstetter zeigt anschaulichauf, welche bisher auch datenschutzrechtlich kaum dis-kutierten Probleme bei diesem Kulminationspunkt aktuel-ler Big Data-Anwendungen auftreten.30

Intelligente Maschinen sind nicht mehr auf die Eingabe

einer Handlungsanweisung durch den Menschen ange-

wiesen, sondern agieren zunehmend selbständig. Als Op-

timierer lernen sie, optimale Entscheidungen unter Unter-

sicherheit zu treffen. Als verteilte Software-Agenten zerle-

gen sie komplexe Probleme unseres Alltags in einfachere

Subprobleme und lösen sie durch Kooperation und Kom-

munikation miteinander. Als emergentes System vernet-

zen sich unabhängige Programme zu einer maschinellen

Parallelwelt, die kein Programmierer je programmiert

oder getestet hat und deren Dynamik wir weder kennen

noch ohne weiteres analysieren können...

Hier lösen sich Datenverarbeitungsprozesse zunehmendaus dem Kontrollbereich von Programmierern, Geschäfts-führern und Datenschutzkontrollorganen heraus, da dieultraschnelle und sich fortlaufend verändernde Kommuni-kation zwischen den Rechner nicht mehr von außen zeit-gleich durch Personen nachvollziehbar ist. Zugleich lernendiese Rechner durch Beobachten, Abwägen, Optimierenund Steuern unseres Verhaltens, „was unsere Vorliebensind und wie wir uns verhalten. Im Kreislauf des geschlos-senen Regelkreises werden sie für uns deshalb genau dieInformation auswählen und bereitstellen, die uns schein-bar nützlich ist.“31 Hier wird die Datenanalyse in eine„proaktiv handelnde Maschine“ verwandelt, die eigen-ständig Entscheidungen trifft32 (die nach § 6a BDSG alsrein automatische Einzelentscheidungen ohne Beteiligungeiner natürlichen Person unzulässig sind, s.u.), und die eserlaubt, automatisiert nachzusteuern,33 etwa beim laufen-den personalisierten Anpassen von Google-Algorithmenan das individuelle Suchverhalten der Nutzer.34

2. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit des BigData ProcessingFast alle Kernbegriffe des Datenschutzrechts sind bezogenauf Big Data-Anwendungen entweder zu unscharf oderverhalten sich sogar absolut konträr dazu. Dies wird be-reits deutlich, wenn man Art. 8 Abs. 2 der EuropäischenGrundrechtecharta35 betrachtet.36 Die Vorschrift verlangt,dass personenbezogene Daten nach Treu und Glauben fürfestgelegte Zwecke und mit Einwilligung der Betroffenenoder auf gesetzlicher Grundlage unter Beachtung von Da-tenvermeidung und Datensparsamkeit verarbeitet werdenmüssen.Diese Regelungselemente werden in Art. 6 Abs. 1 EG-

Datenschutzrichtlinie37 näher aufgefächert, so in die Ver-pflichtung, personenbezogene Daten nur für festgelegteeindeutige und rechtmäßige Zwecke zu erheben und zuverarbeiten (Art. 6 Abs. 1 lit. a). Diese Datenerhebungenund Weiterverwendungen dürfen also nicht über diese beiVerarbeitungsbeginn vorgegebenen Zwecke hinausgehen(Art. 6 Abs. 1 lit. c und nur solange erfolgen, wie dies fürdie (vorab) festgelegten Zwecke erforderlich ist (Art. 6Abs. 1 lit. e).

a) Vorratsdatenverarbeitung

Grundsätzlich wirkt aber jede solche Zweckbindung fürpersonenbezogene Daten als Entwicklungshemmnis fürBig Data-Anwendungen. In ihnen werden möglichst gro-ße Datenmengen angesammelt, also möglichst viele Datenohne vorherige Zweckbindung anlassunabhängig auf Vor-rat gesammelt, da man schließlich bisher nicht bekannte

ITRB 1/2015 Big Data und der Schutz der Daten | Koch | Beiträge für die Beratungspraxis 15

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21 BITKOM-Leitfaden Big-Data-Technologien für Entscheider,a.a.O., S. 27.

22 Mainzer, Die Berechnung der Welt, 2014, S. 245.23 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 35.24 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 14.25 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 53.26 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 112.27 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 174.28 Deshalb erscheinen Ansätze wenig erfolgversprechend, Big Data-

Anwendungen im Sinne der Datensparsamkeit zu beschränken(Roßnagel, ZD 2013, 562), da sie ihr wichtigstes, konstitutivesMerkmal verlören und zu herkömmlichen Small Data-Anwen-dungen geschrumpft würden.

29 Mainzer, Die Berechnung der Welt, 2014, S. 239.30 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 13. Die Autorin weist übri-

gens auf den Umstand hin, dass nicht nur das Internet militäri-schen Ursprungs ist, sondern auch Big Data (wie sich an Aegis-,AWACS- oder (Euro-)Hawk-Drohnen-Systemen zeigt [Hofstet-ter, Sie wissen alles, 2014, S. 44 ff.]). Solche Systeme könnenmittlerweile automatisiert Entscheidungen und hieraus lernen.

31 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 14.32 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 98.33 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 98.34 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 105.35 Charta der Grundrechte der Europäischen Union v. 7.12.2013,

ABl. EU 2013 Nr. C 364, 1.36 Weichert, ZD 2013, 251 (254), nimmt diese Regelung als Aus-

gangsbasis und Maßstab für seine datenschutzrechtliche Kritik.37 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbei-tung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr,ABl. EG 1995 Nr. L 281, 31.

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Anwendungsmöglichkeiten sucht. Solche Big Data-An-wendungen sind deshalb, dem EuGH zufolge, EU-weitunzulässig.38

Mögliche zukünftige Verwendungen sollen durch algo-rithmische Analyse herausgefunden werden. Nur auf ei-ner sehr großen Datenbasis („Gesetz der großen Zahl“)lassen sich neue verborgene Korrelationen zwischen Da-ten und hieraus Chancen erkennen, dem Betroffenen aufder Basis von dessen Interessenprofil etwa den Abschlussneuer Verträge vorzuschlagen. Das Bilden großer Daten-bestände ohne Zweckbindung muss damit praeter legemerfolgen.Auch müssen die zu untersuchenden Daten von den

Zwecken abgekoppelt werden, für die sie in konkretenVertragsverhältnissen zu deren Erfüllung verwendet wer-den. Ein solches Zusammenführen unterschiedlicher Da-tenmengen in nicht zweckgebundene Datensammlungenerfolgt bereits selbst außerhalb der vorab gegenüber denBetroffenen festgelegten Zwecke. Nur für diese Zweckekönnen Betroffene feststellen, ob und unter welchen Be-dingungen ihre Daten verwendet werden sollen (§ 4aAbs. 1 Satz 2 BDSG),39 also offensichtlich nicht für Zwe-cke, die weder ihnen noch den datenverwendenden Stellenselbst bei Beginn des Big Data Processing bekannt sind.Das Sammeln und Zusammenführen solcher Verknüp-

fungen von aus zunächst unterschiedlichen Vertragsbezie-hungen gewonnenen Datenmengen kann nicht auf § 28Abs. 1 Nr. 1 BDSG gestützt werden, da es i.d.R. nicht zurErfüllung dieser konkreten Vertragsverhältnisse dient.Auch ein Rückgriff auf berechtigte Interessen der verant-wortlichen Stelle (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG) kommt nur inden Fällen in Betracht, in denen kein Grund für die An-nahme eines überwiegenden schutzwürdigen Interessesdes Betroffenen besteht. Ein solches schutzwürdiges Inte-resse des Betroffenen ist umso eher anzunehmen, je grö-ßer bzw. umfassender die Datensammlung ist, in die diekundenbezogenen Datensätze integriert werden sollen,also insb. bei Big Data-Anwendungen.Vorgeschlagen wurde, dass Big Data-Verarbeitungen

außerdem auf überwiegende Allgemeininteressen ge-stützt werden können sollten, auf die das BVerfG bereitsin seinem Volkszählungsurteil Bezug nahm.40 Jedoch setztein solcher Ansatz, gerade dem BVerfG zufolge, grund-sätzlich eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage derEinschränkung der Betroffenenrechte voraus; außerdem,dass der Eingriff zur Interessenwahrung unerlässlich istund besondere Vorkehrungen zur Geheimhaltung undAbschottung etwa für Personendatenbestände getroffensind. Auch wurde diese Abgrenzung vom BVerfG nur fürdie Verarbeitung durch öffentliche verantwortliche Stellenbehandelt, die tatsächlich öffentliche Aufgaben im All-gemeininteresse erfüllen. Zweifelhaft erscheint, ob manfür nichtöffentliche Datenverarbeiter wie Google oderAmazon überhaupt das Bestehen eines solchen Allgemein-interesses annehmen kann. Zumindest hebt die Größen-ordnung Big Data eine Personendatenverarbeitung alleinnoch nicht in den Stand eines Allgemeininteresses, das ge-genüber Betroffenenrechten stets überwiegen kann. BigData-Datenverarbeiter werden deshalb auch nicht generelldavon ausgehen dürfen, dass ein solches Allgemeininteres-

se eine informierte Einwilligung der Betroffenen in dieAnonymisierung der zu ihrer Person erhobenen Daten er-setzen kann – dies auch deshalb, weil im Big Data-Bereichbereits mit wenigen Variablen eine De-Anonymisierungmit weitreichenden Folgen für Betroffene durchgeführtwerden kann.Ergebnis: Vorratsdatenverarbeitung ohne Zweckbin-

dung nach der EuGH-Rechtsprechung ist auch und geradeim Bereich des Big Data-Processing grundsätzlich unzu-lässig.

b) Vorabinformation der Betroffenen

Betroffene sind über die gesamten beabsichtigten Ver-arbeitungen ihrer Daten zu informieren41 (§ 4a Abs. 1Satz 2 BDSG). Mit Big Data-Anwendungen (bzw. Auswer-tungen) soll aber auf der großen Datenbasis überhaupterst festgestellt werden, welche Verwendungen möglich(und wirtschaftlich vielversprechend) sind. Für Big Data-Anwendungen ist deshalb jeweils zu fragen, ob überhauptim Vorfeld ein Verarbeitungsvorgang genau umschriebenwerden kann,42 über den Vorabinformationen möglichwären. Die Unternehmen können schließlich nicht ein-fach mitteilen, dass sie ja selbst noch suchen. Weichertbringt es auf den Punkt:43

Praktisch unlösbare Probleme entstehen, wenn eine Big-

Data-Anwendung für eine unüberschaubare Zahl von Stel-

len mit nicht eindeutig bestimmten Daten für noch nicht

bestimmbare Zwecke evtl. erst nachträglich zur Ver-

fügung gestellt werden soll. ... Je offener ein Zweck fest-

gelegt wird, desto mehr Auswertungsmöglichkeiten kön-

nen sich eröffnen, desto risikobehafteter ist aber zugleich

auch die Verarbeitung für die Betroffenen.

Und umso eher, lässt sich ergänzen, würden die Betroffe-nen Informationen benötigen.

c) Informierte Einwilligung

Ohne ausreichende rechtzeitige Information der Betroffe-nen kann nicht davon ausgegangen werden, dass (etwamittels AGB) von diesen eingeholte Einwilligungen i.S.d.§§ 4 Abs. 1, 4a BDSG wirksam sind, da die Einwilligungs-erklärung sich auf noch (für alle Beteiligten) unbekannte

16 Beiträge für die Beratungspraxis | Big Data und der Schutz der Daten | Koch ITRB 1/2015

38 EuGH, Urt.v.8.4.2014 – Rs. C-293/12, Rs. C-594/12 – ITRB 2014,175. Diese Entscheidung greift nicht nur für Datensammlungendurch Sicherheitsbehörden ein, sondern auch für Datensamm-lungen nicht-öffentlicher Anwender, wenn sie Kommunikations-verhalten der Teilnehmer nachteilig beeinflussen können, etwain sozialen Netzwerken (Koch, ITRB 2014, 182 [184]). Aber auchsonstige nichtöffentliche Big Data-Anwendungen werden unzu-lässig sein, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ver-letzen.

39 Simitis, BDSG, 2014, § 4a Rz. 67.40 BVerfG, Urt. v. 25.7.1988 – 1 BvR 109/85, BVerfGE 65, 1 (44),

worauf Hackenberg in Hoeren/Sieber/Holznagel, HandbuchMultimedia-Recht, Lfg. März 2014, Kap. 16.7, Rz. 16, hinweist.

41 Simitis, BDSG, 2014, § 4a Rz. 69.42 Zur erforderlichen Bestimmtheit s. Simitis, BDSG, 2014, § 4a

Rz. 74.43 Weichert, ZD 2013, 251 (256).

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Ergebnisse (oder geheime Verfahren) beziehen müsste.44

Der Betroffene kann also meist nicht erkennen, in welcheVerarbeitungsvorgänge und -zwecke er einwilligen soll.Ein „informed consent“ für Big Data-Anwendungen wirddamit selten möglich sein. Ohne wirksame Einwilligungwird aber regelmäßig bereits das zweckunabhängige Erhe-ben und Verarbeiten aus verschiedensten Quellen einge-sammelter Datenmengen datenschutzrechtlich unzulässigsein.Ergebnis:Wollen verantwortliche Stellen durch Big Da-

ta-Processing selbst erst mögliche zukünftige Anwendun-gen herausfinden, ist naturgemäß eine VorabinformationBetroffener über diese Verarbeitungszwecke und deshalbeine informierte Entscheidung der Betroffenen über eineEinwilligung nicht möglich und jede Verwendung ihrerDaten unzulässig.

d) Verbinden von Datensammlungen als Erheben

Gleiches gilt im nächsten Schritt für das Zusammenfüh-ren der aus den verschiedenen Datenquellen extrahiertenDaten in Big Data-Anwendungen. Dieses Zusammenfüh-ren ist als ein eigenständiger Akt des Erhebens von Datenzu werten (§ 3 Abs. 3 BDSG).45 Die Übermittlung von Da-ten stellt regelmäßig eine Datenerhebung durch den Emp-fänger dar.46 Folgt man dieser Auffassung, muss die ver-antwortliche Stelle die hierdurch Betroffenen vor dieserZusammenführung der Datenbestände über die Zweck-bestimmung der Speicherung benachrichtigen (§ 33 Abs. 1Satz 1 BDSG). Das gilt jedenfalls vor der Speicherung dereinzelnen Datenbestände und deren Integration in denGesamtdatenbestand der Big Data-Anwendung, wenn dieeigenen Zwecke des Big Data-Verwenders nicht mit denender Verwender der einzelnen Datenbestände übereinstim-men. Das derartige Zusammenführen in Big Data-Anwen-dungen in Nicht-EU-Drittstaaten ist dabei generell unzu-lässig.Ergebnis: Bereits das Einfügen zweckgebunden ver-

arbeiteter Daten der Betroffenen in nicht zweckgebundeneBig Data-Sammlungen ist ohne wirksame Einwilligungder Betroffenen unzulässig.

e) Datenveränderung durch Kontextänderung

Man nimmt Datenbestände in Big Data-Anwendungenauf, um auf dieser erweiterten Datenbasis neue Erkennt-nisse zu gewinnen. Selbst wenn die Daten einzeln betrach-tet unverändert bleiben, kann doch die Kontextänderungzu einem veränderten Informationsgehalt des jeweiligenDatums führen47 und damit ein Verändern i.S.v. § 3Abs. 4 Nr. 2 BDSG darstellen, dessen Zulässigkeit getrenntzu prüfen ist. Daten werden bereits dadurch verändert,dass sie miteinander verknüpft und ausgewertet werden.48

Dies gilt erst recht, wenn die Anwendung wesentlich da-rauf abzielt, noch unbekannte (statistische) Korrelationenüberhaupt erst herauszufinden. Hier sind die erzielbarenInhaltsveränderungen bei Verarbeitungsbeginn noch un-bekannt – und damit auch noch kein Gegenstand einerwirksamen Einwilligung.Ergebnis: Ein solches Einfügen kann zudem bei den

eingefügten wie bei den bereits vorhandenen Daten zueinwilligungsbedürftigen Kontextveränderungen führen

und sogar eine De-Anonymisierung erleichtern oder garerst ermöglichen und ist ohne Einwilligung aller hiervonBetroffenen unzulässig.

f) Begrenzung auf die Erforderlichkeit für vorgegebene

Zwecke

Mit der Zweckbindung eng verbunden ist die Anfor-derung, dass personenbezogene Daten nur in dem Um-fang erarbeitet werden dürfen, der für das Erreichen eineskonkreten Zwecks erforderlich ist (§ 3a BDSG). Die hiergesetzlich formulierten Verpflichtungen zu Datenvermei-dung und Datensparsamkeit stellen gewissermaßen dasGegenprogramm zu allen Big Data-Anwendungen dar. Indiesen darf es gerade keine derartige Erforderlichkeitsprü-fung geben, da sonst das Analyseergebnis schon vorweg-genommen würde.49 Big Data-Anwendungen dürfen intechnischer Sicht nicht datensparsam sein.Man wird im Regelfall auch nicht auf eine Abwägung

berechtigter eigener Interessen der verantwortlichen Stellegegen schutzwürdige Interessen der Betroffen am Aus-schluss der Verarbeitung zurückgreifen können, da Zweckund Folgen der geplanten Verarbeitung nicht einmal kon-kret vorab beschrieben werden können, was regelmäßigfür ein Überwiegen der Schutzinteressen der Betroffenenspricht. Jedoch sieht das BDSG keine Sanktion gegen nichtsparsame Verarbeitung vor.Ergebnis: Nicht datensparsame Big Data-Verarbeitung

ist nicht bereits als solche unzulässig, wohl aber in demUmfang, in dem einwilligungsunabhängig auf Daten Be-troffener zugegriffen wird.

g) Prognose und Steuerung zukünftiger Kundenent-

scheidungen

Ein besonderes Risiko von Big Data-Anwendungen be-steht in einem Paradigmenwechsel: Man analysiert nichtmehr Daten, um herauszufinden, was ist, sondern manprognostiziert, was wahrscheinlich sein wird, und gestaltetanbieterseits Leistungsangebote, indem bspw. gewünschteKundenentscheidungen belohnt werden (etwa durch re-duzierte Versicherungsprämien). Jedoch verbietet es § 6aBDSG, Entscheidungen mit rechtlichen Folgen für Betrof-fene ausschließlich auf automatisierte Verarbeitung per-sonenbezogener Daten zu stützen; dies muss erst recht fürEntscheidungen gelten, die auf der Basis von Big Data-An-wendungen in autonom arbeitenden Rechnern getroffenwerden.Ergebnis: Auch und gerade Entscheidungen durch au-

tonome Rechner in Big Data-Anwendungen, die recht-liche Auswirkungen für Betroffene haben können (z.B.Verweigerung einer Kreditgewährung allein nach Wohn-ortanalyse), sind unzulässig.

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44 Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 153.45 So etwa Simitis, BDSG, 2014, § 3 Rz. 115, für das Erfassen von

Verbindungsdaten in der Telekommunikation.46 Schreiber in Plath, BDSG, 2012, § 3 Rz. 31.47 Simitis, BDSG, 2014, § 3 Rz. 141.48 Schreiber in Plath, BDSG, 2012, § 3 Rz. 37.49 S. etwaWeichert, ZD 2013, 251 (256).

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h) Transparenz

Unter „Transparenz“ wird seit dem Volkszählungsurteil50

das Erfordernis verstanden, dass die Verarbeitung der Da-ten mit zumutbarem Aufwand nachvollzogen, überprüftund bewertet werden kann.51 Bei Big Data-Anwendungenwerden zumeist gerade die Kernelemente dieser Anwen-dungen, nämlich die Auswertungsalgorithmen, von densie nutzenden Unternehmen geheim gehalten.52 Der Be-troffene kann also nicht in Erfahrung bringen, auf welcheWeise welche Daten mit Bezug auf ihn generiert und aus-gewertet werden. Big Data-Anwendungen sind deshalbzumeist inhärent intransparent, aber allein durch diese In-transparenz noch nicht unzulässig.

i) Ausweg Anonymisierung?

Personenbezug besteht und Datenschutzrecht ist anwend-bar, wenn aus Einzelangaben eine (natürliche) Person be-stimmt werden kann (etwa durch eine Namensnennung)oder zumindest bestimmbar ist (§ 3 Abs. 1 BDSG). Geradediese Bestimmbarkeit wird in Big Data-Anwendungenproblematisch. Big Data-Anwendungen ermöglichen es inbisher nicht bekanntem Umfang, mit algorithmischenVerfahren anonymisierte Daten zu de-anonymisieren. Inder herkömmlichen Welt der „Small Data“-Anwendungenwar das Rückerschließen des Personenbezugs mit unver-hältnismäßigem wirtschaftlichen Aufwand für die verant-wortliche Stelle verbunden. Dieses Regel-Ausnahme-Ver-hältnis kehrt sich im Bereich der Big Data-Anwendungenum. Die Betreiber solcher Anwendungen können durchRückgriff auf riesige Datenbasen wesentlich leichter (wennnicht sogar fast immer) anonyme Daten selbst aus demmedizinischen Bereich hinsichtlich des Personenbezugsrückerschließen. Kurz gefasst: Big Data-Anwendungen er-lauben in den meisten Fällen, aus anonymen Daten wiederbestimmbare Daten zu machen. Schon wenige Variablenkönnen hierfür ausreichen.53 Hier wurde sogar gezeigt,dass mit dem Anwachsen der kursierenden Daten dieIdentifizierungswahrscheinlichkeit steigt und Anonymität„algorithmisch unmöglich“ wird.54 Hieran könnten Ansät-ze scheitern, vertraglich oder legislatorisch ein Verbot der(Re-)Individualisierung durchzusetzen.55

Teilweise wird unverändert in einem BITKOM-Leitfa-den vertreten, dass nur im Einzelfall festgestellt werdenkann, ob der zur De-Anonymisierung erforderliche Auf-wand für eine verantwortliche Stelle unverhältnismäßigist.56 Der Leitfaden kommt aber zugleich zu dem Ergebnis,dass auch Unternehmen, die Big Data-Anwendungen be-treiben, die Einhaltung von Datenschutzrecht gewährleis-ten müssen; hierfür seien Maßnahmen zu ergreifen, dieDe-Anonymisierung verhindern. Damit tragen die an-wendenden Unternehmen das volle haftungsrechtlicheund beweislastbezogene Risiko, rechtzeitig ausreichendeMaßnahmen zur Verhinderung der De-Anonymisierungzu treffen.57

Konsequenz dieser Auffassung ist freilich, dass jedeVerarbeitung von Big Data Datenschutzrecht unterliegt,wenn auch nur einzelne Elemente dieser Big Data-Samm-lungen Personenbezug aufweisen oder für diese Re-Identi-fizierung geeignet sind. Gerade im Bereich der Verarbei-tung etwa in sozialen Netzwerken oder im geschäftlichen

Bereich wird deshalb Big Data-Verarbeitung regelmäßigDatenschutzrecht folgen müssen. Zudem sind auch per-sonenbezogene oder -beziehbare Prognosewerte Datenmit Personenbezug, die Datenschutzrecht folgen müssenund Auskunftsrechte begründen.Ergebnis: In Big Data-Anwendungen ist De-Anonymi-

sierung mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich oder sogaralgorithmisch unmöglich.

j) Verhaltensprognosen durch Scoring

Die Bonitätsbeurteilung von Kunden, das sog. Scoring,darf weder vollständig noch teilweise mittels Big Data-An-wendungen durchgeführt werden. Seit dem 1.4.2010 ist§ 28b BDSG auf das Scoring anzuwenden. § 28b BDSG er-fasst alle auf Vertragsverhältnisse bezogene Entscheidun-gen, die auf Prognosen zukünftigen Verhaltens von Kun-den aufbauen.58 Werden beim Scoring wissenschaftlichanerkannte mathematisch-statistische Verfahren einge-setzt, so etwa die in Big Data-Anwendungen implemen-tierten Auswertungsalgorithmen, müssen die Betroffenennach § 28b Nr. 4 BDSG vor Berechnung des Wahrschein-lichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung unterrichtetwerden; außerdem ist diese Unterrichtung zu dokumen-tieren. Zu unterrichten ist nicht nur über die Art der ge-nutzten Daten, sondern auch über deren Relevanz und de-ren Berechnung.59 Allerdings hat der BGH sowohl dieScoreformel als auch eingeflossene allgemeine Rechengrö-ßen als Geschäftsgeheimnis eingeordnet, dessen SchutzVorrang vor dem Schutz der Betroffenendaten hat.60

Genau diese vorgelagerte Unterrichtungspflicht wirdaber meist nicht erfüllt werden können, wenn bei Analyseder Massendaten einer großen Anzahl von Betroffenen je-der von ihnen vorab unterrichtet werden muss. Der finan-zielle Aufwand würde meist alle erhofften finanziellenVorteile durch Optimierungsmaßnahmen aufzehren. Diesgilt insb., wenn auch (und vor allem) Daten von Betroffe-nen erfasst werden, zu denen keine Vertragsbeziehungenbestehen, und wenn nicht auf AGB zurückgegriffen wer-

18 Beiträge für die Beratungspraxis | Big Data und der Schutz der Daten | Koch ITRB 1/2015

50 S. Fn. 40.51 Weichert, ZD 2013, 251 (257).52 Weichert, ZD 2013, 251 (257), der die Gefahr einer nicht trans-

parenten und unkontrollierten Nutzung der Ergebnisse sieht.53 So etwa bei der Ermittlung eines anonymen Erbgutspenders al-

lein aus Metadaten (Mainzer, Die Berechnung der Welt, 2014,S. 236).

54 Müller, Der Spiegel Nr. 20/2013, 64 (74), unter Bezug auf Ergeb-nisse von Narayanan in „Scientific Reports“. Ähnlich Mayer-Schönberger/Cukier, Big Data, 2013, S. 155.

55 Hierfür etwa Roßnagel, ZD 2013, 562.56 BITKOM-Leitfaden Management von Big-Data-Projekten, www.

bitkom.org/files/documents/Leitfaden_big_data2013_web.pdf,S. 30.

57 BITKOM-Leitfaden Management von Big-Data-Projekten,a.a.O., S. 30.

58 Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, § 28b BDSGRz. 18 ff.

59 Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, § 28b BDSG Rz. 32.60 BGH, Urt. v. 28.1.2014 – VI ZR 156/13, CR 2014, 364 = ITRB

2014, 100; krit. Engels mit dem Hinweis, dass das Zustandekom-men der Wahrscheinlichkeitswerte im Einzelfall zu beauskunftenist.

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den kann. Vor allem muss transparent werden, auf welcheWeise Bonitätsbeurteilungen generiert werden. Dies mussin den Fällen scheitern, in denen die verantwortliche Stellebei Beginn des Laufs der Anwendung selbst noch nichtweiß, welche statistischen Korrelationen von Big Data-Be-ständen gewonnen werden können.Ergebnis: Die vorgängige Unterrichtung wird vor allem

dann projektspezifisch problematisch, wenn man die Un-terrichtung als zulässigkeitsbegründend ansieht; dannmacht bereits das Fehlen der Unterrichtung als solches dieBig Data-Anwendung unzulässig.61 Zudem ist die Nicht-unterrichtung bußgeldbewehrt (§§ 43 Abs. 1 Nr. 8a, 34Abs. 2 Satz 2 BDSG).

3. Rechte der Betroffenen gegenüber Big Data-AnwendungenZunächst ist festzuhalten, dass der Datenschutz für per-sonenbezogene Daten nicht dadurch entfällt, dass beson-ders viele Daten verarbeitet oder neue Auswertungstech-niken eingesetzt werden. Im Gegenteil werden hier Daten-schutz und Betroffenenrechte noch dringender benötigt.

a) Benachrichtigung

Werden Daten von Betroffenen in einer Big Data-Anwen-dung erstmals gespeichert, müssen die Betroffenen be-nachrichtigt werden (§ 33 Abs. 1 BDSG). Eine erstmaligeSpeicherung ist nicht nur anzunehmen, wenn die Per-sonendaten überhaupt erstmals in einem Computer ge-speichert werden, sondern auch, wenn sie in einer bisherzweckgebunden betriebenen Datenbank einer verantwort-lichen Stelle verwendet wurden, aber diese Datensamm-lungen nun in die Big Data-Anwendung einer anderenverantwortlichen Stelle übernommen werden. Die Über-tragung an die andere verantwortliche Stelle ist eine Über-mittlung und grundsätzlich einwilligungsbedürftig, wenndurch diese Übermittlung keine Erfüllung konkreter Ver-träge mit den Betroffenen erfolgt.

BeispielDer Datenbank, aus der übertragen wird, lässt sich ent-

nehmen, welcher Kunde welches Produkt zu welchem

Preis bestellt hat. Aus der Big Data-Bank eines Dienstleis-

ters, in die übertragen wird, soll hingegen vorauszusagen

sein, welche weiteren Produkte der Kunde alsbald bestel-

len wird. Hier wird der bisherige Verarbeitungszweck ge-

ändert bzw. es entfällt ein konkreter Zweck, da er durch

wahrscheinlichkeitsbasierte Prognosen ersetzt wird. Von

dieser Veränderung von der Verarbeitung vorhandener

Daten zur Prognoseerarbeitung möglicher zukünftiger Da-

ten – sowie über den möglichen Wechsel der verantwort-

lichen Stelle und damit des Anspruchsadressaten – muss

der Betroffene benachrichtigt werden.

Ergebnis: Sollen aus zweckbezogen (etwa zur Vertrags-erfüllung) verarbeiteten Daten Betroffener Prognosenüber deren mögliche zukünftige Entscheidungen gewon-nen werden, so müssen diese Betroffenen von dieserZweckänderung der Verarbeitung benachrichtigt werden.Ohne derartige Benachrichtigung ist die Verarbeitungnicht unzulässig, es wird aber ein Bußgeld verwirkt.

b) Auskunft

Jeder Betroffene kann Auskunft über alle zu seiner Persongespeicherten Daten verlangen (§ 34 Abs. 1 BDSG). Dieskann bei Big Data-Anwendungen zu erheblichen Proble-men führen. Die Big Data-Anwendung muss nämlich soausgelegt werden, dass in ihr alle gespeicherten Daten zurPerson eines Betroffenen auch gefunden werden können.Die in diesen Anwendungen eingesetzten Auswertungs-algorithmen suchen oft nur nach verborgenen Zusam-menhängen, nicht aber nach einzelnen personenbezoge-nen Datensätzen.Wichtiger noch: Ist im Big Data-System etwa nicht nur

gespeichert, welche Käufe ein Kunde beim Betreiber getä-tigt hat, sondern auch, welche Prognose über sein zukünf-tiges Konsumverhalten erstellt wurde, so ist auch diesePrognose ein personenbezogenes Datum und zu beaus-kunften.62

Bei Big Data-Anwendungen weitet sich also der Bereichder Daten aus, zu denen der Betroffene Auskunft verlan-gen kann. Die verantwortliche Stelle muss damit über allestatistische Korrelationen Auskunft erteilen, die in einerAnwendung enthalten sind, und zwar auch über solcheKorrelationen, die vom Betreiber der Anwendung nochnicht analysiert wurden. Auch sind Betroffenen (parado-xerweise) Daten über zukünftige erwartete Kaufentschei-dungen zu nennen. Sie sind damit darüber zu unterrich-ten, mit welchen zukünftigen Kaufentscheidungen die ver-antwortliche Stelle rechnet. Nicht immer wird dies die Be-troffenen motivieren, dann auch tatsächlich erwartungs-konform zu entscheiden.Bei dynamischen („nichtstationären“) Anwendungen,

in denen sich Daten laufend ändern können,63 werdenverlangte Auskünfte zudem meist veraltet sein, bevor siedem Betroffenen auch nur mitgeteilt wurden. AktuelleAuskünfte sind hier nicht mehr möglich.Ergebnis: Aktuelle Auskünfte aus Big Data-Sammlun-

gen sind in vielen Fällen schon technisch bedingt nichtmöglich; hierdurch verletzen Big Data-Anwendungen ten-denziell Auskunftsrechte der Betroffenen.

c) Berichtigung, Sperrung und Löschung

Big Data-Anwendungen müssen auch zur Erfüllung vonAnsprüchen der Betroffenen auf Berichtigung, Sperrungoder Löschung ihrer Daten ausgelegt sein. Diese Aktionenkönnen teilweise durchaus nichttrivial sein. Zu erfassensind nämlich nicht nur Daten zur Person als solcher, son-dern auch alle Verknüpfungen mit Bezug zur jeweiligenPerson, die in der Auswertung durch die Anwendung ge-neriert und gespeichert werden. Offen erscheint, in wel-chem Umfang etwa statistische Korrelationen korrigiertwerden können bzw. müssen, so z.B. Daten in gruppen-bezogenen Social-Graph-Dateien. Jede solche Herausnah-me von bestimmten personenbezogenen Daten kann Aus-wirkungen auf die Daten der anderen Beteiligten haben

ITRB 1/2015 Big Data und der Schutz der Daten | Koch | Beiträge für die Beratungspraxis 19

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61 Kamlah in Plath, BDSG, 2012, § 28b Rz. 36.62 Hierfür etwa Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 292.63 Hofstetter, Sie wissen alles, 2014, S. 106.

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20 Beiträge für die Beratungspraxis | Bewertungsportale und Online Reputation Management |Wienen ITRB 1/2015

und diesen gegenüber Benachrichtigungspflichten aus-lösen.Die verantwortliche Stelle muss Daten, die nicht mehr

für den ursprünglichen Verwendungszweck benötigt wer-den, möglichst frühzeitig löschen oder jedenfalls sper-ren,64 darf sie also gerade nicht einfach nur in eine Big Da-ta-Anwendung zur späteren Auswertung kopieren. SolcheLöschpflichten können breite Schneisen in die Big Data-Anwendung schlagen, insb., wenn alle Korrelationen derDaten untereinander mit zu löschen bzw. sperren sind.Ergebnis: Können verantwortliche Stellen Daten der

Betroffenen nicht an allen Speicherstellen in der Anwen-dung berichtigen, sperren oder löschen, werden hierdurchBetroffenenrechte in ihrem Kernbereich verletzen undsind derartige Anwendungen unzulässig.

4. Grundrechtsverletzungen durch Big Data-An-wendungenBig Data-Verarbeitungen personenbezogener Daten ver-letzen Grundrechte der Betroffenen, wenn Datenschutz-rechte anwendungsspezifisch bedingt nicht geltend ge-macht werden können. Das ist etwa der Fall, wenn dieverantwortlichen Stellen ohne umfassende Auswertungenselbst nicht feststellen und beauskunften können, in wel-chen (verborgenen) statistischen Korrelationen welchepersonenbezogenen Daten inkorporiert sind, und es gilterst recht, wenn sie nicht einmal wissen (können), zu wel-chen Ergebnissen dynamisch interagierende autonome,proaktive Maschinen gelangen.Auf der Ebene des deutschen Datenschutzrechts führt

dieser Kontrollverlust zu einer Verletzung des Rechts derBetroffenen auf informationelle Selbstbestimmung65 inseinem Wesenskern.Für das EU-Recht muss mit dem EuGH66 eine Verlet-

zung der EU-Charta-Grundrechte der Betroffenen aufAchtung des Privat- und Familienlebens (Charta Art. 7)und auf Schutz personenbezogener Daten (Charta Art. 8)angenommen werden, wenn die Verarbeitung grenzüber-schreitend erfolgt. Der EuGH stellt fest, dass diese Rechte

grundsätzlich wirtschaftliche Interessen derjenigen über-wiegen, die diese Verarbeitung durchführen. Dies ziehtklare Schranken für mögliche Überlegungen, Daten-schutzrecht mit den Erfordernissen der Big Data-Anwen-der kompatibel zu machen, also schutzreduzierend aus-zulegen.

5. Zukünftiges DatenschutzrechtAuch der Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung(DS-GVO-E) führt zu keiner grundsätzlichen Änderungder oben dargestellten Ergebnisse. Insb. die Anforderun-gen an die gesetzmäßige und zweckbezogene Verarbeitungwerden unverändert weiter gelten. Eine Freistellung derBig Data-Anwendungen von diesen Anforderungen istder DS-GVO-E nicht zu entnehmen und wäre wohl auchkaum mit der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbaren. So-weit im Rahmen solcher Anwendungen Profiling erfolgenund hierauf gestützte Maßnahmen getroffen werden sol-len, schließt Art. 20 Abs. 1 DS-GVO-E sogar ausdrücklichsolche rein automatisierten Entscheidungen über Maß-nahmen aus.Außerdem wird Art. 33 Abs. 1 DS-GVO-E die für die

Verarbeitung Verantwortlichen zu einer vor Verarbei-tungsbeginn durchzuführenden Datenschutzfolgen-abschätzung verpflichten, wenn die jeweilige Verarbeitungdurch ihren Umfang konkrete Risiken für die Rechte undFreiheiten betroffener Personen birgt. Für Big Data-An-wendungen werden solche Folgenabschätzungen wohl inden meisten Fällen durchzuführen sein, wenn in der An-wendung geplant ist, Zweckbindungen aufzuheben, wennweiter keine informierten Einwilligungen möglich sindoder De-Anonymisierungen wahrscheinlich oder gar algo-rithmisch unvermeidlich sind.

Bewertungsportale und Online Reputation Management

Gegenstand und Auswirkungen der BGH-Entscheidung v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Ärztebewertungsportal

von Amrei Viola Wienen*

Der gute Ruf im Internet hat angesichts der Zulässigkeitvon Bewertungsportalen im Netz eine wachsende wirt-schaftliche Bedeutung. Obwohl der BGH mit Bewertungenverbundene Missbrauchsgefahren einräumt, hat er den An-spruch eines Arzts auf Löschung von Profil und Bewertun-gen in einem Bewertungsportal verneint. Denn der Bewer-tete sei der Missbrauchsgefahr nicht schutzlos ausgeliefert,da er von dem Portalbetreiber die Löschung unwahrer Tat-sachenbehauptungen und beleidigender oder sonst unzuläs-

siger Bewertungen verlangen könne. Der Beitrag schildertdie Rechtslage im Sinne einer Grundlage für konstruktivesOnline Reputation Management.

64 Schreiber in Plath, BDSG, 2012,§ 3a Rz. 10.65 Das vom BVerfG in seinem Volkszählungsurteil entwickelt wur-

de, s. Fn. 40.66 EuGH, Urt. v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12 – Google Spain, CR

2014, 460 = ITRB 2014, 150.

* Die Autorin ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Urheber- undMedienrecht und zertifizierte Wirtschaftsmediatorin (IHK) inBerlin.

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I. Entscheidung des BGHEin niedergelassener Arzt ging dagegen vor, dass er in ei-nem Ärztebewertungsportal mit akademischem Grad, Na-men, Fachrichtung und Praxisanschrift verzeichnet undvon Nutzern bewertet worden war. Der BGH hat entschie-den, dass ein Anspruch auf Löschung seiner Daten aus ei-nem Ärztebewertungsportal nicht besteht (BGH, Urt. v.23.9.2014 – VI ZR 358/13).1

1. Datenerhebung, -speicherung, -nutzung und -über-

mittlung

Personenbezogene Daten müssen nur gelöscht werden,wenn ihre Speicherung unzulässig ist, § 35 Abs. 2 Satz 2Nr. 1 BDSG. Die Speicherung bewertete der BGH jedochals nach § 29 BDSG zulässig.2 Dass Bewertungsportale ansich grundsätzlich zulässig sind, steht seit der Entschei-dung des BGH zu einem Lehrerbewertungsportal fest, aufdie sich das Gericht hier bezieht.3

Die Portalbetreiberin stellte in ihrem Portal personen-bezogene Informationen, d.h. Bewertungen in Form vonNoten und Freitextkommentaren, zum Abruf zur Ver-fügung. Damit war die Übermittlung dieser Daten an Nut-zer des Portals und die dafür erforderliche Datenerhebungund -speicherung unmittelbarer Zweck des Portalbetriebsund mithin Gegenstand der Tätigkeit der Portalbetreibe-rin. Die Datenerhebung und Datenspeicherung erfolgteauch geschäftsmäßig gem. § 29 BDSG, da die Tätigkeit aufWiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer ange-legt war. Die Datenübermittlung an die Nutzer war nach§ 29 Abs. 2 BDSG erlaubt.4

2. Interessenabwägung

Es bestand nach Ansicht des BGH kein Grund zur Annah-me eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschlussder Datenerhebung und -speicherung des Bewerteten, wieeine Abwägung des Rechts auf informationelle Selbst-bestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem Recht auf Kommunika-tionsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRKergab.5

Zwar sei der Arzt durch die Aufnahme in das Bewer-tungsportal in seinem Recht auf informationelle Selbst-bestimmung berührt. Zudem sei er in seinem aus Art. 12Abs. 1 GG geschützten Recht auf freie Berufsausübung be-troffen. Die Aufnahme in das Bewertungsportal zwingeden Arzt dazu, sich in dem von der Portalbetreiberin vor-gegebenen Rahmen einer breiten Öffentlichkeit präsentie-ren zu lassen und sich – unter Einbeziehung von Bewer-tungen medizinisch unkundiger Laien – einem Vergleichmit anderen im Portal aufgeführten Ärzten zu stellen. DieAufnahme in das Portal könne erhebliche Auswirkungenauf seine beruflichen Chancen und seine wirtschaftlicheExistenz haben.6 Auf der anderen Seite schütze Art. 5Abs. 1 Satz 1 GG auch den Kommunikationsprozess alssolchen. Deshalb könne die Mitteilung einer fremden Mei-nung oder Tatsachenbehauptung selbst dann in denSchutzbereich des Grundrechts fallen, wenn der Mitteilen-de sich diese weder zu eigen mache noch sie in eine eigeneStellungnahme einbinde. Die Portalbetreiberin sei inso-weit „unverzichtbare Mittlerperson“, als sie den Austausch

über Behandlungserfahrungen bei konkreten Ärzten unternicht persönlich miteinander bekannten Personen erst er-mögliche.Es sei auch die Meinungs- und Informationsfreiheit

der Portalnutzer berührt. Zudem würde die Portalbetrei-berin durch eine Pflicht zur Löschung von Einträgen inder Ausübung ihres Gewerbes beschränkt und damit imSchutzbereich der auch ihr als juristischer Person des Pri-vatrechts zustehenden Berufsausübungsfreiheit betroffen.

a) Bewertungsfolgen

Der BGH schloss sich dem Hinweis der Revision an, dasses sich bei den Ärztebewertungen im Gegensatz zu denBewertungen von Lehrkräften in einem Schülerportalnicht nur um „substanzarme“, den Arzt in seiner Personund in seiner beruflichen Entwicklung nur mäßig beein-trächtigende Daten handelt. Im Gegensatz dazu könntendie Bewertungen nicht nur erhebliche Auswirkungen aufden sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arz-tes haben. Sie könnten vielmehr auch die Arztwahl be-handlungsbedürftiger Personen beeinflussen und sich da-durch unmittelbar auf die Chancen des Arzts im Wett-bewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Fallnegativer Bewertungen sogar seine berufliche Existenz ge-fährden.Der BGH weist auf die erhebliche Breitenwirkung des

Ärztebewertungsportals hin, da jeder Internetnutzer dieDaten abrufen kann und die Daten über Suchmaschinenleicht auffindbar sind, was das Gewicht der Persönlich-keitsrechtsbeeinträchtigung weiter verstärkt.7 Insb. könneüber Suchmaschinen auch ein Internetnutzer mit Bewer-tungen eines bestimmten Arzts konfrontiert werden, dernach ganz anderen Informationen, etwa nach Sprechzei-ten oder Anschrift, suche.Außerdem weist der BGH auf die Gefahr eines Miss-

brauchs des Portals durch Bewerter hin.8 So bestehe auf-grund der den Nutzern von der Portalbetreiberin einge-räumten Möglichkeit, Bewertungen auch im Freitext zuverfassen, die Gefahr, dass über das Portal unwahre, belei-digende oder sonst unzulässige Aussagen bzgl. eines Arztsins Netz gestellt würden – wobei die Möglichkeit, Bewer-tungen verdeckt abzugeben, diese Gefahr noch verstärke.Zwar sei die vorherige Registrierung Voraussetzung fürdie Abgabe einer Bewertung, dafür sei aber keine Angabe

ITRB 1/2015 Bewertungsportale und Online Reputation Management |Wienen | Beiträge für die Beratungspraxis 21

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1 Wienen, ITRB 2014, 245.2 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 22 ff.; so auch LG Kiel v.

6.12.2013 – 5 O 372/13, ITRB 2014, 156 = RDV 2014, 217; OLGFrankfurt v. 8.3.2012 – 16 U 125/11, CR 2012, 399 = ITRB 2012,151.

3 BGH v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, CR 2009, 593 = ITRB 2009,195, vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfGv. 16.8.2010 – 1 BvR 1750/09).

4 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 44 ff.5 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 24 ff..6 Zu den gesellschaftlichen Risiken des Erfassens, Analysierens

und Vergleichens des Menschen s. auch Schirrmacher, Ego: DasSpiel des Lebens, 3. Aufl. 2013, S. 141.

7 Unter Verweis auf EuGH v. 13.5.2014 – Rs. C-131/12, CR 2014,460 = ITRB 2014, 150.

8 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 34.

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des Klarnamens erforderlich. Die Angabe einer E-Mail-Adresse, auf die der Registrierende Zugriff habe, genüge.Auch Mehrfachbewertungen durch eine und dieselbe Per-son und Bewertungen ohne realen Behandlungshinter-grund seien denkbar.

b) Sozialsphäre

Andererseits beträfen die Bewertungen lediglich die Sozi-alsphäre9 des Arzts.10 Dass sich der Einzelne hier wegender Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, vonvornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durcheine breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leis-tungen einstellen müsse, gelte insb. bei freiberuflich täti-gen Ärzten. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäredürften nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen aufdas Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen ver-knüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung,soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgenwäre.

c) Abwehroptionen

Im Übrigen sei der Arzt den Missbrauchsgefahren desPortals nicht schutzlos ausgeliefert; er könne unwahrenTatsachenbehauptungen und beleidigenden oder sonstunzulässigen Bewertungen dadurch begegnen, dass er sichunter Bezugnahme auf den jeweiligen Eintrag an die Por-talbetreiberin wende und dort die Beseitigung des Eintragsverlange.11

d) Ergebnis

Die dargestellten Beeinträchtigungen der berechtigten In-teressen des Arztes wögen nicht schwerer als das Rechtdes Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit.12 Es seivon einem ganz erheblichen Interesse auszugehen, das dieÖffentlichkeit an Informationen über ärztliche Dienstleis-tungen habe. Das Portal könne dazu beitragen, dem Pa-tienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationenzur Verfügung zu stellen, um einen Arzt frei zu wählen.Daran ändere es nichts, dass es u.U. auch andere Informa-tionsquellen gebe, wie etwa persönliche Erfahrungen vonBekannten oder bei Fachärzten die Einschätzung des vomPatienten ggf. zuvor konsultierten Hausarzts.Der grundsätzlichen Eignung des Portals, zu mehr Leis-

tungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen, ste-he es nicht entgegen, dass die eingestellten Bewertungentypischerweise nicht von Fachleuten herrührten und sub-jektiv geprägt seien. Auch wenn wertende Aussagen zurmedizinischen Qualität einer Behandlung fachlichenMaßstäben, die der Laie nicht kenne, häufig nicht entsprä-chen und im Einzelfall etwa von einem vom behandeln-den Arzt nicht zu vertretenden Ausbleiben des – von ihmauch nicht geschuldeten – Heilungserfolgs geprägt seien,könne das Portal trotzdem eine sinnvolle Ergänzung derbisherigen Informationsquellen sein.

II. Auswirkungen des Urteils

1. Krisenmanagement

Ob tatsächlich eine Optimierung des Gesundheitswesensdurch Bewertungsportale erreicht wird, ist in Zweifel zu

ziehen. Auch wenn positive Bewertungen den Bewertetenwirtschaftlich voranbringen können, ist das Risiko, durchnegative Bewertungen Schaden zu erleiden, hoch. Bereitsjetzt beklagen Klinikdirektoren und niedergelassene Ärzte,dass es im Zusammenhang mit positiven Bewertungenhäufig weniger um gute ärztliche Leistungen geht, sondernsie auf erfolgreichem Marketing beruhen. In der Praxis istzu beobachten, welche Kettenreaktionen und Prangerwir-kung schlechte Bewertungen für Ärzte bedeuten können,auch wenn sie zuvor gute Bewertungen erzielt haben.Im Übrigen muss der Arzt, der eine unzulässige Nega-

tivbewertung entdeckt, zur Abwehr der Bewertung tätigwerden und dazu Zeit und Geld investieren. Ihm stehenim Online Reputation Management13 Tätige zur Seite. Bisdie Bewertung aus dem Netz entfernt ist, kann jedoch be-reits nachhaltiger Schaden entstanden sein: Semper ali-quid haeret.14

Für Betreiber von Bewertungsportalen gelten die indem Blogeintrag-Urteil15 dargestellten Grundsätze16 derStörerhaftung entsprechend.17 Denn Betreiber von Bewer-tungsplattformen fungieren als Hostprovider, d.h. sie hal-ten als Anbieter fremde Inhalte auf ihrem Portal für ande-re Nutzer bereit, ohne sich diese zu eigen zu machen, undkönnen lediglich als Störer in Anspruch genommen wer-den.18 Die Störerhaftung setzt die Verletzung zumutbarerPrüfpflichten voraus. Der Hostprovider ist ab Kenntnisvon der Rechtsverletzung verantwortlich. Wenn ein Be-troffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Per-sönlichkeitsrechts hinweist, kann der Hostprovider alsStörer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungenzu verhindern. Wie in dem Blog-Eintrag-Urteil aus-geführt, ist ein Tätigwerden des Hostproviders nur ver-anlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass derRechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des

22 Beiträge für die Beratungspraxis | Bewertungsportale und Online Reputation Management |Wienen ITRB 1/2015

9 BGH v. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 35.10 Allerdings gibt es nach den Ausführungen des BVerfG unter den

Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein „be-langloses“ Datum mehr, da Nutzbarkeit und Verwendungsmög-lichkeit von Daten entscheidend sind und diese einerseits vondem Zweck, dem die Erhebung dient, und andererseits von dender Informationstechnologie eigenen Verarbeitungs- und Ver-knüpfungsmöglichkeiten abhängen; so kann schließlich ein fürsich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert bekom-men (BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83).

11 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Rz. 36.12 BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13.13 Unter Online-Reputationsmanagement oder auch Online Repu-

tation Management (Akronym ORM) wird die Überwachungund Beeinflussung des Rufs einer Person, einer Organisationoder eines Produkts in digitalen Medien verstanden, http://de.wi-kipedia.org/wiki/Online-Reputationsmanagement.

14 Etwas bleibt immer hängen.15 BGH v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103 = ITRB 2012,

28 = NJW 2012, 148.16 Vgl. zu der Anwendbarkeit der Grundsätze in Bezug auf Bewer-

tungsportale Hoene in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl.2013, § 16 Rz. 170.

17 BGH v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13, CR 2014, 597, verweist in Be-zug auf Unterlassungsansprüche gegen Bewertungen in Ärztebe-wertungsportalen auf BGH v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR2012, 103 = ITRB 2012, 28 = NJW 2012, 148.

18 LG Düsseldorf v. 9.4.2013 – 5 O 141/12.

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Betroffenen unschwer – d.h. ohne eingehende rechtlicheund tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.Regelmäßig muss zunächst die Beanstandung des Be-

werteten an den Verfasser der Bewertung zur Stellungnah-me weitergeleitet werden. Wenn eine Stellungnahme in-nerhalb einer nach den Umständen angemessenen Fristausbleibt, ist von der Berechtigung der Beanstandung aus-zugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen.19

Wenn der Verfasser der Bewertung die Berechtigung derBeanstandung substantiiert in Abrede stellt und sich des-halb berechtigte Zweifel ergeben, ist der Portalbetreibergrundsätzlich gehalten, dem Bewerteten dies mitzuteilenund ggf. Nachweise zu verlangen, aus denen sich die be-hauptete Rechtsverletzung ergibt. Sofern eine Stellungnah-me des Bewerteten ausbleibt oder er erforderliche Nach-weise nicht vorlegt, ist eine weitere Prüfung nicht ver-anlasst. Wenn sich aus der Stellungnahme des Betroffenenoder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichti-gung einer etwaigen Äußerung des Verfassers der Bewer-tung eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeits-rechts ergibt, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

2. Streisand-Effekt

Bei der Abwehr von Negativbewertungen ist zudem dieGefahr des „Streisand-Effekts“ zu berücksichtigen: Inhalt,der im Internet unterdrückt werden soll, verbreitet sicherst recht.20 Durch das Vorgehen gegen eine Negativbe-wertung auf einem Portal sieht sich der Autor der Bewer-tung dazu provoziert, seinem Unmut in anderen Netzwer-ken Luft zu machen. Das Vorgehen gegen Negativbewer-tungen setzt daher einen weiteren Blick als reines „klassi-sches“ anwaltliches Prozesshandeln voraus. Alle (auch ge-richtlichen) Register zu ziehen, kann im Einzelfall unange-bracht sein und die Situation deutlich verschärfen. Bewer-tungsportal-Reputationsmanagement setzt daher zusätzli-ches Wissen aus dem Bereich Public Relations sowie ver-handlungs- und wirtschaftsmediatorische Fähigkeiten vo-raus. Das Zusammenspiel dieses Know-hows kann auchdurch Kooperation mit PR-Agenturen, die begleitend be-raten, erreicht werden.

3. Selbstdatenschutz

In der Wissenschaft wird derzeit diskutiert, inwiefern vieleDatenschutzziele nur noch durchsetzbar sind, wenn derBetroffene zumindest teilweise selbst dafür Verantwortungübernimmt.21 Durch solchen „Selbstdatenschutz“ soll er„in die Lage versetzt werden, durch eigene Maßnahmendie ihm erwünschte Verarbeitung seiner Daten zu ermög-lichen und unzulässige Datenverarbeitung zu verhin-dern“.22

Der Arzt produziert jedoch in der Konsequenz desBGH-Urteils durch seine ärztliche Tätigkeit, ohne sichdem entziehen zu können, da er mit der Aufnahme in Be-wertungsportale leben muss –, Daten im digitalen Raum.Die schwierige Frage, wie in diesem Raum Persönlich-keitsrechte geschützt werden können, wird derzeit kritischdiskutiert.23

4. Anonyme Bewertungen

Die Möglichkeit, Bewertungen anonym abzugeben, führtnach Ansicht des Gerichts angesichts der Möglichkeit zuranonymen Internetnutzung nach § 13 Abs. 6 Satz 1 TMGzu keinem anderen Ergebnis.24

Zu der zuvor umstrittenen Frage,25 ob ein Auskunfts-anspruch in Bezug auf die Nutzerdaten besteht, hat inzwi-schen der BGH entschieden.26 Es gibt danach keinen An-spruch auf Herausgabe von Daten gegen den Portalbetrei-ber auf dem Zivilrechtsweg. Anderes gilt für strafrechtlichrelevante Bewertungen, da der Diensteanbieter nach § 14Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG auf Anordnung der zu-ständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-,Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen darf, soweitdies u.a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.Die Beschränkung der Ermächtigung zur Auskunftsertei-lung auf Inhaber von Rechten am geistigen Eigentummöge zwar wenig nachvollziehbar und eine Ausweitungauf Persönlichkeitsrechtsverletzungen wünschenswertsein, eine solche Regelung müsse jedoch der Gesetzgebertreffen.

5. Rechtsprechungskontext

Die Entscheidung des BGH ist im Kontext von Entschei-dungen über die Zulässigkeit von weiteren Bewertungs-portalen zu betrachten, die das Gesundheitsmarktsegmentbetreffen. So ist eine Internetseite einer Krankenversiche-rung als zulässig bewertet worden, auf der die Versicher-ten Informationen zur Gesundheit und über die Eignungvon Ärzten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungeneinholen können.27

III. FazitDer BGH geht davon aus, dass die Aufnahme in ein Be-wertungsportal erhebliche Auswirkungen auf die berufli-

ITRB 1/2015 Bewertungsportale und Online Reputation Management |Wienen | Beiträge für die Beratungspraxis 23

cr-online.de

19 BGH v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103 = ITRB 2012,28 = NJW 2012, 148.

20 Benannt nach Barbra Streisand, die diesen Effekt durch eine Kla-ge auslöste – danach verbreitete sich die Aufnahme, gegen die sievorgehen wollte, erst recht im Internet.

21 Doerfel/Hotho/Kartal-Aydemir/Roßnagel/Stumme, Informatio-nelle Selbstbestimmung im Web 2.0, Chancen und Risiken sozia-ler Verschlagwortungssysteme, 2013, S. 37.

22 Doerfel/Hotho/Kartal-Aydemir/Roßnagel/Stumme, Informatio-nelle Selbstbestimmung im Web 2.0, Chancen und Risiken sozia-ler Verschlagwortungssysteme, 2013, S. 38.

23 Kompetenzzentrum Öffentliche IT/Fraunhofer-Institut für OffeneKommunikationssysteme FOKUS, Menschen in der digitalen Ge-sellschaft, Mai 2014; Kompetenzzentrum Öffentliche IT/Fraunho-fer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS, Big Data– ungehobene Schätze oder digitaler Albtraum, März 2014; Wei-chert, ZD 2013, 251; Schaar, RDV 2013, 223; Roßnagel, ZD 2013,562; Seidel, ZG 2014, 153; Koós, ZD 2014, 9.

24 BGH v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13, CR 2014, 597 = ITRB 2013,230 (231).

25 Vgl. dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Wienen,ITRB 2013, 114 ff.

26 BGH v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13, CR 2014, 597 = ITRB 2013,230.

27 LSG Berlin-Brandenburg v. 11.6.2014 – L 1 KR 301/13 B ER,KHE 2014/31.

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chen Chancen und die wirtschaftliche Existenz der bewer-teten Ärzte haben könne. Im Rahmen eines wirkungsvol-len Online Reputation Managements ist von potentiellenBewertungen Betroffenen in jedem Fall anzuraten, regel-

mäßig entsprechende Portale im Blick zu behalten, umdann ggf. den in dem Urteil ausgeführten Missbrauchs-gefahren schnell begegnen zu können.

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen und Ergän-zungen mittels AGB

Grenzen der Vertragsfreiheit der Vergabestelle

von Sascha Kremer/Stefan Sander*

Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob und ggf. inner-halb welcher Grenzen Aufträge, die unter Benutzung derEVB-IT Musterverträge vergeben werden, inhaltlich durchEinbeziehung weiterer AGB oder durch individuelle Anpas-sungen der Vertragstexte den konkreten Bedürfnissen dervergebenden Stelle angepasst werden können. Da sich dieVerwendung der EVB-IT Musterverträge zunehmend auchin Bereichen beobachten lässt, in denen kein Verwendungs-zwang besteht, werden nachfolgend auch Sachverhalte be-trachtet, in denen andere Stellen Aufträge „zur Vergabeausschreiben“, etwa private Unternehmen.

1. Ausgangslage

a) Klassische Sachverhalte

Mit der Erteilung eines jeden Auftrags durch einen öffent-lichen Auftraggeber ist die Ausgabe von öffentlichen Mit-teln verbunden, insb. von Steuergeldern. Das Haushalts-recht und das aus diesem hervorgegangene Vergaberechtdienen dabei der Gewährleistung eines wirtschaftlich sinn-vollen und sparsamen Umgangs mit diesen Mitteln.Geht es um Beschaffung von Leistungen aus dem ITK-

Bereich, sind von öffentlichen Auftraggebern besondereVorgaben zu beachten. Für Beschaffungen zur Erfüllungvon Aufgaben des Bundes ist, wenn es sich bei der Ver-gabestelle um eine Behörde des Bundes handelt, zwingend§ 55 Abs. 2 BHO zu beachten: „Beim Abschluss von Ver-trägen ist nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren.“Vergleichbare Pflichten enthalten die Landeshaushalts-

ordnungen, welche ebenso wie die BHO keine Rechtsver-ordnung sind, sondern als formelles Gesetz erlassen wur-den.In Ausfüllung der Verordnungsermächtigung aus § 5

BHO hat das Bundesministerium für Finanzen die All-gemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushalts-ordnung (VV-BHO) erlassen. Diese bestimmen als reinesInnenrecht der Verwaltung zu § 55 BHO: „Nr. 3.1 Bei derVergabe von öffentlichen Aufträgen sind ergänzend ins-besondere die folgenden Regelungen anzuwenden:

Nr. 3.1.1 – die Ergänzenden Vertragsbedingungen für dieBeschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT)1 bzw. die Be-sonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung undden Betrieb von DV-Anlagen und -Geräten sowie vonDV-Programmen; die Hinweise zu den EVB-IT sind zuberücksichtigen“.Soweit die Verwaltungsvorschrift im Imperativ formu-

liert, dass „Regelungen“ anzuwenden sind, ist dies miss-verständlich, handelt es sich doch bei den EVB-IT nichtum Regelwerke, sondern um Musterverträge zum An-kreuzen mit auszufüllenden Lückentexten. Einzig die Hin-weise zur Verwendung der EVB-IT könnten als Regelwerkaufgefasst werden, unterliegen jedoch wegen Nr. 3.1.1 nureiner Berücksichtigungs-, keiner Anwendungspflicht.

b) Freiwillige Verwendung der EVB-IT durch andere

Stellen

Für Gemeinden und Gemeindeverbände (Kreise) gibt esin aller Regel im jeweiligen Landesrecht (ggf. in Rechtsver-ordnungen, die auf die einschlägige GO bzw. KrO zurück-gehen) ebenfalls die Verpflichtung, Vergabeverfahrendurchzuführen. Eine Verpflichtung entsprechend § 55Abs. 2 BHO, also die Pflicht, Verträge nach einheitlichenRichtlinien zu gestalten (aus der sich ggf. ein „Verwen-dungszwang“ in Bezug auf die EVB-IT Musterverträge er-geben könnte), ist zumeist jedoch nicht vorhanden. SoweitGemeinden oder Gemeindeverbände die auszuschreiben-den Verträge unter Rückgriff auf die EVB-IT inhaltlichausgestalten, erfolgt dies mithin freiwillig.

24 Beiträge für die Beratungspraxis | Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen | Kremer/Sander ITRB 1/2015

* Sascha Kremer ist Fachanwalt für Informationstechnologierechtund Partner bei LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte, Köln,Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorfund der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie externer Daten-schutzbeauftragter (TÜV Rheinland zertifiziert). Stefan Sander,LL.M. B.Sc., ist Rechtsanwalt und Software-Systemingenieur undtätig bei LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte, Köln.

1 Veröffentlicht auf der Internetseite der Beauftragten der Bundes-regierung für die Informationstechnik, www.cio.bund.de/evb-it/.

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Auch in der freien Wirtschaft ist gelegentlich zu beob-achten, dass Aufträge im Bereich von ITK-Leistungen un-ter Verwendung von oder inhaltlich in Anlehnung an dieEVB-IT Musterverträge „vergeben“ werden. Auch wenndas Zustandekommen von Verträgen zwischen Privatenin keiner Verbindung zum Vergaberecht steht, ist dochdie Zielvorgabe (wirtschaftlich sinnvoll und sparsam zuagieren) dieselbe, so dass auch insoweit gern von Ver-gaben gesprochen wird. Die im Internet veröffentlichtenMusterverträge sind zudem ein guter Leitfaden für „ver-gebende“ Unternehmen, die im Vorfeld eines Vertrags-schlusses Kosten, insb. für anwaltliche Beratung, einspa-ren wollen. Ergänzt wird dies durch eine gewisse Vertraut-heit mit den Musterverträgen auf Anbieterseite, soferndort ein Unternehmen auftritt, welches regelmäßig Leis-tungen gegenüber der öffentlichen Hand erbringt.Dabei wird die freiwillige Verwendung der EVB-IT

durch Private von der Entstehungsgeschichte der Mustermotiviert, weil die EVB-IT als Konsens zwischen den Inte-ressenvertretern beider Seiten (IT-Planungsrat2 und BIT-KOM e.V.) veröffentlicht wurden,3 was einen schnell undpreisgünstig verfügbaren, vermeintlich „fairen“ Vertragnahelegt, der angesichts seines Umfangs den Anschein ei-ner soliden, umfassenden Regelung erweckt.

2. Bedeutung der EVB-IT für öffentliche Aufträge

a) AGB-Charakter und Verwender-Eigenschaft

Die EVB-IT Musterverträge dienen dazu, die „Vertrags-bedingungen“ für die Durchführung des auszuschreiben-den Auftrags i.S.v. § 9 EG Abs. 1 Satz 2 lit. c und § 11 EGbzw. § 8 Abs. 1 Satz 2 lit. c und § 9 der VOL/A zu formu-lieren, die in den Verfahrensarten offenes Verfahren, bzw.öffentliche Ausschreibung, seltener nicht offenes Verfah-ren, bzw. beschränkte Ausschreibung von der Vergabestel-le einseitig vorzugeben sind.Die EVB-IT sind AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, die von

Dritten (nämlich den vorgenannten Interessenvertreternbeider Seiten) für eine Vielzahl von Verträgen zwischenVergabestellen und Leistungserbringern vorformuliertwurden. Dies gilt sowohl für die Bestimmungen des jewei-ligen EVB-IT Mustervertrags selbst, als auch für die Be-stimmungen des jeweils zugehörigen Satzes „AGB“. Sindund Zweck ist es, den Vergabestellen die Arbeit der For-mulierung der „Vertragsbedingungen“ i.S.v. § 11 EG, bzw.§ 9 VOL/A zu erleichtern bzw. zu ersparen. Entsprechendder typischen Rollenverteilung im Vergabeverfahren han-delt es sich um allgemeine Einkaufsbedingungen der öf-fentlichen Hand.

BeraterhinweisWegen des Innenrechts der Verwaltung (VV-BHO)wird der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der EVB-IT stets als Verwender i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB be-trachtet, selbst wenn es dazu kommt, z.B. im Rahmeneiner freihändigen Vergabe bzw. eine Verhandlungsver-fahrens, dass der Leistungserbringer seinen Antrag i.S.v.§ 145 BGB „in vorauseilendem Gehorsam“ auf Grund-lage der EVB-IT formuliert (BGH, Urt. v. 4.3.1997 – XZR 141/95, CR 1997, 470 m. Anm. Lehmann zu den

BVB, dort sogar nur im Hinblick auf eine bestehendeVerwaltungspraxis).

b) Grenzen der Gestaltbarkeit von Vertragsbedingun-

gen i.S.d. § 11 EG, bzw. § 9 VOL/A

Im Ausgangspunkt gilt auch für fiskalisches Handeln öf-fentlicher Stellen die Vertragsfreiheit. Die Verpflichtungdes Haushaltsrechts, bei Abschluss von Verträgen nacheinheitlichen Richtlinien zu verfahren, wird jedoch weiterverdichtet durch § 11 EG Abs. 1 Satz 1 bzw. § 9 Abs. 1Satz 1 VOL/A, wonach in den Vertragsbedingungen zwin-gend die Einbeziehung i.S.v. § 305 Abs. 2 BGB der AGB„VOL/B“ zu vereinbaren ist. Inhaltliche Anforderungenan den Vertrag werden nicht gestellt, solange nur eine ent-sprechende Einbeziehungsvereinbarung enthalten ist.Die Verwendung zusätzlicher AGB i.S.v. § 305 Abs. 1

BGB (im Verhältnis zu den VOL/B) ist den Vergabestellenfür die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen untersagt,soweit durch diese von den VOL/B abgewichen wird. Die-ses Verbot findet sich in § 11 EG Abs. 1 Satz 2 bzw. § 9Abs. 1 Satz 2 VOL/A, wobei anzumerken ist, dass die Ver-gabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) seit derAufnahme einer starren Verweisung in die Vergabever-ordnung (VgV, vgl. dort § 4), die ihrerseits eine Rechts-verordnung auf der Grundlage der §§ 97 Abs. 6, 127 GWBist, in den Rang eines materiellen Gesetzes gehoben wurde(Rechtsnormqualität mit Außenwirkung und Allgemein-verbindlichkeit).4 Für die EVB-IT wurde eigens eine Aus-nahme von diesem (mit Gesetzesrang ausgestattetem) Ab-weichungsverbot bzgl. der VOL/B in die VOL/A auf-genommen, welche in § 11 EG Abs. 1 Satz 3 bzw. § 9Abs. 1 Satz 3 VOL/A wie folgt geregelt ist: „Für die Erfor-dernisse einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle könnenErgänzende Vertragsbedingungen Abweichungen von derVOL/B vorsehen.“Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, dass in den

VOL/A weder eine Verpflichtung, die EVB-IT Musterver-träge den Vertragsbedingungen zugrunde zu legen, nocheine Verpflichtung, dort jedenfalls eine Einbeziehungsver-einbarung hinsichtlich des jeweiligen Satzes AGB derEVB-IT vorzusehen (oder sonstige inhaltliche Anfor-derungen an die Vertragsbedingungen), enthalten ist.

BeraterhinweisSoweit die Abweichung von den VOL/B durch dieseselbst mittels Verwendung der EVB-IT als die VOL/Bergänzende Vertragsbedingungen für eine „Gruppegleichgelagerter Einzelfälle“ zulässig ist, gilt dies nur fürden Fall, dass die unveränderten EVB-IT (Musterver-trag nebst zugehörigen AGB) abweichen, die lediglich

ITRB 1/2015 Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen | Kremer/Sander | Beiträge für die Beratungspraxis 25

cr-online.de

2 Nach Einfügung von Art. 91c ins GG ging in diesem der KoopAADV (Kooperationsausschuss Automatisierte DatenverarbeitungBund/Länder/Kommunaler Bereich) auf, der die Verhandlungenzuvor geführt hatte.

3 Seit dem 19.9.2012 gilt dies für alle veröffentlichten EVB-IT, dadie zuvor einseitig vom BMI in Version 1 verkündeten System-verträge einer mit dem BITKOM e.V. abgestimmten Anpassungzugeführt werden konnten.

4 Weiterführend vgl. z.B. Dreher, NVwZ 1999, 1265.

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an den vorgesehenen Stellen ausgefüllt wurden. Werdendie EVB-IT demgegenüber durch eigene AGB der Ver-gabestelle oder Dritter geändert (z.B. Lizenzbedingun-gen für Software), darf dies zu keiner Abweichung vonden VOL/B führen. Eine Abweichung von den VOL/Bdurch individuelle Vereinbarung i.S.v. § 305b BGB istdagegen von diesem Verbot nicht erfasst.

c) Zusätzliche Vorgaben aus dem Haushaltsrecht?

Fraglich könnte sein, ob sich eine zweite Gestaltungsvor-gabe aus der BHO und der VV-BHO (bzw. dem entspre-chenden Landesrecht) ergibt, wonach von den jeweiligenEVB-IT (Mustervertrag nebst AGB) nicht abgewichenwerden darf. Würde man dies bejahen, so wären nur dasAusfüllen der Musterverträge an den dafür vorgesehenenStellen und das Setzen entsprechender Kreuze zulässig.Die BHO lässt eine solche Schlussfolgerung jedoch nichtzu.Dort heißt es nur, dass nach einheitlichen Richtlinien

zu verfahren ist, ohne dass diese bezeichnet würden. Ab-gesehen davon, dass Inhalt und Reichweite der Norm aus-legungsbedürftig sind, ist damit jedenfalls nach dem Sinnund Zweck der Vorschrift keine Festlegung zu Lasten derVergabestelle auf konkrete Vertragsinhalte verbunden.Der Gesetzgeber bezweckte mit dem in § 55 Abs. 2 BHOenthaltenen allgemeinen Hinweis an die Verwaltung nur,dass diese im Interesse der Sicherstellung einer einheitli-chen Behandlung der Vergabevorgänge einheitlich ver-fährt.5 Denn dies führt zu Kosteneinsparungen und zurVermeidung von Willkür.Es ergibt sich aus der BHO aber keine Reduzierung der

Vertragsfreiheit dahingehend, dass bei Erstellung der Ver-tragsbedingungen nicht mehr frei formuliert, sondern nureine Auswahl aus einer abschließend vorgegebenen Mengevon derzeit zehn EVB-IT Musterverträgen (zzgl. zweinoch anwendbarer BVB-Muster) getroffen und der dorti-ge Lückentext ausschließlich an den dafür vorgesehenenStellen ausgefüllt werden dürfte. Einem anderen Verständ-nis stünden nicht nur der Wortlaut, sondern auch Sinnund Zweck von § 55 BHO und Nr. 3.1.1 VV-BHO ent-gegen. Mit einer schablonenhaften Anwendung der EVB-IT ungeachtet aller Besonderheiten des Einzelfalls lässtsich das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Vergabe (vgl. § 97Abs. 5 GWB, bzw. § 4 Abs. 6b VOL/A) nicht erreichen.Es ergibt sich aus Nr. 3.1.1 VV-BHO i.V.m. den An-

wendungshinweisen zu den EVB-IT6 auch kein „Zwangzur Unübersichtlichkeit“, der bestehen würde, wenn dievorgegebenen Formulierungen des Lückentextes zwingendunmodifiziert belassen und stets nur in der jeweiligen letz-ten Nummer des Mustervertrags (Sonstige Vereinbarun-gen) lange Listen eingefügt werden müssten, mit demsinngemäßen Inhalt: Abweichend von Nr. X gilt ..., abwei-chend von Nr. Y gilt ..., abweichend von [usw.].

BeraterhinweisEine Abweichung von den EVB-IT, die darin liegt, dassentweder der jeweilige Mustervertrag der Erstellung derVertragsbedingungen nicht zugrunde gelegt oder in die-sem die Einbeziehungsvereinbarung bzgl. der zugehöri-gen AGB der EVB-IT entfernt wurde, verstößt nicht ge-

gen die mit Gesetzesrang geltende VOL/A. Die Ver-gabestelle missachtet insoweit nur die VV- BHO, mithinreines Innenrecht der Verwaltung. Im Verhältnis zumLeistungserbringer ergeben sich keine Rechtsfolgen die-ses Verstoßes, auch nicht gegenüber dem unterlegenenBieter, der einen vermeintlichen Rechtsverstoß imNachprüfungsverfahren i.S.v. § 107 Abs. 1 GWB rügt.7

3. Vorgaben im Bereich der freiwilligen Verwen-dung der EVB-ITWerden die EVB-IT durch eine Gemeinde oder einen Ge-meindeverband (Kreis) zur Formulierung von Vertrags-bedingungen benutzt, obwohl für sie keine dahingehendeVerpflichtung besteht, sind mangels einer Pflicht zum ein-heitlichen Vorgehen erst Recht keine zusätzlichen Vor-gaben zu beachten. In diesem Kontext verbleibt es bei derFeststellung, dass zusätzliche AGB, die in Vertragsbedin-gungen einbezogen werden (auch in diejenigen, die unterZugrundelegung eines EVB-IT Mustervertrags formuliertwurden), lediglich nicht zu einer Abweichung von denVOL/B führen dürfen. Dem liegt die Erwägung zugrunde,dass regelmäßig eine Pflicht zur Beachtung der VOL/A imRahmen des einschlägigen Landesrechts besteht.Für Private, die im Rahmen der Erstellung von Verträ-

gen auf die EVB-IT zurückgreifen, besteht hingegen einegänzlich uneingeschränkte Vertragsfreiheit. In solchenKontexten können die EVB-IT gänzlich modifiziert wer-den, ob durch die Einbeziehung weiterer AGB oder Indivi-dualvereinbarung. In diesen Fällen unterliegt das Ver-tragswerk, bestehend aus (angepasstem) EVB-IT Muster-vertrag, (angepassten) AGB zum Mustervertrag sowie ei-genen (den Mustervertrag und/oder die zugehörigen AGBmodifizierenden) AGB vollständig der Einbeziehungs-und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Mit denÄnderungen durch den Verwender i.S.v. § 305 Abs. 1Satz 1 BGB entfällt zugleich die Voraussetzung für eineansonsten grundsätzlich denkbare Privilegierung derEVB-IT als ausgehandeltem Standardregelwerk.8

BeraterhinweisDie AGB zu den einzelnen EVB-IT Musterverträgenenthalten z.T. Klauseln, die bei einer Verwendungdurch einen Auftraggeber außerhalb eines Vergabever-fahrens als Selbstbeschränkung gegenüber gesetzlichenAnsprüchen wirksam sind (z.B. Haftungsbeschränkun-gen zugunsten des Auftragnehmers), die jedoch bei Ver-wendung durch einen Auftragnehmer offensichtlich ge-

26 Beiträge für die Beratungspraxis | Individuelle Änderungen von EVB-IT Verträgen | Kremer/Sander ITRB 1/2015

5 Pache in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 1. Aufl. 2011, § 55BHO, Rz. 116.

6 Exemplarisch heißt es in den Hinweisen zu Nr. 18.8 EVB-IT Sys-temlieferungsvertrag: „An dieser Stelle im Vertrag können Rege-lungen getroffen werden, für die das Vertragsmuster keine Vor-schläge macht. Dazu gehören z.B. [...]“.

7 Von Lewinski/Burbat in NomosKommentar BHO, 1. Aufl. 2013,§ 55 Rz. 19.

8 Vgl. zur Privilegierung des Rückgriffs auf die unverändertenVOL/B: BGH, Urt. v. 16.12.1982 – VII ZR 92/82; Urt. v.22.1.2004 – VII ZR 419/02; Rechtsgedanke des § 310 Abs. 1 S. 3BGB.

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gen § 307 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen. Solltedaher im Kontext eines Vertrags auf der Grundlage derEVB-IT voraussichtlich der Auftragnehmer der Ver-

wender i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sein, bedarf es re-gelmäßig einer besonderen Prüfung und einer Anpas-sung der Musterverträge.

Literaturempfehlungen

Silke Minnerup*

>>>>>>Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruchbei Big Data

Die Erhebung und Verwendung großer Datenmengen ausunterschiedlichen Quellen zu unbestimmtem Zweck undfür unbestimmte Zeit wird als Big Data bezeichnet. FürVerwender zeichnet sich Big Data durch einen hohenwirtschaftlichen Nutzen aus, nicht allein aufgrund der na-hezu unbegrenzten Verwendungsmöglichkeiten der derarterlangten Datenmengen. Für Betroffene, die kaum eineVorstellung über Art und Ausmaß des Big Data haben,besteht jedoch die erhebliche Gefahr der Einschränkungihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. BerndLiedke untersucht in K&R 2014, 709, die Frage, ob derAuskunftsanspruch nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BDSG imRahmen des Big Data Restriktionen unterliegt und ob dasgeplante Auskunftsrecht nach der künftigen DS-GVO Ab-hilfe schaffen kann.Betroffene haben nach dem BDSG verschiedene Rechte

im Hinblick auf eine Überprüfung, ob die verantwort-lichen Stellen die datenschutzrechtlichen Grundsätze ein-halten. Dreh- und Angelpunkt ist dabei als sog. „Basis-anspruch“ das Auskunftsrecht, da nur auf diesem WegKenntnis über die Datenerhebung und -verarbeitung er-langt werden kann, die die Durchsetzung weiterer An-sprüche wie Löschung, Berichtigung oder Schadensersatzüberhaupt möglich macht.Im Hinblick auf die vielfältigen Verwendungsmöglich-

keiten des Big Data stellt sich dabei die Frage, ob das imBDSG normierte Auskunftsrecht überhaupt praktikabelist. Problematisch könnte dabei insb. sein, dass Big Datain der Regel gerade keine zweckgebundene Speicherungvorsieht und daher die Auskunftserteilung durch die ver-antwortlichen Stellen erschwert ist. Dies wiederum kannzu Ergebnissen führen, die für den Betroffenen unbefriedi-gend sind. Schwierigkeiten ergeben sich aus den einzelnen

Bestandteilen, die zur Auskunftserteilung gehören. Hin-sichtlich der zur Person gespeicherten Daten kommt esdarauf an, ob von einem relativen oder absoluten Begriffdes Personenbezugs auszugehen ist. Beide Ansätze sind je-doch nicht unproblematisch. Es besteht eine Pflicht zurSpeicherung von Empfängern und Empfängerkategorienzum Zweck der Dokumentation sowohl für die Gegenwartals auch für die Vergangenheit, aber keine Speicherpflichthinsichtlich der Herkunft der Daten. Gerade dies bedeutetfür den Betroffenen aber eine wesentliche Einschränkung.Letztlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass beim Aus-kunftsersuchen Daten preisgegeben werden, die wiederumgespeichert und verwendet werden. Dabei ist zweifelhaft,ob diese Daten in die sodann zu erteilenden Auskunft au-tomatisch mit einbezogen werden. Wurden die Daten ausallgemein zugänglichen Quellen abgeschöpft, kann zudemein Ausschluss des Auskunftsanspruchs gem. § 34 Abs. 7BDSG bestehen. Aufgrund der Eigenheit des Big Datakann diese Form der Datenerhebung und -verwendungnicht mit Standarddatenbanken oder Datenmanagement-tools verglichen werden. Für Betroffene kann es daher ge-rade wichtig sein, auch im Rahmen des „Basisanspruchs“Auskunft über Daten aus allgemein zugänglichen Quellenzu erhalten.Die aufgezeigten Restriktionen des datenschutzrecht-

lichen Auskunftsanspruchs können auch nicht vollständigdurch die zu erwartende DS-GVO aufgehoben werden. Esbleibt abzuwarten, ob im Zuge des noch andauernden Ge-setzgebungsverfahrens gerade im Hinblick auf Big DataÄnderungen im Verordnungsentwurf zu verzeichnen seinwerden.

Fundstelle: Liedke, K&R 2014, 709

Mehr zum Thema: Zu Fragen von Big Data und Datenschutz s. aus-führlich Koch, ITRB 2014, 13, in diesem Heft. Informationen undMaterialien zur DS-GVO im CRonline-Gesetzgebungsreport unterwww.cr-online.de/26378.htm.

ITRB 1/2015 Literaturempfehlungen 27

cr-online.de

* RAin Silke Minnerup, Hannover.

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28 Impressum ITRB 1/2015

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