1
Perlesreut. Der Bund Natur- schutz Kreisgruppe FRG und die Ökomodellregion Ilzer Land haben zusammen zu ei- nem Vortragsabend eingeladen, bei dem um den Zusammen- gang zwischen der Gesundheit des Bodens und des Menschen sowie um die Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels ging. Der Referent Martin Primbs ist Arzt, Demeter- Landwirt und Ausbilder der „Demeter-Bo- denpraktiker“ - er konnte sei- nen zahlreichen Zuhörern, der Raum war mit etwa 60 Zuhö- rern gut gefüllt, die lebendigen Zusammenhänge unserer Le- bensgrundlage mit vielen Bil- dern anschaulich erläutern. Im ersten Teil seines Vortrags widmete sich Primbs den Fol- gen des Klimawandels für die Landwirtschaft. Dazu zitierte er den renommierten Klimafor- scher Schellnhuber, der gesagt habe, der Klimawandel unserer Zeit gleiche in seiner Wirkung einem „Asteroideneinschlag im Zeitraffer“. Klimawandel macht sich bemerkbar Primbs zeigte Statistiken, die die deutliche Zunahme der Temperatur und der klima- schädlichen Treibhausgase in der Atmosphäre zeigen. Das führt unter anderem zu länge- ren Frühjahrs- und Sommertro- ckenheiten, aber auch zu mehr Starkregenfällen im Winter, zu Sturzregen-Ereignissen wie im Bayerischen Wald und zu den Donauhochwassern der letzten Jahre. Unsere Böden haben also mehr Wassermassen in kürzerer Zeit zu bewältigen. Ein gesun- der Boden sei durchaus in der Lage, Wasser aufzunehmen und zu speichern, denn dieser be- steht wegen der vielen Mittel- und Grobporen und der vielen „Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“ Regenwurmgänge zu bis zu 50 Prozent aus Luft. Es ist leicht vorzustellen, welche Mengen an Wasser ein solcher Boden speichern kann. Nur komme erschwerend hinzu, dass die intensive Nut- zung der meisten landwirt- schaftlichen Böden zu einer starken Veränderung des Bo- dens geführt habe. Intensiv ge- nutzte Böden, z.B. unter Mais, sind meist stark verdichtet und weisen eine sehr geringe Hu- musschicht auf. Regenwürmer sind hier wegen Futtermangel und Pestiziden stark dezimiert. Dieser Boden ist kaum in der Lage, Wasser zu speichern, und selbst stark gefährdet, durch den Einfluss von Wind und Wasser zu erodieren. Zusätz- lich komme erschwerend hin- zu, dass die schweren Landma- schinen, die immer größer wer- den, den Boden zusätzlich ver- dichten. Ein Boden dagegen, der einen hohen Humusanteil aufweist, z.B. weil er lange Zeit ökologisch mit möglichst stän- diger Bodenbedeckung bewirt- schaftet wurde, ist weniger ero- sionsgefährdet und kann viel mehr Wasser speichern. Als Möglichkeiten, gegen Erosion Vorsorge zu leisten, nennt Primbs unter anderem Mulchen im Gemüseanbau, Anbau von Winterzwischenf- rüchten, Untersaaten im Mais und Grünlandbewirtschaftung in steilen Hanglagen. Ziel sollte möglichst das ganze Jahr hin- durch eine grüne Bodenbede- ckung sein. Eine weitere Möglichkeit be- stehe in der biologischen Be- wirtschaftungsform, mit der am meisten Humusaufbau erreicht werden könnte. Gesunde un- verdichtete Böden könnten pro Stunde über 100 Liter aufneh- men. Während auf dem ver- dichteten humusarmen Boden das Wasser sehr schnell oberflä- chig abfließt, wirkt ein humoser Boden wie ein Schwamm. Würmer machen den Boden zum Schwamm Ein wichtiger Helfer, um die- sen Schwamm entstehen zu las- sen, ist der große Tauwurm, der Röhren bis zu zwei Meter Tiefe in den Boden gräbt. Auf Biobö- den seien über 300 Regenwür- mer pro Quadratmeter keine Seltenheit, wohingegen der Durchschnitt auf bayerischen Böden bei 16 pro Quadratmeter liege. Gerade in langen Tro- ckenperioden wird humusrei- cherer Boden wegen seiner Wasserspeicherfähigkeit auch zu mehr Ertrag führen. Aber nicht nur durch eine sinnvolle Bearbeitung des Bo- dens lässt sich die Struktur des Bodens beeinflussen, sondern auch durch die Arten- und Sor- tenwahl. So wurzelt unter den Leguminosen die Luzerne be- sonders tief, und bei Kartoffeln gibt es Sorten wie die Agria, die bis 1,5 Meter tief wurzelt - im Vergleich zu durchschnittli- chen 90 Zentimetern. Primbs rief dazu auf, dass die Landwirte wieder mehr Zeit mit dem Boden verbringen sollten, ihn verstehen und nach seinen Bedürfnissen pflegen sollten. Im zweiten Teil seines Vor- trags ging Primbs dann auch auf die Gesundheit des Menschen ein. Genau wie der Boden ver- wendet der Mensch Mikroorga- nismen und Bakterien, um Nährstoffe verfügbar zu ma- chen. Primbs erklärte, dass Le- bensmittel eigentlich dann für den Menschen besonders wert- voll sind, wenn sie zu dessen Gesunderhaltung beitragen. Dabei kommt ein Begriff ins Spiel, den die meisten der Zu- hörer zum ersten Mal gehört ha- ben dürften: „Salvestrole“ ge- hören zu der Gruppe der bioak- tiven Substanzen, die man auch als sekundäre Pflanzenstoffe bezeichnet. Diese sind Schutz- stoffe, die Pflanzen vor Viren, Bakterien, Schimmelpilzen, In- sekten und UV-Licht schützen. Die Pflanzen bilden sie nur dann in größeren Mengen, wenn die Stoffe gebraucht wer- den. Es sind Bitter- stoffe, die diese Wirkung hervorrufen und die auch beim Menschen ge- sundheitsfördernd wirken, sie gelten als immunstärkend und krebshemmend. Durch Züchtung und techni- sche Nachbehandlung der Ern- te enthält konventionelle Nah- rung heute 80 bis 90 Prozent weniger Salvestrole als noch vor 50 oder 100 Jahren. Da kon- ventionellen Pflanzen durch das Spritzen von so genannten „Pflanzenschutzmitteln“ die Arbeit, sich selbst zu schützen, meist abgenommen wird, ent- wickeln sie auch weniger da- von, als biologisch angebaute Pflanzen. Der makellose Apfel mag schön aussehen, sei aber für die menschliche Gesund- heit wesentlich weniger wert- voll als der ökologische Apfel mit Schorfstellen, der aber mög- lichst mit Schale genossen wer- den sollte. Was es mit Salvestrolen auf sich hat Primbs ließ seine Zuhörer ökologisch angebaute Karotten der samenfesten Sorte Rodelika mit konventionellen Karotten aus dem Supermarkt verglei- chen. Erstere sind etwas holzi- ger, haben aber auch einen viel intensiveren Geschmack. An- hand von Kristallisationsbil- dern lasse sich die Struktur der Lebensmittel auch bildlich nachweisen. Bei Biolebensmit- teln seien diese sehr viel struk- turierter und harmonischer. Aber auch ganz handfeste Beweise gibt es: So wurde im Rahmen eines Projekt in Schweden „ eine Familie unter- sucht, die sich „normal“ ernährt hatte und in deren Blut bis zu 20 verschiedene Pestizidrückstän- de nachgewiesen werden konn- ten; nach einer zweiwöchigen „Biodiät“ wurden so gut wie keine Gifte im Blut mehr gefun- den. Primbs wollte auch nicht unerwähnt lassen, dass ein zu hoher Konsum von tierischem Eiweiß eine Ursache von vielen Zivilisationskrankheiten sei. Die Konsumenten könnten selbst entscheiden und mit ihrer Nahrungswahl nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die Gestaltung der Landschaft be- einflussen. - pnp Vortrag in der Bauhütte Perlesreut zum Thema Boden und Gesundheit: Am Ende hängt alles miteinander zusammen Sie testeten gleich den Unterschied bei den Rrüben: Corinna Ull- rich (von links), Martin Primbs (Demeter-Landwirt und Arzt), Christia- ne Grapentin und Dr. Peter Mayer (BUND). - Foto: Lechner

„Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“ - Öko-Modellregionen · 2019-02-01 · „Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“ Regenwurmgänge zu bis zu 50 Proz en ta u sL f . E il c vorzust

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: „Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“ - Öko-Modellregionen · 2019-02-01 · „Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“ Regenwurmgänge zu bis zu 50 Proz en ta u sL f . E il c vorzust

Perlesreut. Der Bund Natur-schutz Kreisgruppe FRG unddie Ökomodellregion IlzerLand haben zusammen zu ei-nem Vortragsabend eingeladen,bei dem um den Zusammen-gang zwischen der Gesundheitdes Bodens und des Menschensowie um die Landwirtschaft inZeiten des Klimawandels ging.

Der Referent Martin Primbsist Arzt, Demeter- Landwirt undAusbilder der „Demeter-Bo-denpraktiker“ − er konnte sei-nen zahlreichen Zuhörern, derRaum war mit etwa 60 Zuhö-rern gut gefüllt, die lebendigenZusammenhänge unserer Le-bensgrundlage mit vielen Bil-dern anschaulich erläutern.

Im ersten Teil seines Vortragswidmete sich Primbs den Fol-gen des Klimawandels für dieLandwirtschaft. Dazu zitierte erden renommierten Klimafor-scher Schellnhuber, der gesagthabe, der Klimawandel unsererZeit gleiche in seiner Wirkungeinem „Asteroideneinschlag imZeitraffer“.

Klimawandel machtsich bemerkbar

Primbs zeigte Statistiken, diedie deutliche Zunahme derTemperatur und der klima-schädlichen Treibhausgase inder Atmosphäre zeigen. Dasführt unter anderem zu länge-ren Frühjahrs- und Sommertro-ckenheiten, aber auch zu mehrStarkregenfällen im Winter, zuSturzregen-Ereignissen wie imBayerischen Wald und zu denDonauhochwassern der letztenJahre.

Unsere Böden haben alsomehr Wassermassen in kürzererZeit zu bewältigen. Ein gesun-der Boden sei durchaus in derLage, Wasser aufzunehmen undzu speichern, denn dieser be-steht wegen der vielen Mittel-und Grobporen und der vielen

„Asteroiden-Einschlag im Zeitraffer“

Regenwurmgänge zu bis zu 50Prozent aus Luft. Es ist leichtvorzustellen, welche Mengenan Wasser ein solcher Bodenspeichern kann.

Nur komme erschwerendhinzu, dass die intensive Nut-zung der meisten landwirt-schaftlichen Böden zu einerstarken Veränderung des Bo-dens geführt habe. Intensiv ge-nutzte Böden, z.B. unter Mais,sind meist stark verdichtet undweisen eine sehr geringe Hu-musschicht auf. Regenwürmersind hier wegen Futtermangelund Pestiziden stark dezimiert.Dieser Boden ist kaum in derLage, Wasser zu speichern, undselbst stark gefährdet, durchden Einfluss von Wind undWasser zu erodieren. Zusätz-lich komme erschwerend hin-zu, dass die schweren Landma-schinen, die immer größer wer-den, den Boden zusätzlich ver-dichten. Ein Boden dagegen,der einen hohen Humusanteilaufweist, z.B. weil er lange Zeitökologisch mit möglichst stän-diger Bodenbedeckung bewirt-

schaftet wurde, ist weniger ero-sionsgefährdet und kann vielmehr Wasser speichern.

Als Möglichkeiten, gegenErosion Vorsorge zu leisten,nennt Primbs unter anderemMulchen im Gemüseanbau,Anbau von Winterzwischenf-rüchten, Untersaaten im Maisund Grünlandbewirtschaftungin steilen Hanglagen. Ziel solltemöglichst das ganze Jahr hin-durch eine grüne Bodenbede-ckung sein.

Eine weitere Möglichkeit be-stehe in der biologischen Be-wirtschaftungsform, mit der ammeisten Humusaufbau erreichtwerden könnte. Gesunde un-verdichtete Böden könnten proStunde über 100 Liter aufneh-men. Während auf dem ver-dichteten humusarmen Bodendas Wasser sehr schnell oberflä-chig abfließt, wirkt ein humoserBoden wie ein Schwamm.

Würmer machen denBoden zum Schwamm

Ein wichtiger Helfer, um die-

sen Schwamm entstehen zu las-sen, ist der große Tauwurm, derRöhren bis zu zwei Meter Tiefein den Boden gräbt. Auf Biobö-den seien über 300 Regenwür-mer pro Quadratmeter keineSeltenheit, wohingegen derDurchschnitt auf bayerischenBöden bei 16 pro Quadratmeterliege. Gerade in langen Tro-ckenperioden wird humusrei-cherer Boden wegen seinerWasserspeicherfähigkeit auchzu mehr Ertrag führen.

Aber nicht nur durch einesinnvolle Bearbeitung des Bo-dens lässt sich die Struktur desBodens beeinflussen, sondernauch durch die Arten- und Sor-tenwahl. So wurzelt unter denLeguminosen die Luzerne be-sonders tief, und bei Kartoffelngibt es Sorten wie die Agria, diebis 1,5 Meter tief wurzelt − imVergleich zu durchschnittli-chen 90 Zentimetern.

Primbs rief dazu auf, dass dieLandwirte wieder mehr Zeit mitdem Boden verbringen sollten,ihn verstehen und nach seinenBedürfnissen pflegen sollten.

Im zweiten Teil seines Vor-trags ging Primbs dann auch aufdie Gesundheit des Menschenein. Genau wie der Boden ver-wendet der Mensch Mikroorga-nismen und Bakterien, umNährstoffe verfügbar zu ma-chen. Primbs erklärte, dass Le-bensmittel eigentlich dann fürden Menschen besonders wert-voll sind, wenn sie zu dessenGesunderhaltung beitragen.

Dabei kommt ein Begriff insSpiel, den die meisten der Zu-hörer zum ersten Mal gehört ha-ben dürften: „Salvestrole“ ge-hören zu der Gruppe der bioak-tiven Substanzen, die man auchals sekundäre Pflanzenstoffebezeichnet. Diese sind Schutz-stoffe, die Pflanzen vor Viren,Bakterien, Schimmelpilzen, In-sekten und UV-Licht schützen.Die Pflanzen bilden sie nur

dann in größeren Mengen,wenn die Stoffe gebraucht wer-den. Es sind Bitter- stoffe, diediese Wirkung hervorrufen unddie auch beim Menschen ge-sundheitsfördernd wirken, siegelten als immunstärkend undkrebshemmend.

Durch Züchtung und techni-sche Nachbehandlung der Ern-te enthält konventionelle Nah-rung heute 80 bis 90 Prozentweniger Salvestrole als nochvor 50 oder 100 Jahren. Da kon-ventionellen Pflanzen durchdas Spritzen von so genannten„Pflanzenschutzmitteln“ dieArbeit, sich selbst zu schützen,meist abgenommen wird, ent-wickeln sie auch weniger da-von, als biologisch angebautePflanzen. Der makellose Apfelmag schön aussehen, sei aberfür die menschliche Gesund-heit wesentlich weniger wert-voll als der ökologische Apfelmit Schorfstellen, der aber mög-lichst mit Schale genossen wer-den sollte.

Was es mitSalvestrolenauf sich hat

Primbs ließ seine Zuhörerökologisch angebaute Karottender samenfesten Sorte Rodelikamit konventionellen Karottenaus dem Supermarkt verglei-chen. Erstere sind etwas holzi-ger, haben aber auch einen vielintensiveren Geschmack. An-hand von Kristallisationsbil-dern lasse sich die Struktur derLebensmittel auch bildlichnachweisen. Bei Biolebensmit-teln seien diese sehr viel struk-turierter und harmonischer.

Aber auch ganz handfesteBeweise gibt es: So wurde imRahmen eines Projekt inSchweden „ eine Familie unter-sucht, die sich „normal“ ernährthatte und in deren Blut bis zu 20verschiedene Pestizidrückstän-de nachgewiesen werden konn-ten; nach einer zweiwöchigen„Biodiät“ wurden so gut wiekeine Gifte im Blut mehr gefun-den. Primbs wollte auch nichtunerwähnt lassen, dass ein zuhoher Konsum von tierischemEiweiß eine Ursache von vielenZivilisationskrankheiten sei.

Die Konsumenten könntenselbst entscheiden und mit ihrerNahrungswahl nicht nur ihreGesundheit, sondern auch dieGestaltung der Landschaft be-einflussen. − pnp

Vortrag in der Bauhütte Perlesreut zum Thema Boden und Gesundheit: Am Ende hängt alles miteinander zusammen

Sie testeten gleich den Unterschied bei den Rrüben: Corinna Ull-rich (von links), Martin Primbs (Demeter-Landwirt und Arzt), Christia-ne Grapentin und Dr. Peter Mayer (BUND). − Foto: Lechner