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1 23 Der MKG-Chirurg Organ der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ISSN 1865-9659 Volume 11 Number 1 MKG-Chirurg (2018) 11:4-11 DOI 10.1007/s12285-017-0132-3 Oraler Lichen planus S. Höller & I. Hitz Lindenmüller

 · Abb.59 aSchmerzhafter erosiverLichenplanusan derGingiva,dereineop-timaleMundhygieneer-schwerte.bKlinischesBild nacheiner3-wöchigenlo-kalenTherapiemitTacroli-mus(2-maltäglich)

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Der MKG-ChirurgOrgan der Deutschen Gesellschaft fürMund-, Kiefer- und GesichtschirurgieIn Zusammenarbeit mit derSchweizerischen Gesellschaft für Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie ISSN 1865-9659Volume 11Number 1 MKG-Chirurg (2018) 11:4-11DOI 10.1007/s12285-017-0132-3

Oraler Lichen planus

S. Höller & I. Hitz Lindenmüller

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Leitthema

MKG-Chirurg 2018 · 11:4–11https://doi.org/10.1007/s12285-017-0132-3Online publiziert: 18. Dezember 2017© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil vonSpringer Nature 2017

RedaktionD. Baumhoer, BaselU. D. A. Müller-Richter, Würzburg

S. Höller1 · I. Hitz Lindenmüller2

1 Institut für Medizinische Genetik und Pathologie, Universitätspital Basel, Basel, Schweiz2 Klinik für Zahnärztliche Chirurgie, Radiologie, Mund- und Kieferheilkunde, UZB –Universitätszahnkliniken Basel, Basel, Schweiz

Oraler Lichen planusEine interdisziplinäre Herausforderung

Der orale Lichen planus (OLP) ist einenichtinfektiöse EntzündungserkrankungderMundhöhlenschleimhaut, die von ty-pischenHautreaktionenbegleitetwerdenkann. Auch andere Schleimhäute wie dieder Genitalien, des Ösophagus oder derKonjunktiva können betroffen sein [24].

Die geschätzte Prävalenz des OLPin der Erwachsenenpopulation ist mit0,5–2% relativ niedrig, wobei Frauendoppelt so häufig wie Männer betroffensind. Eine Erkrankung im Kindesalterist sehr selten, wurde aber beschrieben.Interessanterweise sind lediglich 20%aller OLP-Fälle mit einemkutanen Befallvergesellschaftet, während ca. 70–80%der kutanen Formen gleichzeitig einenMundschleimhautbefall aufweisen [1].

Ätiologie und Pathogenese

Die Ätiologie des OLP ist nach wie vorungeklärt. Die Krankheit wird aber nachheutigemWissen in erster Linie alsAuto-immunerkrankung aufgefasst. Hierfürspricht ihre Chronizität, das erstmali-ge Auftreten im Erwachsenenalter, diePrädominanz weiblicher Patienten, dieAssoziation mit anderen Autoimmuner-krankungen, die positive Reaktion aufimmunsuppressive Therapie und dasVorhandensein von autozytotoxischenT-Zellen [24]. Diskutiert werden meh-rere potenzielle Auslöser wie genetischeFaktoren, virale Infektionen und einethyroidale hormonelle Dysregulation.Besonders interessant ist die Assoziationmit viralen Infektionen, wobei hier v. a.die Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektionzu nennen ist. Gut dokumentiert istdie Assoziation in der mediterranen,japanischen und US-amerikanischen

Bevölkerung. Dieser Zusammenhangließ sich in anderen Bevölkerungsgrup-pen wie z. B. in einigen europäischenStaaten oder Nigeria nicht nachwei-sen. Dies könnte möglicherweise an derunterschiedlichen Verteilung von Sub-typen des humanen Leukozytenantigens(HLA) liegen, da offenbar das HLA-Klasse-II-Merkmal DR6 mit einem hö-heren Risiko einer Entwicklung einesOLP bei HCV-Infektion assoziiert ist alsandereHLA-Genotypen [1]. Einer neue-ren Studie zufolge teilen HCV, Epstein-Barr-Virus, humanes Herpesvirus 7,Herpes-simplex-Virus 1 und Zytomega-lievirus potenziell immunogene Peptide,die Pinin, Desmoglein 3 und Plektin(hemidesmosomale bzw. desmosomaleProteine der Epithelzellen) sehr ähnlich

Tab. 1 Oraler Lichen planus: Differenzialdiagnosen, Ursachen und Therapie

Differenzial-diagnosen

Ursachen Therapie

Oraler Lichenplanus

Wahrscheinlich autoimmun Symptomatisch

Orale lichenoideKontaktläsion

Hypersensitivitätsreaktion auf dentalenWerk-stoff (Quecksilber, Zink, Komposite, unedleGoldlegierung)

Austausch des dentalenWerkstoffs durch z. B. Kera-mik

Orale lichenoideReaktion

Medikamentenassoziiert:ACE-InhibitorenAntimalaria-MedikamenteAntiretrovirale Medikamenteβ-BlockerDapsoneDiuretikaGoldsalzeNichtsteroidale AntirheumatikaOrale AntidiabetikaPenicillaminePhenothiazineSulfonylurea

Umstellung der Medikationin Zusammenarbeitmitden betreffenden Fachdis-ziplinen

Graft-versus-Host-Erkrankung

Immunologische Schädigung des körpereige-nen Gewebes durch das Spenderimmunsys-tem (Knochenmarktransplantation)

Therapie durch die Häma-tologie

sind. Daher könnte eine Infektion mitdiesen Viren unter bestimmten Umstän-den als Trigger einer Autoimmunitätfungieren [20].

» Auslöser der oralenlichenoiden Reaktion sinddentale Materialien undMedikamente

Die orale lichenoide Reaktion (OLR)zeigt ein klinisch und histopathologischnahezu identisches Krankheitsbild, ihreAuslöser sind allerdings bekannt. Vorallem Amalgam, Kompositwerkstoffe,Methacrylate, Kobalt und Nickel inZahnfüllungen oder sonstige Zahner-

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Abb. 18 Ausgeprägter retikulärer Lichen pla-nus in der Innenwange links

satzkonstruktionen wurden bei direktemKontakt mit der Mundschleimhaut alsmögliche Auslöser einer Kontakthyper-sensitivitätsreaktion beschrieben. Dieseentstehen über den gleichen Mechanis-mus wie Kontaktallergien auf der Hautdurch z. B. nickelhaltigen Schmuck.

Bei den Medikamenten sind insbe-sondere Blutdrucksenker (β-Blocker,ACE-Inhibitoren und Diuretika), Dap-sone, orale Antidiabetika, nichtstero-idale Antirheumatika, Penicillamine,Phenothiazine, Antimalariamittel, Sul-fonylharnstoff und Goldsalze zu nennen,die über systemischeWirkmechanismeneine entzündlicheReaktionandenoralenSchleimhäuten verursachen (. Tab. 1).Auch antiretrovirale Medikamente sindmögliche Auslöser [1].

Differenzialdiagnostisch wichtig istin diesem Zusammenhang auch dieGraft-versus-Host-Erkrankung, denndiese kann ebenfalls ein sehr ähnli-ches klinisches Bild wie der OLP oderdie OLR aufweisen. Die Kenntnis derKranken(vor)geschichte ist somit einsehr wichtiger Baustein der Diagnostik(. Tab. 1).

In der Literatur existieren sehr vie-le Daten zur Pathophysiologie und Pa-thogenese, die aber v. a. beschreibendenCharakter haben, da die Beziehung zwi-schen Ursache und Wirkung nach wievor im Dunkeln liegt.

» Zytotoxische T-Zellen spielenbeim oralen Lichen planus einebesondere Rolle

Bekannt ist, dass es sich beim OLP umeine v. a. zelluläre Immunantwort han-

Abb. 28 Plaqueförmiger Lichen planus aufdemZungenrücken

delt, bei der zytotoxische T-Zellen einebesondere Rolle spielen. Die Zerstö-rung von Keratinozyten beim OLP wirddurch CD8-positive zytotoxische T-Zel-len vermittelt, die möglicherweise durchspezielle CD4-positive T-Zellen aktiviertwerden, was abschließend zu einer In-itiierung der Apoptose in Keratinozytenüber Tumornekrosefaktor α oder Fas-Ligand-Mechanismen (programmier-ter Zelltod) führt. Zusätzlich existierennichtspezifische Schädigungsmechanis-men, die durch die Basalmembran,Matrixmetalloproteinasen, ChemokineundMastzellen ausgelöst werden [1, 24].

Klinik und Diagnostik

Patienten, die unter OLP oder OLRleiden, beschreiben oft eine gespannte,sich trocken anfühlende Schleimhaut,die beim Genuss von Wein, Schokola-de, Steinfrüchten und/oder Salatsaucenstark brennt. Zusätzlich ist die täglicheMundhygiene erschwert, da durch diesubepitheliale Entzündung Zahnfleisch-bluten und Schmerzen auftreten. Auf-grund dieser Beschwerdesymptomatikkommt es zu einer stärkeren bakteriel-len Besiedelung durch vermehrte Plaquean den Zähnen, die die Entzündungunterstützt. Die vermehrte Entzündungveranlasst die Patienten u. U., Mund-

spülungen mit reizenden Inhaltsstoffenanzuwenden, was die Beschwerden zu-sätzlich verschlimmert. Im Gegensatzzum kutanen Lichen planus, der durchkleine rotbraunePapeln andenBeugesei-ten v. a. der Unterarme gekennzeichnetist und stark juckt, existiert beim OLPkein Juckreiz.

Beim Verdacht auf einen OLP soll-te auf die typischen Wickham-Streifengeachtet werden, die für den OLP pa-thognomonisch sind (. Abb. 1) und sichüberall an der Mundschleimhaut zeigenkönnen. Typische Stellen sind imBereichder Innenwangen, des Vestibulum oris,der gesamten Zunge (. Abb. 2) sowie derUnterlippe zu finden. Aber auch die Gin-giva, der Mundboden und der Gaumenkönnen betroffen sein. Ebenfalls typischfür den OLP ist der symmetrische BefallderMundschleimhaut.Dies istbesondersfür dieUnterscheidung zu einerOLRvonBedeutung.

» Wickham-Streifen sindfür den oralen Lichen planuspathognomonisch

Bei der klinischen Anamnese solltenHaut- und Nagelläsionen erfragt unddiese falls vorhanden auch klinisch inAugenschein genommen werden. Ty-pisch für eine dermale Beteiligung sindrötliche, stark juckende Papeln an denBeugeseiten der Handgelenke.

Klinisch zeigt der OLP unterschied-liche Erscheinungsbilder, wobei häufigdie retikuläre Form auftritt. Neben diesersind auchweiße, plaqueförmige Befunde(v. a. an der Zunge und bei Rauchern),papulöse weiße kleine Flecken (eher beijüngerenPatienten), erosive oder atropheStellen (v. a. an der gesamten Gingivaund Innenwange) oder ulzerierte For-men zu finden. Selten kann auch einebullöse Form vorliegen. Die i.d.R. klei-nen, flüssigkeitsgefüllten Bläschen plat-zen aber ziemlich rasch innerhalb vonwenigen Stunden und führen zu eineroberflächlichen Ulzeration, die anschlie-ßend von Fibrin belegt wird.

Meist sind mehrere Formen des OLPgleichzeitig sichtbar, was die DiagnostikundTherapie u. U. erschwert. Zur Erken-nung dieser Erkrankung sollte deshalb

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immer nach den Wickham-Streifen inder Peripherie der unterschiedlich aus-sehenden Befunde gesucht werden. Siekommen wie bereits erwähnt typischer-weise bilateral und symmetrisch vor undsind wegweisend für die Diagnosestel-lung. Sobald die Wickham-Streifen er-kannt wurden, kann von der Verdachts-diagnoseeinesOLPausgegangenwerden.Im Zweifelsfall kann zur Diagnosesiche-rung auch eine Biopsie mit anschließen-derhistopathologischerUntersuchung inBetracht gezogen werden.

» Meist sind mehrere Formendes oralen Lichen planusgleichzeitig sichtbar

Neben dem klinisch stummen, objek-tivierbaren, heterogenen klinischen Er-scheinungsbild des OLP klagen über50% der Patienten über eine intraoraleSchleimhautsymptomatik.

Im Gegensatz zum OLP ist die Dia-gnose einerOLRmeist leichter zu stellen,da hier die Ursache der Beschwerden inder Verwendung eines dentalen Werk-stoffs begründet ist. Dabei handelt essich in den meisten Fällen um eine alteAmalgamfüllung (insbesondere Queck-silber und Zink), einen Kompositwerk-stoff oder metallische Restaurationenaus unedlen Legierungen mit niedrigemGoldanteil (hier v. a. Legierungen mitPalladium, Kobalt und Nickel; [10, 23]).

Da sich die typischen einseitigenSchleimhautveränderungen oft am Zun-genrand und/oder an der Wangen-schleimhaut in direktem Kontakt zumzahnärztlichenWerkstoff befinden, kanndie Verdachtsdiagnose einer OLR relativleicht gestellt werden.

Die Diagnostik wird hingegen er-schwert, wenn die lichenoiden Schleim-hautbefunde durch Medikamente aus-gelöst wurden. Hier gestaltet sich dieSuche nach dem verursachenden Medi-kament oft schwierig. Eine eingehendeMedikamentenanamnese ist daher un-umgänglich (. Tab. 1). Zudem sollte indiesem Zusammenhang auch an zimt-,menthol- und pfefferminzhaltige Zahn-pflegeprodukte gedacht werden [10, 26].

Zusammenfassung · Abstract

MKG-Chirurg 2018 · 11:4–11 https://doi.org/10.1007/s12285-017-0132-3© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2017

S. Höller · I. Hitz Lindenmüller

Oraler Lichen planus. Eine interdisziplinäre Herausforderung

ZusammenfassungDer orale Lichen planus ist eine nichtin-fektiöse chronische Entzündungsform derMundschleimhaut, die zusammenmit einerklassischen kutanen Manifestation oder ananderen Schleimhäutenwie der Konjunktivaoder im Genitalbereich auftreten kann.Die Ursache dieser Erkrankung ist nachwie vor ungeklärt, während die klinischund histopathologisch sehr ähnliche oralelichenoide Reaktion durch dentaleWerkstoffeoder Medikamente ausgelöst werdenkann. Dieser Beitrag gibt eine Übersicht

über die wichtigsten Erkenntnisse undtherapeutischen Konzepte in Bezug auf diesebeiden Erkrankungsformen und versuchtsomit dem klinisch aktiven Kollegen eineHilfestellung in Diagnostik und Therapie zugeben.

SchlüsselwörterLichenoide Reaktion · Mundhöhle · Schleim-haut · Kortikosteroide · InterdisziplinäreKommunikation

Oral lichen planus. An interdisciplinary challenge

AbstractOral lichen planus is a non-infectious chronicinflammatory condition. It can be associatedwith classical cutaneous lesions or involveother mucous membranes, such as theconjunctiva or mucous membranes of thegenital organs. The etiology of oral lichenplanus remains unknown; however, theclinically and histopathologically very similaroral lichenoid eruptions can be causedby dental restorative materials and drugs.This article focuses on current important

knowledge and therapeutic conceptsrelating to these two conditions, with theaim of supporting clinical colleagues in thediagnostic and therapeutic management ofaffected patients.

KeywordsLichenoid eruptions · Oral cavity · Mucousmembrane · Corticosteroids · Interdisciplinarycommunication

Therapie

DieTherapie desOLPwie derOLR ist zu-nächst auf eine Symptomlinderung kon-zentriert, die insbesondere auch eine Eli-minierung von mechanischen und che-mischen äußeren Reizen beinhaltet. Sosollte ausschließlich eine weiche Hand-zahnbürste verwendet und darauf geach-tet werden, dass nur die Zähne gerei-nigt werden, aber nicht das Zahnfleischmassiert wird. Auch auf den Einsatz ei-ner elektrischen Zahnbürste sollte in derkritischen Phase verzichtet werden, dahierdurch die Schleimhaut zu stark ge-reizt wird. Zusätzlich sollte auf eine ge-schmacklose und tensidfreie Zahnpastaumgestellt werden.

Die weitere Therapie der OLR unter-scheidet sich von der des OLP. Ersterebesteht darin, die in Verdacht stehendenZahnfüllungen oder sonstigen zahnärzt-lichen Restaurationen zu entfernen und

wennmöglichdurchKeramikzuersetzen(. Abb.3).Es istnichtzielführend,diebe-troffene Schleimhautregionmedikamen-tös zu therapieren, solange der auslö-sende Reiz noch besteht [7, 21]. Wer-den Amalgamfüllungen entfernt, kanneine fast 100%ige Heilung der betroffe-nen Areale erzielt werden [7, 12, 14, 15].

» Bei der oralen lichenoidenReaktion wird das auslösendeAgens entfernt

AlsdifferenzialdiagnostischeMaßnahmekann eine dünneKunststoffschiene ange-fertigt werden, die das betroffene zahn-ärztliche Material von der Schleimhautabschirmt. Heilen die Schleimhautläsio-nen bei konstantem Tragen der Schieneüber 14 Tage hinweg ab, kann davon aus-gegangenwerden, dass dieUrsachemate-

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Leitthema

Abb. 39 a LichenoideKontaktläsion an derWan-genschleimhaut, verur-sacht durch eine ausge-dehnte alte Amalgamfül-lung.bNachAustausch derAmalgamfüllung durcheine Keramikkrone trittdeutliche Besserung ein

Abb. 49 aAtroph-erosi-ver Lichen planus. In derPeripherie zeigen sich dietypischenWickham-Strei-fen, die für die klinischeDiagnose pathognomischsind.b Starke Besserungder klinischen Situationnach 3-wöchiger Therapiemit systemischer (Predni-son) und topischer (Clobe-tasol) Kortikosteroidgabe

rialbedingt ist und das suspekteMaterialdeshalb entfernt werden muss.

Weiterhin besteht die Möglichkeit,eineEpikutantestungmithilfeeinerzahn-ärztlichen Metall- und Kunststoffreihedurchzuführen, wobei die oft propagier-ten Allergie-Patch-Tests als Diagnosti-kum nicht in jedem Fall hilfreich sindund kontrovers diskutiert werden [14,15, 22, 25].

SindMedikamente die potenzielleUr-sache der Beschwerden, kann eine Um-stellungderMedikation inZusammenar-beit mit dem behandelnden (Haus-)Arztin Erwägung gezogen werden. Erst da-nach sollte die lokale Therapie wie beimOLP angestrebt werden.

Die Therapie des OLP hängt vonden Beschwerden und dem klinischenErscheinungsbild ab. Da keine vollstän-dige Heilung erzielt werden kann, solllediglich eine symptomatische Thera-pie durchgeführt werden [5, 27]. Diebetroffenen Patienten sind immer übereinen chronischen Verlauf sowie daspotenzielle Risiko einer malignen Ent-artung zu informieren (s. unten; [9]).Das Ziel der Therapie ist eine Sym-ptomlinderung bzw. -freiheit; dies kannmanchmal bereits durch eine Umstel-

lung der Mundhygieneprodukte erreichtwerden.

Auch bei symptomlosen Befundensollten mögliche irritative Faktoren wiescharfe Zahnkanten, störende Prothe-senränder, insuffiziente Kronen undFüllungen u. Ä., die die Schleimhautzusätzlich reizen, entfernt werden.

» Topisch applizierteKortikosteroide sind die First-Line-Therapeutika beim oralenLichen planus

Je nach Lokalisation bzw. Ausdehnungder Befunde wird lokal oder systemischtherapiert [18]. First-Line-Therapeutikasind topisch applizierte Kortikosteroide.Eine systemische Kortisontherapie soll-te ausgedehnten intraoralen Läsioneninklusive des genitalen oder kutanenBefunds in Zusammenarbeit mit ei-nem Dermatologen, MKG-Chirurgenund Hausarzt vorbehalten sein [8, 13,27]. Sie kann ggf. mit topischen The-rapeutika ergänzt werden (. Abb. 4).Topische Calcineurininhibitoren wie Ta-crolimus (. Abb. 5) haben sich in Studienmindestens so effektiv gezeigt wie das

hochpotente topische Clobetasol und/oder Retinoide [13, 27]. Sie können alsZweitlinientherapeutika eingesetzt wer-den, wobei aktuell zur Ersttherapie mitCalcineurininhibitoren tendiert wird [4,6].

Bei systemischer und (längerfristiger)lokaler Applikation von Kortikosteroi-den muss beachtet werden, dass sich da-mit das Risiko für die Entwicklung einerCandidiasis erhöht [5]. AlsmöglicheNe-benwirkungen bei der topischen Appli-kation von Tacrolimus wurden Schleim-hautbrennen sowie Geschmacksstörun-gen beschrieben, die allerdings beimAb-setzen desTherapeutikums sofort wiederverschwinden [2, 11, 16, 19].

Die Therapie wird in topischer Formüber mehrere Wochen unter klinischerKontrolle fortgeführt. Nach Abklingender SymptomeundVerbesserungdes kli-nischen Erscheinungsbilds kann auf eineErhaltungs- oder symptomgeleitete The-rapie in geringerer Dosierung umgestelltwerden.

Histopathologie

Wie bereits erwähnt ist im Zweifelsfall,z. B. bei unklaren oder für einen OLPnicht typischenSchleimhautveränderun-

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Abb. 59 a Schmerzhaftererosiver Lichen planus ander Gingiva, der eine op-timaleMundhygiene er-schwerte.b Klinisches Bildnach einer 3-wöchigen lo-kalen Therapiemit Tacroli-mus (2-mal täglich)

Abb. 69 a Typische his-topathologische Verände-rungen eines oralen Lichenplanusmit einemband-förmigen subepithelialenlymphozytärenInfiltratundsägezahnartiger Verlänge-rung der Reteleisten.b BeihöhererVergrößerung lässtsich die vakuolige Dege-neration der Keratinozy-tenmit Kolloidkörperchen(sog. Civatte-Körperchen)und intraepithelialen Lym-phozyten erkennen

gen oder Auftreten von leukoplakischenVeränderungen, eine Biopsie erforder-lich. Damit lässt sich eine Dysplasie oderein invasives Karzinom, die beidenwich-tigsten Differenzialdiagnosen in diesemKontext, ausschließen [1].

Klassische histopathologische Verän-derungen eines OLP sind ein bandför-miges lichenoides, lymphozyten- undhistiozytenreiches, subepitheliales Ent-zündungsinfiltrat sowie epithelinfiltrie-rende Lymphozyten zusammen miteingestreuten Kolloidkörperchen (sog.Civatte-Körperchen). Die Reteleisten ander Haut, seltener an der Schleimhaut,sind sägezahnartig verlängert. Außer-dem zeigt sich (meist an der Haut)eine Hyperorthokeratose oder (meistan der Schleimhaut) Hyperparakeratose(. Abb. 6). Auch Erosionen oder Ulzerakönnen auftreten, diese werden dann alserosive bzw. ulzerative Form bezeichnet.Von besonderer Wichtigkeit ist das Feh-len einer Dysplasie – ein Befund, dereinen OLP ausschließt [1].

Entartungsrisiko

Der OLP wird klinisch als potenziellprämaligne Läsion aufgefasst. Allerdingswird dieser Umstand in der Literaturnachwievorkontroversdiskutiert.EinigeAutoren gehen von einem Entartungsri-siko von 0,4–5% aus, dagegen wurde beigenauerer Betrachtung und strikten Kri-terien in Metaanalysen das Transforma-tionsrisiko mit 0–2% deutlich geringergeschätzt. Äußerst wichtig ist in diesemZusammenhang die genau histologischeAnalyse, da Plattenepitheldysplasien miteinem dichten lymphatischen Infiltrateinhergehen und somit potenziell alsOLP fehlgedeutet werden können. Man-che Autoren sind sogar der Meinung,dass der OLP selbst kein Entartungsri-siko aufweist und der Übergang in eininvasives Plattenepithelkarzinom nur beiinitial (klinisch und/oder pathologisch)fehlinterpretierten Dysplasien mit li-chenoidem Entzündungsinfiltrat auftritt[17]. Darüber hinaus zeigtenDaten einerprospektiven Studie von van der Meijet al. [28], dass offenbar die lichenoidenLäsionen, d. h. Läsionen, die vereinbarmit einem OLP sind, laut WHO aber

nicht alle Kriterien erfüllen, ein Entar-tungsrisiko (0,71% pro Jahr) bergen, dertypische OLP hingegen nicht. Genaueprospektive Studien mit strikten klini-schenund histopathologischen Kriteriensind über einen langen Beobachtungs-zeitraum nötig, um eine genaue Aussagebezüglich der tatsächlichen Existenz ei-nes Entartungsrisikos und ggf. dessenUmfang beim OLP treffen zu können.Solange dies ungeklärt ist, sollte der OLPauch weiterhin im Sinne der Patientensi-cherheit als potenziell prämaligne Läsionaufgefasst werden.

» Die intraoralen Befundesollten regelmäßig klinisch undggf. histologisch kontrolliertwerden

Einigkeit herrscht darüber, dass die in-traoralen Befunde regelmäßig klinischund beiMalignitätsverdacht histologischabgeklärtwerdenmüssen.Die klinischenKontrollabstände liegen bei 3 bis 6 Mo-naten, abhängig von der Lokalisation,dem vorangegangenen histopathologi-

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Leitthema

schen Befund sowie den RisikofaktorenAlkoholundRauchen.ZungeundMund-boden als Prädilektionsstellen scheinendabei besonders für maligne Entartun-gen prädestiniert zu sein und benötigendeshalb engmaschigere Kontrollen [3].Die Erkrankung kann symptomfreie In-tervalle zeigen, neigt aber auch nachJahren noch zu Rezidiven.

Fazit für die Praxis

4 Die Ursache des oralen Lichen planusist nach wie vor ungeklärt.

4 Das klinische Erscheinungsbild istsehr mannigfaltig, wobei die Wick-ham-Streifen pathognomonisch sind.

4 Diagnostik und Therapie basierenauf einer engen interdisziplinärenZusammenarbeit zwischen MKG-/Oralchirurgen/Zahnärzten, Dermato-logen/Hausärzten und Pathologen.

4 Die Therapie des oralen Lichenplanusist symptomorientiertundrichtet sichnach dem klinischen Erscheinungs-bild,wohingegendie orale lichenoideReaktion durch Eliminierung des aus-lösenden Agens (dentaler Werkstoffoder Medikamente) geheilt werdenkann.

4 Eine Biopsie wird insbesondere beiunklarem klinischen Schleimhaut-befund und Malignitätsverdachtnotwendig.

4 Langfristige und regelmäßige Kon-trollen müssen aufgrund der Rezi-divfreudigkeit der Erkrankung sowiedes potenziellen Entartungsrisikosdurchgeführt werden.

Korrespondenzadresse

PDDr. med. S. HöllerInstitut für MedizinischeGenetik und Pathologie,Universitätspital BaselSchönbeinstraße 40,4031 Basel, [email protected]

Dr. med. dent. I. HitzLindenmüllerKlinik für ZahnärztlicheChirurgie, Radiologie, Mund-und Kieferheilkunde, UZB– UniversitätszahnklinikenBaselHebelstraße 3, 4056 Basel,[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. S.Höller und I. Hitz Lindenmüllergeben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vondenAutorendurchgeführten Studien anMenschenoder Tieren.

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10 Der MKG-Chirurg 1 · 2018

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