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Abbauverhalten degradierbarer Magnesiumlegierungen in körperähnlichen Elektrolyten Der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat. vorgelegt von Sebastian Schrenk aus Passau

Abbauverhalten degradierbarer Magnesiumlegierungen in … · 2013-09-03 · le Elektrolyte und damit konstante pH-Bedingungen über längere Zeiträume ... A subsequent EDX-analysis

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Abbauverhalten degradierbarer

Magnesiumlegierungen in

körperähnlichen Elektrolyten

Der Naturwissenschaftlichen Fakultätder Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

zur

Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat.

vorgelegt vonSebastian Schrenk

aus Passau

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Als Dissertation genehmigtvon der Naturwissenschaftlichen Fakultät

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen–Nürnberg

Tag der mündlichen Prüfung: 04. 03. 2011

Vorsitzender derPrüfungskommission: Prof. Dr. Rainer Fink

Erstberichterstatter: Prof. Dr. Bernhard Hensel

Zweitberichterstatterin: Prof. Dr. Sannakaisa Virtanen

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„But I don’t want to go among mad people,“

Alice remarked.

„Oh, you can’t help that,“ said the Cat:

„we’re all mad here. I’m mad. You’re mad.“

„How do you know I’m mad?“ said Alice.

„You must be,“ said the Cat,

„or you wouldn’t have come here. “

(Lewis Carroll: Alice in Wonderland)

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Zusammenfassung

Magnesium und seine Legierungen sind aufgrund ihrer physiologischen undmechanischen Eigenschaften ein sehr aussichtsreiches Material als Basis fürbiodegradierbare Implantate.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Verhalten der Magnesiumle-gierung WE43 (Y: 3.7 – 4.3 Gew.-%, RE: 2.4 – 4.4 Gew.-%, Zr: min. 0.4 Gew.-%)in körperähnlichen Modellelektrolyten und schafft damit die Grundlage für diein-vitro-Analyse der Degradationskinetik biodegradierbarer Magnesiumwerk-stoffe. In SBF-H (Simulated Body Fluid mit HEPES) wird die Ausbildungeiner Korrosionsschicht beobachtet. Analysen mittels energiedispersiver Rönt-genanalyse (EDX) und Röntgendiffraktometrie (XRD) zeigen, dass es sich umeine höchst amorphe, Ca- und P-haltige Schicht handelt. Wie FTIR-Spektren(Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie) zeigen, ist sie in ihrer Zusammen-setzung vergleichbar mit Ablagerungen, die sich auf Titanlegierungen in SBFbilden. REM-Aufnahmen (Rasterelektronenmikroskopie) und EDX-Analysenvon Querschliffen ausgelagerter Proben lassen eine heterogene Struktur derKorrosionsschicht sowie die Charakteristik einer Konversionsschicht erkennen.

Der Korrosionsmechanismus von WE43 ist geprägt von lokalen Korrosi-onsphänomenen. Mittels pH-sensitiver Fluoreszenzmikroskopie wurden katho-dische Zentren in der Legierungsmatrix nachgewiesen, welche in einer an-schließenden EDX-Analyse als Zr-reiche Bereiche bzw. als Zr-Ausscheidungenidentifiziert werden konnten. Im Zuge dessen wurde erstmals eine gegensei-tige Beeinflussung des Korrosionsverhaltens von Magnesiumwerkstoffen unddem Schichtbildungsprozess in körperähnlichen Elektrolyten nachgewiesen. Eswurde gezeigt, dass die Eigenschaften der Korrosionsschicht vom lokalen pH-Wert abhängig sind. In Bereichen mit hohem pH-Wert bilden sich Strukturenmit höherem Ca- und P-Gehalt, die korrosionshemmend wirken und somit dieumliegende Legierungsmatrix schützen.

Des Weiteren wurden in der vorliegenden Arbeit Ansätze für neue in-vitro-Analytikmethoden mit körperähnlichen Modellsystemen entwickelt, die stabi-le Elektrolyte und damit konstante pH-Bedingungen über längere Zeiträumevon mehreren Tagen sicherstellen. Ein Ansatz ist, das offene CO2-HCO –

3 -Puffersystem nicht in physiologischer Konzentration zu lösen, sondern in einerKonzentration, die dem Gleichgewicht an Atmosphäre entspricht. Ein zweiterAnsatz besteht in der Anpassung des Partialdruckes von CO2 in der Umge-bung, sodass eine physiologische HCO –

3 -Konzentration im Elektrolyten ge-währleistet ist.

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Abstract

Magnesium and its alloys are promising materials for biodegradable im-plants due to their physiological and mechanical properties.

This work analyzes the behavior of the magnesium alloy WE43 (Y: 3.7 –4.3 wt.-%, RE: 2.4 – 4.4 wt.-%, Zr: min. 0.4 wt.-%) in different simulated bo-dy fluids. It therefore provides a basis for in-vitro-methods to investigate thedegradation kinetics of biodegradable magnesium materials. In SBF-H (simu-lated body fluid with HEPES) the formation of a corrosion layer is observed.EDX- (energy dispersive X-ray) and XRD-methods (X-ray diffraction) of thecorrosion layer reveal that it is highly amorphos and contains Ca and P. FTIR(fast Fourier transform infrared spectroscopy) shows that its composition iscomparable to the precipitation layers deposited on titanium immersed in si-mulated body fluids. SEM- (scanning electron microscopy) and EDX-analysisof cross-sections further reveal a heterogeneous structure and a conversioncharacter of the corrosion layer formed in SBF-electrolytes.

The corrosion mechanism of the WE43 alloy is dominated by microgalvanicprocesses. Cathodic centers were identified by pH-sensitive fluorescence mi-croscopy. A subsequent EDX-analysis shows that these cathodic centers areZr-rich regions and Zr-precipitates. With these results it was possible to corre-late local corrosion processes of magnesium materials in simulated body fluidswith the inner structure of the corrosion layer for the first time. The propertiesof the corrosion layer are dependend on the local pH value. In surface areaswith increased pH Ca- and P-rich structures are formed. They act as transportbarriers and thus protect the surrounding matrix.

Furthermore enhanced methods for in-vitro corrosion testing were developedby using improved simulated body fluids which ensure a stable electrolytecomposition and pH value over a period of several days. One approach is todissolve the open buffer system CO2 - HCO –

3 in an equilibrium concentrationunder atmospheric conditions instead of the physiological concentration. Asecond approach is to adjust the partial pressure of CO2 during corrosiontesting in order to stabilize the HCO –

3 concentration at the physiological value.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien 52.1 Vorzüge biodegradierbarer metallischer Werkstoffe . . . . 52.2 Magnesium als degradierbares Implantatmaterial . . . . . 82.3 Eigenschaften der Legierung WE43 . . . . . . . . . . . . . 12

2.3.1 Struktur und chemische Zusammensetzung . . . . 142.3.2 Eigenschaften der Zulegierungselemente . . . . . . 172.3.3 Charakterisierung der Legierung WE43 . . . . . . 21

3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten 273.1 Korrosionsmechanismus in wässrigen Elektrolyten . . . . . 273.2 Bildung von Magnesiumhydroxid . . . . . . . . . . . . . . 313.3 Einfluss von Verunreinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . 353.4 Einfluss von zweiten Phasen und der Mikrostruktur . . . 373.5 Einfluss des umgebenden Elektrolyten . . . . . . . . . . . 38

4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem 414.1 Flüssigkeitsräume im menschlichen Organismus . . . . . . 424.2 Reale pK

S-Werte von Pufferlösungen . . . . . . . . . . . . 434.2.1 Temperaturabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 464.2.2 Einfluss der Ionenstärke . . . . . . . . . . . . . . . 47

4.3 Phosphatgepufferte Salzlösung (PBS) . . . . . . . . . . . . 504.4 Simulated Body Fluids (SBF) . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4.4.1 SBF-H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.4.2 Verhalten von SBF-H . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4.5 Bedeutung des Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffers . 544.5.1 Bedeutung in vivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.5.2 Mechanismus im in-vitro-System . . . . . . . . . . 58

4.6 Ansätze zur pH-Stabilisierung von SBF-H . . . . . . . . . 60

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viii Inhaltsverzeichnis

4.6.1 Hydrogencarbonatkonzentration im Gleichgewichtmit der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

4.6.2 Kontrollierte CO2-Atmosphäre . . . . . . . . . . . 62

5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten 675.1 Versuchsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675.2 Einfluss der Präparation auf den Polarisationswiderstand 705.3 Einfluss der Mg 2+-Konzentration . . . . . . . . . . . . . . 725.4 Korrosion an Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.5 Korrosion in kontrollierter CO2-Atmosphäre . . . . . . . . 77

6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht 856.1 Struktur und chemische Zusammensetzung . . . . . . . . 856.2 Konversionscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936.3 Innerer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956.4 Beeinflussung durch Pufferkapazität und HEPES . . . . . 100

7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten 1077.1 Lokale Korrosionsphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . 1077.2 Nachweis von kathodischen Zentren mittels pH-sensitiver

Fluoreszenzmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127.3 Identifizierung kathodischer Zentren mittels EDX-Analyse 1197.4 Effekt der kathodischen Zentren auf die Korrosionsschicht 122

7.4.1 Einfluss der lokalen pH-Wert-Erhöhung . . . . . . 1227.4.2 Einfluss der Hydrogencarbonatkonzentration . . . 126

7.5 Modell des Degradationsverhaltens . . . . . . . . . . . . . 128

8 Zusammenfassung und Ausblick 131

A Bestimmung von pK′

S-Werten 135

B Herstellung von SBF-H 139

C Präparationsverfahren für Magnesiumwerkstoffe 141C.1 Präparationsverfahren für geschliffene Oberflächen . . . . 141C.2 Politurverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

D Verwendete Geräte 145

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Inhaltsverzeichnis ix

E Verwendete Chemikalien 149

Literaturverzeichnis 153

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1 Einleitung

Viele Implantate haben lediglich einen temporären Nutzen während derAusheilung der entsprechenden Läsion. Knochenimplantate in Form vonPlatten, Schrauben oder Nägeln zur Fixierung und Stabilisierung vonFrakturen müssen z. B. nach einem vollständigen Heilungsprozess in ei-nem weiteren Eingriff entfernt werden [66]. Gefäßstützen bergen das Risi-ko einer In-Stent-Restenose (ISR) [16] [18]. In der pädiatrischen Kardio-logie besteht zudem eine erhebliche Einschränkung in der Stentimplan-tation hinsichtlich des weiteren zu erwartenden Wachstums des betroffe-nen Gefäßabschnittes [15] [73]. Die Entwicklung von biodegradierbarenbzw. bioabsorbierbaren Werkstoffen für den Einsatz in solchen Implan-taten ist daher ein wichtiges Gebiet in der aktuellen medizintechnischenForschung. Das gilt insbesondere für abbaubare metallische Werkstoffe,die im Gegensatz zu abbaubaren Polymeren wie Polylactid noch keineumfassende medizinische Anwendung haben.

Als metallisches, biodegradierbares Implantatmaterial bietet sich Ma-gnesium aufgrund seiner guten Biokompatibilität, seiner physiologischenEigenschaften, der knochenähnlichen Festigkeit und seines Korrosions-verhaltens an [16] [27] [52] [64]. Speziell die Magnesiumlegierung WE43(Y: 3.7 – 4.3Gew.-%, RE: 2.4 – 4.4Gew.-%, Zr: min. 0.4Gew.-%) istmit ihren verbesserten mechanischen Eigenschaften und der im Ver-gleich zu Reinmagnesium deutlich reduzierten Korrosionsrate ein viel-versprechender Werkstoff [44] [45] [46] [66]. Bisherige Studien zu WE43-Implantaten haben allerdings gezeigt, dass die Haltezeit dieser Implan-tate noch zu gering ist [66] [74]. Eine Modifizierung der Legierung zurweiteren Reduzierung der Korrosionsrate ist daher erforderlich.

Voraussetzung für eine gezielte Weiterentwicklung und Anpassung derLegierungseigenschaften für den Einsatz als Biomaterial ist ein tieferesVerständnis des Verhaltens und der Wechselwirkungen von WE43 in phy-siologischer Umgebung. Das Abbauverhalten derartiger Werkstoffe immenschlichen Organismus wird jedoch sowohl durch die organischen und

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2 1 Einleitung

anorganischen Bestandteile der Körperflüssigkeiten, als auch von kom-plexen zellulären Prozessen bestimmt. Dies hat zur Folge, dass die zurEntwicklung der Werkstoffe notwendigen in-vitro-Versuche vereinfachteund speziell an die Anwendung angepasste Modellsysteme erfordern.

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, das Degradationsver-halten von Magnesium und speziell der Magnesiumlegierung WE43 in ei-nem körperähnlichen in-vitro-Modellsystem zu untersuchen. Dabei wirdein tieferes Verständnis der Vorgänge und Mechanismen der Korrosi-on in körperähnlichem Medium sowie der Wechselwirkungen der Legie-rung mit der Elektrolytlösung entwickelt und eine Basis für eine gezielteWeiterentwicklung der Legierung geschaffen. Als Modellsystem für diein-vitro-Analytik wird SBF-H (Simulated Body Fluid mit HEPES) ver-wendet, eine körperähnliche Flüssigkeit, die in ihrer Zusammensetzungsehr nahe an dem anorganischen Anteil des menschlichen Blutplasmasbzw. der interstitiellen Flüssigkeit ist.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Entwicklung verbes-serter Methoden zur in-vitro-Analytik. Während der Versuche hat sichgezeigt, dass SBF-H in der verwendeten Form nicht stabil ist, sondernder pH-Wert sich mit der Zeit erhöht.

Zunächst werden in Kapitel 2 die Notwendigkeit und der potentielleNutzen von biodegradierbaren Implantaten vorgestellt und die Vorteilevon Magnesiumlegierungen für die medizintechnische Anwendung erör-tert, im Speziellen der Legierung WE43. Anschließend folgt eine Cha-rakterisierung von WE43.

In Kapitel 3 werden die in der Literatur beschriebenen Grundlagen derKorrosion von Magnesium in wässrigen Elektrolyten diskutiert. Dabeiwird deutlich, dass insbesondere bei Magnesiumwerkstoffen die Zusam-mensetzung der Elektrolytlösung einen maßgeblichen Einfluss auf dasDegradationsverhalten ausübt.

Kapitel 4 behandelt zunächst die Zusammensetzung der für biodegra-dierbare Implantate relevanten Flüssigkeitsräume im menschlichen Orga-nismus. Ein wesentlicher Bestandteil sind Puffersysteme, deren Funktionmit den Konsequenzen für die Versuchsdurchführung beschrieben wird.

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3

Anschließend wird der in dieser Arbeit als Modellsystem für die in-vitro-Analytik gewählte Elektrolyt SBF-H vorgestellt. Im Zuge der in-vitro-Experimente wird der Effekt eines pH-Anstieges in SBF-H beobachtet.Hierbei zeigt sich, dass das offene CO2-HCO –

3 -System, das im Blut ei-ne wichtige Rolle bei der Pufferung spielt, von großer Bedeutung ist. InAbschnitt 4.6 werden zwei Ansätze für in-vitro-Versuche mit SBF-H vor-gestellt, die einen stabilen Elektrolyten und einen konstanten pH-Wertwährend der Auslagerungszeit gewährleisten. Auslagerungsversuche mitReinmagnesium, anhand derer die pH-Stabilität dieser Ansätze getestetwird, zeigen vielversprechende Ergebnisse.

Die in dieser Arbeit durchgeführten Experimente zur Degradationsind in Kapitel 5 beschrieben. Bei der Auslagerung von Magnesiumwerk-stoffen in körperähnlichen Flüssigkeiten ist die Ausbildung einer Korro-sionsschicht zu beobachten, die das Korrosionsverhalten wesentlich be-einflusst.

Die Charakterisierung dieser Korrosionsschicht ist Gegenstand vonKapitel 6. Anhand Analysen der Oberfläche bzw. von Querschliffen aus-gelagerter Proben mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM), energie-dispersiver Röntgenanalyse (EDX), Röntgendiffraktometrie (XRD) undFourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FTIR) werden Zusammenset-zung, Aufbau und Charakter der Schicht eingehend untersucht. Die Er-gebnisse zeigen, dass es sich um eine amorphe calcium- und phosphorhal-tige Schicht handelt, die vergleichbar zu Ablagerungen ist, welche sich aufTitanlegierungen in körperähnlichen Flüssigkeiten bilden. Zudem weistdie Schicht eine sehr heterogene innere Struktur auf.

Der Korrosionsmechanismus von WE43 in in-vitro-Modellsystemen so-wie die Wechselwirkung der Legierung mit der körperähnlichen Elek-trolytlösung SBF-H werden in Kapitel 7 diskutiert. Bei den Versuchenwerden lokale Korrosionsphänomene auf WE43 beobachtet. pH-sensitiveFluoreszenzmikroskopie und EDX-Analysen zeigen, dass die Zirkonium-ausscheidungen bzw. zirkoniumreichen Bereiche in WE43 als kathodi-sche Zentren wirken. Aufgrund des dort lokal erhöhten pH-Wertes bil-den sich Bereiche in der Korrosionsschicht, die eine korrosionshemmendeWirkung besitzen und das darunterliegende Material schützen. Die Er-gebnisse zeigen außerdem, dass eine hohe HCO –

3 -Konzentration in derElektrolytlösung großen Anteil an der Ausbildung dieser schützendenBereiche hat.

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4 1 Einleitung

Abschließend werden die Untersuchungsmethoden und Ergebnisse ausden Degradationsversuchen zusammengefasst und ein Ausblick für wei-terführende Versuche gegeben. Auf Grundlage der gewonnenen Erkennt-nisse ergeben sich Ansätze zur Modifikation der Legierung WE43.

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2 Magnesiumwerkstoffe als

biodegradierbare Materialien

Die Entwicklung neuer biodegradierbarer bzw. bioabsorbierbarer Werk-stoffe ist ein aktuelles Forschungsgebiet im Bereich der medizintechni-schen Implantate. In Abschnitt 2.1 werden die Notwendigkeit und Vor-teile von biodegradierbaren Werkstoffen für Implantate erörtert. Als po-tentielles Basismaterial bietet sich Magnesium (Mg) wegen seiner hohenBiokompatibilität, seiner Bedeutung im menschlichen Organismus undseiner korrosiven Eigenschaften in physiologischer Umgebung an (Ab-schnitt 2.2). In verschiedenen Studien erwies sich insbesondere das Ma-terial WE43 aufgrund seiner sehr guten mechanischen Eigenschaften unddem im Vergleich zu Reinmagnesium höheren Korrosionswiderstand alseine vielversprechende Legierung [46] [66] [74]. In Abschnitt 2.3.2 sinddie Eigenschaften der Zulegierungselemente von WE43 beschrieben. Ab-schnitt 2.3.3 enthält die Charakterisierung des im Rahmen dieser Arbeitverwendeten Materials hinsichtlich der chemischen Zusammensetzungund der Ausscheidungen in der Legierungsmatrix.

2.1 Vorzüge biodegradierbarer metallischerWerkstoffe

Degradierbare Implantatmaterialien bieten wesentliche Vorteile gegen-über permanenten Implantaten. Die volle Funktion eines Implantates istim Allgemeinen nur solange notwendig, bis die entsprechende Läsion aus-geheilt ist. Das Implantatmaterial kann dabei in der physiologischen Um-gebung des menschlichen Körpers aufgelöst, absorbiert, verbraucht oderausgeschieden werden [64]. Die meisten der derzeit auf dem Markt verfüg-baren biodegradierbaren Implantate sind auf der Basis von Polymeren.Gerade für Anwendungen, bei denen die mechanischen Eigenschaften

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6 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

von Bedeutung sind, wie Knochenimplantate oder Gefäßstützen, bietenbiodegradierbare Polymere bislang allerdings nicht die nötigen Voraus-setzungen, da ihre Festigkeit auf Werte kleiner 50MPa beschränkt ist(vgl. Abbildung 2.2) [22] [43] [52] [64] [70]. Von großem Interesse istdaher die Entwicklung von biodegradierbaren metallischen Werkstoffen.Gegenstand der aktuellen Forschung sind Systeme aus Eisen und Ma-gnesium [46].

Bei Knochenimplantaten in Form von Platten, Schrauben oder Nägelnzur Fixierung von Frakturen ist durch den Einsatz von degradierbarenImplantaten kein weiterer operativer Eingriff zur Entfernung nach ei-nem abgeschlossenen Heilungsprozess notwendig. Zudem kann durch denAbbau des Materials ein langsamer Belastungstransfer stattfinden. VonInteresse sind vor allem Materialien, deren mechanische Eigenschaftennahe an denen des natürlichen Knochengewebes sind. Dadurch werdensogenannte stress-shielding-Effekte vermieden, also ein Abbau des Kno-chenmaterials aufgrund einer veränderten, unphysiologischen Kraftein-leitung durch ein Knochenimplantat. [52] [66]

Auch die Notwendigkeit der mechanischen Stützfunktion von Gefäßendurch Stents ist in der Regel nur temporär. Wie unter anderem bei Ormi-ston et al. [53] beschrieben ist, erfolgen die meisten Restenosen nach einerAngioplastie in den folgenden ein bis drei Monaten und sind danach eherselten. Wie lange genau die Stützwirkung eines Stents erforderlich ist,ist allerdings nicht genau bekannt und zudem von der konkreten Patho-physiologie abhängig [16] [53]. Aufgrund fehlender klinischer Erfahrungwird erwartet, dass ein Stent in der Regel nach ca. sechs Monaten nachdem Eingriff nicht mehr benötigt wird [53]. Als permanentes Implantatbirgt er ab diesem Zeitpunkt das Risiko für eine sogenannte In-Stent-Restenose (ISR) [16]. Nach Garg et al. [18] resultiert diese Hyperplasieder Intima in Restenoseraten von 20 – 30%. Durch die Verwendung vonbiodegradierbaren Stents erwartet man eine deutliche Reduzierung dieserISR-Raten. Weitere potentielle Vorteile sind u. a. nach vollständiger Ab-sorption die Möglichkeit zur Betrachtung des gestenteten Bereiches mit-tels CT und zur gegebenenfalls notwendigen weiteren Behandlung desgestenteten Gefäßabschnittes oder die Erhaltung der Vasomotion desGefäßes [53].

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2.1 Vorzüge biodegradierbarer metallischer Werkstoffe 7

Als zusätzliches Potential bieten bioabsorbierbare Stents zudem denEinsatz in der pädiatrischen Kardiologie, da sie im Gegensatz zu perma-nenten Implantaten ein ungehindertes Wachstum des Gefäßes erlaubenohne eine eventuelle chirurgische Entfernung des Implantates. Zudementstehen an einem mit einem degradierbaren Stent behandelten Gefäß-abschnitt keine Einschränkungen für weitere Therapieoptionen. [53]

Für die mechanischen Eigenschaften eines Stents spielt neben den me-chanischen Eigenschaften des Materials das Stentdesign eine maßgeb-liche Rolle. Bei Erne et al. [16] wird beispielsweise erläutert, dass für dieMagnesiumstents in den dort beschriebenen Versuchsreihen und Studienein Design entwickelt wurde speziell im Hinblick auf die mechanischenEigenschaften der Magnesiumlegierung. Dadurch konnten radiale Kräfteerzielt werden, die mit denen von konventionellen Metallstents vergleich-bar sind.

Wie oben diskutiert ist man aufgrund der notwendigen mechanischenEigenschaften auf der Suche neuen biodegradierbaren metallischen Ma-terialien.

Eisen besitzt aufgrund seines hohen E-Moduls ausgezeichnete Radial-kräfte. Die Biodegradation des Eisens umfasst die Oxidation zu Fe 2+

bzw. Fe 3+ und die Lösung dieser Ionen in biologisches Medium. In vitroreduzieren die Fe 2+-Ionen die Proliferation von glatten Muskelzellen.Man erwartet, dass dadurch eine Hyperplasie der Intima verhindert wird.Reineisen besitzt jedoch sehr ähnliche Werte für die Streckgrenze undden Bruchwiderstand, sodass Stents aus Reineisen theoretisch bei derExpansion brechen. In Tiermodellen war jedoch ein erfolgreicher Einsatzmöglich. Bislang sind die Studien zu Reineisenimplantaten beschränktauf lediglich sehr kleine Studiengruppen und zeigen zudem für eine An-wendung zu geringe Degradationsraten. [46]

Wie die Übersichtsartikel von Mani et al. [46] und Staiger et al. [66]zeigen, bieten sich vor allem auch Magnesium und seine Legierungen auf-grund ihrer knochenähnlichen Eigenschaften als biodegradierbares Ma-terial an. Nach Kammer [32] besitzt kein anderer Implantatwerkstoff einE-Modul, dass der Kortikalis so nahe ist (vgl. Abbildung 2.1). Zudemweisen Magnesiumlegierungen im Vergleich zu bioabsorbierbaren Poly-meren höhere Festigkeiten auf (Abbildung 2.2) [22]. Hinsichtlich seinermechanischen Eigenschaften [44] [46] [66] und der deutlich reduzierten

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8 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

Korrosionsrate [44] ist die Magnesiumlegierung WE43 eine sehr vielver-sprechende Legierung, sowohl für den Einsatz als Knochenimplantat alsauch als Stentmaterial.

2.2 Magnesium als degradierbaresImplantatmaterial

Ein potentielles als Basismaterial für biodegradierbare Implantate istMagnesium (Mg). Der in der industriellen Nutzung als Nachteil emp-fundene geringe Korrosionswiderstand kann bei der Anwendung als bio-degradierbares Biomaterial als Vorteil genutzt werden [32].

Aus physiologischen Gesichtspunkten eignet sich Magnesium hervor-ragend als biodegradierbares Implantatmaterial. Magnesium ist essenti-eller Mineralstoff im menschlichen Organismus. Als zweiwertiges Kation(Mg 2+) ist es für die Aktivierung einer Vielzahl von Enzymen und Trans-portproteinen verantwortlich, wie z. B. der Na+-K+-ATPase, der Ca 2+-ATPase, sowie der Ca 2+-Kanäle und K+-Kanäle [34] [49]. In seiner Be-deutung als intra- und extrazellulär wirkender physiologischer Calcium-Antagonist beeinflusst es u. a. die Erregungsbildung und -leitung undnimmt somit z. B. Einfluss auf die Signalübertragung in Nerven oder dieErregbarkeit der Myokardzelle [49]. Nach Vormann [69] hat Magnesiumeine wichtige Bedeutung bei der Zelladhäsion. Eine ausführliche Zusam-menfassung der physiologischen Effekte von Magnesium findet sich u. a.bei Möhnle et al. [49].

Der menschliche Organismus enthält ca. 15 mmol/kg Magnesium. Da-von ist etwas mehr als die Hälfte im Knochengewebe gebunden, wenigerals ein Prozent findet sich im Blut. Der übrige Anteil ist in der Musku-latur und in den Weichteilgeweben gebunden [38] [49]. Das Magnesiumim Blut befindet sich in den Erythrozyten mit ca. 2.5 – 2.75 mmol/l undim Serum. Die Magnesiumkonzentration im Serum beträgt ca. 1 mmol/l,wobei etwa 55% als freies Ion vorliegen, etwa 30% an Proteine und et-wa 15% an Komplexe gebunden sind (vgl. Abschnitt 4.1). Magnesiumals freies Ion ist das vierthäufigste Kation im menschlichen Körper [49].Die empfohlene Tagesdosis an Magnesium beträgt laut der DeutschenGesellschaft für Ernährung e.V. 300 – 400 mmol/Tag [12]. Davon werden

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2.2 Magnesium als degradierbares Implantatmaterial 9

nach Möhnle et al. [49] nur etwa 30% absorbiert. Die restlichen 70% wer-den mit dem Stuhl wieder ausgeschieden. Die Kontrolle und Regulationder Magnesiumkonzentration im Serum erfolgt über die Nieren. Die Me-chanismen der renalen Ausscheidung für Magnesium sind sehr effektiv,um einen signfikanten Anstieg der Magnesiumkonzentration im Blut zuvermeiden [34] [49]. Hypermagnesiämien, also ein Überschuss an Magne-sium, und Magnesiumintoxikationen sind daher äußerst selten. In denmeisten Fällen sind diese auf eine iatrogene Zufuhr (z. B. Medikation)oder eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz zurückzuführen. Die Nierekann Magnesium erst ab einer sehr geringen glomerulären Filtrationsra-te von unter 30 ml/min nicht mehr ausreichend ausscheiden (Retention),was bereits einer Nierenerkrankung mit schwerer Funktionseinschrän-kung entspricht [49] [67]. Die Symptome einer Hypermagnesiämie kön-nen neuromuskulär, neurologisch und kardial sein. Tabelle 2.1 zeigt eineZusammenfassung der Symptome in Abhängigkeit der Magnesiumkon-zentration im Serum.

Allergische oder toxische Reaktionen, die durch biodegradierbare Im-plantate auf der Basis von Magnesium hervorgerufen werden, sind dahernicht zu erwarten und wurden auch in den bisherigen Studien nicht be-obachtet [16] [62].

Magnesiumkonzentration im Serum klinische Symptomein mmol/l in mg/l

0.75 – 0.95 17 – 22 Normwerte1.5 – 2.5 36 – 61 Übelkeit, Erbrechen2.0 – 3.5 49 – 85 Muskuläre Schwäche,

Hyporeflexie2.5 – 5.0 61 – 122 Hypotension, Bradykardie5.0 – 7.5 122 – 182 Koma, Paralyse

Tabelle 2.1: Klinische Symptome bei Hypermagnesiämie. [49]

Neben der sehr guten Biokompatibilität sind auch die physikalischenEigenschaften von Magnesium und seinen Legierungen vielversprechend:

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10 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

Die Werte für die Dichte, das E-Modul sowie die Fließgrenze sind denEigenschaften von Knochen weit ähnlicher als die gängiger Implantatma-terialien, wodurch beim Einsatz als Knochenimplantat stress-shielding-Effekte vermieden werden können (Abbildung 2.1) [32] [64].

Abbildung 2.1: Vergleich mechanischer Eigenschaften metallischerWerkstoffe [22].

Magnesiumwerkstoffe sind zudem in gängigen Röntgenverfahren und-dosen nicht bzw. schlecht sichtbar. Dies ist ein potentieller Vorteil ge-genüber den meisten anderen Metallen, da auf Magnesium basierendeImplantate dadurch CT-geeignet sind. Nach Niemeyer et al. [52] lässtsich die Röntgensichtbarkeit durch Zulegieren Seltener Erden beeinflus-sen. Die nicht vorhandene bzw. schlechte Röntgensichtbarkeit von Stentsauf Magnesiumbasis hatte nach Erne et al. [16] keine negativen Auswir-kung auf den Implantationsprozess bei der ersten klinischen Studie zumEinsatz von absorbierbaren Metallstents in der Koronararterie.

Die Idee, Magnesiumwerkstoffe für Implantate zu verwenden, existiertbereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Der erste Einsatz wurde vonLambotte dokumentiert, der im Jahre 1907 eine Platte aus Reinma-gnesium mit goldbeschichteten Nägel implantiert hat, um einen Bruch

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2.2 Magnesium als degradierbares Implantatmaterial 11

Abbildung 2.2: Vergleich mechanischer Eigenschaften synthetischerPolymere [22].

eines Unterschenkelknochens zu fixieren [66] [74]. Wie u. a. bei Stai-ger et al. [66] berichtet wird, stellte sich allerdings bei weiteren Einsätzenheraus, dass die Korrosionsrate von reinem Magnesium zu hoch ist unddamit die Gasentwicklung in dem behandelten Bereich zu groß war (ver-gleiche dazu den Korrosionsmechanismus von Magnesium in Kapitel 3).Aufgrund dieser Einschränkung wurde zeitweise das Ziel, biodegradier-bare Implantate auf Mg-Basis zu entwickeln, nicht weiter verfolgt. Zudemzeigte sich, dass die mechanischen Eigenschaften von reinem Magnesiumsowohl für den Einsatz als Knochenimplantat als auch als Gefäßstützeverbessert werden müssen [46] [64] [66].

Ein wesentlicher Ansatz zur Verbesserung bzw. Anpassung der Ma-terialeigenschaften besteht in der Entwicklung von Magnesiumlegierun-gen. Durch das Legieren von Magnesium kann die Korrosionsrate deut-lich reduziert und gleichzeitig die mechanischen Eigenschaften den zuGrunde liegenden Anforderungen angepasst werden. Dadurch wurde dasInteresse an der Verwendung von Magnesium als Biomaterial wieder ge-weckt [64]. Bei Staiger et al. [66] findet sich ein ausführlicher Überblicküber die geschichtliche Entwicklung und bisherigen Studien zu in-vivo-

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12 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

Anwendungen verschiedener Magnesiumlegierungen in Form von Plat-ten, Schrauben oder Nägeln. Der bisherige Einsatz von Magnesiumlegie-rungen als biodegradierbares Stentmaterial ist bei Erne et al. [16] sowiebei Zeng et al. [74] kurz zusammengefasst.

Die jüngsten Ergebnisse zur Verwendung von Magnesiumlegierungenals Biomaterial zeigen gute Erfolge. Sowohl der Einsatz in Form von Kno-chenimplantaten als auch als biodegradierbares Stentmaterial ist sehrvielversprechend. Bei ersten klinischen Einsätzen traten keinerlei weitereKomplikationen oder Nebenwirkungen wie allergische oder toxische Re-aktionen auf [16] [52] [62] [66]. Vielmehr zeigten sich bei den Einsätzenvon Magnesiumlegierungen als Knochenimplantat sogar positive Neben-effekte. So wurde beobachtet, dass Implantate aus Magnesium die Bil-dung von neuem Knochengewebe anregen [66] [71] [74]. Zudem sindpositive Nebenwirkungen zu erwarten beispielsweise aufgrund der anti-arrhythmischen und vasodilatorischen Eigenschaften von Magnesium [13][16] [49].

2.3 Eigenschaften der Legierung WE43

Aufgrund seiner Eigenschaften ist die Magnesiumlegierung WE43 einpotentielles biodegradierbares Implantatmaterial [44] [46] [66].

Die Bezeichnung von Magnesiumlegierungen richtet sich nach einerASTM-Norm (American Society for Testing and Materials): Zwei Buch-staben kennzeichnen die Hauptlegierungselemente, wobei das Elementmir dem größeren Volumenanteil an erster Stelle steht. Eine Liste miteiner Auswahl der Kurzbuchstaben zur Bezeichnung der Zulegierungsele-mente findet sich in Tabelle 2.2. Die nachfolgenden zwei Ziffern geben denabgerundeten ganzzahligen Volumenanteil der beiden Hauptlegierungs-elemente in der entsprechenden Reihenfolge an. Anschließend kann nochein Buchstabe folgen, um Legierungen mit derselben nominalen Zusam-mensetzung zu unterscheiden. Die Magnesiumlegierung WE43 enthältdemzufolge in etwa 4% Yttrium und 3% Seltene Erden.

Die ersten klinischen Studien zu biodegradierbaren WE43-Implantatensind sehr aussichtsreich. Es zeigten sich keine Komplikationen oder ne-

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 13

Buchstabe Legierungselement

A AluminiumC KupferE Seltene ErdenH ThoriumK ZirkoniumL LithiumM ManganQ SilberS SilikonW YttriumZ Zink

Tabelle 2.2: Auswahl an Buchstaben zur Bezeichnung von Magnesi-umlegierungen nach ASTM-Norm [3].

gativen Nebeneffekte wie subkutane Bildung von Gasblasen oder Ent-zündungsreaktionen. Insgesamt wurde eine hohe Verträglichkeit dieserLegierung beobachtet. [13] [66] [74]

Allerdings sind die Haltezeiten von Implantaten aus WE43, sowohl inder Verwendung als Knochenimplantat als auch als Stent, weiterhin nochzu gering [21] [53] [74]. Um diese zu erhöhen ist eine weitere Reduzierungder Korrosionsrate notwendig. Mögliche Ansätze sind eine Beschichtungder Implantate bzw. eine Anpassung der Legierung [74].

Für eine gezielte Weiterentwicklung der Magnesiumlegierung WE43bedarf es eines Verständnisses des Degradationsverhaltens in physio-logischer Umgebung bzw. der Wechselwirkung zwischen der Legierungund der entsprechenden Körperflüssigkeit. Im menschlichen Organismushaben jedoch zum einen die organischen und anorganischen Bestand-teile der Körperflüssigkeiten einen Einfluss. Zum anderen bestimmenkomplexe zelluläre Prozesse das Abbauverhalten. Die für die Entwicklungvon Werkstoffen notwendigen in-vitro-Versuche erfordern daher verein-fachte und speziell an die jeweilige Anwendung angepasste Modellsys-teme (Kapitel 4).

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14 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

2.3.1 Struktur und chemische Zusammensetzung

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Magnesiumlegierung WE43 in Formvon extrudiertem Stangenmaterial für die Untersuchung des Degradati-onsverhaltens in körperähnlichen Modellelektrolyten verwendet. Die che-mische Zusammensetzung der Legierung ist in Tabelle 2.3 angegeben. ImFolgenden werden zunächst die Einflüsse der einzelnen Zulegierungsele-mente auf die Korrosion und die mechanischen Eigenschaften diskutiert.Bzgl. physikalischer Daten und mechanischer Eigenschaften siehe Daten-blatt [44].

Element Gew.-%

Yttrium 3.7 – 4.3Seltene Erden 2.4 – 4.4Zirkonium min. 0.4Magnesium Rest

Tabelle 2.3: Chemische Zusammensetzung der MagnesiumlegierungElektron WE43 [44]. Zr löst sich nach Beck et al. [5] bis max. 1.0 %.

In Abbildung 2.3 sind typische REM-Aufnahmen der Oberfläche derMagnesiumlegierung WE43 mittels SE-Detektor (SE = secondary elec-trons) und BSD-Detektor (BSD = back scattered electrons) dargestellt.

Die quantitative EDX-Analyse zeigt, dass die chemische Zusammen-setzung der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten WE43-Legierungsehr gut mit den Herstellerangaben übereinstimmt (Tabelle 2.3). Ab-bildung 2.4 zeigt das zugehörige EDX-Spektrum über den gesamten inAbbildung 2.3 dargestellten Bereich sowie eine quantitative Auswertungdes Röntgenspektrums. Als weitere in der Legierung enthaltene SelteneErden sind Spuren von Gadolinium und Dysprosium nachweisbar.

Von einer quantitativen EDX-Analyse der Ausscheidungen (vgl. Ab-schnitt 2.3.3) wurde abgesehen. Die charakteristische Röntgenstrahlungzur Elementanalyse stammt nicht aus einem einzigen Punkt, an demdie Elektronen auf die Probe treffen, sondern aus einer Streubirne, wel-che durch die Sphäre der möglichen Elektronentrajektorien innerhalbder Probe gebildet wird. Der Radius der Streubirne lässt sich mit der

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 15

Abbildung 2.3: REM-Aufnahmen der polierten Oberfläche derWE43-Legierung (E0 = 15 keV). Oben: Sekundärelektronenbild (SE-Bild), unten: Rückstreubild (BSD-Bild).

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16 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

0 1 2 3 4 5 6 7 80

1

2

3

50100150200250

Nd

Nd

Zr

Y

DyGd

Nd

Mg

C OZäh

lrat

e (c

ps/e

V)

Energie (keV)

Gew.-% FehlerMg 92.55 4.9Y 3.87 0.18Nd 2.18 0.09Zr 0.6 0.05Dy 0.44 0.04Gd 0.36 0.04

Abbildung 2.4: EDX-Spektrum mit quantitativer Auswertung derWE43-Legierung. Gemessen wurde über den gesamten in Abbil-dung 2.3 dargestellten Bereich (E0 = 15 keV). Die Tabelle gibt dienormierten Massenanteile und normierten Fehler an.

Reichweite R der Elektronen im Probenmaterial abschätzen. Nach Gold-stein et al. [20] hängt die Elektronenreichweite R wie folgt mit den phy-sikalischen Daten des Probenmaterials zusammen:

R =0.0276 A

Z0.89 ρ· E1.67

0 , (2.1)

wobei A das Atomgewicht in g/mol, Z die Ordnungszahl, ρ die Dichtein g/cm3 und E0 die Energie des Elektronenstrahls in keV bezeichnet. InTabelle 2.4 sind Werte für R in reinen Materialien der Hauptlegierungs-bestandteile von WE43 abgeschätzt. Im Vergleich zu den Abmessungender Ausscheidungen in WE43 ist der Radius der Streubirne sehr groß(vgl. Abbildung 2.5). Ein Einfluss der umgebenden Matrix auf die ge-messenen Röntgenspektren der Ausscheidungen kann daher selbst bei

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 17

Punktmessungen nicht ausgeschlossen werden und ist nur schwer abzu-schätzen. Qualitative Aussagen über die Art der Ausscheidungen sindallerdings durchaus möglich (Abschnitt 2.3.3).

Element Z A in g/mol ρ in g/cm3 R in µm

Mg 12 24.3050 1.738 3.89Y 39 88.9059 4.472 1.94Zr 40 91.224 6.508 1.34Nd 60 144.24 7.003 1.37

Tabelle 2.4: Elektronenreichweite R für die Hauptlegierungsbestand-teile der Magnesiumlegierung WE43 unter Annahme reiner Materialienbei einer Energie des Elektronenstrahls von E0 = 15 keV (physikalischeDaten aus Holleman et al. [28]).

2.3.2 Eigenschaften der Zulegierungselemente

Neben der Verbesserung mechanischer Eigenschaften werden Zulegie-rungselemente dazu verwendet das Korrosionsverhalten von Metallenzu verbessern. Betrachtet man die in Kapitel 3 beschriebenen grundle-genden Mechanismen der Magnesiumdegradation, gibt es zwei Ansätze,mit Hilfe von Zulegierungen das Korrosionsverhalten von Magnesium zubeeinflussen.

Zum einen lässt sich die Korrosionsrate senken, indem die Wasser-stoffentwicklung bzw. die Ursachen für mikrogalvanische Korrosion imMetall reduziert werden. Dies ist durch Zulegieren von bestimmten Ele-menten zu erreichen, die das Verhalten der Verunreinigungen im Metallentsprechend beeinflussen. Beispiele hierfür sind Zr oder Mn, die dasToleranzlimit von Fe erhöhen [5] [17] [63].

Zum anderen werden Elemente zulegiert, die sich auf das passivie-rende Verhalten der Legierung auswirken, indem sie die schützendenEigenschaften und die Stabilität der Korrosionsschicht verbessern. Dergrundlegende Gedanke bei diesem Verfahren ist eine Mg-X- oder Mg-A-B-X-Legierung, in der sämtliche Legierungselemente vollständig gelöstsind und auf der sich ein stabiler Passivfilm auf der Basis eines Oxids

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18 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

des Elementes X bildet, welcher die Legierung vor Korrosion schützt.Bekannte Vertreter für Zulegierungselemente mit diesen Eigenschaftensind Al oder auch Zr. [61]

Magnesiumlegierungen der WE-Reihe sind nach Kammer [32] gut gieß-bar und im üblichen T6-Zustand1 hochwarmfest und hochkriechbestän-dig bis zu Temperaturen von ca. 250 C, alterungsbeständig und dau-erfest. Zudem besitzen sie ein mit Aluminiumgusslegierungen vergleich-bares Eigenschaftsprofil. Laut Kammer [32] können WE-Legierungen so-wohl als Gusslegierung als auch als Knetlegierung zum Einsatz kommen.Obwohl die Legierung WE54 leicht bessere mechanische Eigenschaftenbesitzt, kommt die Legierung WE43 industriell bevorzugt zum Einsatz,da sie duktiler ist und die erhöhte Duktilität auch nach langen Temper-zeiten nicht verliert.

Im Folgenden sind im Hinblick auf die betrachtete Magnesiumlegie-rung WE43 relevante Zulegierungselemente und deren Einfluss auf dasVerhalten diskutiert.

Seltenen Erden (RE)

Da die Elemente der Seltenen Erden aufgrund ihrer sehr ähnlichen che-mischen Eigenschaften schwer zu trennen sind, werden zum ZulegierenSeltener Erden in erster Linie Mischmetalle verwendet. Diese enthaltenein oder zwei Elemente der Seltenen Erden zu einem größeren Anteil undfast alle anderen RE-Elemente in verschiedenen kleineren Mengen. Ver-wendete Mischmetalle sind beispielsweise Nd-Mischmetall: ca. 85Gew.-%Nd oder Y-Mischemtall: ca. 75Gew.-% Y [32]. Alle Seltenen Erden be-sitzen mit Magnesium eutektische Zustandsdiagramme mit begrenzterLöslichkeit. Eine Ausscheidungshärtung ist daher möglich und sinnvoll.Es ist jedoch mit Hilfe der Seltenen Erden auch eine Mischkristallhärtungmöglich.

Nach Witte et. al. [70] und Kainer [30] können die Seltenen Erden inzwei Untergruppen unterteilt werden, die Ce-Gruppe (La bis Eu) unddie Y-Gruppe (Y und Gd bis Lu). Sowohl die Löslichkeit in festem Ma-gnesium als auch die Stabilität des übersättigten Mischkristalls nimmt

1T6: lösungsgeglüht und stabilisiert; Zustandsbezeichnung von Magnesiumlegierun-gen gemäß ASTM B296 - 67 [32].

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 19

innerhalb beider Gruppen mit der Ordnungszahl zu. Die Elemente derCe-Gruppe sind effektivere Mischkristallhärter, die der Y-Gruppe eig-nen sich besser für eine Ausscheidungshärtung. Zudem ist bei RE-Legie-rungen eine hinreichend gute Gießbarkeit gegeben. Die RE-Elemente,insbesondere Y, Nd und Ce, bilden thermisch stabile Ausscheidungen.Dadurch ist die Warmfestigkeit und Kriechbeständigkeit dieser Legie-rungen in starkem Maße erhöht. Zudem wird durch Seltene Erden dieKorrosionsbeständigkeit erhöht. [30] [32]

Yttrium (Y)

Nach Avedesian et al. [3] besitzt Y eine besonders hohe Löslichkeit inMagnesium von ca. 12.5%. Mg-Y-Legierungen weisen eine extrem hohespezifische Festigkeit auf. Yttrium bildet in Magnesium neue Phasen undeine feinere Mikrostruktur. Nach Kainer [30] führen außerdem bereits ge-ringste Zugaben von Y zu einer starken Erhöhung der Kriechbeständig-keit der Legierung. Dies ist auf die Wirkung des Y als Mischkristallhärterzurückzuführen, welche effektiver als bei Al und Mn ist. Zudem trägt Yzur Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit bei. Reines Yttrium istwegen seines hohen Schmelzpunktes von 1522 C und der hohen Affi-nität zu Sauerstoff nur schwer mit Magnesium zu legieren. Wegen derzudem hohen Kosten wird meist ein Y-Mischmetall mit einem Anteil vonca. 75% Y zusammen mit anderen Seltenen Erden zulegiert.

Die Diskussion über die Mechanismen in yttriumhaltigen Legierungensind noch nicht abgeschlossen und die Deutung der Ergebnisse zum Teilnoch widersprüchlich. [30] [32]

Neodym (Nd)

Wie bei Kammer [32] beschrieben ist, wirkt sich Nd sehr günstig aufmechanische Eigenschaften aus. Durch Zugabe von Nd-Mischmetallenwie „Didymium“ (≈ 85% Nd und 15% Pr [3]) zeigt sich ein positiverEinfluss auf des Kriechverhalten bis zu Temperaturen von 260 C. [32]

Nach Kammer [32] haben Untersuchungen an Mg-Y-Nd-Legierungengezeigt, dass die Löslichkeit der Elemente Y und Nd im Magnesium-mischkristall durch die Zugabe des jeweils anderen Elementes deutlich

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20 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

reduziert werden kann. Somit lässt sich mit gleichen Legierungsanteilenein größerer Volumenanteil an Ausscheidungen einstellen.

Gadolinium (Gd) und Dysprosium (Dy)

Durch Zugabe der Seltenen Erden Gd und Dy lassen sich hochfeste Ma-gnesiumlegierungen erzeugen [32].

Zirkonium (Zr)

Das Zulegieren von Zr zu Magnesium ist nach Beck [5] nur in gerin-gen Mengen bis zu ≈ 1Gew.-% möglich, ähnlich wie Mn. Es bewirkteine markante Zunahme der mechanischen Festigkeit und der Duktilitätohne Absinken der Dehnung. Die Härte des Materials wird dadurch al-lerdings nur geringfügig erhöht. Die Steigerung der Festigkeit ist auf diestark kornfeinernde Wirkung des Zr zurückzuführen. Durch seine hoheAffinität zu Sauerstoff neigt Zr dazu Oxide zu bilden, die als Kristallisa-tionskeime wirken und dadurch eine sehr effektive Kornfeinung zur Folgehaben. [5] [30]

Als Kornfeiner kann Zirkonium allerdings nicht zusammen mit Al, Sioder Mn verwendet werden, da es mit diesen Elementen stabile Ver-bindungen bildet [17] [30]. Binäre Mg-Zr-Legierungen zeigen für Ma-gnesiumwerkstoffe eine gute Korrosionsbeständigkeit, welche annäherndvergleichbar ist mit der binärer Mg-Mn-Legierungen [5].

Nach Song et al. [63] sind zirkoniumhaltige Magnesiumlegierungen re-lativ unempfindlich gegenüber Fe und Ni. Ähnlich wie Mangan hat Zirko-nium eine reinigende Wirkung in Bezug auf Eisen, indem es vorhandenesEisen zu unlöslichen Partikeln bindet. Die Fe-Zr-Verbindungen setzensich in der Schmelze ab oder können auf andere Weise aus ihr entferntwerden [5] [33] [57]. Zirkoniumhaltige Magnesiumlegierungen sind daheran Fe hochrein und zu einem geringeren Anteil auch rein an Ni [63]. DesWeiteren bildet Zirkonium stabile Verbindungen mit Sn, Co, C, N, Ound H [17]. Aufgrund der Bildung dieser intermetallischen Verbindungmuss ein erheblicher Überschuss an Zirkonium zugegeben werden, umdie kornfeinernde Wirkung zu erreichen.

Wie bei Song et al. [60] beschrieben, wirkt sich die Zugabe von Zirko-nium bis zu einem gewissen Gehalt positiv auf das Korrosionsverhalten

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 21

aus. Ist der Zr-Anteil zu hoch erhöht sich die Korrosionsrate, was aufunlösliche Zr-Ausscheidungen zurückzuführen ist. Song et al. [60] gibtals Grenze einen Zr-Gehalt von 0.48Gew.-% an.

Zirkonium bildet außerdem stabile Hydride mit Wasserstoff. Wenn sichein Zirkoniumhydrid gebildet hat, kann dieses nicht wieder innerhalb desTemperaturbereiches üblicher Schmelzprozesse aufgelöst werden. Effek-tiv wird daher durch die Bildung von Zirkoniumhydrid der Zr-Gehaltreduziert. [17]

2.3.3 Charakterisierung der Legierung WE43

Die Magnesiumlegierung WE43 besitzt zahlreiche Ausscheidungen. Dieselassen sich in drei Kategorien unterteilen: Zr-Ausscheidungen, Y-reicheund Nd-reiche Ausscheidungen.

Y-reiche Ausscheidungen

Abbildung 2.5 zeigt Analysen typischer Nd- sowie Y-reicher Ausschei-dungen. Y-reiche Ausscheidungen zeichnen sich durch eine geometrischregelmäßige, quaderförmige Struktur aus. In diesen werden in EDX-Untersuchungen neben Y auch Mg, Nd und Spuren von Gd und Dy nach-gewiesen. Dies legt nahe, dass es sich um keine reinen Y-Ausscheidungenhandelt, sondern um Y-reiche Verbindungen. Die meist quaderförmigenY-reichen Ausscheidungen haben eine Kantenlänge von einem bis hin zueinigen µm.

Nd-reiche Ausscheidungen

Die Nd-reichen Ausscheidungen weisen eine unregelmäßige, fleckenar-tige Geometrie auf (Abbildung 2.5). Sie treten als Objekte von einigennm bis µm Durchmesser in Erscheinung. Im Vergleich zu Y-reichen Aus-scheidungen zeigen die Nd-reichen Ausscheidungen im Rückstreubild desREM deutlich weniger Kontrast, obwohl Neodym eine höhere Ordnungs-zahl als Yttrium besitzt. Dies ist darin begründet, dass Nd-reiche Aus-scheidungen einen relativ hohen Gehalt an den leichteren Elementen Mgund Y aufweisen und der Nd-Gehalt gegenüber der Legierungsmatrixnur leicht erhöht ist. Dies lässt darauf schließen, dass die fleckenartigen

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22 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

Abbildung 2.5: Oben: REM-Aufnahme (BSD) einer typischen Nd-und einer typischen Y-reichen Ausscheidung der WE43-Legierung(E0 = 15 keV). Unten: EDX-Spektren der Punkte A (Y-Ausscheidung)und B (Nd-Ausscheidung).

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 23

Objekte lediglich Nd-reiche Magnesiumverbindungen sind, in welchenSpuren von Gd und Dy nachgewiesen werden.

Zr-Ausscheidungen

Zr-Ausscheidungen werden sowohl als reine Zr-Partikel als auch Verbin-dungen mit Fe, Ni, Al und Si detektiert. Zirkonium wird neben seinerkornfeinernden Wirkung dazu verwendet, Verunreinigungen zu bindenund so die Reinheit des Materials zu erhöhen (Abschnitt 2.3.2). Die sichbei diesem Prozess in der Schmelze bildenden Zr-Partikel lässt man inde Schmelze absitzen oder werden auf andere Weise aus ihr entfernt. Da-durch werden auch die metallischen Verunreinigungen aus der Schmelzebeseitigt [5] [33]. Die beobachteten Zr-Ausscheidungen sind einige nmbis wenige µm groß.

Wählt man entsprechende Kontrast- und Helligkeitseinstellungen wirddie inhomogene Elementverteilung im WE43-Material deutlich. Wie inAbbildung 2.6 zu erkennen ist, existieren vereinzelt hellere Bereiche aufder Probenoberfläche. EDX-Messungen zeigen, dass diese einen im Ver-gleich zur übrigen Legierungsmatrix geringfügig höheren Zr-Gehalt be-sitzen.

Untersuchungen von Querschliffen des WE43-Materials zeigen, dassdie Nd-reichen Ausscheidungen perlenkettenförmig entlang der Extrusi-onsrichtung verteilt sind. Zugehörige EDX-Mappings für Mg, Y, Zr undNd sind in Abbildung 2.7 dargestellt. Auch die Zr-reichen Bereiche inWE43 zeigen eine streifenförmige Verteilung entlang der Extrusionsrich-tung. Die Y-reichen Ausscheidungen hingegen sind eher gleichverteilt.Aus dieser Verteilung lässt sich schließen, dass die Nd-reichen Ausschei-dungen und Zr-reichen Bereiche weicher sind als die Y-reichen Ausschei-dungen.

Im Folgenden werden die Nd-reichen Ausscheidungen in der Legie-rung WE43 als Nd-Ausscheidungen, die Y-reichen Ausscheidungen alsY-Ausscheidungen bezeichnet.

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24 2 Magnesiumwerkstoffe als biodegradierbare Materialien

Abbildung 2.6: Oben: REM-Aufnahme (BSD) der Legierung WE43(E0 = 15 keV). Unten: EDX-Spektren der Bereiche A und B.

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2.3 Eigenschaften der Legierung WE43 25

Abbildung 2.7: Verteilung der Zulegierungselemente im Querschliffdes verwendeten Stangenmaterials der Magnesiumlegierung WE43.Links oben: REM-Aufnahme (BSD) (E0 = 15 keV), rechts oben: Abge-bildete Schnittebene im Stangenmaterial, unten: EDX-Mappings vonMg, Y, Nd und Zr eines Querschliffes einer WE43-Probe.

Festzuhalten bleibt, dass WE43 in Form des verwendeten extrudiertenStangenmaterials sehr inhomogen ist. Daher ist zu erwarten, dass die aufder Oberfläche stattfindenden Prozesse ebenfalls sehr inhomogen ablau-fen.

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3 Magnesiumkorrosion in wässrigen

Elektrolyten

Die grundlegenden Mechanismen der Magnesiumkorrosion in wässrigerUmgebung sind Basis für die Interpretation und das Verständnis der Er-gebnisse aus Degradationsversuchen an der Magnesiumlegierung WE43in körperähnlichen in-vitro-Modellsystemen. Das Degradationsverhaltenvon Magnesium ist allerdings von vielen Faktoren wie der Reinheit desMaterials und der Zusammensetzung des Elektrolyten abhängig. In Ab-schnitt 3.1 ist daher zunächst der aus der Literatur bekannte grund-legende Korrosionsmechanismus von Magnesium in wässrigen Mediendargestellt. Anschließend werden die Einflüsse von Verunreinigungen imMetall sowie der Versuchsbedingungen und der Zusammensetzung desAuslagerungsmediums auf das Korrosionsverhalten diskutiert.

3.1 Korrosionsmechanismus in wässrigenElektrolyten

An trockener Luft reagiert Magnesium mit Sauerstoff und es bildet sicheine dünne und stabile Magnesiumoxidschicht (MgO), die das Magne-sium vor weiterer atmosphärischer Korrosion schützt. [3] [36]

2 Mg + O2 −−→ 2 MgO (3.1)

In Anwesenheit von Wasser ist diese Oxidschicht jedoch thermody-namisch instabil (Tabelle 3.1). Sie reagiert zu dem thermodynamischstabileren Magnesiumhydroxid (Mg(OH)2):

MgO + H2O −−→ Mg(OH)2 . (3.2)

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28 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

Verbindung ∆H

f ∆G

f ∆S

f Cp

in kJ/mol in kJ/mol in J/mol · K in J/mol · K

MgH2 −75.3 −35.9 31.1 35.4MgO −601.6 −569.3 27.0 37.2Mg(OH)2 −924.5 −833.5 63.2 77.0

Tabelle 3.1: Thermodynamische Daten von Magnesiumverbindungenbei einer Temperatur von 298.15 K, wobei ∆H

f die molare Standard-enthalpie, ∆G

f die freie molare Standardenthalpie, ∆S

f die molareStandardentropie und Cp die molare Wärmekapazität bei konstantemDruck ist. [41]

In der elektrochemischen Spannungsreihe besitzt Magnesium ein Stan-dardnormalpotential von E0 = −2.37V und ist damit das unedelste Ge-brauchsmetall (Tabelle 3.2). Meist wird in wässrigen Elektrolyten jedochein Potential von E ≈ −1.7V gemessen. Diese Differenz ist auf die Bil-dung einer Schicht aus Magnesiumoxid und -hydroxid zurückzuführen.Magnesium ist also nicht direkt in Kontakt mit dem Elektrolyten, son-dern wird von einem teilweise schützenden Oberflächenfilm bedeckt. [35][61]

In wässrigen Elektrolyten reagiert Magnesium unter Reduktion vonWasserstoff. Als Korrosionsprodukte entstehen Magnesiumhydroxid, dassich an der Magnesiumoberfläche ablagert (Gleichung 3.4), und elemen-tarer Wasserstoff (H2). Die Gesamtreaktion von Magnesium in wässrigenElektrolyten lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Mg + 2 H2O −−→ Mg 2+ + 2 OH− + H2(g) , (3.3)

Mg 2+ + 2 OH− −−→ Mg(OH)2 . (3.4)

Die Gesamtreaktion ist in verschiedene Teilreaktionen aufteilbar. NachAtrens et al. [2] bzw. Song et al. [61] ist der erste Schritt der Magnesi-umdegradation eine anodische Oxidation zu monovalentem Mg+ (Glei-chung 3.5). Das Mg+-Ion hat nach Atrens et al. [2] allerdings eine sehrgeringe Lebensdauer, welche den direkten Nachweis schwierig macht. Ein

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3.1 Korrosionsmechanismus in wässrigen Elektrolyten 29

Elektrode Reaktion Potential in V

Ag, Ag+ Ag+ + e – −−→ Ag +0.80

Cu, Cu 2+ Cu 2+ + 2 e – −−→ Cu +0.34

Sn, Sn 2+ Sn 2+ + 2 e – −−→ Sn −0.14

Ni, Ni 2+ Ni 2+ + 2 e – −−→ Ni −0.24

Cd, Cd 2+ Cd 2+ + 2 e – −−→ Cd −0.40

Fe, Fe 2+ Fe 2+ + 2 e – −−→ Fe −0.44

Zn, Zn 2+ Zn 2+ + 2 e – −−→ Zn −0.76

Al, Al 3+ Al 3+ + 3 e – −−→ Al −1.71

Mg, Mg 2+ Mg 2+ + 2 e – −−→ Mg -2.37Na, Na+ Na+ + e – −−→ Na −2.71K, K+ K+ + e – −−→ K −2.22Li, Li+ Li+ + e – −−→ Li −3.02

Tabelle 3.2: Standardpotentiale nach Avedesian et al. [3].

Teil oxidiert elektrochemisch weiter zu dem bivalenten Gleichgewichts-ion Mg 2+ (Gleichung 3.6). Die in wässrigen Elektrolyten vorwiegendstattfindende kathodische Teilreaktion, die Reduktion von Protonen unddie damit verbundene H2-Entwicklung, ist in Gleichung 3.7 dargestellt.

Mg −−→ Mg+ + e− (3.5)

Mg+ −−→ Mg 2+ + e− (3.6)

2 H+ + 2 e− −−→ H2(g) (3.7)

Äquivalent zu Gleichung 3.7 ist folgende Formulierung für wässrigeElektrolyte:

2 H2O + 2 e− −−→ 2 OH− + H2(g) . (3.8)

Der restliche Anteil des Mg+ reagiert chemisch unter direkter Reduk-tion von im Elektrolyten verfügbaren Reaktionspartnern wie beispiels-weise Wasserstoff (Gleichung 3.9). Dabei werden Elektronen in einer

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30 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

Redoxreaktion direkt mit der Umgebung ausgetauscht. Bei der elektro-chemischen Reaktion hingegen sind die galvanischen Halbzellen räumlichgetrennt.

2 Mg+ + 2 H2O −−→ 2 Mg 2+ + 2 OH− + H2(g) . (3.9)

Zusammengefasst ergibt sich nach Song et al. [61] folgende Gesamt-reaktion:

2 Mg + 2 H+ + 2 H2O −−→ 2 Mg 2+ + 2 OH− + 2H2(g) . (3.10)

Als Korrosionsprodukt bildet sich auf der Oberfläche des Magnesiumsein Magnesiumhydroxidfilm, der das Material teilweise schützt (Glei-chung 3.4). Die Eigenschaften der Magnesiumhydroxidschicht sind inAbschnitt 3.2 dargestellt. Aus Gleichung 3.10 ist ersichtlich, dass beider Korrosion von Magnesiumwerkstoffen in wässrigen Elektrolyten derpH-Wert der Lösung an der Oberfläche ansteigt.

Anhand dieses Reaktionsmechanismus lässt sich auch der für Magne-sium typische Negative-Differenzen-Effekt (NDE) erklären, welcher eineDiskrepanz zwischen gemessenem Korrosionsstrom und quantifizierterH2-Entwicklung bzw. quantifiziertem Massenverlust bei der Degrada-tion in wässrigen Elektrolyten bezeichnet. Sowohl der Massenverlust alsauch die H2-Entwicklung sind höher als es der elektrochemisch gemes-sene Gesamtkorrosionsstrom erwarten lässt. Ein wesentliches Merkmaldes NDE ist zudem das Ansteigen der Wasserstoffbildung bei Erhöhendes Potentials [61] [48]. Ein Ansatz zu Erklärung des NDE ist der Zwi-schenschritt der Korrosion über das monovalente Mg+ [2]. Im Gegensatzzur elektrochemischen Reaktion des Mg+ trägt die chemische Reakti-on nicht zu einem messbaren Korrosionsstrom bei, da die galvanischenHalbzellen nicht räumlich getrennt sind. Folglich wird ein geringerer Kor-rosionsstrom gemessen als es der tatsächlichen Magnesiumauflösung ent-spricht. Ein weiterer Mechanismus ist die Bildung von MagnesiumhydridMgH2 [29] [30]. Diese führt zu intermetallischer Korrosion, auch alsanomale Selbstauflösung bezeichnet, welche aus der elektrochemischenKorrosion hervorgeht und dann rein chemisch, ebenfalls ohne messbaren

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3.2 Bildung von Magnesiumhydroxid 31

Korrosionsstrom, abläuft. Nach Kammer [32] können die intermetallischkorrodierten Kationen bis zu 70% des Massenverlustes ausmachen. EineZusammenfassung der verschiedenen Theorien zum NDE findet sich u. a.bei Song et al. [61].

Da das Magnesium ein sehr unedles Metall ist, stellen Verunreini-gungen ein großes Problem dar. Diese bilden mikrogalvanische Zellen mitdem Magnesium, wodurch die Korrosion gefördert wird. Von enormer Be-deutung für das Korrosionsverhalten von Magnesiumwerkstoffen in wäss-rigen Elektrolyten sind daher die Reinheit des Materials (Abschnitt 3.3)sowie die Art der Zulegierungselemente (Abschnitt 2.3.2).

3.2 Bildung von Magnesiumhydroxid

Bei fortschreitender Korrosion des Magnesiums steigt der pH-Wert ander Oberfläche an und es bildet sich nach Gleichung 3.4 eine Mg(OH)2-Schicht an der Magnesiumoberfläche. Die Stabilität und schützende Wir-kung dieser Schicht ist von Umgebungsbedingungen wie pH-Wert, An-wesenheit von Ionen in der Elektrolytlösung etc. abhängig.

Die Stabilität der Magnesiumhydroxidschicht auf Magnesium lässtsich mit Hilfe eines Pourbaix-Diagramms abschätzen. In derartigen Dia-grammen ist das Standardpotential eines Metalls gegen den pH-Wert derwässrigen Lösung aufgetragen und veranschaulicht damit die thermody-namischen Stabilitätsbereiche eines Metalls und seiner Verbindungen inwässriger Lösung. Das in Abbildung 3.1 dargestellte Pourbaix-Diagrammzeigt das Verhalten von reinem Magnesium in reinem Wasser bei einerTemperatur von 25 C. Der gesamte Bereich, in dem das Magnesiumstabil ist, liegt weit unterhalb des Bereiches, in dem Wasser stabil ist(Linie a, Gleichung 3.14). Magnesium geht daher in wässriger Umge-bung bei gleichzeitiger Entwicklung von Wasserstoff als Mg+ und Mg 2+

in Lösung. [3] [45]Die Reaktionen, welche die Stabilitätsbereiche des Magnesiums von-

einander abgrenzen und als Phasengrenzlinien in dem Diagramm gekenn-zeichnet sind, lassen sich nach Makar et al. [45] wie folgt zusammenfas-sen:

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32 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

Abbildung 3.1: Pourbaix-Diagramm von reinem Magnesium in Was-ser bei 25 C. Die Linien a und b markieren den Bereich, in dem dasWasser elektrochemisch stabil ist. Unterhalb a entsteht Wasserstoff,oberhalb b entsteht Sauerstoff. Die Linien 1, 2 und 3 bezeichnendie Reaktionen, die die Bereiche der stabilen Phasen des Magnesi-ums begrenzen (Gleichung 3.11, 3.12 und 3.13). Die zu den Reakti-onen 2 und 3 parallel verlaufenden Linien geben die Konzentrationvon Mg 2+ in mol/l als Potenz von 10 an. [36]

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3.2 Bildung von Magnesiumhydroxid 33

1 : Mg + 2 ( OH)− −−−− Mg(OH)2 + 2 e− (3.11)

2 : Mg 2+ + 2 ( OH)− −−−− Mg(OH)2 (3.12)

3 : Mg −−−− Mg 2+ + 2 e− (3.13)

a : H2−−−− 2 H+ + 2 e− (3.14)

b : 2 H2O −−−− O2 + 4 H+ + 4 e− (3.15)

Die in Abbildung 3.1 horizontal und vertikal zu den Reaktionen 2und 3 parallel verlaufenden Linien geben die Konzentration von Mg 2+

in mol/l als Potenz von 10 an.Unterhalb der Phasengrenzlinie 3 ist Magnesium in Abhängigkeit der

Mg 2+-Konzentration stabil. Rechts der Phasengrenzlinie 2 und ober-halb der Phasengrenzlinie 1 ist Mg(OH)2 stabil. Dies hat zur Folge, dassin wässrigen Elektrolyten unter diesen Bedingungen auch das Metall sta-bil ist, da es durch die stabile Magnesiumhydroxiddeckschicht geschütztist. Der dritte Bereich, oberhalb der Phasengrenzlinie 3 und links derPhasengrenzlinie 2, kennzeichnet den Potential-pH-Bereich, in welchemMagnesiumkorrosion stattfindet.

Magnesiumhydroxid ist stabil ab einem pH-Wert von 10.4 und daherbeständig in den meisten alkalischen Lösungen. Wie aus dem Pourbaix-Diagramm abzulesen ist, bilden sich im pH-Bereich 8.5 bis 11.5 teilweiseschützende Oxid- bzw. Hydroxidschichten auf Magnesium [3]. Diese sindin Wasser schwer löslich, bilden aber keinen dauerhaften Korrosions-schutz. Zudem sind sie z. B. anfällig für Chlorid-Ionen (Abschnitt 3.5).Nach Koppers [36] zeigen Magnesiumhydroxidschichten bei pH-Wertenkleiner als 12 aufgrund des Wassergehaltes (IR-Spektroskopie) einenschlechten Korrosionsschutz. Das Wasser ist stabil eingebunden und lässtsich auch durch eine 12-stündige Lagerung im Hochvakuum nicht aus derSchicht entfernen. Koppers [36] vermutet daher, dass die Wasseranreiche-rung auf eingelagerte hydratisierte Magnesiumionen ([Mg(H2O)6]

2+) zu-rückzuführen ist. Derartige Deckschichten aus Magnesiumhydroxid füh-

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34 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

ren zwar zu einer Verringerung der Korrosionsrate, sind aber thermody-namisch nicht stabil. Bei pH-Werten größer als 12 entstehen hingegenHydroxidschichten, die IR-spektroskopisch wasserfrei und thermodyna-misch stabil sind und die die Magnesiumoberfläche vor weiteren An-griffen schützen.

Nach Koppers [36] ist dieses unterschiedliche Verhalten der Deck-schicht auf den isoelektrischen Punkt zurückzuführen, der für Magne-siumoxid und -hydroxid bei pH = 12 liegt. Bei pH-Werten kleiner als 12trägt die Oberfläche eine positive Ladung. Im Bereich pH > 12 ist sienegativ geladen und es tragen adsorbierte OH – -Ionen wesentlich zumAufbau des deckschichtbildenden Magnesiumhydroxidkristalls bei. Ver-antwortlich für diese Umladung ist die Adsorption von H+- bzw. OH – -Ionen. Formal verläuft nach Koppers [36] die Adsorption von Protonendurch eine Reaktion mit den Hydroxidionen des Mg(OH)2 zu adsorbier-tem Wasser:

H+ + OH− −−→ H2O (3.16)

Der Austausch der adsorbierten H2O-Moleküle gegen OH – -Ionen istabhängig vom pH-Wert des Elektrolyten und die Bildung von Mg(OH)2-Kristallen bei niedrigen pH-Werten gehemmt. Die hohe Hydratations-enthalpie von [Mg(H2O)6]

2+ führt deshalb bei pH-Werten kleiner 12zu einer verzögerten Fällung des Mg(OH)2 und einer gelartigen Konsis-tenz. [36]

Aufgrund dieser Stabilitätseigenschaften von Magnesiumhydroxid istdas Degradationsverhalten von Magnesiumwerkstoffen in wässrigen Elek-trolyten neben der Reinheit des Materials wesentlich vom Elektrolytenund den Auslagerungsbedingungen abhängig. Entscheidend ist der pH-Wert an der Magnesiumoberfläche. Wie dem Pourbaix-Diagramm zuentnehmen, ist Magnesium in den meisten alkalischen Lösungen und inunzureichend gepufferten Medien, in denen der pH-Wert an der Magne-siumoberfläche stark ansteigen kann, geschützt. Magnesium korrodiertjedoch sehr schnell in wässrigen Elektrolyten, sofern der pH-Wert an derOberfläche unterhalb 12 bleibt. Aufgrund von lokalen Degradationspro-zessen kann der pH-Wert an der Oberfläche auch nur lokal ansteigen und

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3.3 Einfluss von Verunreinigungen 35

diese partiell schützen, was einen sehr inhomogenen Korrosionsangriff zurFolge hat.

3.3 Einfluss von Verunreinigungen

Technologisch extrem aufwendig zu vermeidende Verunreinigungen mitanderen Elementen sowie Legierungsbestandteile zeigen in Magnesiumund Magnesiumlegierungen unterschiedlichen Einfluss auf das Korrosi-onsverhalten. Die Reinheit des Materials ist daher für den Korrosionswi-derstand von Magnesiumwerkstoffen von entscheidender Bedeutung. Ha-nawalt et al. [23] haben bei Messungen des Massenverlustes von Magne-siumwerkstoffen in NaCl-Lösung (3%) beobachtet, dass hochreines Ma-gnesium (> 99.983%) eine Korrosionsrate von ungefähr 0.15 mg/cm2

·Tag

besitzt, während die Korrosionsrate von kommerziell reinem Magnesi-um (99.9%) 5 – 100 mg/cm2

·Tag beträgt.Diese hohe Reaktivität des Reinmagnesiums ist die Folge von interner

galvanischer Korrosion, welche durch Verunreinigungen oder intermetal-lische Phasen verursacht wird.

Grundlegende Untersuchungen zu diesem Verhalten gehen zurück aufdie Arbeit von Hanawalt et al. [23] (siehe auch [3], [17], [45], [61], [63]).Dort wurde der Effekt von 14 Elementen in binären Magnesiumlegie-rungen mit wachsendem Zulegierungsanteil in einem Korrosionsversuchin 3% NaCl durch Bestimmung des Massenverlustes untersucht. Die Er-gebnisse sind in Abbildung 3.2 dargestellt. Die Elemente Fe, Ni, Cu,Co haben bereits in einer Konzentration kleiner 0.2% einen stark be-schleunigenden Einfluss auf die Korrosion. Die Elemente Ag, Ca, Cd,Zn wirken sich in einem Konzentrationsbereich von 0.5 – 5% moderatauf die Korrosionsgeschwindigkeit aus. Die Elemente Al, Mn, Na, Pb,Si, Sn besitzen, wenn überhaupt, nur einen äußerst geringen Einflussbei Konzentrationen bis zu 5%. Nach Friedrich et al. [17] besitzen dieElemente Be, Ce, Pr, Th, Y und Zr ebenfalls keinen abträglichen Effektauf das Korrosionsverhalten von Magnesium bei Konzentrationen kleiner5%, selbst wenn dies ihre Löslichkeitsgrenze übersteigt. Die eigenen Er-gebnisse zum Korrosionsverhalten der Magnesiumlegierung WE43 (Ka-pitel 7) zeigen jedoch im Hinblick auf Zirkonium bei Überschreitung derLöslichkeitsgrenze ein abweichendes Verhalten. [17] [61]

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36 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

Abbildung 3.2: Effekt ausgewählter Legierungselemente auf dasKorrosionsverhalten von binären Magnesiumlegierungen in 3 % NaCl-Lösung. [17]

Der stark beschleunigende Einfluss von Eisen, Nickel und Kupfer istnach Avedesian et al. [3] und Song et al. [63] auf die niedrigen Fest-körperlöslichkeitsgrenzen dieser Elemente und deren Eigenschaft, aktivekathodische Elemente mit Magnesium zu bilden, zurückzuführen. Wieder elektrochemischen Spannungsreihe in Tabelle 3.2 zu entnehmen ist,sind Verunreinigungen meist edler als Magnesium. Im elektrischen Kon-takt mit der Mg-Matrix tritt daher stets galvanische Korrosion auf, inder das Magnesium als Anode agiert. Bei binären Magnesiumlegierungennimmt der beschleunigende Einfluss in der Reihenfolge Ni > Fe > Cuab. Hanawalt et al. [23] haben gezeigt, dass für die Verunreinigungen einToleranzlimit existiert. Übersteigt die Konzentration eines Elements das

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3.4 Einfluss von zweiten Phasen und der Mikrostruktur 37

Toleranzlimit, so ist die Korrosionsrate deutlich erhöht. Makar et al. [45]geben als Toleranzlimit für Nickel, Eisen und Kupfer in hochreinem Ma-gnesium folgende Werte an: Ni: 5 ppm, Fe: 170 ppm, Cu: 1000 ppm.

Nach Song et al. [61] ist noch kein theoretisches Verständnis entwickelt,welches das Toleranzlimit erklärt. Des Weiteren ist noch unklar, ob diezu Grunde liegenden Mechanismen für die beschleunigte Korrosion fürjedes Element identisch sind.

Die negativen Auswirkungen der Verunreinigungen lassen sich durchAnwesenheit weiterer Elemente positiv beeinflussen (Abschnitt 2.3.2).

3.4 Einfluss von zweiten Phasen und derMikrostruktur

In Bezug auf das Korrosionsverhalten kommt in Magnesiumlegierungenden zweiten Phasen eine besondere Bedeutung zu. Nach Song et al. [63]zeigen viele Elemente erst dann einen Einfluss auf das Korrosionsver-halten, wenn sie zusätzlich zur Magnesiummatrix (α-Phase) eine zweitePhase (β-Phase) bilden. Wie sich die zweite Phase letztendlich auf dieKorrosion auswirkt, hängt dabei stark von der Mikrostruktur der jewei-ligen Legierung ab, also der Korngröße der Legierung sowie dem Volu-menanteil und der Verteilung der β-Phase in der α-Matrix.

Die α-Matrix ist aufgrund der hohen Reaktivität von Magnesium imAllgemeinen immer unedler und somit elektrochemisch aktiver. Dieshat zur Folge, dass die α-Matrix gegenüber den β-Phasen anodischesVerhalten zeigt und somit vorzugsweise durch mikrogalvanische Kor-rosion degradiert. Weist die α-Matrix sehr große Körner auf und istder Volumenanteil der β-Phase entsprechend niedrig, können die zwei-ten Phasen durch ihre Wirkung als Kathode die anodische Degradationstark beschleunigen [60]. Die größte Erniedrigung des Korrosionswider-standes zeigen gleichmäßig verteilte voneinander isolierte kathodischePhasen [63].

Andererseits kann sich die β-Phase bei kleiner Korngröße der α-Phaseund einem entsprechend hohen Volumenanteil wie ein feines, zusammen-

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38 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

hängendes Netz in der Magnesiummatrix verteilen. Da zweite Phasen inder Regel inert und stabil gegenüber Korrosion sind, wirkt eine derartverteilte zweite Phase wie eine Barriere. Das Ausbreiten bzw. Übergrei-fen der Korrosion von einem Korn zum anderen wird dadurch verhin-dert und die Korrosionsrate verringert. Der Korrosionswiderstand derLegierung wird dabei entscheidend durch die Verteilung der β-Phasebestimmt. Ein solches Verhalten ist vor allem von aluminiumhaltigenMagnesiumlegierungen wie AZ91D bekannt. [60] [61]

Sowohl Song et al. [60] als auch Ben-Hamu et al. [6] haben ähn-liche Beobachtungen auch an aluminiumfreien Legierungen gemacht. Inden beiden zirkoniumhaltigen Legierungen Mg-Y-RE-Zr-Legierung bzw.Mg-RE-Zn-Legierung bewirkt die Verfeinerung der Mikrostruktur einestärker ausgeprägte kontinuierliche zweite Phase entlang der Korngren-zen, welche eine Ausbreitung der Korrosion von Korn zu Korn effektiververhindert und damit die Korrosionsrate erheblich senkt.

Da die Verteilung der β-Phasen eng mit der Korngröße der Legierungkorreliert ist und eine feinere Mikrostruktur eine gleichmäßiger verteilteund zusammenhängende zweite Phase aufweist, ist die Kornfeinung einvielversprechender Ansatz zur Erhöhung des Korrosionswiderstandes vonMagnesiumlegierungen [60].

3.5 Einfluss des umgebenden Elektrolyten

Das Degradationsverhalten eines Werkstoffes ist immer stark abhängigvom umgebenden Milieu. Korrosionswiderstände und Korrosionsratenbeziehen sich daher immer auf konkrete Elektrolyte und Umgebungsbe-dingungen.

In destilliertem Wasser kommt nach Beck [5] jede Reaktion des Ma-gnesiums aufgrund der Bildung eines Hydroxidfilms schnell zum erliegen.Das Verhältnis von Elektrolytvolumen relativ zum Volumen des Magne-siumwerkstoffes spielt jedoch eine maßgebliche Rolle. Die Korrosions-rate von Magnesium in wässrigen Elektrolyten wird nämlich entschei-dend vom pH-Wert an der Magnesiumoberfläche bestimmt, da dieser

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3.5 Einfluss des umgebenden Elektrolyten 39

die Stabilität der Magnesiumhydroxidschicht beeinflusst (vgl. Pourbaix-Diagramm in Abbildung 3.1). In einem sehr kleinen Volumen unbeweg-ten Reinstwassers ist die Degradation von Magnesium vernachlässigbar.Der pH-Wert steigt darin sehr schnell an, wodurch die Löslichkeitsgrenzevon Mg(OH)2 überschritten wird. Bereits nach kurzen Auslagerungszei-ten zeigt Magnesium unter diesen Bedingungen eine hohe Korrosionsbe-ständigkeit. In einem größeren Volumen und zusätzlicher Bewegung desElektrolyten ist dagegen eine deutliche Degradation des Magnesiums be-obachtbar, solange der pH-Wert kleiner 12 bleibt. Erneuern bzw. stetigesVergrößern des Elektrolytvolumens führt selbst bei Reinstwasser dazu,dass die Löslichkeitsgrenze von Magnesiumhydroxid nie erreicht wird,wodurch die Korrosionsrate steigt [3].

Nach Friedrich et al. [17] ist der Magnesiumhydroxidfilm nicht bestän-dig in wässrigen Elektrolyten, die Chloride (Cl – ), Sulfate (SO 2 –

4 ), Sul-fite (SO 2 –

3 ) oder Nitrate (NO –3 ) enthalten. Diese Ionen bilden mit Ma-

gnesium wasserlösliche Salze und lösen damit die schützende Mg(OH)2-Schicht partiell auf. Auch Bromid (Br – ) und Chlorat (ClO –

3 ) brechenden schützenden Film auf, allerdings nicht in dem Ausmaß wie Chlori-de [3] [61]. Die Korrosionsrate ist dabei umso höher, je höher die Kon-zentration der entsprechenden Ionen ist. Nach Avedesian [3] ist die Ma-gnesiumhydroxidschicht auch anfällig für in der Elektrolytlösung gelöstesCO2.

Oxidierende, insbesondere Chlor oder Schwefel enthaltende, Salze zei-gen einen stärkeren Korrosionsangriff als nichtoxidierende Salze. Vie-le Salze, unter anderem Chromate (CrO 2 –

4 ), Vanadate und Phosphate(PO 3 –

4 ), bilden jedoch einen Oberflächenfilm auf Magnesium und neigendaher dazu, die Korrosion zu verlangsamen. [3] [63]

Nach Ghali et al. [19] sind die Korrosionsprodukte abhängig vom Elek-trolyten und können unter anderem Carbonate, Hydroxide, Sulfite undSulfate enthalten. Nach Zeng et al. [74] bindet Magnesium stark an Phos-phate, weshalb sich in körperähnlichen Flüssigkeiten eine calciumphos-phathaltige Korrosionsschicht bildet. Der als Folge der Magnesiumkorro-sion lokal ansteigende hohe pH-Wert stabilisiert nicht nur die Mg(OH)2-Schicht. Er beschleunigt nach Xin et al. [72] in Anwesenheit von HPO 2 –

4

und HCO –3 auch die Abscheidung von Phosphaten und Carbonaten, was

zu einem Schutzeffekt führt. In Anwesenheit von HPO –4 lagert sich bei

lokal hohem pH-Wert das unlösliche Mg3(PO4)2 ab, wodurch die Korro-

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40 3 Magnesiumkorrosion in wässrigen Elektrolyten

sionsrate signifikant reduziert wird. Im Gegensatz zu Mg(OH)2 ist dasMagnesiumphosphat sehr dicht und kompakt und wird von den Chlo-ridionen nicht angegriffen. Ähnlich lagert sich MgCO3 bei Anwesenheitvon HCO –

3 ab, wenn der pH-Wert einen Wert von 9.3 übersteigt. [72]Zudem bildet HCO –

3 mit Mg(OH)2 das stabilere hydratisierte Magne-siumcarbonat [42] [72]:

5 Mg(OH)2 + 4 HCO−

3 + H2O −−−− (3.17)

−−−− Mg5(CO3)4(OH)2·5 H2O + 4 OH− .

Nach Avedesian et al. [3] verursachen Kupfer-, Eisen- oder Nickelsalzein neutralen wässrigen Elektrolyten eine zusätzliche starke Erhöhungder Degradation, was auf die Bildung zusätzlicher aktiver kathodischerZentren infolge der Ablagerung der Schwermetalle auf der Oberflächezurückzuführen sind.

Des Weiteren reagiert Magnesium nicht sensitiv auf im Elektrolytengelösten Sauerstoff. Dies steht im Gegensatz zu Eisen, bei dem die Sauer-stoffkorrosion von großer Bedeutung ist. Gelöster Sauerstoff hat nachAvedesian et al. [3] weder in Reinstwasser noch in Salzlösungen Einflussauf die Magnesiumkorrosion. [3] [61]

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4 Körperähnliche Elektrolyte als

in-vitro-Modellsystem

Werkstoffe, die als Implantatmaterial in Betracht gezogen werden, müs-sen vor ihrer klinischen Zulassung ausgiebig mit in-vivo- und in-vitro-Verfahren getestet werden. Diese Tests sollen zum einen Aufschluss überdie physikalischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften des un-tersuchten Materials sowie dessen Biokompatibilität und Toxizität inKontakt mit Gewebe geben. Zum anderen führen sie zu einem tieferenVerständnis des Verhaltens eines Materials in physiologischer Umgebung.Anhand dieser Ergebnisse lässt sich die Eignung für den klinischen Ein-satz im menschlichen Körper abwiegen. Da in-vitro-Experimente in derRegel nicht standardisiert sind, ist es notwendig, bei allen Versuchendie entsprechenden Parameter wie Temperatur, Zusammensetzung undpH-Wert der verwendeten Lösung anzugeben, sowie die genauen Ausla-gerungsbedingungen und -zeiten.

Von großer Bedeutung für biodegradierbare Implantatwerkstoffe istdie Wahl der Elektrolytlösung. Um aus den in-vitro-Untersuchungen ver-lässliche Rückschlüsse auf das in-vivo-Verhalten des Implantatmaterialsziehen zu können, werden körperähnliche Modellelektrolyte verwendet,die die Körperflüssigkeiten simulieren sollen, mit denen das Implantat beider Anwendung im menschlichen Organismus in Kontakt kommt. Wiein Abschnitt 3.5 dargestellt, haben ionische Bestandteile einer Elektro-lytlösung großen Einfluss auf das Korrosionsverhalten von Magnesium-werkstoffen. Daher sollte die Zusammensetzung der Elektrolytlösung fürdie in-vitro-Verfahren möglichst nahe an den Körperflüssigkeiten sein,denen das Implantat im Körper ausgesetzt ist (Abschnitt 4.1).

Wie in Kapitel 3 erläutert, erhöht sich durch die Degradation vonMagnesium in wässrigen Medien deren pH-Wert. Um bei in-vitro-Un-tersuchungen einen konstanten physiologischen pH-Wert von 7.4 über

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42 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

einen längeren Messzeitraum zu gewährleisten, ist es daher unbedingterforderlich gepufferte Elektrolytlösungen zu verwenden.

Puffersysteme kommen allerdings in der Regel selten unter thermo-dynamischen Standardbedingungen zum Einsatz. In Abschnitt 4.2 wirddaher ausgehend von der allgemeinen Funktionsweise eines Puffers dieAbhängigkeit des für ein Puffersystem charakteristischen pKS-Wertesvon Temperatur und Ionenstärke erläutert. Die Kenntnis über die Ab-hängigkeit dieser Parameter erleichtert die Wahl eines geeigneten Puffer-systems für eine spezielle Anwendung. Anschließend werden verschiedeneElektrolytlösungen vorgestellt, die in in-vitro-Untersuchungen verwendetwerden.

4.1 Flüssigkeitsräume im menschlichenOrganismus

Sämtliche medizinischen Implantate befinden sich im Extrazellularraum(EZR) und sind in Kontakt mit extrazellulärer Flüssigkeit (EZF). DerExtrazellularraum beschreibt den Raum eines Gewebes oder eines Or-ganismus, der sich außerhalb der Zellen befindet und die Extrazellular-flüssigkeit enthält. Nach Deetjen et al. [11] ist jede Zelle in jedem Or-gan des menschlichen Körpers von extrazellulärer Flüssigkeit umgeben.Der EZR setzt sich dabei zusammen aus dem Intravasalraum (IVR) unddem Extravasalraum (EVR). Der IVR, auch Plasmaraum genannt, be-zeichnet den Flüssigkeitsraum innerhalb, der EVR den Flüssigkeitsraumaußerhalb der Blutgefäße bzw. des Blutkreislaufs. Der EVR lässt sichdabei nochmals abgrenzen in den Interzellularraum (IR), auch Intersti-tium genannt, und den transzellulären Raum (TZR), der Liquor, Darm-lumen etc. umfasst. Demzufolge sind medizinische Implantate in Formvon Knochenimplantaten bzw. Gefäßstützen hauptsächlich in Kontaktmit Blut bzw. der interstitiellen Flüssigkeit. Der pH-Wert der extra-zellulären Flüssigkeit liegt in etwa bei 7.4. Er wird durch verschiedeneRegulationssysteme in einem engen Bereich von 7.35 bis 7.45 konstantgehalten [11]. Das wichtigste Puffersystem der extrazellulären Flüssig-keit ist das Hydrogencarbonatsystem. Im Organismus ist es von enormerBedeutung, da die Konzentrationen der Puffersubstanzen dieses Systems

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4.2 Reale pK′

S-Werte von Pufferlösungen 43

Ion Plasma Interstitium

Na+ 142 145K+ 4.4 4.5

Mg 2+ gesamt: 0.9

frei: 0.7 0.55

Ca 2+ gesamt: 2.5

frei: 1.2 1.2Cl – 102 117.5HCO –

3 22 28

PO 2 –4 1 1.3

SO 2 –4 0.5 0.5

Protein – ca. 2 (≈ 70 g/l) (≈ 20 g/l)

Tabelle 4.1: Konzentration wichtiger Elektrolyte im menschlichemPlasma und in der interstitiellen Flüssigkeit in [mmol/l] [65].

im Gegensatz zu anderen Puffersystemen sehr kurzfristig variiert werdenkönnen (Abschnitt 4.5). Nach Deetjen et al. [11] sind die Elektrolytkon-zentrationen innerhalb und außerhalb der Blutgefäße nahezu identisch,was auf die Durchlässigkeit des Gefäßendothels für Wasser und nieder-molekulare Substanzen zurückzuführen ist. Der Unterschied in der Zu-sammensetzung des Plasmas und der interstitiellen Flüssigkeit bestehthauptsächlich im Proteingehalt. Während Plasma in etwa 2 mmol/l Pro-teine enthält, ist das Interstitium relativ proteinarm. Tabelle 4.1 zeigteinen Vergleich der Ionenkonzentration der wichtigsten Elektrolyte imPlasma und der interstitiellen Flüssigkeit nach Speckmann et al. [65].Die Elektrolytkonzentrationen sind u. a. abhängig von Geschlecht undAlter. Je nach Literatur können die Konzentrationsangaben um einigeProzent abweichen. [11] [39] [59]

4.2 Reale pK′

S-Werte von Pufferlösungen

Pufferlösungen oder -gemische sind definiert als Lösungen, deren pH-Wert unempfindlich auf die Zugabe kleiner Mengen Säure oder Base

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44 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

reagiert [7] [28]. Sie enthalten stets zwei Pufferkomponenten: Die eineKomponente übernimmt die Rolle einer Säure (oder Protonendonators),die mit der Lösung zugegebenen oder bei einer Reaktion entstehendenOH – -Ionen reagiert; die andere Komponente übernimmt die Rolle einerBase (oder Protonenakzeptors), die mit H+-Ionen reagiert. Oft verwen-det man konjugierte Säure-Base-Paare, wie z. B. in wässrigen Lösungennicht vollständig dissoziierende schwache Säuren. [8]

Das Pufferprinzip lässt sich anhand des chemischen Gleichgewichtsschwacher Säuren und Basen verdeutlichen:

Säure −−−− H+ + Base . (4.1)

Die Dissoziations- oder Säurekonstante dieser Reaktion lautet:

KS =[H+] · [Base]

[Säure]. (4.2)

Sie gibt gleichzeitig Aufschluss über die Stärke einer Säure: Je hö-her der KS-Wert ist, desto stärker ist die Säure. Aus der Definition derDissoziationskonstante lässt sich schließlich die Henderson-Hasselbalch-Gleichung formulieren:

pH = pKS + log[Base]

[Säure], (4.3)

wobei pKS bzw. pH den negativen dekadischen Logarithmus der Disso-ziationskonstante KS bzw. der Protonenkonzentration [H+] bezeichnet.

Der pKS-Wert ist eine charakteristische Konstante für jeden Puffer.In Tabelle 4.2 sind Werte ausgewählter, im Rahmen dieser Arbeit, rele-vanter Puffer angegeben.

Wie Gleichung 4.3 zeigt, ist der pH-Wert einer Pufferlösung über denpKS-Wert fest mit dem Verhältnis von Pufferbase zu Puffersäure ver-bunden. Die Pufferkapazität ist dabei umso höher, je näher der pH-Wert

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4.2 Reale pK′

S-Werte von Pufferlösungen 45

0 20 40 60 80 100-2

-1

0

1

2pH

- pK

S

Anteil Puffersäure (Mol-%)

100 80 60 40 20 0 Anteil Pufferbase (Mol-%)

Abbildung 4.1: pH-Änderung eines Puffersystems in Abhängigkeitdes Säure- bzw. Basenanteils. Für jeden beliebigen pH-Wert (relativzum pKS) kann das Verhältnis von Säure zu Base abgelesen werdenund umgekehrt.

am pKS-Wert liegt. Die Funktion eines Puffers ist optimal in einem pH-Bereich von pKS ± 1 erfüllt, also wenn das Verhältnis von Base zu kon-jugierter Säure in der Lösung zwischen 1 : 10 und 10 : 1 ist. In Abbil-dung 4.1 ist die Änderung des pH-Wertes in Abhängigkeit des Säuren-bzw. Basenanteils eines Puffersystems dargestellt. Die Pufferkapazitätist auch abhängig von der Konzentration des Puffers in der Lösung: Jehöher die Konzentration, umso mehr Säure bzw. Base kann gepuffertwerden.

Oft wird allerdings nicht berücksichtigt, dass der pKS-Wert selbst ge-wisse Abhängigkeiten aufweist: Er ist abhängig von der Temperatur undwird beeinflusst durch die Konzentrationen der in der Elektrolytlösunggelösten Ionen. Dieser ionische Einfluss lässt sich mit Hilfe der Ionen-stärke I der Lösung beschreiben. In der Literatur sind oft nur pKS-Werte bezogen auf thermodynamische Standardbedingungen angegeben

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46 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

(T = 25 C, I = 0.1). Wird ein Puffer, was meistens der Fall ist, unteranderen Bedingungen verwendet, ist es daher notwendig, den realen pK

S-Wert in der Lösung durch entsprechende Korrekturen zu ermitteln [7]:

pK′

S = pKS + ∆pKS(T ) + ∆pKS(I) . (4.4)

Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung lautet entsprechend:

pH = pK′

S + log[Base]

[Säure]. (4.5)

4.2.1 Temperaturabhängigkeit

Wie der pKS-Wert selbst ist auch dessen Temperaturabhängigkeit cha-rakteristisch für jedes Puffersystem. Selbst das Vorzeichen der Änderungmit der Temperatur ist spezifisch, wie am Beispiel der 1. Dissoziations-stufe der Phosphorsäure zu sehen ist (Tabelle 4.2). Aus der Definitionder Entropieänderung ∆S bei konstantem Druck und Standardbedin-gungen [1] [55]

∆S = −d(∆G)

dT, (4.6)

wobei T die Temperatur in Kelvin (K) ist, und der Definition derÄnderung der Freien Enthalpie ∆G unter Standardbedingungen [1]

− ∆G = RT lnKS , (4.7)

wobei R die allgemeine Gaskonstante mit R = 8.31441 J/mol·K ist, lässtsich die Temperaturabhängigkeit d(pKS)/dT für die Änderung des pKS-Wertes mit der Temperatur herleiten:

−d(pKS)

dT= (pKS + λ∆S)/T , (4.8)

mit λ = log(e)/R, wobei e die eulersche Zahl ist.

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4.2 Reale pK′

S-Werte von Pufferlösungen 47

Wie Perrin [54] zeigt, stimmen die mit Gleichung 4.8 unter der Verwen-dung von thermodynamischen pKS-Werten und Standardbedingungenberechneten d(pKS)/dT -Werte gut mit experimentell ermittelten Datenüberein.

Für lediglich kleine Änderungen der Temperatur lässt sich unter derAnnahme, dass die Änderungen in ∆S vernachlässigbar sind [55], dieTemperaturabhängigkeit des pKS-Wertes mit einer linearen Näherungbeschreiben:

∆pKS(T ) =d(pKS)

dT· ∆T , (4.9)

mit ∆T = (T − 298.15K) = (T − 25 C).

Bei Beynon et al. [7] findet sich eine ausführliche Auflistung thermo-dynamischer pKS-Werte verschiedener Puffersysteme und deren Tem-peraturabhängigkeit d(pKS)/dT . Die pKS-Werte und deren Tempera-turabhängigkeit der im Rahmen dieser Arbeit relevanten Puffer sind inTabelle 4.2 aufgeführt.

4.2.2 Einfluss der Ionenstärke

Ionen verhalten sich in Lösungen oft so, als ob wesentlich weniger alsdie tatsächlich vorhandene Stoffmenge gelöst wäre. Die Aktivität der Io-nen ist also geringer als es ihrer eigentlichen Konzentration entspricht.Dieses Verhalten ist auf die elektrostatische Wechselwirkung zwischen ge-ladenen Teilchen zurückzuführen: Ionen entgegengesetzter Ladung schir-men sich gegenseitig ab. Mit steigender Ionenkonzentration nimmt die-ser Effekt zu und der wirksame Stoffanteil sinkt [7] [28]. Die Aktivität ai

eines Ions i ist definiert als das Produkt aus der Konzentration ci undeinem Aktivitätskoeffizient fi, der seinerseits von der Konzentration undden Eigenschaften des entsprechenden Ions abhängt:

ai = fi · ci (4.10)

Um das ionische Verhalten einer Elektrolytlösung zu beschreiben, be-nutzt man die Ionenstärke. Bei der Berechnung der Ionenstärke wer-den alle in der Elektrolytlösung gelöst vorliegenden Ionen berücksichtigt,

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48 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

Puffer/Dissoziationsstufe pKS(25 C) d(pKS)/dTin C−1

CarbonatpKS,1: 6.35 −0.0055H

2CO

3−−−− HCO –

3+ H+

pKS,2: 10.33 −0.009HCO –

3−−−− CO 2 –

3+ H+

HEPES 7.66 −0.014HEPES ·H+ −−−− HEPES + H+

PhosphatpKS,1: 2.15 +0.0044H

3PO

4−−−− H

2PO –

4+ H+

pKS,2: 7.20 −0.0028H

2PO –

4−−−− HPO 2 –

4+ H+

pKS,3: 12.33 −0.026HPO 2 –

4−−−− PO 3 –

4+ H+

TRIS 8.06 −0.028TRIS ·H+ −−−− TRIS + H+

Tabelle 4.2: Thermodynamische pKS-Werte ausgewählter Puffersys-teme sowie deren Temperaturabhängigkeit d(pKS)/dT . Für die mehr-protonigen Puffersysteme Carbonat und Phosphat sind die pKS-Wertealler Dissoziationsstufen angegeben. [7]

d. h. nicht nur die Ionen des Puffers selbst, sondern auch deren Gegen-ionen sowie die Ionen aller zusätzlich gelösten Salze. Dabei übt ein zwei-fach geladenes Ion einen größeren Effekt aus als ein einfach geladenes.Genauso wirkt sich ein in der Lösung höher konzentriertes Ion stärkerauf die ionischen Eigenschaften der Lösung aus [7]. Die Ionenstärke Ieiner Elektrolytlösung ist definiert als:

I =1

2

n∑

i=1

(ci · z2i ) , (4.11)

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4.2 Reale pK′

S-Werte von Pufferlösungen 49

wobei zi die Ladungszahl des Ion i darstellt. Die Ionenstärke I be-sitzt die Einheit mol/l, wird jedoch üblicherweise dimensionslos verwen-det. Mit der erweiterten Debye-Hückel-Gleichung (Gleichung 4.12), dieauf die beiden Physiker und Chemiker Peter Debye und Erich Hückelzurückzuführen ist, lässt sich mit Hilfe der Ionenstärke I der Aktivitäts-koeffizient fi eines Ions mit der Ladung zi berechnen [55]:

− log(fi) =z2i · A ·

√I

(

1 +√

I) − 0.1 · z2

i · I , (4.12)

wobei A der temperaturabhängige Debye-Hückel-Parameter ist. InGleichung 4.12 gehen alle Größen dimensionslos ein. Die in Tabelle 4.3angegebenen Werte für A in Abhängigkeit von der Temperatur aus Per-rin et al. [55] sind entsprechend einer polynominalen Interpolation zwei-ter Ordnung um den Wert bei 37 C ergänzt.

T in C A T in C A

0 0.4918 50 0.537310 0.4989 60 0.549420 0.5070 70 0.562525 0.5114 80 0.576730 0.5161 90 0.592037 0.5230 100 0.608640 0.5262

Tabelle 4.3: Werte für den Debye-Hückel-Parameter A in Abhängig-keit von der Temperatur. [55]

Die gegenseitige Coulombabschirmung der Ionen hat Einfluss auf denpKS-Wert eines Puffersystems, da dessen Komponenten eine andere Ak-tivität besitzen als es ihrer gelösten Konzentration entspricht. Demzufol-ge müssen die Aktivitäten der gelösten Stoffe anstatt deren Konzentra-tionen in die Henderson-Hasselbalch-Gleichung eingehen. Mit Hilfe der

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50 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

erweiterten Debye-Hückel-Gleichung 4.12 lässt sich jedoch aus der Defi-nition für den pKS-Wert ein Korrekturterm herleiten, der die Änderungdes pKS-Wertes in Abhängigkeit der Ionenstärke beschreibt:

∆pKS(I) = (2zS − 1) ·

A√

I(

1 +√

I) − 0.1 · I

. (4.13)

Dabei ist zS die Ladungszahl der konjugierten Säure und A der Debye-Hückel-Parameter (Tabelle 4.3). Wie in Gleichung 4.12 gehen auch inGleichung 4.13 alle Größen dimensionslos ein. Die Gleichung pKS,I =pKS + ∆pKS(I) ist auch als Debye-Hückel-Beziehung bekannt.

Das Verhältnis von Pufferbase zu Puffersäure ist über den pK′

S-Wertmit dem pH-Wert korreliert. Eine Änderung des pH-Wertes entsprichtalso einer Änderung des Säure-Basen-Verhältnisses. Dasselbe gilt, wennsich bei festem pH-Wert der pK

S-Wert ändert. Da aber Pufferbase und-säure eine unterschiedliche Ladungszahl z besitzen, bedeutet eine Än-derung des Säure-Basen-Verhältnisses wiederum eine Änderung der Io-nenstärke und damit des pK

S-Wertes. Durch diese gegenseitige Abhän-gigkeit der drei Größen pH, pK

S und I kann die Bestimmung des realenpK

S-Wertes, gerade bei einer Kombination mehrerer Puffersysteme, sehrkomplex werden. In Anhang A ist eine Methode zur Bestimmung realerpK

S-Werte von Puffersystemen bzw. einer Kombination aus verschiede-nen Puffersystemen dargestellt, bei denen die Ionenstärke nicht externkontrolliert wird und daher die endgültigen Werte der Ionenstärke I undsomit auch des pK

S-Wertes unbekannt sind.

4.3 Phosphatgepufferte Salzlösung (PBS)

Ein sehr einfacher Modellelektrolyt für die extrazelluläre Flüssigkeit istphosphatgepufferte Kochsalzlösung, kurz PBS (Phosphate Buffered Sa-line). PBS ist eine isotonische Kochsalzlösung, die die wichtigsten Be-standteile der extrazellulären Flüssigkeit (Natrium, Kalium, Chloride,Phosphate) enthält. Durch den Einsatz von Phosphat als Puffersubstanz

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4.4 Simulated Body Fluids (SBF) 51

wird eine Pufferung im physiologischen Bereich erreicht (Tabelle 4.2).Tabelle 4.4 gibt die Zusammensetzung einer PBS-Lösung mit einem phy-siologischen pH-Wert von 7.4 an.

Salz [g/l] [mmol/l]

NaCl 9.0 154.0Na2HPO4 · 12 H2O 35.8 100.0KH2PO4 2.1 1.5

Tabelle 4.4: Zusammensetzung von PBS mit einem physiologischenpH-Wert von 7.4.

PBS ist allerdings nur eine sehr grobe Näherung an die Extrazellu-larflüssigkeit. Da die ionischen Bestandteile des Elektrolyten einen deut-lichen Einfluss auf das Degradationsverhalten von z. B. Magnesiumwerk-stoffen haben, sind für in-vitro-Untersuchungen von biodegradierbarenWerkstoffen sogenannte körperähnliche Elektrolyte wesentlich besser ge-eignet.

4.4 Simulated Body Fluids (SBF)

Sehr häufig verwendete in-vitro-Elektrolyte sind sogenannte körperähn-liche Elektrolyte. Dies sind allgemein wässrige Elektrolyte, die in der Zu-sammensetzung dem anorganischen Anteil der extrazellulären Flüssigkeitangenähert sind und zusätzlich auch organische Bestandteile wie Glukoseoder verschiedene Proteine etc. enthalten können. Die gebräuchlichstenkörperähnlichen Flüssigkeiten enthalten keine organische Komponentenund werden als Simulated Body Fluids (SBF) bezeichnet.

Eine modifizierte Form ist SBF27 nach Helebrant et al. [26] bzw. Mül-ler et al. [51]. Diese Variante ist von den Ionenkonzentrationen noch nä-her am menschlichen Plasma, vor allem hinsichtlich der Chloride (Cl – ),Hydrogencarbonate (HCO –

3 ) und Sulfate (SO 2 –4 ). SBF27 enthält zu-

dem zusätzlich das organische Puffersystem TRIS (Tris(hydroxymethyl)-aminomethan) zur Erhöhung der Pufferkapazität um pH 7.4. [26] [51]

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52 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

4.4.1 SBF-H

Für Experimente im Rahmen dieser Arbeit wurde SBF-H als körper-ähnliche Flüssigkeit verwendet. Die Zusammensetzung von SBF-H istangelehnt an SBF27 [51] (Anhang B). In Tabelle 4.5 ist ein Vergleichder Ionenkonzentrationen von menschlichem Plasma, SBF27 und SBF-Hdargestellt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen SBF27 und SBF-H besteht inder zusätzlichen Puffersubstanz. Anstelle von TRIS ist in SBF-H als zu-sätzliches Puffersystem HEPES (2-(4-(2-Hydroxyethyl)-1-piperazinyl)-ethansulfonsäure) enthalten. HEPES ist ein organisches Molekül, das vorallem bei der Zell- und Gewebekultur eingesetzt wird. Es besitzt im Ver-gleich zu TRIS eine niedrigere Dissoziationskonstante von pKS = 7.66bei T = 25 C und zeigt eine geringere Temperaturabhängigkeit (Ta-belle 4.2) [7]. TRIS hingegen ist bei einer Temperatur von 25 C auf-grund des hohen pKS-Wertes als Puffer ungeeignet. Da der pH-Wert desmenschlichen Blutplasmas bei 7.4 liegt, ist HEPES sehr gut zur Puffer-ung des pH-Wertes im physiologischen Bereich über einen weiten Tem-peraturbereich geeignet. In Abbildung 4.2 ist eine Titrationskurve vonSBF-H zur Veranschaulichung der Pufferkapazität dargestellt. Zudemwird im Rahmen dieser Arbeit bei SBF-H auf die Zugabe von Natrium-azid (NaN3) verzichtet, da kein vermehrtes Bakterienwachstum beob-achtet wurde (Abschnitt 4.4.2).

4.4.2 Verhalten von SBF-H

SBF-H ist nicht stabil und zeigt einen Anstieg des pH-Wertes mit derZeit bei Lagerung an Luft. Bakterienwachstum in SBF-H ist nicht dieUrsache für diesen Effekt, da der Zusatz von 1 g/l des starken ZellgiftesNatriumazid (NaN3) als Konservierungsmittel keinen Effekt zeigt (Ab-bildung 4.3). Vielmehr ist das offene Hydrogencarbonatsystem in SBF-Hder Grund für das Ansteigen des pH-Wertes mit der Zeit. Im Folgendenwird daher die Funktionsweise dieses speziellen Puffersystems eingehenddiskutiert.

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4.4 Simulated Body Fluids (SBF) 53

Ion Blut- SBF27 SBF-H eSBF-H SBF-H∗ SBFplasma

Na+ 142.0 142.4 127.0 100.2 100.0 127.0K+ 4.6 5.0 5.0 5.0 5.0 5.0

Mg 2+ 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0

Ca 2+ 2.4 2.5 2.5 2.5 2.5 2.5Cl – 101.0 109.0 109.0 109.0 109.0 109.0HCO –

3 27.0 27.0 27.0 0.2 — 27.0

HPO 2 –4 1.1 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0

SO 2 –4 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0

TRIS — 50.0 — — — —HEPES — — 100.0 100.0 100.0 —N –

3 — 15.4 — — — —

Tabelle 4.5: Ionenkonzentrationen in mmol/l von menschlichem Blut-plasma und SBF27 [51] sowie SBF-H, eSBF-H, SBF-H∗ und SBF.

0 10 20 30 40

6.0

6.5

7.0

7.5

8.0

8.5

9.0

pH

0.1 M HCl (ml)

Abbildung 4.2: Titrationskurve von SBF-H (Anhang B). Titriertwurde ein Volumen von 35 ml direkt nach Ansetzen des SBF-H, alsMaßlösung diente eine 0.1-molare Salzsäure (HCl).

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54 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

0 1 2 3 4 5 6 77.40

7.45

7.50

7.55

7.60

7.65

7.70

7.75pH

Zeit (d)

SBF-H SBF-H + 1g/l NaN3

Abbildung 4.3: Entwicklung des pH-Wertes in je 200ml SBF-H undSBF-H + NaN3 über einen Zeitraum von sieben Tagen unter in-vitro-Bedingungen (T ≈ 20 C, an Atmosphäre).

4.5 Bedeutung desKohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffers

Das extrazellulär wirkende Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-System istwohl das wichtigste Puffersystem im menschlichen Organismus [50]. Eshat einen Anteil von ca. 2/3 an der gesamten Pufferkapazität des Blutesbei pH = 7.4 [59].

CO2 + H2O1−−−−−−−− H2CO3

2−−−−−−−− H+ + HCO−

3 (4.14)

Gleichung 4.14 zeigt die Reaktionen des Kohlendioxid-Hydrogencarbo-nat-Systems. Das Gleichgewicht von Reaktion 1 liegt weit auf der Seitedes Kohlendioxids (CO2). Nur ca. 0.25% des gelösten CO2 liegen in hy-dratisierter Form als Kohlensäure (H2CO3) vor. Vereinfachend gilt des-halb: [CO2+H2CO3] ≈ [CO2]. Der pH-Wert des Puffers ist aufgrund dergekoppelten Reaktionen nicht nur vom Verhältnis [HCO –

3 ] zu [H2CO3]abhängig, sondern auch von Reaktion 1 in Gleichung 4.14. [39] [50]

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4.5 Bedeutung des Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffers 55

Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung der Gesamtreaktion aus Glei-chung 4.14 ist deshalb gegeben durch:

pH = pK′

S + log[HCO−

3 ]

[CO2]. (4.15)

4.5.1 Bedeutung in vivo

Wie bei jedem Puffersystem ist der pH-Wert der Lösung über den pK′

S-Wert fest mit dem Verhältnis von Pufferbase zu Puffersäure verbundenund die Pufferkapazität umso besser, je näher der pH-Wert am pK

S-Wertliegt. Demzufolge müsste das Hydrogencarbonatsystem in vivo eine sehrschlechte Pufferleistung besitzen, da im menschlichen Blutplasma bei37 C der pK

S-Wert 6.1 beträgt und somit sehr weit vom pH-Wert 7.4des Blutes entfernt ist [39] [59].

Dennoch ist das Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-System von größterBedeutung für die Konstanthaltung des pH-Wertes von Blut. Dies liegtzum einen in der Tatsache begründet, dass es sich bei dem Hydrogencar-bonatsystem um ein offenes Puffersystem handelt. Zum anderen ist dieenorme Bedeutung auf das sehr hohe Verhältnis von [HCO –

3 ] (Puffer-base) zu [CO2] (Puffersäure) von 20 : 1 zurückzuführen.

In einem offenen Puffersystem steht einer der beiden Partner desSystems im Gleichgewicht mit der Umgebung. Dadurch kann die Kon-zentration dieses Bestandteils in der Lösung, selbst bei Belastung mitSäuren oder Basen, stets konstant gehalten werden und das Verhältnisder beiden Pufferpartner ändert sich weit weniger stark als in einemgeschlossenen System. Im Falle des Hydrogencarbonatsystems steht dasKohlendioxid im Gleichgewicht mit der Umgebung, und entstehendesCO2 kann gasförmig aus der Lösung entweichen. Im umgekehrten Fallwird, wenn CO2 verbraucht wird, die Konzentration ausgeglichen, indemsich weiteres Kohlendioxid aus der Umgebung im Blut löst. In einemgeschlossenen System hingegen ändert sich bei Belastung die Konzentra-tion beider Partner: Bei Zugabe von Säure bildet sich z. B. genau so vielPuffersäure wie Pufferbase verbraucht wird, die Gesamtkonzentrationder beiden Pufferkomponenten bleibt dabei stets konstant.

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56 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

Die Verteilung zwischen gasförmigem und gelöstem Kohlendioxid imGleichgewicht bei einer gegebenen Temperatur wird durch das Nernst-sche Verteilungsgesetz beschrieben [28]:

α =[CO2(l)]

[CO2(g)]. (4.16)

Die Konstante α ist der Löslichkeitskoeffizient. Sie ist charakteristischfür jeden Stoff und abhängig von der Temperatur. In Tabelle 4.6 sindWerte von α für Kohlendioxid bei verschiedenen Temperaturen angege-ben. Mit der allgemeinen Gasgleichung p · V = n · R · T lässt sich dieKonzentration eines Stoffes in der Gasphase bei gegebener Temperatur Tdurch seinen Partialdruck p ausdrücken, wobei n die Stoffmenge, V dasVolumen und R die allgemeine Gaskonstante mit R = 8.31441 J/mol·K ist.Aus Gleichung 4.16 folgt damit das Henry-Daltonsche Gesetz, welches dieProportionalität der Löslichkeit eines Gases bei gegebener Temperatur Tzu seinem Partialdruck p beschreibt:

[CO2(l)] = KH · pCO2(g) (4.17)

mit KH =α

R · T.

Die temperaturabhängige Konstante KH wird Henry-Konstante ge-nannt (Tabelle 4.6). Für Kohlendioxid bedeutet dies: Je höher die Tem-peratur bei gegebenem Druck ist, desto weniger CO2 geht in Lösung.

Damit lässt sich die Henderson-Hasselbalch-Gleichung für das Kohlen-dioxid-Hydrogencarbonat-System (Gleichung 4.15) in Abhängigkeit desPartialdruckes von CO2 formulieren:

pH = pK′

S + log[HCO−

3 ]

KH · pCO2(g)

. (4.18)

Der CO2-Partialdruck in der Alveolarluft beträgt ca. 5.33 kPa [59].Folglich sind nach Gleichung 4.17 bei 37 C ca. 1.2 mmol/l Kohlendioxid im

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4.5 Bedeutung des Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffers 57

T in C α KH in mmol/l·kPa

0 1.713 0.75510 1.194 0.50720 0.878 0.36030 0.665 0.26437 — 0.225∗

40 0.530 0.20350 0.436 0.16260 0.359 0.130

Tabelle 4.6: Löslichkeitskoeffizient α und Henry-Konstante KH vonKohlendioxid in Wasser bei 101.33 kPa. [9], ∗ aus [59]

Blutplasma gelöst. Die Konzentration des Hydrogencarbonats im Plasmaliegt normal bei ca. 24 mmol/l. Durch dieses vom Organismus aufrecht-erhaltene Verhältnis von Hydrogencarbonat zu Kohlendioxid von 20 : 1ergibt sich laut Gleichung 4.15 bzw. 4.18 mit einem pK

S-Wert von 6.1bei 37 C ein pH-Wert von 7.4.

Zusammen mit der Eigenschaft des offenen Puffersystems ist gera-de dieses hohe Verhältnis von Pufferbase zu Puffersäure für die großeBedeutung des Hydrogencarbonatsystems im Organismus verantwort-lich. In einem geschlossenen Puffersystem hat die Störung des Säure-Basen-Haushaltes Auswirkungen sowohl auf die Konzentration der Puf-ferbase als auch der Puffersäure. Da das Hydrogencarbonatsystem einoffenes System und damit die Konzentration des gelösten CO2 konstantist, ändert sich bei Störungen einzig die Hydrogencarbonatkonzentra-tion. Aufgrund der hohen Konzentration von HCO –

3 relativ zur CO2-Konzentration hat dies aber nur geringfügig Einfluss auf das Verhältnis[HCO−

3 ] : [CO2] und somit auf den pH-Wert. Für eine merkliche Erhö-hung des pH-Wertes wäre daher eine drastische Erhöhung der Konzen-tration von Hydrogencarbonat notwendig.

Hinzu kommt, dass vom Organismus beide Pufferkomponenten un-abhängig voneinander aktiv verändert werden können. Vorrangig für dieRegulation des pH-Wertes über das Hydrogencarbonatsystem ist die Än-derung des CO2-Partialdruckes über die Regulation der Atmung. Kleine

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58 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

Variationen im Partialdruck führen zu kleinen Änderungen der Kon-zentration gelösten Kohlendioxids im Plasma. Aufgrund des vorherr-schenden Verhältnisses von [HCO−

3 ] : [CO2] = 20 : 1 hat dies eine re-lativ starke Änderung dieses Verhältnisses zur Folge. Des Weiteren sindauch die Nieren von besonderer Bedeutung für eine längerfristige pH-Regulation. Über die Nieren wird zum einen die Hydrogencarbonatkon-zentration durch Ausscheidung bzw. Resorption reguliert, zum anderenwerden in ihnen auch H+-Ionen gebunden und ausgeschieden. [37] [39]

4.5.2 Mechanismus im in-vitro-System

Im in-vitro-System gibt es im Gegensatz zum menschlichen Organismuskeine aktiven Regulationsmechanismen für die Kohlendioxid- und Hy-drogencarbonatkonzentration. Das Verhältnis [HCO –

3 ]:[CO2] hängt nachder Henderson-Hasselbalch-Gleichung 4.15 über den pK

S-Wert vom pH-Wert ab. Dieser wird in SBF-H auf 7.4 eingestellt. Nach dem NernstschenVerteilungsgesetz 4.16 bzw. dem Henry-Daltonschen Gesetz 4.17 ist dieCO2-Konzentration in Lösung durch den Druck und die Temperatur be-stimmt. Der CO2-Anteil in der Atmosphäre beträgt ca. 367 ppm, waseinem Partialdruck von etwa 37.19Pa entspricht [56]. Im menschlichenOrganismus hingegen beträgt der CO2-Partialdruck ca. 5.33 kPa. Unterin-vitro-Bedingungen löst sich daher wesentlich weniger CO2 als in vivo(Tabelle 4.7).

in vivo in vitro

T in C 37 37 20pCO

2(g) in kPa 5.33 0.03719

[CO2(l)] in mmol/l 1.20 0.00837 0.0134

Tabelle 4.7: Konzentration von CO2(l) in vivo bzw. in vitro.

Wie in Abschnitt 4.2 diskutiert, ist auch der pKS-Wert von der Tem-peratur bzw. der Ionenstärke der Elektrolytlösung abhängig. Unter Be-rücksichtigung der in vitro konstanten CO2-Konzentration ergibt sich

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4.5 Bedeutung des Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffers 59

mit Hilfe der in Anhang A beschriebenen Methode zur iterativen Be-rechnung realer pK

S-Werte für das Hydrogencarbonatsystem in SBF-Hbei 20C ein pK

S-Wert von 6.25. Die Diskrepanz zu dem in der Li-teratur angegebenen Wert von 6.1 für das Hydrogencarbonatsystem immenschlichen Blutplasma ergibt sich zum einen aufgrund der abweichen-den Temperatur, zum anderen aus der Abwesenheit sämtlicher organi-scher Bestandteile in SBF-H, die ihrerseits die Ionenstärke beeinflussen.

Aus der Henderson-Hasselbalch-Gleichung folgt bei einem pH-Wertvon 7.4 für das Verhältnis [HCO−

3 ] : [CO2]:

[HCO−

3 ]in vitro

[CO2(l)]in vitro

= 10(7.4−6.25) ≈14.1

1. (4.19)

Somit ergibt sich in SBF-H unter in-vitro-Bedingungen bei 20C fürHydrogencarbonat folgende Gleichgewichtskonzentration:

[HCO−

3 ]in vitro = 10(7.4−6.25) · [CO2(l)]in vitro

= 0.1893 mmol/l . (4.20)

An Atmosphäre bei Raumtemperatur stellt sich im Hydrogencarbo-natsystem unweigerlich ein Gleichgewicht mit den eben errechneten Kon-zentrationen ein, da es sich um ein offenes Puffersystem handelt. DieGesamtkonzentration des Hydrogencarbonatsystems ([CO2] + [HCO−

3 ])in SBF-H beträgt dabei in etwa 0.2027 mmol/l. Wird zuviel Hydrogencar-bonat gelöst, reagiert es entsprechend Gleichung 4.21 zu CO2(l). Dabeiwerden H+-Ionen verbraucht und der pH-Wert steigt. ÜberschüssigesCO2(l) entweicht gasförmig, da die CO2-Konzentration in Lösung nachdem Nernstschen Verteilungsgesetz durch den Druck und die Temperaturfest vorgegeben ist. Wird dagegen weniger Hydrogencarbonat in Lösunggegeben als es der Gleichgewichtskonzentration entspricht, löst sich CO2

aus der Atmosphäre bis die Gleichgewichtskonzentrationen erreicht sind.Durch diese Reaktion sinkt der pH-Wert.

CO2(l) + H2O −−−− H+ + HCO−

3 (4.21)

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60 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

Die Hydrogencarbonatkonzentration ist in vitro also weit geringer alsim Plasma. Demnach wird beim Erstellen von SBF-H, das sich an physio-logischen Konzentrationen orientiert, eine viel zu große Menge Natrium-hydrogencarbonat (NaHCO3) zugegeben als letztendlich an Atmosphärebei Raumtemperatur in Lösung stabil ist. Dies führt zum beobachtetenEffekt des selbstständigen pH-Anstieges bei SBF-H in vitro.

Bei Experimenten von weniger als 24 Stunden ist dieser Effekt zu ver-nachlässigen, da der pH-Wert von SBF-H in diesem Zeitraum hinreichendstabil ist (Abbildung 4.3). Bei längeren Experimenten werden allerdingsbereits durch das Verschieben des Gleichgewichts die anderen in SBF-Henthaltenen Puffersysteme belastet und verlieren so an Pufferkapazität.

4.6 Ansätze zur pH-Stabilisierung vonSBF-H

Auf Grundlage der Erkenntnisse aus Abschnitt 4.5 bzgl. des offenen Puf-fersystems in SBF-H werden im Rahmen dieser Arbeit zwei Ansätze zurWeiterentwicklung der bestehenden in-vitro-Testmethode verfolgt. DieZielsetzung war dabei auch über längere Versuchszeiten stabile Bedin-gungen in Bezug auf pH und Zusammensetzung der Elektrolytlösung zugewährleisten. Nur unter stabilen Bedingungen lassen sich u. a. Korrosi-onsraten bestimmen, die einzig auf das Degradationsverhalten der jewei-ligen Magnesiumlegierungen und deren Wechselwirkung mit der Elektro-lytlösung zurückzuführen sind.

4.6.1 Hydrogencarbonatkonzentration imGleichgewicht mit der Atmosphäre

Ein Ansatz den Anstieg des pH-Wertes und damit die Belastung derübrigen Puffersysteme in SBF-H zu vermeiden ist die Anpassung derZusammensetzung des SBF-H. Anstatt die physiologische Menge Hy-drogencarbonat zu lösen, wird die zuzugebende Gesamtkonzentration desHydrogencarbonatsystems ([CO2]+[HCO−

3 ]) den Gleichgewichtskonzen-trationen unter den gegebenen in-vitro-Bedingungen angepasst. An At-mosphäre und bei Raumtemperatur (≈ 20 C) sind lediglich 0.19 mmol/l

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4.6 Ansätze zur pH-Stabilisierung von SBF-H 61

an Hydrogencarbonat stabil in Lösung. In dem angepassten eSBF-H(extended SBF-H) werden daher nur 17.03 mg/l Natriumhydrogencarbo-nat (NaHCO3) gelöst, was der Gesamtkonzentration an Carbonat von0.2027 mmol/l im in-vitro-Gleichgewicht entspricht (Tabelle 4.5). DieseÄnderung gewährleistet, dass der pH-Wert der Elektrolytlösung auchüber längere Zeiten stabil ist. Gerade für die Untersuchung pH-abhän-giger Prozesse kann das entscheidend sein.

Durch die äußerst geringe Gesamtmenge ist allerdings die Pufferkapa-zität des Hydrogencarbonatsystems verschwindend gering. Zur Untersu-chung von Reaktionen, die den pH-Wert der Elektrolytlösung beeinflus-sen, ist daher die Verwendung eines zusätzlichen Puffersystems wie z. B.HEPES unablässlich.

Entwicklung des pH-Wertes

Die Entwicklung der pH-Werte von SBF-H und eSBF-H unter in-vitro-Bedingungen über einen Zeitraum von sieben Tagen ist in Abbildung 4.4dargestellt. Zusätzlich ist der Verlauf des pH-Wertes von SBF-H ohneZugabe von NaHCO3 (SBF-H∗, Tabelle 4.5) aufgetragen. Deutlich ist derAnstieg des pH-Wertes in SBF-H aufgrund des gasförmig entweichendenKohlendioxids aus dem offenen Hydrogencarbonatsystem zu erkennen.Der pH-Wert des eSBF-H ist, entsprechend den vorangegangenen Überle-gungen, selbst über einen Zeitraum von sieben Tagen stabil bei pH = 7.4.

Für SBF-H∗ ist eigentlich zu erwarten, dass der pH-Wert im Laufe derZeit fällt, da Kohlendioxid bis zur Gleichgewichtskonzentration in Lö-sung geht. Wie in Abbildung 4.4 zu erkennen, zeigt das SBF-H∗ aber einähnliches Verhalten wie eSBF-H. Dies ist dadurch zu erklären, dass sichbereits beim Ansetzen der Elektrolytlösung CO2 aus der Umgebung löst.Aufgrund der äußerst geringen Konzentrationen von Kohlendioxid undHydrogencarbonat im atmosphärischen Gleichgewicht ist demnach auchin einer Elektrolytlösung, die ohne Hydrogencarbonat angesetzt wird, ge-löstes Kohlendioxid und Hydrogencarbonat unmittelbar nach Ansetzender Lösung im atmosphärischen Gleichgewicht vorhanden.

Ein möglicher negativer Aspekt dieses Ansatzes ist, dass die Änderungder Konzentrationen Einfluss auf die Zusammensetzung bzw. Struktur

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62 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

0 1 2 3 4 5 6 7

7.40

7.45

7.50

7.55

7.60

7.65

7.70

pH

Zeit (d)

SBF-H eSBF-H SBF-H*

Abbildung 4.4: pH-Entwicklung in je 200 ml SBF-H, eSBF-H undSBF-H∗ über einen Zeitraum von sieben Tagen unter in-vitro-Bedingungen (T ≈ 20 C, an Atmosphäre) (n = 2).

der Korrosionsschicht und somit auf deren korrosionshemmendes Verhal-ten haben kann (siehe Kapitel 3 bzw. 6).

4.6.2 Kontrollierte CO2-Atmosphäre

Ein weiterer Ansatz zur pH-Stabilisierung von SBF-H ist die Kontrol-le des Partialdruckes von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Nach demHenry-Daltonschen Gesetz (Gleichung 4.17) lässt sich über den Partial-druck die Konzentration von CO2 in Lösung regeln und dadurch eine kon-stante Hydrogencarbonatkonzentration aufrechterhalten. Experimentellumsetzen lässt sich dies beispielsweise in einem CO2-Inkubator.

Ein wesentlicher Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass in ei-ner CO2-kontrollierten Elektrolytlösung das Hydrogencarbonatsystemim Wesentlichen wie im menschlichen Organismus reagiert und somitauch im Vergleich zu dem angepassten eSBF-H einen größeren Anteilzur Pufferkapazität beiträgt. Dadurch ist es möglich auf einen Großteileines zusätzlichen Puffersystems wie HEPES zu verzichten, welches im

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4.6 Ansätze zur pH-Stabilisierung von SBF-H 63

Organismus nicht vertreten ist. Zusammen mit einer Hydrogencarbonat-konzentration, die der des Blutplasmas entspricht, wird die Elektrolyt-lösung von ihrer Zusammensetzung her somit gleichzeitig wesentlich phy-siologischer. Zudem ist bei einer Realisierung mit einem CO2-Inkubatoreine relativ einfache Kontrolle der Temperatur möglich. Bei einem ent-sprechenden Partialdruck und einer Temperatur von 37 C lassen sichAuslagerungsversuche nahe an in-vivo-Bedingungen durchführen.

Um die Gültigkeit dieses Ansatzes zur Elektrolytstabilisierung zu zei-gen wird im Folgenden zunächst der CO2-Partialdruck bestimmt, derbenötigt wird um das Hydrogencarbonat in einer physiologischen Kon-zentration von konstant 24 mmol/l in Lösung zu halten. Anschließend wer-den Ergebnisse zur Untersuchung der Stabilität von SBF-H und SBF(Tabelle 4.5) in kontrollierter CO2-Atmosphäre dargestellt.

CO2-Partialdruck für eine physiologischeHCO –

3 -Konzentration in vitro

Eine Änderung der Konzentrationen gegenüber den in-vitro-Bedingun-gen hat Einfluss auf die Ionenstärke und damit die pK

S-Werte sowiedas Verhältnis von Pufferbase zu Puffersäure. Um den benötigten CO2-Partialdruck zu bestimmen, sind daher zunächst die realen pK

S-Wertein SBF-H zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt analog Anhang A, aller-dings ausgehend von einer konstanten Hydrogencarbonatkonzentrationvon 24 mmol/l. Für 20 C bzw. 37 C ergeben sich die in Tabelle 4.8 an-gegebenen pK

S-Werte. Über das Säure-Basen-Verhältnis resultiert ausdem pK

S-Wert die Konzentration von Kohlendioxid:

[CO2(l)] =[HCO−

3 ]in vitro

10(7.4−pK′

S,Carbonat)

. (4.22)

Mit dem Henry-Daltonschen Gesetz 4.17 lässt sich daraus der notwen-dige CO2-Partialdruck berechnen:

pCO2(g) =

[CO2(l)]

KH. (4.23)

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64 4 Körperähnliche Elektrolyte als in-vitro-Modellsystem

Der errechnete Partialdruck von Kohlendioxid von 5.96 kPa bei 37 Centspricht einem CO2-Anteil in der Atmosphäre von ca. 5.9%.

Entwicklung des pH-Wertes

In Abbildung 4.5 ist die Entwicklung des pH-Wertes von SBF-H undSBF (Tabelle 4.5) in einer kontrollierten CO2-Atmosphäre dargestellt(T = 37 C, CO2-Anteil = 5.9%).

Die Entwicklung des pH-Wertes in kontrollierter CO2-Atmosphäre istsowohl in SBF-H als auch in SBF über einen Zeitraum von sieben Tagenrelativ stabil. Am ersten Tag ist bei allen Proben ein deutlicher Ab-fall des pH-Wertes zu beobachten. Dieser Effekt liegt darin begründet,dass bereits beim Ansetzen der Elektrolyte Kohlendioxid gasförmig ent-weicht. Aufgrund des offenen Hydrogencarbonatpuffersystems führt diesentsprechend Gleichung 4.14 zu einem Verbrauch des gelösten Hydrogen-carbonats um die Abnahme des CO2-Gehalts im Elektrolyten auszuglei-chen. Damit ist zu Beginn des Versuches weniger als die physiologischeHCO –

3 -Konzentration enthalten. In der CO2-kontrollierten Atmosphäredes Inkubators löst sich schließlich Kohlendioxid, bis Hydrogencarbonatentsprechend dem angepassten CO2-Partialdruck in einer Konzentrationvon 24 mmol/l vorliegt. Dadurch sinkt der pH-Wert ab.

Die Schwankungen der Werte in der weiteren zeitlichen Entwicklungsind auf natürliche Veränderungen der Versuchsbedingungen wie z. B.des Luftdruckes zurückzuführen. Zum Vergleich ist in Abbildung 4.5zusätzlich die pH-Entwicklung von eSBF-H an Atmosphäre dargestellt(Abschnitt 4.6.1). Unter Beachtung des Messfehlers der pH-Elektrode(±0.02) ist die Messung sehr gut reproduzierbar.

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4.6 Ansätze zur pH-Stabilisierung von SBF-H 65

T = 20 C T = 37 C

pK′

S,Carbonat 6.25 6.15

pK′

S,HEPES 7.60 7.36

pK′

S,Phosphat 6.83 6.76

[CO2(l)] 1.69 mmol/l 1.34 mmol/l

pCO2(g) 4.69 kPa 5.96 kPa

Tabelle 4.8: pK′

S-Werte, CO2-Konzentration und einzustellenderCO2-Partialdruck für eine physiologische Hydrogencarbonatkonzentra-tion von 24 mmol/l in SBF-H bei T = 20 C bzw. 37 C und 101.33 kPaAtmosphärendruck.

0 1 2 3 4 5 6 7

7.34

7.36

7.38

7.40

7.42

7.44

7.46

pH

Zeit (d)

SBF (CO2-Kontrolle) SBF-H (CO2-Kontrolle) eSBF-H (Atmosphäre)

Abbildung 4.5: Entwicklung des pH-Wertes in je 200 ml SBF-H undSBF in einer kontrollierten CO2-Atmosphäre (T = 37 C, CO2-Anteil= 5.9 %) (n = 4) und eSBF-H an Atmosphäre zum Vergleich (n = 2)über einen Zeitraum von sieben Tagen.

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5 Korrosionskinetik in

körperähnlichen Elektrolyten

Im Folgenden wird die Kinetik der Korrosion von Magnesiumwerkstof-fen in körperähnlichen Elektrolyten anhand von Zeitverläufen bestimm-ter Messgrößen wie pH-Wert und Mg 2+-Konzentration im Elektroly-ten unter verschiedenen Umgebungsbedingungen untersucht. Dabei wer-den Unterschiede in der Korrosionskinetik von verschiedenen Materialienund aufgrund unterschiedlicher Elektrolytzusammensetzungen und Um-gebungsbedingungen aufgezeigt. Dies erlaubt es, wesentliche Einflussgrö-ßen auf die Korrosion zu identifizieren.

Zunächst werden dazu in Abschnitt 5.1 die verwendeten Materialienund Probenformen vorgestellt, sowie die Präparationsverfahren und dieentsprechenden Versuchsanordnungen beschrieben. Anschließend wird inAbschnitt 5.2 der Einfluss der Präparation auf den Polarisationswider-stand sowie in Abschnitt 5.3 der Einfluss der Mg 2+-Konzentration imElektrolyten auf die Korrosionskinetik diskutiert. In Abschnitt 5.4 wirddie Korrosionskinetik von WE43 und Reinmagnesium in verschiedenenElektrolyten, in Abschnitt 5.5 das Verhalten von Reinmagnesium in demin Abschnitt 4.6.2 vorgestellten Ansatz zur pH-Stabilisierung von SBF-Hdurch kontrollierte CO2-Atmosphäre untersucht.

5.1 Versuchsbeschreibung

Untersucht wurde das Korrosionsverhalten von Reinmagnesium1 und derMagnesiumlegierung WE43 (Abschnitt 2.3). Beide Materialien lagen alsStangenmaterial mit einem Durchmesser von etwa 9.5mm vor.

Für die in-vitro-Auslagerungsversuche wurden Flachproben abgedrehtund mit dem in Anhang C.1 beschriebenen Verfahren mit SiC-Papier

1≥ 99.9 %, Chempur GmbH.

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68 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 5.1: Verwendete Probenformen. Links: Flachprobe für in-vitro-Auslagerungsversuche (∅ ≈ 9.5 mm, d ≈ 1.5 mm); rechts: kon-taktierte und eingebettete zylindrische Probe für elektrochemische Un-tersuchungen (∅ ≈ 9.5 mm).

schrittweise bis Körnung P40002 unter Wasserkühlung präpariert. DieFlachproben hatten eine Dicke von ca. 1.5mm bei einem Durchmesservon ca. 9.5mm (Abbildung 5.1 a).

Im Anschluss an die Auslagerungsversuche wurde ein Teil der Flach-proben in Epoxidharz3 eingebettet um Querschliffe mit dem in An-hang C.2 beschriebenen Politurverfahren bei einer Körnung von 0.02µmzu präparieren. Diese Präparation gewährleistet eine artefaktfreie Be-trachtung und Analyse unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM).

Für elektrochemische Experimente zur Untersuchung des Einflussesder Präparation auf das Korrosionsverhalten wurden zylindrische WE43-Proben elektrisch kontaktiert und in Epoxidharz3 eingebettet (Abbil-dung 5.1 b). Dadurch wird gewährleistet, dass lediglich eine definierteProbenoberfläche von etwa 0.71 cm2 in Kontakt mit dem Elektrolytenist. Anschließend wurden die Proben entsprechend der beiden Präpara-tionsverfahren C.1 und C.2 geschliffen bzw. endpoliert.

Als Elektrolyt für die Auslagerungsversuche wurde SBF-H und Mo-difikationen von SBF-H (Tabelle 4.5) verwendet. Der pH-Wert wurde

2Körnungsangabe nach FEPA-Standard (Federation of European Producers of Ab-rasives); P4000 entspricht einer Korngröße von ca. 5 µm.

3EpoxyCure, Buehler GmbH.

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5.1 Versuchsbeschreibung 69

durch Zugabe von Natronlauge (NaOH) auf 7.4 eingestellt. Das Elektro-lytvolumen betrug in allen Versuchen 200ml.

Die Magnesiumproben wurden in Bechergläsern ausgelagert, die losemit einer chemikalienbeständigen Folie4 abgedeckt wurden um eine Ver-unreinigung bzw. Verdunstung des Elektrolyten bei gleichzeitigem Gas-austausch mit der Umgebung zu minimieren. Ein Teil der Experimente,unter anderem die Versuche zur Untersuchung des Einflusses der Prä-paration (Abschnitt 5.2) und der Mg 2+-Konzentration (Abschnitt 5.3),wurde bei Raumtemperatur an Atmosphäre durchgeführt (T ≈ 20 C,pCO

2(g) = 37.19Pa). Ein anderer Teil der Versuchsreihen wurde dage-

gen in der kontrollierten CO2-Atmosphäre eines Inkubators5 bei 37 Cund einer relativen Luftfeuchtigkeit von 98% durchgeführt. Der CO2-Anteil im Inkubator wurde auf 5.9% geregelt, wodurch eine konstanteHydrogencarbonatkonzentration von 24 mmol/l in SBF-H gewährleistet ist(Abschnitt 4.6.2).

Zudem wurde untersucht, ob im Inkubatoraufbau auf das zusätzlicheorganische Puffersystem HEPES in SBF-H verzichtet werden kann. Dadie Inkubatorversuche ausschließlich der Weiterentwicklung der in-vitro-Methode dienen und gezeigt werden sollte, dass durch eine kontrollierteCO2-Atmosphäre stabile Bedingungen realisierbar sind, wurden dieseExperimente nur an Reinmagnesium durchgeführt.

Je einmal täglich wurde der pH-Wert6 gemessen und aus dem Elek-trolyten ein Probenvolumen von 1ml für die Ionenchromatographie7

(IC) zur Bestimmung der Mg 2+-Konzentration entnommen. Vor der pH-Messung bzw. Entnahme der Probenvolumina wurde der Elektrolyt ge-rührt, um Konzentrationsgradienten auszugleichen. Als Referenz für diepH- und IC-Messungen wurde jeweils der reine Elektrolyt ohne Magne-siumprobe mitgeführt.

Bei den IC-Messungen ist zu beachten, dass bereits zu Beginn derVersuche ca. 24 mg/l Magnesium in SBF-Elektrolyten enthalten ist (Ta-belle 4.5). Da die Mg 2+-Konzentration in den Referenzen konstant ist,

4DuraSeal.5Typ: INCO 2, Memmert.6pH-Meter: SevenMulti, Mettler Toledo,pH-Elektrode: InLab RoutinePro, Mettler Toledo.

7IC-Methode siehe Anhang D.

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70 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

lässt sich aus den quantitativen Ergebnissen der Ionenchromatographiedie Magnesiumfreisetzung bestimmen, indem die IC-Werte der Referen-zen von den Werten der ausgelagerten Proben abgezogen werden. DieAbleitung der Magnesiumfreisetzung wiederum ergibt die Magnesium-freisetzung pro Zeiteinheit und ist ein Maß für die Korrosionsgeschwin-digkeit.

Um Rückstände des Elektrolyten auf der Probenoberfläche zu vermei-den, wurden die Proben direkt nach Beendigung der Experimente mitReinstwasser gespült und mit Stickstoff getrocknet.

5.2 Einfluss der Präparation auf denPolarisationswiderstand

Es wurde untersucht, ob die Präparation, und damit die Morphologieund Mikrostruktur der Oberfläche, einen Einfluss auf die Korrosion vonMagnesiumwerkstoffen zeigt.

Dazu wurde der Polarisationswiderstand Rp in Abhängigkeit der Aus-lagerungszeit ermittelt indem nach bestimmten Auslagerungszeiten miteiner linearen Polarisation8 im Potentialbereich ±25mV um das zuvorbestimmte Ruhepotential E0 in einer quasistationären Messung mit ei-ner Anstiegsgeschwindigkeit von 0.166 mV/s der resultierende Strom ge-messen wurde. Als Elektrolyt diente SBF-H (Tabelle 4.5). Die Steigungder Strom-Spannungs-Kurve, welche mit einer linearen Approximationbestimmt wurde, ist definiert als Polarisationswiderstand Rp.

Abbildung 5.2 zeigt den Polarisationswiderstand geschliffener bzw.endpolierter WE43-Proben in Abhängigkeit der Auslagerungszeit. DerPolarisationswiderstand steigt in erster Näherung linear mit der Zeit beiAuslagerung in SBF-H an (Abbildung 5.2). Dieser Verlauf ist konsistentmit der Beobachtung der Ausbildung einer Korrosionsschicht, welche dieKorrosion hemmt (Abschnitt 5.4 bzw. Kapitel 6). Nach einer Auslage-rungszeit von sieben Tagen wird offensichtlich kein stationärer Zustanderreicht, da weder eine Passivierung (Rp → ∞) noch eine Sättigung

8Potentiostat: VMP3, Princeton Applied Research,Software: EC-Lab V9.43, Bio-Logic – Science Instruments.

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5.2 Einfluss der Präparation auf den Polarisationswiderstand 71

0 1 2 3 4 5 6 70.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0Po

lari

satio

nsw

ider

stan

d R p

(k c

m2 )

Zeit (d)

endpoliert (0.02 µm) geschliffen (P4000)

Abbildung 5.2: Polarisationswiderstand unterschiedlich präparierterWE43-Proben (Anhang C) bei Auslagerung in SBF-H an Atmosphäre.(P4000: n = 3; endpoliert: n = 2).

(konstanter Rp) zu beobachten ist. Zwar hemmt die Schicht die Korrosi-on zunehmend und wächst offensichtlich weiter in der Dicke an, sie bildetallerdings keinen passivierenden Korrosionsschutz.

Im Vergleich zu AISI 316L Edelstahl (Cr-Ni-Mo) mit einem Polarisa-tionswiderstand von 572 kΩ · cm2, der in permanenten orthopädischenImplantaten, der Zahnchirugie und Stents zum Einsatz kommt [31] [47],ist der ermittelte Polarisationswiderstand von WE43 mit ca. 0.19 kΩ·cm2

bzw. 0.91 kΩ · cm2 nach sieben Tagen in SBF-H relativ gering.

Im Rahmen der Messgenauigkeit ist kein signifikanter Unterschied zwi-schen den beiden Präparationsmethoden feststellbar. Morphologie undMikrostruktur der Magnesiumoberfläche zeigen keinen Einfluss auf denPolarisationswiderstand und dessen Kinetik. Daraus folgt, dass bereitseine Präparation mit SiC-Papier der Körnung P4000 offensichtlich einehinreichend definierte Oberfläche für die Auslagerungsversuche liefert.

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72 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

5.3 Einfluss der Mg 2+-Konzentration

Eine grundlegende Fragestellung für die Auslagerungsversuche ist, obdurch die Freisetzung von Mg 2+ die weitere Degradation des Werkstof-fes gehemmt wird. Dies ist vor allem für körperähnliche Elektrolyte wiedie im Rahmen dieser Arbeit verwendeten SBF-Elektrolyte interessant,da diese bereits initial eine hohe Konzentration an Mg 2+ enthalten (Ta-belle 4.5). Im Gegensatz zu den Bedingungen in vivo gibt es bei denin-vitro-Experimenten keine Mechanismen, welche die Magnesiumkon-zentration aktiv regulieren.

Zur Untersuchung wurden drei unterschiedliche Magnesiumkonzentra-tionen gewählt und die Mg 2+-Freisetzung von Flachproben aus Rein-magnesium mittels Ionenchromatographie gemessen: (1) SBF-H ohneMagnesium, (2) SBF-H mit der normalen Magnesiumkonzentration von1 mmol/l (IC-Messung: 23.2 mg/l, Tabelle 4.5) und (3) SBF-H mit vierfacherhöhter Konzentration von etwa 4 mmol/l (IC-Messung: 91.7 mg/l).

Um den Einfluss der Magnesiumionen auf die Degradation von an-deren Faktoren zu isolieren, blieb die Konzentration aller anderen fürdie Degradation relevanten Bestandteile des SBF-H unverändert. FürSBF-H ohne Magnesium wurde daher Na2SO4 anstatt MgSO4 verwen-det. Die damit verbundene Änderung der Konzentration an Natrium istaufgrund der bereits sehr hohen Konzentration in SBF-H vernachlässig-bar klein (< 0.8%). Ein Einfluss von Natriumionen auf die Magnesium-degradation ist zudem nicht bekannt. Um SBF-H mit der vierfachenKonzentration an Magnesium zu erhalten, wurde Mg(OH)2 zugesetzt.

Bei einem potentiellen Zusammenhang zwischen der initialen Magne-siumkonzentration und dem Degradationsverhalten ist zu erwarten, dasssich dieser umso stärker auswirkt je höher die Magnesiumkonzentrationist. Es sollte in diesem Fall also eine eindeutige Korrelation von Magne-siumfreisetzung und -konzentration auftreten.

Die Ergebnisse der Versuchsreihe sind in Abbildung 5.3 dargestellt. Inallen drei Elektrolyten ist eine Abnahme der pro Zeiteinheit freigesetztenMagnesiumkonzentration zu beobachten. Dieses Verhalten ist konsistentzu der in Abschnitt 5.2 beschriebenen Entwicklung des Polarisationswi-derstandes, welcher mit der Zeit ansteigt. Im Gegensatz zum Polarisa-

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5.4 Korrosion an Atmosphäre 73

0 1 2 3 4 5 6 70

50

100

150

200

250

300M

g-Fr

eise

tzun

g (m

g/l)

Zeit (d)

0 mmol/l Mg2+

1 mmol/l Mg2+

4 mmol/l Mg2+

Abbildung 5.3: Magnesiumfreisetzung von Reinmagnesiumprobenbei Auslagerung in SBF-H-Elektrolyte mit unterschiedlichem Magne-siumgehalt. (n = 2).

tionswiderstand lassen die Ergebnisse der Magnesiumfreisetzung aller-dings darauf schließen, dass sich mit zunehmender Auslagerungszeit einstationärer Zustand einstellt, da die Freisetzung nach etwa sechs Tagenzu sättigen beginnt.

Zudem ist zu erkennen, dass in dem untersuchten Konzentrationsbe-reich von 0 mg/l bis etwa 90 mg/l kein Einfluss der Magnesiumkonzentra-tion auf die Magnesiumfreisetzung in SBF-H existiert. Die Unterschiedeliegen innerhalb der Streuung der Messmethode. Dieses Ergebnis zeigt,dass bei den Auslagerungsversuchen das beschränkte Elektrolytvolumenvon 200ml unkritisch zu beurteilen ist und die Ergebnisse dadurch nichtbeeinflusst werden.

5.4 Korrosion an Atmosphäre

Als Elektrolyte für die in-vitro-Versuche an Atmosphäre (T ≈ 20 C,pCO

2(g) ≈ 37.19 kPa) wurden SBF-H und eSBF-H verwendet (Tabel-

le 4.5). Die Ergebnisse der pH-Wert- und IC-Messungen sind in Abbil-

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74 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

0 1 2 3 4 5 6 7

7.4

7.5

7.6

7.7

7.8

7.9

8.0pH

Zeit (d)

SBF-H : Referenz SBF-H : Reinmagnesium SBF-H : WE43 eSBF-H: Referenz eSBF-H: Reinmagnesium eSBF-H: WE43

0 1 2 3 4 5 6 70

50

100

150

200

250

300

Mg-

Kon

zent

ratio

n (p

pm =

mg / l)

Zeit (d)

SBF-H : Referenz SBF-H : Reinmagnesium SBF-H : WE43 eSBF-H: Referenz eSBF-H: Reinmagnesium eSBF-H: WE43

Abbildung 5.4: pH-Verlauf (oben) und Mg 2+-Konzentration (un-ten) für reines SBF-H und eSBF-H (Referenz) sowie bei Auslagerungvon Reinmagnesium und WE43 an Atmosphäre (T ≈ 20 C,pCO

2(g) ≈ 37.19 Pa). (n = 2).

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5.4 Korrosion an Atmosphäre 75

0 1 2 3 4 5 6 70

20

40

60

80

100

120 [M

g2+] p

ro Z

eite

inhe

it (m

g / l d)

Zeit (d)

SBF-H : Reinmagnesium SBF-H : WE43 eSBF-H : Reinmagnesium eSBF-H : WE43

Abbildung 5.5: Mg 2+-Freisetzung pro Zeit bei Auslagerung vonReinmagnesium und WE43 in SBF-H und eSBF-H an Atmosphäre(T ≈ 20 C, p

CO2(g) ≈ 37.19 Pa). (n = 2).

dung 5.4 dargestellt. In Abbildung 5.5 ist die aus den IC-Ergebnissenermittelte Magnesiumfreisetzung pro Zeiteinheit aufgetragen. Insgesamtist eine hohe Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sowohl im pH-Verlaufals auch in der Magnesiumkonzentration festzustellen.

Der Verlauf des pH-Wertes der reinen Elektrolyte in Abhängigkeit derAuslagerungszeit zeigt, dass, wie bereits in Abschnitt 4.6.1 dargestelltwurde, eSBF-H an Atmosphäre weitaus stabiler ist als SBF-H. In beidenElektrolyten ist die Magnesiumkonzentration stabil.

Die IC-Ergebnisse der ausgelagerten Magnesiumproben sind konsis-tent zu den entsprechenden pH-Wert-Messungen. Wie in Kapitel 3 er-läutert steigt durch den Korrosionsprozess der pH-Wert umso schnel-ler an, je stärker der Werkstoff korrodiert. Qualitativ zeigen die vierMaterial-Elektrolyt-Systeme alle den gleichen Verlauf der Magnesium-freisetzungsrate (Abbildung 5.5): In den ersten beiden Tagen fällt dieFreisetzungsrate stark ab, was auf die Ausbildung der Korrosionsschichtzurückzuführen ist.

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76 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

Die ermittelte Magnesiumfreisetzung pro Zeit (Abbildung 5.5) lässterkennen, dass beide Werkstoffe tendenziell in SBF-H stärker korro-dieren als in eSBF-H. Allerdings weist das Reinmagnesium in beidenElektrolyten eine wesentlich höhere Magnesiumfreisetzung auf als dieLegierung WE43. Daraus lässt sich schließen, dass die Materialeigen-schaften einen deutlich stärkeren Einfluss auf das Korrosionsverhaltenzeigen als die unterschiedliche Elektrolytzusammensetzung. Die Anpas-sung der HCO –

3 -Konzentration im Elektrolyten hin zu atmosphärischenGleichgewichtsbedingungen besitzt nur einen geringen Einfluss auf dieMagnesiumfreisetzung.

Nach etwa vier Tagen zeigen alle vier Material-Elektrolyt-Systemeähnliche Magnesiumfreisetzungsraten. Dies ist zum einen auf die Aus-bildung der Korrosionsschicht zurückzuführen. Zum anderen zeigt derpH-Verlauf von reinem SBF-H (Abbildung 5.4), dass der pH-Wert nachetwa vier Tagen sättigt. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass ab diesem Zeit-punkt bereits so viel CO2 aus SBF-H entwichen ist, dass das offene CO2-HCO –

3 -Puffersystem im Gleichgewicht mit der Atmosphäre ist. SBF-Hunterscheidet sich daher nicht mehr wesentlich von eSBF-H (Abschnitt4.5.2) und der initiale Elektrolyteinfluss lässt nach.

In den Abbildungen 5.6 und 5.7 sind REM-Aufnahmen von Quer-schliffen der ausgelagerten Magnesiumproben dargestellt. Trotz qualita-tiv ähnlicher Magnesiumfreisetzung (Abbildung 5.4 bzw. 5.5) sind an denKorrosionsschichten deutliche visuelle Unterschiede zu erkennen. Sowohldie Materialeigenschaften wie auch der Elektrolyt haben offensichtlichEinfluss auf die Ausbildung der Schicht.

Allen Korrosionsschichten ist eine inhomogene innere Struktur gemein-sam. Allerdings besitzen die Schichten auf Reinmagnesium einen diskre-ten Aufbau, während auf WE43 die Schichten einen mehr kontinuier-lichen Verlauf zeigen. Eine umfassende Analyse der Korrosionsschichtwird in Kapitel 6 diskutiert.

Während die Korrosionsschichten auf WE43 sowohl in SBF-H als aucheSBF-H nach sieben Tagen eine ähnliche Dicke von etwa 160µm aufwei-sen (Abbildung 5.7), besitzen die Schichten auf Reinmagnesium deutlichunterschiedliche Dicken. Die Schicht in eSBF-H ist deutlich dünner als inSBF-H (Abbildung 5.6). Es ist allerdings anzumerken, dass die Schich-ten auf Reinmagnesium deutlich zerklüftet sind und man daher davon

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5.5 Korrosion in kontrollierter CO2-Atmosphäre 77

ausgehen kann, dass im REM nicht die originale Schichtoberfläche zuerkennen ist. Wie in Kapitel 6 diskutiert, wird vielmehr angenommen,dass sich der obere Teil ablöst.

Die in SBF-H ausgelagerten Proben zeigen beide deutlich einen lo-kalen Korrosionsangriff. Reinmagnesium in eSBF-H zeigt dagegen einengleichmäßigeren Abtrag. Speziell WE43 in eSBF-H zeichnet sich durcheinen sehr homogenen Materialabtrag aus. Ein offensichtlicher Einflussder HCO –

3 -Konzentration ist zu erkennen. Dies ist in guter Übereinstim-mung mit dem von Xin et al. [72] beschriebenen Verhalten des Hydro-gencarbonat (vgl. Abschnitt 3.5), welches zu einem lokalen Schutz desMaterials führt. Die Korrosionsschicht auf WE43, welches in eSBF-Hausgelagert wurde, hat zudem nur eine sehr geringe Haftung zur Ober-fläche. Das Trocknen mit Stickstoff führt bereits zur teilweisen Ablösung.Zu den Korrosionsmechanismen bzw. deren Einfluss auf die Ausbildungder Korrosionsschicht siehe Kapitel 7.

5.5 Korrosion in kontrollierterCO2-Atmosphäre

Bei den Experimenten in kontrollierter CO2-Atmosphäre wurde die inAbschnitt 4.6.2 beschriebene Weiterentwicklung der in-vitro-Methodeverwendet. Gleichzeitig wurde für Reinmagnesium untersucht, ob fürdie in-vitro-Analytik der Magnesiumdegradation in der Inkubatorum-gebung auf das zusätzliche organische Puffersystem HEPES verzichtetwerden kann. Als Elektrolyte wurden SBF-H und SBF verwendet (Ta-belle 4.5). Der CO2-Anteil im Inkubator wurde auf 5.9% bei 37 C undeiner relativen Luftfeuchtigkeit von 98% geregelt (Abschnitt 4.6.2). Ab-bildung 5.8 zeigt die Ergebnisse der pH-Wert- und IC-Messungen. InAbbildung 5.9 ist die Magnesiumfreisetzungsrate dargestellt. Insgesamtist bei der Durchführung der Versuche in kontrollierter CO2-Atmosphäreeine hohe Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sowohl im pH-Verlauf alsauch in der Magnesiumkonzentration festzustellen.

Wie bereits in Abschnitt 4.6.2 diskutiert, wird der pH-Wert durchdie CO2-Atmosphäre stabilisiert. Der pH-Wert-Anstieg bei ausgelager-

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78 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 5.6: REM-Aufnahmen (BSD) der Querschliffe vonReinmagnesium nach einer Auslagerung von sieben Tagen ineSBF-H (oben) bzw. SBF-H (unten) an Atmosphäre (T ≈ 20 C,pCO

2(g) ≈ 37.19 Pa).

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5.5 Korrosion in kontrollierter CO2-Atmosphäre 79

Abbildung 5.7: REM-Aufnahmen (BSD) der Querschliffe vonWE43 nach Auslagerung von sieben Tagen in eSBF-H (oben) bzw.SBF-H (unten) an Atmosphäre (T ≈ 20 C, p

CO2(g) ≈ 37.19 Pa).

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80 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

0 1 2 3 4 5 6 77.3

7.4

7.5

7.6pH

Zeit (d)

SBF : Referenz SBF : Reinmagnesium SBF-H : Referenz SBF-H : Reinmagnesium

0 1 2 3 4 5 6 70

50

100

150

200

250

300

350

400

450

Mg2+

-Kon

zent

ratio

n (p

pm =

mg / l)

Zeit (d)

SBF : Referenz SBF-H : Referenz SBF-H : Reinmagnesium

20

25

30

35

40 SBF : Reinmagnesium

Abbildung 5.8: pH-Verlauf (oben) und Mg 2+-Konzentration (un-ten) für reines SBF-H und SBF (Referenz) sowie bei Auslagerungvon Reinmagnesium in kontrollierter CO2-Atmosphäre (T = 37 C,CO2-Anteil = 5.9 %). (n = 2).

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5.5 Korrosion in kontrollierter CO2-Atmosphäre 81

0 1 2 3 4 5 6 70

20

40

60

80

100

120

[Mg2+

] pro

Zei

tein

heit

(mg / l d

)

Zeit (d)

SBF-H : Reinmagnesium

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0 SBF : Reinmagnesium

Abbildung 5.9: Mg 2+-Freisetzung pro Zeit bei Auslagerung vonReinmagnesium in SBF-H und SBF in kontrollierter CO2-Atmosphäre(T = 37 C, CO2-Anteil = 5.9 %). (n = 2).

ten Magnesiumproben ist daher allein auf den Korrosionsprozess zurück-zuführen (Kapitel 3). Die Abnahme des pH-Wertes bei den Referenz-messungen ist auf das Entweichen von gasförmigem CO2 bereits beimAnsetzen des Elektrolyten zurückzuführen (Abschnitt 4.6.2).

Die IC-Messungen in Abbildung 5.8 (unten) zeigen allerdings, dassunter Kontrolle des CO2-Partialdruckes in SBF-H wesentlich mehr Ma-gnesium freigesetzt wird als an Atmosphäre (Abbildung 5.4 (unten)).Der pH-Anstieg ist jedoch geringer als im pH-stabilen eSBF-H an At-mosphäre (Abbildung 5.8 (oben) bzw. 5.4 (oben)). Dieser Sachverhaltwird auf das in der Inkubatorumgebung intakte und dadurch zusätzlichvorhandene CO2-HCO –

3 -Puffersystem zurückgeführt, wodurch ein grö-ßerer Anteil der bei der Magnesiumkorrosion freigesetzten OH – -Ionengepuffert wird.

Die Magnesiumfreisetzungsrate in SBF-H unter CO2-Kontrolle in Ab-bildung 5.9 zeigt qualitativ einen ähnlichen Verlauf wie die Raten an At-mosphäre (Abbildung 5.5). Diese Charakteristik ist auf die Ausbildungder Korrosionsschicht zurückzuführen. Allerdings ist kein so starker Ab-

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82 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 5.10: REM-Aufnahmen (BSD) der Querschliffe vonReinmagnesium nach einer Auslagerung von sieben Tagen inSBF-H (oben) bzw. SBF (unten) in kontrollierter CO2-Atmosphäre(T = 37 C, CO2-Anteil = 5.9 %).

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5.5 Korrosion in kontrollierter CO2-Atmosphäre 83

Abbildung 5.11: REM-Aufnahmen (BSD) eines Querschliffes vonReinmagnesium nach einer Auslagerung von sieben Tagen in SBF inkontrollierter CO2-Atmosphäre (T = 37 C, CO2-Anteil = 5.9 %).

fall zu beobachten und die Freisetzungsrate ist nach vier Tagen unterCO2-Kontrolle doppelt so groß wie bei der Auslagerung an Atmosphäre.

Die Ergebnisse des Auslagerungsversuches in SBF in kontrollierterCO2-Atmosphäre weisen mit einem sehr geringen relativen pH-Wert-Anstieg und einer kleinen Magnesiumfreisetzung (Abbildung 5.8) eindeutlich unterschiedliches Verhalten im Vergleich zu SBF-H in kontrol-lierter CO2-Umgebung aber auch zu den Versuchen an Atmosphäre auf(Abbildung 5.8 bzw. 5.4). Die konstante Magnesiumfreisetzungsrate inSBF zeigt, dass sich bereits nach wenigen Stunden ein stationärer undstabiler Zustand des Material-Elektrolyt-Systems einstellt.

In Abbildung 5.10 sind REM-Aufnahmen von Querschliffen der Rein-magnesiumproben aus dem Inkubatorversuch dargestellt. Konsistent zuden Zeitverläufen des pH-Wertes und der Magnesiumkonzentration zei-gen auch die Querschliffe deutliche Unterschiede. So erfolgt bei Auslage-rung in SBF-H ein deutlich höherer Stoffumsatz. Das Material wird in

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84 5 Korrosionskinetik in körperähnlichen Elektrolyten

Tiefen bis 200µm abgetragen. Die Querschliffe der in SBF ausgelagertenProben zeigen dagegen erheblich dünnere Schichten und einen wesentlichkleineren und gleichmäßigeren Abtrag von ca. 20µm. Wie aus der Detail-aufnahme der Korrosionsschicht in SBF in Abbildung 5.11 zu erkennen,existiert ein deutlicher Unterschied im Aufbau der Korrosionsschichtenin SBF-H und SBF. Eine Analyse der unterschiedlichen Morphologie derKorrosionsschichten ist in Kapitel 6 dargestellt.

Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass das zusätzliche organischePuffersystem HEPES ein maßgeblicher Faktor für dieses unterschied-liche Korrosionsverhalten ist. Es ist entweder aktiv an einer der Reaktio-nen beteiligt oder beeinflusst das Korrosionsverhalten in irgendeiner Artund Weise passiv. Wie in Kapitel 6 gezeigt wird, hat der innere Aufbauder Korrosionsschicht wesentlichen Einfluss auf das Korrosionsverhalten.Dieser innere Aufbau und die Eigenschaften der Schicht sind pH-sensitiv(Kapitel 6 bzw. Abschnitt 7.4) und werden daher durch die Anwesenheitvon HEPES maßgeblich beeinflusst.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Probenpräparation keinenEinfluss auf die Korrosionskinetik zeigt. Eine Präparation bis KörnungP4000 liefert bereits eine definierte Oberfläche für Degradationsuntersu-chungen. Die initiale Magnesiumkonzentration im Elektrolyten hat bismindestens 4 mmol/l keinen Einfluss. Bei Auslagerung in körperähnlichenElektrolyten wirkt sich der Materialunterschied wesentlich stärker ausals die genaue Elektrolytzusammensetzung, wobei Unterschiede in derKinetik hauptsächlich in den ersten Tagen auftreten. Es zeigte sich, dassdas zusätzliche organische Puffersystem HEPES das Korrosionsverhaltenin körperähnlichen Elektrolyten wesentlich beeinflusst.

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6 Aufbau und Struktur der

Korrosionsschicht

Bei der Auslagerung von Magnesiumwerkstoffen in körperähnlichen Elek-trolyten ist die Ausbildung der Korrosionsschicht und deren innere Struk-tur zu beachten ([66], [74], Abbildung 5.6, 5.7 und 5.10). Da diese Schichtdie Oberfläche der Probe bedeckt, beeinflusst sie die Korrosionsrate und-mechanismen wesentlich. Im folgenden Kapitel werden daher der Auf-bau, die Eigenschaften und die Zusammensetzung dieser Schicht mitHilfe von EDX-, FTIR- und XRD-Analysen näher untersucht. Weite-ren Aufschluss über die Art und Struktur ergeben EDX-Analysen vonQuerschliffen der Schicht. In Abschnitt 6.4 werden Erkenntnisse zumSchichtbildungsprozess vorgestellt, die sich aus Versuchen in kontrollier-ter CO2-Atmosphäre ergaben.

6.1 Struktur und chemischeZusammensetzung

In Abbildung 6.1 ist eine lichtmikroskopische Aufnahme der Korrosi-onsschicht auf einer WE43-Probe nach sieben Tagen in SBF-H darge-stellt. Unter Verwendung eines Immersionsobjektives1 war es möglich,die Korrosionsschicht unter dem Lichtmikroskop noch während der Aus-lagerung in SBF-H vor dem Trocknungsprozess zu betrachten. Deutlichsind drei verschiedene Bereiche zu erkennen: Die graue Matrix ist dieKorrosionsschicht. Die kleinen hellen Punkte sind die typischen Nd- bzw.Y-Ausscheidungen der WE43-Legierung (Abschnitt 2.3.3), die sich inertgegenüber der Korrosion der Legierungsmatrix verhalten und in die Kor-rosionsschicht eingelagert sind. Die dunklen Bereiche besitzen eine etwas

1UMPLFLN 10XW, Olympus GmbH.

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86 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.1: Lichtmikroskopische Aufnahme der Korrosions-schicht auf WE43 nach sieben Tagen in SBF-H. Das Bild wurde un-ter Verwendung eines Immersionsobjektives während der Auslagerungaufgenommen.

tiefer liegende Fokusebene. Es ist daher davon auszugehen, dass sich be-reits während der Auslagerung einzelne Teile aus der Korrosionsschichtgelöst haben.

Abbildung 6.2 zeigt eine REM-Aufnahme (SE) der Korrosionsschichtauf einer WE43-Probe in getrocknetem Zustand nach sieben Tagen Aus-lagerung in SBF-H an Atmosphäre. Es sind deutliche Risse zu erken-nen, die beim Trocknen der Schicht mit Stickstoff durch Dehydratationder Korrosionsprodukte entstehen, wie der Vergleich mit Abbildung 6.1zeigt.

Die EDX-Analyse zeigt, dass die Schicht sehr Ca-, P- und O-reichist. Die charakteristischen Röntgenemissionslinien der Elemente Phos-phor (Kα1 = 2.014 keV), Yttrium (Lα1 = 1.922 keV) und Zirkonium(Lα1 = 2.042 keV) liegen sehr dicht beieinander [14]. In diesem Energie-bereich besitzt der verwendete EDX-Detektor eine Auflösung von 82 eV,ermittelt am P-Peak bei 2.014 keV. Es ist daher nicht möglich in EDX-

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6.1 Struktur und chemische Zusammensetzung 87

Abbildung 6.2: Oben: REM-Aufnahme (SE) der Korrosionsschichtauf WE43 nach einer Auslagerung von sieben Tagen in SBF-H (E0 =15 keV). Unten: EDX-Spektrum des dargestellten Bereichs. Die Tabellegibt die normierten Massenanteile der detektierten Elemente an (fürGew.-% ≥ 1).

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88 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

4000 3600 3200 2800 2400 2000 1600 1200 800 400

CO2

H2O

H2O(CO3)

2-

(HPO4)2-

(PO4)3-T

rans

mis

sion

(%)

Wavenumber (1/cm)

(PO4)3-

Abbildung 6.3: FTIR-ATR-Spektrum der Korrosionsschicht aufWE43 nach einer Auslagerung von sieben Tagen in SBF-H. Die Probewurde mit Stickstoff (N2) getrocknet.

Analysen der sehr P-reichen Korrosionsschicht gelöstes Yttrium bzw.Zirkonium nachzuweisen. In den EDX-Mappings bzw. -Linescans derKorrosionsschicht sind deshalb Phosphor, Yttrium und Zirkonium nichtvoneinander zu trennen. Zudem ist aufgrund der für die Untersuchungenim REM notwendigen Kohlenstoffbeschichtung der Proben eine Auswer-tung des Kohlenstoffes in den EDX-Spektren nicht möglich. Es könnendaher aus den EDX-Analysen keine Aussagen über Carbonate bzw. Hy-drogencarbonate in der Korrosionsschicht getroffen werden.

Die chemischen Verbindungen in der Korrosionsschicht wurden mit-tels Infrarotspektroskopie (IR) analysiert. In Abbildung 6.3 ist das miteiner ATR-Einheit gemessene FTIR-Spektrum der Korrosionsschicht aufWE43 nach sieben Tage Auslagerung in 200ml SBF-H dargestellt (Un-tergrundmessung an unkorrodiertem WE43).

Hinweise auf die Interpretation des Spektrums und damit auf die che-mische Zusammensetzung der Korrosionsschicht ergaben sich aus derLiteratur. Eine Schichtbildung wird auch auf nicht korrodierenden Ma-terialien bei Auslagerung in körperähnlichen Elektrolyten beobachtet.

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6.1 Struktur und chemische Zusammensetzung 89

Abbildung 6.4: FTIR-Spektren der Ablagerungsschichten auf Ti-tan nach einer Auslagerung von zwei Wochen in verschiedenen SBF-Elektrolyten [51].

Unter anderem berichten Barrere et al. [4] und Müller et al. [51], dass sichauf Titan und seinen Legierungen bei Auslagerung in SBF-Elektrolytenein knochenähnlicher Apatit ablagert. Dabei zeigen die IR-Analysen derSchichten auf Titan ähnliche Spektren wie die Korrosionsschicht auf Ma-gnesium (Abbildung 6.4). Die verwendeten SBF-Elektrolyte von Mül-ler et al. [51] besitzen unterschiedliche HCO –

3 -Konzentrationen von 5 bis27 mmol/l und einen konstanten (Cl−+HCO−

3 )-Gehalt von 136 mmol/l [51].Das SBF27 ist im Wesentlichen identisch zu SBF-H, nur dass SBF-H alszusätzliches Puffersystem HEPES anstatt TRIS enthält (Kapitel 4).

Anhand der Ergebnisse von Barrere et al. [4] und Müller et al. [51]kann daher das FTIR-Spektrum der Korrosionsschicht auf Magnesium inAbbildung 6.3 interpretiert und die charakteristischen Peaks und Bandenentsprechend zugeordnet werden:

Das Rauschen in den beiden Wellenzahlbereichen 4000 − 3500 cm−1

und 1960− 1340 cm−1 sowie die breite Absorptionsbande um 3249 cm−1

und die Schwingungsmode bei 1649 cm−1 sind auf H2O zurückzufüh-

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90 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

ren. Die beiden Peaks bei 2360 cm−1 und 2337 cm−1 sind auf CO2 inder Raumluft zurückzuführen. Die beiden Banden bei 1510 cm−1 und1420 cm−1 sind CO 2 –

3 -Gruppen zugeordnet. Die Bande um 1002 cm−1

sowie der Peak bei 606 cm−1 werden durch PO 3 –4 -Gruppen verursacht.

Der Peak bei 860 cm−1 deutet auf HPO 2 –4 in der Schicht hin. [4] [51]

Die hohe Übereinstimmung der FTIR-Spektren führt zu der Annahme,dass die Schichtbildungsmechanismen auf nicht korrodierenden Materia-lien wie Titan und auf Magnesium sehr ähnlich und auf die gleichenphysikalischen und chemischen Prozesse zurückzuführen sind.

Nach Barrere et al. [4] wird die Bildung der apatitähnlichen Schicht aufTitan durch die Oberflächenladung der Titanoxidschicht (TiO2) begüns-tigt, die jegliche Oberflächen von Titan und seinen Legierungen bedeckt.Nach Li et al. [40] ist die Schichtbildung auf TiOH-Gruppen zurückzu-führen, die bei einer Reaktion zwischen Titan und SBF an der Proben-oberfläche entstehen und die Ausbildung der apatitähnlichen Struktureninduzieren. Sobald sich Apatitkeime an der Titanoberfläche gebildet ha-ben, wachsen diese spontan indem sie Calcium- und Phosphationen ausdem Elektrolyten aufnehmen. Wie Li et al. [40] berichten, werden offen-bar während des Apatitwachstums auch Mg 2+, CO 2 –

3 und Cl – aus demElektrolyten in die Struktur der Schicht eingebaut.

Die Überlegungen von Li et al. [40] lassen sich auf Magnesiumwerk-stoffe übertragen. Aufgrund der fortschreitenden Korrosion in körper-ähnlichen Elektrolyten entsteht ständig eine neue Werkstoffoberfläche,an der sich das primäre Korrosionsprodukt Mg(OH)2 bildet. An denOH – -Gruppen bilden sich Apatitkeime und es kommt zu einer ständi-gen Ablagerung der Ca/P-reichen Schicht während der Korrosion. DieKorrosionsschicht entsteht somit nicht direkt durch eine Redoxreaktionoder Ausfällungen im Elektrolyten.

Die Bildung der Ca/P/O-reichen Schicht ist folglich auch keine Ei-genschaft der Legierung, sondern eine Eigenschaft von körperähnlichenElektrolyten in Wechselwirkung mit der Oberfläche des Werkstoffes. DerSchichtbildungsmechanismus ist daher zunächst als ein vom Korrosions-mechanismus getrennter Vorgang anzusehen.

Um die innere Struktur und die kristallinen Anteile zu identifizierenwurde die Korrosionsschicht mittels Röntgendiffraktometrie (XRD) un-

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6.1 Struktur und chemische Zusammensetzung 91

24h

1h

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Inte

nsitä

t (w

illkü

rlic

he E

inhe

iten)

2 (°)

0h

Abbildung 6.5: XRD-Spektren der Oberfläche von WE43 und derKorrosionsschicht auf WE43 nach einer Auslagerung von einer bzw.24 Stunden in SBF-H. Alle auftretenden Peaks sind auf Magnesiumzurückzuführen2.

tersucht. In Abbildung 6.5 ist die XRD-Analyse der Oberfläche einergeschliffenen WE43-Probe sowie der Korrosionsschicht auf WE43 nachAuslagerungszeiten von einer bzw. 24 Stunden in SBF-H dargestellt. DieAnalyse der reinen Probenoberfläche weist die charakteristischen Peaksfür Magnesium2 auf. Die ausgelagerten Proben zeigen ebenfalls nur dieReflexe der Magnesiumlegierung, neue Beugungsstrukturen durch dieKorrosionsschicht treten in den XRD-Spektren nicht auf. Vielmehr ver-schwinden die charakteristischen Magnesium-Peaks im XRD-Spektrummit zunehmender Auslagerungszeit. Es ist daher davon auszugehen, dassdie Korrosionsschicht, die sich bei der Auslagerung der Magnesiumwerk-stoffe in SBF-H auf der Oberfläche bildet, vollständig amorph ist.

Die XRD-Ergebnisse scheinen zunächst im Widerspruch zu den Be-obachtungen der FTIR-Analyse und den gezogenen Parallelen zu den

2ICSD (Inorganic Crystal Structure Database).

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92 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.6: Abhängigkeit der Kristallgröße und des CO –3 -

Gehalts in der Ablagerungsschicht auf Ti nach Müller et al. [51].

kristallinen Apatitschichten auf Titan zu stehen. Allerdings besitzt nachBarrere et al. [4] und Müller et al. [51] sowohl Mg 2+ als auch HCO –

3

einen Einfluss auf Zusammensetzung und Struktur der Schicht.

HCO –3 wirkt inhibierend auf das Apatit-Kristallwachstum [51]: Je hö-

her der HCO –3 -Gehalt, desto kleiner die Kristallgröße. Abbildung 6.6

zeigt Kristallgröße der Apatitschicht sowie CO 2 –3 -Gehalt in der Schicht

in Abhängigkeit von der HCO –3 -Konzentration in SBF.

Auch Mg 2+ spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung derCa/P-reichen Ablagerungsschicht [4]. Zum einen verhindert ein hoherMg 2+-Gehalt Ausfällungen im Elektrolyten. Zum anderen ist die Bil-dung und Anhaftung der Schicht stark vom Mg 2+-Gehalt im Elektro-lyten abhängig. Zudem hat Mg 2+ ähnlich wie HCO –

3 einen inhibieren-den Effekt auf das Kristallwachstum.

Die Beobachtungen aus den XRD-Untersuchungen decken sich dahermit den Ergebnissen von Barrere et al. [4] und Müller et al. [51]. Zumeinen enthält SBF-H mit 27 mmol/l eine sehr hohe HCO –

3 -Konzentration.Zum anderen existiert durch die Korrosion des Magnesiumwerkstoffes

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6.2 Konversionscharakter 93

praktisch eine aktive Mg 2+-Quelle. Es finden zwar Kristallwachstums-prozesse statt, aufgrund des hohen HCO –

3 -Gehaltes im Elektrolyten undder hohen Mg 2+-Konzentration an der Werkstoffoberfläche wird dasWachstum allerdings gehemmt und die Kristallgröße geht gegen Null.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Korrosionsschicht,die sich bei Auslagerung von WE43 in SBF-Elektrolyten bildet, sehrCa-, P- und O-reich ist. In ihren Eigenschaften ähnelt sie sehr denSchichten, die sich beispielsweise auf Titan bei der Auslagerung in SBF-Elektrolyten ablagern. Dies lässt auf ähnliche Mechanismen bzw. Ur-sachen bei der Schichtbildung auf Titan bzw. Magnesium schließen. DieKorrosionsschichten auf Magnesium sind vollständig amorph, was auf diehohe HCO –

3 -Konzentration im Elektrolyten und die sehr hohe Mg 2+-Konzentration in Oberflächennähe aufgrund der Korrosion zurückzufüh-ren ist. Die Schichtbildung ist daher unabhängig vom Degradationspro-zess.

6.2 Konversionscharakter

Die bei Auslagerung von Magnesiumwerkstoffen in körperähnlichen Elek-trolyten entstehende Korrosionsschicht ist keine Ablagerungsschicht indem Sinne, dass das Magnesium degradiert und sich dann auf Ober-fläche eine Schicht ausbildet bzw. ablagert. Dies würde bedeuten, dassdie Schicht bei fortschreitender Korrosion unterwandert wird und sichablöst. In Querschliffen wären bei einem derartigen Mechanismus nurgeringe Schichtdicken zu erwarten. Dieses Verhalten ist jedoch wederbei WE43 noch bei Reinmagnesium zu beobachten, wo bei Auslagerungfür sieben Tage an Atmosphäre Schichtdicken von mindestens 150µmauftreten (Abbildung 6.9 und 6.10). Im Vergleich dazu sind die reinenAblagerungsschichten auf Titan nach einer Auslagerung von mindestenszwei Wochen nur wenige µm dick [40]. Die Korrosionsschicht ist viel-mehr eine Konversionsschicht, bei der die Legierungsmatrix durch eineCa/P/O-reiche Schicht ersetzt wird. Diese Eigenschaft zeigt sich deut-lich bei Querschliffen von ausgelagerten WE43-Proben. In Abbildung 6.7sind die REM-Aufnahme (BSD) zusammen mit den EDX-Mappings von

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94 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.7: Oben: REM-Aufnahme (BSD) eines Querschliffes ei-ner WE43-Probe nach einer Auslagerung von drei Tagen in SBF-H ineinem Überkopfschüttler (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Mappings vonMg und Nd. Die Ca/P/O-reiche Schicht ersetzt die Legierungsmatrix.Ein Einfluss von den bzw. auf die Nd-Ausscheidungen ist nicht zubeobachten.

Magnesium und Neodym nach drei Tagen Auslagerung von WE43 in200ml SBF-H in einem Überkopfschüttler3 dargestellt.

Die Nd-reichen Ausscheidungen in der WE43-Legierung verhalten sichinert. Das EDX-Mapping von Neodym zeigt keinen Unterschied der Aus-scheidungsverteilung in der Korrosionsschicht gegenüber der Verteilungim WE43. Das Neodym hat demzufolge keinen Einfluss auf den Schicht-bildungs- bzw. Korrosionsprozess. Ebenso beeinflusst die Korrosions-schicht die Verteilung der Nd-Ausscheidungen nicht. Der Übergang zwi-schen WE43 und der Korrosionsschicht ist in der Nd-Verteilung nicht

3Heidolph REAX 2; Schüttelfrequenz: 35 – 40 1/min.

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6.3 Innerer Aufbau 95

erkennbar. Die Legierungsmatrix wird durch die Ca/P/O-reiche Schichtersetzt.

Auch die Y-reichen Ausscheidungen in WE43 verhalten sich inert. Ab-bildung 6.8 zeigt eine REM-Aufnahme (BSD) sowie das EDX-Spektrumeiner in die Korrosionsschicht eingebundenen Y-Ausscheidung. Es wirdweder ein Einfluss auf den Korrosionsprozess noch auf die Schichtbildungbeobachtet.

Die ständig fortschreitende Korrosion (Kapitel 5), die Überlegungenaus Abschnitt 6.1, dass sich die Ca/P/O-reiche Schicht an der durch dieKorrosion sich ständig neu bildenden Werkstoffoberfläche ablagert, undder Konversionscharakter der Korrosionsschicht zeigen, dass ein nahe-zu unbehinderter Stofftransport durch die Korrosionsschicht möglich ist.Zum einen gelangen die Mg 2+-Ionen sowie der bei der Korrosion entste-hende elementare Wasserstoff (H2) von der Probenoberfläche durch dieKorrosionsschicht in den Elektrolyten. Zum anderen wandern die H+-und Ca 2+-Ionen und Phosphate aus dem Elektrolyten durch die Korro-sionsschicht zur Probenoberfläche.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Korrosionsschicht in kör-perähnlichen Elektrolyten einen Konversionscharakter aufweist und dieLegierungsmatrix durch die Ca/P/O-reiche Schicht ersetzt wird. Sowohldie Nd- als auch die Y-Ausscheidungen sind inert gegenüber Korrosionund Schichtbildung. Zudem ist ein nahezu ungehinderter Stofftransportdurch die Korrosionsschicht möglich.

6.3 Innerer Aufbau

In den REM-Aufnahmen (BSD) von Querschliffen der ausgelagertenWE43- und Reinmagnesiumproben lässt sich erkennen, dass die Korro-sionsschicht keinen homogenen Charakter besitzt (Abbildung 6.9 und6.10). Genauere Erkenntnisse über die heterogene Struktur der Kor-rosionsschicht liefern EDX-Mappings. In Abbildung 6.9 und 6.10 sindREM-Aufnahmen (BSD) sowie EDX-Mappings von Magnesium, Sauer-stoff, Calcium und Phosphor nach sieben Tagen Auslagerung in SBF-H

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96 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.8: Oben: REM-Aufnahme (BSD) eines Querschliffes ei-ner WE43-Probe nach einer Auslagerung von sieben Tagen in SBF-H(E0 = 15 keV). Unten: EDX-Spektrum einer Y-Ausscheidung in derKorrosionsschicht.

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6.3 Innerer Aufbau 97

an Atmosphäre dargestellt. In der Korrosionsschicht ist direkt über derLegierungsmatrix zunächst ein sehr O-reicher Bereich, bestehend ausOxiden und Hydroxiden, zu beobachten. Nach Kapitel 3 ist Mg(OH)2das bei der Degradation von Magnesium in wässrigen Elektrolyten ent-stehende Korrosionsprodukt. Auf den O-reichen Bereich folgt in der Kor-rosionsschicht ein Ca- und P-reicher Bereich. Aufgrund der Beobachtung,dass sich der O-reiche Bereich immer an der Oberfläche der Legierungs-matrix befindet, ist anzunehmen, dass sich die Ca- und P-haltigen Ver-bindungen zunächst an das Oxid bzw. Hydroxid anbinden und sich nachund nach mehr Calcium und Phosphat- bzw. auch Carbonat-Gruppenin die O-reichen Schichtanteile einbinden. Dieser heterogene Charakterder Korrosionsschicht ist sowohl auf WE43 (Abbildung 6.9) als auch aufReinmagnesium (Abbildung 6.10) zu beobachten.

Die Ca- und P-reichen Bereiche in der Korrosionsschicht sind bereitsin den REM-Aufnahmen mittels Rückstreudetektor (BSD) zu erkennen.Dort zeichnen sie sich durch eine höhere Intensität aus (Abbildung 6.9und 6.10). Die Intensität in Rückstreubildern ist neben der Ordnungs-zahl Z auch von der Materialdichte ρ abhängig. Ein dichteres Materialliefert bei gleicher atomarer Zusammensetzung eine höhere Intensität.Die unterschiedliche Intensität in den REM-Bildern ist daher auf einehöhere Dichte der Korrosionsschicht in den Ca/P-reichen Bereichen zu-rückzuführen.

Die Korrosionsschichten auf Reinmagnesium und WE43 weisen jedochUnterschiede im Schichtaufbau auf. Während auf Reinmagnesium dieKorrosionsschicht einen eher zweigeteilten Charakter besitzt und derCa/P-reiche Bereich direkt über der Oxid-/Hydroxidschicht sitzt, nimmtauf WE43 der Ca- und P-Gehalt zur Oberfläche der Korrosionsschichthin stetig zu.

Lediglich über den nicht korrodierten Plateaus des WE43 ist eine ähn-lich diskrete Struktur höherer Dichte wie über der gesamten Reinmagne-siumprobe festzustellen. Zudem bewirken die diskreten Schichtanteileauf WE43 einen lokalen Schutzeffekt, da das WE43 in diesen Bereichenunterwandert wird. Dieser Schutz ist auf die höhere Dichte der Ca/P-Bereiche zurückzuführen. Diese Unterschiede in den Schichtstrukturenbzw. -eigenschaften werden auf unterschiedliche Reaktionsmechanismen

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98 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.9: Oben: REM-Aufnahme (BSD) einer WE43-Probenach sieben Tagen Auslagerung in SBF-H (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Mappings von Mg, O, P und Ca. Die Korrosionsschicht besitzt eineheterogene Struktur: Über der Legierungsmatrix ist zunächst ein sehrO-reicher Bereich, darüber ein Ca/P/O-reicher Bereich.

von Reinmagnesium und WE43 und der daraus resultierenden lokalenpH-Entwicklung zurückgeführt (Kapitel 7).

Der Ca/P/O-reiche Bereich und der darunter liegende O-reiche Be-reich der Korrosionsschicht besitzen zudem unterschiedlich hohe Dichten.Durch das Trocknen der Schicht kommt es zu Spannungen zwischen denbeiden Bereichen, was letztendlich zu Rissbildung führt. Dieses Verhaltenist im Querschliff der Korrosionsschicht auf Reinmagnesium zu beobach-ten (Abbildung 6.10). Deutlich ist ein an der Grenze zwischen O- undCa/P-Bereich gebildeter Riss zu erkennen. Eine derartige Rissbildung

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6.3 Innerer Aufbau 99

Abbildung 6.10: Oben: REM-Aufnahme (BSD) einer Reinmagnesi-umprobe nach sieben Tagen Auslagerung in SBF-H (E0 = 15 keV).Unten: EDX-Mappings von Mg, O, P und Ca. Deutlich ist die he-terogene Struktur der Korrosionsschicht zu erkennen. Wie auf WE43(Abbildung 6.9) ist direkt über der Legierungsmatrix zunächst ein sehrO-reicher Bereich, darüber ein Ca/P/O-reicher Bereich. Im Gegensatzzu WE43 sind die Bereiche klar getrennt.

tritt bei WE43 nicht auf, da hier keine diskrete Trennung der unter-schiedlichen Schichtbereiche vorliegt. Der Ca- und P-Gehalt in der Kor-rosionsschicht steigt stetig und die beim Trocknen entstehenden Span-nungen in der Schicht sind kleiner.

Es ist jedoch anzumerken, dass es insbesondere auf Reinmagnesiumauf Grundlage der Ergebnisse schwierig ist, Aussagen über den Aufbaubzw. die Entwicklung über die gesamte Schichtdicke hinweg zu machen.Wie in Abbildungen 6.9 und 6.10 erkennbar ist die Korrosionsschichtder eingebetteten Proben nicht komplett, sondern es haben sich Frag-mente der Schicht an der Elektrolytseite gelöst. Zum Teil geschieht das

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100 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

bereits während der Auslagerung (Abbildung 6.1). Vorwiegend jedochbeim Trocknungsprozess, bei dem ausgeprägte Risse in der Schicht ent-stehen (Abbildung 6.2). Der Effekt tritt vermindert auch bei WE43 auf.Bei WE43 treten glatte und gerade Kanten an der Schichtoberseite auf,was zu der Annahme führt, dass sich in diesen Bereichen auch nach derPräparation noch die gesamte Korrosionsschicht auf der Probenoberflä-che befindet.

Abschließend ist festzuhalten, dass die unterschiedlichen Bereiche inden Korrosionsschichten auf Magnesiumwerkstoffen auf unterschiedlicheProzesse hindeuten. Der O-reiche Bereich direkt über der Legierungs-matrix ist auf die Korrosion des Magnesiums und einer Bildung von oxid-und hydroxidreichen Reaktionsprodukten wie Mg(OH)2 zurückzuführen.Der Ca/P-reiche Bereich lässt Parallelen zu der Ausbildung von apatit-ähnlichen Strukturen auf Titan vermuten. Der oxid- bzw. hydroxidrei-che Bereich direkt über der Legierungsmatrix initiiert den Einbau vonCa 2+, PO 2 –

4 , CO 2 –3 etc. in die Korrosionsschicht [40]. Die Bereiche der

Korrosionsschicht mit höherem Ca- und P-Gehalt erscheinen in REM-Aufnahmen mittels Rückstreudetektor heller, was auf eine höhere Dichtezurückzuführen ist. Der unterschiedliche Aufbau der Korrosionsschichtenauf Reinmagnesium und WE43 lässt auf einen Einfluss des speziellenKorrosionsmechanismus auf die Schichtbildung schließen (Kapitel 7).

6.4 Beeinflussung durch Pufferkapazität undHEPES

Die Querschliffe der ausgelagerten Proben (Abbildung 5.6, 5.7 und 5.10)sowie die Messergebnisse aus Kapitel 5 (Abbildung 5.4 und 5.8) zeigenUnterschiede im Korrosionsverhalten und der Schichtbildung bei Ausla-gerung an Atmosphäre und in kontrollierter CO2-Atmosphäre, vor allembei Abwesenheit von HEPES. Im Folgenden wird der innere Aufbau derKorrosionsschichten in SBF-H und SBF mittels EDX-Mappings analy-siert. Das unterschiedliche Verhalten wird auf den Einfluss der Puffer-kapazität von HEPES und einer pH-Abhängigkeit der Eigenschaften derKorrosionsschicht zurückgeführt.

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6.4 Beeinflussung durch Pufferkapazität und HEPES 101

Abbildung 6.11 und 6.12 zeigen die Korrosionsschichten auf Reinma-gnesium nach einer Auslagerungszeit von sieben Tagen in SBF-H undSBF (Tabelle 4.5) in kontrollierter CO2-Atmosphäre.

Die Korrosionsschicht in SBF-H unter CO2-Kontrolle ist im Wesent-lichen vergleichbar mit den Schichten, die bei der Auslagerung in SBF-Han Atmosphäre entstehen. Über der Magnesiummatrix befindet sich einO-reicher Bereich auf welchem ein Ca- und P-reicher Bereich folgt. ImVergleich zu atmosphärischen Bedingungen ist eine sehr viel höhere Ma-gnesiumfreisetzung infolge Korrosion zu beobachten (Abbildung 5.4 und5.8). Dies ist zum einen auf die höhere Temperatur im Inkubator, zumanderen auf den durch die kontrollierte CO2-Konzentration niedrigerenpH-Wert im Elektrolyten zurückzuführen. Die ursprüngliche Oberflächedes Magnesiums ist aufgrund des massiven Abtrages nicht mehr erkenn-bar.

Die Reinmagnesiumprobe in SBF zeigt ein deutlich unterschiedlichesVerhalten. An den Querschliffen ist ein sehr viel geringerer Abtrag desMagnesiums zu erkennen, was konsistent zu der gemessenen Mg 2+-Kon-zentration bzw. der Entwicklung des pH-Wertes ist (Abschnitt 5.5). Zu-dem besitzt die Korrosionsschicht eine zusätzliche Komponente an derElektrolytseite, die bei den Auslagerungsversuchen in SBF-H weder unterCO2-Kontrolle noch an Atmosphäre beobachtet wurde. Abbildung 6.13zeigt den EDX-Linescan einer Korrosionsschicht in SBF. An der Magne-siumoberfläche liegt das O-reiche Korrosionsprodukt (MgO/Mg(OH)2).Darauf folgt ein Ca/P-reicher Bereich, der auch in SBF-H sowohl anAtmosphäre wie auch unter CO2-Kontrolle beobachtet wird. Darüberbefindet sich jedoch ein zusätzlicher Ca- und P-haltiger Bereich, der alseine Ablagerung interpretiert wird, da er oberhalb der ursprünglichenOberfläche liegt (Abbildung 6.12). In diesem Bereich ist zudem kein Mgenthalten, was die Theorie einer Ablagerung aus dem Elektrolyten stützt.Aufgrund des hohen Kontrastes im BSD-Bild wird davon ausgegangen,dass die Ablagerung eine höhere Dichte im Vergleich zu der darunterlie-genden Korrosionsschicht besitzt. Deutlich ist zudem in Abildung 6.12ein offensichtlich unkorrodierter Bereich auf der Reinmagnesiumprobezu erkennen, auf dem sich eine Ca- und P-haltige Substanz, vermutlichum Calciumphosphat, abgelagert hat.

Innerhalb der ersten Stunden der Auslagerung bildet sich auf Rein-magnesium in SBF in kontrollierter CO2-Atmosphäre eine sehr dünne,

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102 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

aber dichte und damit korrosionshemmende Schicht durch Ablagerungaus dem Elektrolyten.

Aufgrund der ansonsten identischen Versuchsbedingungen ist das un-terschiedliche Verhalten und die starke Reduktion der Korrosion desReinmagnesiums in SBF in kontrollierter CO2-Atmosphäre auf die Ab-wesenheit des Puffersystems HEPES zurückzuführen. Ursache ist jedochnicht die Bildung von Komplexen zwischen HEPES und Mg 2+- bzw.Ca 2+-Ionen.

Um den Einfluss von Komplexbildung zwischen HEPES und Ca 2+-und Mg 2+-Ionen auf die Korrosion auszuschließen wurden 0.4-molareLösungen von CaCl2 · 2 H2O und MgCl2 jeweils ohne HEPES (A) undmit 0.4 mol/l HEPES (B) angesetzt.

Sollte HEPES starke Komplexe mit Ca 2+- bzw. Mg 2+-Ionen bilden, soist zu erwarten, dass in den Lösungen B mit HEPES eine geringere Kon-zentration der Ca 2+- bzw. Mg 2+-Ionen detektiert wird. Die Ergebnisseder in Abbildung 6.14 dargestellten IC-Messungen zeigen jedoch keinederartige Tendenz. Die in den Lösungen B detektierten Konzentrationensind im Rahmen der Messgenauigkeiten identisch zu den gemessenenKonzentrationen in den Lösungen A. Eine Bildung starker Komplexevon HEPES mit Ca 2+- oder Mg 2+-Ionen ist daher auf Grundlage dieserErgebnisse auszuschließen.

Vielmehr ist die zusätzliche Pufferwirkung des HEPES der maßgeb-liche Faktor. In SBF-H ist HEPES das dominante Puffersystem, in SBFwird die Pufferung allein durch das Hydrogencarbonatsystem bewerk-stelligt. Wie der pH-Verlauf in Abbildung 5.8 zeigt, ist der pH-Wert imVolumen des SBF relativ konstant. Entscheidend für die Schichtbildungist allerdings der pH-Wert an der Probenoberfläche. Durch die hohe Kor-rosionsrate bei Reinmagnesium wird bei der Degradation ständig sehrviel OH – freigesetzt. In SBF-H puffert das HEPES dies ab, wodurchder pH-Wert selbst oberflächennah annähernd konstant bleibt. In SBFfehlt dagegen diese zusätzliche Pufferwirkung. Dadurch steigt der pH-Wert an der Oberfläche lokal sehr schnell stark an. Der hohe pH-Wertführt schließlich zur Ablagerung von Magnesium- bzw. Calciumphosphatund -carbonat [72].

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6.4 Beeinflussung durch Pufferkapazität und HEPES 103

Abbildung 6.11: Oben: REM-Aufnahme (BSD) eines Querschlif-fes einer Reinmagnesiumprobe nach sieben Tagen Auslagerung inSBF-H in kontrollierter CO2-Atmosphäre (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Mappings von Mg, O, P und Ca.

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104 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

Abbildung 6.12: Oben: REM-Aufnahme (BSD) eines Querschliffeseiner Reinmagnesiumprobe nach sieben Tagen Auslagerung in SBF inkontrollierter CO2-Atmosphäre (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Mappingsvon Mg, O, P und Ca.

Ein Sachverhalt, der diese Annahme stützt, ist die beobachtete Ab-lagerung der Ca- und P-haltigen Verbindung auf einem unkorrodiertenBereich des Reinmagnesiums (Abbildung 6.12). Dabei handelt es sichwahrscheinlich um Calciumphosphat, das sich aufgrund des lokal starkerhöhten pH-Wertes um einem kathodischen Bereich (Kapitel 7) abgela-gert und das darunter liegende Material schützt.

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6.4 Beeinflussung durch Pufferkapazität und HEPES 105

0 20 40 60 80 100 120

0

2

4

6

8

10

1210

norm

. Zäh

lrat

e (c

ps)

Position (µm)

Mg ( ) P O Ca

cps

Abbildung 6.13: REM-Aufnahme (BSD) (unten) sowie EDX-Linescan (markiert durch Pfeil) der Korrosionsschicht auf Reinma-gnesium (oben) nach einer Auslagerung von sieben Tagen in SBF inkontrollierter CO2-Atmosphäre (E0 = 15 keV). Die EDX-Zählrate istnormiert auf die maximale Zählrate für Mg.

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106 6 Aufbau und Struktur der Korrosionsschicht

A B A B0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

Kon

zent

ratio

n (1

03 ppm

= g / l)

CaCl2 2 H2OMgCl2

Abbildung 6.14: Mg 2+- (links) und Ca 2+-Konzentration (rechts)von 0.4-molaren MgCl2- bzw. CaCl2 · 2 H2O-Lösungen, A: ohne HE-PES und B: mit 0.4 mol/l HEPES (MCa = 40.078 g/mol, MMg =24.3050 g/mol [28]). (n = 8).

Abschließend ist festzuhalten, dass Zusammensetzung und Eigenschaf-ten der Korrosionsschicht auf Magnesium stark vom lokalen pH-Wert ander Oberfläche abhängen. Somit wird die Schichtbildung unmittelbarvom Korrosionsverhalten des Magnesiumwerkstoffes beeinflusst. Mate-rialien mit einer hohen Korrosionsrate neigen aufgrund des schnellenstarken pH-Anstieges an der Oberfläche zur Ausbildung von dichterenCa- und P-reichen Strukturen in der Korrosionsschicht, welche wie eineKorrosionsbarriere wirken. Ebenso bildet sich über kathodischen Berei-chen eine solche Schicht aus. Ein zusätzliches organisches Puffersystemim Elektrolyten wie HEPES reduziert den pH-Anstieg an der Oberflä-che. Die Ausbildung korrosionshemmender Schichtanteile wird dadurchweitestgehend verhindert.

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7 Korrosion in körperähnlichen

Elektrolyten

Ein Vergleich der Magnesiumfreisetzung bei den Auslagerungsversuchenan Atmosphäre (Abbildung 5.4 bzw. 5.5) zeigt, dass die Magnesium-legierung WE43 sowohl in SBF-H als auch in eSBF-H eine um ca. 20– 30% niedrigere Korrosionsrate besitzt als Reinmagnesium. Die nied-rigere Korrosionsrate von WE43 ist zum einen auf die zulegierten Selte-nen Erden (Y, Nd) zurückzuführen. Diese wirken, wie in Abschnitt 2.3.2beschrieben, korrosionshemmend. Zum anderen beeinflusst die Ausbil-dung der Korrosionsschicht in körperähnlichen Elektrolyten das Kor-rosionsverhalten. Es stellte sich allerdings heraus, dass sich nicht nurdie Schicht Auswirkung auf die Korrosionskinetik des Werkstoffes be-sitzt, sondern im Gegenzug auch die speziellen KorrosionsmechanismenEinfluss auf den Schichtaufbau bzw. die Zusammensetzung zeigen. ImFolgenden wird daher der Korrosionsmechanismus von WE43 und des-sen Auswirkung auf Ausbildung und Eigenschaften der Korrosionsschichtanalysiert.

7.1 Lokale Korrosionsphänomene

Um die Korrosionsmechanismen der Legierung WE43 zu untersuchen,wurden Querschliffe der Probenoberfläche bzw. der Korrosionsschichten,die sich bei der Auslagerung in den körperähnlichen Elektrolyten bilden,im REM und mittels EDX analysiert. Die Korrosionsprozesse bei WE43werden von lokalen Phänomenen dominiert. In den Querschliffen ist einsehr inhomogener Abtrag der Legierung bei Auslagerung in SBF-H zuerkennen (Abbildung 5.7 unten). Auf den WE43-Proben zeichnen sich dieunkorrodierten Plateaus im Rückstreubild des REM durch einen weißenSaum bzw. Streifen in der Korrosionsschicht aus (Abbildung 5.7). Überden Tälern ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Wie in Kapitel 6

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108 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

dargestellt, weist der weiße Bereich einen wesentlich höheren Ca- undP-Gehalt als die übrige Korrosionsschicht auf.

Bei einer genaueren Betrachtung der Querschliffe sind zudem kleineSpitzen an der degradierten Probenoberfläche zu beobachten. Diese sind,wie die REM-Aufnahme mit zugehörigem EDX-Mapping von Zirkoni-um in Abbildung 7.1 zeigt, mit dem entlang der Extrusionsrichtung desStangenmaterials streifenförmig verteilten Zirkonium in Zusammenhangzu bringen (Abschnitt 2.3.3). Auf einigen unkorrodierten Bereichen sindZr-Ausscheidungen zu beobachten (Abbildung 7.2). Zr-Ausscheidungenzeigten, sofern diese in den Querschliffen der degradierten WE43-Probendetektiert wurden, immer einen Zusammenhang mit der Morphologie derkorrodierten Probenoberfläche.

Abbildung 7.1: REM-Aufnahme (BSD) und EDX-Mapping von Zreines Querschliffes einer WE43-Probe nach drei Tagen Auslagerung inSBF-H im Überkopfschüttler1 (E0 = 15 keV). Die Aufnahmen zeigeneinen Zusammenhang zwischen unkorrodierten Spitzen auf der Pro-benoberfläche und Zr-reichen Bereichen.

Dieses Verhalten lässt sich dadurch erklären, dass WE43 an den Pla-teaus langsamer korrodiert, da es aufgrund von inhomogen verteiltemZirkonium bzw. dem Vorhandensein von Zr-Ausscheidungen kathodischgeschützt ist. Zr-reiche Bereiche in der Legierung bewirken eine leichteSenkung der Korrosionsrate, wohingegen Zr-Ausscheidungen kathodische

1Heidolph REAX 2; Schüttelfrequenz: 35 – 40 1/min.

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7.1 Lokale Korrosionsphänomene 109

Abbildung 7.2: Oben: REM-Aufnahme (BSD) eines Querschliffes ei-ner WE43-Probe mit Zr-Ausscheidung nach sieben Tagen Auslage-rung in SBF-H unter Atmosphärenbedingungen (E0 = 15 keV). Unten:EDX-Punktspektrum der Zr-Ausscheidung.

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110 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

Zentren bilden, die das umgebende Material vor einem weiteren Korro-sionsangriff schützen. Dass Zr-Ausscheidungen nicht auf allen Plateausnachgewiesen werden konnten hat präparationstechnische Gründe. DieZr-Ausscheidungen besitzen eine Größe von wenigen µm. Querschliffemit einer Schliffebene exakt durch Zr-Ausscheidungen sind daher nichtgezielt zu präparieren.

Das kathodische Verhalten des Zirkoniums erklärt auch den besonde-ren Aufbau der Korrosionsschicht auf WE43, insbesondere die Ca- undP-reichen Bereiche über den Plateaus. Die Ausbildung von kathodischenZentren bei der Korrosion hat eine räumliche Trennung der galvanischenHalbzellen zur Folge. Die Reduktion des Wasserstoffes als kathodischeTeilreaktion findet an den kathodischen Zentren statt. Die Oxidation desMagnesiums als anodische Teilreaktion findet an den anodisch wirken-den Bereichen des WE43 statt. Wie Gleichung 3.7 zeigt, steigt dadurchder pH-Wert im Bereich der Kathode lokal an. Aus der Literatur ist be-kannt, dass sich in Bereichen mit hohen pH-Werten Ca- und P-reicheStrukturen bilden [10] [51] [72].

Der lokale Anstieg des pH-Wertes im Bereich der als kathodische Zen-tren wirkenden Zr-Ausscheidungen konnte mittels pH-sensitiver Fluores-zenzmikroskopie nachgewiesen werden. Eine ausführliche Diskussion derIdentifizierung der kathodischen Zentren ist in den Abschnitten 7.2 und7.3 dargestellt.

Auch bei der Degradation von Reinmagnesium findet zum Teil mi-krogalvanische Korrosion statt. Bei der Untersuchung der Querschliffewurden verschiedene Verunreinigungen beobachtet wie z. B. Zr-reicheAusscheidungen und auch Ce- und La-reiche Ausscheidungen (Abbil-dung 7.3). Ein Einfluss der Verunreinigungen auf die Korrosionsschichtkonnte jedoch nicht festgestellt werden, was auf die hohe Korrosionsratevon Reinmagnesium zurückzuführen ist.

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7.1 Lokale Korrosionsphänomene 111

Abbildung 7.3: Oben: REM-Aufnahme (BSD) des Querschliffes ei-ner Reinmagnesiumprobe (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Punktspektrender Legierungsmatrix und verschiedener Verunreinigungen (AS1: Zr-und Fe-reich, AS2: Zr-reich, AS3: Ce- und La-reich).

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112 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

7.2 Nachweis von kathodischen Zentrenmittels pH-sensitiverFluoreszenzmikroskopie

Der experimentelle Nachweis der Existenz von kathodischen Zentren beider Korrosion von WE43 gelang mittels pH-sensitiver Fluoreszenzmikro-skopie. Nach Gleichung 3.3 entstehen bei der Reduktion des Wasserstof-fes an einer kathodischen Halbzelle OH – -Ionen, wodurch sich der pH-Wert des Elektrolyten in unmittelbarer Umgebung lokal erhöht. DieserEffekt lässt sich unter Verwendung eines geeigneten, in der Elektrolytlö-sung gelösten, pH-sensitiven Fluoreszenzmarkers sichtbar machen. MitHilfe einer im Anschluss an die Fluoreszenzmikroskopie durchgeführtenEDX-Analyse ist es möglich die beobachteten kathodischen Zentren ein-deutig als Zr-Ausscheidungen zu identifizieren (Abschnitt 7.3).

Fluoreszenzmarker Fluorescein-Natrium

Für den Nachweis lokaler Degradationsprozesse wurde als Fluoreszenz-marker das pH-sensitive Fluorescein-Natrium (C20H10Na2O5) verwen-det. Während die Wellenlängen des Absorptions- und des Emissions-maximums von Fluorescein-Natrium relativ pH-unabhängig sind (Tabel-le 7.1), nimmt die Fluoreszenzintensität zum sauren pH-Bereich stark ab(Abbildung 7.4) [24].

Absorptionsmaximum λEx 490 nmEmissionsmaximum λEm 515 nmFluoreszenzquantenausbeute Φ 85%

Tabelle 7.1: Eigenschaften des Fluoreszenzmarkers Fluorescein [58].

In Abbildung 7.5 sind experimentell ermittelte Absorptionsspektrenisotonischer Kochsalzlösung (9 g/l NaCl) mit 8 mg/l Fluorescein-Natriumin Abhängigkeit vom pH-Wert dargestellt. Die pH-Werte der Lösungenwurden durch Zugabe von 10mM NaOH bzw. HCl eingestellt. Die ho-he Übereinstimmung zwischen Experiment und Literatur lassen darauf

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7.2 Nachweis von kathodischen Zentren mittels pH-sensitiverFluoreszenzmikroskopie

113

Abbildung 7.4: Absorptions- (links) und Emissionsspektren (rechts)von Fluorescein in Abhängigkeit vom pH-Wert [24].

300 400 5000.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

1.4

pH 5.0

pH 6.0

pH 7.0pH 8.0

Abs

orpt

ion

(Abs

orpt

ions

einh

eite

n)

Wellenlänge (nm)

pH 9.0

Abbildung 7.5: UV-VIS-Spektren von Fluorescein-Natrium (8 mg/l

in 9 g/l NaCl-Lösung) in Abhängigkeit vom pH-Wert. Referenz:9 g/l NaCl-Lösung.

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114 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

schließen, dass auch die Emissionsspektren übertragbar sind und isoto-nische Kochsalzlösung mit Fluorescein-Natrium dieselbe pH-abhängigeFluoreszenzcharakteristik aufweist.

Quantitative Aussagen über den lokalen pH-Wert auf der Proben-oberfläche lassen sich mit diesem Verfahren nicht erhalten, da der Fluo-reszenzmarker sehr schnell ausbleicht. Eine Zuordnung von Helligkeits-werten zu bestimmten pH-Werten ist somit nicht möglich. Es lassensich jedoch qualitative Erkenntnisse über die lokale pH-Entwicklung und-Verteilung gewinnen: Bereiche mit höherem pH-Wert erscheinen auf-grund der Eigenschaften des Fluorescein-Natrium heller.

Elektrolytlösung

Für die fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen an WE43 wurde iso-tonische Kochsalzlösung (9 g/l NaCl) als Elektrolytlösung verwendet, dieFluorescein-Natrium in einer Konzentration von 40 mg/l enthält (Tabel-le 7.2). Der pH-Wert der Lösung wurde auf pH = 2 eingestellt. Derniedrige pH-Wert ist notwendig, da in einem pH-Bereich gearbeitet wer-den muss, in dem das Elektrolytvolumen nicht fluoresziert. Unter diesenBedingungen ist auftretende Fluoreszenz allein auf pH-Effekte infolgeMagnesiumkorrosion zurückzuführen.

Durch seine hohe Pufferkapazität ist SBF-H als Elektrolyt aufgrunddes notwendigen niedrigen pH-Wert ungeeignet.

Salz [g/l] [mmol/l]

NaCl 9.0 154.0Fluorescein-Natrium 40.0 × 10−3 0.11

Tabelle 7.2: Zusammensetzung der Elektrolytlösung für die Fluores-zenzmikroskopie von WE43.

Versuchsdurchführung

Als Proben wurde geschliffenes WE43 verwendet (Abschnitt 5.1). ImHinblick auf die im Anschluss durchgeführte und in Abschnitt 7.3 dis-

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7.2 Nachweis von kathodischen Zentren mittels pH-sensitiverFluoreszenzmikroskopie

115

kutierte EDX-Analyse ist es notwendig, sowohl im Licht- als auch imElektronenmikroskop exakt dieselben Probenbereiche abzubilden. Daherwurde den Proben ein Raster eingeritzt. Die Proben wurden mit doppel-seitigem Klebeband am Boden eines Becherglases fixiert. Anschließendwurde der Elektrolyt zugegeben und die Proben unter dem Fluores-zenzmikroskop ausgerichtet. Da die Fluoreszenzbeobachtungen in einemwässrigen Elektrolyten erfolgen, wurde ein Wasserimmersionsobjektiv2

verwendet.Zur Analyse der Fluoreszenzeffekte auf der Probenoberfläche wurden

mit der Software cell^F des Lichtmikroskops kurze Videosequenzen miteiner Bildrate von 6 frames/s aufgenommen, die anschließend ausgewer-tet wurden. Ein großes Problem bei der Fluoreszenzmikroskopie ist dassehr schnelle Ausbleichen des Fluorescein-Natrium. Durch die niedrigeBildrate konnte eine entsprechend hohe Belichtungszeit gewählt werden,die den Einsatz eines zusätzlichen Filters erlaubte. Dieser schwächte dasauf die Probe einfallende Licht auf 6% der ursprünglichen Intensität ab,wodurch das Ausbleichen etwas reduziert und längere Beobachtungszeit-räume möglich wurden. Das restliche Ausbleichen des Fluoreszenzmar-kers wurde beim Auswerten der Videosequenzen durch eine Normalisie-rung der Belichtung korrigiert.

Vor Messbeginn wurde die Probe mit frischem Elektrolyten umspült.Dies gewährleistet, dass pH-Gradienten, die während des Ausrichtens derProbe und dem Einstellen des Mikroskops bzw. zwischen zwei Messun-gen entstehen sind, ausgeglichen werden. Insgesamt ist jede Probe demElektrolyten ca. 30min ausgesetzt. Eine Erhöhung des pH-Wertes des ge-samten Elektrolytvolumens während des Beobachtungszeitraumes wur-de nicht festgestellt. Nach Beendigung der fluoreszenzmikroskopischenUntersuchungen wurden die Proben mit Reinstwasser gespült und mitStickstoff getrocknet.

Ergebnisse und Diskussion

In Abbildung 7.6 sind ausgewählte Einzelbilder einer mit Fluoreszenz-mikroskopie aufgezeichneten Videosequenz dargestellt. Abbildung 7.6 azeigt die geschliffene WE43-Probe unmittelbar nach dem Umspülen mit

2UMPLFLN 10XW, Olympus.

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116 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 7.6: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen einer ge-schliffenen WE43-Probe (P4000). Abbildung a zeigt die Probe unmit-telbar nach Umspülen mit frischem Elektrolyten. In Abbildung b bis fist die zeitliche Sequenz nach Ablösen der H2-Blasen dargestellt. DerZeitpunkt unmittelbar vor Ablösen der H2-Blasen ist als t = 0msdefiniert. Im Bereich zwischen den beiden Blasen ist ein deutlicherpH-Anstieg zu beobachten (siehe Text).

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7.2 Nachweis von kathodischen Zentren mittels pH-sensitiverFluoreszenzmikroskopie

117

frischem Elektrolyten. Es ist zu erkennen, dass die Probe bereits leichtkorrodiert ist. Auffallend sind die beiden hellen Objekte in der Bildmittebzw. am unteren Bildrand. Sie zeichnen sich durch H2-Entwicklung aus(Abbildung 7.6 b) und sind damit kathodische Zentren (Reaktionsglei-chung 3.7). In Abbildung 7.6 b ist der Zeitpunkt unmittelbar vor demAblösen der beiden H2-Blasen dargestellt. Für eine Einordnung der Ge-schwindigkeit der Vorgänge wird dieser Zeitpunkt als t = 0ms definiert.Um die beiden H2-Blasen ist ein geringfügig heller Schein zu erkennen,welcher auf einen höheren pH-Wert am Rand der Blasen schließen lässt.Dies ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass es sich bei den hellen Objek-ten um kathodische Zentren handelt. Den Frame unmittelbar nach demgleichzeitigen Ablösen der beiden H2-Blasen zeigt Abbildung 7.6 c.

Allgemein entstehen durch das Ablösen von Blasen Strömungen desElektrolyten in Richtung kathodisches Zentrum. Diese gleichen den pH-Gradienten schnell wieder aus. Ein heller fluoreszierender Ring aufgrundeines erhöhten pH-Wertes ist daher an der Stelle, an der sich die Ränderder Blasen befunden haben, in Abbildung c nicht zu erkennen. Aus die-sem Grund ist der Nachweis einer pH-Wert-Erhöhung im Bereich einesisolierten kathodischen Zentrums sehr schwierig. In der speziellen Si-tuation in Abbildung 7.6 haben sich jedoch H2-Blasen an kathodischenZentren in nächster Umgebung gebildet. Da sich beide Blasen gleichzei-tig von der Oberfläche ablösen, entsteht zunächst unmittelbar nach demAblösen der Blasen keine Strömung des Elektrolyten entlang der Verbin-dungsachse der beiden kathodischen Zentren. Der hohe pH-Wert bleibtsomit in diesem Bereich länger bestehen, was durch einen sehr hellenBereich in der Fluoreszenzaufnahme zu beobachten ist.

Im weiteren zeitlichen Verlauf (Abbildung 7.6 d – f) ist zu erkennen,dass sich der pH-Gradient durch die einsetzende Strömung entlang derVerbindungsachse ausgleicht. Dieser Vorgang geht dennoch sehr schnellvonstatten. Bereits nach einer Sekunde sind die pH-Unterschiede voll-ständig ausgeglichen.

Zudem ist die Fluoreszenz im Bereich zwischen den beiden benachbar-ten kathodischen Zentren stärker, da dort ein höherer pH-Wert vorliegt.Das Elektrolytvolumen zwischen den beiden kathodischen Zentren wirddurch die anhaftenden H2-Blasen stark eingeschränkt sowie der pH-Wertdurch zwei angrenzende kathodische Zentren erhöht. In der Folge steigtder pH-Wert in diesem Bereich schneller an.

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118 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 7.7: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen einer ge-schliffenen WE43-Probe (P4000). Abbildung a zeigt die Probe unmit-telbar nach Umspülen mit frischem Elektrolyten. In Abbildung b ist einlokaler pH-Anstieg um kathodische Zentren zu erkennen (siehe Text).

Ein weiteres Beispiel für den Nachweis der pH-Wert-Erhöhung im Be-reich kathodischer Zentren mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie ist inAbbildung 7.7 dargestellt. Abbildung 7.7 a zeigt die WE43-Oberflächedirekt nach dem Umspülen mit frischem Elektrolyten. Auch hier tretenwährend der Beobachtung helle Objekte auf. Um diese Objekte bildensich schließlich helle Bereiche, die auf einen erhöhten pH-Wert zurückzu-führen sind (Abbildung 7.7). Es ist daher anzunehmen, dass es sich dabei,wie im vorherigen Beispiel, um kathodische Zentren handelt. In diesemFall bilden sich allerdings keine H2-Blasen direkt über den Zentren. Viel-mehr wandert der entstehende Wasserstoff von den kathodischen Zentrenüber die Oberfläche und sammelt sich rechts im Bild zu einer Blase (Ab-bildung 7.7 b). Die REM-Aufnahme in Bild a in Abbildung 7.9 zeigt, dasssich der Ort, an dem sich die H2-Blase bildet, durch keine Ausscheidungoder dergleichen auszeichnet.

Die fluoreszenzmikroskopischen Ergebnisse belegen die Existenz vonkathodischen Zentren bei der Degradation von WE43 in wässrigen Elek-trolyten. Diese zeichnen sich durch die Bildung von gasförmigem Was-serstoff und durch eine lokale Erhöhung des pH-Wertes aus.

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7.3 Identifizierung kathodischer Zentren mittels EDX-Analyse 119

7.3 Identifizierung kathodischer Zentrenmittels EDX-Analyse

Im Anschluss an die fluoreszenzmikroskopische Betrachtung wurden dieProben im REM analysiert (Abbildung 7.8 bzw. 7.9). Dabei wurde mit-tels EDX die Zusammensetzung der beobachteten kathodischen Zentrenbestimmt.

In beiden Abbildungen entspricht die REM-Aufnahme in Bild a demin der Fluoreszenzmikroskopie untersuchten Bereich. In Bild b ist je-weils eine Vergrößerung des in Bild a gekennzeichneten Bildausschnittesdargestellt. Zudem sind die Orte gekennzeichnet, an denen die Punkt-messungen der EDX-Elementanalyse durchgeführt wurden.

Auf den REM-Aufnahmen ist deutlich zu erkennen, dass sich aufallen beobachteten kathodischen Zentren vulkanartige Ablagerungen ge-bildet haben. Im Vergleich zur WE43-Legierungsmatrix zeigen die EDX-Spektren der Ablagerungen einen stark erhöhten O-Anteil relativ zumdetektierten Mg-Peak (Abbildung 7.8 bzw. 7.9). Dies lässt den Schlusszu, dass es sich bei den Ablagerungen um MgO bzw. Mg(OH)2 handelt.Durch den erhöhten pH-Wert lagert es sich in einer stabilen Form umdie kathodischen Zentren ab.

Punktanalysen im Zentrum der vulkanartigen Strukturen erlauben esdie Zusammensetzung der kathodischen Zentren zu identifizieren. DieEDX-Spektren zeigen deutlich erhöhte Zr-Peaks im Vergleich zur Legie-rungsmatrix, was auf Zr-Ausscheidungen bzw. Zr-reiche Partikel schlie-ßen lässt. Alle im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Analysen zeigenZirkonium im kathodischen Zentrum.

Aus diesen Ergebnissen lässt sich zusammenfassend schlussfolgern,dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen kathodischen Bereichen aufWE43 und Zirkonium besteht. Dies ist im Einklang mit den Beobach-tungen an den Querschliffen der WE43-Proben, dass Zr-reiche Berei-che einen geringeren Korrosionsangriff erfahren. Zr-Ausscheidungen inWE43 bilden kathodische Zentren, die sich durch H2-Entwicklung bzw.eine lokale pH-Wert-Erhöhung auszeichnen und das umgebene Materialvor weiterem Korrosionsangriff schützen. Um diese Zentren bilden sich inNaCl Ablagerungen von Mg(OH)2, welches sich aufgrund des erhöhten

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120 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

0123

2040

C

C

O

O

Mg

Mg

Y

Y ZrC

O

ZentrumMg

0

20

40100120

Ablagerung

0 1 2 30

20

40240320Z

ählr

ate

(cps

/eV

)

Energie (keV)

WE43

Abbildung 7.8: REM-Aufnahmen (SE) und EDX-Analyse der in Ab-bildung 7.6 betrachteten Probenoberfläche von WE43 (E0 = 15 keV).Bild b zeigt eine Vergrößerung des in Bild a gekennzeichneten katho-dischen Zentrums. Die EDX-Punktspektren zeigen einen hohen Zr-Gehalt im kathodischen Zentrum, über dem sich das Korrosionspro-dukt Mg(OH)2 ablagert.

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7.3 Identifizierung kathodischer Zentren mittels EDX-Analyse 121

020406080

100

Y

Y

Zr

Mg

Zr

Zr

C

Zentrum

O

C

O Mg

C O

Mg0

102030

120160

Ablagerung

0 1 2 30

102030

200240Z

ählr

ate

(cps

/eV

)

Energie (keV)

WE43

Abbildung 7.9: REM-Aufnahmen (SE) und EDX-Analyse der in Ab-bildung 7.7 betrachteten Probenoberfläche von WE43 (E0 = 15 keV).Der Kreis in Bild a rechts zeigt den Ort, an dem sich die H2-Blasebildet (Abbildung 7.7). Bild b zeigt eine Vergrößerung des in Bild agekennzeichneten kathodischen Zentrums. Der hohe Zr-Gehalt in demkathodischen Zentrum lässt auf eine Zr-Ausscheidung schließen, dar-über lagert sich das Korrosionsprodukt Mg(OH)2 ab.

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122 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

pH-Wertes um die kathodischen Zentren ablagert. Im Hinblick auf dieCa/P-reicheren Strukturen in der Korrosionsschicht bei der Auslagerungin körperähnlichen SBF-Elektrolyten führt dies letztendlich zu der An-nahme, dass der Prozess zur Ausbildung der Korrosionsschicht durchdie kathodischen Zentren bzw. den lokal erhöhten pH-Wert maßgeblichbeeinflusst wird.

7.4 Effekt der kathodischen Zentren auf dieKorrosionsschicht

Die in Abschnitt 7.1 beschriebenen Beobachtungen führen mit den in denAbschnitten 7.2 und 7.3 gewonnenen Erkenntnissen letztendlich zu einemtieferen Verständnis der Korrosionsschicht und deren speziellen Eigen-schaften. Zudem lässt sich der Einfluss des Korrosionsmechanismus vonWE43 auf den Schichtbildungsprozess in körperähnlichen Elektrolytenableiten.

7.4.1 Einfluss der lokalen pH-Wert-Erhöhung

Die Ergebnisse aus den Abschnitten 7.2 und 7.3 sind konsistent zu denAnnahmen aus Abschnitt 7.1: Die Beobachtung lokaler Zentren bei derDegradation der Magnesiumlegierung WE43 lässt darauf schließen, dassbei der Auslagerung von Magnesiumwerkstoffen in körperähnlichen Elek-trolyten der lokal erhöhte pH-Wert über den kathodischen Zentren zurAusbildung von Ca- und P-reichen Bereichen in der Korrosionsschichtführt. Analysen der Querschliffe ausgelagerter Magnesiumproben be-stätigen diese Annahme. Abbildung 7.10 veranschaulicht diesen Sach-verhalt sehr deutlich. Dargestellt ist eine REM-Aufnahme (BSD) sowieEDX-Mappings von Magnesium, Sauerstoff, Phosphor und Calcium ei-nes Querschliffes einer WE43-Probe nach einer Auslagerung von siebenTagen in SBF-H an Atmosphäre. Der Querschliff verläuft genau durcheine Zr-Ausscheidung (vgl. Abbildung 7.2). Über der kathodisch wir-kenden Zr-Ausscheidung ist ein Ca- und P-reicher Bereich zu erkennen,der, wie der höhere Kontrast im Rückstreubild zeigt, eine höhere Dich-te als die übrige Korrosionsschicht besitzt. Wie die Ergebnisse aus Ab-schnitt 7.2 nahelegen, ist die Ausbildung dieser Strukturen auf den lokal

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7.4 Effekt der kathodischen Zentren auf die Korrosionsschicht 123

erhöhten pH-Wert über den kathodischen Zentren zurückzuführen. DieAbbildungen 7.10 sowie 7.11 zeigen zudem, dass die Ca/P-reichen Berei-che nachweislich stark korrosionshemmende Eigenschaften besitzen unddas umliegende Material schützen. Deutlich ist dies an der Unterwan-derung der kathodisch wirkenden Gebiete bzw. der Ca- und P-reichenBereiche der Korrosionsschicht über diesen Gebieten zu erkennen. EinGrund für die korrosionshemmenden Eigenschaften ist die höhere Dichteder Ca- und P-reicheren Bereiche.

Diese Erkenntnisse belegen, dass die Ausbildung der Korrosionsschichtstark vom lokalen pH-Wert an der Oberfläche abhängt. Die lokale Schutz-wirkung der Korrosionsschicht, hervorgerufen durch einen lokal stark er-höhten pH-Wert, ist in Einklang mit den in der Literatur beschriebenenBeobachtungen von Xin et al. [72].

Im Gegensatz zur Magnesiumlegierung WE43 ist bei Reinmagnesiumauf den REM-Rückstreubildern der weiße Saum über der gesamten Pro-be zu beobachten (Abbildung 5.6 bzw. 6.10). Da diese Strukturen inder Korrosionsschicht auf einen erhöhten pH-Wert zurückzuführen sind,zeigt dies, dass bei Reinmagnesium eine eher gleichmäßige Korrosionstattfindet. Auf Reinmagnesium zeichnen sich keine kathodischen Zen-tren aus und dadurch kommt es auch zu keiner räumlichen Trennung dergalvanischen Halbzellen. Infolgedessen herrscht über der gesamten Pro-benoberfläche von Reinmagnesiumproben ein nahezu gleichmäßig hoherpH-Wert, wohingegen auf WE43 der pH-Wert lediglich lokal über katho-dischen Zentren stark erhöht ist.

Jedoch besitzen die Ca/P-reichen Bereiche auf Reinmagnesium of-fensichtlich eine andere Qualität als auf WE43, wie die Ergebnisse ausden Auslagerungsversuchen in Abbildung 5.4 bzw. 5.5 zeigen. Die Ca/P-reichen Bereiche auf WE43 wirken wie eine Korrosionsbarriere und wer-den unterwandert (Abbildung 7.10 und 7.11). Reinmagnesium zeigt aller-dings trotz eines durchgehenden weißen Saums über der gesamten Ober-fläche eine stärkere Korrosion. Daraus lässt sich schließen, dass offen-sichtlich ein kritischer pH-Wert existiert, ab dem sich Ca- und P-reicheStrukturen in der Korrosionsschicht bilden. Wie der Vergleich des Kor-rosionsverhaltens von Reinmagnesium und WE43 zeigt, sind die korrosi-onshemmenden Eigenschaften stark von der Höhe des lokalen pH-Wertesabhängig. Je höher der pH-Wert, desto stärker die korrosionshemmende

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124 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

Abbildung 7.10: REM-Aufnahme (BSD) und EDX-Mappingsvon Mg, O, P und Ca eines Querschliffes einer WE43-Probe mitZr-Ausscheidung (vgl. Abbildung 7.2) nach einer Auslagerung vonsieben Tagen in SBF-H an Atmosphäre (E0 = 15 keV).

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7.4 Effekt der kathodischen Zentren auf die Korrosionsschicht 125

Abbildung 7.11: REM-Aufnahme (BSD) und EDX-Mappings einesQuerschliffes einer WE43-Probe nach einer Auslagerung von fünf Ta-gen in SBF-H im Überkopfschüttler1 (E0 = 15 keV). Die Aufnahmenbelegen deutlich die Unterwanderung der dichten, korrosionshemmen-den Ca- und P-reichen Bereiche in der Korrosionsschicht über katho-disch wirkenden Gebieten von WE43.

Wirkung. Bei Reinmagnesium steigt der pH-Wert aufgrund der gleich-mäßigen Korrosion über der gesamten Oberfläche über den kritischenpH-Wert. Bei WE43 findet jedoch die kathodische Reaktion vorwiegendan den kathodischen Zentren statt, wodurch der pH-Wert lokal stärkeransteigt und die Ca- und P-reichen Strukturen korrosionshemmend wir-ken.

Konsistent zu obigen Erkenntnissen ist das Verhalten von Reinma-gnesium bei Auslagerung in SBF (ohne HEPES) in kontrollierter CO2-

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126 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

Atmosphäre (Abschnitt 6.4). Unter diesen Bedingungen wird die Ausbil-dung einer dünnen, jedoch sehr dichten und stark korrosionshemmendenCa/P-Schicht an der gesamten Probenoberfläche beobachtet. Die Abwe-senheit von HEPES, welches das dominierende Puffersystem in SBF-Hist, führt zu einer im Vergleich zu SBF-H fehlenden Pufferwirkung. Da-durch steigt der pH-Wert oberflächennah sehr schnell stark an und eswird innerhalb der ersten Stunden der Auslagerung ein stationärer Zu-stand erreicht aufgrund der Ausbildung einer dichten, korrosionshem-menden Ca/P-Schicht.

7.4.2 Einfluss der Hydrogencarbonatkonzentration

Ein Vergleich der Querschliffe aus den Auslagerungsversuchen in SBF-Hund eSBF-H an Atmosphäre zeigt, dass das Hydrogencarbonat eine maß-gebliche Rolle beim Schutz der kathodischen Zentren einnimmt. Die Bil-dung der dichten Ca/P-Bereiche in der Korrosionsschicht über katho-disch wirkenden Gebieten ist abhängig vom HCO –

3 -Gehalt der Lösung.Die HCO –

3 -Konzentration beeinflusst somit das Degradationsverhaltenvon WE43 in körperähnlichen Elektrolyten.

Querschliffe der Korrosionsschichten auf ausgelagertem WE43 (Ab-bildung 5.7) zeigen, dass sich in eSBF-H über kathodischen Zentrentrotz eines lokal hohen pH-Wertes keine Ca- und P-reichen Bereichebilden. Abbildung 7.12 zeigt eine Zr-Ausscheidung nach Auslagerung ineSBF-H. Im Vergleich dazu sei an dieser Stelle auf den in Abbildung 7.10dargestellten Schichtaufbau über Zr-Ausscheidungen nach Auslagerungin SBF-H verwiesen. In eSBF-H ist an Atmosphäre Hydrogencarbo-nat lediglich in einer Gleichgewichtskonzentration von 0.19 mmol/l gelöst.SBF-H hingegen enthält zu Beginn der Auslagerung Hydrogencarbonatin physiologischer Konzentration von etwa 24 mmol/l. Die Ausbildung derkorrosionshemmenden Ca- und P-reichen Strukturen ist somit eindeutigauf die Anwesenheit von Hydrogencarbonat im Elektrolyten zurückzu-führen. Auf diesen Effekt der Schichtbildung ist gleichzeitig der wesent-lich homogenere Abtrag der Legierungsmatrix von WE43 bei Auslage-rung in eSBF-H zurückzuführen.

Diese Beobachtungen sind in Einklang mit dem in der Literatur be-schriebenen Einfluss von Hydrogencarbonat [72]. Bei Anwesenheit von

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7.4 Effekt der kathodischen Zentren auf die Korrosionsschicht 127

Abbildung 7.12: Oben: REM-Aufnahme (BSD) des Querschliffes ei-ner WE43-Probe mit Zr-Ausscheidung nach Auslagerung von sie-ben Tage in eSBF-H an Atmosphäre (E0 = 15 keV). Unten: EDX-Punktspektrum der Zr-Ausscheidung.

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128 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

HCO –3 wird zum einen die Ablagerung von Carbonaten durch einen lokal

hohen pH-Wert beschleunigt (Abschnitt 3.5). Dies führt zu einem Schutzdes darunter liegenden Materials. Zum anderen bildet HCO –

3 mit demunmittelbaren Korrosionsprodukt Mg(OH)2 das stabilere hydratisierteMagnesiumcarbonat Mg5(CO3)4(OH)2 · 5H2O (Gleichung 3.17).

Festzuhalten bleibt, dass der Schichtbildungsprozess und somit dieEigenschaften der entstehenden Korrosionsschicht stark vom pH-Wertan der Probenoberfläche abhängen. Bei genügend hohem pH-Wert bil-det sich eine dichte Korrosionsschicht mit hohem Ca- und P-Gehalt, dielokal schützende Eigenschaften besitzt. Der lokale pH-Wert wiederumwird durch den Korrosionsmechanismus eines Magnesiumwerkstoffes be-stimmt. Daraus folgt, dass die Schichtbildung vom speziellen Korrosions-mechanismus abhängt. Dies erklärt die unterschiedlichen Strukturen derKorrosionsschichten von Reinmagnesium und der MagnesiumlegierungWE43.

Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Konzentration von Hydro-gencarbonat in der Elektrolytlösung ausschlaggebend für die Ausbildungder korrosionshemmenden Strukturen in der Korrosionsschicht ist.

7.5 Modell des Degradationsverhaltens

In Abbildung 7.13 sind die gewonnen Erkenntnisse zum Degradations-verhalten von Magnesiumwerkstoffen in körperähnlichen Elektrolyten ineinem Schema zusammengefasst.

Enthält die Legierung kathodische Zentren, wie die Zr-Ausscheidungenin WE43, wird die Korrosion von lokalen Phänomenen dominiert (Abbil-dung 7.13 oben). Die galvanischen Halbzellen werden räumlich getrennt:Die anodische Reaktion 1 , bei der das Magnesium zu Mg 2+ oxidiert,findet an der Legierungsmatrix statt. An den kathodischen Zentren läuftdie kathodische Teilreaktion 2 ab. Dort bildet sich H2 durch die Reduk-tion von Protonen. Gleichzeitig entstehen OH – -Ionen und der pH-Wertsteigt um die kathodischen Zentren lokal an (Kapitel 3).

Entsprechend Reaktion 3 bildet sich auf der gesamten Oberfläche derLegierung eine Schicht aus dem primären Korrosionsprodukt Mg(OH)2

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7.5 Modell des Degradationsverhaltens 129

Abbildung 7.13: Zusammenfassendes Modell zum Degradationsver-halten von Magnesiumwerkstoffen in körperähnlichen Elektrolyten.

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130 7 Korrosion in körperähnlichen Elektrolyten

(Kapitel 3). Darauf lagert sich eine vollständig amorphe Ca/P-haltigeKorrosionsschicht ab. Zudem werden aus dem Elektrolyten Ca 2+, PO 3 –

4 ,HPO 2 –

4 und HCO –3 eingelagert, wodurch die Korrosionsschicht einen

Konversionscharakter erhält (Kapitel 6).

1 : Mg −−→ Mg 2+ + 2 e−

2 : 2 H2O + 2 e− −−→ 2 OH− + H2

3 : Mg 2+ + 2 OH− −−→ Mg(OH)2

Die Eigenschaften dieser Ca- und P-haltigen Schicht sind abhängigvom lokalen pH-Wert bei der Schichtbildung. Oberhalb eines kritischenpH-Wertes bilden sich in der Korrosionsschicht Ca- und P-reiche Struk-turen, die in Abhängigkeit von der Höhe des lokalen pH-Wertes eine kor-rosionshemmende Wirkung besitzen. So entstehen um die kathodischenZentren Strukturen, die im Vergleich zur übrigen Korrosionsschicht dich-ter sind und einen höheren Ca- und P-Gehalt besitzen (Abbildung 7.13Mitte).

Diese Strukturen zeigen einen stark korrosionshemmenden Charakterund wirken als Korrosionsbarriere. Sie schützen die darunterliegende Le-gierungsmatrix vor weiterem Korrosionsangriff und es kommt zu einerUnterwanderung der durch die Ca- und P-reichen Strukturen geschütz-ten Bereiche (Abbildung 7.13 unten).

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8 Zusammenfassung und Ausblick

Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, erstmals ein tieferes Ver-ständnis des Verhaltens von Magnesiumwerkstoffen, im Speziellen vonWE43, in körperähnlichen in-vitro-Modellsystemen zu entwickeln unddie Degradationsmechanismen sowie die Wechselwirkungen der Legie-rung mit körperähnlichen Elektrolyten zu untersuchen. Damit wird eineGrundlage für die in-vitro-Analyse der Degradationskinetik biodegra-dierbarer Magnesiumwerkstoffe gelegt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Bereitstellung neu-er Methoden für die in-vitro-Analytik mit körperähnlichen Modellsyste-men. Es sollten Ansätze zur Modifizierung der im Rahmen dieser Arbeitangewandten in-vitro-Analytikmethode entwickelt werden, die einen sta-bilen Elektrolyten und damit einen konstanten pH-Wert, auch über einenlängeren Zeitraum von mehreren Tagen, gewährleisten.

In körperähnlichen in-vitro-Modellsystemen auf der Basis von Simula-ted Body Fluids (SBF) wird bei der Degradation von Magnesiumwerk-stoffen die Ausbildung der Korrosionsschicht beobachtet. Als Modellsys-tem wurde SBF-H verwendet, da es in seiner Zusammensetzung demmenschlichen Blutplasma bzw. der interstitiellen Flüssigkeit sehr ähn-lich ist. Eingehende Untersuchungen zeigten, dass die Korrosionsschicht,die sich in SBF-H bildet, höchst amorph ist und überwiegend Calciumund Phosphor enthält. In ihrer Zusammensetzung ist sie vergleichbar mitAblagerungsschichten, die sich auf Titanlegierungen bei Auslagerung inkörperähnlichen Flüssigkeiten bilden. Der primäre Schichtbildungspro-zess kann daher zunächst als unabhängig vom Korrosionsprozess desMagnesiumwerkstoffes angesehen werden.

Analysen von Querschliffen der ausgelagerten Proben mittels Raster-elektronenmikroskopie sowie EDX zeigen, dass die Korrosionsschicht zumeinen eine deutlich heterogene innere Struktur besitzt. Über dem Ma-gnesiumwerkstoff liegt zunächst ein sehr sauerstoffreicher Bereich, derals das eigentliche Korrosionsprodukt Mg(OH)2 interpretiert wird, dem

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132 8 Zusammenfassung und Ausblick

der calcium- und phosphorhaltige Bereich folgt. Zum anderen besitzt dieSchicht den Charakter einer Konversionsschicht, da inerte Ausscheidun-gen in WE43, z. B. die Nd-Ausscheidungen, in der Korrosionsschicht inder gleichen Art und Weise verteilt sind wie im Werkstoff. Diese beidenErkenntnisse führen zu dem Schluss, dass sich im Laufe der Auslage-rungszeit das primär gebildete Korrosionsprodukt Mg(OH)2 umwandelt,indem Ca 2+, PO 2 –

4 , CO 2 –3 , etc. in die Korrosionsschicht eingelagert wer-

den. Für die Eigenschaften der Korrosionsschicht bedeutet dies, dass aufder einen Seite Stofftransporte durch die Schicht möglich sind. Auf deranderen Seite besitzt sie eine feste Konsistenz, da die Positionen inerterAusscheidungen in der Schicht im Vergleich zur Legierung unverändertbleiben.

Es wurde beobachtet, dass lokale Korrosionsphänomene die Degradati-on von WE43 dominieren. Mittels pH-sensitiver Fluoreszenzmikroskopieund einer anschließenden EDX-Analyse konnte dieser Korrosionsmecha-nismus eindeutig auf zirkoniumreiche Bereiche bzw. Zirkoniumausschei-dungen in WE43 zurückgeführt werden. Diese bilden in wässrigen Elek-trolyten kathodische Zentren, wodurch sich der pH-Wert lokal erhöht.

Wie sich anhand der Untersuchungen von Querschliffen mittels Raster-elektronenmikroskopie und EDX-Analysen zeigt, hat der lokale pH-Werteinen wesentlichen Einfluss auf Ausbildung und Eigenschaften der Korro-sionsschicht. Ein hoher pH-Wert führt zu dichten Strukturen, die im Ver-gleich zur übrigen Korrosionsschicht einen sehr hohen Ca- und P-Gehalt,sowie einen korrosionshemmenden Charakter besitzen. Speziell bei derMagnesiumlegierung WE43 führt dies dazu, dass zusätzlich zu dem ka-thodischen Schutz der Zirkoniumausscheidungen auch die unmittelbarumgebende Legierungsmatrix vor weiterem Korrosionsangriff geschütztwird.

Weiterhin zeigte sich, dass die HCO –3 -Konzentration maßgeblich an

der Bildung dieser korrosionshemmenden Strukturen beteiligt ist. IneSBF-H, in dem HCO –

3 lediglich in der atmosphärischen Gleichgewichts-konzentration von 0.2027 mmol/l gelöst wird, ist im Vergleich zur Degra-dation in SBF-H der Abtrag wesentlich gleichmäßiger. Es bilden sichkeine korrosionshemmenden Strukturen um kathodische Bereiche.

Bei der Untersuchung des Degradationsverhaltens von WE43 wurdebeobachtet, dass das in-vitro-Modellsystem SBF-H in der angewand-

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133

ten Analytikmethode nicht stabil ist, sondern sich der pH-Wert mitder Zeit selbstständig erhöht. Die Ursache ist das offene CO2-HCO –

3 -Puffersystem. Beim Ansetzen von SBF-H wird Hydrogencarbonat mit27 mmol/l in einer physiologischen, und damit weit höheren Konzentrationgelöst als es der Gleichgewichtskonzentration an Atmosphäre entspricht.CO2 entweicht daher aus dem Elektrolyten, wodurch der pH-Wert steigt.Aufgrund dessen ergeben sich zwei Ansätze, die stabile Bedingungen ge-währleisten. Zum einen wird die Zusammensetzung des Elektrolyten ver-ändert und HCO –

3 bereits beim Ansetzen lediglich in der Gleichgewichts-konzentration an Atmosphäre gelöst. Ein zweiter Ansatz besteht darin,den CO2-Partialdruck in der Umgebung so anzupassen, dass sich HCO –

3

in physiologischer Konzentration löst. Der notwendige CO2-Anteil in derUmgebung beträgt dazu 5.9%. Beide Varianten führen zu stabilen pH-Bedingungen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen ein umfassendes Bilddes Degradationsverhaltens der Magnesiumlegierung WE43 in körper-ähnlichen SBF-Elektrolyten. Sie liefern damit auch die Grundlage fürein Verständnis des Verhaltens von Magnesiumwerkstoffen in physiologi-scher Umgebung. Die gewonnen Erkenntnisse sind vollständig übertrag-bar und gültig für alle Magnesiumlegierungen, die kathodisch wirkendeBereiche enthalten. Erstmals wurde gezeigt, dass der primäre Prozessder Ausbildung von Ca/P-reichen Schichten in körperähnlichen Elek-trolyten zwar unabhängig von der Korrosion des Magnesiumwerkstoffesist, jedoch die pH-Entwicklung, und damit der spezielle Degradations-mechanismus einer Legierung, die Eigenschaften der Schicht maßgeblichbeeinflusst. Damit ist eine Basis zur Weiterentwicklung von Magnesium-legierungen geschaffen, die eine entsprechende Verbesserung dieser Ei-genschaften für den Einsatz als Implantatmaterial ermöglicht.

Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeit liegen zwei Ansätze nahe,Magnesiumlegierungen zielführend zu modifizieren, um die Korrosions-rate zu reduzieren und damit die Haltezeiten von Magnesiumimplantatenzu erhöhen. Zum einen ist es günstig sämtliche kathodische Zentren in derLegierung zu vermeiden. Dadurch wird die durch galvanische Korrosionverstärkte anodische Auflösung der Magnesiummatrix verhindert. Zumanderen ist es zielführend gerade den Effekt auszunutzen, dass sich überkathodischen Zentren korrosionshemmende Schichtanteile ausbilden. Da-

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134 8 Zusammenfassung und Ausblick

zu ist es notwendig möglichst viele kleine kathodische Ausscheidungen zuerzeugen, die gleichmäßig und vor allem dicht in der Legierungsmatrixverteilt sind, sodass sich bei der Korrosion eine durchgehende korrosions-hemmende Schicht ausbildet.

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A Bestimmung von pK′S-Werten

Da bei Puffersystemen der Säure- und Basenanteil abhängig vom pH-Wert ineinander übergehen, ist die Berechnung der realen pK

S-Werteskomplex.

Ausgehend von der Gesamtkonzentration eines Puffersystems wirdsich bei einem bestimmten pH-Wert zwischen Puffersäure und konju-gierter Base ein Gleichgewicht einstellen, das u. a. von der Temperaturabhängt. Da die Säure und ihre konjugierte Base unterschiedlich starkgeladen sind, ist dieses Gleichgewichtsverhältnis mitbestimmend für dieIonenstärke der Lösung. Das Säure-Basen-Verhältnis zur Berechnungder Ionenstärke lässt sich theoretisch gemäß der Henderson-Hasselbalch-Gleichung 4.3 über den pKS-Wert des Puffers bestimmen. Wie allerdingsin Abschnitt 4.2 dargestellt, ist der pKS-Wert selbst von der Ionenstärkeabhängig. Es lässt sich daher weder die Ionenstärke noch der reale pK

S-Wert direkt bestimmen.

Im Folgenden ist eine Methode nach Beynon et al. [7] zur iterativenBerechnung der realen pK

S-Werte einer Kombination aus verschiedenenPuffersystemen mit unbekannter Gesamtionenstärke dargestellt.

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136 A Bestimmung von pK′

S-Werten

Methode zur iterativen Berechnung von pK′

S-Wertenbei unbekannter Gesamtionenstärke

1. Lege den pH-Wert und die Temperatur T fest.

2. Berechne die temperaturkorrigierten pKS,T -Werte:

pKS,T = pKS + ∆pKS(T ).

3. Bestimme die Konzentrationen der jeweils konjugierten Säuren undBasen über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung.

4. Bestimme die Ionenstärke I auf Grundlage der errechneten Kon-zentrationen unter Berücksichtigung aller gelösten Ionen.

5. Berechne die pK′

S-Werte aus den pKS,T -Werten mit Hilfe der er-rechneten Ionenstärke I:

pK′

S = pKS,T + ∆pKS(I).

6. Wiederhole die Berechnung von I, allerdings ausgehend von deneben errechneten pK

S-Werten.

7. Aktualisiere die I-Korrektur mit der neuen Ionenstärke I und ver-bessere damit die realen pK

S-Werte.

8. Wiederhole die Schritte 6 und 7 bis die Korrektur des pK′

S-Wertesminimal ist (< 0.001); in der Regel sind drei Iterationen ausrei-chend.

Beispiel: SBF-H

Im Folgenden werden die pK′

S-Werte des Phosphat-, Carbonat- undHEPES-Puffersystems in SBF-H unter in-vitro-Bedingungen bei 20 Cund unter Berücksichtigung der daraus resultierenden konstanten CO2-Gleichgewichtskonzentration von 0.0134 mmol/l (Tabelle 4.7) berechnet.Die Ionenkonzentrationen von SBF-H finden sich in Tabelle 4.5 und diethermodynamischen pKS-Werte der Puffersysteme sowie deren Tempe-raturabhängigkeit d(pKS)/dT in Tabelle 4.2.

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137

Nach Abschnitt 4.2 sind folgende Korrekturen zur Bestimmung einesrealen pK

S-Wertes zu berücksichtigen:

pK′

S = pKS + ∆pKS(T ) + ∆pKS(I) , (A.1)

mit

∆pKS(T ) =d(pKS)

dT· ∆T , (A.2)

∆pKS(I) = (2zS − 1) ·

A√

I(

1 +√

I) − 0.1 · I

. (A.3)

Der Term ∆pKS(T ) liefert für T = 20 C folgende temperaturkorri-gierten pKS,T -Werte, wobei pKS,T = pKS + ∆pKS(T ):

Puffersystem pKS d(pKS)/dT pKS,T=20 C

in C−1

Carbonat 6.35 −0.0055 6.38HEPES 7.66 −0.014 7.73Phosphat 7.20 −0.0028 7.21

Mit den temperaturkorrigierten pKS,T -Werten erhält man durch Um-formen der Henderson-Hasselbalch-Gleichung 4.3 eine grobe Abschät-zung für die Verhältnisse der Pufferbasen zu ihren konjugierten Säuren:

[Base]

[Säure]= 10pH−pKS,T . (A.4)

Da die Gesamtkonzentrationen der Puffer für SBF-H bekannt sind,lassen sich die Konzentrationen der Pufferbasen und -säuren abschätzen.Eine Ausnahme bildet das Hydrogencarbonatsystem bei dem in vitro die

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138 A Bestimmung von pK′

S-Werten

Kohlendioxidkonzentration konstant 0.0134 mmol/l beträgt. Daraus lässtsich über das genäherte Säure-Basen-Verhältnis die Hydrogencarbonat-konzentration errechnen. Für die Ionenstärke der Lösung folgt damit inerster Näherung:

I1 =1

2

n∑

i=1

(ci · z2i ) = 0.1435 . (A.5)

Diese beeinflusst nach Abschnitt 4.2 wiederum die pKS-Werte. MitGleichung A.3 bzw. A.1 ergeben sich erste Näherungen für die realenpK

S-Werte.Mit diesen korrigierten pK

S-Werten werden anschließend die Säure-Basen-Verhältnisse der Puffersysteme in der Lösung entsprechend Glei-chung A.4 erneut berechnet, was wiederum eine exaktere Berechnungder Ionenstärke zulässt.

Bereits nach drei Iterationsschritten ist die Verbesserung der pK′

S-Werte durch die Korrekturterme < 0.001. Für die Ionenstärke, die rea-len pK

S-Werte und Konzentrationen der Pufferbasen und -säuren derPuffersysteme in SBF-H ergibt sich für T = 20 C letztendlich:

Ionenstärke: I3 = 0.151

Carbonat: pK′

S,3 = 6.25

[HCO –3 ] = 0.1893 mmol/l

[CO2] = 0.0134 mmol/l

HEPES: pK′

S,3 = 7.60

[HEPES] = 38.5 mmol/l

[HEPES ·H+] = 61.5 mmol/l

Phosphat: pK′

S,3 = 6.83

[HPO 2 –4 ] = 0.786 mmol/l

[H2PO –4 ] = 0.213 mmol/l

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B Herstellung von SBF-H

1. Befüllen eines 1 l-Kolbens mit ca. 500ml Reinstwasser (18.2 MΩ/cm)inklusive Rührfisch.

2. Lösen von 23.83 g HEPES.

3. Zugeben der Salze entsprechend der Menge und Reihenfolge ausTabelle B.1 und jeweils vollständig Lösen.

4. Auffüllen mit Reinstwasser bis ca. 950ml .

5. Einstellen des pH-Wert auf 7.4 bei Raumtemperatur mit Natron-lauge (NaOH).

6. Rührfisch entnehmen, Reinstwasser auf 1 l auffüllen und pH-Wertkontrollieren.

Durch das Lösen von HEPES gleich zu Beginn wird eine ausreichen-de Pufferung der Lösung gewährleistet, sodass es während des weite-ren Ansetzens von SBF-H zu keinen Ausfällungen infolge großer pH-Änderungen kommt. Die zum Einstellen des pH-Wert 7.4 notwendigeMenge an NaOH ist so gering, dass sie im Vergleich zu der hohen Kon-zentration an Na+ in SBF-H nicht ins Gewicht fällt.

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140 B Herstellung von SBF-H

[g/l] [mmol/l]

HEPES 23.83 100.0KCl 0.2982 4.0NaCl 5.844 100.0NaHCO3 2.268 27.0MgSO4 · 7 H2O 0.2465 1.0CaCl2 · 2 H2O 0.3675 2.5KH2PO4 0.1361 1.0

Tabelle B.1: Zusammensetzung von SBF-H.

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C Präparationsverfahren für

Magnesiumwerkstoffe

Im Folgenden sind die im Rahmen dieser Arbeit angewendeten Präpa-rationsverfahren für Magnesiumwerkstoffe dargestellt.

Die Präparation von eingebetteten Proben erlaubte im Rahmen dieserArbeit die Verwendung eines Automatikaufsatzes. Mit diesem konntenbis zu vier Proben gleichzeitig präpariert werden, welche mit einem de-finierten Einzelanpressdruck auf die Schleifscheibe gedrückt werden. Zu-dem kann eine gleich- oder gegenläufige Drehrichtung des Probenhaltersgegenüber der Schleifscheibe eingestellt werden.

C.1 Präparationsverfahren für geschliffeneOberflächen

Die Proben werden mit SiC-Papier1 der Körnungen2 P1200 (≈ 15µm),P2500 (≈ 8µm) und P4000 (≈ 5µm) unter Wasserkühlung schrittweisebis Körnung P4000 präpariert. Obwohl Magnesium in wässrigen Medi-en sehr reaktiv ist (Kapitel 3), gestaltet sich die Kühlung mit Wasserbei der Präparation unproblematisch, wenn die Proben unmittelbar imAnschluss an den Schleifprozess getrocknet werden.

Bei der Präparation der Magnesiumwerkstoffe beträgt die Umdre-hungsgeschwindigkeit der Schleifscheibe ca. 150 U/s. Die Flachproben fürdie in-vitro-Auslagerungsversuche (Abbildung 5.1 a) werden mit derHand unter minimaler Anpresskraft auf die Schleifscheibe gedrückt. Ein-gebettete Proben werden unter Verwendung des Automatikaufsatzes miteinem Druck von 5N in gegenläufiger Drehrichtung auf die Schleifscheibegedrückt.1Verbrauchsmittel der Firma Buehler GmbH.2Körnungsangabe nach FEPA-Standard (Federation of European Producers of Ab-rasives).

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142 C Präparationsverfahren für Magnesiumwerkstoffe

Nach jedem Präparationsschritt werden die Proben kurz mit Reinst-wasser (18.2 MΩ/cm) gespült, mit N2 getrocknet und anschließend in ei-nem Ultraschallbad mit 2-Propanol ca. 5min gereinigt.

C.2 Politurverfahren

Die verwendete Präparationsmethode zur Endpolitur für die Magnesium-legierung WE43 ist angelehnt an ein allgemeines Verfahren der FirmaBuehler GmbH zur Präparation von Magnesiumlegierungen [68]. Tabel-le C.1 zeigt eine Zusammenfassung des Politurverfahrens. Eine ausführ-liche Beschreibung findet sich bei Hausbeck [25]. Mit diesem Verfahrenwurden im Rahmen dieser Arbeit lediglich eingebettete Proben präpa-riert, was die Verwendung des Automatikaufsatzes ermöglichte.

Die eingebetteten Magnesiumproben werden zunächst mit SiC-Nass-schleifpapieren1 der Körnung P800 (≈ 22µm), P1200 (≈ 15µm) undP2500 (≈ 8µm) geschliffen um die Querschliffe auf die entsprechendeSchnittebene zu präparieren bzw. die Oberfläche plan zu schleifen. Un-mittelbar nach den einzelnen Schleifschritten werden die Proben mitReinstwasser (18.2 MΩ/cm) gespült, anschließend kurz mit N2 getrocknetund für einige Minuten in einem 2-Propanol-Ultraschallbad gereinigt,um eine Verschleppung von Schleifrückständen bzw. des Abrasivmittelszu vermeiden.

Anschließend werden die Proben mit monokristallinen Diamantsus-pensionen auf Ölbasis (MetaDi1) vorpoliert. Als Träger dieses Abrasiv-mittels wird ein robustes, mittelhartes und gewobenes Kunstseidetuch(VerduTex1) verwendet. Als zusätzliches Schmiermittel kann gegebenen-falls Läppöl1 auf das Tuch gegeben werden. Um Politurrückstände voll-ständig zu entfernen, müssen die Proben direkt nach jedem Politurschrittschnell und kräftig mit 2-Propanol abgespült und unmittelbar in einemUltraschallbad in frischem 2-Propanol für ca. 5min gereinigt werden.

Die Endpolitur erfolgt mit der basischen SiO2-FeinstpolitursuspensionMasterMet21, welche eine Körnung von 0.02µm besitzt, auf einem wei-chem, chemikalienbeständigen Synthetiktuch (ChemoMet1). Um unlös-liche Rückstände auf der Probenoberfläche zu vermeiden, hat sich dasTränken des Poliertuches mit Ethanol gegen Ende des Endpoliturschrit-

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C.2 Politurverfahren 143

tes bewährt, sodass die Probe die letzten Sekunden mit Ethanol umspültwird. Nach Entnahme der Proben aus dem Halter werden sie nochmalskräftig mit Ethanol gespült und direkt für ca. zehn Minuten in Ultra-schallbad mit Ethanol gereinigt. Anschließend werden die Proben kurzmit Ethanol abgespült und für weitere zehn Minuten in 2-Propanol imUltraschallbad gereinigt.

Körnung Druck Umdrehungen Drehrichtung Dauerin µm in N in min−1 in min

SchleifenSiC-Papier P1200 und P2500

Kühlmittel: Wasser

15 5 200 gleich 18 5 200 gleich 3

Reinigung: Spülen mit 2-Propanol und 5 min US in 2-Propanol.

VorpoliturDiamantsuspension MetaDi1 (Ölbasis) auf VerduTex1

Schmiermittel: Läppöl1

3 20 150 contra 61 20 150 contra 5

Reinigung: Spülen mit 2-Propanol und 5 min US in 2-Propanol.

EndpoliturSiO2-Suspension (MasterMet21) auf ChemoMet1

0.02 15 150 contra 3

Reinigung: Poliertuch in Ethanol tränken, Proben entnehmen,Spülen mit Ethanol und je 10 min US in Ethanol und 2-Propanol.

Tabelle C.1: Politurverfahren für die Magnesiumlegierung WE43nach Hausbeck [25]. Die Bezeichnungen entsprechen den Verbrauchs-materialien der Firma Buehler GmbH, US: Ultraschall.

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D Verwendete Geräte

Elektrochemie

Potentiostat: VMP3, Princeton Applied ResearchSoftware: EC-Lab V9.43, Bio-Logic – Science Instruments

Der Polarisationswiderstand wurde mittels linearer Polarisation be-stimmt, wobei Ei das Startpotential, Ef das Endpotential und E0 dasRuhepotential ist:

Ei: −25mV vs. E0

Ef : +25mV vs. E0

dE/dt: 0.166 mV/s

Elektronenmikroskopie

Da die Korrosionsschicht nicht leitfähig ist, wurden die im Rahmen dieserArbeit untersuchten Proben mit Kohlenstoff beschichtet.

REM:Mikroskop: EVO LS 15, Carl-Zeiss AG

Einstellungen:Primärenergie: 15 keVKippwinkel: 0

EDX:System: QUANTAX, Bruker AXS GmbHDetektor: X-Flash 5010, Bruker AXS GmbHSoftware: Esprit 1.8, Bruker AXS GmbH

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146 D Verwendete Geräte

Quantitative Auswertung der EDX-Spektren erfolgte nach der Me-thode „Interactive PB-ZAF“ mit der Software Esprit 1.8. Um den Ein-fluss des Benutzers zu minimieren wurden möglichst viele Bestimmungenund Korrekturen für die Auswertung automatisch durchgeführt. Bei die-ser Methode werden zunächst Detektoreffekte durch eine automatischeKorrektur eliminiert. Die Elementidentifizierung erfolgt manuell. An-schließend wird der Bremsstrahlungsuntergrund automatisch abgezogen.Danach werden Linienüberlagerungen mittels eines Serien-Fits entfaltetund das Spektrum quantifiziert. Bei der Quantifizierung wird eine ZAF-Korrektur ausgeführt, welche Ordnungszahleffekte (Z; Abbrems- undRückstreuvermögen der Elemente), Absorptionseffekte (A; unterschied-liche Abschwächung durch Signale aus unterschiedlichen Probentiefen)und Fluoreszenzeffekte (F; in der Probe erzeugte Sekundärstrahlung)berücksichtigt.

Um die Qualität der Quantifizierung zu beurteilen wird ein Akzeptanz-Kriterium angewendet. Wenn die Summe der Massenanteile der ein-zelnen Elemente einen Wert zwischen 95 und 105Gew.-% ergibt, wirddas Ergebnis des Fits angenommen. Andernfalls wird die Methode er-neut ausgeführt, wobei der Bremsstrahlungsuntergrund manuell ange-passt wird, bis das Akzeptanz-Kriterium erfüllt ist, bzw. die quantitativeAuswertung verworfen werden muss.

Von der Software wird zudem für jedes Element ein Fehler ausgegeben,welcher sich aus systematischen und statistischen Fehlern während derBerechnung zusammensetzt. Die ermittelten Massenanteile werden imAnschluss auf 100Gew.-% normiert.

Die Methode „Interactive PB-ZAF“ liefert zudem die Möglichkeit, Ele-mente zu entfalten, jedoch nicht in die quantitative Auswertung mitein-zubeziehen. Dadurch lässt sich unter anderem die für nicht leitfähigeProben notwendige C-Beschichtung herausrechnen.

Infrarotspektrometrie (FTIR)

Gerät: FT/IR-460 Plus, Jasco GmbHDetektor: MCT-Mittelband-Detektor

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Ionenchromatographie (IC)

IC-Anlage:

Gerät: 850 Professional IC (Cation),Metrohm GmbH & Co. KG

Probenwechsler: 858 Sample ProcessorMetrohm GmbH & Co. KG

Dosierungssystem: 800 DOSINOMetrohm GmbH & Co. KG

Software: MagIC Net Version 2.2Metrohm GmbH & Co. KG

Chromatographische Bedingungen:

Trennsäule: Metrosep C3 – 250Vorsäule: Metrosep C3 GuardFließmittel: 5mM HNO3

Fluss: 1 ml/min

Detektor: LeitfähigkeitTemperatur: 40 CEinspritzvolumen: 20µmRetentionszeit Mg: 8 – 9.5minLaufzeit: 14min

pH-Messung

pH-Meter: SevenMulti, Mettler Toledo GmbHpH-Elektrode: InLab RoutinePro, Mettler Toledo GmbH

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148 D Verwendete Geräte

Lichtmikroskopie

Mikroskop: BX61, Olympus GmbHSteuerungssoftware: cell^F, Soft Imaging System GmbHKamera: F-View II, Olympus GmbHObjektiv: UMPLFLN 10XW, Olympus GmbH

(Wasserimmersionsobjektiv)

Fluoreszenzmikroskopie:Lichtquelle: Hg-Dampflampe U-RFL-T, Olympus GmbHFiltersatz: FITC HC-Filtersatz F36-501, Semrock

Absorption: 482 ± 35 nmEmission: 536 ± 40 nm

Photospektrometrie (UV-VIS)

Gerät: V-630, Jasco GmbH

Röntgendiffraktometrie (XRD)

Gerät: Philips X’Pert Bragg-Brentano DiffraktometerStrahlung: Cu−Kα-StrahlungRöntgenröhre: 40 kV/35mA

Schleifen und Polieren

Schleif- / Poliermaschine: Beta Grinder-Polisher, Buehler GmbHAutomatikaufsatz: Vector Power Head, Buehler GmbH

Die verschiedenen Präparationsverfahren sind ausführlich in Anhang Cdargestellt.

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E Verwendete Chemikalien

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150E

Verw

endete

Chem

ikalien

Name Summenformel Molmasse Firmain g/mol

Calciumchlorid-Dihydrat (≥ 99% p. a.) CaCl2 · 2 H2O 147.02 Carl RothFlourescein-Natrium C20H10Na2O5 376.25 FlukaHEPES C8H18N2O4S 238.31 Carl Roth

(≥ 99.5% p. a., f. d. Gewebezucht)Kaliumchlorid (≥ 99.5% p. a.) KCl 74.56 Carl RothKaliumdihydrogenphosphat (≥ 99%) KH2PO4 136.09 FlukaMagnesiumchlorid-Hexahydrat MgCl2 · 6 H2O 203.30 Merck

(zur Analyse)Magnesiumhydroxid (≥ 99.0%) Mg(OH)2 58.32 FlukaMagnesiumsulfat-Heptahydrat MgSO4 · 7 H2O 246.48 Carl Roth

(≥ 99% p. a., ACS)Natriumazid (≥ 99.9%) NaN3 65.01 Sigma-AldrichNatriumchlorid (≥ 99.5% p. a.) NaCl 58.44 MerckNatriumhydrogencarbonat (≥ 99.5% p. a.) NaHCO3 84.01 Carl Rothdi-Natriumhydrogenphosphat-Dodecahydrat Na2HPO4 · 12 H2O 358.14 Merck

(zur Analyse)Natriumsulfat (≥ 99.0% p. a., ACS) Na2SO4 142.04 Merck

Tabelle E.1: Liste der verwendeten Salze und Puffer in alphabeti-scher Reihenfolge.

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Name Summenformel Dichte Firmain g/cm3 bei 20 C

Ethanol (RECTAPUR) (≥ 99.8%) C2H6O 0.790 BDH ProlaboNatronlauge 32% (reinst) NaOH 1.35 Merck2-Propanol (RECTAPUR) (≥ 99.7%) C3H8O 0.785 BDH Prolabo

Tabelle E.2: Liste der verwendeten Lösungen und Lösungsmittel inalphabetischer Reihenfolge.

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Danksagung

Ohne die Unterstützung und Hilfe zahlreicher Kollegen und Freunde wäredie vorliegende Arbeit nicht bzw. sicher nicht in dieser Form zustandegekommen. An dieser Stelle möchte ich allen, die jeweils auf ihre ganzspezielle Art und Weise zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben,meinen aufrichtigen Dank aussprechen.

An erster Stelle genannt sei Prof. Dr. Bernhard Hensel, unter dessenBetreuung die Arbeit an der Max Schaldach-Stiftungsprofessur für Bio-medizinische Technik, Zentrum für Medizinische Physik und Technik derFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entstand.

Der Firma Biotronik SE & Co. KG danke ich für die Finanzierung derArbeit im Rahmen eines Promotionsstudiums.

Mein besonderer Dank gilt Dr. Alexander Rzany, welcher stets einoffenes Ohr hatte und mir bei allen Fragen und Problemen jederzeitfachlich kompetent mit Rat und Tat zur Seite stand.

Großen Dank möchte ich meinem ehemaligen Kommilitonen und Mit-doktoranden Timo Hausbeck aussprechen. Auf unserem langen gemein-samen Weg war er stets ein Quell neuer Motivation und Inspiration. AlsKollege, vor allem aber als Freund hat er in vielfältiger Weise wesentlichzum Gelingen der Arbeit beigetragen.

Schließlich danke ich den Magnesianern der Max Schaldach-Stiftungs-professur – hier vor allem meinen Mitdoktoranden Hermann Kalb, TimoHausbeck, Kerstin Tillman, Johannes Schwietzke und Florian Seperant –für die vielen Diskussionen und Gespräche, in denen so manches Rätselgelöst wurde und die neue interessante Impulse für die Arbeit brachten.

Generell Danke ich sämtlichen Mitdoktoranden und Diplomanden, so-wie allen übrigen Kollegen und auch allen ehemaligen Wegbegleitern

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an der Max Schaldach-Stiftungsprofessur für das stets sehr angenehmeArbeitsklima und die äußerst freundschaftliche Zusammenarbeit. Nebenfachlicher Anregung fand ich dank ihnen in diversen Kaffee- und sonsti-gen Runden die notwendige Zerstreuung.

Von nicht zu unterschätzendem Wert war die Unterstützung durchmeine Eltern und meine Familie, ohne die ich niemals so weit gekommenwäre.

Nicht zuletzt dank ich meiner Frau Evi, die sämtliche Höhen und Tie-fen miterleben und -ertragen durfte bzw. musste. Sie bewies unendlicheGeduld und spendete – wo und wann immer nötig – aufbauende undaufmunternde Worte.

Allen, deren Name bisher nicht genannt wurde, sei versichert, dassauch ihnen mein aufrichtiger Dank gilt fürs Zuhören, ihre aufheiterndenWorte, ihre kritischen Anmerkungen oder auf welche Weise auch immerich ihre Hilfe und Unterstützung erfahren durfte.

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