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Abscha ¨ tzung des Marktpotenzials und zuku ¨ nftigen Marktanteils von Elektroautos C. Link, G. Sammer, J. Stark Zur Abscha ¨ tzung zuku ¨ nftiger Marktchancen von Elektroautos kommen oft nicht geeignete Methoden zur Anwendung. Abscha ¨ tzungen des Marktpotenzials sollten auf der maßgeblichen Tagesfahrtweite aus Langzeiterhebungen (nicht auf Durchschnittswerten von Stichtagserhebungen) basieren. Der Elektroauto-Kauf la ¨ sst sich nur durch sorgfa ¨ ltig konzipierte hypothetische Befragungen zuverla ¨ ssig prognostizieren. Schlu ¨ sselwo ¨ rter: Marktpotenzial; Marktdurchdringung; Elektrofahrzeuge; Reichweite; Stated Preference-Befragung Assessment of the market potential and future market share of electric cars. For the assessment of future market chances of electric cars often inappropriate methods are used. The assessment of the market potential should be based on the considerable driving distance per day from long term surveys (not on average values from one-day surveys). The purchase of electric cars can only be predicted reliably with carefully designed hypothetic surveys. Keywords: market potential; market penetration; electric vehicle; range; stated preference survey Eingegangen am 13. Janner 2012, angenommen am 6. Februar 2012 Ó Springer-Verlag 2012 1. Ausgangspunkt Der Schwerpunkt der Forschung zum Thema Elektromobilita ¨ t liegt vorwiegend auf technischen Aspekten der Elektrofahrzeuge und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Nachfrageseite wird selten behandelt; das Vorhandensein einer ausreichenden Marktnachfrage nach Elektroautos wird haufig vorausgesetzt. Die Annahme ist, dass ein steigendes Marktangebot an Elektroautos auf eine entspre- chende Nachfrage treffen wird oder diese Nachfrage generieren kann. Aber stimmt das? Wie hoch ist das Marktpotenzial von Elek- troautos und wie viele Elektroautos ko ¨ nnen in der Zukunft voraus- sichtlich abgesetzt werden? In diesem Beitrag werden Ansa ¨ tze zur Abscha ¨ tzung des Marktpo- tenzials von Elektroautos und zur Erstellung von Absatzprognosen vorgestellt und ihre Ergebnisse diskutiert. Die empirischen Ergebnisse basieren im Wesentlichen auf einer Stated Preference-Befragung zum Autokauf. Diese wurde im Rahmen des vom o ¨ sterreichischen Klima- und Energiefonds in der Fo ¨ rderschiene „Neue Energien 2020“ unterstu ¨ tzten Projekts „Smart Electric Mobility“ (SEM) vom Institut fu ¨ r Verkehrswesen der Universita ¨t fu ¨ r Bodenkultur Wien durchgefu ¨ hrt. 2. Abscha ¨ tzung des Marktpotenzials von Elektroautos Die Herstellerangaben zur Reichweite serienma ¨ ßig produzierter Elektroautos liegen in der Gro ¨ ßenordnung von 150 Kilometern. Die durchschnittliche Pkw-Tagesfahrleistung – die Gesamtstrecke, die ein Pkw am Tag gefahren wird – betra ¨gt in O ¨ sterreich etwa 45 Kilometer/Tag (Sammer, Meth, Gruber, 2008). Fu ¨ r Deutschland er- gab die Stichtagsuntersuchung „Mobilita ¨ t in Deutschland 2008“, dass die Tagesfahrleistung lediglich von fu ¨ nf Prozent der Pkw 150 Kilometern u ¨ bertrifft (Joha ¨ nning, Vallee, 2011). Aus diesen Angaben wird verschiedentlich gefolgert, dass Elektroautos bezu ¨ glich der Alltagsmobilita ¨t ein Substitut fu ¨r herko ¨ mmlich betriebene Pkw darstellen und ihr Marktpotenzial entsprechend hoch ist (VCO ¨ , 2009; Steinkemper, 2010). Dieser Gedankengang ist aufgrund verschiedener Gegebenheiten zu hinterfragen: " methodisch, da die Abscha ¨ tzung der Pkw-Tagesfahrleistung aus Befragungsdaten mit Unsicherheiten behaftet ist. Zumeist unter- bleibt in der Befragung die Zuordnung einer Pkw-Fahrt zu einem konkreten Pkw. Die Transformation der personen- oder wegeba- sierten Datengrundlage in eine Pkw-basierte ist aber nur na ¨ he- rungsweise mo ¨ glich (Sammer, Stark, Link, 2011). Die Prognose des Kaufverhaltens erfordert aber besondere methodische U ¨ berlegungen (siehe Kapitel 2). " inhaltlich, da die Reichweitenangabe der Hersteller u ¨ bernommen wird. Je nach individuellem Fahrprofil, Streckenprofil und verwen- deten Nebenaggregaten ergeben sich Abweichungen von der Normangabe. Zudem wird bei der Fokussierung auf die Alltags- mobilita ¨ t der Wochenend- und Urlaubsverkehr mit abweichenden Tagesfahrleistungen nicht beru ¨ cksichtigt. Andererseits kann es Mo ¨ glichkeiten zur Zwischenladung geben. Entscheidend ist allerdings die Variabilita ¨ t des Verhaltens: In der Verkehrsforschung wird das Stichtagskonzept verwendet („Welche Wege haben Sie gestern unternommen?“), um das tatsa ¨ chliche Mobilita ¨ tsverhalten der Befragten zu erfassen und nicht das aus ihrer subjektiven Sicht fu ¨ r sie repra ¨ sentative. Atypische Mobilita ¨ tsmuster am Stichtag werden durch die Mittelung u ¨ ber eine ausreichend große, repra ¨ sentativ gewonnene Stichprobe ausgeglichen. Dieses Link, Christoph, Dipl.-Ing. Dipl.-Geograph, Sammer, Gerd, O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Stark, Juliane, Dipl.-Ing. Dr., Universita ¨t fu ¨ r Bodenkultur Wien, Institut fu ¨ r Verkehrswesen, Department fu ¨ r Raum, Landschaft und Infrastruktur, Peter-Jordan-Straße 82, 1190 Wien, O ¨ sterreich (E-Mail: [email protected]) 156 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik Elektrotechnik & Informationstechnik (2012) 129/3: 156–161. DOI 10.1007/s00502-012-0095-z ORIGINALARBEITEN

Abschätzung des Marktpotenzials und zukünftigen Marktanteils von Elektroautos; Assessment of the market potential and future market share of electric cars;

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Page 1: Abschätzung des Marktpotenzials und zukünftigen Marktanteils von Elektroautos; Assessment of the market potential and future market share of electric cars;

Abschatzung des Marktpotenzialsund zukunftigen Marktanteilsvon ElektroautosC. Link, G. Sammer, J. Stark

Zur Abschatzung zukunftiger Marktchancen von Elektroautos kommen oft nicht geeignete Methoden zur Anwendung. Abschatzungendes Marktpotenzials sollten auf der maßgeblichen Tagesfahrtweite aus Langzeiterhebungen (nicht auf Durchschnittswerten vonStichtagserhebungen) basieren. Der Elektroauto-Kauf lasst sich nur durch sorgfaltig konzipierte hypothetische Befragungen zuverlassigprognostizieren.

Schlusselworter: Marktpotenzial; Marktdurchdringung; Elektrofahrzeuge; Reichweite; Stated Preference-Befragung

Assessment of the market potential and future market share of electric cars.

For the assessment of future market chances of electric cars often inappropriate methods are used. The assessment of the market

potential should be based on the considerable driving distance per day from long term surveys (not on average values from one-day

surveys). The purchase of electric cars can only be predicted reliably with carefully designed hypothetic surveys.

Keywords: market potential; market penetration; electric vehicle; range; stated preference survey

Eingegangen am 13. J€anner 2012, angenommen am 6. Februar 2012� Springer-Verlag 2012

1. Ausgangspunkt

Der Schwerpunkt der Forschung zum Thema Elektromobilitat liegt

vorwiegend auf technischen Aspekten der Elektrofahrzeuge und

dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Nachfrageseite wird selten

behandelt; das Vorhandensein einer ausreichenden Marktnachfrage

nach Elektroautos wird h€aufig vorausgesetzt. Die Annahme ist, dass

ein steigendes Marktangebot an Elektroautos auf eine entspre-

chende Nachfrage treffen wird oder diese Nachfrage generieren

kann. Aber stimmt das? Wie hoch ist das Marktpotenzial von Elek-

troautos und wie viele Elektroautos konnen in der Zukunft voraus-

sichtlich abgesetzt werden?

In diesem Beitrag werden Ansatze zur Abschatzung des Marktpo-

tenzials von Elektroautos und zur Erstellung von Absatzprognosen

vorgestellt und ihre Ergebnisse diskutiert. Die empirischen Ergebnisse

basieren im Wesentlichen auf einer Stated Preference-Befragung

zum Autokauf. Diese wurde im Rahmen des vom osterreichischen

Klima- und Energiefonds in der Forderschiene „Neue Energien

2020“ unterstutzten Projekts „Smart Electric Mobility“ (SEM) vom

Institut fur Verkehrswesen der Universitat fur Bodenkultur Wien

durchgefuhrt.

2. Abschatzung des Marktpotenzials von Elektroautos

Die Herstellerangaben zur Reichweite serienmaßig produzierter

Elektroautos liegen in der Großenordnung von 150 Kilometern. Die

durchschnittliche Pkw-Tagesfahrleistung – die Gesamtstrecke, die

ein Pkw am Tag gefahren wird – betragt in Osterreich etwa 45

Kilometer/Tag (Sammer, Meth, Gruber, 2008). Fur Deutschland er-

gab die Stichtagsuntersuchung „Mobilitat in Deutschland 2008“,

dass die Tagesfahrleistung lediglich von funf Prozent der Pkw 150

Kilometern ubertrifft (Johanning, Vallee, 2011). Aus diesen Angaben

wird verschiedentlich gefolgert, dass Elektroautos bezuglich der

Alltagsmobilitat ein Substitut fur herkommlich betriebene Pkw

darstellen und ihr Marktpotenzial entsprechend hoch ist (VCO,

2009; Steinkemper, 2010). Dieser Gedankengang ist aufgrund

verschiedener Gegebenheiten zu hinterfragen:

" methodisch, da die Abschatzung der Pkw-Tagesfahrleistung aus

Befragungsdaten mit Unsicherheiten behaftet ist. Zumeist unter-

bleibt in der Befragung die Zuordnung einer Pkw-Fahrt zu einem

konkreten Pkw. Die Transformation der personen- oder wegeba-

sierten Datengrundlage in eine Pkw-basierte ist aber nur nahe-

rungsweise moglich (Sammer, Stark, Link, 2011). Die Prognose

des Kaufverhaltens erfordert aber besondere methodische

Uberlegungen (siehe Kapitel 2)." inhaltlich, da die Reichweitenangabe der Hersteller ubernommen

wird. Je nach individuellem Fahrprofil, Streckenprofil und verwen-

deten Nebenaggregaten ergeben sich Abweichungen von der

Normangabe. Zudem wird bei der Fokussierung auf die Alltags-

mobilitat der Wochenend- und Urlaubsverkehr mit abweichenden

Tagesfahrleistungen nicht berucksichtigt. Andererseits kann es

Moglichkeiten zur Zwischenladung geben.

Entscheidend ist allerdings die Variabilitat des Verhaltens: In der

Verkehrsforschung wird das Stichtagskonzept verwendet („Welche

Wege haben Sie gestern unternommen?“), um das tatsachliche

Mobilitatsverhalten der Befragten zu erfassen und nicht das aus ihrer

subjektiven Sicht fur sie reprasentative. Atypische Mobilitatsmuster

am Stichtag werden durch die Mittelung uber eine ausreichend

große, reprasentativ gewonnene Stichprobe ausgeglichen. Dieses

Link, Christoph, Dipl.-Ing. Dipl.-Geograph, Sammer, Gerd, O. Univ.-Prof.

Dipl.-Ing. Dr., Stark, Juliane, Dipl.-Ing. Dr., Universitat fur Bodenkultur Wien,

Institut fur Verkehrswesen, Department fur Raum, Landschaft und Infrastruktur,

Peter-Jordan-Straße 82, 1190 Wien, Osterreich (E-Mail: [email protected])

156 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

Elektrotechnik & Informationstechnik (2012) 129/3: 156–161. DOI 10.1007/s00502-012-0095-zORIGINALARBEITEN

Page 2: Abschätzung des Marktpotenzials und zukünftigen Marktanteils von Elektroautos; Assessment of the market potential and future market share of electric cars;

Befragungsdesign eignet sich nur eingeschrankt zur Abschatzung

der notwendigen Reichweite von Elektroautos. Wird etwa ermittelt,

dass am Stichtag funf Prozent der Pkw weiter als 150 Kilometer

bewegt werden, dann sind es am folgenden Tag wiederum funf

Prozent. Im ungunstigsten Fall handelt es sich dabei um andere Pkws

als am Stichtag: Dann haben in der zweitagigen Beobach-

tungsperiode zehn Prozent der Pkws eine Tagesfahrleistung, die

derzeit nicht mit Elektroautos zuruckgelegt werden kann.

Diese Uberlegung zeigt anschaulich, dass Stichtagserhebungen

nicht zielfuhrend sind, um Aussagen zum zukunftigen Marktpoten-

zial von Elektroautos zu treffen. Relevanter ist die so genannte

maßgebliche Reichweite. Sie ist die M-langste Pkw-Tagesfahrleis-

tung in einem Beobachtungszeitraum. M ist die Anzahl der Tage,

an denen die Pkw-Tagesfahrleistung uber der Reichweite des Elek-

troautos liegen darf, damit es noch als Substitut fur den herkomm-

lichen Pkw gelten kann (M�0). Ist der Beobachtungszeitraum

ausreichend lang, verliert das Problem der Variabilitat des Verhaltens

an Relevanz.

Entsprechende Langzeituntersuchungen sind relativ selten. Ein

Beispiel ist eine Schweizer Mobilitatserhebung aus dem Jahr 2003,

in der 230 Personen uber einen sechswochigen Zeitraum Wegeta-

gebucher anfertigten (Loechl, 2005). Abbildung 1 zeigt neben den

maßgeblichen Reichweiten (M¼0) aus dieser Erhebung die stich-

tagsbezogenen (durchschnittlichen) Pkw-Tagesfahrleistungen.

95,8% der stichtagsbezogenen Pkw-Tagesfahrleistung konnen

mit einem Elektroauto mit einer Reichweite von 150 Kilometern

unterbrechungsfrei durchgefuhrt werden. Bei Verwendung der

maßgeblichen Reichweite (M¼ 0) ist dieses Elektroauto nur fur

66,4% ein Substitut fur den herkommlichen Pkw; das Marktpo-

tenzial sinkt somit um ein Drittel, wenn ein sechswochiger

Untersuchungszeitraum als Bemessungsgrundlage herangezogen

wird. Ab einer Tagesfahrleistung von 200 Kilometern – ein Elektro-

auto dieser Reichweite konnte die maßgeblichen Reichweiten von

80% der Nutzer/innen abdecken – nimmt der Zuwachs der kumu-

lierten Haufigkeit ab; weiter ansteigende Reichweiten erhohen das

Marktpotenzial nur geringfugig.

Fur diese Berechnung wurde die Anzahl der Tage M, an welchen

die Pkw-Tagesfahrleistung uber der Reichweite des Elektroautos

liegen darf, auf null gesetzt. Wie sich eine Anderung der

Bezugsgroße M auswirkt, kann anhand einer 2004 in den USA

durchgefuhrten Langzeituntersuchung abgeschatzt werden. In der

Studie wurden uber ein Jahr Pkw-Fahrtprofile automatisch erfasst

(n=484 Pkw). Es konnte gezeigt werden, dass lediglich 9% der

Fahrzeuge an keinem Tag weiter als 100 Meilen (ca. 161 Kilometer)

bewegt wurden (M=0). Waren die Pkw-Lenker/innen bereit, an

einem Tag des Jahres Anpassungen des Mobilitatsverhaltens wie

eine geanderte Zielwahl oder die Nutzung eines anderen Verkehrs-

mittels oder Pkws zu akzeptieren (M=1), konnten 17% der Fahr-

zeuge durch ein Elektroauto mit einer Reichweite von 161

Kilometern ersetzt werden. Werden bis zu sechs Tage im Jahr mit

Mobilitatsanpassungen hingenommen, steigt dieser Anteil auf 32%

(M=6) (Pearre, Kempton, Guensler, Elango, 2011). Entsprechende

Vergleichswerte fur den deutschsprachigen Raum durften aufgrund

der hoheren durchschnittlichen Pkw-Affinitat in den USA geringfu-

gig hoher liegen.

Bei der Verwendung der maßgeblichen Reichweite verbleibt das

Problem, dass letztendlich das Pkw-Wunschprofil potenzieller

Kaufer/innen kaufrelevant ist, das von den tatsachlichen Anforde-

rungen unabhangig sein kann: Viele Pkw-Nutzer/innen werden –

selbst wenn sie nie mehr als 150 Kilometer am Tag mit dem Pkw

zurucklegen – einen Pkw dieser Reichweite voraussichtlich nicht

kaufen. Neben den tatsachlichen Pkw-Tagesfahrleistungen ist

80

70

60

50

40

30

20

10

0

10 30 50 70 90 125

175

225

275

325

375

425

475

750

100

90

Abb. 1. Maßgebliche Reichweite und durchschnittliche Tagesfahrleistung (Datengrundlage: sechswochige Erhebung, 2003, n=230 Personen)

Abb. 2. Von potenziellen Kaufer/innen erwartete Reichweitevon Elektroautos (Datengrundlage: Befragung SEM, 2011, n=220Personen)

Mai 2012 | 129. Jahrgang © Springer-Verlag heft 3.2012 157

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Page 3: Abschätzung des Marktpotenzials und zukünftigen Marktanteils von Elektroautos; Assessment of the market potential and future market share of electric cars;

somit die vom K€aufer erwartete Reichweite entscheidend, ab wel-

cher der Kauf eines Elektroautos in Betracht gezogen wird. Wird

diese erwartete Reichweite als Grundlage fur die Abschatzung des

Marktpotenzials von Elektroautos herangezogen, sinkt es weiter

(Abb. 2).

Beispielsweise wurden nur 22% der im Projekt SEM Befragten ein

Elektroauto mit einer Reichweite von 150 Kilometern kaufen. Anna-

hernd 50% setzen eine Reichweite von mindestens 300 Kilometern

voraus. Wird danach unterschieden, ob die Befragten in den drei

Monaten vor dem Befragungsdatum zumindest eine uber 150 Kilo-

meter reichende Pkw-Lenker/innenfahrt unternommen haben, wird

die These der Unabhangigkeit der Anforderungen vom tatsachlichen

Mobilitatsverhalten bestatigt; der Mittelwert der erwarteten Reich-

weite liegt fur Personen mit solchen Fahrten bei 332 Kilometern, bei

den anderen Personen bei 380 Kilometern. Das Marktpotenzial liegt

bei der ersten Gruppe bei ca. 21%, bei der Gruppe ohne lange

Fahrten bei ca. 24%.

3. Abschatzung des zu erwartenden Marktanteils von

Elektroautos

Das Marktpotenzial beschreibt die hochstmogliche Nachfrage nach

einer Ware („Wie viele Elektroautos werden gekauft, wenn alle

potenziellen Kund/innen ein Elektroauto kaufen wurden?“). Da das

Marktpotenzial selten voll ausgesch€opft wird, handelt es sich um

eine eher theoretische Große. Relevanter ist die Ermittlung des zu

erwartenden Marktanteils von Elektroautos.

Dieser lasst sich auf verschiedene Weisen ermitteln. Da eine Ab-

schatzung basierend auf der Beobachtung von Absatzzahlen auf-

grund des weitgehend fehlenden Marktangebots ausscheidet, sind

Befragungen potenzieller Kaufer/innen ein naheliegender Ansatz.

Allerdings gilt es, bei solchen hypothetischen Befragungen verschie-

dene Aspekte zu berucksichtigen, um realistische Abschatzungen

treffen zu konnen:

Werden Personen direkt gefragt, ob Sie ein Elektroauto kaufen

wurden, ist der Zuspruch groß (in der SEM-Befragung bejahten 82%

diese Frage). Im Fall dieser einfachen Ja/Nein-Frage bleibt unklar, ob

die Antwort kategorisch („Nein, ich werde nie ein Elektroauto kau-

fen“) oder konditional („Prinzipiell kann ich mir vorstellen, ein Elek-

troauto zu kaufen, aber erst, wenn die Reichweite großer ist“) ist.

Die Aussagekraft dieser Frage ist demnach beschrankt und zur

Abschatzung kunftiger Marktanteile ungeeignet.

Eine Losung bietet die Stated Preference (SP)-Befragungstechnik.

Dai-bei werden in Wahlexperimenten Entscheidungssituationen be-

schrieben. Die Befragten entscheiden sich entsprechend ihrer Prafe-

renzen fur eine der angebotenen Alternativen. Die Alternativen sind

durch Attribute eindeutig definiert. Ein Vorteil dieser Befragungs-

technik ist, dass eine statistische Bestimmung der entscheidungsre-

levanten Attribute moglich ist. Dazu werden in diskreten

Entscheidungsanalysen (Discrete Choice Analyse) Nutzenfunktionen

fur jede Alternative berechnet. Sie enthalten alle entscheidungsrele-

vanten Attribute der Alternativen, der Entscheidungstrager sowie

des Entscheidungskontextes. Die Nutzenfunktionen der Alternativen

werden zueinander in Bezug gesetzt und ermoglichen die Berech-

nung der Wahlwahrscheinlichkeit jeder Alternative (Ortuzar,

Willumsen, 2011). Auf dieser Grundlage konnen fur verschiedene

Szenarien die Marktanteile von verschiedenen Fahrzeugtypen prog-

nostiziert werden.

3.1 Studien zur Marktdurchdringung von Elektroautos

In verschiedenen Studien zum Kauf von Elektroautos wurden in den

letzten Jahren SP-Befragungen durchgefuhrt oder in ihnen wurden

auf Grundlage vorhandener SP-Befragungsergebnisse Marktent-

wicklungen von Elektroautos abgeschatzt. Ihre Ergebnisse sind auf-

grund der unterschiedlichen verwendeten Szenariobedingungen nur

eingeschrankt miteinander vergleichbar.

Fur das Jahr 2020 wird je nach Szenariobedingung ein Anteil der

Elektroautos an den Neuwagenkaufen von unter einem bis anna-

hernd 25% prognostiziert (vgl. Tabelle 1). Zu berucksichtigen ist,

dass der Anteil der Elektroautos an der gesamten Flotte langsamer

wachst als ihr Anteil am Neuwagenmarkt. Fur die Trendszenarien

wird in der Regel ein Anteil von unter 2% aller Neuwagen vorher-

gesagt. Es wird somit erwartet, dass Elektroautos bei einer gleich

bleibenden technologischen Entwicklungsdynamik nur einen

Nischenmarkt besetzen werden. Dieser Anteil steigt je nach Unter-

suchung und angenommener Entwicklung der Ol- und Treibstoff-

preise, der Forderungen fur Elektroautos und der technischen

Entwicklungsdynamik auf bis zu 25%.

Abgesehen von der eingeschrankten Vergleichbarkeit der Ergeb-

nisse aufgrund der unterschiedlichen Szenariobedingungen sind die

den Prognosen zugrunde liegenden Befragungsmethoden zu hinter-

fragen. Nachfolgend sind haufige Ursachen inplausibler Parame-

terschatzer angegeben, welche auch die Herausforderungen und

Tabelle 1. Elektroautoanteil am Neuwagenmarkt in verschiedenen Studien fur das Jahr 2020

Studie Neuwagenanteil Region Szenario/Szenariobedingung

Quelle

Elektra >1% AUT Niedriger Olpreis, Keine E-Pkw-Forderung Schlick et al.,2009

Shell >1% BRD Trendszenario Shell, 2009Shell 3,3% BRD Alternativszenario Shell, 2009Elektra 5% AUT Hoher Olpreis, Forderung der E-Pkw Schlick et al.,

2009Roland Berger 5% West-Europa Szenario „Starke Entwicklung“ Berger, 2009AEA-Studie 0,4% AUT Basisszenario: Herstellungskosten E-Pkw sinken

um 4,7% p.a.Pfaffenbichleret al., 2009

AEA-Studie 24,7% AUT „Starker Anstieg der Treibstoffpreise“:wie Basissz., Treibstoffpreiseanstieg: 5% p.a.

Pfaffenbichleret al., 2009

AEA-Studie 13,3% AUT „Maximale Forderung“: wie „Basissz.“ zusatzlichLadestellenausbau, Reichweiten- undVerbrauchsverbesserungen, E-Pkw-Kaufpramie(10% des Kaufpreises)

Pfaffenbichleret al., 2009

AEA-Studie 11,6% AUT „Keine Verbesserung der Reichweite“:wie „Maximale Forderung“, aber keineReichweitenverbesserung des E-Pkw

Pfaffenbichleret al., 2009

158 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

ORIGINALARBEITEN C. Link et al. Abschatzung des Marktpotenzials und zukunftigen Marktanteils

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Komplexitat der Konzeption einer SP-Befragung hoher Qualitat

aufzeigen:

(1) Unkenntnis uber den Befragungsgegenstand. Sinnvolle Antwor-

ten setzen ein Mindestmaß an Vertrautheit der Befragten mit der

Entscheidungssituation voraus.

(2) Nicht alle entscheidungsrelevanten Kriterien sind berucksichtigt.

Gewahrleistet werden muss aber auch, dass der Umfang der

Experimente nicht zu groß wird, da sonst Heuristiken zur

Bewaltigung der Informationsmenge angewendet werden.

(3) Die Entscheidungssituation und die Alternativen sind nicht rea-

listisch. Dadurch sinkt die Bereitschaft, fundierte Antworten zu

geben. Allerdings mussen aus mathematischen Uberlegungen,

vor allem aber, um Zukunftsprognosen erstellen zu konnen, die

zu untersuchenden Fahrzeugeigenschaften uber den Status quo

der Fahrzeugtechnik hinausgehen.

(4) Die Entscheidungssituation ist nicht auf die individuelle Situation

der Befragten bezogen. Beispielsweise sollten nur Pkw einer

Kategorie zur Wahl gestellt werden, die prinzipiell dem Wunsch

der Befragten entsprechen. Das beinhaltet auch, dass Befragte

nicht zu einer Entscheidung fur einen Pkw gezwungen werden

sollten, falls keine Alternative ihren Anforderungen entspricht.

Da ein Maßstab fur die Bewertung der gewonnenen Ergebnisse

fehlt – ob die Prognosen zutreffen, zeigt erst die Zukunft – kann die

Qualitat der Ergebnisse nur aus methodischer Sicht beurteilt werden.

Neben den allgemeinen Qualitatsstandards von Befragungen wie der

reprasentativen Stichprobenziehung muss bei SP-Befragungen der

Umgang mit den angefuhrten Aspekten (1) bis (4) berucksichtigt

werden.

3.2 Stated Preference-Befragung im Rahmen von „Smart

Electric Mobility“

Eine SP-Befragung zum Autokauf wurde im Rahmen des Forschungs-

projekts „Smart Electric Mobility“ durchgefuhrt. Ziel war die Ermitt-

lung der Kaufwahrscheinlichkeit von Fahrzeugen verschiedener

Antriebstechnologien. Dazu wurden Kaufexperimente durchgefuhrt,

in denen jeweils ein Elektroauto, ein Hybridauto und ein herkomm-

licher Pkw zur Wahl gestellt wurden.

Zielgruppe der Befragung waren alle in Osterreich lebenden Per-

sonen, die einen Pkw-Fuhrerschein besitzen und in einem Haushalt

leben, der mindestens einen Pkw besitzt oder plant, einen Pkw

anzuschaffen. Insgesamt wurden 220 in einer geschichteten Stich-

probe zufallig gezogene Personen befragt. Die Wahl der Zielgruppe

stellt sicher, dass den Befragten die Entscheidungssituation bekannt

ist (siehe Aspekt 1). Einleitend zum Interview wurden die Befragten

uber verschiedene Antriebstechnologien informiert (1).

Die zur Wahl stehenden Fahrzeuge wurden aufgrund umfangrei-

cher Literaturanalysen durch die Attribute „Kaufpreis“, „Reichwei-

te“, „CO2-Emissionen“, „Lade-/Tankdauer“, „Leistung“ und

„laufende Kosten“ definiert (2). Letztere wurden in laufende Kosten

je 100 Kilometer, im Jahr und auf den Besitzzeitraum (Summe aus

Kaufpreis und laufenden Kosten fur sieben Jahre) unterschieden. Die

in den einzelnen Kaufexperimenten verwendeten Attributauspra-

gungen (relative Faktoren) wurden aus einem vordefinierten Set

zufallig gewahlt. Dabei wurden nicht plausible Kombinationen der

Attributauspragungen ausgeschlossen (3). Da der Pkw-Kauf haufig

eine gemeinsame Entscheidung aller Haushaltsmitglieder ist, wurden

alle Haushaltsmitglieder mit Fuhrerscheinbesitz gebeten, am Inter-

view teilzunehmen (3). Kam fur die Befragten kein Pkw in Frage,

konnte die Antwort „keines“ gegeben werden (3).

In den Kaufexperimenten fungierte der Bestands-Pkw bzw. der als

Wunsch-Pkw angegebene Pkw als Referenzfahrzeug (4). Die alter-

nativenspezifischen Auspragungen der beiden anderen Alternativen

(Elektro- und Hybrid-Pkw) wurden durch die Multiplikation mit ei-

nem zufallig gewahlten Faktor festgelegt. Alle nicht in den Kaufex-

perimenten aufgefuhrten Attribute der Fahrzeuge (z. B. Marke,

Modell, Anzahl der Sitzplatze) werden als identisch mit dem Refe-

renz-Pkw angegeben. Um dies umsetzen zu konnen, wurde ein

zweistufiges Befragungsdesign gewahlt. In Telefoninterviews wur-

den Angaben zu Bestands-Pkw und Kaufabsichten erfasst. Auf die-

ser Grundlage wurden Kaufexperimente entwickelt, die in vertieften

Face-to-Face-Interviews durchgefuhrt wurden. Fur jeden Pkw im

Haushalt wurden acht Kaufexperimente durchgefuhrt, in denen die

Attribute der Alternativen und Rahmenbedingungen der Kauf-

entscheidung wie die Treibstoffpreise variiert wurden (Leitinger

et al., 2011).

Aus den Daten wurden in einer diskreten Entscheidungsanalyse

Nutzenfunktionen fur die drei zur Wahl stehenden Alternativen

(Elektroauto, Hybridauto, herkommlicher Pkw) ermittelt. In die Aus-

wertung wurden 2.115 Kaufexperimente einbezogen. Mit dem re-

sultierenden Modell konnen 71% der Wahlentscheidungen richtig

vorhergesagt werden. Das Bestimmtheitsmaß Pseudo-R2 betragt

0,36.1

Aus den Nutzenfunktionen lasst sich ableiten, wie stark sich die

Wahlwahrscheinlichkeit des Elektroautos andert, wenn einzelne

Fohrzeugeigenschaften verandert werden. Diese Elastizitaten be-

schreiben die Relevanz der Fahrzeugeigenschaften fur den Kauf von

Elektroautos. Die Analysen ergeben, dass Anderungen der Kostenat-

tribute, vor allem des Kaufpreises, einen hoheren Einfluss auf die

Wahlwahrscheinlichkeit haben als gleiche prozentuale Anderungen

der technischen Fahrzeugeigenschaften (Leitinger et al., 2011).

3.3 Entwicklung des Neuwagenanteils in verschiedenen

Szenarien

Mit den berechneten Nutzenfunktionen kann die Entwicklung des

Neuwagenmarktes prognostiziert werden. Da diese Vorhersagen mit

Unsicherheiten behaftet sind, werden Szenarien zur Entwicklung der

Fahrzeugeigenschaften entwickelt (siehe unten).

In der Modellanwendung werden vier Fahrzeugkategorien un-

terschieden: Kleinwagen, Kompakt-, Mittel- und Oberklassewagen.

Die Attribute der Elektroautos der Kleinwagenklasse sind in Tabelle 2

abgebildet. Entsprechende Angaben wurden fur alle Fahrzeugkate-

gorien definiert. Die angegeben Werte sind Durchschnittswerte; in

der Modellanwendung wurden relative Abweichungen vom Be-

stands-/Wunsch-Pkw verwendet. Der fur den Status quo berechnete

Tabelle 2. Attribute der Elektroautos der Kleinwagenklasse im Sta-tus quo und im ersten Szenario (mittlerer technologischer Fortschritt)

Attribut Auspragungim Statusquo (2011)

RelativeVeranderungzum Szenario 1

Zielwert imSzenario 1(2025)

Reichweite [km] 144 50% 215Kaufpreis [Euro] 31.087 –30% 21.761Umweltbelastung[gr. CO2/100 km]

90 –17% 75

Ladedauer [h/100 km] 4,5 –17% 3,75Motorleistung [PS] 60 15% 70Variable laufendeKosten [Euro/100 km]

3,50 –1% 3,46

Fixe laufende Kosten[Euro/100 km]

9,00 –22% 7,00

1 Anders als beim aus der Regressionsrechnung bekannten Bestimmtheitsmaß R2,

das hier nicht anwendbar ist, liegt der Bereich einer guten Modellbeschreibung

beim Pseudo-R2 zwischen 0,2 und 0,4.

Mai 2012 | 129. Jahrgang © Springer-Verlag heft 3.2012 159

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Anteil weicht geringfugig von den realen Werten des osterrei-

chischen Fahrzeugmarkts ab. Fur Elektroautos wird ein Neuwagen-

anteil von 0,7% berechnet (tatsachlicher Neuwagenanteil 2010:

0,03% (Statistik Austria, 2011)). Die Abweichung wurde durch eine

Kalibrierung des Modells ausgeglichen.

Mit dem kalibrierten Modell konnen Szenarien fur die Entwicklung

der Fahrzeugeigenschaften und Rahmenbedingungen definiert wer-

den. Im Basisszenario (Szenario 1) wird ein mittleres technologisches

Innovationstempo angenommen. Die Veranderungen der Fahrzeug-

attribute der Elektroautos der Kleinwagenklasse bis 2025 sind

beispielhaft in Tabelle 2 dargestellt. Zudem sind moderate Treibstoff-

preisanstiege auf 1,50 Euro je Liter und eine schrittweise Verbesse-

rung der Automodellverfugbarkeit vorgesehen. Fur diese Annahmen

lasst sich die Entwicklung des Neuwagenanteils berechnen (Abb. 3).

Fur das Jahr 2025 wird ein Anteil der Elektroautos am Neuwagen-

markt von 5,7% vorhergesagt; der Anteil der Hybridfahrzeuge ist

doppelt so hoch. Der Anteil der Elektroautos weist einen schwach

exponentiellen Zuwachs auf: Ausgehend vom Status quo mit einem

Marktanteil unter 0,1% steigt der Anteil nach zehn Jahren auf

knapp uber 2% und verdoppelt sich nach weiteren vier Jahren. In

diesem Szenario zum mittleren technologischen Innovationstempo

werden Elektroautos in der Oberklasse nicht angeboten. Werden nur

die verfugbaren Fahrzeugkategorien berucksichtigt, liegt der Markt-

anteil der Elektroautos bei 7,0%.

Ebenso lassen sich Szenarien mit anderen technologischen Ent-

wicklungspfaden und Veranderungen der Nutzerkosten definieren.

Im Folgenden werden Ergebnisse von Szenarien vorgestellt, die auf

dem Basisszenario aufbauen. Zusatzlich zur technologischen Ent-

wicklungen wird entweder eine Kaufpramie (geringe Kaufpramie:

1.000 Euro, hohe Kaufpramie: 5.000 Euro) angenommen oder ein

Anstieg des Treibstoffpreises und der Energiekosten (mittlerer Treib-

stoffpreisanstieg: +50% bis 2025; hoher Treibstoffpreisanstieg:

+150% bis 2025). Zusatzlich wird ein Szenario mit einer schwachen

technologischen Entwicklung (z. B. gleichbleibende Reichweite ge-

genuber dem Status quo) und eines mit einer starken technolo-

gischen Entwicklung (Verdoppelung der Reichweite) berechnet.

Die fur das Jahr 2025 prognostizieren Marktanteile der Elektroau-

tos am Neuwagenmarkt variieren zwischen 1,2 bis 13,1% (Abb. 4).

Mit Ausnahme des Szenarios zur geringen technologischen Entwick-

lung liegen alle Vorhersagen fur das Jahr 2025 uber einem Markt-

anteil von funf Prozent. Der hochste Marktanteil von Elektroautos ist

bei einer starken technologischen Entwicklung der Elektroautos und

bei einem starken Treibstoffpreisanstieg zu erwarten. Da viele Un-

sicherheiten bezuglich der kunftigen technologischen Entwicklung

oder der Olpreise bestehen, kann keine Aussage getroffen werden,

welches Szenario am wahrscheinlichsten ist.

Gemessen an den Szenariobedingungen ist das Szenario mit der

geringen technologischen Entwicklung am ehesten mit den Trend-

szenarien der anderen Studien (Tabelle 1) vergleichbar. Fur das Jahr

2020 wird die Konsensschatzung des Elektroautoanteils am Neuwa-

genmarkt von etwa einem Prozent bestatigt. In den anderen Szena-

rien werden in der SEM-Modellanwendung fur 2020 eher

konservative Ergebnisse vorhergesagt.

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Ein gangiger Weg, um das Marktpotenzial von Elektroautos zu

bestimmen, ist der Vergleich der technisch realisierbaren Reichwei-

ten und der Pkw-Tagesfahrleistungen an einem Stichtag. Mit diesem

Ansatz wird ein Marktpotenzial von Elektroautos von annahernd

100% der Pkw-Flotte vorhergesagt. Es konnte gezeigt werden, dass

diese Einschatzung deutlich zu hoch ist. Wird die maßgebliche

Reichweite als Bemessungsgrundlage verwendet, sinkt das Marktpo-

tenzial auf etwa zwei Drittel der Pkw-Flotte – selbst wenn, wie in

einem angef€uhrten B eispiel, die Beobachtungsperiode nur sechs

Wochen betragt. Werden statt der tatsachlichen Pkw-Tagesfahrleis-

tungen die Anforderungen potenzieller Kunden an die Reichweite

berucksichtigt, sinkt das Marktpotenzial weiter. Hier konnten

Maßnahmen zur Information und Bewusstseinsbildung beeinflus-

send wirken.

Zudem darf das Marktpotenzial nicht mit der erwarteten Absatz-

menge verwechselt werden. Da gegenwartig kaum Elektroautos am

Fahrzeugmarkt angeboten werden, kann der Elektroautoabsatz

nicht gemessen werden. Stattdessen wird auf Befragungen zum

Autokauf zuruckgegriffen. Stated Preference-Befragungen ermogli-

chen die statistische Bestimmung der kaufrelevanten Attribute und

der Hohe ihres Einflusses. In einer aktuellen SP-Befragung zum

Autokauf in Osterreich wurden Wahlexperimente zum Kauf von

Elektroautos durchgefuhrt. Die Analysen zeigen, dass Anderungen

der Nutzerkosten einen hoheren Einfluss auf die Wahlwahrschein-

lichkeit von Elektroautos haben durften als die Anderungen techni-

scher Eigenschaften. Mit den identifizierten Nutzenfunktionen

konnen Marktanteile von Elektroautos fur verschiedene Szenarien

berechnet werden. Je nach Szenariobedingung werden fur das Jahr

2025 Elektroautoanteile am Neuwagenmarkt von 1,2 bis 13,1%

prognostiziert. Bei einer mittleren technologischen Entwicklung wird

ein Elektroautoanteil von 5,7% im Jahr 2025 vorhergesagt.

Die Prognosen zukunftiger Marktchancen von Elektroautos sind

mit Unsicherheiten behaftet. Nicht nur die zu Grunde liegenden

Annahmen und Rahmenbedingungen der Szenarien, sondern auch

die Methode der Erhebung haben entscheidenden Einfluss auf die

Ergebnisse. Bei allen Schwierigkeiten der Vorhersage des Nutzerver-

haltens stellt die Anforderungen der Nutzer/innen neben den

Fahrzeugen und der Ladeinfrastruktur eine der Hauptsaulen der

Abb. 3. Entwicklung des Neuwagenmarktanteils der verschiedenenAntriebsarten im ersten Szenario (mittlerer technologischerFortschritt)

Abb. 4. Entwicklung des Neuwagenmarktanteils der Elektroautosin den verschiedenen Szenarien

160 heft 3.2012 © Springer-Verlag e&i elektrotechnik und informationstechnik

ORIGINALARBEITEN C. Link et al. Abschatzung des Marktpotenzials und zukunftigen Marktanteils

Page 6: Abschätzung des Marktpotenzials und zukünftigen Marktanteils von Elektroautos; Assessment of the market potential and future market share of electric cars;

Elektromobilitat dar und ist bei allen Uberlegungen zur Thematik mit

einzubeziehen.

Literatur

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& Sons.

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Speichereinsatz fur regenerative elektrische Mobilitat und Netzstabilitat (Endbericht),

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Internationales Verkehrswesen 63, S. 17–19.

VCO (2009): Potenziale von Elektromobilitat. Wien: VCO.

Autoren

Christoph Link

wurde 1982 in Wurzburg, Deutschland,

geboren. Studium der Geographie an den

Universitaten Wurzburg und Bochum, Stu-

dium der Raumplanung an der Universitat

Dortmund. Seit 2009 Forschungsassistent

am Institut fur Verkehrswesen, Department

Raum, Landschaft und Infrastruktur an der

Universitat fur Bodenkultur Wien. Ar-

beitsschwerpunkte: Mobilitatsverhaltens-

forschung, Verkehrserhebungen, statistische Analysen,

Verkehrsmodellierung.

Gerd Sammer

wurde 1944 in Graz geboren. Studium des

Bauingenieurwesens, Promotion und Habili-

tation an der Technischen Universitat Graz.

Von 1970 bis 1995 Universitatsassistent am

Institut fur Straßenbau und Verkehrswesen

an der Technischen Universitat Graz. Seit

1987 Leiter des Zivilingenieurburos Sammer

& Partner Verkehrsplanung. Seit 1996 Or-

dentlicher Universitatsprofessor und Leiter

des Instituts fur Verkehrswesen, Department Raum, Landschaft und

Infrastruktur an der Universitat fur Bodenkultur Wien. Arbeits-

schwerpunkte: Verkehrsplanung, Verkehrsplanungsmethoden und

Verkehrsverhalten, okonomische und okologische Auswirkungen

des Verkehrs, Verkehrsprognosen und Maßnahmenkonzepte.

Juliane Stark

wurde 1981 in Gustrow geboren. Studium

Landeskultur und Umweltschutz an der

Universitat Rostock. 2004 bis 2005

wissenschaftliches Weiterbildungsstudium

Modul Europaische und Internationale Um-

weltpolitik an der Fernuniversitat Hagen.

Von 2004 bis 2008 Forschungsassistentin,

seit 2008 Senior Scientist, 2010 Promotion

am Institut fur Verkehrswesen, Department

Raum, Landschaft und Infrastruktur an der Universitat fur Bodenkul-

tur Wien. Arbeitsschwerpunkte: Mobilitatsverhaltensforschung und

Kosten-Nutzen-Analysen.

Mai 2012 | 129. Jahrgang © Springer-Verlag heft 3.2012 161

ORIGINALARBEITENC. Link et al. Abschatzung des Marktpotenzials und zukunftigen Marktanteils