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Abschlussarbeit
ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Franz Böhmer
Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner
Rückfragen:
Österreichische Akademie der Ärzte GmbH Weihburggasse 2/5 A-1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83
1
Abschlussarbeit
ÖÄK Diplomkurs Geriatrie
Dr. Karin Heinrich
Grottenhofstrasse 26
8053 Graz
September 2012
Aspekte der oralen Antikoagulation beim geriatrischen Patienten (einschließlich NOACs)
1) Einleitung
Die orale Antikoagulation ist am häufigsten indiziert beim chronischen Vorhofflimmern und
dem daraus hervorgehenden Schlaganfallrisiko durch Embolien, außerdem bei tiefer
Beinvenenthrombose sowie im Rahmen von Tumoren.
Thema dieser Arbeit soll in erster Linie die OAK bei chronischem und intermittierendem
Vorhofflimmern, sowie bei Tumorerkrankungen sein. Weiters werden die NOACs (novel oral
anticoagulants) und ihr Einsatz laut den neuen ESC guidelines, focused update 2012
besprochen.
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. In der Altersgruppe der
über 40-Jährigen ist etwa jeder 4. Mensch zumindest einmal in seinem Leben davon
betroffen. Damit sind zahlreiche Komplikationen verbunden, das Schlaganfallrisiko ist
fünffach erhöht1, die Mortalität verdoppelt sich2. Goldstandard zur Prävention von
Schlaganfällen bei Patienten mit erhöhtem Risiko (Chads Score>1) war bisher die Gabe eines
VKA. In zahlreiche Studien konnte gezeigt werden, dass das thromboembolische Risiko um
etwa 60% reduziert werden konnte.3
Die Aspekte der oralen Antikoagulation beim geriatrischen Patienten liegen vor allem bei
den vorhandenen Kontraindikationen, wie Status post intracranielle Blutungen, Ulcera des
Magen-Darm-Traktes, Demenz oder Non-Compliance. Ebenso könnten die
Wechselwirkungen anderer Medikamente durch die meist vorhandenen Komorbiditäten
1 Fuster V et al.Circulation 2006; 114:257-354
2 Marini C et al.Stroke 2005; 36:1115-1119
3 Lip GY Hart RG, Conway DS Antithrombotic therapy for atrial fibrillation, BMJ 2002; 325; 1022 - 1025
2
oder rezidivierende Stürze durch Instabilität die Blutungsneigung bei oraler Antikoagulation
noch erhöhen. Auf Grund der obengenannten Komplikationen werden deshalb beim
geriatrischen Patienten oft keine OAK verabreicht, obwohl der Nutzen dieser Therapie
eindeutig dafür spricht3.
Als orale Antikoagulantien stehen neben dem altbekannten Vitamin K Antagonisten jetzt
auch neue NOAC Präparate, wie Dabigatran und Rivaroxaban zur Diskussion und sind in den
neuen Richtlinien der European Society of Cardiology auch bereits berücksichtigt.
2) Zielsetzung
Abschätzung des Nutzens einer Antikoagulantientherapie mit Vitamin K Antagonisten und
Vor- und Nachteile sowie Kontraindikationen. Einsatzkriterien der „neuen oralen
Gerinnungshemmer“. Risikofaktoren einer Antikoagulantientherapie speziell beim
geriatrischen Patienten in Hinblick auf intrakranielles Blutungsrisiko bei Sturz und
vorausgegangenen Mikroblutungen.
3) Methode
Kurze Darstellung der Indikationen - nicht valvuläre Vorhofflimmerarrhythmie und
tumorbedingtes thromboembolisches Geschehen - Beschreibung des Blutungsrisikos,
Vorstellung der Therapie mit VKA und mit den neuen oralen Antikoagulantien Dabigatran
und Rivaroxaban, Abschätzung des Risiko-Nutzen Verhältnisses anhand von Studien.
4) Diskussion
Indikation: Vorhofflimmerarrhythmie
Paroxysmales Vorhofflimmern: < 48 Stunden
Persistierendes Vorhofflimmern: > 7 Tage
Long standing VF > 1 Jahr
Permanent accepted VF
3
Durchschnittlich sind 1-2% der Bevölkerung von Vorhofflimmern betroffen4, wobei die
Prävalenz mit dem Alter zunimmt. Sind bei den 50 – 59 Jährigen noch 0,5% betroffen, so
erhöht sich die Zahl bei den 80 – 89 Jährigen auf 23,5%.
Die Langzeitbehandlung von Vorhofflimmern erfordert die Erwägung einer
antithrombotischen Therapie, da bei 15% aller Patienten mit Schlaganfall VHF vorliegt5.
Jährlich erleiden rund 3 Millionen Menschen einen Insult, der durch Vorhofflimmern bedingt
ist. Diese Schlaganfälle verlaufen schwerer als Insulte anderer Genese2.
Der optimale INR liegt bei 2,5, mit einer Range von 2,0 – 3,0. Außer der OAK ist bei VHF auch
eine frequenzregulierenden und rhythmuserhaltende Therapie und zusätzlich die
Behandlung der zugrundeliegenden Herzkrankheit (upstream Therapie) erforderlich.
Therapie bei Vorhofflimmern
Antikoagulantien
Frequenzregulierende und Rhythmus erhaltende Therapie
UpstreamTherapie
Die Kombination von niedrigdosierter OAK Therapie mit
Thrombozytenaggregationshemmern bringt keinen Benefit, die Insultrate ist gegenüber der
OAK mit INR 2 - 3 sogar erhöht6.
Bei der Kombination VHF und Stent wird eine Triple Therapie von ASS, Clopidogrel und VKA
verordnet.
Antithrombotische Therapie als Embolieprophylaxe
Das Risiko für ein thrombotisches Geschehen in den Vorhöfen steigt ab einem Zeitraum von
mehr als 48 Stunden anhaltendem Vorhofflimmern signifikant an. Kritisch könnte die
Tatsache sein, dass Erkrankte oft relativ symptomarm bleiben, solange das Flimmern
normofrequent ist.
Da Vorhofflimmern eine häufige Ursache von Insulten und Embolien darstellt, sollte eine
orale Antikoagulation in Erwägung gezogen werden. Dafür ist aber nicht die Form des
4 ATRIA Studie GoAS et al. JAMA (2001)
5Wolf PA et al, The Framingham Study; Stroke1991; 22-983-998
6 Sebstian JL et al, Use of Oral Anticoagulants in Older Patients, Drugs aging 2000; 16:409-435
4
Vorhofflimmerns relevant, sondern das Vorhofflimmern assoziierte Risiko einen Insult zu
erleiden ist abhängig von zusätzlichen Risikofaktoren.
Zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern wird in etwas modifizierter Form
das CHADS2 Score auch in den Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie
empfohlen.7
CHADS2 Score zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern
Bei Vorliegen von….. …ergibt sich
C congestive heart failure Strukturelle Herzerkrankung, die eine Herzinsuffizienz verursacht
1 Punkt
H hypertension Arterielle Hypertonie (auch behandelt)
1 Punkt
A age Alter > 75a 1 Punkt
D diabetes Diabetes mellitus 1 Punkt
S stroke Durchgemachter Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke
2 Punkte
Wenn der Score = 0 beträgt überwiegt das Blutungsrisiko dem Infarktrisiko, und es wird
keine OAK vorgenommen, bei einem Score= 1 wird individuell entschieden (Häufigkeit des
Flimmerns, Art des Risikofaktors), bei einem Score > 1 sollte eine Antikoagulation erfolgen.
Eine möglicherweise bessere Risikoeinschätzung lässt der modifizierte CHADS2 Score, der
CHA2DS2-VASc – Score zu, hier gibt es zusätzliche Punkte für Gefäßerkrankungen und
Geschlecht, sowie eine genauere Differenzierung des Alters (Frauen < 65 ohne zusätzlichen
Risikofaktor haben 0 Punkte.
7 American College of Cardiologie; American Heart Association Task Force; European Society of Cardiology
Committee for practise guidelines, heart Rhythm Society et al
5
CHADS Score und Schlaganfallrisiko
CHADS Score Patienten (n=1733) Adjustierte Schlaganfallsrate (%/ Jahr)
0 120 1,9 (1,2 – 3,0)
1 463 2,8 (2,0 – 3,8)
2 523 4,0 (3,1 – 5,1)
3 337 5,9 (4,6 – 7,3)
4 220 8,5 (6,3 – 11,1)
5 65 12,5 (8,2 – 17,5)
6 5 18,2 (10,5 – 27,2)
Bei CHA2DS2-VASc Score von mindestens 2 ist eine OAK zu erwägen.8
CHA2DS2-VASc
„major“ risk factors Previous stroke, TIA or systemic embolism Age> 75
Clinically relevant non major risk factors Heart failure or moderate severe LV systolic dysfunction Hypertension, Diabetes mellitus Female sex, age 65-74, Vascular disease
Risk factor Score
C congestive heart failure
Strukturelle Herzerkrankung, die eine Herzinsuffizienz verursacht
1
H hypertension Arterielle Hypertonie (auch behandelt)
1
A age Alter > 75a 2
D diabetes Diabetes mellitus 1
S stroke Durchgemachter Schlaganfall oder TIA 2
V vascular disease z.B. durchgemachter Herzinfarkt, pAVK 1
A age Alter 65 - 75 1
S sex Weibliches Geschlecht 1
Maximum score 9 9
8 LIP GYH: Improving stroke and thromboembolism risk stratification in chronic atrial fibrillation. E-Journal of
the ESC council for Cardiology Practise, vol.8 Nr36, 9. Juni 2010 9 ESC guidelines 2010
6
Thromboseprophylaxe bei vicht valvulärem Vorhofflimmern:
Risk category CHA2DS2Vasc score Recommended
antithrombotic therapy
One major risk factor or > 2
clinically relevant non-major
risk factors
>2
OAC
One clinically relevant non
major risk
1
Either OAC or aspirin 75-
325mg daily.
Preferred:OAC rather than
aspirin
No risk factors
0
Either aspirin 75-325mg daily
or no antithrombotic
therapy.
Preferred: no antithrombotic
therapy rather than aspirin
8
ESC guidelines, focused update September 2012: NOAC = 1. Wahl
“The NOACs offer better efficacy, safety, and convenience compared with OAC with VKAs
Thus, where an OAC is recommended, one of the NOACs – either a direct thrombin inhibitor
(Dabigatran) or an oral factor Xa inhibitor (Rivaroxaban, Apixaban) – should be considered
instead of adjusted-dose VKA (INR 2-3) for most patients with AF.”
Neue Antikoagulantien werden eingesetzt:
Für neu einzustellende Patienten
Für schwierig einzustellende Patienten
NICHT bei relevanter Niereninsuffizienz, Polypharmazie, Mitralklappenstenose und ACS
7
Indikation: Tumorerkrankungen
Bei onkologischen Patienten besteht ein bis zu 6,5 fach erhöhtes Risiko einer venösen
Thrombembolie10. Bei den meisten Tumorerkrankungen treten diese Komplikationen
innerhalb von 6 Monaten nach Diagnosestellung auf, wobei besonders Tumoren des
Pankreas, des Ovars, das Bronchus- und Colonkarzinom und auch Gehirntumoren
(Glioblastom) ein besonders hohes Risiko aufweisen. Neuere Studien belegen, dass auch das
10
Khorana AA, Cancer and thrombosis:implications of published guidelines for clinical practiseAnnOncol2009;20:1619-1630
8
Risiko eines Thromboembolierezidivs um das 3- fache erhöht ist11. Diese Tatsache trägt
wesentlich dazu bei, dass die 1-Jahres Überlebensrate von onkologischen Patienten mit
thromboembolischen Komplikationen wesentlich schlechter ist als die von vergleichbaren
Patienten ohne Thrombose.
Weitere Risikofaktoren sind das Alter des Patienten, das Tumorstadium, die
Metastasenbildung (Risiko 20 fach erhöht12), Operationen, Immobilität, Exsiccose,
zentralvenöser Katheter und einige Substanzen der onkologischen Therapie, wie z.B.
Thalidomid und VEGF Hemmer. Ursache für das gesteigerte thromboembolische Geschehen
ist die erhöhte Produktion von Gewebsthromboplastin durch den Tumor mit gesteigerter
Aktivierung des Faktor X13. Besonders hoch ist das thromboembolische Risiko beim multiplen
Myelom, wobei hier eine Thromboseprophylaxe durchgeführt wird.
CLOT Studie14
In dieser prospektiven, randomisierten Studie an 672 Tumorpatienten mit Venenthrombose
und /oder Lungenarterienembolie wurde NMH Dalteparin mit einer OAK durch Vitamin K
Antagonisten in der Sekundärprophylaxe über 6 Monate verglichen. Von diesen Patienten
hatten 90% solide Tumoren und 67% Metastasen. Der primäre Endpunkt der Studie waren
Rezidive einer VTE innerhalb der Studiendauer. Die Ergebnisse der CLOT Studie konnten
zeigen, dass die Rezidivrate mit dem NMH Dalteparin im Vergleich mit VKA signifikant um die
Hälfte verringert werden kann, wobei die Blutungsraten bei beiden Therapien vergleichbar
sind.
Dalteparin, 200IU/kgKG
n=336
OAK
Warfarin INR 2-3, n=336
Recurrent VTE n=27 n= 53
Risk of recurrent VTE N= 9% N=17%
Major bleeding 6% 4%
11
Prandoni P. et al, Recurrent venous thromboembolism and bleeding complications during anticoagulant treatment in patients with cancer and venous thrombosis.Blood 2002;1003484-3488 12
MEGA Studie, Blom JW, JAMA 2005 13
ÖÄZ 11 10.6.2009 14
Lee AY et al Low molecular weight heparin versus coumarin for the prevention of recurrent venous thromboembolism in patients with cancer.New Eng.J.Med 2003;349:146-153
9
Tumoroperation:
Große tumorbedingte Eingriffe sind mit einem erhöhtem postoperativen thrombotischen
Risiko vergesellschaftet, zusätzlich kommen Faktoren wie Anästhesiedauer > 2 Stunden,
Alter > 60a, verzögerte postoperative Mobilisierung sowie Thrombosen in der Anamnese
hinzu. Die postoperative Thromboseprophylaxe nach tumorchirurgischen Eingriffen kann in
diesen Fällen auf vier Wochen ausgedehnt werden. Die generelle prophylaktische Gabe von
OAK bei metastasierenden Tumoren sowie bei ZVK ist nicht indiziert, da es zu erhöhtem
Risiko von Einblutungen ins Tumorbett kommen kann.
Internistische Erkrankungen:
Tumorpatienten, die aufgrund einer internistischen Erkrankung stationär aufgenommen
werden und nicht mobil sind, werden mit einem niedermolekularen Heparin versorgt.
OAK bei Tumorerkrankungen
Vitamin K Antagonisten sind für Tumorpatienten weitgehend ungeeignet, da es zu
weitgehenden Wechselwirkungen mit Cytostatika kommen kann, sowie auch
Nebenwirkungen der Chemotherapie (Erbrechen) zu verminderter Resorption der OAK
führen können. Die Konsequenz daraus wären dauernde Dosisanpassungen, was wiederum
für den geriatrischen Patienten gefährlich werden kann auch in Bezug auf die Polypharmazie.
Die neuen oralen Antikoagulantien sind bei Tumorpatienten noch nicht spezifisch untersucht
worden, wissenschaftliche Studien haben bislang nur ihre Wirkung als
Thromboserezidivprophylaxe im Vergleich mit VKA bei nicht onkologischen Patienten
untersucht15.
Blutungsrisiko
Das Hauptrisiko der oralen Antikoagulationstherapie besteht in der Möglichkeit des
Auftretens von intracraniellen Blutungen. Besonders bei geriatrischen Patienten findet sich
dabei häufig die Kontraindikation Status post Hirnblutung. Zur Abschätzung des Risikos einer
Hirnblutung unter Antikoagulation wurde 2010 von der European Society of Cardiology ein
Risikoscore vorgestellt, der HAS-BLED Score16
15
The Einstein Investigators Oral Rivaroxaban for symptomatic venous thromboembolism.NEngJMed2010;363(26):2499-2510 16
http://www.escardio.org/guidelines-survey/esc-guidelines/ GuidelinesDocuments/guidelines-afib-FT.pdf
10
HAS BLED Score (ESC guidelines 2010)
Klinik Punkte
H Hypertonie (RR systolisch über 160 mmHg) 1
A Schwere Leber-/ Nierenfunktionsstörung (je 1 Punkt) 1-2
S Schlaganfall in der Vorgeschichte 1
B Stattgehabte Blutung oder Blutungsneigung 1
L Labile Einstellung (<60% der INR Werte im Zielbereich) 1
E Alter über 65 Jahre 1
D Drugs wie NSAR oder Alkoholmissbrauch 1-2
Ab einem Score = 3 besteht eine relevante Blutungsgefahr
Bereits wegen des Alters haben geriatrische Patienten ein gewisses Risiko für einen
Schlaganfall, wobei andere Zusatzerkrankungen die Punktezahl meist noch erhöht. Die
Leitlinien des American College of Chest Physicians unterscheiden bei der Indikationsstellung
von OAK bei VHF nicht zwischen „Normalbevölkerung“ und geriatrischen Patienten17. Dies ist
deshalb wichtig, da man beim geriatrischen Patienten auf Grund des Blutungsrisikos oftmals
von der Therapie mit OAK absieht, obwohl der Benefit erwiesen ist18.
VKA erhöhen das Risiko einer starken Blutung (major bleeding, lebensbedrohlich) um 0,3 –
0,5% / Jahr, das Risiko einer ICB um 0,2% / Jahr19, wobei sich dieses Risiko starker Blutungen
beim geriatrischen Patienten weiter um das etwa 10 fache erhöht, das Risiko für
lebensbedrohliche Blutungen um den Faktor 520. Leichte Blutungen ( minor bleedings)
kommen bei jüngeren und älteren Patienten in etwa gleicher Häufigkeit vor.
INR – Einstellung – International normalized ratio
Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang der Blutungsneigung mit dem INR, trotzdem
erfolgen nur 40% der Blutungen mit einem INR > 3 12. Eine Variabilität der INR Werte, wie sie
beim geriatrischen Patienten häufig vorkommt, ist aber ein wichtiger Faktor für das
Auftreten von Komplikationen, da auch bereits eine kurze Überantikoagulation bereits ein
17
Singer DE et al. Antithrombotic therapy in atrial fibrillation: American College of Chest Physicians Evidence based Clinical Practise Guidelines Chest 2008 133: 546S-592S 18
White RA et al Oral anticoagulation in patients with atrial fibrillation: adherence with guidelines in an elderly cohort.AmJMed 1999; 106:165-171 19
Shulman et al: Hemorrhagic Complications of anticoagulant and thrombolytic treatment. Chest 2008; 133: 257S- 298S 20
Johnson et al. People aged over 75 in Atrial Fibrillation on Warfarin: the rate of Major Hemorrhage and Stroke in more than 500Patient-Years of Follow Up J.Am.Geriatr.Soc2005;53:655-659
11
erhöhtes Risiko darstellen kann21. Die Zeit der Normalisierung des INR beim geriatrischen
Patienten ist außerdem gegenüber dem jüngeren Patienten deutlich verlängert22.
Zerebrale Mikroblutungen
Subklinische cerebrale Mikroblutungen aus kleinsten Gefäßen sind selbstlimitierend, sie
können sich aber durch OAK zu größeren intracerebralen Blutungen ausweiten und damit
klinisch relevant werden23. Ursachen für Mikroblutungen können Vaskulopathien sein, aber
auch Amyloidangiopathien oder Entzündungen, die Intensität der OAK dürfte hier eine
untergeordnete Rolle spielen24. In diesem Falle verursacht die Antikoagulation die
„Demaskierung“ subklinischer kleiner Blutungen, indem diese durch die OAK dramatisch
verstärkt werden. Laut einer Studie besteht bei der Kombination Alter, Mikroblutung und
VKA eine erhöhte Blutungsneigung25.
Patientencompliance
Die Patientencompliance (INR Kontrollen, regelmäßige Einnahme der Medikamente,
Ernährung) ist ein wesentlicher Teil der Therapie mit VKA. Laut einer Studie ist
unzureichende Aufklärung ein wesentlicher Faktor zur Entstehung von Blutungsrisken26.
Ein wichtiges Kriterium stellt sicher das Vorliegen einer Demenz dar, wobei hier die
Angehörigen um die Wichtigkeit der Unterstützungen bei der Therapie und
Therapiekontrolle, sowie über Interaktionen zwischen VKA und Medikamente
beziehungsweise Ernährung aufgeklärt werden müssen.
Antikoagulationstherapie
Vitamin K Antagonisten
VKA sind die Standardtherapie zur Prophylaxe von durch Vorhofflimmern verursachten
Schlaganfällen, das Insultrisiko kann damit signifikant gesenkt werden27. Als Cumarin -
Derivate bezeichnet man die von Cumarin abgeleiteten synthetischen Verbindungen, die als
21
Casals et al:Bleeding Risk Factors in Chronic Oral Antikoagulation with Acenocoumarol, Am J Hematol2000;63:192-196 22
Hylek et al.: Clinical predictors of prolonged delay in return of the international normalized ratio to within the therapeutic range after excessive anticoagulation with warfarin. Ann.InternMed 2001; 135(6):393-400 23
Hart RG et al oral anticoagulants and intracranial haemorrhage:facts and hypotheses Stroke.26: 1471-1475(1995) 24
Rosand,Hylek et al Warfarin associated haemorrhage and cerebral amyloid angiopathy Neurology 55:947-951 (2000) 25
Lee et al:Cerebral microbleeds are a risk factor for warfarin related intracerebral haemorrhage.Neurology 2009;72:171-176 26
Kagansky N et al: safety of anticoagulation therapy in well-informed older patients;ArchInternMed2004;164(18):2004 27
Hart RG et al:AnnInternMed2007; 146: 857-867
12
kompetitive Antagonisten in den Vitamin K Stoffwechsel eingreifen können. VKA hemmen
die Vitamin K abhängige ʏ - Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie der
Proteine C und S in der Leber. Die Wirkung der VKA beginnt nach sechs Stunden und ist erst
nach 1-2 Tagen erreicht.
Die Dosierung erfolgt nach dem INR Wert (Internationonal Normalized Ratio), der anfangs
der 80er Jahre eingeführt wurde, da der bis damals übliche Quick Wert eine große Varianz
aufwies. Es existiert mittlerweile bereits eine langjährige Erfahrung im Einsatz von VKA und
dennoch gibt es in der Praxis Einschränkungen der Effektivität dieser Behandlungsform
durch Bedenken sowohl von ärztlicher Seite als auch von Patientenseite.
Diese Bedenken haben ihre Begründung in folgenden Faktoren:
Interaktionen mit Nahrungsmitteln (food – drug)28
Interaktionen mit Medikamenten (drug – drug)29
Schmales therapeutisches Fenster30
Variabilität - Dosisanpassung meist notwendig
Langwierige schwierige Einstellung
Regelmäßiges Gerinnungsmonitoring31
Eine entscheidende Herausforderung bei betagten Patienten ist auch die praktische Durchführung dieser Therapie. Im Anfangsstadium der Therapie befinden sich viele Patienten häufig nicht im erforderlichen INR Bereich zwischen 2 und 3, die TTR (Time in Therapeutic Range) ist zu gering. Daraus resultiert ein ungenügender Benefit der Behandlung, denn unter INR 2 sinkt der antikoagulatorische Effekt steil ab und oberhalb von INR 3 steigt das Blutungsrisiko signifikant an.
Zum Thema Interaktionen mit Medikamenten wäre zu erwähnen, dass besonders auf Komorbiditäten der geriatrischen Patienten zu achten ist. Eine relevante Interaktion zeigt sich bei der Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), die sowohl mit der Proteinbindung, als auch mit der cytochromalen Metabolisierung interagieren. Außerdem bewirken die NSAR weiters eine Thrombozytenaggregationshemmung. Weitere Medikamente mit Einfluss auf die Wirkung der VKA sind: trizyklische Antidepressiva, Diuretika, Kortikosteroide, Antibiotika (Tetrazykline, Erythromycin), Valproat, Lipidsenker, Allopurinol, L-Thyroxin, Sulfonylharnstoffe, SSRI, Omeprazol, Amiodaron, Cimetidin sowie zahlreiche andere. Auch die Einnahme von pflanzlichen Produkten kann die Gerinnung verändern (Ginko, Knoblauch).
28
www.gesunddurchfitness.de/mediapool/45/451894/data/vitamin_k_bei_Blutverduennern_1_pdf 29
Fachinformation Vitamin K Antagonisten 30
ACC/AHA/ESC2006 giudelines for the management of patients with atrial fibrillation 31
Fachinformation Vitamin K Antagonisten (Marcoumar)
13
Kontraindikationen stellen die unbehandelte Hypertonie, Status post Hirnblutung, gastroduodenale Ulkuskrankheit, Hirnarterienaneurysma und bestimmte Retinopathien dar.
Was spricht für VKA?
60 Jahre Erfahrung
geriatrische Patienten mit Polypharmazie (Medikamentenakkumulation, Interaktionen)
deutlich eingeschränkte Nierenfunktion, koronare Herzkrankheit, Gefahr eine schwere Niereninsuffizienz zu entwickeln
Benefit durch Antagonisierungsmöglichkeit
NOACs - Novel Oral Anticoagulants
Warfarin Rivaroxaban Dabigatran
Dose adjustment INR CrCl CrCl, Age
Onset of action 36 – 72 h 2-4 h 0,5 – 2 h
Half-life 20/60 h 9-13 h 12 – 14 h
Interactions CYP 3A4 CYP 3A4
P –gp inhibitors
P-gp inhibitors
Renal elimination 92% inactive 33% 80%
1) Dabigatranetexilat (Pradaxa®)
Dabigatranetexilat ist ein Progrug für den oralen direkten Thrombininhibitor
Dabigatran. Die Hemmung des Thrombin erfolgt sowohl in freier Form, als auch in Gerinnsel
- gebundenem Thrombin und ist reversibel. Die Metabolisierung der Prodrug erfolgt rasch
und die Einnahme kann als fixe Dosis erfolgen. Die Ausscheidung über die Niere erfordert
14
allerdings vor Beginn der Therapie eine Abklärung der Nierenfunktion durch Creatinin
Clearance, sollt diese unter 30ml/min sein, besteht eine Kontraindikation. Bei Patienten über
75a oder bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte diese zumindest einmal jährlich
kontrolliert werden. Ebenfalls sollten regelmäßige Kontrollen erfolgen, wenn eine mögliche
Abnahme der Nierenfunktion während der Therapie zu vermuten ist, wie z.B. bei
Dehydratation und bei Sepsis.
Ein Vorteil von Dabigatran ist die Tatsache, dass nur das Thrombin und nicht wie bei VKA
eine Reihe von Gerinnungsfaktoren gehemmt ist, daher ist die Pharmakodynamik besser
voraussagbar (schneller Wirkungseintritt: 0,5 bis 2 Stunden, HWZ: 12 bis 14 Stunden) und
das Monitoring entfällt. Außerdem sind keine Interaktionen mit Nahrungsmittel32 vorhanden
und auch die Interaktionen mit anderen Pharmaka sind geringer (keine Metabolisierung
über das Cytochrom P 450 System).
Die Indikation zur Unterbrechung der Therapie mit Dabigatran besteht bei chirurgischen
Eingriffen. Der Vorteil gegenüber den VKA liegt in der kurzen Halbwertszeit. Bei großen
Eingriffen wird 2 Tage vorher abgesetzt. Ein niedriges Blutungsrisiko besteht bei Eingriffen
wie ERCP, Kapselendoskopie, Vorsorgebiopsie und Gastroskopie, hier ist kein Absetzen
notwendig.
Die Evaluierung von Dabigatran bei Vorhofflimmern erfolgte im Rahmen der RE-LY Studie33,
einer weltweiten prospektiven, randomisierten, offenen Studie mit verblindeter
Endpunkteauswertung, an der insgesamt 18 113 Patienten in 44 Ländern teilnahmen. Diese
Studie untersuchte den wirksamen Schutz vor thromboembolischen Prozessen bei Patienten
mit Vorhofflimmern in zwei gegebenen fixen Dosierungen ( 150 mg bzw. 110 mg 2x täglich)
im Vergleich mit einer VKA Therapie mit Warfarin (INR Bereich 2,0 bis 3,0 ) im
Beobachtungszeitraum von mindestens einem Jahr (durchschnittlich 2 Jahre) Als primäres
Ergebnis wurde Schlaganfall oder systemische Embolie definiert.
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass Dabigatran in der höheren Dosis von 150mg zweimal
täglich im Vergleich zur gut eingestellten Therapie mit VKA zu einer signifikanten Reduktion
des Schlaganfallrisikos um 35 % führte (jährliche Inzidenz: 1,11 versus 1,71% p < 0,001 für
Überlegenheit. Bei Behandlung mit Dabigatran 110mg zweimal täglich lag das Outcome mit
einer jährlichen Inzidenz von 1,54 % knapp unterhalb der Inzidenz mit Warfarin. Bei beiden
Dabigatran Dosierungsgruppen traten lebensbedrohliche hämorrhagische Zwischenfälle
signifikant seltener auf aus unter Warfarin . Dabigatran 110 mg zweimal täglich zeigt eine
70%ige Reduktion für intrakranielle Hämorrhagien, Dabigatran 150mg erreichte eine 59%ige
Reduktion.34
32
NutescuE et al.J Thromb Thrombolysis 2011;31:326-343) 33
Stuart J Connolly et al N Engl J Med 2009 361:1139-1151 34
Conolly et al,N engl J Med 2009 361: 1139-1151
15
Einfluss einer VKA Vortherapie
Eine Substudie von RE-LY35 bezieht sich darauf, dass Patienten mit Vorhofflimmern, die
vorbehandelt wurden mit VKA, anders auf Dabigatran reagieren als Patienten, die noch nie
VKA eingenommen haben (VKA naiv). Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl vorbehandelte, als
auch VKA naive Patienten von Dabigatran profitieren, wobei hier die Dosierung nicht
ausschlaggebend ist. Die Kaplan Meier Diagramme zeigen, dass der Benefit von Dabigatran
mit der Zeit zunimmt.
Perioperatives Blutungsrisiko
Ein Nachteil von Dabigatran ist die Tatsache, dass die gerinnungshemmende Wirkung von
Dabigatran mit den herkömmlichen Gerinnungstests nicht exakt zu messen ist, außerdem
existiert auch kein Antidot. Gerinnungstests für Notfallsituationen36: aPTT (aktivierte
partielle Thromboplastinzeit) ermöglicht eine annähernde Abschätzung der
Gerinnungshemmung, allerdings ist die Sensitivität eingeschränkt und für die präzise
Bestimmung der Gerinnungshemmung ungeeignet. Der mit Dabigatran kalibrierte
Gerinnungstest HemoclotR ermöglicht zwar eine Quantifizierung des Gerinnungsstatus, es
liegen aber keine validierten Referenzwerte für das Blutungsrisiko vor. Die Ergebnisse der
RE-LY Studie im Zusammenhang mit perioperativen Blutungen37 (7 Tage vor und 30 Tage
nach Operationen )ergaben keinen signifikanten Unterschied, wobei natürlich eine höheres
Risiko unter Notfallsbedingungen als bei elektiven Operationen auftrat, doch auch hier gibt
es keinen signifikanten Unterschied.
Einfluss einer TAH Therapie
Die Therapie von Patienten mit Vorhofflimmern besteht häufig auch in der Gabe von
Thrombozytenaggregationshemmern. Unter der Kombinationstherapie von Antiplättchen-
und Antikoagulationsmedikamenten treten allerdings schwere Blutungen häufiger auf als bei
Monotherapien. Allerdings muss in 20% der Fälle mit Vorhofflimmern aufgrund einer
Stentimplantation oder wegen einer koronaren Herzkrankheit ein TAH verordnet werden.
Dans et al. analysierte die RE-LY Studie hinsichtlich der Sicherheit der getesteten Substanzen
in Kombination mit Acetylsalicylsäure und/oder Clopidogrel bei 8.507 Patienten38. Die
Kombination erhöht das Blutungsrisiko in allen 3 Behandlungsarmen um etwa 60%
(niedrigstes Risiko: Dabigatran 110mg zweimal täglich). Das Ergebnis wurde durch die Dauer
35
Ezekowitz et al. 36
Van RynJ et al. thromb Haernost2010; 103:1116-1127 37
Healey J et al.Circulation2011;21s:Abstract12041 38
Dans Al et al.ESC 2011, Session709009-709010
16
der TAH Therapie und der Anzahl der verordneten Substanzen nicht beeinflusst.
Komedikation mit Amiodaron oder Verapamil:
Aufgrund der P-gp Inhibition können mögiche Interaktionen von Dabigatran mit diesen
Arzneimitteln auftreten. Zur Vermeidung sollte Dabigatran mindestens 2 Stunden vor
Amiodaron oder Verapamil eingenommen werden.
17
2) Rivaroxaban (Xarelto®)
Rivaroxaban ist ein direkter Inhibitor von Faktor Xa und unterbricht damit den intrinsischen
und extrinsischen Weg der Gerinnungskaskade. Die Thrombozytenaggregation wird dagegen
nicht beeinflusst, sodass die Blutstillung und der primäre Wundverschluss intakt bleiben. Im
Gegensatz zu den VKA wird die maximale Plasmakonzentration von Rivaroxaban bereits 2 – 4
Stunden nach der oralen Einnahme erreicht. Zur Pharmakokinetik wäre zu erwähnen, dass
2/3 des Arzneistoffes in der Leber metabolisiert wird und 1/3 durch die Niere, 1/3 durch die
Faeces und 1/3 unverändert durch die Nieren ausgeschieden werden. Der Metabolismus
erfolgt über CYP3A4, CYP2J2 und CYP – unabhängigen Mechanismen39 40. Rivaroxaban sollte
daher nicht mit CYP3A4 Inhibitoren (Ketoconazol, Itraconazol, Azolanmykotika) kombiniert
werden, da eine erhöhte Blutungsneigung daraus resultieren könnte. Dagegen wird die
Wirkung reduziert durch starke CYP3A4 Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und
Johanniskraut.
Für die Behandlung mit Rivaroxaban steht derzeit kein Monitoring der Gerinnungsparameter
in der klinische Routine zur Verfügung. Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit und der
Hep Test werden nicht empfohlen26. Nach dem Absetzen von Rivaroxaban können
kardiovaskuläre Zwischenfälle (Myokardinfarkt, Schlaganfall) auftreten, eventuell handelt es
sich um eine Rebound – Aktivierung der Koagulation, wobei die Ursachen dafür nicht geklärt
sind25.
In der ROCKET AF Studie41, einer randomisierte Doppelblindstudie, wurden bei 14.264
Patienten mit Vorhofflimmern bei erhöhtem Risiko für Schlaganfall Rivaroxaban (mit einer
Tagesdosis von 12mg) gegenüber der OAK mit dosisangepasstem Warfarin verglichen. Der
primär zusammengesetzte Endpunkt bestand aus Schlaganfall und systemischer Embolie. In
der ROCKET AF Studie gab es keine Hinweise auf Leberschädigungen, die auf Rivaroxaban
zurückzuführen wären. Wichtig für die geriatrische Therapie ist die Dosisreduktion bei
reduzierter GFR.
Fazit: Bei Patienten mit Vorhofflimmern erwies sich Rivaroxaban im
Vergleich zu Warfarin hinsichtlich der Prävention von Schlaganfall und systemischer Embolie
als gleichwertig. Es gibt keine Unterschied im Risiko einer schweren oder minderschweren
klinisch relevanten Blutung zwischen den Gruppen, intrakranielle und tödliche Blutungen
waren in der Rivaroxabangruppe allerdings signifikant seltener42 .
39
EMEA: Xarelto: European public Assessment Report (EPAR):http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/Epar/xarelto/H-944-en6.pdf. Stand:26.Mai2009 40
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19
Im Notfall bei Blutungen: kein Antidot43
20
Schlussfolgerungen
Für Patienten mit bestehender Vorhofflimmerarrhythmie besteht ein eindeutiger Vorteil in
der Gabe von oralen Antikoagulantien. Bei der Therapie mit Vitamin K Antagonisten liegt der
Standard bei einer angepassten Dosis mit INR 2 – 3, die neuen oralen Antikoagulantien
Dabigatran und Rivaroxaban werden mit einer fixen Dosis verabreicht und es sind im
Gegensatz zu den VKA keine Laborkontrollen notwendig.
Leider wird die Therapie mit OAK weiterhin aus Angst vor einer Blutungskomplikation fast
der Hälfte aller Patienten, die eine klare Indikation dafür hätten, vorenthalten, obwohl in
zahlreichen Studien über das Risiko-Nutzen Verhältnis der Benefit der Therapie eindeutig
bewiesen ist.
Der erwiesenen Effektivität der VKA steht ein signifikantes Blutungsrisiko gegenüber, dieses
Risiko ist bei den neuen oralen Antikoagulantien zumindest nicht stärker, wobei hier aber
tödliche intracranielle Blutungen signifikant seltener vorkommen. Beim geriatrischen
Patienten summieren sich natürlich weitere Risikofaktoren durch die erhöhte Sturzgefahr
infolge von Instabilität, Synkopen, Schwindel und Sarkopenie und zusätzlichen Erkrankungen
wie Hypertonie, Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit sowie durch Interaktionen von
verschiedenen Pharmaka und Lebensmitteln. Aufgrund der verbesserten Situation durch die
NOACs ist aber davon auszugehen, dass künftig mehr Patienten mit Vorhofflimmern
antikoaguliert werden, sodass damit auch eine effektive Schlaganfallprophylaxe zu erwarten
ist. Entsprechende Studien, die sich auf die Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten
beziehen, werden zeigen, ob die Anwendung auf diesem Gebiet effektiv sein wird.
Betreffend die Patientencompliance könnte durch die neuen oralen Antikoagulantien ein
weiterer Vorteil darin bestehen, dass das Monitoring entfällt, das bei den VKA in Form der
INR Kontrolle eventuell eine Belastung darstellen kann. Bekanntlich kommt es gerade beim
geriatrischen Patienten häufig zu einer starken Variabilität des INR Wertes, wodurch eine
dauernde Anpassung der VKA - Dosis und oftmalige Laborkontrollen notwendig sind. Auch
das Management bei invasiven Eingriffen ist bei den NOACs leichter zu managen als bei VKA.
Bei Eingriffen mit geringem Risiko (Gastroskopie, Coloskopie ZVK) ist kein Absetzen
notwendig, nur bei hohem Blutungsrisiko (neurochirurgische eingriffe, Aortenaneurysma OP,
große orthopädische Eingriffe) sollte man die NOACs 2 – 4 Tage vor der Intervention
absetzen.
Ein noch vorhandener Nachteil ist allerdings das Problem der fehlenden Antagonisierung,
sowie das Fehlen von eindeutigen Laborwerten. Allerdings werden die weiteren Erfahrungen
mit diesen Medikamenten auch eine größere Sicherheit in der anwendung gewährleisten.
21
22
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