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148 bbl 2010, Heft 4 August © Springer-Verlag 2010 Rechtsprechung Öffentliches Recht Bearbeitet von K. Giese Kärnten Abstandsflächen; unzulässige Verringerung der (Ab- stands-) Tiefe DOI 10.1007/s00738-010-0887-7 § 9 Abs 1 und 2 krnt Bauvorschriften Die Verringerung von Abstandsflächen ist nur zu- lässig, wenn eine Bauführung trotz Anpassung an Größe und Form des Grundstückes ohne Ver- ringerung der Abstandsfläche überhaupt nicht möglich ist. Wurde ein „vorhandener Baubestand“ in An- wendung des § 9 Abs 2 krnt BauV bewilligt, kann dieser Baubestand nicht die Grundlage für weite- re Abstandsverringerungen gemäß § 9 Abs 1 krnt BauV (ohne die schwer erfüllbaren weiteren Vor- aussetzungen des § 9 Abs 2 Krnt BauV) sein. VwGH 23.2.2010, 2007/05/0258 <104> Aus der Begründung: Zur vorrangig geltend gemach- ten Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 K-BV ist zu- nächst darauf zu verweisen, dass die Bf auf Grund der bisher erteilten Baubewilligungen ihren Wunsch nach Schaffung weiterer Wohnräumlichkeiten in einem er- weiterten OG durchaus erfüllen konnten. Mit dem nunmehrigen Vorhaben soll die Raumhöhe im OG ge- steigert werden, was sich zwangsläufig auf die Gebäu- dehöhe und damit die Abstandsfläche auswirkt. Die Raumhöhe kann in diesem Bereich nicht gesteigert werden, ohne dass sich das Ausmaß der erforderlichen Abstandsfläche ändert. Derselbe Zusammenhang be- stünde etwa, wenn ein Raum in horizontaler Richtung nur vergrößert werden kann, wenn der Seitenabstand verringert wird. Solche Fälle erfasst aber § 9 Abs 2 K-BV nicht. Nach dieser Bestimmung muss eine Bauführung, obwohl das Vorhaben der Größe und Form des Grundstückes ange- passt wurde, ohne Verringerung von Abstandsflächen überhaupt unmöglich sein; die Regelung des § 9 Abs 2 K-BV geht ja davon aus, dass diese Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein soll (Hauer/Pallitsch, Kärntner Bau- recht 4 , 403, unter Berufung auf die Gesetzesmat). „Über- haupt unmöglich“ war der erfolgte Dachbodenausbau, wie die bisherigen Bewilligungen zeigen, keineswegs. Wenn bloße Erweiterungen in horizontaler oder, wie hier, vertikaler Richtung zwangsläufig einen Einfluss auf die Abstandsfläche ausüben, wäre die damit verbundene Verringerung der Abstandsfläche nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Da die Schaffung von Räumlichkeiten im OG auch ohne die nunmehr geforderte Steigerung der Raumhöhe erreichbar war, fehlt es an der Vorausset- zung des Einleitungssatzes des § 9 Abs 2 K-BV, sodass auf die weiteren Anforderungen nicht einzugehen ist. Wohl hat der VwGH in seinem Erk v 20.9.2005, 2004/05/0185, eingeräumt, dass der Begriff „vorhande- ner Baubestand“ in § 9 Abs 1 K-BV auch ein einzelnes Bauwerk betreffen kann und die Anwendung der Be- stimmung für den Fall der Erneuerung eines Altbestan- des bzw für Zu- und Umbauten an einem Altbestand in Betracht kommt. Im Beschwerdefall wurde, wie dem Protokoll der Verhandlung v 4.11.1987 zu entnehmen ist, offenkundig in Anwendung des § 9 Abs 2 K-BV (in der StF; der Einleitungssatz des Abs 2 blieb unverän- dert) ein Seitenabstand von bloß 2,20 m erlaubt. „Vorhandener Baubestand“ ist hier die im Seitenab- stand bewilligte Garage; darauf bezieht sich das gegen- ständliche Vorhaben aber nicht, sondern auf das – bis- her ohne Ausnahmebewilligung konsentierte – OG. Ist „vorhandener Baubestand“ jener, der nur in Anwen- dung des § 9 Abs 2 K-BV bewilligt wurde, kann daraus allein nicht die Basis für beliebige Abstandsverringe- rungen nach § 9 Abs 1 – also ohne die oſt schwer erfüll- baren weiteren Voraussetzungen des § 9 Abs 2 – gesehen werden. Der Gebrauch der Mehrzahl „Abstände“ im Gesetzeswortlaut ist dadurch bedingt, dass „vorhande- ner Baubestand“ auch mehrere oder viele Bauwerke sein können (s abermals das Erk v 20.9.2005); damit wollte der Gesetzgeber – zumindest, was Zu- und Umbauten betri – zweifelsohne nicht bewirken, dass ganz andere Vorhaben, die mit dem vorhandenen Baubestand in keinem Zusammenhang stehen, der (privilegierten) Ausnahme nach Abs 1 deshalb teilhaſtig werden kön- nen, weil einmal die Ausnahme nach § 9 Abs 2 K-BV „gescha“ worden war. Einen solchen Zusammenhang hätte der Gesetzgeber ausdrücklich herstellen müssen. Die Beh haben daher (im Ergebnis) zu Recht das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes nicht näher geprüſt. (Abweisung) Niederösterreich Teichanlage; Wasserbecken; Bauwerk; subjektiv- öffentliche Nachbarrechte; baubewilligungspflichtige Maßnahmen DOI 10.1007/s00738-010-0888-6 §§ 4 Z 3 und 4, 14 Z 2, 17 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 48 nö BauO 1996 Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen bis zu 50 m 3 sind bewilligungs- und anzeigefrei (§ 17 Abs 1 Z 2 nö BauO).

Abstandsflächen; unzulässige Verringerung der (Abstands-) Tiefe

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Page 1: Abstandsflächen; unzulässige Verringerung der (Abstands-) Tiefe

148bbl2010, Heft 4

August

© Springer-Verlag 2010

Rechtsprechung

Öffentliches RechtBearbeitet von K. Giese

Kärnten

Abstandsflächen; unzulässige Verringerung der (Ab-stands-) Tiefe

DOI 10.1007/s00738-010-0887-7

§ 9 Abs 1 und 2 krnt Bauvorschriften

Die Verringerung von Abstandsflächen ist nur zu-lässig, wenn eine Bauführung trotz Anpassung an Größe und Form des Grundstückes ohne Ver-ringerung der Abstandsfläche überhaupt nicht möglich ist.

Wurde ein „vorhandener Baubestand“ in An-wendung des § 9 Abs 2 krnt BauV bewilligt, kann dieser Baubestand nicht die Grundlage für weite-re Abstandsverringerungen gemäß § 9 Abs 1 krnt BauV (ohne die schwer erfüllbaren weiteren Vor-aussetzungen des § 9 Abs 2 Krnt BauV) sein.

VwGH 23.2.2010, 2007/05/0258 <104>

Aus der Begründung: Zur vorrangig geltend gemach-ten Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 K-BV ist zu-nächst darauf zu verweisen, dass die Bf auf Grund der bisher erteilten Baubewilligungen ihren Wunsch nach Schaffung weiterer Wohnräumlichkeiten in einem er-weiterten OG durchaus erfüllen konnten. Mit dem nunmehrigen Vorhaben soll die Raumhöhe im OG ge-steigert werden, was sich zwangsläufig auf die Gebäu-dehöhe und damit die Abstandsfläche auswirkt. Die Raumhöhe kann in diesem Bereich nicht gesteigert werden, ohne dass sich das Ausmaß der erforderlichen Abstandsfläche ändert. Derselbe Zusammenhang be-stünde etwa, wenn ein Raum in horizontaler Richtung nur vergrößert werden kann, wenn der Seitenabstand verringert wird.

Solche Fälle erfasst aber § 9 Abs 2 K-BV nicht. Nach dieser Bestimmung muss eine Bauführung, obwohl das Vorhaben der Größe und Form des Grundstückes ange-passt wurde, ohne Verringerung von Abstandsflächen überhaupt unmöglich sein; die Regelung des § 9 Abs 2 K-BV geht ja davon aus, dass diese Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein soll (Hauer/Pallitsch, Kärntner Bau-recht4, 403, unter Berufung auf die Gesetzesmat). „Über-haupt unmöglich“ war der erfolgte Dachbodenausbau, wie die bisherigen Bewilligungen zeigen, keineswegs. Wenn bloße Erweiterungen in horizontaler oder, wie hier, vertikaler Richtung zwangsläufig einen Einfluss auf die Abstandsfläche ausüben, wäre die damit verbundene Verringerung der Abstandsfläche nicht die Ausnahme,

sondern die Regel. Da die Schaffung von Räumlichkeiten im OG auch ohne die nunmehr geforderte Steigerung der Raumhöhe erreichbar war, fehlt es an der Vorausset-zung des Einleitungssatzes des § 9 Abs 2 K-BV, sodass auf die weiteren Anforderungen nicht einzugehen ist.

Wohl hat der VwGH in seinem Erk v 20.9.2005, 2004/05/0185, eingeräumt, dass der Begriff „vorhande-ner Baubestand“ in § 9 Abs 1 K-BV auch ein einzelnes Bauwerk betreffen kann und die Anwendung der Be-stimmung für den Fall der Erneuerung eines Altbestan-des bzw für Zu- und Umbauten an einem Altbestand in Betracht kommt. Im Beschwerdefall wurde, wie dem Protokoll der Verhandlung v 4.11.1987 zu entnehmen ist, offenkundig in Anwendung des § 9 Abs 2 K-BV (in der StF; der Einleitungssatz des Abs 2 blieb unverän-dert) ein Seitenabstand von bloß 2,20 m erlaubt.

„Vorhandener Baubestand“ ist hier die im Seitenab-stand bewilligte Garage; darauf bezieht sich das gegen-ständliche Vorhaben aber nicht, sondern auf das – bis-her ohne Ausnahmebewilligung konsentierte – OG. Ist „vorhandener Baubestand“ jener, der nur in Anwen-dung des § 9 Abs 2 K-BV bewilligt wurde, kann daraus allein nicht die Basis für beliebige Abstandsverringe-rungen nach § 9 Abs 1 – also ohne die oft schwer erfüll-baren weiteren Voraussetzungen des § 9 Abs 2 – gesehen werden. Der Gebrauch der Mehrzahl „Abstände“ im Gesetzeswortlaut ist dadurch bedingt, dass „vorhande-ner Baubestand“ auch mehrere oder viele Bauwerke sein können (s abermals das Erk v 20.9.2005); damit wollte der Gesetzgeber – zumindest, was Zu- und Umbauten betrifft – zweifelsohne nicht bewirken, dass ganz andere Vorhaben, die mit dem vorhandenen Baubestand in keinem Zusammenhang stehen, der (privilegierten) Ausnahme nach Abs 1 deshalb teilhaftig werden kön-nen, weil einmal die Ausnahme nach § 9 Abs 2 K-BV „geschafft“ worden war. Einen solchen Zusammenhang hätte der Gesetzgeber ausdrücklich herstellen müssen.

Die Beh haben daher (im Ergebnis) zu Recht das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes nicht näher geprüft. (Abweisung)

Niederösterreich

Teichanlage; Wasserbecken; Bauwerk; subjektiv- öffentliche Nachbarrechte; baubewilligungspflichtige Maßnahmen

DOI 10.1007/s00738-010-0888-6

§§ 4 Z 3 und 4, 14 Z 2, 17 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 48 nö BauO 1996

Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen bis zu 50 m3 sind bewilligungs- und anzeigefrei (§ 17 Abs 1 Z 2 nö BauO).