Abu Qurrah die wahre Religion

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  • 8/8/2019 Abu Qurrah die wahre Religion

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    Des

    Theodor Ab Kurra

    Traktat

    Uber den Schpfferund

    die wahre Religion

    Ubersetzt von

    Dr. Georg Graf

    1913

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    DESTHEODOE ABU KREA

    TRAKTATBER DEN SCHPFER UND DIEWAHRE RELIGION.

    BERSETZTVON

    DR. GEORG GRAF,PFARRER IN DONAUALTHEIM.

    MUNSTER i. W. 1913.ASGHENDORFFSGHE VERLAGSBUCHHANDLUNG.

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    BEITRGE ZUR GESCHICHTE DER PHILOSPHHi

    TEXTE UND OTERSUCHUNGEN.

    IN VERBINDUNG MIT GEORG FREIH. VON HERTLINGUND MATTHIAS BAUMGARTNERHERAUSGEGEBEN VONCLEMENS BAEUMKER.

    BAND XIV. HEFT 1.DR. GEORG GRAF: DES THEODOR ABU KURRA TRAKTAT BERDEN SCHPFER UND DIE WAHRE RELIGION.

    MUNSTER i. W. 1913.ASGHENDORFFSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG.

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    Einleitung.Vor drei Jahren konnte ich die bis dahin im Drucke vor-

    liegenden, in arabischer Sprache abgefaten Schriften des syri-schen Bischofs Theodor Abu Qurra (Kurra) einem grerenInteressentenkreise in deutscher bersetzung zugnglich machenDie arabischen Schriften ^ des Theodor Abu Qurra, Bischofsvon Harrn (ca. 740820). Literarhistorische Untersuchungenund bersetzung (Forschungen zur christlichen Literatur- undDogmengeschichte, X. Bd. 3./4. Heft), Paderborn 1910. In-zwischen hat der verdiente Herausgeber der arabischen Zeit-schrift al-Masriq, P. Louis Cheikho (Seilio) S. J. in Beirut ein-weiteres, bisher verschollenes Werk des gefeierten Polemikersund Disputators ans Licht gezogen: Miraar von Theodor AbuQurra, Bischof von Harrn am Ende des 9. und Anfang des10. Jahrhunderts, ber die Existenz des Schpfers und dieivahre Religion" in al-Masriq XV (1912) S. 757774; dasselbeseparat: Traite inedit de Theodore Aboii Qurra (Abucara),eveque Melchite de Harrn, sur VExistence de Dieu et la VraieReligion", Beyrouth 1912. Die Abhandlung ist entnommeneiner dem Kloster Der as-Sir der Aleppiner-Kongregation (17 kmvon Beirut) gehrigen Handschrift aus dem 18. Jahrhundertund steht dort in einer Sammlung von 5 Majmir (Abhand-lungen) des Theodor Abu Qurra an erster Stelle (S. 259) -.Der Inhalt ist folgender:

    Im ersten Teile befat sich der Autor nur mit dem Gottes-beweise. Da er denselben auf Folgerungen vernunftgemerReflexion ber die bestehende Welt aufbauen will, so schickt

    ^ Im folgenden zitiere ich dieselben nur mit der in jener Ausgabe ge-whlten Numerierung IXL

    - Die brigen sind I, III, VIII und V der obigen Monographie.

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    6 Graf, Theodor Abu Kurra.er seiner Argumentation eine in konkrete Beispiele gefate Auf-zhlung der Erkenntnisweisen voraus (1 7). In stufenweisfortschreitender Induktion und unter Zuhilfenahme allgemeinmenschlicher Erfahrung konstatiert er die Mglichkeit und Wirk-lichkeit einer Erkenntnis von Dingen aus unmittelbar sinnlicherWahrnehmung (13) und jener Erkenntnis, welche gewonnenwird durch Schlufolgerung vom Individuum auf die Art (4),von der Art auf die Gattung (5. 6), und der rein abstraktivenErkenntnis auf Grund des Kausalittsprinzips (7). Auf diesemletzteren beruhen alle auf die Existenz des Schpfers bezg-lichen Erkenntnisse: Die Erde mu in ihrem Dasein und ihrerStabilitt von einer auer ihrer Natur liegenden unendlichenKraft erhalten werden (8), derselben, welche auch allen ge-schpflichen Dingen ihre Zusammensetzung gegeben und des-halb schon vor ihnen existiert (9) und welche alle Gegenstzeharmonisch verbunden hat (10). Auerdem erkennen wir ausder Betrachtung der Spuren" dieser schpferischen Kraft oderdes Schpfers auch seine Attribute: seine Weisheit (11), Gte,Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, und die ewige Vergeltung (12).Aus der Vernderlichkeit und Vergnglichkeit der Geschpfeaber wird geschlossen auf ihre Erschaffung aus nichts (13). Beider Frage, ob der Weltschpfer selbst auch erschaffen seinkann, wird die Absurditt derselben nachgewiesen (14. 15,dazu 16, wo einem Miverstndnis begegnet wird). Schlie-lich wird, wiederum mit Beiziehung eines konkreten Analogons,die Frage einer etwaigen Mehrheit von Schpfern unentschiedengelassen (17). Letzteres geschieht hier seitens des Verf. sicher-lich nur deshalb, um sich nicht fr den starren Monotheismusdes Judentums und des Islams festlegen zu mssen und dieMglichkeit einer Personenmehrheit im Schpfer frei zu lassen.Darauf deutet er hin, wenn er im Schlusatze ausspricht,da die bisher zum Beweise herangezogenen Spuren" Gottesin der Schpfung nicht zu dem Schlsse ntigen, da derSchpfer nur eine einzelne isolierte Person ist". (Einespekulative Erkenntnis der Trinitt auf Grund der Ebenbild-lichkeit Gottes im Menschen versucht der Verf. spter imfolgenden, 3537.)

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    Einleitung. 7

    Im zweiten Teile geht der Verf. von der Tatsache aus,da eine Vielheit von Bekenntnissen besteht, von denen einjedes sich als die wahre, geoffenbarte Religion ausgibt und frsich wirbt (18). Aufgefhrt werden die Lehrsysteme der demSternkult huldigenden Heiden (19), der Anhnger des Parsis-mus (20), der Samaritaner (21), Juden (22), Christen (23), Ma-nicher (24), der Adepten des Markion (25) und des Barde-sanes (26) und der Muslimin (27). Diese alle differieren so-wohl in der Gotteslehre wie in der Ethik und bezglich derEschatologie, whrend doch nur in einer Religion die Wahr-heit sein kann (28). Die Prfung der verschiedenen Religionenauf ihren Wahrheitsgehalt und ihre bernatrliche Offenbarung,angepat an ein ad hoc zugeschnittenes Gleichnis (29), ber-nimmt die Vernunft (30. 31). Aus der Beschaffenheit der mensch-lichen Natur, des Spiegelbildes der Gottheit, schliet die Ver-nunft via affirmationis, remotionis und eminentiae (durch Er-hebung zur Gegenstzlichkeit") auf Gottes Unendlichkeit, Ewig-keit, Allwissenheit und alle Vollkommenheiten (3234). Ebensovermag die Vernunft aus der Tatsache, da der Mensch Er-zeuger und Beherrscher von seinesgleichen ist, die entsprechendeVollkommenheit im gttlichen Wesen abzuleiten (35. 36), wo-durch sie zur Erkenntnis der Trinitt gelangt (37). Was diedem Mitmenschen gegenber zu geltenden Moralprinzipien (be-zglich des Erlaubten und Verbotenen") betrifft, so mssen die-selben sowohl den Postulaten der Selbstliebe wie den gtt-lichen Vollkommenheiten als ihrem Urbilde konform sein (38).Die jenseitige und ewige Vergeltung endlich wird erschlossenaus dem nicht blo auf ein irdisches, zeitliches Wohlbefinden(39), sondern auch auf ein ewiges Leben hingerichteten Glck-seligkeitsdrang in der menschlichen Natur, der ihr nur vonGott eingepflanzt sein kann (40). Diese von Gott uns in Aus-sicht gestellte Seligkeit kommt einer Teilnahme an der gtt-lichen Natur und Seligkeit gleich (41) und ist der Lohn fr dieGottliebenden; die Entziehung dieser Seligkeit aber ist Strafefr diejenigen, welche sich gegen ihn auflehnen (42).

    Diese von der natrlichen Vernunft geforderten Grund-lehren ber Gott, die Sittengesetze und die ewige Vergeltung

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    8 Graf, Theodor Abu Kurra.finden wir einzig und allein im Evangelium (4347). Somitist das Christentum die wahre, von Gott geoffenbarte Religionmit Ausschlu jeder anderen (48).Dem Einwnde, da dann auch Moses nicht als GesandterGottes gelten knne, gesteht der Verf. unter Hinweis auf dievon ihm intendierte rationelle Begrndung der wahren Religionzu, da die Vernunft an sich die mosaische Religion schonwegen ihrer doktrinren und ethischen Unzulnglichkeit ab-lehnen msse ; die Autoritt des Moses und der Propheten grndesich vielmehr auf ihre indirekte Besttigung durch das als wahrund gttlich erkannte Evangelium. Durch letzteres werden auchdie Mngel in der Lehre und im Sittengesetze des A. T. er-klrt (49).

    Zu dem bisher (2949) gefhrten Beweis fr die Wahr-heit der christlichen Religion auf Grund der inneren Kriterienfgt der Verf. noch als ueres Merkmal den Nachweis dergttlichen Kausalitt in der wunderbaren Einfhrung und Aus-breitung des Christentums. Whrend allgemein natrliche Mo-tive des Egoismus, des Zwanges, der Leichtglubigkeit und derermglichten Leichtlebigkeit den anderen Bekenntnissen An-hnger zufhren (50), sind diese Motive in der von den Apostelnverkndeten Religion gnzlich ausgeschlossen. Vielmehr er-rangen diese ihre Erfolge ohne uere Machtmittel und ohneKonzessionen an die Sinnlichkeit, und trotz der hohen undstrengen Anforderungen an Glaube und Leben (Vernunft undWillen, 51). Der Vorwurf der Tuschung und Irrefhrung durchdie Apostel wird hinfllig im Hinblick auf die vollkommenesittliche Umwandlung der verderbten Welt durch die Predigtder Apostel (52) und auf den augenscheinlichen bernatrlichenBeistand in den von ihnen gewirkten Wundern (53).

    Wir haben in der neu entdeckten Schrift eine durch ihreklare systematische Methode frappierende, in ihren wesentlich-sten Grundzgen gezeichnete Apologie des Christentums ausder Feder eines ebenso spekulativ wie praktisch veranlagtenVorkmpfers der orientalischen Christenheit aus einer Zeit-periode, in welcher, wie jetzt immer mehr erkannt wird, diereligisen Fundamentalfragen im Vordergrund der literarischen

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    Einleitung. 9

    Diskussion standen. Die konlirete Anschaulichkeit in der Pro-blemstellung und in der Entwicklung des Beweisganges zu-sammen mit der einfachen, ungeknstelten, dazu in der erstenPerson gefhrten Diktion lt den bisher schon als gewiegtenDisputator bekannten Verfasser ^ noch im besonderen auch alseinen eminent volkstmlichen Apologeten erkennen. Wie sehrseine Schrift praktischen Bedrfnissen entsprechen mute, ver-rt die getroffene Auswahl der nichtchristlichen Bekenntnisse,deren Lehrsystemen gegenber er die Wahrheit der christlichenReligion erweist. Denn smtliche acht von ihm aufgefhrten dis-sentierenden Konfessionen waren zu seiner Zeit und in seinerHeimat Syrien und Palstina vertreten und bildeten durchihr Dasein und ihre Propaganda eine mehr oder minder her-vortretende Gefahr fr die Bekenner des Evangeliums. Neben-bei sei bemerkt, da die Darlegungen unseres Autors nament-lich ber den Parsismus, Manichismus und das Lehrsystemdes Bardesanes eine sehr wertvolle Bereicherung der religions-geschichtlichen Quellenliteratur darstellen "^.

    Da die Autorschaft tatschlich dem Bischof Theodor AbuQurra zuzuerkennen ist, wie die handschriftliche berlieferungverlangt, kann keinem Zweifel unterliegen. Gegenstndlich undformell-methodisch finden sich zahlreiche Berhrungen mit denfrher edierten Traktaten. Auf die inhaltlichen Parallelen wirdin der folgenden bersetzung an Ort und Stelle verwiesen werden.Im besonderen sei hervorgehoben die Vorliebe des Verf. franschauliche Analogien, deren Gegenstnde zum Teil hier wiedort sich decken, wie das Gleichnis vom Knig (unten 30,31;vgl. XI 21, 23, 24) und vom Spiegel (unten 32; vgl. IV 5).Zum Schlsse sei noch das Urteil des Herausgebers L.Seih angefgt: II (ce traite) n'est en rien inferieur aux autrestraites d'Abou Qurra. C'est la meme vigueur de raisonnement,la meme originalite dans l'exposition, le meme style abondant"(S. 2 der franz. Vorrede). Das (literarische) Denkmal, daswir hier verffentlichen, gleicht den (brigen) Werken des

    ' Vgl. G. Graf, Die arab. Schriften des Th. S. 64, und dazu M. Hor-tens Referat in Oriental. Lit. Ztg. 14 (1911) Sp. 128 f. u. Theolog. Lit. Ztg. 36(1911) Sp. 397 f.

    ' Vgl. Die arab. Schriften des Th. S. 65.

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    10 Graf, Theodor Abu Kurra.Theodor Abu Qurra in der Kraft seines Beweises, der Beredt-heit seines Stiles, der Trefflichl^eit seiner Methode, der Kon-sequenz seiner Argumente, wodurch er die schwierigen Pro-bleme dem Verstnde nahe bringt, so da dieser sie ohne Mheerfat. Was seine Sprache anbelangt, so hat sie noch etwas vonder Hrte jener Zeit, in welcher das Werk geschrieben wurde,da das Arabische unter den Christen jenes Landes erst neuverbreitet war. Aber trotzdem ist sie nicht frei von trefflichenVorzgen, wie Klarheit, Korrektheit und leichte Verstndlich-keit" (S. 1 der arab. Vorrede).

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    I. ber die Existenz des Schpfers ^ s. 41. Ich sage: Wir haben eine innere Vernunft und uere

    Sinne, das heit: ein Sehen mit dem Auge, ein Gehr mit demOhre, einen Geruch mit der Nase, einen Geschmacli mit demMunde und ein Gefhl mit den Hnden und den brigen krper-lichen Gliedern. Und ich sage: Die Vernunft empfngt zuerstmittels dieser Sinne die Kenntnis von den (verschiedenen) Teilender sichtbaren und fhlbaren Naturen dieser Welt, etwa infolgender Weise'-: Ich hatte das Meer noch nie gesehen; soging ich zu ihm hin und sah es mit meinem Auge, hrte seinRauschen mit meinem Ohr, sprte seinen Geruch mit meinerNase, schmeckte es mit meinem Munde und fhlte es mit meinerHand. Dann entfernte ich mich von demselben, und was ichvon ihm gesehen, gehrt und gefhlt hatte, (blieb) in meinerVernunft innerlich offenbar, andauernd und eingeprgt.

    Es ist klar, da meine Sinne nur einen Teil von derKenntnis des Meeres meiner Vernunft zufhrten, denn meinGesicht brachte mir nicht den Anblick des ganzen Meeres nochmein Gehr das Rauschen des ganzen, und auch mJt meinemGerche, meinem Gefhle und meinem Geschmaclce war esnicht anders als so. Alles, was meine Vernunft mit ihrenSinnen erreichte, war (nur) die soeben beschriebene Kenntnisvon den Teilen des Meeres.

    2. Ebenso merkte ich, da meine Vernunft mittels der s. 5Sinne die Kenntnis von allen Dingen des Himmels und der

    ^ Am Rande sind die Seiten der Separatausgabe vermerkt. DieNumerierung der Absclmitte rlirt von mir her.

    - Zu den hier und im folgenden (1 7, 10 und 3236) beschriebenenErkenntnisweisen vgl. Opusc. 3 des 0s6dcoQog 'Aovxaq in Migne, P. G. 97,1496 CD, 1497 A, wo sie prgnant in die Formeln gefat sind: 1. s^ Tfjg ISiagVJKXQ^ewg, 2. ex tov 6/j.oiov, 3. i^ i'xvovg, 4. e^ tvXnarog, 5. ek tmv Evavxicov.

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    12 Graf, Theodor Abu Kurra.Erde und dessen, was dazwischen ist, erwarb, von denen ictiTeile sah, wie die Luft, die Wolken, den Regen, den Schneeund was dergleichen ist, die Berge, die (verschiedenen) Gattungenvon Vgeln und Tieren, die Vierfler der Erde, die Bumeund Pflanzen, die Bewohner des Meeres und alle brigen Dinge,welche sinnenfllig sind.

    3. Ebenso sah ich auf die gleiche Weise eines Tages einenBaum von den Eichen und darauf zwei ste, von denen dereine quer ber dem andern lag ^ Der Wind bewegte beide,und der eine rieb sich am andern, und sie wurden so sehr(aneinander) gerieben, da aus ihnen Feuer hervorsprang undan ihnen emporflammte. Dabei sah ich Wasser und Dampfaus ihnen hervorkommen wie das gesehene Feuer, und beideverbrannten und wurden zu Asche und Staub. Da erkanntemeine Vernunft aus dem, was ich geschaut hatte, da in denbeiden Zweigen Feuer und Wasser und Luft und Staub (Erde)war, und ich erkannte auch, da sie aus diesen (Dingen) ver-bunden und zusammengesetzt waren. Ebenso sah ich Eisenan einem Steine gerieben werden, und aus beiden kam Feuer.Da wollte ich sie prfen, brachte sie ins Feuer und sah, daein jedes Wasser und Dampf ausschwitzte, und sie schlielichsich auflsten und Asche und Staub wurden. So erkannte ich,da auch diese gleich den beiden Zweigen aus jenen vier Dingenzusammengesetzt und verbunden waren.

    4. So, sage ich, erkennt die innere Vernunft in derselbenWeise anfangs die Naturen mittels der ueren Sinne nichtprimr, sondern aus dem Hinweise ihrer Teile, deren Kenntnissie zuvor durch ihre Sinne erworben hat, etwa auf folgendeArt: Ich hatte eines Tages Durst und nahm vom Wasser desMeeres einen Schluck, um zu trinken. Als ich es verkostethatte, und es mir nicht gefiel, warf ich es aus, und es floabwrts, bis es auf die Erde fiel. Daraus, da ich es nichttrinken konnte, und daraus, da ich es in meinen Mund ge-bracht hatte, so da er es umschlo, und daraus, da ich esauswarf, so da es niederflo, bis es die Erde berhrte undauf die Erde fiel, wute ich nun, da alles Wasser des Meeres,

    Wrtlich: von denen der eine auf dem andern ritt."

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    I. ber die Existenz des Schpfers. 13das ich gesehen und nicht gesehen hatte, gleich diesem Schluckenicht trinkbar ist, und da alles, was begrenzt und umschlossenist, wenn es niederfllt, nicht stille steht, bis es etwas findet,von dem es getragen wird, und worauf es fest bleibt. Ebensohatte ich Hunger und nahm meine Speise vom Staube, ohnezu wissen, ob er zu meiner Speise tauglich sei, und ich nherteihn meinem Munde. Als er mir aber nicht gefiel, warf ich ihnaus, und er hrte nicht auf zu fallen, bis er die Erde berhrteund auf sie fiel, und nun wute ich auf diese Weise, da dieganze Erde nicht zu meiner Speise taugt, und da sie ganzbegrenzt und umschlossen ist und ihrer Natur nach sich nachabwrts bewegt, bis sie etwas findet, wovon sie getragen ist,und worauf sie steht. So hat meine Vernunft die Folgerungen s. 6gezogen zur Erkenntnis der Gesamtzustnde der groen Dinge,(eine Erkenntnis,) welche alle Sinne zusammen aus den Teilenderselben nicht erlangen.

    5. Deshalb sage ich ferner: Die Vernunft erlangt die Kennt-nis des Gesamtzustandes einer jeden Art der Lebewesen ausdem einzelnen Teile der Art, und aus einer der Art auch dieKenntnis von allen, etwa in folgender Weise : Ich hatte nochkeinen Toten gesehen, da sah ich (einmal) eine Ansammlungvon vielen Menschen und sah (bei ihnen) einen Toten undfragte sie: Was ist dies? Sie antworteten: ein Toter. Indemich sie nun allesamt ihrer Natur nach ihm hnlich sah, berden da der Tod gekommen war, so schlo meine Vernunft vondiesem einen darauf, da der Tod ber alle Menschen komme,und zwar kam diese Erkenntnis nicht von dem Sehen meinesAuges, weil ich ja nicht alle Menschen tot gesehen hatte, son-dern nur einen derselben, von dem aus ich jenen Schlu aufalle gemacht habe.

    Ebenso schlo ich von einem Raben, den ich tot sah, aufalle Raben, und von einem Adler auf (alle) Adler, desgleichenbei den anderen Tieren: von einem Pferde, Stier, Hund, aufalle Pferde, Rinder und Hunde, und aus diesen genannten Arten,nmlich dem Menschen, Adler, Raben, Pferd, Stier, Hund, er-kannte meine Vernunft auch, da es sich mit allen Vgeln undallen Land- und Meerestieren und berhaupt mit jedem Lebenden,die ich mit meinem Auge nicht tot gesehen hatte, ebenso verhlt.

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    14 Graf, Theodor Abu Kurra.6. In dieser Weise erkannte ich ferner von allen belebten

    und nicht belebten Gattungen, d. h. den Bumen und PflanzenInsgesamt und den Metallen und Steinen, die kein Wachstumhaben, da sie aus den vier Elementen zusammengesetzt sind.Denn indem meine Vernunft den einen Baum der Eiche schaute,erkannte sie, da er aus Feuer, Luft, Wasser und Erde ver-einigt ist, und schlo von ihm auf alle Bume von derGattung Eiche, da sie (ebenfalls) aus diesen (Elementen), ver-bunden sind. Und von dieser Gattung schlo sie auch auf dieBume der Gattung Zeder, Weide, Mandel, Feige und auf alleBume und belebten Pflanzen, da sie aus jenen vier Elementenzusammengesetzt sind. Ebenso schlo sie von dem einen Eisenauf alle Arten von Eisen und von der Art Eisen auf alle Artenvon Metallen, von dem einen Steine auf alle Arten von Steinen.In dieser Weise machte sie von den belebten Krpern der Bumeund den nicht belebten Krpern der Metalle und Steine ins-gesamt ihre Schlsse und erkannte, da alle Krper der Vogel-arten und der Arten der Land- und Meerestiere und die Krperder Menschen und (berhaupt) jeder zusammengesetzte Krperaus den vier Elementen gesammelt und zusammengesetzt sind,nmlich aus Feuer, Luft, Wasser und Erde.

    Bis zu dieser Stelle habe ich beschrieben, wie meine Ver-nunft mittels ihrer Sinne die Kenntnis von den Teilen der fhl-

    s. 7 baren Naturen erwarb, und wie sie aus den Teilen einer jedenArt der Natur die Kenntnis ihrer Gesamtheit, und aus einerder Naturen die Kenntnis aller Naturen erwarb.

    7. Hernach sah ich, da es meiner Natur mglich ist,innere Dinge zu erkennen, von denen sie berhaupt nichts,weder einen Teil noch etwas anderes als einen Teil, mit ihremAuge wahrnimmt, aber (da es ihr mglich ist) aus den Spurendieser Dinge auf sie zu schlieen und ihre Beschaffenheit ausihrer Ttigkeit zu erkennen, auf folgende Weise:

    Ich ging eines Tages den Ufern des Nil entlang ^ undsah viel Holz, das von seinem Walde abgeschlagen und ber-

    ^ Die Wahl des Nilflusses als Beispiel erinnert an den Beiicht desChronisten Michael des Syrers, da unser, von ihm Puggl genannte Autorsich eine Zeitlang in gypten aufgehalten habe. Vgl. Die arab. Schriftendes Th. A. Q. S. 15.

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    I. ber die Existenz des Schpfers. 15fhrt und an das Ufer des Nil gebracht worden war. Ich hattenoch nie Holz gesehen, das von seinem Orte, an welchem esgewachsen war, abgeschlagen war, und meine Vernunft sagte:Dieses wurde von einer auerhalb seiner Natur liegenden Ur-sache hierher gelegt; seiner Natur nach kommt es ihm nicht zu,sich selbst umzuhauen und sich von einem Orte an einen andernzu bertragen. Daraus, da ich es einer auerhalb seiner Naturliegenden Ursache unterworfen sah, erkannte ich, da etwasStrkeres, als es selbst ist, es mit seiner Kraft abgeschlagenund an jene Stelle berfhrt hat, auch wenn ich dieses Dingnicht erblickte. Nach einigen Tagen ging ich wieder an demHolze vorber und sah es zersgt und aus ihm ein Schiff ge-fertigt und erkannte so, da jener Starke, welcher es an jenenOrt geschleppt und aus seiner Bearbeitung ein Schiff gebauthatte, auch weise ist. An einem andern Tage darnach gingich (wieder) vorber und sah das Schiff auf dem Flusse mitNahrungsmitteln gefllt und erkannte, da sein starker undweiser Besitzer auch Brot bedrfe, denn es sollte fr das Lebenvon Menschen in der Ferne dienen, und so hat er es herge-stellt. (Und von da an) merkte ich, da es meiner Vernunftmglich ist, aus den Dingen ihre Verfertiger zu erkennen,welche mit keinem Sinne gesehen werden, und da sie nuraus ihren Spuren und ihrer Ttigkeit erkannt werden.

    8. Nachdem ich nun wute, da es mglich ist, die Kennt-nis eines Dinges, das mit den Sinnen absolut nicht gesehenwird, zu erwerben, ohne da man es sieht, und (ebenso dieKenntnis) seiner Verfertiger, wie ich beschrieben habe, da er-kannte ich ferner, da der Vernunft, wie die Kenntnis dieserArt, (auch) die Kenntnis der erkennbaren Gesamtheit derGattungen der Dinge mglich ist, nmlich die Erkenntnis desSchpfers, auf folgende Weise:Wir wissen \ da die ganze Erde in ihrer Gesamtheit vonallen Seiten begrenzt und umschlossen ist und im Falle nach

    ^ An der Parallelstelle IV 2 beweist A. Q. in hnlichen Schlufolge-rungen, da eine unkrperliche Kraft die Erde in ihrer Stabilitt er-halte. Hier heit er sie nur etwas anderes als ihre Natur". Vgl. noch P. G.97, 1493 D.

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    16 Graf, Theodor Abu Eurra.unten abwrts gleitet, whrend sie docli von Natur aus niclitabwrts gleitet und sich nicht bewegt. Es trifft bei ihr daseine von zwei Dingen zu: entweder steht sie auf einem Krperauf, der sie trgt, so wie es ihrer Natur entsprechend ist, odernicht. Wenn sie auf einem mit ihrer Natur bereinstimmendenKrper steht, so mu dieser Krper auf etwas anderem stehen,und dieses andere wieder auf etwas anderem und so eines aufdem anderen, bis man auf tausendmal tausend und mehr kommt.Sie mssen schlielich bei einem Dinge endigen, unter demnichts mehr ist, wovon es getragen wird, und die Erde unddas, was sie trgt, stehen zugleich auf etwas, was auerhalbihrer Natur liegt.

    Auf welche der beiden Weisen nun auch die Sache mitder Erde sich verhlt, d. h. mag unter ihr etwas sein odernicht, sie steht auf etwas, was anders als ihre Natur ist. Soexistiert nun jedes Ding auf Grund von etwas, was auerhalbseiner Natur ist, und etwas anderes ist strker als jenes undbezwingt es und tut mit ihm eigenmchtig anders als es in

    s. 8 in seiner Natur liegt. Nachdem wir die Erde auf etwas stehensehen, was auerhalb ihrer Natur ist, erkennen wir, da sieohne Zweifel von etwas Strkerem, als sie selbst ist, durchdessen (eigene) Kraft getragen wird, und wir sehen die Kraftdieses die Erde tragenden Dinges ber (alle) Beschreibung er-haben. Denn seine Kraft vermag die gesamte Erde zu tragenund alles, was auf ihr ist, nmlich die Meere und die Bergeund anderes, und es ist nicht (hierzu) zu schwach, und weiles so seit vielen Zeiten und Jahrhunderten besteht, ist es un-ermelich und unvergnglich, und dieses die Erde tragendeDing hat kein Ende.

    9. Ferner erkennen wir in hnlicher Weise, da die Greder Kraft dieses Starken in einer anderen Beziehung noch be-deutender ist als in dieser Beziehung ^ Wir sagen: Wir er-kennen auch, da alle Gattungen, die auf der Erde und imMeere sind, wie die Bume und Pflanzen, alle Lebewesen, dieBerge und andere aus den vier Elementen zusammengesetztenDinge gesammelt und zusammengesetzt sind aus der Luft, dem

    ^ d. h. als durch Erhaltung der Erde in ihrer Stabilitt".

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    I. ber die Existenz des Schpfers. 17Feuer, dem Wasser und dem Staube. Was zusammengesetztist, dessen Teile sind frlier, als es selbst ist, (und zwar) derNatur nach, und meistens sind sie zudem auch noch der Zeitnach frher (als das Ganze), wie es der Fall ist bei der Zu-sammensetzung des Hauses, das aus Steinen, Lehm, Holz undNgeln und anderem verbunden ist, was (alles) der Natur undder Zeit nach frher ist als das Haus.

    Wir wissen, da die Erde und das Wasser sich in derLage befinden, da ihre Natur vor ihrer Zusammensetzung siezwingt, zu Unterst hinabzusteigen ohne Aufwrtsbewegung,und im Gegensatz hiezu Feuer und Luft von ihrer Natur ge-zwungen werden, zu oberst hinaufzusteigen ohne Abwrts-bewegung, mit Ausschlu einer wechselseitigen Begegnungzwischen diesen beiden und jenen beiden anderen. Da wir abersehen, da diese vier Elemente sich zur Mitte erheben und sichineinander verschlingen, und da wir finden, da diese beidenvon den obersten Hhen herabsteigen und jene beiden von denuntersten Tiefen sich erheben auf Grund von etwas anderem,als ihre Naturen sind, so erkennen wir, da dieser Starke, dessenKraft unbeschreiblich ist, mit seiner Kraft (alles) berragendsich ausbreitet und sowohl die beiden, welche sich erheben, be-zwingt und sie nach unten sich bewegen lt, als auch die beidenunteren bezwingt und sie aufsteigen lt, und (alle) in der Mittedurcheinander bringt. Wenn einer sagt: Sie sind immer in derMitte, so stimmen wir ihm bei und sagen: Wenn sich die Sacheso verhlt, wie du behauptest, so sind sie eben (nur) von diesemStarken, auf Grund einer auer ihrer Natur liegenden Ursache,in der Mitte zusammengehalten, indem jene sich nicht erhebenund diese nicht hinabsteigen. In welcher Beziehung ihre Sacheauch genommen wird : die Kraft ist eine und dieselbe, d. h.diejenige Kraft, welche sie in der Mitte festhlt, und diejenige,welche jene von oben niedersteigen und diese von unten auf-steigen lt. Also ist die Kraft dieses Starken in dieser Be-ziehung ^ noch grer als in der ersten ^.

    ' d. h. in jener Beziehung, die hier unter 9 beschrieben ist." d. i. die unter 8 beschriebene Beziehung.Beitr. XIV, 1. Graf, Theodor Abu Kurra. 2

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    18 Graf, Theodor Abu Kurra.10. In hnlicher Weise wird die Kraft dieses Starken und

    ihre Gre und ihr Ma noch in einer anderen Beziehung er-kannt. Wir sagen: Es ist nicht unbekannt, da das Feuer unddie Luft und das Wasser und die Erde von Natur aus (ein-ander) entgegengesetzt sind, indem sie sich gegenseitig auf-zehren, und siehe: wir sehen sie verbunden in jenen Naturen,welche auf Grund einer auerhalb ihrer liegenden Ursachezusammengesetzt sind, und (sehen sie) in wohlgeordnetem Zu-

    s. 9 Stande und mit aufgehobener Gegnerschaft. Daraus, da wirsie so sehen, wissen wir, da dieses starke Ding etv>^as ist, wassie mit seiner Kraft fest zusammenhlt und sie bezwingt inallem, worin sie sind, nmlich in den Bergen, Bumen undPflanzen, den Vgeln, den Land-, Kriech- und Meerestieren undin den Menschen. Wir sehen sie, wenn wir sie auch nur denkrzesten Augenblick (aus ihrer Verbindung) frei lassen, imWiderstreite miteinander und jene beiden sich zu oberst hinauferheben und die beiden anderen zu unterst hinabsteigen, unddie Welt wrde so, wie wir angefhrt haben, in einem Augen-blicke zugrunde gehen. Aus dem von uns beschriebenen Be-stnde und der Ordnung dieser vier Teile in den Dingen, ausdem Herabkommen der oberen und der Erhebung der herab-kommenden Dinge und ihrer Durcheinandermischung in derMitte und aus ihrer Bestndigkeit, und zwar alles auf Grundvon etwas anderem als ihrer Natur, erkennen wir, da dieserStarke, dessen Kraft unermelich und dessen Macht unbeschreib-lich ist, auch allmchtig ist.

    11. Ferner: daraus, da wir von diesem Starken sehen,wie er aus diesen vier Teilen auf der Erde Unermeliches undUnzhlbares verbunden und zusammengesetzt hat, nmlich dievielen Gattungen von Bumen und Pflanzen, Bergen, Metallen,Vgeln, Land- und Kriechtieren, die auf der Erde und im Meerekriechen, erkennen wir, da er weise ist, und seine Weisheitgleich seiner Kraft unermelich.

    12. Ferner: daraus, da wir sehen, wie diese von uns er-whnten Gattungen und der Himmel und die Erde, die Luft,die Sonne, der Mond und die Sterne, das Wasser des Meeresund der Flsse und die Quellen und alles Sichtbare dem Lebendes Menschen dienlich sind, erkennen wir, da dieser Starke

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    I. ber die Existenz des Schpfers. 19und Weise auch mitteilsam und gtig ist, und seine Gte ent-sprechend seiner Weisheit und Macht unermelich.

    Ferner: weil wir neun Zehntel der Menschen bse sehen,ohne da sie vernichtet und bestraft werden, vielmehr von seinerGte ebenso bedacht werden wie die Guten, so erkennen wir,da er endlos huldvoll ist.

    Daraus, da wir sehen, wie er den Bsen Aufschub ge-whrt, indem er sie nicht vernichtet, sondern sie ertrgt, er-kennen wir, da er barmherzig und langmtig ist und zwardeshalb, weil .er auf ihre Zerknirschung und Bue hofft.

    Und weil wir sehen, wie er gegen den, dessen Bosheitzu gro geworden ist, eifert und sein Andenken von der Erdevertilgt, erkennen wir, da er gerecht ist und einen jeden be-straft fr seine schlechten Handlungen.

    Weil wir sehen, wie viele Bse in der Welt sich in mannig-fachem Wohlleben bewegen, ohne da sie hierbei ein bel trifftoder irgend eine StrafVergeltung, die sie verdienen, und weilwir ferner Gut?e in der Welt mhselig sehen, ohne da sie inihr etwas Gutes schauen oder eine Belohnung fr ihr Gutestun,und weil wir wissen, da er gerecht und nicht ungerecht ist, s. 10so erkennen wir, da er einmal die Geschpfe versammeln undvon dem Tode auferwecken, die Guten nach dem Mae ihrerTugenden belohnen und die Bsen nach dem Mae, wie sie esverdienen, bestrafen wird.

    So schlieen wir auf diesen Werkmeister und seine Eigen-schaften aus seinen Spuren und seiner Ttigkeit.

    13. Wir sagen ferner von diesem Werkmeister: Die Ver-fertigung dieser Dinge geschah nicht aus etwas, was er bereitshatte und immer besa, wie etwa der Schreiner, dessen Werknicht entstehen kann, wenn sich kein Holz vorfindet, oder beimSchmied kein Eisen, sondern aus nichts hat er sie erschaffenund hervorgebracht. Deshalb ist er nicht nur Werkmeister,sondern Schpfer. Der Beweis hierfr ergeht aus dem Beweisdes Ewigen und Zeitlichen und aus der Verschiedenheit der-selben. Denn das, was immer war, nimmt keine Vernderungan und vergeht nicht und wird nicht vernichtet, und deshalbist es bestndig und dauernd. Das zeitlich entstandene Ding

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    20 Graf, Theodor Abu Kurra.aber verhlt sich im Gegensatze hierzu. Denn sein Anfangund seine Mitte und sein Ende verlaufen in Weise der Ver-nderung und des Vergehens, d. h. es war (einmal) nicht undwar (dann), und dies ist der Anfang einer Vernderung, undindem es war, nahm es Vernderung und Vergehen an in seinembergang von dem einen ins andere seines ganzen Zustandes,und schlielich vernderte es sich (wieder), wurde zerstrt,wurde zu nichts und kehrte zum ersten Zustand zurck, welcherdas Nichtsein war. Daraus erkennen wir, da das, was keineVernderung und kein Vergehen in etwas annimmt, ewig, unddas, was Vernderung annimmt, zeitlich ist. Und weil wiralle sichtbaren Dinge sich aus etwas in etwas verndern undvergehen sehen, so erkennen wir, da sie zeitlich, einmal her-vorgebracht sind, (einst) nicht waren und (dann) waren.

    Indem wir ferner mit eigenen Augen sehen, wie sie sichgegenseitig aufreiben und vernichten, und wir dieses besondersaus der Verbindung von Feuer und Wasser erkennen, weilwenig Wasser, wenn es in viel Feuer geschttet wird, ver-brennt und aufgesogen und vernichtet wird, so wissen wiraus seiner Vernichtung, da ein Vernichter ber sie gekommenist. Ebenso ist es mit dem Wasser und dem Feuer und derLuft und dem Staube und allem, was Vernderung annimmt.Also ist jener starke und weise Werkmeister auch Schpfer,und aus nichts hat er die Dinge hervorgebracht und geschaffen.

    14. Nachdem die Vernunft die Sache mit der Schpfungvollendet und von ihr erkannt hat, da sie hervorgebracht ist,und nachdem sie ihren Werkmeister und ihren Schpfer ausder Schpfung erkannt hat, gleich als ob sie sich zu ihremSchpfer erhoben htte, so sagt sie: Ich habe (zwar) von ihmerkannt, da er Schpfer ist; vielleicht ist er aber, trotzdemer Schpfer ist, auch erschaffen. Und sie will wissen, ob ererschaffen ist oder unerschaffen, und sagt: Wenn er erschaffenist, so ist er von einem anderen erschaffen. Und bezglichdes andern kommt sie (wieder) in Zweifel, ob er (auch) voneinem andern ist, und der andere wieder von einem andernund so einer von dem andern, bis sie zu tausendmal tausendund mehr kommt. Notwendig mssen wir aber einen kennen

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    I. ber die Existenz des Schpfers. 21lernen, der Schpfer und dabei unerschaffen ist. Wenn aber einunerscliatlener Schpfer existiert, so will die Vernunft wissen,ob dieser derselbe ist, der uns erschaffen hat, oder ob er einanderer ist als der, welcher der Schpfer von uns ist, und siesagt: Wenn es nach dem hchsten Wesen noch geschaffenegbe, die erschaffen, so kme es auch diesen nicht zu, dasEnde zu bilden in der Reihe der Geschpfe, die nicht mehr s. ilerschaffen, wie etwa die Menschen. Sie sieht also, da mitunserer Erkenntnis der unerschaffene hchste Schpfer erreich-bar ist und (auch) die Kenntnis des nicht erschaffenen niedrig-sten Geschpfes (mglich) ist darber gibt es augenschein-lich keinen Zweifel.

    15. Die Vernunft will wissen, ob die geschaffenen underschaffenden (Wesen), welche der Zweifel als Mitteldinge ein-fhrt, wirklich existent sind oder nicht existieren, und sie er-kennt, da sie nicht existent sind; denn es gibt nichts, waszugleich geschaffen und erschaffend ist. Wrden sie nmlichexistieren, so wrde ein jedes von ihnen seinesgleichen er-schaffen, d. h. ein jedes von ihnen wre geschaffen und er-schaffend, und weil berhaupt gar kein Ding seinesgleichenerschafft, so sind jene nicht existent. Der Beweis dafr, danichts etwas sich Gleiches erschafft, ist dieser: Nichts erschafftetwas sich Gleiches. Der erschaffene Mensch kann seines-gleichen nicht erschaffen, und Gott, welcher (zwar) alles kann,steht es nicht zu, seinesgleichen zu erschaffen. Wenn aberweder der Mensch noch Gott, welche wir kennen, ihresgleichennicht erschaffen, dann kann berhaupt nichts seinesgleichenerschaffen, sonst wre es an Macht grer als Gott. Da abernichts seinesgleichen erschaffen kann, so existieren die ge-schaffenen und ihresgleichen erschaffenden Dinge, welche derZweifel als Mitteldinge einfhrt, (in Wirklichkeit) berhauptnicht. Also gibt es nur einen unerschaffenen Schpfer undein nichterschaffendes Geschpf, und in der Mitte zwischenbeiden gibt es nichts anderes.Was von diesen beiden (speziell) den Schpfer anlangt,so ist es derselbe, welcher die Welt erschaffen hat, und dessenGeschpfe auch wir sind. Und wir haben e^^kannt, da er

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    22 Graf, Theodor Abu Kurra.Gott (h) ist, immerwhrend, unerschaen, der jedes Ding ausnichts erschafft, den kein anderer erschuf, mchtig, dessen Machtunendlich ist, weise, mitteilsam, gtig, wohltuend, erbarmend,langmtig, geduldig, ertragend, wissend, gerecht, Auferweckerder Toten, Lebendigmacher, den Guten Vergelter ihrer Tugendenund den Bsen Vergelter ihrer Bosheit.

    16. Wenn einer sagt: Du behauptest, kein Ding bringeetwas sich Gleiches hervor, und siehe! wir sehen, da derMensch etwas sich Gleiches hervorbringt so antworten wirihm : Wir haben nicht gesagt, da kein Ding etwas sich Gleicheshervorbringe, sondern wir sagten, da kein Ding etwas sich Gleicheserschaffe. Was den Menschen anlangt, so wissen wir vonihm, da er seinesgleichen in der Geburt (Erzeugung) hervor-bringt, wenn er will. Was aber das Erschaffen anlangt, sowissen wir, da es ihm nicht zusteht, auch wenn wir die Unter-suchung darber hier unterlassen, weil dies nicht der Ort da-fr ist. Denn unsere Absicht war nur allein, zu beweisen, daGott existent ist ohne (Abhngigkeit von) seine(n) Geschpfe(n).

    Wahrlich! auf diesen Gott und auf seine Eigenschaftenweist die Natur unserer Vernunft hin (durch Folgerungen) ausseinen Spuren und seinen Ttigkeiten.

    17. Nachdem ich aus ihr dieses erkannt hatte, wollte ichauch eine andere Beziehung wissen, (nmlich) ob dieser Schpfereiner ist oder mehr als einer, oder ob es in jenen Naturen einenHinweis auf irgend etwas davon gibt, und ich suchte es zufinden (aber umsonst). Denn sie weisen nicht auf etwas davonhin, in folgender Art: Wir waren eine Schar Leute und reistenauf einem Weg. Wir gelangten an einen Weinberg und saheneinen Mann Steine sammeln und einen Weinberg einzunen,und er beeilte sich sehr bei seinem Bauwerke. Wir gingen

    s. 12 ein wenig weiter und sahen einen andern Weinberg und be-obachteten zwei Mnner, die zusammenarbeiteten, um auch ihneinzuzunen; der eine sammelte Steine und reichte sie seinemGenossen, und der andere baute auf, und sie beeilten sich da- *bei. Wir gingen wieder ein wenig vorwrts und trafen aufeinen andern Weinberg, in welchem zehn Mnner waren, dieim Aufbau seiner Umzunung zusammenarbeiteten. Die einentrugen Steine herbei, andere reichten sie hin und wieder andere

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    II. ber die wahre Religion. 23bauten auf, und sie beeilten sich hierbei. Wir gingen wiederein wenig vorwrts und erreichten einen Weinberg, der bereitsumzunt und fertig gestellt war, und es war niemand bei ihm.Da fragte einer von der Schar: Wie viele Mnner seht ihr diesenZaun aufbauen? Und es antwortete ihm ein Greis aus uns,der ein weiser Mann war, und sprach zu ihm: Du weit zwar,da dieser Zaun ohne Zweifel einen Werkmeister hat, und daderselbe diesen Weinberg mit einem Bau umgeben hat, undwir wissen dies deshalb, weil sein Aufbau darauf hinweist.Wie viele Mnner aber seinen Bau aufgefhrt haben, (davon)gibt es keine Spur an ihm und keinen Hinweis darauf. Dennes ist mglich, da ihn einer oder zwei oder zehn gebaut haben,indem sie zusammen arbeiteten, gleichermaen, wie wir an demWeinberge gesehen haben, an dem wir vorbergingen. Ebensoerkennt also unsere Vernunft aus dieser Schpfung, da sieeinen Schpfer hat, samt jenen von uns beschriebenen Eigen-schaften, weil eine Spur davon in ihr ist, wie wir bewiesenhaben. Ob aber der Schpfer einer ist, oder ob es zwei odermehr sind, darauf gibt es in den geschaffenen Dingen hinsicht-lich der Spuren und Ttigkeiten keinen Hinweis, sowie es hn-lich der Fall ist bei der Umzunung des Weinbergs. Also be-weisen die Geschpfe in dieser Hinsicht vom Schpfer nicht,da er nur eine einzelne isolierte Person (wagh) ^ ist.

    II. ber die wahre Religion.18. Sodann lehrt uns unsere Natur, welches in Wahrheit

    die Gesandten und die Bcher Gottes sind, die von Gott kommen,und was darunter in Wahrheit seine Religion ist, in der manseinen Kult ben mu, sowie welches seine vollkommenen Eigen-schaften sind, und was sein Gebot und sein Verbot, sein Lohnund seine Strafe ist.

    19. Wahrlich! ich sage: Ich wuchs auf einem Berge heran,ohne die Menschen zu kennen, die auf ihm waren. Da stiegich eines Tages herab, weil ich ein Verlangen hatte nach denStdten und Gesellschaften der Menschen, und ich sah sie in

    ^ Vgl. Die arab. Schriften des Th. A. Q. S. 139 A. 1.

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    24 Graf, Theodor Abu Kurra.verschiedenen Religionen. Eine Sekte von itinen, v^elclie derReligion der ersten Heiden (Hanifiten") ^ angehrte, fordertemich auf, bei ihnen einzutreten. Sie meinten, den sieben Ge-stirnen (gttlichen) Kult erweisen zu sollen, der Sonne unddem Monde, dem Saturn, Mars, Jupiter, Merkur und der Venus,sow^ie den zwlf Tierkreisbildern, weil sie es seien, welchediese Schpfung erschaffen und regieren und ihr das wahreGlck und die Seligkeit in der Welt und das bel und dasUnglck verleihen. Ihr Prophet hierin ist Hermes der Weise ^

    20. Ich trennte mich von diesen, und es begegneten mirLeute von den Magiern und sagten: La jene! Sie sttzensich auf nichts. Vielmehr wohlan, komme zu uns! Denn wasin unserer Religion ist, ist das Richtige. Und sie berichteten '',

    S. 13 da ihr groer Gott Druwn (Zarwn) heie, und da Druwndas Glck sei. Bevor er die Welt erschuf, opferte er tausendJahre lang, damit ihm ein Sohn geboren wrde. Sein Weibempfing einen Sohn, der Hormuzd genannt wurde. Als er700 Jahre ^ empfangen war, zweifelte Druwn, sein Vater, ober empfangen wre, und dieser sein Zweifel wurde im Scheseines Weibes zu einem andern Sohne, das ist der Scheitn(Satan) l Druwn wute es und sprach : Wer von den beidenShnen zuerst mein Antlitz schaut, dem werde ich die Herr-schaft geben. Hormuzd wute dies, whrend er im Scheseiner Mutter war, und teilte es dem Scheitn mit. Als Scheitn

    '- Die hier genannten Hanifiten" haben nichts zu tun mit der gleich-namigen Sekte im Islam, sondern sind identisch mit den bei al-Berni (f 1048)auch S abier genannten Sterndienern, von denen noch zur Zeit desselbenChronisten Reste in Harrn sich fanden, weshalb sie auch Harrnier hieen;s. l-Bernis Chronologie orientalischer Vlker, hrsg. von Ed. Sachau,Leipzig 1878, S. 204, 206; dazu K. Keler, Mani. Forschungen ber diemanichische Religion, 1. Bd., Berlin 1889, S. 308 f., 313. Der TerminusHanifiten ist Lehnwort aus dem Syrischen: han'^fe (hebr. cson) Ruchlose,Unglubige".

    - So auch nach Al-Berni, s. Sachau, a. a. O. S. 206, Keler,a. a. O. S. 313.

    ' Die hier folgende Darstellung des Parsismus stimmt fast vollstndigberein mit jener des armenischen Apologeten Eznik (5. Jahrh.); s. DesWardapet Eznik von Kolb Wider die Sekten, bers, v. J. Mich. Schmid,Wien 1900, S. 8993, dazu S. 110 f.

    * Eznik: 1000 Jahre. '" Gewhnlich: Ahriman.

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    II. ber die wahre Religion. 25dieses erfuhr, durchdrang er den Scho seiner Mutter und kamaus ihrer Seite hervor und ging weg, bis er vor seinem Vateranhielt, und er war Finsternis, schwarz von Angesiclit undhlich. Da sprach zu ihm sein Vater: Wer bist du? Er ant-wortete ihm: Ich bin dein Sohn, der Scheitn, welcher dir ausdeinem Zweifel geworden ist; gib mir die Herrschaft, wie dugesagt hast! Da wurde Druwn traurig, und weil er nicht vonseinem Worte abgehen wollte, gab er ihm die Herrschaft berdiese Welt auf 1000 Jahre ^ Hormuzd, den seine Mutter nachAblauf von 1000 Jahren gebar, kam als Licht hervor, gut undschn, und er erschuf den Himmel und die Erde und die da-zwischen befindlichen Arten der Naturen in der Gte und Schn-heit, in der wir die Welt sehen, aber sie war finster, und eswar kein Licht in ihr. Da wurde er traurig, und er zog denScheitn hierber zu Rate, und der riet ihm, seine Mutter zuehelichen. Er tat es und ehelichte sie, und sie empfing undgebar die Sonne als Licht des Tages; und (der Scheitn rietihm), da er auch seine Schwester ehelichen solle, und er tates und ehelichte sie, und sie empfing und gebar den Mond alsLicht der Nacht. Deshalb ehelichen die Magier ihre Mtter undSchwestern und Tchter, da sie Kinder gebren, wie die Sonneund den Mond, gleichwie Hormuzd, ihr Gott. Dies ist es, wassie von ihren Gttern behaupten. Und gleichwie Hormuzd (sichselbst), so erlaubte er (auch) ihnen, alle Lste der Welt zu er-fassen, welche ihnen angenehm sind, denn wegen dieser habeer sie (die Menschen) erschaffen. Sie meinen, da ihr Prophet,der ihnen diese Wahrheit gebracht habe, Zardusat^ sei.

    21. Ich trennte mich von diesen, da begegneten mir Leutevon den Samaritanern, und sie sagten zu mir: Kmmere dichnicht um diese, sondern wohlan, komme zu uns! Denn nie-mand sttzt sich auf die Wahrheit auer wir, die Shne Abra-hams, Isaaks und Jakobs, der Lieblinge Allahs, des Gottes desHimmels und der Erde. Unseren Vtern hat er versprochen,ihren Samen aus dem Lande gypten zu befreien und ihnendas Land Palstina zum Erbe zu geben. Er tat es, und zwardurch Moses, den Propheten. Er sandte ihn zu Pharao, und

    ^ Eznik: 9000 Jahre. ^ d. i. Zarathustra, Zoroaster.

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    26 Graf, Theodor Abu Kurra.er schlug ihn und die Bewohner gyptens mit jenen Plagenund Wunderzeichen und fhrte unsere Vter mit Macht ausseinen Hnden. Er zerteilte fr sie das Meer und ertrnkteden Pharao und seine Heerscharen und fhrte unsere Vterhinaus in die Wste, speiste sie mit Manna und Wachteln,trnkte sie mit Wasser aus dem Felsen und gab ihnen dasGesetz Gottes, indem er ihnen Freiheiten und Gebote gab. Ervernichtete Palstina und bergab ihnen das Land seiner Be-wohner. Wir sind ihre Kinder bis heute, und solange wir dasGesetz beobachten, tut er uns Gutes, und wenn wir es ber-treten, bestraft er uns und macht uns unglcklich in der Welt.Diejenigen aus uns, welche Gutes tun, haben ein glckliches

    S. 14 Leben in der Welt, und diejenigen, welche Bses tun, habenUnglck. Wenn wir aber aus dieser Welt scheiden, so istUntergang in Ewigkeit, und es gibt keine Auferstehung.

    22. Da trennte ich mich von diesen, und es begegnetenmir Leute von den Juden und sprachen: Kmmere dich nichtum diese und tritt bei ihnen nicht ein! Denn sie sind imIrrtum. Was sie dir davon berichtet haben, da Allah der GottAbrahams, Isaaks und Jakobs ist, und da er ihnen in ihremSamen versprochen hat, was er ihnen versprach, und zu ihnenMoses sandte, sie aus gypten heraus und in das Land Kanaaneinfhrte, so ist dieses, was sie dir hierber erzhlt haben, inWahrheit so gewesen und geschehen. Was aber ihre Behaup-tung betrifft, sie seien der Same Abrahams und Israels, so sindsie hierin Lgner. Vielmehr sind sie Leute von den Magiern.Der Same Abrahams und Israels sind wir. Wahrlich, Gott hatunseren Vtern das Land Israel zum Erbe gegeben, und siehaben in ihm 1500 Jahre als Herrscher verweilt in unvergleich-lichem Wohlstand. Aber sie haben gesndigt, und Gott zrnteber sie und berlieferte sie den Hnden der Vlker (Heiden)und gab sie in ihre Gefangenschaft. Aber er versprach unsernVtern, ihnen den Messias zu senden, da er sie von den Endender Erde in das Land Israel sammle und uns zu Ehren bringe,wie wir es zuerst gewesen sind, und uns Gewalt gebe berdie Vlker, unsere Toten auferwecke und sie wieder bei unsversammle, und da er der Erde gebiete, da sie uns ge-

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    IL ber die wahre Religion. 27backenes Brot und wohlschmeckende Frchte hervorbringe ohneMhsal und Unglck und Arbelt bei jeglichem Wohlergehenund jeglicher Lust, die wir begehren, in Ewigkeit. Gott lgtnicht, und dies ist wirklich so, und wir erwarten es. Tretealso bei niemand ein auer bei uns! Denn es gibt keine Religionauer der unsrigen.

    23. Ich trennte mich von ihnen, und es begegneten mirLeute von den Christen, und sie sagten: Das, was die Judensagen, soll dich nicht irrefhren. Denn Gott hat bereits denMessias gesandt, den sie erwhnen. Aber sie haben ihn nichtangenommen, und Gott erzrnte ber sie und zerstreute sie inalle Lnder der Erde, und sie sind in Ewigkeit verloren undhoffen umsonst. Du aber mut dich zur Religion Christi undseiner Lehre verpflichten, nmlich (zu der Lehre), da Gott(Allah) Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, ein Gott (ilh), dreiPersonen (wugh), eine Substanz, und in dieser Substanz einGott. Dies ist die wahre Religion, welche Christus, der SohnGottes, uns in dem Evangelium gegeben hat, und er erlaubteuns Freiheiten und gab Verbote und versprach, die Toten auf-zuerwecken, die, welche Gutes tun, mit dem Himmelreich zubelohnen, und die, welche Bses tun, mit der Hlle zu be-strafen. Es gibt keine wahre Religion auer der unsrigen, undniemand soll dich tuschen.

    24. Ich trennte mich von diesen, und es begegneten mirLeute von den Manichern^ Es sind diejenigen, welche dieZandiqa genannt werden, und sie sprachen: Du mut dich den(wahren) Christen anschlieen und das Wort ihres Evangeliumsanhren '-. Denn das wahre Evangelium ist in unserm Besitze, dasdie zwlf Apostel geschrieben haben, und es gibt keine Religionauer dem, was wir besitzen, und es gibt kein Christentumauer uns. Niemand versteht die Erklrung des Evangeliumsauer Manes, unser Herr. Wir wissen, da, bevor die Welterschaffen wurde, zwei verschiedene Gtter in zwei Substanzenwaren, der eine von ihnen Licht, gut, und es ist der Gott des

    ^ Eine ausfhrliclie Widerlegung des manichischen Dualismus mit Rck-sicht auf die Frage von der menschlichen Willensfreiheit gibt A. Q. in IX 7 12.

    - Die Manicher werden hier auf Grund ihres apokryphen Evangeliumsals eine christliche Sekte aufgefhrt.

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    28 Graf, Theodor Abu Kurra.Guten, und der andere bse, Finsternis, und es ist der Scheitn.

    s. 15 Im Anfange war ein jeder von ihnen an seiner Sttte. Da sahdie Finsternis auf das Licht und auf seine Schnheit und Gteund verlangte nach ihm und griff es an. Sie limpfte mit ihm,indem sie es gefangen nehmen wollte, und als das Licht denKampf mit ihr annahm, da siegte die Finsternis ber das Licht.Als das Licht fr sich in Angst kam, trennte es ein Stck vonsich ab und warf es ihr (der Finsternis) entgegen. Da sog derGott der Finsternis (das Stck Licht) in sich auf. Himmel undErde und die Geschpfe zwischen ihnen sind von der Naturder Finsternis und von dem Stcke, welches das Licht vonseiner Natur gegen sie geworfen hatte, sie sind nach Weiseder Verbindung geworden, hnlich wie der Mensch aus einerinneren Seele und einem ueren Leibe erschaffen ist. Siemeinen, die Seele sei von der Natur des Lichtes und der Leibvon der Natur des finsteren Scheitn, und desgleichen verhieltensich auch die (anderen) Dinge : was in ihnen gut und glcklichist, sei von der Natur des Lichtes, und was nicht gut oderschdlich ist, sei von der Natur der Finsternis, hnlich wie dasWasser einen ertrnkt, der sich in ihm versenkt, und einenbelebt und erfrischt, der es trinkt. Der Teil von ihm, welcherbelebt, ist von dem Lichte, und was verbrennt und vernichtet,ist von der Finsternis. Die Schlangen aber und die Skorpione,die Lwen und Panther und die wilden Tiere und dergleichen,diese alle sind von der Finsternis. Dieses ist die Grundlage derReligion und die Lehre von ihren Gttern. Bezglich des Er-laubten und Verbotenen gestehen sie die Lste der Welt einemjeden zu, der (sie) will, damit er sich in ihnen vergnge, wieer will. Sie gebieten nicht die Verehelichung, sondern wer einWeib verlangt, der soll es haben, ebenso das Weib den Mann ^,

    ^ Um die Religion des Manes in das ungnstigste Licht zu stellen, hebtA. K. aus der Ethik derselben nur die den sogenannten Hrern" zuge-standenen Freiheiten hervor. Kennt A. K. dieselben aus eigener Erfahrungbei den zeitgenssischen Anhngern des Manichismus, oder sttzt er sichauf literarische Quellen? Die folgende, den Manichern unterschobene Aus-legung von einer Bibelstelle kann ich an anderen Orten nicht nachw^eisen.Al-Berni nimmt brigens den Manes und seine Anhnger gegen den Vor-v^^urf der Unmoralitt in Schutz; s. Sachau, a. a. O. S. 207, Keler, a. a. 0.S. 317, dazu A. 4.

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    II. ber die wahre Religion. 29In solcher Weise erklren sie das Evangelium und meinen,wenn Christus sage: Wer dich bittet, dem gib, und wer vonden Armen dich um Almosen angeht, dem gib Almosen" \ sosei dies so zu verstehen: es sei niemand erlaubt, demjenigen,den Gott in der Welt unglcklich macht, etwas zukommen zulassen und ihm Almosen zu spenden, sonst handle er Gottzuwider, der jenen unglcklich machen will, whrend er (derAlmosenspender) ihn beglcken will. Denn htte Gott ihn be-glcken wollen, so htte er ihm Geld und hnliches gegeben,und er (der Arme) htte keine Not darin. Vielmehr seien mitdem Worte Christi: Wer dich bittet, dem gib!" die Mnnerund die Frauen zu verstehen, indem er (Christus) zum Weibesagt: Einem jeden Manne, der dich um dich bittet, verweigerees nicht! und ebenso zum Manne: einer Frau, welche dich umdich bittet, gib dich hin! Dieses und hnliches ist ihre Lehrebezglich des Erlaubten und Verbotenen und bezglich derGottheit.

    25. Ich trennte mich von diesen, und es begegneten mirLeute von den Markioniten und sagten: Schliee dich diesennicht an! Denn sie sind in einem groen Laster. Sondernwohlan, komme zu uns! Denn das wahre Evangelium ist inunserem Besitz ^ Unser Herr ist Markion ; er ist der bedeu-tendste Mensch fr sich und bezglich seiner Erklrung. Erhat uns die Sache mit der Gottheit beschrieben und gelehrtund dargetan, da der Gtter drei sind : einer von ihnen isteiferschtig, gerecht in Wahrheit und ertrgt nicht die Snde,und wer sie tut, hat bei ihm keine Nachsicht und keine Barm-herzigkeit, sondern Strafe, wie er es verdient. Es ist der Gottdes Alten (Bundes), welcher den Moses sandte und in gyptentat, was er tat. Der zweite ist ein wohlwollender, barmherziger, s. 16gtiger Gott, der seine Gte ausgiet und niemanden bestraft:es ist Christus. Der dritte ist ungerecht, bse, das uerstejeglicher Schndlichkeit ; es ist der Satan (Scheitn) ^.

    ^ Matth. 5, 42.- Die Rekonstruktion des markionischen Evangeliums (verstmmelt aus

    Lukas) s. bei Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons, Erlangenund Leipzig 18901892, IL Bd., S. 455494.

    ^ Zum Tritheismus des Markion vgl. Epiphanius, Haereses, 42, 1(Migne, P. G. 41, 697).

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    30 Graf, Theodor Abu Kurra.26. Ich trennte mich von diesen, und ich begegnete dem

    Bardaisn (Bardesanes); der sagte: Hre nicht auf die Wortevon Leuten, welche sich auf nichts sttzen! Wohlan, kommezu mir jetzt! Denn was ich besitze, ist Wahrheit. Ich tue dirkund, da die Gtter fnf und da sie ewig sind: vier vonihnen sind nicht vernnftig ("aqli), und der fnfte ist vernnftigCqil). Dieser Vernnftige wurde ber die vier mchtig durchseine Vernunft und hat sie bezwungen und hat aus ihnen dieGeschpfe erschaffen. Unter den vier unvernnftigen sind zuverstehen das Feuer, die Luft, das Wasser und der Staub (dieErde). Der Vernnftige ist derjenige, welcher aus ihnen dieNaturen der Welt mit seiner Weisheit erschaffen hat K

    27. Ich trennte mich von diesen, und es begegneten mirschlielich Leute von den Muslimen und sagten: Hre aufkeines einzigen Wort von denen, welchen du begegnet bist!Denn sie sind alle Unglubige, welche Gott Genossen geben.Es gibt keine Religion auer der Religion des Islam, welcheGott allen Menschen durch Mohammed seinen Propheten ge-sandt hat. Er fordert dich auf, Gott (Allah) allein anzubeten

    ^ Nach Ephrem [S. Ephraem Syrl opera omnla, t. II, Romae 1740,p. 532 E) lehrte Bardesanes die ewige Existenz von vier itje, d. i. SubstanzenWind, Feuer, Wasser und Finsternis. Moses bar Keph (f 903): Bardaisnmeinte und sagte: Diese Welt besteht aus tun! itje, nmlich Feuer, Wind,Wasser, Licht und Finsternis" (Auszug aus Cod. Par. syr. 241 fl. 17 v" inF. Nau, Bardesanes, Liber legum regionum. Praefao bei R. Graffin,Patrol. syriaca, pars I, t. 2, p. 514). Der Chronist Michael der Syrer (J. B.Chabot, Chronique de Michel le Syrien, t. I, Paris 1899, p. 184 [franz.] t. IV,1910, p. 110 [syr.]): Bardaisn neigte zur Lehre des Valentin und sagte, esseien drei groe Naturen und vier itje, nmlich Vernunft (haun), Kraft (hail),Verstand (tar'ith) und Intellekt (mad'), und vier Krfte: Feuer, Wasser,Licht und Wind, und aus diesen seien noch andere itje und die Welten, nm-lich 360." Barhebraeus mit Anlehnung an den Vorigen: Bardairn sagte,es seien drei groe Naturen: Vernunft, Kraft und Verstand, und vier itje und366 Welten" (Auszug aus dem Leuchter der Heiligtmer" in einer PariserHs. bei Nau, a. a. O. S. 524; vgl. ebd. S. 502, 523; Felix Haase, Unter-suchungen zur Bardesanischen Gnosis [Texte u. Unters. 34] Lpz. 1910, S. 79).

    A. K. schwebten wohl die von Ephrem zum erstenmal erwhnten itjevor, die er, weil sie von B. als ewig gedacht wurden, Gtter" nannte. FrFinsternis" setzte er die lichtlose Erde. Die fnfte, und zwar vernnftige"Gottheit (in ihrer Trinitt) entspricht den von den spteren Zeugen genanntendrei groen Naturen".

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    II. ber die wahre Religion. 31und ihm nichts beizugesellen. Er befiehlt dir, was erlaubt ist,und das Gute zu tun, und untersagt dir Verbotenes, und dasBse zu tun. Er hat versprochen, die Toten aufzuerwecken,und diejenigen, welche Gutes tun, zu belohnen mit einem Pa-radiese, in welchem Flsse mit Wasser, Milch, Honig und Weinstrmen, als Lust fr die, welche trinken, und Frauen mitschwarzen Augen, von denen Geister und Menschen nicht mehrweichen, zum Wohlleben, samt allen Wohlgerchen, die derMensch begehrt, und Schlssern von Smaragd, Jakut, Gold undSilber und anderem dergleichen in Ewigkeit, und denen, welcheBses tun, hat er eine Hlle angedroht, deren Feuer nichterlischt.

    28. Nachdem mir alle diese begegnet waren, sah ich,whrend ich die Worte eines jeden von ihnen berlegte, daallesamt in drei Dingen bereinstimmen und in denselben auchsich unterscheiden. Was ihre bereinstimmung betrifft, so gibtein jeder von ihnen vor, einen Gott zu haben, sei es freilichwer immer, oder sei es einer oder zwei, und Erlaubtes undVerbotenes und auch Belohnung und Bestrafung. Bezglichdes Gegensatzes aber sind sie verschieden in den Aussagen berihre Gtter und in den erlaubten und verbotenen Dingen, inihrer Belohnung und Bestrafung. Da berdachte ich es nocheinmal und sagte : Es entspricht Gottes Gte und Huld, da er,als er seine Geschpfe vom Dienste der Wahrheit abgewichensah, Gesandte und ein Buch ihnen zuschickte, um ihnen dieWahrheit zu zeigen und sie zu ihr von ihren Snden zurck-zufhren. So kam, wer da kam von den vielen und verschie-denen Gesandten und Bchern, und ihre Sache verhlt sichauf eine von zwei Arten: entweder so, da unter ihnen (ber-haupt) kein (Gesandter) war und niemals von Gott kam, oderda unter ihnen jemand war, und zwar nur einer. Da (tat-schlich) jemand bei ihnen war, entspricht der bekannten Huldund Frsorge Gottes fr seine Geschpfe. Aber wie steht esmit der Kunst, diesen einen zu erkennen?

    29. Ich sah, da meine Sache der Sache eines Knigs-sohnes gleicht, der einen Knig zum Vater hatte. Sein Vaterwar traurig, zurckgezogen, niemand sah ihn jemals, ausge- s. 17

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    32 Graf, Theodor Abu Kurra.nommen die Personen seines vertrauten Umgangs und seinesHofstaates. Da gelangte an ihn eine dringende Angelegenheitin einer Stadt, und er entsandte dorthin seinen Sohn, der nochjung war, und mit ihm schickte er einen Arzt, den er hatte,damit er ihn (den Sohn) vor Unfllen und Migeschicken be-hte. Er hatte auch einen Wezir, den sein Sohn und auch derArzt noch nie gesehen hatten. Er (der Sohn) reiste ab, bis erin jene Stadt gelangte. Aber der Arzt vernachlssigte denKnaben selbst und hatte keine Acht auf ihn; da erkrankte erund siechte dahin. Sein Vater erfuhr es, und seine Liebe liees ihm nicht zu, seinen Sohn aufzugeben und zu vernach-lssigen. Er schrieb an seinen Sohn einen Brief, welcher einendreifachen Inhalt hatte: erstens gab er ihm von sich selbsteine Beschreibung, zweitens beschrieb er dem Knaben dieEigenschaft seiner Krankheit, und durch welchen Unfall dieKrankheit ber ihn gekommen ist, und wollte ihn vor diesemUnflle schtzen, auf da er ihn nicht wiederbekomme; drittensbeschrieb er ihm ein Arzneimittel und lehrte ihm, wie dieHeilung zu geschehen habe, und wie er sich in der Gesundheitund im Wohlbefinden verhalten msse, da es nicht aufhreund niemals (wieder) Schwachheit und Unfall ihn treffe. Auchbefahl er ihm die Arznei nach der Genesung zu trinken. DerKnig berief einen seiner Gesandten ^ und bergab ihm seinenBrief, gebot ihm die Reise zu seinem Sohn und die Aushn-digung des Briefes an ihn. Der Gesandte nahm den Brief ent-gegen und reiste mit ihm zum Knaben. Der Knig hatte vieleFeinde und Neider, welche wegen seiner Macht ihm in nichtsSchaden zufgen konnten. Als sie erfuhren, da sein Sohn er-krankt und sein Vater um ihn besorgt sei und zu ihm deswegeneinen Gesandten und einen Brief abgeschickt habe, nahmen siedie Gelegenheit wahr, um den Knig zu qulen ^, soweit sie es anseinem Sohne vermochten. Ein jeder ordnete einen Gesandtenab und ersann einen geflschten Brief nach der Schreibweisedes Knigs, in welchem er von ihm, d. i. dem Knig, eine

    ^ Man erwartet den oben genannten Wezir, den weder der Sohn nochder Arzt persnlich kannten.

    ^ Wrtlich: kneifen."

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    II. ber die wahre Religion. 33lgnerische Beschreibung gab und ihn (den Sohn) von demabhielt, was ntzte, und das anordnete, was ihm schadete, undschickte ihm eine Arznei, die ihn ttete, wenn er sie trank.Ihre Gesandten nahmen ihre Briefe entgegen, reisten ab undkamen eher an, bevor noch der wahre Gesandte seinen Briefberreichte. Alle kamen zum Knigssohn und berreichtenihre Briefe, und er las sie. Da sie aber alle in den Mitteilungenber den Knig und in dem, was sein Vater anbefahl, undwovon er abriet, und auch in den Arzneien sich widersprachen,so lie er sie bei sich zusammenkommen. Da beeilte sicheiner von ihnen zu sagen: Ich bin der, den der Knig zu dirmit dem gesendet hat, was ich dir berreichte. Aber der anderesprach zum Knig: Eine Lge ist es, da dieses der Gesandtedes Knigs sei, sondern ich bin sein Abgesandter mit demBrief, den ich dir berreicht habe. Und ein anderer sagte:Dieser und jener lgt; ich bin der Gesandte des Knigs. Undein jeder von ihnen beschuldigte den andern und beschuldigtealle zusammen der Lge und beteuerte sich als den echten.Auch der wahre Gesandte war unter ihnen, und hie sie Lg-ner, und sie hieen ihn einen Lgner, und er war wie einervon ihnen. Da sprach zum Knigssohn der Arzt: Entlassesie jetzt! Ich werde fr dich ihre Sache auseinanderscheiden.Denn ich bin Arzt und kenne diese Dinge, weil sie mein Ge-schft sind. Da sie verschieden sind, so kann es sich beiihnen nur um einen Brief handeln, ob er vom Knig ist. Siealle brachten in ihren Briefen drei Punkte bei: Der erste ist dieMitteilung des Knigs an dich ber seine Eigenschaften, imzweiten lt er dich die Unflle erkennen, infolge deren dukrank geworden bist, warnt dich vor denselben un." weist dichauf den Umstand hin, der dich gesund macht; der dritte aberist das Arzneimittel, welches dich genesen lt und dir in s. 18einem langewhrenden Leben ohne Krankheit und SiechtumWohlergehen verleiht. Ich bin, wie ich dir schon erklrte, Arztund kenne auch die Unflle der Krankheiten, welche Siechtumverursachen, und die Umstnde, welche gesund machen, undkenne die Eigenschaften deines Vaters aus deiner hnlichkeit(mit ihm), weil du sein Sohn bist, auch wenn du ihn nicht ge-

    Beitr. XIV, 1. Graf, Theodor Abu Kurra. 3

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    34 Graf, Theodor Abu Kurra.sehen hast. Also wohlan! La uns zuerst die Arzneimitteldieser Gesandten nher ansehen, und was der Knig verbietetund was er dir anordnet in seinen Briefen, und seine Eigen-schaften selbst! Derjenige, welcher die fr immer gut wirkendeArznei besitzt, und in dessen Brief die Arten der Unflle,welche ich als Ursachen der Krankheit erkenne, verboten, unddiejenigen Dinge, welche gesund machen, angeordnet werden,sowie die Eigenschaften deines Vaters (namhaft gemachtwerden), welche mit deiner hnlichkeit bereinstimmen, wennwir sie vergleichen, dieser ist der wahre Gesandte deines Vaters,und, wir nehmen ihn an. Wer aber dazu im Gegensatz steht,den verwerfen ^ wir. Sie legten nun die Arzneien zusammen,und der Arzt betrachtete sie, und siehe! alle waren verschie-den, und insgesamt verboten sie dem Knigssohn, was ihmntzlich war, und verordneten ihm, was ihn krank und siechmachte, ausgenommen jener Brief, welcher die gut wirkendeArznei hatte und verbot, was ihn krank machte, und anord-nete, was ihn gesund machte. Und auch bezglich der in denBriefen enthaltenen Beschreibung des Knigs selbst verglich eralle Eigensehaften des Knaben, und siehe ! keine Beschreibungpate auf ihn auer der einen, welche in dem Briefe, der diewahre Beschreibung seiner Krankheit und die gut wirkenden Arz-neien enthielt. Da whlte er diesen Brief und dieses Arzneimittelaus und wandte es an und beharrte dabei. Er rief den ber-bringer und teilte ihm mit, da er der wahre Gesandte sei,und deckte die Lge jener auf, wies sie auf das entschiedensteab und vertrieb sie von sich.

    30. Der traurige Knig ist Gott der Gebenedeite undErhabene! und sein Sohn ist Adam und dessen Geschlecht,die er erschaffen hatte, und der Arzt ist die Vernunft, welcheAdam gegeben wurde, auf da er mit ihr Gott erkenne undmit ihr auch das Gute erkenne und tue und das Bse er-kenne und meide. Die Vernachlssigung des Sohnes durchden Arzt und seine Erkrankung ist die VernachlssigungAdams selbst durch die Vernunft und sein Sndenfall und seinAuszug aus dem Paradies auf die Erde und seine Hinneigung

    ^ Wrtlich: durchbohren."

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    II. ber die wahre Religion. 35zum Weltleben wie das der Tiere; und die Absendung einesGesandten zu ihm ist die wahrhafte Sendung eines GesandtenGottes an seine Geschpfe mit einem Buche, in welchem erihnen seine eigene wahre Beschaffenheit lehrt, auf Grund derenman ihm dienen mu, und das ihnen gegebene Verbot allesBsen und Schlechten und sein Gebot an sie, das Gute zu tunin der Welt, die Beseligung der Guten in der andern Welt mitseiner unaufhrlichen Seligkeit und die Androhung der Hlle,deren Feuer nicht erlischt, fr die Ungerechten. Dies ist dieeinzige wahre Religion.

    31. Die Feinde des Knigs, welche den Knig in seinemSohne krnken wollen, und Gesandte und Briefe besorgten undan ihn absandten, um ihn zu verderben, das sind die Satane.Dies taten sie, und es kam der wahre Gesandte Gottes undsein wahres Buch auf die Welt. Da versammelten sie sich umden Menschen, wobei ein jeder den andern der Lge beschuldigteund den Menschen nur zu sich einlud, unter ihnen auch derwahre Gesandte, und er ist bis zur Stunde wie einer vonihnen und unbekannt. Es sind diejenigen, welche ich obenbeschrieben habe, jene nmlich, welche mir einzeln begegnetsind, als ich vom Berge herabstieg, wobei ein jeder von ihnenmich zu sich einlud, d. h. die Hanifiten, Magier, Samaritaner, s. 19Juden, Christen, Manicher, Markioniten, (Bar)disaner und dieReligionen noch vieler anderer als dieser es ist (hierin)eine groe Mannigfaltigkeit in der Welt aber wir beschrnkenuns auf diese acht oder neun Religionen, die wir angefhrtund von denen wir mitgeteilt haben, was eine jede an Prdi-katen Gottes, an Erlaubtem und Verbotenem, an Belohnungund Bestrafung vorbringt. Nun mssen wir es machen, wieder weise Arzt es gemacht hat, und die Bcher der Gesandtenkommen lassen und die Vernunft fragen: Wie erkennst du dieEigenschaften Gottes, welche die Sinne nicht wahrnehmen undder Verstand nicht begreift, aus der hnlichkeit der Natur desMenschen, und wie (erkennst du) auch aus ihr das Gute undBse, das Hliche und Schne, die Belohnung, welche sieewig glcklich macht, und ihren guten Zustand und ihr ewigesGlck? Wenn wir hievon Mitteilung und Kenntnis bekommen

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    36 Graf, Theodor Abu Kurra.haben, vergleichen wir diese Bcher, welche wir kennen, undvon dem Buche, in welchem sich jenes findet, erkennen wirdann an, da es von Gott ist, und bekennen uns zu ihm undnehmen es an und verwerfen, was anders ist.

    32. Wir sagen: Unsere Vernunft kann Gott, den Unsicht-baren, schauen samt seinen Eigenschaften, auf Grund derenman ihm dienen mu, aus dem Abbilde (sibh) der Vorzgeunserer Natur unter Erhebung von denselben zum Gegenteil,und zwar hnlich wie in folgender Analogie ^ Wir sagen: KeinMensch kann sein eigenes Gesicht sehen auer aus seinem Bildeetwa so, wie jemand, der in den Spiegel schaut, sein Gesichtaus dem Bilde ersieht, das in dem Spiegel ist. Es ist (also)bekannt, da, wenn er es tut, er ein unsichtbares Ding mitallen seinen Eigenschaften in seinem Bilde sieht. Die beidenGesichter sind an sich einander hnlich etwa in der Weise:Wenn zu uns zwei fremde Mnner kmen, von denen der eineden Mann kennt, der in den Spiegel schaut, und der andereihn nicht kennt, und wrden nun beide das Gesicht in demSpiegel ansehen, so wre es demjenigen, der den Mann kennt,klar, und er wrde erkennen, da dies das Gesicht des N. ist,und derjenige, welcher ihn nicht kennt, wrde, wenn er ihn(persnlich) ansieht, nun wissen, da dieser jenes Gesicht Mst, dasim Spiegel war. Also weist die Vernunft mit diesem auf jenen hinund mit jenem auf diesen und mit einem jeden der beiden auf denandern. (Die beiden Gesichter aber) gleichen sich nicht be-zglich des Zustandes, in welchem sie sind: Denn das Gesichtdes Mannes selbst hebt sich von dem Bilde, das in dem Spiegelist, geradezu gegenstzlich ab, weil es ein Existenzding ist,jenes aber gegenteilig sich verhlt -l Denn es existiert und siehtund hrt und riecht, whrend jenes Bild diese Ttigkeiten nichthat, das Gesicht aber aus seinem Bilde (sogar) etwas sieht, wasnicht sichtbar ist ^. Es erhebt sich ber sein Bild im Gegensatze.

    33. Ebenso sagen wir: Wenn wir mit unserer Vernunftdie Natur Adams prfen und ihre Vorzge sehen, so sehen wir

    ^ Dieselbe Analogie, aber nur andeutungsweise, in IV 5.d. i. der Mann mit jenem Gesicht . . .

    ^ d. h. kein Existenzding ist. * nmlich: sich selbst.

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    II. ber die wahre Religion. 37aus ihnen Gott und erkennen ihn in Wahrheit, denn er ist seinAbbild, nur da sich Gott ber die Vorzge (des Menschen)erhebt ^ mit dem (nmlichen) Unterschiede wie das Gesicht desMannes gegenber seinem (Spiegel)bilde. Ebenso, sagen wir,hat die Natur Adams Vorzge und Mngel in der Weise, daAdam seiner Natur nach heute existierend und morgen nichtexistierend ist, ferner lebend und sterblich, wissend und un-wissend, weise und unweise, krftig und schwach ist. So sind S. 20alle seine Eigenschaften paarweise, diese sind Vorzge undjene Mngel. Wir sagen: In den Mngeln seiner Natur erreichter Gott nicht, und (hierin) ist ihm Gott nicht hnlich, aber inihren Vollkommenheiten ist er Gott hnlich. Es gibt im Menschenkeine Vollkommenheit, ohne da du in ihr Gott siehst und siein Gott. Denn sie ist von Gott aus zu ihm gekommen, so wiedas Bild, welches im Spiegel ist, falls derselbe keine Verletzunghat, das Bild des Mannes ist, weil aus dem Gesichte des Mannesalles, was in ihm ist, in den Spiegel kommt. Ebenso sehenwir Gott in den Vorzgen der Natur Adams.

    34. Wir sagen, wenn wir mit unserer Vernunft die NaturAdams prfen und ihn existent sehen, so sagen wir: wennAdam existent ist, so ist der, welcher ihn existent gemacht hat,ohne Zweifel (auch) existierend. Aus der Existenz Adams er-sehen wir ferner, da die Existenz Gottes nicht so ist wie die-jenige Adams, weil die Existenz Gottes sich ber die ExistenzAdams gegenstzlicherweise erhebt. Denn die Existenz Adamsist eine solche, welche Anfang und Vergnglichkeit hat, dieExistenz Gottes aber hat im Gegenteile keinen Anfang undkein Vergehen.

    Ebenso sehen wir Adam lebend und sagen: Wenn Adamlebend ist, so erkennen wir, da Gott (auch) lebend ist. Aberdas Leben Gottes ist nicht so wie das des Adam, im Gegenteil;denn das Leben Adams ist hinfllig, bedarf zu seiner Erhaltungzuerst der Milch, dann der Speise und des Trankes, nimmt imWachstum nur allmhlich zu, und der Mensch wird eine Zeit-lang Jngling, eine Zeitlang junger Mann, eine Zeitlang GreiSjdann kommt es mit ihm zur Gebrechlichkeit, zum Tode, zum

    ' Vgl. IV 46, VII 810.

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    38 Graf, Theodor Abu Kiirra.Vergehen und was sonst dem Leben des Menschen anhaftet.Das Leben Gottes aber erhebt sich gegenstzlich, denn es hatkeinen Anfang genommen, bedarf nichts, hat kein Wachstum,verndert sich nicht von einem Zustande zum andern, verflltnicht der Gebrechlichkeit, stirbt und vergeht nicht.

    Ebenso sehen wir ferner Adam wissend und sagen: WennAdam wissend ist, so ist der, welcher ihn wissend gemachthat, ohne Zweifel (auch) wissend. Daraus, da Adam wissendist, erkennen wir, da Gott wissend ist. Aber das WissenGottes ist nicht so, wie das des Adam, vielmehr erhebt es sichdarber im Gegensatz. Denn er schpft dasselbe nicht ausseinen Sinnen, noch wird es ihm gelehrt, und es ist ihm nichtsverborgen von dem, was gewesen ist oder sein wird seit Ewig-keit bis in Ewigkeit.

    Ebenso sagen wir auf dieselbe Weise, wenn wir die Weis-heit Adams sehen, sein Sehen, Hren, seine Kraft, die Erweiseseiner Gte, seine Wohlttigkeit, Wahrhaftigkeit, Geduld, Barm-herzigkeit, Langmut, Vershnlichkeit, Gerechtigkeit und alleseine Vollkommenheiten: Wenn Adam mit diesen Vollkommen-heiten ausgestattet ist, so ist (auch) ohne Zweifel derjenige,welcher ihm dieselben verliehen hat, weise, mchtig, sehend,

    s. 21 hrend, gtig, wohlttig, wahrhaftig, geduldig, barmherzig, lang-mtig, gerecht. Daraus, da Adam so ist, wissen wir, daGott auch so ist, aber Gott erhebt sich in diesen Vollkommen-heiten ber Adam im Gegensatze (dazu), so wie wir es obenbeschrieben haben bezglich der Existenz, der Gte und demWissen. Also besitzt Adam Vollkommenheiten der Natur,welche Gott hnlich sind, und aus welchen unsere VernunftGott mit seinen Vollkommenheiten ersieht. Daraus, da wirsie an Adam sehen, erkennen wir, da sie in Gott sind, wenngleichwohl die Eigenschaften Gottes, wie gesagt, in gegenstz-licher Weise erhabener sind.

    35. Ebenso besitzt Adam noch andere, hhere Vorzge,in welchen er Gott hnlich ist in gleicher Weise, wie erihm in den erwhnten Vorzgen hnlich ist, und aus denenwir wahrlich Gott mit unserer Vernunft sehen (erkennen),d. h. die Erzeugung und das Hervorgehen und die Herr-

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    II. ber die wahre Religion. 39Schaft K Denn wir sehen in Adam, da aus ihm etwas erzeugtwird und hervorgeht, was ihm der Natur nach hnlich ist, undsehen ihn als Herrscher ber das, was aus ihm ist. Da nunAdam Erzeuger ist und Herrscher ber denjenigen, der ausihm ist, so ist ohne Zweifel der, welcher ihn zum Erzeugerund Herrscher macht, (auch) Erzeuger und Herrscher ber jenen,der ihm hnlich ist, jedoch mit gegenstzlicher Erhabenheit.Denn die Erzeugung eines Sohnes durch Adam vollzieht sichmittels eines weiblichen Wesens und durch Beiwohnung undAuferziehung, und auch das Hervorgehen seiner Sinne (seinersinnlichen Wahrnehmungen) geschieht aus irgend einem Gliedemit einer Einbue seitens seines Krpers. Auch ist er frherals die beiden (d. i. der von ihm Erzeugte und das von ihmAusgegangene), und auch betreffs der Herrschaft ber beide(ist zu sagen): Wenn auch seine natrliche Anlage dieselbe istwie die ihrigen, so stimmen doch ihre Begierden nicht in allem,was begehrt wird, berein mit seinen Begierden. Was aberdie Erzeugung des Sohnes aus Gott und das Hervorgehen seinesHeiligen Geistes anlangt, so geschieht dies mit gegenstzlicherErhabenheit (darber) ohne weibliches Wesen, ohne Beiwohnung,Schwangerschaft und Auferziehung, und er ist nicht frher,sondern gleichzeitig. Auch ist seine Herrschaft ber die beiden,die aus ihm sind, nicht verschieden, sondern beide sind mitihm bereinstimmend in der Natur und in der Ewigkeit, imWillen und in der Begierde, ohne da es berhaupt irgendeinen Unterschied gibt auer dem, da dieser Erzeuger undjener Erzeugter und der andere hervorgehend ist, und da derErzeuger unter ihnen Herrscher ist.

    36. Wenn einer leugnet, da Adam das Bild Gottes undGott das Bild Adams ist bezglich der Erzeugung und derHerrschaft sowie bezglich dessen, was in den brigen Vor-zgen sein Abbild ist, dann antworten wir ihm: Er darf diesesnicht leugnen, denn Adam besitzt keine erhabeneren und hherenVorzge als die Erzeugung und die Herrschaft. Denn wrdeer nicht erzeugen, so htte er kein Wohlleben und keine Herr-schaft, keine Sprache, keinen Vorzug und (berhaupt) nichts

    ' hnlich IV 7, 8 und VII 11, 26.

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    40 Graf, Theodor Abu Kurra.von den Vorzgen, die ihm zugeschrieben werden, sondern erteilte das Wohlbefinden seines Lebens mit den Schweinen,Eseln und allen Tieren, ber die zu herrschen keine Herrschaftwre, vielmehr wrde er nur mit Herabwrdigung und Ver-achtung Vorsteher der Affen, Schweine, Kfer und Wrmerheien. Auch seine Sprache wre umsonst, und er bedrftederselben nicht; denn es wre niemand bei ihm, fr welchener denken, und niemand, der ihm antworten wrde. Alle seineVorzge wrden nicht als Vorzge gerechnet, da niemand beiihm wre, der ihm gleich ist. Wenn alle Vorzge Adams,welche um Unberechenbares geringer sind als die Erzeugung,in Gott existieren, indem er (Adam) durch sie das Abbild

    s. 22 Gottes ist, und dieselben Gott nicht abzusprechen sind, so istdie Erzeugung, welche der hervorragendste Vorzug ist, erstrecht wahrhaft in Gott und ist ihm nicht abzusprechen, sonstwrde' Adam Gott berragen, und es wren in ihm zwei derhervorragendsten Vollkommenheiten, die nicht in Gott wren,d. h. die Erzeugung und die Herrschaft, und dies ist etwas, wasfr die gesunde Vernunft nicht annehmbar ist. Es ist also absurd,(anzunehmen,) da in Adam Vollkommenheiten seien, die in Gottnicht sind, da es absurd wre, wenn Adam nicht Herrscherber jemand wre, der ihm gleich ist, vielmehr Herrscher derGeschpfe. Schon im Vorausgehenden ist gesagt, da Adamnicht damit zufrieden ist, Herrscher der Geschpfe zu sein,und keiner von uns ist damit zufrieden, Vorsteher der Schweineund Esel, der Kriechtiere, Wanzen, Flhe, Affen und Wrmerzu sein. Wenn nun Adam und wir uns nicht damit begngen,wie sagen wir dann von Gott etwas aus, womit wir uns selbstnicht begngen?

    Wenn wir auch sagen: Gott ist Herrscher, aber ber dieEngel und die Menschen, so ist auch dies eine Verchtlich-machung. Denn die Engel und Menschen stehen ihrer Naturnach von Gott in einem weit greren Abstnde, als der Ab-stand der Schweine, Luse und Affen von unserer Natur ist.Denn wir haben in der Natur des Lebens mit ihnen etwas ge-meinsam, die Engel und Menschen aber haben mit Gott garnichts gemeinsam, und der Abstand unter ihnen ist unbemebar

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    II. ber die wahre Religion. 41grer als der des Himmels von der Erde. Wer also GottHerrschaft attribiiiert und meint, seine Herrschaft grnde sichauf die Geschpfe, . so prdiziert er von ihm etwas, was Ver-nichtung und Verunglimpfung und eine Sache wre, die ervon sich selbst nicht aussagen lassen will. Wenn aber vonAdam oder von einem aus uns die Herrschaft ber einen Men-schen ausgesagt wird, der aus ihm ist oder ihm gleich ist, sosieht er dies nicht als eine Verunglimpfung an, sondern freine Erhebung und fr ein Lob. Gott der Gepriesene undErhabene! ist ohne Zweifel nicht Haupt der Geschpfe, son-dern Haupt von einem, der ihm gleich ist. Wenn er aber Hauptvon einem ist, der ihm gleich und ebenso wie er ist, so hater einen Sohn erzeugt, und es ist aus ihm ein Geist hervor-gegangen, und er ist dem Adam hnlich, und Adam ist seinAbbild in der Erzeugung und in der Herrschaft.

    37. Somit steht auf Grund dessen, was die Vernunft ausder hnlichkeit der Natur des Adam abgeleitet hat, nunmehrder Satz fest : Gott ist drei Personen (wugh), Erzeuger, Erzeugterund Hervorgehender, und es ist das Wort dessen besttigt, derda sagt, es sei keine Lge in seiner Behauptung, wenn erausspricht: Gott erschuf den Menschen, und nach dem BildeGottes schuf er ihn" ^ So verhlt es sich mit dem, was diePrdizierung ber Gott anlangt.

    38. Wir sagen ^ ferner : Gleichwie unsere Vernunft im-stande ist, uns die unsichtbaren Attribute Gottes aus der hn-lichkeit unserer Natur abzuleiten, ebenso leiten wir uns aus un-serer Natur auch die Kenntnis von dem Erlaubten und Ver-botenen, dem Schnen und Hlichen, dem Guten und Bsenab, was uns gut und ntzlich ist, und das, wodurch wirfhig sind, solches zu tun.Wir sagen: Ein jeder von uns denkt und erkennt aussich selbst das Hliche und Verderbliche, das sein Nchsterbegeht, etwa so, wie wenn einer uns einen Lgner heit undeiner uns verunglimpft und verspottet oder betrgt oder fort-stt, beschimpft, schlgt, ungerecht behandelt, oder wenn er s. 23

    ^ Gen. 5, 1. ^ Im Arab. (Hs.?): er sagt."

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    42 Graf, Theodor Abu Kurra.etwas Abscheuliches begeht oder uns mihandelt, wegeneiner unserer Angelegenheiten oder etwas hnlichem davon.Aus uns selbst verabscheuen wir dieses und erkennen, dadies etwas Verderbliches, Hliches, Bses, Verbotenes ist.Also ist das Verderbliche, Hliche, Bse, Verbotene dies, dadu deinem Nchsten nicht zufgen sollst, was du als etwasSchdliches verabscheuest, wenn er es tut. Die Macht aber,es auszufhren liegt darin, da du nicht (einmal) etwas vondem begehrst, was dein Nchster besitzt.

    Wir sagen : Auch liebt und erkennt ein jeder von uns aussich selbst das Schne, Rechte, Gute, Erlaubte etwa in derWeise, da ein jeder von uns will, da sein Nchster ihn ehrt,belobt, seine Bedrfnisse erfllt, ihm gut gesinnt ist, wenn erihm Unrecht getan hat, ihm verzeiht, wenn er ihm bles tat,ihm einen Rat erteilt, der das Hchste eines jeden Gutes ist.Also ist das Schne, Gute, Rechte, Erlaubte dies,, da du deinemNchsten das Edle und Schne tust, welches du willst, da erdir tue. Die Macht aber, es auszufhren, liegt darin, da duberhaupt die Begierde nach der Welt von dir wirfst, (nmlichdie Begierde nach dem,) was du und andere besitzen.

    Des weiteren lehrt uns unsere Natur, da das Bse unddas Verbotene darin besteht, da du deinem Nchsten das H-liche nicht antust, von dem du es ablehnst, da er es dir tue.Wie gewinnst du nun dieses Gute und Erlaubte? Du gewinnstes, indem du deinem Nchsten die Wohltat erweisest, vonwelcher du wnschest, da er sie dir tue. Das Hchste vonall dem kommt der Liebe zu, der Liebe insofern, als der Menschdenjenigen sich selber vorzieht, den er liebt nach Art der Liebeeines Knigs, welcher einen einzigen Sohn hat, der ihm nochin seinem hohen Alter geboren wurde, und dem er sein Knig-tum vererben will, weil er der Trost seiner Augen und seineigenes Blut ist. Er kann ihm in nichts schdigen und kannihn nicht betrben, sondern er und sein Knigtum und was erbesitzt, ist fr ihn (den Sohn). Ebenso macht es der tugend-hafte und vollkommene Mann mit allen Menschen. Der, welchersolches tut, ist Gott hnlich, denn Gott der Gebenedeite! will nichts von der Welt fr sich, und gar niemand hat bei

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    II. ber die wahre Religion. 43ihm einen Schaden noch Betrbnis, vielmehr wendet er sichab von dem, der ihm Bses zufgt, und ist gndig dem, dergegen ihn ungerecht ist, giet seine Wohltaten aus ber den,der sie nicht verdient, und spendet ein jegliches Ding in derWelt allen Menschen, macht seine Engel und seinen Himmelund seine Erde und die dazwischen liegenden Arten der Na-turen dem Leben der Menschen dienstbar aus Edelmut undGte und bevorzugt den Rechtschaffenen nicht vor dem Unge-rechten und den Guten nicht vor dem Bsen, sondern seineGte erstreckt sich auf alle in gleicher Weise. Sein, d. i. GottesZweck bei seinem Verbot, das Schlimme und Bse zu tun, undbei seinem Gebote, das Gute zu wirken, ist also der, da auchder Mensch bei seinem Verhltnis zwischen sich und den Mit-menschen in der Ausfhrung des Guten ein Abbild Gottes werde.Dies gehrt zu dem, was uns unsere Natur bezglich des Er-laubten und des Verbotenen in der Welt lehrt, und ebenso lehrtsie uns daraus, was die Belohnung und die Bestrafung in derandern Welt ist.

    39. Wir sagen: Unsere Vernunft erkennt, was Glck undUnglck unserer Natur in dieser Welt ist, und aus ihrem glck-lichen und unglcklichen Befinden in dieser Welt schlieenwir auf ihr Glck und Unglck in der anderen Welt. Deshalbmssen wir, bevor wir jenes beschreiben, dieses beschreiben,dann aus diesem auf jenes schKeen. Und so sagen wir: DasLeben eines jeden Geschpfes hat in dieser Welt einen Bestand s. 24nur aus einem Dinge, das auer ihm ist, und mittels dessenes von auen her sein Leben verlngert, so da es fortbesteht,in der Weise, wie das Leben des Menschen keine Dauer undkeinen Bestand htte, wenn er dasselbe nicht durch Essen undTrinken und durch Einatmen der Luft und dergleichen vonauen her verlngern wrde. Denn nichts lebt aus sich selbst,ohne etwas auer sich zu bedrfen, mittels dessen es seinLeben erhlt, ausgenommen Gott allein. Was aber auer ihmlebendig ist, erhlt sich das Leben durch etwas anderes, wiewir dargetan haben.

    Wir sagen: Einem jeden lebenden Geschpfe hat Gott dieBegierde nach der Sache eingegeben, durch welche sein Leben

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    44 Graf, Theodor Abu Kurra.Dauer und Bestand hat, und auch den Trieb und das Verlangennach dieser Sache. Er hat Schatzl^ammern ^ geschaffen undfr den Menschen eingericlitet, damit er aus ihnen schpfe;wenn er sie erreiclit, ist er glcklich, und wenn er sie nichterreicht, ist er unglcklich, in der Weise, da zu der Sache,durch welche das Leben unserer Natur seinen Bestand hat,auch ihre Begierden sich hinwenden, wie zum Essen der Speiseund zum Trinken des Wassers, zur Atmung der Luft, zur Be-kleidung mit den Gewndern, welche die Klte abhalten, zumBewohnen der Huser, in welchen wir gedeckt und gesichertsind gegen Sonne, Regen, Schnee und Eis und was dergleichenist, und was das Leben unserer Natur "- braucht. Ferner (ge-hren dazu) die Schtze, zu welchen unsere Begierden hin-streben, indem sie mittels dieser jene Dinge erlangen, da sieihrer bedrfen, wie die Erde, welche uns Nahrung wachsenlt, die Quellen, welche Getrnke hervorbringen, die Luft, diesich ausbreitet, da wir (sie) einatmen, die Schafe zur Spen-dung der Wolle, das Land fr die Baumwolle, die Leinwandzu unserer Bekleidung, die Berge, Wlder, Steine und das Holzzum Bauen unserer Wohnungen, und andere Schtze, derenwir bedrfen, und welche, wenn unsere Begierden sie erlangen,den Bestand unseres Lebens glcklich, wenn sie mangeln undnicht erlangt werden, unglcklich machen. Es ist dann so,wie bei einem Manne, der in einer Wste reist, und den dieHitze und der Samum erfassen : er drstet und begehrt Wasserund findet es nicht. Da brennen seine Eingeweide, und seineZunge wird trocken, und es qult ihn ein Unglck, wie eskein rgeres mehr gibt. Wenn ihm aber frisches Wasser ge-reicht wird, so nimmt er es hin zur Khlung seiner Eingeweideund zur Befeuchtung seiner Zunge, und es ist kstlich fr ihnund erquickt ihn, und er fhlt ein Wohlbehagen, nach welchemes keines mehr gibt. Ebenso ist es bei Hunger und mit denanderen Bedrfnissen unserer Natur. Das Wohlergehen desMenschen in dieser Welt besteht also in dem Vorhandenseinund in der Erreichbarkeit der Dinge aus ihren Schatzkammern,

    ^ ma'din (sg. ma'dan) = Metallminen, Fundgruben, Magazine.^ Im Arab. (Hs.?): Die Natur unseres Lebens."

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    II. ber die wahre Religion. 45welche Gott ihm zum Besten seines Lebens eingerichtet, undderen Begehren er ihm eingepflanzt hat, und Unglck ist dasEntbehren derselben, wenn sie ihm mangeln.40. Gleichvv^ie nun unsere Vernunft die von Gott unsererNatur eingepflanzten Begierden erkennt, welche auf jenen Zu-stand unserer Natur hinzielen, in dem unser Leben Bestandhat, und welche Gott als Schtze eingerichtet hat, bei derenAuffindung sie sich wohl fhlt, und, wenn sie nicht erreichtwerden, sie unglcklich ist, ebenso erkennt unsere Vernunftauch dies, da unsere Natur noch andere eingepflanzte Be-gierden besitzt, welche nicht von dieser Welt sind und auchdie Vollendung des Glckes und das hchste Verlangen sind,und welche Fundsttten haben, die Gott in unserer Natur ein-gerichtet hat, damit wir sie auffinden zur Beseligung der Natur,und welche, wenn sie erreicht werden, glcklich, und wenn sienicht erreicht w^erden, unglcklich machen. Und dies sind folgende.

    Wir sagen : Ein jeder von uns begehrt, in Ewigkeit zu s. 25leben und nicht zu sterben, und da sein Leben zu einem Zu-stande komme, in welchem es von keinem Schaden und keiner Not,keiner Vernderung und Auflsung betroffen wird in der Weise,da er nicht verbrennt, wenn er in Feuer, und nicht ertrinkt, wenner in Wasser geworfen wird, oder da, wenn ein Stein auf ihnfllt, derselbe ihn nicht zerschmettert, oder wenn er mit einemSchwerte geschlagen wird, es ihn nicht verwundet, oder wenner von einer Schlange gebissen wird, sie ihm nicht schadet,oder andere Migeschicke und Unflle, welche ihm in dieserWelt Schaden zufgen. Ferner