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Seite -1- ‚Achtsamkeit‘ hat unter ‚echten Männern‘ einen schlechten Ruf .... ‘Gelassenheit‘ (‚Coolness‘) einen viel besseren. Warum? Ich habe kürzlich in einem Onlinemagazin folgende Passage gefunden: >>„Ey, wo iss’n John Rambo?“ „Im Achtsamkeitsseminar…“ Wohl kaum! Ich bin mir sehr sicher: würde „Achtsamkeit“ eine bessere, eine „coolere“ PR bekommen, dann würden Männer lieber achtsamer sein. Was gewinnt man durch Achtsamkeit?“ Und hier die Antwort des Schreibers: „Im Buddhismus ist Achtsamkeit die Waffe, um mit seinen inneren Feinden (Hass, Gier, Neid) fertig zu werden. Der Indische Philosoph Shantideva hatte dazu einen wunderschönen Text geschrieben, den ich in ‚Glücklich werden: mit achtsamen Gedanken negative Gefühle neutralisieren‘ zitiere. In der modernen – „ganzheitlichen“ Medizin – ist Achtsamkeit das probate Mittel zur Stressbewältigung. Und in der Tradition der griechischen Stoa war die Fähigkeit zu erkennen, was in unserer Macht liegt und was nicht, der Schlüssel zu einem glücklichen Leben. Epiktet reitet in seinem „Handbuch der Moral“ eigentlich nur auf diesem Thema rum. Diese Form der Innenschau ist nichts anderes als Achtsamkeit. Jeder Mensch, der weiß, was mit zum Beispiel „Achtsamkeit im Straßenverkehr“ gemeint ist, wird sich im Klaren darüber sein, dass Achtsamkeit irgendwas mit Aufmerksamkeit, geistiger Präsenz, Wachheit zu tun hat.“<< GELASSENHEIT oder ‚Coole Typen‘ ‚Cool sein‘ war in der abendländischen Tradition schon immer eines der höchsten Ideale. In der Online-Enzyklpädie Wikipedia ist dazu folgendes zu lesen:

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Page 1: Achtsamkeit und Gelassenheit.pdf

Seite -1-

‚Achtsamkeit‘ hat unter ‚echten Männern‘ einen

schlechten Ruf .... ‘Gelassenheit‘ (‚Coolness‘) einen

viel besseren.

Warum?

Ich habe kürzlich in einem Onlinemagazin folgende Passage gefunden:

>>„Ey, wo iss’n John Rambo?“ „Im Achtsamkeitsseminar…“

Wohl kaum!

Ich bin mir sehr sicher: würde „Achtsamkeit“ eine bessere, eine „coolere“ PR bekommen, dann würden Männer lieber achtsamer sein. Was gewinnt man durch Achtsamkeit?“

Und hier die Antwort des Schreibers:

„Im Buddhismus ist Achtsamkeit die Waffe, um mit seinen inneren Feinden (Hass, Gier, Neid) fertig zu werden. Der Indische Philosoph Shantideva hatte dazu einen wunderschönen Text geschrieben, den ich in ‚Glücklich werden: mit achtsamen

Gedanken negative Gefühle neutralisieren‘ zitiere.

In der modernen – „ganzheitlichen“ Medizin – ist Achtsamkeit das probate Mittel zur Stressbewältigung.

Und in der Tradition der griechischen Stoa war die Fähigkeit zu erkennen, was in unserer Macht liegt und was nicht, der Schlüssel zu einem glücklichen Leben. Epiktet reitet in seinem „Handbuch der Moral“ eigentlich nur auf diesem Thema rum. Diese Form der Innenschau ist nichts anderes als Achtsamkeit.

Jeder Mensch, der weiß, was mit zum Beispiel „Achtsamkeit im Straßenverkehr“ gemeint ist, wird sich im Klaren darüber sein, dass Achtsamkeit irgendwas mit Aufmerksamkeit, geistiger Präsenz, Wachheit zu tun hat.“<<

GELASSENHEIT oder ‚Coole Typen‘

‚Cool sein‘ war in der abendländischen Tradition schon immer eines der höchsten Ideale. In der Online-Enzyklpädie Wikipedia ist dazu folgendes zu lesen:

Page 2: Achtsamkeit und Gelassenheit.pdf

Seite -2-

„Gelassenheit, Gleichmut, innere Ruhe oder Gemütsruhe ist eine innere Einstellung, die Fähigkeit, vor allem in schwierigen Situationen die Fassung oder eine unvoreingenommene Haltung zu bewahren. Sie ist das Gegenteil von Unruhe, Aufgeregtheit, Nervosität und Stress.

Während Gelassenheit den emotionalen Aspekt betont, bezeichnet Besonnenheit die überlegte, selbstbeherrschte Gelassenheit, die besonders auch in schwierigen oder heiklen Situationen den Verstand die Oberhand behalten lässt, also den rationalen Aspekt innerer Ruhe.

„Si fractus inlabatur orbis, inpavidum ferient ruinae. „Selbst wenn die zerborstene Welt einstürzt, werden die Trümmer einen Furchtlosen treffen.“ – Horaz

Angesichts der Gefahr, dass Gelassenheit mit Stumpfheit, Trägheit, Gleichgültigkeit oder Fatalismus gleichgesetzt werde oder dazu führen könne, bedürfe es einer vernünftigen Begründung und Rechtfertigung der Gelassenheit.

Diese werden unter anderem darin gesehen, dass

• es unvernünftig erscheine, Unverfügbares und Unverrückbares ändern zu wollen (Beispiel: der eigene Tod);

• das Unverfügbare/Unbeeinflussbare nicht grundsätzlich die Möglichkeit eines vernünftigen Lebens berühre;

• Glück nicht planbar sei; • es darum gehe, in der Gegenwart zu leben – „das Leben in Gelassenheit ist das Leben

in der Gegenwart“.

Gelassenheit wird philosophisch traditionell als Selbstlösung und Selbstfindung interpretiert.

Dazu ein Zitat aus Senecas Schrift "De vita beata" (‚Vom glücklichen Leben‘) :

"Glücklich ist also ein Leben in Übereinstimmung mit der eigenen Natur, das nur gelingen kann, wenn die Seele erstens gesund ist, und zwar in dauerndem Besitz ihrer Gesundheit, sodann tapfer und leidenschaftlich, ferner auf schöne Weise leidensfähig, den Zeitumständen gewachsen, um den ihr zugehörigen Körper und was mit zusammenhängt besorgt, aber ohne Ängstlichkeit, ferner in Bezug auf die andere Dinge, die zur Lebensgestaltung dienen, gewissenhaft, aber ohne übertriebenes Interesse für irgendetwas, willens, die Geschenke des Glücks zu nutzen, nicht aber, ihnen zu dienen."

(zitiert nach der Ausgabe des Reclamverlags 1990, aus dem Lateinischen übersetzt von Fritz-Heiner Mutschler)

Ein zentraler Begriff der buddhistischen Geistesschulung ist Upekkhā (skr. Upekṣā), Gleichmut, einer der Vier Grenzenlosen Geisteszustände (Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut). Zum Bedeutungsspektrum dieses Begriffs gehören auch Gelassenheit, Nicht-Anhaften, Nicht-Unterscheiden, Loslassen. Diese Art von Gelassenheit soll die "Weisheit der Gleichheit" zum Ausdruck bringen, d.h. die Fähigkeit, alle Menschen als gleich zu betrachten und keine Unterschiede zwischen sich selbst und anderen zu machen. Der Geisteszustand der Gelassenheit hat also zur Voraussetzung, die dualistische Unterscheidung zwischen sich selbst und anderen zu unterlassen.

Page 3: Achtsamkeit und Gelassenheit.pdf

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Was ‚gewinnt man‘ also durch Achtsamkeit?

Traditionell wird uns als Ergebnis (‘Ziel‘) des Strebens nach Gelassenheit also das Erreichen von LEBENSGLÜCK versprochen. Gelassene und besonnene Menschen, so heißt es, seien ‚glückliche Menschen‘.

Wenn nun aber – wie es heißt – ein jeder nach ‚Glück‘ strebt, warum sind dann so viele Menschen heute so weit von ‚Achtsamkeit‘ und ‚Gelassenheit‘ in ihrem Leben entfernt?

Weil die einfache wie zugleich schockierende (weil ‚uncoole‘) Antwort auf die

Ausgangsfrage lautet:

Man gewinnt durch ‚achtsam sein‘ nichts. Schon gar nicht ‚dauerndes Lebensglück‘.

Achtsamkeit ist nämlich die natürlichste Haltung aller Lebewesen (man beobachte nur mal eine Katze oder Kleinkinder). Man muss daher Achtsamkeit nicht trainieren oder erst erwerben. Wir müssen zuerst mal nur achtsam all unsere Unachtsamkeiten, d.h. ‚Ablenkungen‘ und ‚Zerstreuungen‘ wahrnehmen. Dann kann die ursprüngliche Achtsamkeit wieder zum Vorschein kommen. Dann kann kreatives Lernen stattfinden, Mitgefühl und die damit verbundene Lebensfreude.

Aber natürlich, man ‚gewinnt‘ schon irgendwas durch ‚achtsam sein‘, aber was?

Achtsamkeit verhindert, dass man im Leben unnötig leidet, dass man die ursprüngliche vorhandene Lebensfreude verliert. Franz Kafka hat es so formuliert:

„Es gibt zwei menschliche Hauptsünden, aus welchen sich alle andern ableiten: Ungeduld und Lässigkeit. Wegen der Ungeduld sind sie aus dem Paradiese vertrieben worden, wegen der Lässigkeit kehren sie nicht zurück. Vielleicht aber gibt es nur eine Hauptsünde: die Ungeduld. Wegen der Ungeduld sind sie vertrieben worden, wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück.“

„Wenn das, was im Paradies zerstört worden sein soll, zerstörbar war, dann war es nicht entscheidend; war es aber unzerstörbar, dann leben wir in einem falschen Glauben.“

Aufmerksamkeit / Achtsamkeit ist das, was uns vom Paradies geblieben ist.

Denn wie heißt es nicht zuletzt auch in der christlichen Bibel (= Evangelium, was ja ‚Frohbotschaft‘ heißt)?

„In jener Stunde traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wer ist denn der Größte im Reich der Himmel? Und als Jesus ein Kind herbeigerufen hatte, stellte er es in ihre Mitte und sprach: Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so

werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.“ (Mt. 18, 1)

Mir fällt an dieser Stelle ganz spontan und ganz ‚säkular‘ die Serie ‚Wiki und die starken Männer ein‘, meine ‚coolen‘ Damen und Herren! Der Evangelist dürfte also doch nicht so unrecht gehabt haben ....... er wurde und wird vermutlich bis jetzt nur furchtbar missverstanden.

Page 4: Achtsamkeit und Gelassenheit.pdf

Seite -4-

Lit.:

http://www.fortvinci.de/achtsamkeit-durch-die-hintertur/2012/03/30.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheit

http://lebensgestaltung.over-blog.com/article-25801476.html

http://gutenberg.spiegel.de/buch/166/1

http://www.bibleserver.com/text/NG%C3%9C/Matth%C3%A4us18,10