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Wiener Klinisches Magazin 2013 · 16:3 DOI 10.1007/s00740-013-0162-z © Springer-Verlag Wien 2013 V. Kienast Springer-Verlag, Wien Achtung! Manipulation! Wie wir die Welt erleben, ist immer eine Frage der Sichtweise. Auch wenn man- che Einzelpersonen und Gruppen den An- spruch auf Wahrheit erheben. Auf die eine oder andere Weise sind wir alle manipu- liert. Im besten Fall ist es möglich, durch ein vielfältiges Spektrum an Informatio- nen aus unterschiedlichen Quellen für sich selbst eine ausgewogene Annäherung an die Wirklichkeit zu erreichen. Das ist nicht immer angenehm und durchaus aufwän- dig – trotz Informationsflut durch die Me- dien und speziell das Internet. "Obamacare" - und die vielen Seiten der Information Ein plastisches Beispiel für die Manipu- lation durch Medien ist derzeit die vom amerikanischen Präsidenten als eines sei- ner Hauptanliegen forcierte Reform der Krankenversicherung - schon durch den Begriff „Obamacare“ einzigartig persona- lisiert. Während man in Europa, das ja in vielen Ländern ohnedies stimmungsmä- ßig mehrheitlich Obama“affin“ ist und wo in Staaten wie Österreich oder den skan- dinavischen Ländern ein zwar nicht ganz dichtes, aber doch recht eng geknüpftes Netz des Sozialsystems als Selbstverständ- lichkeit in Anspruch genommen wird, die positiven Aspekte der amerikanischen Krankenversicherungsreform in den Vor- dergrund stellt, sieht die Situation in den USA ganz anders aus. Da stehen derzeit in Zusammenhang mit Obamacare vor allem das Nichtfunk- tionieren, die Ängste und die angeblich verheerenden Folgewirkungen im Mit- telpunkt des Medieninteresses. Dass das Computersystem für die Anmeldung zu einer der Versicherungen gleich zu Be- ginn der Registrierungsmöglichkeit ab 1. Oktober völlig überlastet war und daher immer wieder zusammengebrochen ist, dass Unternehmer wirtschaftlich nicht mehr bestehen werden können, wenn sie ihre Mitarbeiter künftig krankenversi- chern müssen, dass das System unüber- schaubar ist und überhaupt die individu- elle Freiheit damit eingeschränkt werden. Warum gerade das Thema Kranken- versicherung ein derart heiß umfehdetes in den USA ist, ist nicht ganz schlüssig. Si- cher ist, dass eine nicht unerheblich gro- ße Gruppe dazu übergangen ist, Opposi- tion um der Opposition willen zu machen – völlig unabhängig von inhaltlichen As- pekten. Destruktive Opposition, die be- trächtliche Summen Geld in diesbezüg- liche Manipulation der öffentlichen Mei- nung steckt. Aber wie gesagt: Manipula- tion findet natürlich auch in den europäi- schen Medien statt – mit anderen Vor- zeichen. Das sollte man sich wohl immer wieder ins Bewusstsein rücken. Speziell, wenn Fronten zu verhärten drohen. Partikularinteressen unter dem ehrenhaften Deckmantel Vorsichtig und wachsam sollte man auch bleiben, wenn manche Themen begin- nen eine Eigendynamik zu entwickeln, die sich lawinenartig verstärkt und damit In- teressensgruppen anlockt, die im Sog der Ereignisse eben ihre Partikularinteressen durchzusetzen versuchen – immer unter dem Deckmantel der ursprünglich durch- aus ehrlichen Bestrebungen. Der Arabi- sche Frühling ist dafür ebenso ein Beispiel, wie die Brustkrebs-Bewusstseinskampag- nen mit der rosa Schleife, die zwar das Ta- bu gebrochen haben, darüber zu sprechen, aber mittlerweile, wie Hans Mosser, Vor- stand des Instituts für Radiologie im Lan- desklinikum Krems, in seinem Buch „Akte Brust. Frau zwischen den Fronten“ treffend schreibt, stark kommerzialisiert wurde. Manipulationen sind ein Teil unse- res Lebens und jeder manipuliert selbst – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein. Dieses Bewusstsein wach zu halten, ermöglicht eine bessere Übersicht meint Ihre Verena Kienast Springer-Verlag GmbH SpringerMedizin/Editor verena.kienast@springer.at 3 Wiener Klinisches Magazin 5 · 2013|

Achtung! Manipulation!

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Wiener Klinisches Magazin 2013 · 16:3DOI 10.1007/s00740-013-0162-z © Springer-Verlag Wien 2013

V. KienastSpringer-Verlag, Wien

Achtung! Manipulation!

Wie wir die Welt erleben, ist immer eine Frage der Sichtweise. Auch wenn man-che Einzelpersonen und Gruppen den An-spruch auf Wahrheit erheben. Auf die eine oder andere Weise sind wir alle manipu-liert. Im besten Fall ist es möglich, durch ein vielfältiges Spektrum an Informatio-nen aus unterschiedlichen Quellen für sich selbst eine ausgewogene Annäherung an die Wirklichkeit zu erreichen. Das ist nicht immer angenehm und durchaus aufwän-dig – trotz Informationsflut durch die Me-dien und speziell das Internet.

"Obamacare" - und die vielen Seiten der Information

Ein plastisches Beispiel für die Manipu-lation durch Medien ist derzeit die vom amerikanischen Präsidenten als eines sei-ner Hauptanliegen forcierte Reform der Krankenversicherung - schon durch den Begriff „Obamacare“ einzigartig persona-lisiert. Während man in Europa, das ja in vielen Ländern ohnedies stimmungsmä-ßig mehrheitlich Obama“affin“ ist und wo in Staaten wie Österreich oder den skan-dinavischen Ländern ein zwar nicht ganz dichtes, aber doch recht eng geknüpftes Netz des Sozialsystems als Selbstverständ-lichkeit in Anspruch genommen wird, die positiven Aspekte der amerikanischen Krankenversicherungsreform in den Vor-dergrund stellt, sieht die Situation in den USA ganz anders aus.

Da stehen derzeit in Zusammenhang mit Obamacare vor allem das Nichtfunk-tionieren, die Ängste und die angeblich verheerenden Folgewirkungen im Mit-telpunkt des Medieninteresses. Dass das

Computersystem für die Anmeldung zu einer der Versicherungen gleich zu Be-ginn der Registrierungsmöglichkeit ab 1. Oktober völlig überlastet war und daher immer wieder zusammengebrochen ist, dass Unternehmer wirtschaftlich nicht mehr bestehen werden können, wenn sie ihre Mitarbeiter künftig krankenversi-chern müssen, dass das System unüber-schaubar ist und überhaupt die individu-elle Freiheit damit eingeschränkt werden.

Warum gerade das Thema Kranken-versicherung ein derart heiß umfehdetes in den USA ist, ist nicht ganz schlüssig. Si-cher ist, dass eine nicht unerheblich gro-ße Gruppe dazu übergangen ist, Opposi-tion um der Opposition willen zu machen – völlig unabhängig von inhaltlichen As-pekten. Destruktive Opposition, die be-trächtliche Summen Geld in diesbezüg-liche Manipulation der öffentlichen Mei-nung steckt. Aber wie gesagt: Manipula-tion findet natürlich auch in den europäi-schen Medien statt – mit anderen Vor-zeichen. Das sollte man sich wohl immer wieder ins Bewusstsein rücken. Speziell, wenn Fronten zu verhärten drohen.

Partikularinteressen unter dem ehrenhaften Deckmantel

Vorsichtig und wachsam sollte man auch bleiben, wenn manche Themen begin-nen eine Eigendynamik zu entwickeln, die sich lawinenartig verstärkt und damit In-teressensgruppen anlockt, die im Sog der Ereignisse eben ihre Partikularinteressen durchzusetzen versuchen – immer unter dem Deckmantel der ursprünglich durch-aus ehrlichen Bestrebungen. Der Arabi-

sche Frühling ist dafür ebenso ein Beispiel, wie die Brustkrebs-Bewusstseinskampag-nen mit der rosa Schleife, die zwar das Ta-bu gebrochen haben, darüber zu sprechen, aber mittlerweile, wie Hans Mosser, Vor-stand des Instituts für Radiologie im Lan-desklinikum Krems, in seinem Buch „Akte Brust. Frau zwischen den Fronten“ treffend schreibt, stark kommerzialisiert wurde.

Manipulationen sind ein Teil unse-res Lebens und jeder manipuliert selbst – vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein. Dieses Bewusstsein wach zu halten, ermöglicht eine bessere Übersicht

meint Ihre

Verena KienastSpringer-Verlag GmbHSpringerMedizin/[email protected]

3Wiener Klinisches Magazin 5 · 2013  |