6
9 Aus dem Tagebuch Milchpiraten- Logbuch von Matz: Montag, 18. Juli, erster R ICHTIGER Ferientag Wir sind nich so richtich oft einer Meinung, aber Bruno hatte heut Morgn ’ne coole Idee. Er meinte, wir solltn den ersten Ferientag feiern. Mit ’ner Party. Wir sind also los und haben allen Milch- piraten Bescheid gesagt: Tetje, Schlaubi, Hansi, den Zwillingen Jona und Jano, Birk mit der dicken Brille und Lewin mit den roten Haaren – der seine kleine Schwester im Schlepptau hatte: Swanni … Das geht normalerweise natürlich überhaupt nich. Mädchen bei ’ner Milchpiraten-Party, oder was? Aber es war nu mal so. Sogar den kleinen Bubi haben wir eingeladen, ob- wohl der immer voll anstrengend und eigentlich gar kein richtiger Milchpirat is. Aber er hat verspro-

Achtung, Milchpiraten!

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Unglaublich haarsträubende Abenteuergeschichten für Schreihälse, Nasebohrer, Dreckspatzen, Nicht-Stillsitzenkönner, Essen-Manscher, Wand-Beschmierer, Popel-Schnipser, Stuhl-Kippler und Zahnlücken-Pfeifer — und alle anderen. Auch für Mädchen. Elternfreie Zone und Ferienbeginn — eine Party ist einfach nötig, finden die Obermilchpiraten Matz und Bruno. Doch aus der Feier wird ein Feuerwerk der Missgeschicke und schon bald sieht es bei Bruno aus, als hätte der Rumpelkönig von Polter Eiländ höchstpersönlich sein Unwesen getrieben. Mitten im größten Chaos kündigt sich auch noch Oma Hertha an, um nach dem Rechten zu sehen. Können die Milchpiraten sich aus diesem Schlamassel retten?

Citation preview

Page 1: Achtung, Milchpiraten!

9

Aus dem Tagebuch Milchpiraten-Logbuch von Matz:

Montag, 18. Juli, erster R ICHTIGER FerientagWir sind nich so richtich oft einer Meinung, aber Bruno hatte heut Morgn ’ne coole Idee. Er meinte, wir solltn den ersten Ferientag feiern. Mit ’ner Party. Wir sind also los und haben allen Milch-piraten Bescheid gesagt: Tetje, Schlaubi, Hansi, den Zwillingen Jona und Jano, Birk mit der dicken Brille und Lewin mit den roten Haaren – der seine kleine Schwester im Schlepptau hatte: Swanni … Das geht normalerweise natürlich überhaupt nich. Mädchen bei ’ner Milchpiraten-Party, oder was? Aber es war nu mal so.Sogar den kleinen Bubi haben wir eingeladen, ob-wohl der immer voll anstrengend und eigentlich gar kein richtiger Milchpirat is. Aber er hat verspro-

Page 2: Achtung, Milchpiraten!

10 11

„Eima Mlchpra, imma Mlchpra! Aaar mi rei A!“

Ein Brötchen in Tetjes Mund machte es unmöglich,

die Parole zu verstehen. Bruno ließ ihn dennoch rein.

Nicht zuletzt, weil Tetje einen riesigen Beutel voller

Lebensmittel dabeihatte und man sich ihm einfach

nicht in den Weg stellte, wenn man seine Zähne be­

halten wollte.

Bis Tetje an der Feuerstelle in der Mitte des

Gartens ankam, hatte er zwei weitere Brötchen ver­

drückt. Er nickte kauend Matz zu, der gerade dabei

war, Zeitungen zu zerknüllen, um damit ein echtes

Party­Feuer zu entfachen, und setzte sich schnaufend

auf den Liegestuhl von Brunos Papa. Der knarzte be­

drohlich, hielt sich aber wacker.

„Hunger!“, sagte Tetje, wühlte in seinem Beutel

und schnaufte noch mal. Diesmal wie einer von den

zwei alten Kutschen­Gäulen, die auf der Weide am

Leuchtturm von Opa Fips grasen.

Sagen wir mal so: Die Milchpiraten waren sich

absolut darüber im Klaren, dass sie alleine kein

Feuer machen durften, aber die Situation war ein­

fach zu verlockend: elternfreie Zone bei Bruno und

Ferienbeginn. Eine Party war einfach nötig, und dazu

chen Erwin, den Materkater, mitzubringen und Würste zum Grillen, deshalb durfte er dann doch kommen. Ich hatte irgendwie von Anfang an kein gutes Gefühl, und wenn Bruno schon seine In-die-Zukunft-Glotz-Brille erfunden hätte, wäre uns die-ser übelste Schlamassel mit Bubi, der dann passiert is, mit Sicherheit nich passiert. Aber leider hatta sie noch nich erfunden gehabt. Also issa dann doch passiert, der Schlamassel.

Grad is mir eingefallen, dass ich als kleiner Piepel immer gedacht hab, Weintrauben sind nur rasierte Stachelbeeren. Krass.

„Parole?“ Bruno stand am Gartentor, machte Karate­

Bewegungen und plusterte sich auf, damit er so aus­

sah wie der Muskeltyp aus „Bäng, Bäng, Bummeräng“,

seinem aktuellen Lieblingsfilm. Trotzdem überragte

ihn Tetje um anderthalb Köpfe und war locker dop­

pelt so breit.

Page 3: Achtung, Milchpiraten!

12 13

gehörte nun mal ein Feuer, an dem man Würstchen

grillte. Selbst der sonst so vernünftige Matz wurde

von Bruno mit dem Argument überzeugt, dass er bei

ihm in der Bude schlafen durfte, weil seine Eltern

und die beiden Schwestern erst Dienstagabend zu­

rückkommen würden. Das hatte gezogen.

Die Bude war so ungefähr die coolste Hütte, die man

sich vorstellen konnte. Ein ehemaliger Wohnwagen,

der auf Stelzen mitten in Familie Fuchsens Garten

steht und über eine Strickleiter und eine Falltür und

einen Ausguck verfügt. Und die Fenster sind echte

Bullaugen. Also runde Fenster, die es sonst nur in

U­Booten oder so großen Segelschiffen gibt. Das Teil

stand hier schon, als Brunos Eltern das Grundstück

mit Haus und Schuppen drauf vor ungefähr zehn

Jahren gekauft haben.

In den kühnsten Träumen der beiden Freunde

und Obermilchpiraten Matz Peters und Bruno Fuchs

würde die Bude eines Tages ihr Hauptquartier wer­

den. Dem stand nur noch eine einzige Sache im Weg.

Eine Auflage von Frau Fuchs, Brunos Mama: Bruno

brauchte mindestens eine Drei in Mathe – und die

schien momentan so unerreichbar wie Polter Eiländ.

Page 4: Achtung, Milchpiraten!

14 15

„Parole?“ Bruno versuchte einen gewagten Karate­

Ausfallschritt, verfing sich mit den Füßen in sei­

ner Hose und fiel um. Er knallte mit dem Kopf ge­

gen das Gartentor und blieb liegen. Schlaubi sagte

trotzdem brav die Parole – „Einmal Milchpirat, im­

mer Milchpirat! Aaargh mit drei A!“ – und wartete,

bis Bruno ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht durch­

winkte.

Schlaubi hustete, kramte einen Asthma­Inhalator

aus der Jacke und nahm einen Zug. „Willst du auch?“,

fragte er Bruno, aber der grummelte nur und kam

ächzend wieder auf die Beine. Dabei rieb er sich

die Stirn und fluchte so, dass ich es hier wirklich

nicht aufschreiben möchte. Schlaubi begab sich zur

Feuerstelle und legte ein paar Möhren und Kartoffeln

sowie eine Packung Feldsalat auf den Gartentisch.

„Blätter? Du bringst Blätter mit zum Grillen?“

Tetje klang, als wenn er gerade erfahren hätte, dass

er zu einem Vortanzen auf dem Schulhof vor allen

Kindern und Lehrern musste, und schüttelte ange­

widert den Kopf.

„Wir hatten sonst nur Sellerie und Knob lauch­

zehen“, sagte Schlaubi kläglich und nahm zur

Sicherheit noch ein paar Inhalatorschübe. Matz klopf­

te Schlaubi auf die Schulter.

„Na dann sind Möhren, Kartoffeln und Blätter

doch super!“ Er nickte Tetje zu. Es war ein typi­

sches Matz­Nicken, mit grimmig gerunzelten

Augenbrauen und einem stechenden Blick. Ein

Nicken, das ohne Worte zum Beispiel sagte: Jetz

is aber gut! Tetje grunzte irgendwas, das wie

„Vonmirkriegtajedenfallsnixleckeresab“ klang, griff in

seinen Beutel und fischte eine Tafel Nuss­Schokolade

hervor, die so dick wie ein Telefonbuch war. Na ja, zu­

mindest so dick wie das Telefonbuch von Ping und

Pong.

„Parole?“ Bruno rieb sich immer noch die Stirn,

auf der ein deutliches Horn wuchs, ließ sich aber von

nichts und niemandem davon abhalten, seiner Pflicht

als Party­Einlasser nachzukommen. Er versuchte

den coolen grimmigen Blick von Matz nachzumachen,

scheiterte aber kläglich, weil er dabei immer seltsam

die Lippen spitzte.

Hansi, der vor dem Gartentor stand, registrier­

te den Kussmund gar nicht. Er starrte fasziniert auf

Brunos Horn. „Wasn?“ Bruno versuchte nun selbst

Page 5: Achtung, Milchpiraten!

16 17

auf sein Horn zu gucken, es gelang ihm aber nicht,

egal, wie sehr er die Augen nach oben verdrehte. Es

war mittlerweile ein walnussgroßes Buckelchen, das

bereits ein bisschen zu puckern begann.

Hansi glotzte weiter. Also fragte Bruno lauter:

„Parole?“ Hansi zuckte und hörte auf zu glotzen. „Ähm,

haben wir schon eine neue, oder isses die alte Parole?“

„Welche alte Parole?“, fragte Bruno genervt und

hielt die Hand übers Horn, um es vor Hansis Blicken

zu schützen. Pucker, pucker.

„Weiß nich“, brabbelte Hansi und sagte dann mal

wieder nichts. Das war Bruno zu blöd und er ließ Hansi

rein. Der ging aber erst, nachdem er Bruno gefragt

hatte, ob er noch mal auf sein Horn schauen durfte.

Bruno machte gefährliche Karate­Bewegungen und

Hansi rannte zur Feuerstelle, wo die anderen saßen.

Man legte sich besser nicht mit Bruno an, wenn er

seine Laune hatte. Wirklich nicht. Vor allem nicht mit

Horn.

Am Feuer angekommen, sagte Hansi: „Hm … Mist,

hab ich doch glatt vergessen, was zu essen mitzubrin­

gen!“, und schaute sich um, als ob er die anderen bis­

her gar nicht bemerkt hätte. Er lächelte schief ins

Irgendwo. Tetje legte die Hand auf seinen Fressbeutel,

schüttelte den Kopf und verdrückte den letzten

Happen der telefonbuchdicken Schokolade.

Schlaubi sagte: „Du kannst von mir was abhaben!“

Der Satz kam fast in einem Rutsch, dann allerdings

löste Rauch vom Feuer einen besorgniserregenden

Hustenanfall aus.

Hansi aber hatte gerade einen superinteressanten

dicken Käfer mit blauem Panzer entdeckt und schon

Page 6: Achtung, Milchpiraten!

18 19

gar nicht mehr richtig zugehört, weil er ihn unbe­

dingt beim Krabbeln beobachten musste. So bekam

der Käfer die Aufmerksamkeit, die sich der hustende

Schlaubi gewünscht hätte. Pech.

Gegen 15 Uhr brannte ein ordentliches Feuer, und die

Zwillinge Jona und Jano, Birk mit der dicken Brille

und Lewin mit den roten Haaren waren gekommen.

Lewin hatte bedrückt verkündet, dass er Swanni, sei­

ne kleine Schwester, dabeihat, wegen seiner Mutter

und so, und Bruno wollte sie erst gar nicht reinlas­

sen. Aber Swanni schubste ihn einfach beiseite, lief

in den Garten und nahm sich ein Brötchen aus Tetjes

Fressbeutel. Dann kaute sie und schaute aus kugel­

runden Augen in die Runde. Ihre Haare waren noch

roter als Lewins.

„Was hast du da?“, fragte sie Bruno und zeig­

te auf sein Horn. Bruno knurrte nur und drohte ihr

mit Karate­Kicks. Swanni kaute und guckte. Sie war

sechs und nicht von schlechten Eltern. Genau wie ihr

Bruder Lewin.

Auf dem Gartentisch stapelten sich leckere und

nicht so leckere Dinge zum Essen und zum Trinken,

und das Horn auf Brunos Stirn war ungefähr so groß

wie ein Tischtennisball und so rot wie eine fast reife

Tomate aus dem Gewächshaus von Bauer Brüll. Aus

dem Pucker, Pucker war ein tiefes, dumpfes POCK!

geworden.

Es war bisher eher ein gemütliches Bei sammen­

sein als eine wilde Milchpiraten­Party. Nicht mal ein

einziges kaputtes Glas. Und noch niemand mit aufge­

klopptem Knie. Von Brunos Horn mal abgesehen, na­

türlich …