2
JOT 6 | 2000 22 suche unter seriennahen Bedingungen durchgeführt. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Automobilin- dustrie und deren Fokus auf Acrylpul- verklarlacke werden diese bereits seit 1997 in der Praxis eingesetzt. Acrylpul- verdecklacke sind seit Anfang 1999 auf dem Markt. JOT: Welche besonderen Vorteile und Nachteile sprechen Sie heute dem Acrylat- Pulver zu? Gräwe: Acrylpulverlacke vereini- gen die exzellenten optischen und bewitterungstechnischen Eigenschaf- ten der Flüssiglacke mit den ökolo- gisch vorteilhaften Aspekten der Pul- vertechnologie, wie leicht durchführ- bares Recycling und eine emissions- freie Lackierung. Nachteilig ist die Lagertemperatur von rund 20°C, was normalerweise eine Temperierung von Anlage und Lager- raum nach sich zieht. Außerdem vertra- gen sich Acrylpulverlacke nur bedingt mit anderen in den Anlagen befindli- chen Pulverlacken. Dies sollte auf jeden Fall überprüft werden. JOT: Derzeit gibt es großes Interesse an UV-Pulverlacksystemen. Wie weit ist Ihr Unternehmen mit der Entwicklung von UV- härtenden Acrylat-Pulverlacken? Gräwe: UV-härtende Acrylpulver- lacke stellen eine sinnvolle Ergänzung unserer Produktpalette dar. Problema- tisch ist die Versorgung mit den not- wendigen Rohstoffen, die ein ausge- zeichnetes Eigenschaftsprofil aufwei- sen müssen. Um diesen Engpass zu schließen, wurde die Entwicklung eigener Rohstoffe in unserer zentralen Forschung initiiert. Die bisherige Pro- duktperformance ist vielversprechend, allerdings wird es bis zu einer Mark- teinführung noch etwas dauern. JOT: Bei den Acrylaten handelt es sich um ein teures Lacksystem. Würde es deut- lich günstiger, wenn aufgrund breiterer P ulverlacke haben sich in den letz- ten Jahren erfolgreich im Markt durchgesetzt und in vielen Fällen Flüssiglacksysteme ersetzt. Dennoch stoßen die herkömmlichen Pulver- lacke auf Polyester- oder Epoxidbasis an ihre Grenzen, wenn neben der exzellenten Oberfläche eine sehr hohe Bewitterungsbeständigkeit gefordert wird, wie beispielsweise in der Auto- mobilindustrie. Der Lackhersteller DuPont Performance Coatings (DPC) hat daher die Entwicklung von Acrylat- Pulverlacken stark vorangetrieben. Nach Ansicht von und Thomas Türk, Werkleiter Acrylpulverlacke Werk Landshut und verantwortlich für die Entwicklung und Produktion von Acrylpulverlacken, sowie René Gräwe, dem Entwicklungsleiter für Acryl- pulverlacke bei DPC, ist die Acrylpul- ver-Technologie eine junge Entwick- lung, deren Innovations- und Anwen- dungspotential bisher kaum ausgeschöpft wurde. Deshalb würden Acrylat- pulver bei industriellen Anwendungen noch wenig zum Einsatz kommen. Wir befragten Thomas Türk und René Gräwe über den Nutzen und die Anwen- dungsperspektiven dieser Technologie. JOT: Seit wann haben Sie Acrylat-Pulverlacke im Pro- gramm? Türk: Die Entwicklung von Acryl- pulverlacken begann 1992 im Rahmen eines „Simultaneous Engineering“ – also einer parallelen Entwicklung von Material- und Anlagenkonzept zur Einführung einer neuen Technologie – mit BMW. 1996 wurden erstmals Ver- Acrylat-Pulverlacke vor dem Durchbruch Die Automobilindustrie war Auslöser für die Entwicklung einer neuen Pulverlack-Generation auf Acrylatbasis. Das Ziel war, die umwelt- freundliche Pulverlacktechnologie mit erheblich besseren optischen und bewitterungstechnischen Eigenschaften auszustatten. Bislang sind die herausragenden Eigenschaften von Acrylpulverlacken bei den Produ- zenten von Industrieprodukten jedoch wenig bekannt. René Gräwe, Entwicklungs- leiter für Acrylpulverlacke bei DPC: „Da die Versorgung mit den Rohstoffen für Acrylat-Pul- verlacke problematisch ist, haben wir die Entwicklung eigener Rohstoffe initiiert.“ LACKE

Acrylat-Pulverlacke vor dem Durchbruch

  • Upload
    ke

  • View
    217

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Acrylat-Pulverlacke vor dem Durchbruch

JOT 6|200022

suche unter seriennahen Bedingungendurchgeführt. Aufgrund der engenZusammenarbeit mit der Automobilin-dustrie und deren Fokus auf Acrylpul-verklarlacke werden diese bereits seit1997 in der Praxis eingesetzt. Acrylpul-verdecklacke sind seit Anfang 1999 aufdem Markt.

JOT: Welche besonderen Vorteile undNachteile sprechen Sie heute dem Acrylat-Pulver zu?

Gräwe: Acrylpulverlacke vereini-gen die exzellenten optischen undbewitterungstechnischen Eigenschaf-ten der Flüssiglacke mit den ökolo-gisch vorteilhaften Aspekten der Pul-vertechnologie, wie leicht durchführ-bares Recycling und eine emissions-freie Lackierung.

Nachteilig ist die Lagertemperaturvon rund 20°C, was normalerweise eineTemperierung von Anlage und Lager-raum nach sich zieht. Außerdem vertra-gen sich Acrylpulverlacke nur bedingtmit anderen in den Anlagen befindli-chen Pulverlacken. Dies sollte aufjeden Fall überprüft werden.

JOT: Derzeit gibt es großes Interesse anUV-Pulverlacksystemen. Wie weit ist IhrUnternehmen mit der Entwicklung von UV-härtenden Acrylat-Pulverlacken?

Gräwe: UV-härtende Acrylpulver-lacke stellen eine sinnvolle Ergänzungunserer Produktpalette dar. Problema-tisch ist die Versorgung mit den not-wendigen Rohstoffen, die ein ausge-zeichnetes Eigenschaftsprofil aufwei-sen müssen. Um diesen Engpass zuschließen, wurde die Entwicklungeigener Rohstoffe in unserer zentralenForschung initiiert. Die bisherige Pro-duktperformance ist vielversprechend,allerdings wird es bis zu einer Mark-teinführung noch etwas dauern.

JOT: Bei den Acrylaten handelt es sichum ein teures Lacksystem. Würde es deut-lich günstiger, wenn aufgrund breiterer

Pulverlacke haben sich in den letz-ten Jahren erfolgreich im Markt

durchgesetzt und in vielen FällenFlüssiglacksysteme ersetzt. Dennochstoßen die herkömmlichen Pulver-lacke auf Polyester- oder Epoxidbasisan ihre Grenzen, wenn neben derexzellenten Oberfläche eine sehr hoheBewitterungsbeständigkeit gefordert

wird, wie beispielsweise in der Auto-mobilindustrie. Der LackherstellerDuPont Performance Coatings (DPC)hat daher die Entwicklung von Acrylat-Pulverlacken stark vorangetrieben.

Nach Ansicht von und ThomasTürk, Werkleiter Acrylpulverlacke

Werk Landshut und verantwortlich fürdie Entwicklung und Produktion vonAcrylpulverlacken, sowie René Gräwe,dem Entwicklungsleiter für Acryl-pulverlacke bei DPC, ist die Acrylpul-ver-Technologie eine junge Entwick-lung, deren Innovations- und Anwen-

dungspotential bisherkaum ausgeschöpft wurde.Deshalb würden Acrylat-pulver bei industriellenAnwendungen noch wenigzum Einsatz kommen. Wirbefragten Thomas Türkund René Gräwe über denNutzen und die Anwen-dungsperspektiven dieserTechnologie.

JOT: Seit wann haben SieAcrylat-Pulverlacke im Pro-gramm?

Türk: Die Entwicklung von Acryl-pulverlacken begann 1992 im Rahmeneines „Simultaneous Engineering“ –also einer parallelen Entwicklung vonMaterial- und Anlagenkonzept zurEinführung einer neuen Technologie –mit BMW. 1996 wurden erstmals Ver-

Acrylat-Pulverlacke vor dem DurchbruchDie Automobilindustrie war Auslöser für die Entwicklung einer neuenPulverlack-Generation auf Acrylatbasis. Das Ziel war, die umwelt-freundliche Pulverlacktechnologie mit erheblich besseren optischen undbewitterungstechnischen Eigenschaften auszustatten. Bislang sind dieherausragenden Eigenschaften von Acrylpulverlacken bei den Produ-zenten von Industrieprodukten jedoch wenig bekannt.

René Gräwe, Entwicklungs-leiter für Acrylpulverlacke beiDPC: „Da die Versorgung mitden Rohstoffen für Acrylat-Pul-verlacke problematisch ist,haben wir die Entwicklungeigener Rohstoffe initiiert.“

L A C K E

Page 2: Acrylat-Pulverlacke vor dem Durchbruch

JOT 6|200024

L A C K E

Anwendung größere Mengen produziertwürden?

Türk: Acrylpulverlacke sind,gemessen an ihrem Preis pro Kilo-gramm, tatsächlich teurer als her-kömmliche Pulverlacke. Entscheidendfür den Kunden ist aber der Preis prolackiertem Teil. Acrylate bieten einenorm großes Potenzial der Schicht-dickenreduzierung unter Beibehaltungder guten Eigenschaften. Anhandunseres Acrylpulverklarlacks konntenwir bereits konkret zeigen, dass sichbei dieser Anwendung die Kosten prolackiertem Teil auf dem Niveau einesPolyester-Pulverklarlacks bewegen,teilweise sogar darunter. Der Marktan-teil von Acrylpulverlacken rangiert zurZeit noch unter einem Prozent. Steigtder Marktanteil bis auf vier Prozent,können größere Fertigungsanlagen fürPulver und Rohstoffe in Betrieb ge-nommen werden. Eine Reduzierungder Kosten um rund 30 Prozent haltenwir für realistisch.

JOT: Bei welchen Anwendungen lohntsich der Einsatz eines solchen Pulverlackesaus Ihrer Sicht?

Gräwe: Die großen Vorteile vonAcrylpulverlacken, nämlich Verlaufund Bewitterungsstabilität, bestimmenauch im wesentlichen die Anwen-dungsbereiche. Dort, wo hochdekora-tive, außenbeständige Lacksystemegefragt sind, sehen wir die Marktchan-cen für Acrylpulverlacke. Zusätzlicherschließen sich Anwendungen, beidenen die notwendig hohen Einbrenn-temperaturen von herkömmlichen Pul-verlacken den Untergrund beschädi-gen würden, beispielsweise auf demGebiet der Kunststoffanbauteile fürAutomobile.

JOT: Derzeit scheint die Automobilindu-strie Hauptkunde für Acrylat-Pulverlackezu sein. Welches Potenzial sehen Sie für die-ses Lacksystem in der allgemeinen Indus-trie?

Türk: Die Automobilindustrie istzur Zeit der Hauptkunde für Acrylat-Pulverlacke. Allerdings zeigen die bis-herigen Erfahrungen, dass auch in derallgemeinen Industrie eine großeNachfrage nach derartigen Produktenbesteht. Zur Zeit beliefert DPC bereits

mehrere Industriekunden mit Acryl-klarlack. Insgesamt sehen wir in derallgemeinen Industrie in Zukunft eingrößeres Marktpotenzial als in derAutomobilindustrie.

JOT: In welchen Farbenkönnen Sie Acrylat-Pulver-lacke heute anbieten?

Türk: Acrylat-Pulver-lacke sind in allen Far-ben und Glanzgradenerhältlich. Aufgrund dergeringeren Einbrenn-temperatur sind hiersogar Farbtöne zugäng-lich, die Pigmente bein-halten, die bei Tempera-turen von rund 170°CFarbtonverschiebungenzeigen.

JOT: Welche Vorausset-zungen müssen bei der Ver-wendung von Acrylaten

berücksichtigt werden, hinsichtlich Lagerungund Transport, Verarbeitung, Anlagentech-nik und so weiter?

Gräwe: Die Besonderheiten beiLagerung, Transport und Verarbeitungergeben sich aus der, relativ zu her-kömmlichen Pulvern gesehen, stärke-ren Temperaturempfindlichkeit. Wirempfehlen, eine Temperatur von 20°C+/- 2°C nicht zu überschreiten. Acrylat-Pulverlacke sind mit herkömmlichenAnlagen problemlos zu verarbeiten.Recyclingsysteme mit Filter funktio-nieren sehr gut, während Systeme mitZyklonabscheidern noch getestet wer-den müssen.

JOT: Bei welchen Temperaturen wirdder Pulverlack eingebrannt und welchesVerarbeitungsfenster wurde ermittelt?

Gräwe: Die minimale Einbrenn-temperatur unseres Pulverklarlackesliegt bei 140°C und 25 MinutenObjekthaltezeit. Temperaturen von170°C reduzieren die Einbrennzeit auf15 Minuten. Die Verarbeitung erfolgt

üblicherweise bei 20°C +/- 2°C. DieKontrolle und Einstellung der Luft-feuchte auf einen Wert von 50 +/- 5 %sollte je nach Anwendungszweck aufNotwendigkeit überprüft werden.

JOT: Trauen Sie sich, eine Prognose zutreffen, wo der Marktanteil der Acrylat-Pulverlacke in Europa in fünf Jahren lie-gen könnte?

Türk: Wie ich schon sagte, liegt derMarktanteil von Acrylatpulvern heutebei rund einem Prozent. Wir halten einWachstum des Marktes auf bis zu fünfProzent in den nächsten fünf Jahren fürwahrscheinlich. Die jährlichen Zu-wachsraten werden sich dabei im zwei-stelligen Prozentbereich bewegen.DPC hat im Werk bei Landshut in denletzten Jahren umfangreiche Investi-tionen unternommen. Basierend aufden technischen Möglichkeiten, diehier geschaffen wurden, sehen wir unsin der Lage, auch ein überproportionalstarkes Marktwachstum begleiten zukönnen. (Ke)

Thomas Türk, WerkleiterAcrylpulverlacke DPC-WerkLandshut: „Die jährlichen Zuwachsratenfür Acryl-Pulverlacke werdensich im zweistelligen Prozent-bereich bewegen.“

Bild

er: D

PC