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Page 1: Acrylat-Pulverlacke vor dem Durchbruch

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suche unter seriennahen Bedingungendurchgeführt. Aufgrund der engenZusammenarbeit mit der Automobilin-dustrie und deren Fokus auf Acrylpul-verklarlacke werden diese bereits seit1997 in der Praxis eingesetzt. Acrylpul-verdecklacke sind seit Anfang 1999 aufdem Markt.

JOT: Welche besonderen Vorteile undNachteile sprechen Sie heute dem Acrylat-Pulver zu?

Gräwe: Acrylpulverlacke vereini-gen die exzellenten optischen undbewitterungstechnischen Eigenschaf-ten der Flüssiglacke mit den ökolo-gisch vorteilhaften Aspekten der Pul-vertechnologie, wie leicht durchführ-bares Recycling und eine emissions-freie Lackierung.

Nachteilig ist die Lagertemperaturvon rund 20°C, was normalerweise eineTemperierung von Anlage und Lager-raum nach sich zieht. Außerdem vertra-gen sich Acrylpulverlacke nur bedingtmit anderen in den Anlagen befindli-chen Pulverlacken. Dies sollte aufjeden Fall überprüft werden.

JOT: Derzeit gibt es großes Interesse anUV-Pulverlacksystemen. Wie weit ist IhrUnternehmen mit der Entwicklung von UV-härtenden Acrylat-Pulverlacken?

Gräwe: UV-härtende Acrylpulver-lacke stellen eine sinnvolle Ergänzungunserer Produktpalette dar. Problema-tisch ist die Versorgung mit den not-wendigen Rohstoffen, die ein ausge-zeichnetes Eigenschaftsprofil aufwei-sen müssen. Um diesen Engpass zuschließen, wurde die Entwicklungeigener Rohstoffe in unserer zentralenForschung initiiert. Die bisherige Pro-duktperformance ist vielversprechend,allerdings wird es bis zu einer Mark-teinführung noch etwas dauern.

JOT: Bei den Acrylaten handelt es sichum ein teures Lacksystem. Würde es deut-lich günstiger, wenn aufgrund breiterer

Pulverlacke haben sich in den letz-ten Jahren erfolgreich im Markt

durchgesetzt und in vielen FällenFlüssiglacksysteme ersetzt. Dennochstoßen die herkömmlichen Pulver-lacke auf Polyester- oder Epoxidbasisan ihre Grenzen, wenn neben derexzellenten Oberfläche eine sehr hoheBewitterungsbeständigkeit gefordert

wird, wie beispielsweise in der Auto-mobilindustrie. Der LackherstellerDuPont Performance Coatings (DPC)hat daher die Entwicklung von Acrylat-Pulverlacken stark vorangetrieben.

Nach Ansicht von und ThomasTürk, Werkleiter Acrylpulverlacke

Werk Landshut und verantwortlich fürdie Entwicklung und Produktion vonAcrylpulverlacken, sowie René Gräwe,dem Entwicklungsleiter für Acryl-pulverlacke bei DPC, ist die Acrylpul-ver-Technologie eine junge Entwick-lung, deren Innovations- und Anwen-

dungspotential bisherkaum ausgeschöpft wurde.Deshalb würden Acrylat-pulver bei industriellenAnwendungen noch wenigzum Einsatz kommen. Wirbefragten Thomas Türkund René Gräwe über denNutzen und die Anwen-dungsperspektiven dieserTechnologie.

JOT: Seit wann haben SieAcrylat-Pulverlacke im Pro-gramm?

Türk: Die Entwicklung von Acryl-pulverlacken begann 1992 im Rahmeneines „Simultaneous Engineering“ –also einer parallelen Entwicklung vonMaterial- und Anlagenkonzept zurEinführung einer neuen Technologie –mit BMW. 1996 wurden erstmals Ver-

Acrylat-Pulverlacke vor dem DurchbruchDie Automobilindustrie war Auslöser für die Entwicklung einer neuenPulverlack-Generation auf Acrylatbasis. Das Ziel war, die umwelt-freundliche Pulverlacktechnologie mit erheblich besseren optischen undbewitterungstechnischen Eigenschaften auszustatten. Bislang sind dieherausragenden Eigenschaften von Acrylpulverlacken bei den Produ-zenten von Industrieprodukten jedoch wenig bekannt.

René Gräwe, Entwicklungs-leiter für Acrylpulverlacke beiDPC: „Da die Versorgung mitden Rohstoffen für Acrylat-Pul-verlacke problematisch ist,haben wir die Entwicklungeigener Rohstoffe initiiert.“

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Anwendung größere Mengen produziertwürden?

Türk: Acrylpulverlacke sind,gemessen an ihrem Preis pro Kilo-gramm, tatsächlich teurer als her-kömmliche Pulverlacke. Entscheidendfür den Kunden ist aber der Preis prolackiertem Teil. Acrylate bieten einenorm großes Potenzial der Schicht-dickenreduzierung unter Beibehaltungder guten Eigenschaften. Anhandunseres Acrylpulverklarlacks konntenwir bereits konkret zeigen, dass sichbei dieser Anwendung die Kosten prolackiertem Teil auf dem Niveau einesPolyester-Pulverklarlacks bewegen,teilweise sogar darunter. Der Marktan-teil von Acrylpulverlacken rangiert zurZeit noch unter einem Prozent. Steigtder Marktanteil bis auf vier Prozent,können größere Fertigungsanlagen fürPulver und Rohstoffe in Betrieb ge-nommen werden. Eine Reduzierungder Kosten um rund 30 Prozent haltenwir für realistisch.

JOT: Bei welchen Anwendungen lohntsich der Einsatz eines solchen Pulverlackesaus Ihrer Sicht?

Gräwe: Die großen Vorteile vonAcrylpulverlacken, nämlich Verlaufund Bewitterungsstabilität, bestimmenauch im wesentlichen die Anwen-dungsbereiche. Dort, wo hochdekora-tive, außenbeständige Lacksystemegefragt sind, sehen wir die Marktchan-cen für Acrylpulverlacke. Zusätzlicherschließen sich Anwendungen, beidenen die notwendig hohen Einbrenn-temperaturen von herkömmlichen Pul-verlacken den Untergrund beschädi-gen würden, beispielsweise auf demGebiet der Kunststoffanbauteile fürAutomobile.

JOT: Derzeit scheint die Automobilindu-strie Hauptkunde für Acrylat-Pulverlackezu sein. Welches Potenzial sehen Sie für die-ses Lacksystem in der allgemeinen Indus-trie?

Türk: Die Automobilindustrie istzur Zeit der Hauptkunde für Acrylat-Pulverlacke. Allerdings zeigen die bis-herigen Erfahrungen, dass auch in derallgemeinen Industrie eine großeNachfrage nach derartigen Produktenbesteht. Zur Zeit beliefert DPC bereits

mehrere Industriekunden mit Acryl-klarlack. Insgesamt sehen wir in derallgemeinen Industrie in Zukunft eingrößeres Marktpotenzial als in derAutomobilindustrie.

JOT: In welchen Farbenkönnen Sie Acrylat-Pulver-lacke heute anbieten?

Türk: Acrylat-Pulver-lacke sind in allen Far-ben und Glanzgradenerhältlich. Aufgrund dergeringeren Einbrenn-temperatur sind hiersogar Farbtöne zugäng-lich, die Pigmente bein-halten, die bei Tempera-turen von rund 170°CFarbtonverschiebungenzeigen.

JOT: Welche Vorausset-zungen müssen bei der Ver-wendung von Acrylaten

berücksichtigt werden, hinsichtlich Lagerungund Transport, Verarbeitung, Anlagentech-nik und so weiter?

Gräwe: Die Besonderheiten beiLagerung, Transport und Verarbeitungergeben sich aus der, relativ zu her-kömmlichen Pulvern gesehen, stärke-ren Temperaturempfindlichkeit. Wirempfehlen, eine Temperatur von 20°C+/- 2°C nicht zu überschreiten. Acrylat-Pulverlacke sind mit herkömmlichenAnlagen problemlos zu verarbeiten.Recyclingsysteme mit Filter funktio-nieren sehr gut, während Systeme mitZyklonabscheidern noch getestet wer-den müssen.

JOT: Bei welchen Temperaturen wirdder Pulverlack eingebrannt und welchesVerarbeitungsfenster wurde ermittelt?

Gräwe: Die minimale Einbrenn-temperatur unseres Pulverklarlackesliegt bei 140°C und 25 MinutenObjekthaltezeit. Temperaturen von170°C reduzieren die Einbrennzeit auf15 Minuten. Die Verarbeitung erfolgt

üblicherweise bei 20°C +/- 2°C. DieKontrolle und Einstellung der Luft-feuchte auf einen Wert von 50 +/- 5 %sollte je nach Anwendungszweck aufNotwendigkeit überprüft werden.

JOT: Trauen Sie sich, eine Prognose zutreffen, wo der Marktanteil der Acrylat-Pulverlacke in Europa in fünf Jahren lie-gen könnte?

Türk: Wie ich schon sagte, liegt derMarktanteil von Acrylatpulvern heutebei rund einem Prozent. Wir halten einWachstum des Marktes auf bis zu fünfProzent in den nächsten fünf Jahren fürwahrscheinlich. Die jährlichen Zu-wachsraten werden sich dabei im zwei-stelligen Prozentbereich bewegen.DPC hat im Werk bei Landshut in denletzten Jahren umfangreiche Investi-tionen unternommen. Basierend aufden technischen Möglichkeiten, diehier geschaffen wurden, sehen wir unsin der Lage, auch ein überproportionalstarkes Marktwachstum begleiten zukönnen. (Ke)

Thomas Türk, WerkleiterAcrylpulverlacke DPC-WerkLandshut: „Die jährlichen Zuwachsratenfür Acryl-Pulverlacke werdensich im zweistelligen Prozent-bereich bewegen.“

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