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Ausstellungskatalog "Agovié, ein Dorf in der Volksrepublik Benin" zur Foto-/Dias-Ausstellung im Völkerkundemuseum Zürich 1977 / überarbeitet 2015 / Ausstellung und Katalog, Fotos und Text: Peo Oertli-Kassim

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TEXTE

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01Der etwa 90-jährige Dorfälteste und Familienchef Xɛ-ma-ɖu ("Vogel-nicht-essen". Der Name schützt gegen den grossen schwarzen Hexervogel).

02Feldarbeit und Ertrag zweimal pro Jahr während der Regenzeiten: roden-abbrennen, säen-Maissprösslinge, jäten-sichere Ernte (am Beispiel des dörf-lichen Clubs, eines vom staatlichen service agricole geförderten Kollektivs.

03Maisernte auf dem privaten Feld des Bauern. Der Heimtransport in Körbenauf dem Kopf nimmt ein bis zwei Tage in Anspruch.

04Die acht Mitglieder des Clubs bereiten einen Teil ihrer Maisernte für denVerkauf in Säcken vor.

05Der Mais wird entkörnt und der Tagesbedarf in die im Dorf vorhandenekleine Maismühle gebracht. 'Maispudding' (pâte) und Palmölsauce mit Fisch bilden die tägliche Grund-nahrung. Man isst von Hand und mit andern zusammen.

06Die allgemein übliche 'Zwangsfütterung' mit Maisstärkebrei (bouille) ge-wöhnt die grossen Säuglinge rasch an die neue Nahrung. Die Kinder werdenaber wenigstens 1–1½ Jahre lang gestillt.

07Magische Zeichen bei Haus- und Dorfeingängen und im Feld sollen Diebeund Hexerei fernhalten.Vodun-Novizinnen präsentieren sich nach dreimonatiger Initiation erstmalsder Öffentlichkeit. Heute ist die Initiationszeit staatlich auf ein bis drei Tagebeschränkt.

08Alles hängt vom Regen ab: ein Gewitter wird zum wichtigsten Tagesthema.

09Kännel und grosse Trichter lenken die heftigen Regengüsse in die Zisternen.

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Vergeudetes Wasser: trotzt Wassermangel sind nicht alle Dächer mitTraufen ausgerüstet.Wer keine eigene Zisterne besitzt, baut Wasserfänger-Provisorien.Die meisten Zisternen sind schon bald nach Beginn der Trockenzeit wiederleer.

10Im Hof: die Küche ist vom Wohnhaus getrennt und mit Stroh bedeckt; einegrosse, fast leere Zisterne; ein traditioneller Wasserbehälter aus Ton.

11Während der zwei jährlichen Trockenzeiten müssen die Frauen währendfünf bis sechs Monaten zweimal täglich im 2.5 km entfernten marigotWasser holen und in 20L-Gefässen auf dem Kopf nach Hause tragen. Dassind täglich zwei Stunden Arbeit für jede Frau. Das Wasser ist zudemverkeimt.Das Dorf-Kollektiv-Projekt "Grundwasserbrunnen" entstand aus eigenerInitiative und soll mit eigenen Mitteln gelöst werden: es müssen 45 m ge-graben und auszementiert werden.

12Gesichter aus dem Dorf.

13Bagage meint 'Mitgift' oder 'Brautpreis'. Eine Frau heiraten kostet sehr vielGeld. Mit dem aufgeführten Gesamtbetrag könnten mindestens zwei well-blechbedeckte Häuser gebaut werden.

14 + 15Unter der französischen Kolonialherrschaft wurde im früheren Dahomeyeine Ölpalmen-Monokultur für den Export errichtet. Die Früchte der Öl-palme stellen im Dorf noch heute die wichtigste Einkommensquelle dar.

Ein Teil der Ernte wird zu "rotem Öl" verarbeitet. Die getrockneten Faser-kuchen werden als Anfeuermaterial, die Kerne an "Weiss-Öl"-Produzentenverkauft. Aus dem Mark der gefällten Palme gewinnt man den süssen"Palmwein".

16Vor, zu und nach allem 1–2 Gläser sɔɖabi, S.D.B. (destillierter Palmwein).

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Fotos im Zentrum___________________________________________________________________

Herkömmliche Ausstellungen über ethnologische Themen legen in derRegel das Hauptgewicht auf gesammelte, aus ihrem Umfeld gelösteObjekte; Fotos sind meistens nur begleitend oder ergänzend, indem sie zumBeispiel das verlorene Umfeld zu ersetzen haben. Das verhält sich hier nungerade umgekehrt. Die Hauptinformation dieser Ausstellung sind die Bilder,sie sind in erster Linie wichtig!

Ethnologie, wie ich sie zu vertreten versuche, stellt die Arbeit "im Feld" inden Mittelpunkt. Dabei geht es nicht um das Sammeln von Objekten oderDaten und Erkenntnissen, die man als eigentliche Hauptarbeit dann später"auswertet", sondern vielmehr um das Aufarbeiten konkreter Probleme anOrt und Stelle.(Wenn man einer solchen Art von Ethnologie einen Namen geben will,würde ich sie am ehesten mit Entwicklungsethnologie, methodisch auf demAnsatz der Aktionsforschung beruhend, bezeichnen.)

In Agɔvié, meinem Gastdorf, engagierte ich mich vor allem für folgendeProbleme:- Wassermangel (Graben eines [über 30m tiefen] Grundwasserbrunnens).- Mangel an Verdienstmöglichkeiten (Einrichten eines Kaninchenzucht-

Kollektivs).- Verbessern der Agrarproduktion (Bau eines Lehmsilos mit Trockenanlage

für die Maiskonservierung) sowie der Versuch, ein neuentdecktes Produkt aus dem Saft der Oelpalme verdienstbringend zu machen.

- Konstruktion eines der ortsüblichen Zeiteinteilung angepassten Jahreskalenders.

Meine Arbeit lief dabei auf möglichst selbständige und unabhängigeLösungen der Dorfprobleme durch die Bewohner selbst hinaus.

Ich habe während meiner zwei Aufenthalte (November 1973 bis Februar1974 und Juli 1975 bis April 1976) neben meiner eigentlichen Arbeit vielfotografiert. Um das so entstandene Material auch andern zugänglich zumachen, habe ich mich mit dem Vorschlag einer Ausstellung ans Völker-kundemuseum der Universität Zürich gewendet. Dafür, dass mir dasermöglicht wurde, möchte ich sehr danken.

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Ich will mit der Ausstellung nicht die Arbeit an den konkreten Projektenaufzeigen – ich könnte das auch nicht, da ich davon bezeichnenderweise nursehr wenige Aufnahmen habe – aber ich will einige Perspektiven derSituation des Dorfes zu zeigen versuchen. Was mich auch beim Foto-grafieren beschäftigte, waren Themen, die von den Leuten selbst als wichtigbezeichnet wurden, aber auch ganz einfach ihre Lebensweise und was sichso im Dorf ereignete. So entstanden Aufnahmen aus vielen Bereichen desDorfalltags: Arbeitsabläufe, Portraits von Leuten, Häuser, Zeremonien,Musikinstrumente, Gebrauchsgegenstände, Importartikel, Regen, Felder,Kinder und Mütter, Abendstimmungen – Typisches, Erfreuliches, Lehr-reiches und Lustiges ...Im Übrigen habe ich den Leuten im Dorf sämtliche Dias auch in Projektiongezeigt.

Agɔvié ist nur ein kleines Beispiel, und die Darstellung bleibt zwangsläufigbruchstückhaft. Trotzdem entstehen vielleicht "zwischen den Bildern" Ge-danken, die darüber hinaus führen – diese möchte ich jedenfalls mit-teilen.

In erster Linie geht es dabei um das Begreifen einer Existenz unter völliganderen, uns unbekannten Bedingungen, um das Abbauen von Vorurteilen –um Verständnis zum Beispiel für die Bauern von Ag viéɔ , welche die Weltvon unten sehen und der hohen Politik und internationalen Wirtschafts-verflechtungen genauso ausgeliefert sind wie klimatischen Bedingungen,die sich nach Luxusgütern sehnen (die eigentlich Gebrauchsgüter sein könn-ten) oder nach Regen und einer guten Maisernte –„falls es Gott gefällt“.

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ÉHÚZÚ – DÀNDÀN"Es hat sich verändert – allen Widerständen zum Trotz" ___________________________________________________________________

Agɔvié (der Name bedeutet: "kleine Maisspeicher") hat unfähr 200 Einwoh-ner und ist ein Teil eines Dorfes, das sich aus mehreren kleinen Siedlungen(sog. "Quartieren") zusammensetzt. Sie sind im Laufe der Zeit entstandenund liegen verstreut bis max. 5 km auseinander. Das "quartier" Agɔviéwurde um 1910 von drei Brüdern gegründet. Heute (1977) wächst die vierteGeneration heran. Die Bewohner bilden praktisch eine einzige Familie: siesind alle über die väterliche Linie miteinander verwandt, denn die Söhnebleiben im Dorf der Väter (patrilokale Lineage).

Diese alte, auf Verwandtschaft und Alter beruhende hierarchisch gegliederteSozialordnung unter dem Dorfältsten als Oberhaupt, die sog. hɛɛnnu, zeigtheute Zeichen von Zerfall.Vom einstigen Feldarbeits- und Zeremonien-Kollektiv, der traditionellendɔnkpɛɛ, blieben nur noch der Vorsteher und seine Rolle bei Zeremonienübrig. Die traditionellen Tam-Tam-Gruppen – zur gegenseitigen Unter-stützung bei Totenzeremonien – verlieren ihre Bedeutung. Der traditionellezangbétɔɛ, eine rituelle Nachtwächtergesellschaft, ist vor ein paar Jahrenaufgehoben worden. Agɔvié ist seit rund zehn Jahren zum grössten Teilchristianisiert (mit eigener Kapelle), die traditionelle 'animistische' vodun-Religion scheinbar verbannt. Viele Junge gehen jetzt zur Schule, kleidensich modern und haben andere Zukunftspläne als Bauer werden und andereVorstellungen über Heirat: die traditionelle Form der Sozialstruktur wirddeshalb zerfallen und die 'Vielweiberei' verdrängt werden.hɛɛnnu-Chef, dɔnkpɛɛ-Chef, der Chef der Jungen (vigan) und der Tam-Tam-Gruppe (hungbɛɛgan), auch die bei Heirat wichtige Mutter der Tanten(tannyinɔɔn) und älteste Frau sowie der Rat der Alten: alle diese traditionel-len, mit hohem Ansehen verbundenen Rollen haben, mit früher verglichen,viel an Bedeutung verloren.___________________________________________________________________

Auch wenn die Tradition (Ueberlieferung) in vielen Bereichen zerfällt,bleibt sie trotzdem in anderen um so stärker erhalten, oder sie kommt unver-mutet wieder an die Oberfläche.

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Bei wichtigen Entscheiden wird nach wie vor das fa ('Orakel') befragt.Grössere Arbeiten, zum Beispiel der Bau eines Hauses, das Graben einerZisterne oder eines Brunnens, werden mit Opfern begonnen und beendet.Ein krankes Kind wird nach wie vor zum vodun-Priester gebracht, undwenn ein vodun ('Gottheit') eine Zeremonie, ein Opfer oder ein nächtlichesAusgehverbot verlangt, unterzieht man sich dem auch als Christ. Kinder undErwachsene tragen Ringe, Ketten und Amulette als Gegenzauber, undvermutlich übt noch jeder seine Fähigkeiten in der Macht des Wortes (mitder man töten kann!) sowie seine magischen Abwehrkräfte.Das zur traditionellen Gastfreudschaft gehörende Begrüssungsritual und dieverschiedenen Grussformen bilden einen Teil des täglichen Lebens. DerRespekt vor dem Rang und dem Aelteren gilt nach wie vor, was sich inGesten, aber auch in Worten ausdrückt: Alle alten Männer werden mit daa(Vater) angesprochen. Der ältere Bruder wird mit fofo (älterer Bruder), dererwachsene jüngere Bruder mit "Er" angerufen. Teilweise siezen Kinder ihreEltern. Die Formen für "Herr" und "Sie" werden häufig verwendet. Dieältere Schwester wird dada und Frauen als "Mutter von ..." (ihrem erstenKind, z.B. Regina-nɔɔn) genannt, sogar von ihrem eigenen Mann.In den Feldern finden sich, vor allem während der Rode- und Erntezeiten,mit vodun verbundene Zeichen, welche Diebe abschrecken sollen. Im Dorfgibt es mehrere Schutzgeist-Figuren, Zauberzeichen an den Häusern undOrte, wo den verstorbenen Zwillingen und den Ahnen geopfert wird. UmFrauen während ihrer Menstruation fernzuhalten, sind um Zisternen und vorHauseingängen entsprechende Zeichen angebracht. Ehebrecherinnen undDiebe riskieren immer noch, vergiftet zu werden.

Bei dieser Konfrontation von überlieferten und neuen Werten werden dieVorgänge auf der politischen Ebene besonders spürbar.

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich, dem l. August 1960, hatteDahomey sieben verschiedene Regierungen, die sich immer durch Umsturzablösten. Am längsten hat sich die jetzige Militärregierung [1977] unter"Camarade lieutenant-colonel Mathieu Kérékou, président de la répu-blique" halten können: trotz verschiedener Sturzversuche bereits fünf Jahre,d.h. seit dem "26 octobre 1972", dem am Radio täglich wiederholten"historischen Geburtsdatum der Revolution". Am 30. November 1974 gabdiese Regierung definitiv und öffentlich ihre Linie bekannt: "Le socialismescientifique est notre chemin, le marxisme-léninisme notre guide".

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Um symbolisch mit der alten Feudal- und Kolonialgeschichte zu brechenund das zersplitterte Land zu einigen, wurde am 30. November 1975 die"République populaire du Bénin" ausgerufen. Man hisste die neue grüneNationalfahne mit rotem Stern, und aus den Slogans der Revolution, aus denFirmenbezeichnungen und von den Briefmarken verschwand "Dahomey"allmählich.

"Nieder mit dem Kapitalismus, nieder mit dem Kolonialismus, nieder mitdem Neokolonialismus, nieder mit dem Feudalismus, nieder mit demFetischismus (vodun), nieder mit der Hexerei, nieder mit der Ausbeutungdes Menschen durch den Menschen – für das Volk, alle Macht dem Volk.Bereit für die Revolution, der Kampf geht weiter." Ein anderer Slogan der Revolution, in der einheimischen Sprache ehuzu –dandan ('es hat sich verändert – allen Widerständen zum Trotz') wurde wieunser schweizerisches "Guguus – dada" zu einem Spiel zwischen Mütternund Kindern. Es hat sich aber tatsächlich einiges verändert – und dies trotzder vielen Kinderkrankheiten auch dieser Revolution recht oft zumPositiven.

Das Volk, daran gewöhnt, dass der Wind oft dreht und es am besten ist, sichdanach zu richten, das sich in Fatalismus und Lethargie schickte, beginntlangsam an sich zu glauben, was die einzige Möglichkeit ist, dauerhaftereund eben vom Volk getragene Veränderungen zu bewerkstelligen. Wenn dasrevolutionäre Gedankengut zum Tragen kommt, dann hat Benin der jetzigenRegierung einiges zu verdanken. Diese hat allerdings einen schwierigenStand, denn der Kampf gegen innere und äussere Widerstände ist hart.Die Regierung verspricht jedem genügend Nahrung, Kleidung, verbessertenWohnraum und Ausbildung: "ein Land, in dem es sich gut leben lässt". Siebetont aber auch immer wieder die Notwendigkeit der selbständigen Verän-derungsarbeit mit eigenen Mitteln ("Zählt auf eure eigenen Kräfte"), unddas Volk beginnt dies langsam zu verstehen.___________________________________________________________________

Mit solchen Maximen – und in einem Land mit Problemen wie Benin siehat – kann man anscheinend nicht zimperlich regieren und es allen recht zumachen versuchen, man muss handeln und an konkreten Fehlern lernen. DieRegierung ist denn auch mit ihren politischen, sozialen und ökonomischen

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Programmen über das Radio und einen hierarchischen Beamtenapparatrecht strikt bis ins letzte Quartier hineingedrungen.

Viele Funktionen, die durch die traditionellen Rollenträger im Dorf ausge-übt wurden, werden jetzt mehr und mehr von den lokalen "comités pour ladéfense de la révolution, CDR" übernommen oder kontrolliert. Unter derAufsicht eines Funktionärs mussten bei der Wahl der lokalen Volksvertretersieben Frauen, dreizehn junge und (nur) fünf bestandenere Männer gewähltwerden. Die Verschiebung der Verantwortlichkeit auf die jüngere Genera-tion und jetzt offiziell auch auf Frauen kam hier deutlich zum Ausdruck.Der alte Dorfchef untersteht jetzt dem Gemeindevorsteher, einem Lehrer, inder Nachbargemeinde einem 25jährigen Studenten.Die traditionelle Form der sozialen Organisation, bei der Verantwortlichkeitso sehr auf Erfahrung, Reife und Alter fusste, ist durchbrochen. Ein Verän-derungsprozess in der Richtung von nationalem und übernationalem Denkensoll die Programme der Regierung im Volk verankern helfen. Wahrschein-lich ist aber nur die junge Generation zu diesem Umdenken fähig. DenAlten wird nichts anderes übrig bleiben als zuzusehen – und für viele vonihnen ist das alles ohnehin auch nur wieder ein neuer Wind.

Im Dorf, wo die Programme der Regierung durch den Einfluss einigerKöpfe auf der hierarchischen Leiter verformt ankommen und sich zudemmit den realen Gegebenheiten auseinandersetzen müssen, erhält man oft denEindruck, alles sollte jetzt auf einmal geschehen. Das ist aber einfach nichtmöglich: Dem Dorfbewohner fehlt die Einsicht in die Zusammenhänge imDenken der Regierung, und der Regierung fehlt noch oft die Geduld.Verfolgungskampagnen und Slogans nehmen neben der sachlichenInformation noch einen zu starken Platz ein. Teilweise wandelt sich so dasWort "révolution" unter dem entstehenden Druck im Volksmund zumScherzwort."Das ist die Revolution", spottet man, wenn die Preise steigen, und wennman an einer politischen Versammlung oder an einer kollektiven Arbeit aufeinem Gemeinde- oder Distriktfeld teilnehmen muss, scherzt man: "Das isteben für die Revolution, und für diese tue ich natürlich alles ganz frei-willig". Doch ein wirklicher Antirevolutionär ist der uninformierte Bauernicht, im Gegenteil, er wird zum flammenden Vertreter der Revolution,wenn er die Sache einmal versteht. Skeptisch hingegen ist er – wer ihm vonder Revolution schwatzt, sie aber in der Praxis zu seinen Gunsten ausnützt,

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vertut seine Chancen, bei ihm glaubhaft zu sein.Zusätzlich gilt für den Bauern: "Halm für Halm baut sich der Vogel seinNest", "Tropfen für Tropfen füllt sich die Flasche", "Langsam, langsam"und "Die Zeit ist elastisch", wie es in Sprichwörtern und Redewendungenheisst. Wenn man das entsprechende Verhalten als "Faulheit" oder"Unwilligkeit" oder gar als Ausdruck einer antirevolutionären Einstellungdeutet, verkennt man die Situation grundlegend.___________________________________________________________________

Die Dorfbewohner erleben die Revolution mit gemischten Gefühlen: siekommt in ihren praktischen Auswirkungen von "oben" und nicht aus einerBewegung im einfachen Volk. Die Dörfler bilden nicht eine Schicht vonlandlosen Lohnabhängigen. Sie haben sich nach ihrer Meinung trotz Koloni-alzeit eine relativ grosse Freiheit und Unabhängigkeit bewahren können,auch wenn das objektiv gesehen in vielem nicht stimmt. An die alten Unter-drückungs- und Ausbeutungsmechanismen hat man sich entweder gewöhnt,oder man hat gelernt, mit ihnen umzugehen und sich möglichst schadlos zuhalten. In grössere Zusammenhänge blieb der Einblick verwehrt, oder erwurde gar nicht angestrebt: "Das ist zu weit weg und rührt mein Herz nichtvon seinem Platz".

Der Zusammenhalt der Familie bietet einen guten Schutz: jeder hat genü-gend Nahrung, Kleidung und Wohnraum. Gegessen wird einfach aber viel,und meistens mit anderen zusammen. Der eigentliche Wohnraum mag kleinsein, aber der Platz vor dem Haus ist viel wichtiger, und man hat das ganzeDorf und fast immer schönes Wetter zur Verfügung. Die traditionelle Klei-dung für den Alltag ist einfach. Wortgefechte sind zwar häufig, aber ebenso Schlichtung und Versöhnung,da jeder in der Gemeinschaft gross wird, jeder jeden von seinem Charakter,seiner persönlichen Geschichte und seiner Stellung im sozialen Netz herkennt, herrscht viel gegenseitiges Verständnis und Respekt: Das bedeutetsoziale Geborgenheit! Sogar bei Verwandten in einem andern Dorf ist manimmer noch in "seinem" Haus. Jemand sagte einmal: "Tust du etwas gegenmich, dann hast du alle gegen dich, tust du etwas fü mich, so sind alle hinterdir; alle sind meine Brüder".___________________________________________________________________

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So positiv die traditionelle Lebensweise im Dorf einerseits ist, so hat sieandererseits auch ihre negativen Seiten. Die Gemeinschaft bietet zwarSchutz und soziale Geborgenheit, übt aber auch mit ihren vielen Gebotenund Verboten einen Druck auf das Individuum aus, dem sich dieses unter-ziehen muss, will es in ihr akzeptiert werden und verbleiben können – essind immer noch die Alten, die das letzte Wort haben, auch wenn das neuer-dings in Frage gestellt wird. Vor allem neue Ideen der jüngeren Generationhaben deshalb Mühe, sich im Dorf wirklich Bahn zu brechen.

Ein Teil der männlichen Jugend hat Dank Schulbildung heute mehr alsfrüher die Möglichkeit, diesem Gruppendruck auszuweichen und eben weg-zugehen, z.B. in die Stadt. Es zeigt sich denn auch ein sehr deutlicher Unter-schied zu denjenigen, die im Dorf bleiben müssen oder wollen; diesebezeichnen die andern als: "jene, die rauchen und ihre langen Hosen spazie-ren führen und nicht arbeiten wollen".Für Mädchen ist die Möglichkeit fortzugehen viel geringer. Sie werden aufihre in der traditionellen Gesellschaft bewährte Rolle als Mutter und Haus-frau erzogen, erst ein paar wenige gehen zur Schule1.Wer vom Dorf weggeht, verliert seine schon geerbte oder ihm zustehendeLandparzelle nicht, er kann sie verpachten oder einem seiner Brüder, seinerFrau usw. zur Nutzung überlassen. Er kann jederzeit wieder ins Dorf heim-kehren (genau so wie eine geschiedene Frau wieder ins Haus ihres Vaterszurückkehren kann).

1) Es besteht noch keine allgemeine Schulpflicht. Der Analphabetismus erreicht im Dorfbei den Leuten ab 30 einen Prozentsatz von wenigstens 90%, bei der jüngern Generation sindes mindestens 60-70%. Das wird sich bald ziemlich stark ändern.Vorläufig ergibt sich fürdenjenigen, der Kinder zur Schule schickt, noch eine erhebliche Belastung, vor allem wenndie Ausbildung länger als normal dauert. Aber die drei älteren Brüder, welche dem jüngstendas Gymnasium in der Stadt bezahlen und ihn später Medizin studieren lassen wollen, auchdie geschiedene Mutter, die mit ihrem Handel der Tochter das Gymnasium ermöglicht – siealle rechnen damit, dass das früher oder später ihnen selbst wieder zugute kommt. Franzö-sisch sprechen erst einige der jüngeren Generation gut. Es ist die offizielle Landessprache ge-worden, wahrscheinlich als vorläufig unumgängliche Notlösung nach der Kolonialzeit undbei den vielen Sprachen und Dialekten. Die Bevölkerung von Agɔvié spricht selbst kota-fɔɔnund gehört zur ethnischen Gruppe der aizɔɛ.___________________________________________________________________

In der Folge von Neugründungen von Quartieren – wie Agɔvié eigentlicheine ist – d.h. durch Wanderung im kleinen Rahmen und auch wegen der

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Vererbungsweise des Landbesitzes vom Vater auf alle Söhne, hat sich einestarke Parzellierung ergeben. So können einzelne Felder mehr als 8 kmauseinander liegen und sich mit den Parzellen von Bauern anderer Quartiereund Dörfer mischen. Zudem werden die Parzellen von Generation zuGeneration kleiner. Diese Situation wird von den Bauern als ungünstigempfunden. Früher gab es die Einrichtung der sog. dɔnkpɛɛ, eines rituellen Kollektivs,das die Felder der einzelnen Mitglieder reihum bestellte. Heute existiertdies, wie schon erwähnt, nicht mehr. Seit ein paar Jahren versucht zwar derstaatliche "service agricole" mit dem Einsatz von dafür ausgebildeten "ani-mateurs", wieder Kollektive in Form von sog. "clubs" aufzuziehen. Diesearbeiten aber nur auf Kollektivfeldern, haben einen mässigen Erfolg undbilden die Ausnahme. Im Allgemeinen bestellt jeder Bauer sein Feld selbst.

Das bringt mich hier auf ein Thema, an dem ich mir auch im Zusammen-hang mit den in der Einleitung erwähnten konkreten Projekten den Kopfzerbrach: Der spürbare Individualismus, welcher im Gegensatz zum eben-falls gezeigten Kollektivismus steht (egoistisches gegen soziales Denken).Ich kann mir vorstellen, dass dieser Individualismus eine Reaktion auf denvom Kollektiv ausgeübten Druck ist. Hierzu einige Beobachtungen aus demDorf:

'Reich werden' ist ein Ziel, das jeder anstrebt. Das ist aber etwas, das sichschlecht mit sozialem Denken verträgt. Die Gemeinschaft sorgt. denn auchdafür, dass persönlicher Reichtum nur sehr schwer möglich ist, indem sie –eine Funktion der traditionellen Einrichtungen – den einzelnen laufendschröpft und verpflichtet: Totenzeremonien (mindestens drei für eineverstorbene Person) kosten den Verwandten immer viel, alle andernprofitieren davon. Die traditionelle "dot" (agban), Mitgift oder Brautpreis,ist sehr hoch und der Bräutigam muss auf dem Feld des SchwiegervatersDienstleistungen vollbringen. Sollte jemand trotz der vielen Verpflichtungengegenüber seinen Nächsten doch "reich" werden und dennoch im Dorfbleiben können, hat er die Möglichkeit, es entweder zu vertuschen – wasdem Prestigedenken widerspricht oder genügend Abwehrkräfte ('Gri-Gris')zu mobilisieren, denn einem solchen schickt man gerne "den grossenschwarzen Vogel hinters Haus". Ein kleines Motorfahrrad, ein schönesHaus, grosse Maisspeicher, mehrere Frauen, viele Kinder, spezieller

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Kleiderstoff, eine Sonnenbrille, Französischkenntnisse etc., das alles bringtsoziales Prestige für den Einzelnen. Auch das Bett vom Schreiner, nebendem man aus lauter Gewohnheit auf einer Strohmatte schläft, ist nicht blossein Witz.Jeder, der es sich leisten kann, baut sich seine eigene Zisterne und verbietetes andern schon bald nach Beginn der Trockenzeiten, daraus Wasser zuschöpfen, oder verlangt Geld dafür. Wenn einer noch kein Wellblechdachhat, kann er mit der Hilfe der anderen bei der Erneuerung seinesStrohdaches nicht mehr rechnen. Schafe und Schweine, welche in ein Feldeinbrechen, dürfen vom Grundbesitzer getötet werden; die Kadaver gehörendem Tierhalter. Im gleichmässigen Aufteilen von gemeinsamen Arbeiten in"tâches" sind die Leute grosse Meister: möglichst nicht mehr machen alsder andere.___________________________________________________________________

Der Widerstreit zwischen individualistischem und kollektivistischem Den-ken und Handeln wurde früher wahrscheinlich leichter zugunsten desKollektivs ausgetragen. Heute geht es in die andere Richtung. Was das fürKonsequenzen hätte, würde dieser Tendenz freien Lauf gelassen, will ichoffen lassen. Bei diesem Widerstreit setzt jedenfalls das revolutionäre Ge-dankengut der Regierung zum Teil an. Die revolutionären Veränderungenbeabsichtigen einerseits eine "Rückkollektivierung"1, anderseits wird dasIndividuum stärker gefördert oder geschützt, nämlich dort, wo es vomKollektiv und den Traditionen behindert2 oder gar geschädigt3 werden kann.Man kann grob gesagt den (zentralistischen) Staat als das neue Kollektivbetrachten, das die alten Einrichtungen mit ihren Funktionen in der Tendenzmehr und mehr ersetzen will und entsprechende Massnahmen ergreift.

1) Kollektivarbeit in "clubs agricoles" und auf staatlich organisierten Gemeinde- und Distriktfeldern; Förderung des Gedankens "Gemeinschaft macht stark".

2) Herabsetzung des Brautpreises auf etwa einen Zehntel. Beschränkung der verschiedenen Zeremonien. Unterwanderung der traditionelle altershierarchischen Ordnung.

3) Kampagnen gegen vɔdun und Hexerei. Rechtsvollzug ist ausschliesslich eine Angelegen-heit staatlicher Einrichtungen.

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1975 wurde zum "Jahr für die nationale Entwicklung der Landwirtschaft"erklärt. Eine ausschliesslich landwirtschaftlich tätige Militäreinheit bebautegrosse Musterfelder. Schüler und Studenten, auch Angestellte öffentlicher

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Dienste in der Stadt, der Polizei und der Ministerien bebauten Maisfelder imKollektiv!

Eines Tages kam diese 'grüne Revolution' auch ins Dorf. Die ganzeGemeinde (vierzehn Dörfer) sollte ein Maisfeld von 5 Hektaren bebauen.Dieses wurde gerade neben Agɔvié als zusammenhängende Fläche ausge-messen und zum Gemeindefeld erklärt. Jedes Dorf hatte davon einen Teil zuroden, abzubrennen und zu bewirtschaften. Diese Massnahmen wurden vonden Bauern als Zwangsenteignung und Zwangsarbeit empfunden und löstenim Dorf einige Diskussionen aus. Die Revolution war plötzlich noch nähergekommen und wurde ganz konkret, denn der private Landbesitz ist das Aund O des Bauern. Es wurde praktisch ein Teil seines Innersten angetastet,aber er hat sich dem angesichts der "Uebermacht der Revolution" dennochgebeugt.Das Gemeindefeld hatte bei diesem ersten Versuch weder wirtschaftlichnoch politisch Erfolg, vor allem weil die Leute – auch wenn sie das gegenaussen hin nicht zeigten – widerwillig darauf arbeiteten.

Dieses Beispiel tönt sehr negativ – negativ für die revolutionären Bestrebun-gen, aber es stellt sie grundsätzlich nicht in Frage. Absicht und Auswirkungstehen noch in einem widersprüchlichen Verhältnis, die Methoden zurDurchführung der Ideen erscheinen noch repressiv, aber es scheint mir, dassdieser Zwiespalt mit der Zeit gelöst werden kann.Den Widerwillen der Bauern etwa als "antirevolutionär" zu taxieren, wäreein grober Fehler. Es braucht noch mehr, vor allem sachliche und konkreteInformation, für die Sache der Revolution wirklich praktisch engagierteund verständnisvolle Leute und dann auch ein Aufdecken von Korruptionund Profiteuren auf allen Stufen – die Bauern haben dafür übrigens ein un-verdorbenes Gespür!

Vielleicht müssten überhaupt vermehrt die Bauern (und Arbeiter) befragtund angehört werden ("le peuple, c'est les paysans et les ouvriers"); es setztaber deren Vertrauen voraus, will man wirklich erfahren, was sie denken. Isteine Vertrauensbasis einmal vorhanden, und sehen auch die Bauern echteVorteile gegenüber ihrer früheren Situation auf sich zukommen, wird sichdie Revolution auf sie verlassen können.Die Bauern werden auch erkennen, dass sie ihre Probleme selber in dieHand nehmen müssen, und dass sie dazu auch fähig sind.

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Anhang: Wandtexte zu den Fotos der Ausstellung___________________________________________________________________

AGƆVIE: EIN DORF IN DER VOLKSREPUBLIK BENIN (1)

Agɔvie heisst: "kleine Maisspeicher".

Die 200 Einwohner sind alle über die väterliche Linie miteinander ver-wandt, sie zählen sich zu den aizɔɔ und sprechen leicht verändertes fɔngbe.Traditionen spielen zwar in vielen Bereichen noch eine wichtige Rolle, siesind aber oft in Auflösung begriffen oder bereits ersetzt. Im Zuge der natio-nalen Revolution findet auch in Agɔvie eine Neuoritentierung statt, diestarke politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen brin-gen wird. Die Dorfbewohner haben mit der Lösung ihrer Probleme durch Selbsthilfebegonnen – vielleicht am besten beschreibbar mit den Sprichwörtern: "Dievereinten Ameisen tragen das Bein der Grille fort", "Halm für Halm bautsich der Vogel sein Nest" und der Regel: "Die Zeit ist elastisch".

Siehe auch 'Orientierungsplan für den Fremden', gezeichnet von CéléstinAdjahoungba, Katechist, auf der hinteren Umschlagseite dieses Kataloges.

Ergänzt durch die Diasprojektion und den Katalog wollen die Fotos undTexte der Ausstellung Ausschnitte aus einigen wichtigen Lebensbereichenund ein paar grundsätzlichen Problemen aufzeigen – es ist aber nicht zuletztdie Absicht der Ausstellung, Fragen, Kritik, Anregungen und Gedankenaufkommen zu lassen.

Die Ausstellung stützt sich auf zwei ethnologische Studienpraktika desAutors: November 1973 bis Februar 1974 und Juni 1975 bis Mai 1976.Herzlichen Dank dem Helene Stodola-Fonds für Mitfinanzierung der Prakti-ka, Herrn Prof. Henking für seine Unterstützung und Herrn Schmid für dieMitarbeit beim Realisieren der Ausstellung!

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PUTZEN (2)

Jeden Morgen wird im Dorf gewischt – Haus, Hof und Durchgangswege –jeden Samstag der Platz vor dem Dorf. Jeder letzte Samstag des monats istnationaler Putztag. Alle paar Tage werden die Schalfmatten zum Trocknenausgelegt.

Liebessprichwort: "Wenn nicht ich vor deinem Haus wische, wird das Unkraut wachsen".

KOCHEN

Ein Mal täglich, abends, kochen die Frauen für das Abendessen und dennächsten Tag: 'Maispudding' (pâte) und Palmölsaucen mit Fisch oderBlättern. Die traditionelle Feuerstelle aus drei Lehmsteinen befindet sich inder fenstlosen Küche, die vom Wohnhaus getrennt ist. Elektrisches Lichtgibt es keines. man verwendet Petrollaternen, ev. Taschenlampen und dieeinheimischen kleinen Kerosinlämpchen aus alten Importbüchsen.Sprichwort:

"Besteht der Herd aus drei Steinen, schüttet man nicht mehr aus" – Allerguten Dinge sind drei.

HÖFLICHKEIT

Bevor man einen Hof oder ein Huas betritt, meldet man sich mit Hände-klatschen an. Die Frau des Besitzers brint dem Besucher als erstes eineSchale Wasser, erst dann beginnt die eigentliche Begrüssung.

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NACHKOLONIALE ABHÄNGIGKEIT (5)

Im Benin wird Baumwolle produziert. Der erste Verarbeitungsprozess findetseit ein paar Jahren im Land statt. Der grösste Teil der Baumwolle wirdexportiert und in Frankreich gezwirnt und gewoben, zum Teil in Hollandbedruckt. Eine Stoffhändlerin bietet dann auf einem der Märkte "Java,Hollande" als ihre beste Qualität an – die Batikstoffe mit den malerischenafrikanischen Dessins.

Portlandzement wird in Form von Kugeln aus Frankreich importiet, imBenin gemahlen un in Säcke abgefüllt. Die Säcke kommen vorbedruckt ausFrankreich.

Im Benin wird etwas Zuckerrohr angebaut und die Zuckerrübe würde sehrgut gedeihen. Verarbeiteten einheimischen Zucker gibt es nicht. Die Frau imDorf kauft ide Würfelzucker aus Marseille stückweise.

Wer es sich leisten kann, kauft Milchpulver und Kondensmilch aus Holland,Frankreich, von Nestlé oder aus Moskau. Die einheimische Milchproduk-tion ist noch kaum erwähnenswert; als klimatischen Gründen ist es aller-dings sehr schwierig, Milchvieh zu züchten, vor allem im Süden desLandes. In Agɔvie gab es 1 Ochsen, 15 Schafe, ein paar Zwergziegen,Schweine und Hühner.

Während der grossen Trockenzeit gibt es kaum mehr Tomaten; man kauftTomatenmark aus Italien.Guter Fisch kommt in Eis ins Dorf, in Schachteln mit russischer Aufschrift."Palmoliv"-Seife, Hellesens-Batterien, Schuhe von Bata (teils einheimischProduktion), Emailgeschirr, Petrollampen und Zündhölzchen aus China.Zigaretten: "Gauloise", "dunhill", "Benson" "National", "Matterhorn" etc.

Einheimische Früchte:- Orangen werden mit einer Rasierklinge geschält und ausgesogen- Papaja- Zwar kleine, aber ausgereifte Bananen- AnanasDiese Früchte reifen einmal jährlich praktisch alle um die gleiche Zeit, danngibt es lange keine mehr.

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MUTTER UND SÄUGLING BILDEN EINGESCHLOSSENES GANZES (6)

Das Schlimmste, das passieren kann: die Mutter stirbt bei der Geburt. Inallen Dörfern der Region wird sofort ein bestimmtes Zeichen aufgestellt.Bis nach Tagen die nötige Zeremonie beendet ist, dürfen schwangere Frauendas haus nicht mehr verlsassen, Männer müssen Wasser holen (sonstFrauenarbeit), und auf den Feldern fwird nicht mehr gearbeitet, auch wennman sich mitten in der Sä- oder Erntezeit befindet.

Das Erfreulichste, das passieren kann: Zwillinge werden geboren. DieMutter wird mit dem Namen "Zwillingsmutter" (honɔɔn) geehrt. Alle Frauenerhalten übrigens mit der Geburt des ersten Kindes ihren zukünfitgen Ruf-namen: "Mutter von ..." z.B. Régina-nɔɔn. Stirbt einer der Zwillinge, trägtihn der überlebende in Form einer symbolischen Holzpuppe immer bei sich.

Ein Säugling schläft bei der Mutter und ist tagsüber – auch bei jederArbeit – auf den Rücken gebunden. Säuglinge, die beim geringsten Tonnicht die Brust erhalten, gibt es praktisch nicht. Gestillt wird während 1–1½Jahren. Während dieser Zeit spielt der Mann als Vater eine recht neben-sächliche Rolle. Es gehört zu seiner Ehrenpflicht, die Mutter während etwazwei Jahren nach der Geburt eines Kindes unangetastet zu lassen (natürlicheGeburtenkontrolle).

Um die grossen Säuglinge auf die neue Nahrung umzugewöhnen, werdensie 'zwangsgefüttert'. "Das funktioniert auf jeden Fall und geht erst nochschnell", lachte eine Mutter. Bis jetzt hat noch kein Kind diese nur scheinbarrabitate Methode überstanden.

Auf Kinderpflege und Körperhygiene wird sehr geachtet. Schon als Kindmuss man lernen: je morgens und abends eine Dusche.

Von den Kindern stirbt ungefähr ein Fünftel vor dem Erreichen des 5.Altersjahres.

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ABHÄNGIGKEIT VOM REGENWASSER (7)

4 Monate Regenzeit : Mitte März – Mitte Juli1½ Monate Trockenzeit : Mitte Juli – Mitte August2 Monate Regenzeit : Mitte August – Mitte Oktober4½ Monate Trockenzeit : Mitte Oktober – Mitte März

Total 6 Monate Trockenzeit pro Jahr:Die Reserven in den Zisternen sind rasch erschöpft, Wasser wird verkäuf-lich. Dann holen Frauen und Kinder das nötige Wasser zwei Mal täglich inGefässen auf dem Kopf am 2,5 km entfernten marigot. Dieses Wasser isttrübe und verkeimt.Gerade während der "grossen Trockenzeit" wird viel Wasser benötigt: zumTrinken und sich Waschen, zum Kochen, Spülen und für die Wäsche, fürBau- und Reparaturarbeiten, Palmölproduktion und Tiere.

Total 6 Monate Regenzeit pro Jahr:Sporadische, sehr heftige Gewitter – es regnet also nicht täglich oder an-dauernd. Man hofft auf den Regen und freut sich an ihm, denn er füllt dieZisternen wieder und bewässert die Felder. Vom Regen hängen der Ernte-erfolg, die Preise – und letzlich scheinbar die ganze Lebenssituation ab.

"Ohne Wasser wirst Du verhungern."Agɔvie hat Ende 1973 beschlossen, in kollektiver Selbsthilfe einen Grund-wasserbrunnen zu bauen. 33 m sind gegraben und auszementiert. Es fehlennoch etwa 10 m.

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ÖLPALME: WICHTIGSTE EINNAHMEQUELLE (8)

Die Fruchstände der Ölpalme werden im Januar/Februar mit der Axtherunter geschlagen. Der grösste Teil wird von einer nationanen Gesell-schaft aufgekauft und in der verarbeiteten Form von Palmölen exportiert(wichtigstes Exportgut). Eine eigene palmölverarbeitende Industrie ist erstin den Anfängen, da während der kolonialzeit Frankreichs zwar praktischeine Monokultur von Ölpalmen gezüchtet wurde, jedoch nur ein Grundstoff-Lieferant von Interesse war (und noch heute ist).

Im Dorf werden die Palmfrüchte von Frauen in einem arbeitsintensivenProzess zu "rotem Öl" (amivɔɔvɔɔ) verarbeitet (dazu braucht es ausgerechnetin der trockensten Zeit sehr viel Wasser). Dieses Öl wird verkauft, sowiezum Braten und als Basis für Saucen verwedndet, welche man täglich mit"Maispudding" (pâte/wɔɔ) isst.

Als Nebenprodukte entstehen ölhaltige, gut brennende Faserkuchen, die alsAnfeuermaterial in die Stadt und in den Norden verkauft werden. Aus derausgekochten Asche der leeren Fruchtstände und Soda wird die einheimi-sche Seife hergestellt.

Die in den Früchten enthaltenen Nüsse werden aufgeschlagen und die Kernean Grossisten abgesetzt, welche daraus ein weisses Öl produzieren.

Palmweinschnaps (sɔɖabi) gehört zu jedem Gästeempfang und jeder Zere-monie – und als Ermunterung zur Arbeit; es schickt sich jedoch nicht, be-trunken zu sein.

Aus dem Mark der gefällten Palme wird der süsse Palmwein gewonnen.Palmweinschnaps ist das Destillat des gärenden Palmweins. Die Produktiondieses hochprozentigen Genuss- und Desinfektionsmittels stellt für denBauern eine wichtige Verdienstmöglichkeit dar.

Dass die Palme gefällt werden muss, ist allerdings problematisch. In andernLändern Afrikas wird der Palmwein vom lebenden Baum gewonnen; dieseMethoden sind im Benin jedoch noch nicht (allgemein) bekannt.

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GRUNDNAHRUNG MAIS (9)

Zwei Regenzeiten erlauben zwei Maisernten pro jahr. Jeden Bauer besitztseine eigenen Felder, die ernutzt bis der Ertrag nachlässt, worauf er siewährend Jahren nicht bearbeitet und einen andern Teil seines Landes rodet.

Obwohl es (wegen der vorhandenen Nährstoffe im Boden) besser wäre, nurzwei Maiskörner pro Loch zu setzten, werden vier bis fünf gesät. "Schauemein Beispiel an", sagt der Bauer, "ich hatte bis jetzt vier Kinder, aber ichhabenur noch zwei ..." (die andern sind gestorben – also lieber zuviel säen).

Nagetiere und Insekten fressen schon vor der Ernte einen erheblichen Teil."Sie essen nur bis sie den Bauch voll haben, dann kommen wir und essenden Rest – aber das ist der grössere Teil!", scherzt ein Bauer auf die Frage,weshalb man kein Gift verwenden würde.

In den traditionellen Speichern aus Holz und Palmblättern entsteht einVerlust von 30–60%. Bessere Speicher aus Lehm, Zement oder Blech inVerbindung mit Mais-Trocknungseinrichtungen und Insektengift sind sehrselten. Der nationale "landwirtschaftliche Dienst" bemüht sich um die Ver-besserung der Maisproduktion durch die Einführung von effizienterenMethoden und Arbeitskolletiven.

Eine Gruppe von Agɔvie hat 1976 mit eigenen Mitteln das erste Lehmsilogebaut (Versuche und Pläne vom amerikanischen Peace Corps).

Der Preis für "1 Mass" ist je nach Ernteerfolg und Jahreszeit, Region (undWelthandelspreis) enormen Schwankungen unterworfen: bis 1:8 (zum Teilalso direkt vom Regen abhängig).

"Kwashiorkor" (Kinder haben auffallend dicke Bäuche) ist eine Protein-Mangelkrankheit, durch welche wichtige Funktionen für das ganze Lebenbeeinträchtigt werden. Der menschliche Körper kann die Proteine desMaises nicht abbauen. Dazu braucht er ein Enzym (Lysin), das z.B. in Sojavorhanden ist. Maispudding (pâte) aus 1/3 Soja- und 2/3 Maismehl wäreeine ideale Grundnahrung, der Anbau von Soja wird sich jedoch erst in einpaar Jahren durchsetzen können.

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EIN ANGEPASSTER JAHRESKALENDER (10a)

Dieser Kalender stellt einen Versuch dar, die unterschiedlichen, im Beninüblichen Zeiteinteilungen miteinander zu kombinieren.Staatliche Funktionen, Büros und Geschäfte, Schulen und Kirche richtensich nach der Wocheneinteilung (7-Tage-System).Die Händler und die Bauern richten sich hauptsächlich nach einem 4-Tage-System: Märkte werden in verschiedenen Ortschaften reihum abgehalten, sodass alle 4 Tage am gleichen Ort Markttag ist. Alle 4 Tage ist – je nachRegion verschoben – für die Bauern ein Ruhetag (tata), an welchem sienicht auf dem Feld arbeiten, sondern irgend eine andere Arbeit erledigen.Wichtig sind auch die Überschneidungen der beiden Systeme: z.B. wird einjour de tata, der auf einen Sonntag fällt, in Agɔvie zum Tag der tontine.Für den Beginn einer grossen Arbeit - wie etwa ein Brunnenbau - muss einDienstag, noch besser ein Samstag gewählt werden. man beginnt mitVorliebe an einem Dienstag/Samstag, der gleichzeitig ein tata ist.Neumond (●) ist im Zusammenhang mit Geistern und Dieben wichtig.Vollmond (○) begünstigt gewisse Vorhaben oder ermöglicht sie erst.Mit + sind die christlichen Feste bezeichnet (Agɔvie ist zum grössten Teilchristianisiert).Eingekreist sind die letzten Samstage der Monate: die nationalen Putztage.Die Angaben rechts gelten speziell für Agɔvie, für ein anderes Dorf wärensie wieder verschieden.Der 26. Oktober (*) ist der Geburtstag der nationalen Revolution (1972) undder 30. November (*) 1974 die Bekanntmachung der neuen politischenLinie durch die Regierung. Am 30. November 1975 wurde das frühere"Dahomey" zur "Volksrepublik Benin".

Wichtig ist auch das "Tage-Fixieren": Abmachungen trifft man in "5 Tagen"(der erste Tag wird mitgezählt) resp. "in 9, 13, 17, 21, 25 Tagen". Wird z.B.eine Totenzeremonie geplant, kann man zu einem "Tagezähler" gehen, derdie Tage bis zu 45 errechnet und dafür entlöhnt wird. Mit diesem Kalenderkann jeder Bauer solche Ausrechnungen selbst machen.

Der Kalender ist in Französisch gehalten, da er zur Veröffentlichung imBenin konstruiert wurde.

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"TONTINE" (10b)

Sonntag, 9.12. 197340 Männer haben sich versammelt. Der schreibkundige Katechist ist alsSekretär angestellt. Im "Heft der Gesetze" steht in Französisch (das nur derKatechist spricht):"Die tontine wurde am 10. Januar 1971 begonnen. Die erste Session wurdeim August beendet. Die zweite Session begann am 16. September 1973.Die Gesetze1. Jede Person, die Mitglied der tontine ist und es veersäumt, ihren Anteil

zu geben, muss verhaftet oder von dem was sie besitzt enteignet werden(Wellblech, Transistorradio usw.).

2. N.B. Dieses Gesetz entscheiden alle Mitglieder der tontine, die diesenEntschluss zu fassen bereit sind, nachfolgend zu unterschreiben.

3. Alle Mitglieder, die aufhören ihren Teil zu geben, indem sie ihren Rück-tritt einreichen, müssen das Ende der Session abwarten."

Dann folgen 47 Namen und jeweils rechts der entsprechende Daumendruckals Unterschrift.

Alle 28 Tage (tata, der auf einen Sonntag fällt) werden von jedem Mitglied500 CFA einbezahlt, einige Wenige bezahlen 4x, 3x oder 2x 500 CFA.Jedesmal erhält wieder ein Anderer den Gesamtbetrag von 23'500 CFA, dieReihenfolge wurde durch das Los bestimmt. Der Erste erhält einen Kreditund bezahlt diesen im Laufe der Zeit wieder ab, der Letzte spart mit jedemMal und erhält sein Geld am Schluss wieder zurück:Ein Kredit-/Spar-System, bei welchem allerdings die Geldentwertung nichtberücksichtigt ist (eine Session dauert bei 47 Namen doch etwa 3 Jahre).1'000 CFA waren 1974 etwa CHF 15.-, 1977 aber nur noch CHF 10.- wert.

Es gibt auch geschlechtlich gemischte tontines oder reine Frauengruppen,und es ist auch unter Kindern beliebt, eine eigene tontine zu unterhalten.Der Betrag sird oft bis zum tontine-Tag bei einem Freund hinterlegt, damitman das Geld nicht ausgeben, d.h. auf jeden Fall bezahlen kann.

Vitrine: Kaurimuscheln waren das vorkoloniale Zahlungsmittel. Die kolo-niale und heutige Währung nennt sich "CFA": Communauté FrançaiseAfricaine (Währungsunion früherer Kolonien Frankreichs in Westafrika).

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"DOT" ('MITGIFT', 'BRAUTPREIS') (10C)

Heiraten bedeutet erst einmal viele Auslagen und Verpflichtungen gegen-über einer neuen Verwandtschaftsgruppe (siehe dépenses pour ma femme).

"10.12. 1970, Seite 17:Auslagen für meien Frau.Erstens habe ich ihr 300 F gegeben, dazu Tabak und einen Liter sɔɖabi.2. 500 F und einen Liter S.D.B. [sɔɖabi]3. 100 F / 4. 200 F und einen Liter S.D.B. und Tabak.5. Ihr Vater nahm mir 1800 F um [das Geld] dem ersten Gatten seiner Toch-ter zurück zu zahlen.Für den 1. Teil der dot habe ich 4600 F ausgegeben. " den zweiten Teil der dot " " 5500 F "Als die Tochter mich zum 1. Mal besuchen kam, habe ich ihr 1000 F ge-geben. Für das zweite Mal, dass sie zu [mir] gekommen war, habe ich ihr300 F gegeben.Sie hat 300 F genommen, um Spritzen zu bezahlen.Ich habe ihr nochmals 650 F gegeben.Ich habe ihr 350 F gegeben.Als die Tochter mich besuchen kam, habe ich ihr 900 F gegeben.Ich habe ihr 250 F gegeben.Ich habe 725 ausgegeben.Um eine Zeremonie für seine Tochter zu machen, hat mir ihr Vater 500 ge-nommen.Um [für ihren Vater] roden zu lassen, habe ich 4000 F ausgegeben."

Aus Seite 18:"Ich habe ihr 12 Liter sɔɖabi gegeben, die ich von ihrem Vater gekauft habe[sie wird den Schnaps weiterverkauft haben].Ich habe ihr 950 F für ihre Mutter gegeben." usw.

Gesamtbetrag 57'927 CFA. Mit diesem Betrag konnten 1970 2–3 wellblech-bedeckte Häuser gebaut werden.Inzwischen ist die dot offiziell auf 1000 CFA beschränkt worden.

(Der Schreiber gab sein O.k. für die Veröffentlichung dieser Aufstellung.)

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VODUN (11a)

Ein xɛbioso-Priester in zeremonieller Aufmachung. Er ist verantwortlich fürdie Einweihung von Neulingen. Als Medium von xɛbioso (Geist des Blitzesund des Donners, ein vodun) ist dieser Priester vor allem für die Bestrafungvon Dieben und Ehebrecherinnen zuständig. Er hat eine umfassende ein-heimische Bildung, ist unter anderem z.B. Pflanzenkenner und Heiler.

TOTENZEREMONIEN (11b)

Totenzeremonien sind für die Angehörigen aufwändig und je nach Todesart,Alter und Bedeutung der verstorbenen Person etwas verschieden, jedochmeistens eine Mischung von echter Trauer und Feststimmung. Für Verstor-bene werden wenigstens drei Zeremonien abgehalten: nach einer Woche,nach fünf Wochen und nach einem Jahr.Eindrücklich ist die enge Beziehung zum Tod und zu den Ahnen.

RHYTHMUS

Kinder erhalten schon beim Tanzen auf dem Rücken der Mutter ein natür-liches Verhältnis zu Rhythmus und lernen früh die Instrumente spielen, dochgibt es auch hier mehr oder weniger Begabte.

TANZ

Bei den verschiedenen vodun-Zeremonien wird zu komplizierten Rhythmennach genau festgelegten Schemen getanzt.Gambada-Zeremonien sind gegen Zauberei und Hexerei. Getanzt wird nurin Trance, in Baströcken und Bemalung.Dan-Zeremonien kennen eine sehr breites Spektrum unterschiedlicherRhythmen. Diese Zeremonien wirken im Vergleich zu anderen eher friedlichund liebevoll. Dan ist der 'Schlangengott', der sich in der heiligen Königs-python, im Regenbogen, im Wirbelwind etc. manifestiert.Der "Verrückte des Dorfes" ist der beste Trommler.

Seit Mai 1976 sind die vodun-Tam-Tams offiziell untersagt.

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EINE SPRACHE VOLL VON SPRICHWÖRTERN (12a)

Sprichwort-Symbol auf einem Dach (Hand aus einem Blech geschnitten):"Die Hand, die zu Dir geht, sieht die Hand von Dir kommen."

Fingerringe

"Ein Mann tötete einen titigweti (farbiger Vogel) und schickte ihn der Prin-zessin in Abomey (Königshauptstadt) – meine Augen sind auf Deiner Türe.""Wenn ich Dich nicht sehe, vernachlässige ich meine Haare."

"Das Leben ist wie das Blatt einer Palme am Wasser, es wiegt sich nachrechts und nach links.""Das Leben ist wie ein Chamäleon, es wechselt die Farbe."

Liebessprichwort bei einer Trennung:"Der Kopf des Schafes geht in den Himmel, bleibt dort drei Jahre lang undkommt auf die Schwester Erde zurück, damit die Zukunft (wie immer) sei."

Foto einer Hand mit gri-gri-Ringen: gegen Zauberei bis Schlangenbiss.

SCHUTZGEISTER (12b)

"Die Alten sagen: Geister gehen immer neben, nie hinter oder vor dir. Umeinem böswilligen Geist den Eintritt in den Hof zu verwehren, braucht eseine Abschrankung. Diesen Monat gehen die Geister links von dir – aber daist eine Barriere. Um rechts von dir gehen zu können, müssen sie den Neu-mond abwarten; dann legen wir die Schranke nach rechts. Deshalb darfst dunie über die Abschrankung gehen!", sagen die Jungen.

GRIS-GRIS (12c)

Zauber- und Gegenzauber-Zeichen, die mit vodun, und bei Nichtbeachtungmit entsprechenden Sanktionen verbunden sind. Die genaue Aussage ist nurdemjenigen bekannt, der das Zeichen aufgestellt hat. Für alle andern heisstes: nicht berühren, nichts wegnehmen, nicht durchgehen usw. Vor gris-girshat jedermann Respekt, weil jeder weiss: sie haben tatsächlich Wirkung.

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