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ERZIEHUNG „Hilfe, wie lernt mein Kind, sich zu benehmen?“ Die steife Etikette früherer Zeiten ist passé. Dennoch ist höfliches, freundliches und respektvolles Miteinander unverzichtbar. Wie man Kindern gute Manieren beibringen kann. Die Autorin Cornelia Schelling schreibt in ihrem Buch „Manieren für Kinder und Jugendliche. So lernt mein Kind, sich gut zu benehmen“ (Goldmann): „Mit Kindern, die andere respektieren, sich für ein Ge- schenk bedanken und sich entschuldigen, wenn sie Mist gebaut haben, lebt es sich leichter als mit kleinen ,Ungeheuern‘. Das gilt auch für Jugendliche.“ Schlechtes Benehmen nervt Heute gibt es in Bezug auf die Frage „Was ist gutes Benehmen?“ im Großen drei Gruppen von Eltern: 1. Die, welche den Begriff Selbstbestimmung sehr ernst nehmen. Ihr Motto lautet: „Mein Kind soll sich frei entfalten können.“ Sie stellen keine strikten Re- geln auf und es kümmert sie wenig, ob ihr Sprössling durch schlechtes Benehmen auffällt. 2. Die zweite Gruppe möchte sehr wohl, dass der Nachwuchs sich an Höflichkeitsregeln hält. Aller- dings wissen viele dieser Eltern nicht genau oder sind sich nicht einig, an welche. Sie nehmen aber gerne Unterstützung an. 3. Dann gibt es noch jene Eltern, denen gutes Beneh- men bei ihren Kindern zwar sehr wichtig ist, die aber meinen: „Ich erziehe mein Kind selbst!“ Nachdem es also keine zwingende gemeinsame Basis mehr gibt, kann es zu Hause durchaus zu folgenden Situationen kommen: Mutter: „Bitte bleib bei Tisch, solange wir essen.“ Karina: „Meine Freundin Maya darf beim Essen fernsehen. Warum ich nicht?“ Oder: Eltern zum Teenager: „Bitte gib der Oma die Hand, wenn sie kommt.“ Hannes: „Beim Gerhard zu Hause muss keiner die Hand geben.“ Ohne zu zögern, schnappt sich Gabi das größte Stück der Torte. Renée und Erich drängeln vor der Supermarktkasse und stoßen dabei sogar andere zur Seite. Hanna schlägt dem Nachfolgenden die Türe vor der Nase zu. Birgit träufelt mit voller Absicht Ketchup auf ihr Kleidchen und verweigert schreiend die Speisen am Tisch. Kurt legt im Zug die Beine auf die gegenüberliegende Sitzbank und bezeichnet jeden, der das kritisiert, als „Blödmann oder Trottel“. Viele Kinder und Anruf bei der Freundin. Ihr Fünfjähriger hebt ab und schreit hinein: „Was willst du?“ Frage an eine jugend- liche Verkäuferin in einem Supermarkt: „Bitte, wo finde ich die Sojamilch?“ Antwort: „Das weiß ich doch nicht. Da müssen Sie eben suchen.“ Ein Zwölfjähriger fährt mit seinem Roller auf dem Gehsteig. Nur schnel- les Ausweichen rettet einige Passanten vor dem Zusammenstoß. Heute ist es für viele Eltern eine Herausforderung, ih- ren Kindern Höflichkeit, Rücksicht, Respekt und gu- tes Benehmen zu vermitteln. Die Benimmregeln sind nicht mehr so starr wie früher, die Etikette scheint vielfach verstaubt. Und manche wissen auch nicht, wie sie es anstellen sollen, den natürlichen Selbstbe- stimmungsdrang der Kleinen in manierliche Bahnen zu lenken. Es gilt also, herauszufinden, welche An- sprüche an die Kinder überholt sind und welche nie überholt sein werden. Dabei geht es nicht darum, Kinder zu dressierten Äffchen zu machen, sondern ihnen altersentsprechend und liebevoll eine wichtige Starthilfe ins Leben zu geben. Gutes Benehmen hat viele Vorteile Manieren schaffen eine entspannte Atmosphäre. Kinder, die Reste ihrer Mahlzeit auf dem Tischtuch verteilen und im Restaurant zwischen den Gästen herumspringen, tragen nicht zu einem gemütlichen Miteinander bei. Wenn sie jedoch wissen, was „geht“ oder eben „nicht geht“, sind sie überall willkommen. Manieren geben Sicherheit. Kinder, die sich taktvoll ausdrücken, höflich grüßen und gute Tischmanieren haben, fühlen sich letztlich wohler als solche, die keine Ahnung haben, wie sie sich benehmen sollen. Manieren tragen dazu bei, dass sich Türen öffnen. Ein Teenager, der sich demonstrativ Kaugummi kau- end und hingelümmelt um den interessanten Ferien- job bewirbt, wird wenig Erfolg haben. Und wenn be- reits ein kleines Kind „bitte“ statt „gib heeeer!“ sagt, erhöht es die Chance, das Gewünschte zu erhalten. Manieren machen das Miteinander für alle ange- nehmer. Fotos: Julia Stix, Kinderknie.com

„Hilfe, wie lernt mein Kind, sich zu benehmen?“ · chen Gelegenheiten das Handy besser in der Tasche bleibt – während der gemeinsamen Mahlzeit, wenn wichtige Gespräche stattfinden

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ERZIEHUNG

„Hilfe, wie lernt mein Kind, sich

zu benehmen?“Die steife Etikette früherer Zeiten ist passé.

Dennoch ist höfliches, freundliches und respektvolles Miteinander unverzichtbar. Wie man Kindern gute

Manieren beibringen kann.

Die Autorin Cornelia Schelling schreibt in ihrem Buch „Manieren für Kinder und Jugendliche. So lernt mein Kind, sich gut zu benehmen“ (Goldmann): „Mit Kindern, die andere respektieren, sich für ein Ge­schenk bedanken und sich entschuldigen, wenn sie Mist gebaut haben, lebt es sich leichter als mit kleinen ,Ungeheuern‘. Das gilt auch für Jugendliche.“

Schlechtes Benehmen nervtHeute gibt es in Bezug auf die Frage „Was ist gutes Benehmen?“ im Großen drei Gruppen von Eltern:1. Die, welche den Begriff Selbstbestimmung sehr ernst nehmen. Ihr Motto lautet: „Mein Kind soll sich frei entfalten können.“ Sie stellen keine strikten Re­geln auf und es kümmert sie wenig, ob ihr Sprössling durch schlechtes Benehmen auffällt. 2. Die zweite Gruppe möchte sehr wohl, dass der Nachwuchs sich an Höflichkeitsregeln hält. Aller­dings wissen viele dieser Eltern nicht genau oder sind sich nicht einig, an welche. Sie nehmen aber gerne Unterstützung an.3. Dann gibt es noch jene Eltern, denen gutes Beneh­men bei ihren Kindern zwar sehr wichtig ist, die aber meinen: „Ich erziehe mein Kind selbst!“ Nachdem es also keine zwingende gemeinsame Basis mehr gibt, kann es zu Hause durchaus zu folgenden Situationen kommen: Mutter: „Bitte bleib bei Tisch, solange wir essen.“ Karina: „Meine Freundin Maya darf beim Essen fernsehen. Warum ich nicht?“ Oder: Eltern zum Teenager: „Bitte gib der Oma die Hand, wenn sie kommt.“ Hannes: „Beim Gerhard zu Hause muss keiner die Hand geben.“ Ohne zu zögern, schnappt sich Gabi das größte Stück der Torte. Renée und Erich drängeln vor der Supermarktkasse und stoßen dabei sogar andere zur Seite. Hanna schlägt dem Nachfolgenden die Türe vor der Nase zu. Birgit träufelt mit voller Absicht Ketchup auf ihr Kleidchen und verweigert schreiend die Speisen am Tisch. Kurt legt im Zug die Beine auf die gegenüberliegende Sitzbank und bezeichnet jeden, der das kritisiert, als „Blödmann oder Trottel“. Viele Kinder und

Anruf bei der Freundin. Ihr Fünfjähriger hebt ab und schreit hinein: „Was willst du?“ Frage an eine jugend­liche Verkäuferin in einem Supermarkt: „Bitte, wo finde ich die Sojamilch?“ Antwort: „Das weiß ich doch nicht. Da müssen Sie eben suchen.“ Ein Zwölfjähriger fährt mit seinem Roller auf dem Gehsteig. Nur schnel­les Ausweichen rettet einige Passanten vor dem Zusammenstoß. Heute ist es für viele Eltern eine Herausforderung, ih­ren Kindern Höflichkeit, Rücksicht, Respekt und gu­tes Benehmen zu vermitteln. Die Benimmregeln sind nicht mehr so starr wie früher, die Etikette scheint vielfach verstaubt. Und manche wissen auch nicht, wie sie es anstellen sollen, den natürlichen Selbstbe­stimmungsdrang der Kleinen in manierliche Bahnen zu lenken. Es gilt also, herauszufinden, welche An­sprüche an die Kinder überholt sind und welche nie überholt sein werden. Dabei geht es nicht darum, Kinder zu dressierten Äffchen zu machen, sondern ihnen altersentsprechend und liebevoll eine wichtige Starthilfe ins Leben zu geben.

Gutes Benehmen hat viele Vorteile� Manieren schaffen eine entspannte Atmosphäre.Kinder, die Reste ihrer Mahlzeit auf dem Tischtuch verteilen und im Restaurant zwischen den Gästen herumspringen, tragen nicht zu einem gemütlichen Miteinander bei. Wenn sie jedoch wissen, was „geht“ oder eben „nicht geht“, sind sie überall willkommen.� Manieren geben Sicherheit. Kinder, die sich taktvoll ausdrücken, höflich grüßen und gute Tischmanieren haben, fühlen sich letztlich wohler als solche, die keine Ahnung haben, wie sie sich benehmen sollen.� Manieren tragen dazu bei, dass sich Türen öffnen.Ein Teenager, der sich demonstrativ Kaugummi kau­end und hingelümmelt um den interessanten Ferien­job bewirbt, wird wenig Erfolg haben. Und wenn be­reits ein kleines Kind „bitte“ statt „gib heeeer!“ sagt, erhöht es die Chance, das Gewünschte zu erhalten.� Manieren machen das Miteinander für alle ange­nehmer.

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daheim. Auch spezielle Eltern­Kind­Gruppen werden angeboten.“

Was sollen Kinder lernen?„KinderKnigge“ beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themenbereichen: freundliches Begrüßen wie duzen/siezen, in die Augen schauen, die Hand rei­chen, Sonnenbrille und Kopfhörer abnehmen, Zauber­wörter wie „bitte“, „danke“, „entschuldige“ bis hin zum Umgangston (auch am Telefon) oder Tischmanieren wie die richtige Haltung, das Essverhalten und der gedeckte Tisch. Zwei süße Maskottchen, „Kniggs“ und „Flitzi“, sollen den Kindern auf Augenhöhe gutes Benehmen nahe­bringen. Die beiden haben viele Materialien in ihrem Koffer, die Kinder begeistern. Und ganz nebenbei lernen und üben sie, was sich gehört und was nicht. So gibt es ein Poster mit grundlegenden Regeln, auf denen Kniggs „in action“ zu sehen ist: „Ich halte ande­ren die Türe auf. Ich spreche nicht mit vollem Mund. Zauberwörter wie bitte und danke verwende ich im­mer. Nach dem WC­Gang wasche ich mir die Hände.“ Zudem gibt es das Kniggs­Wissensquiz: Dabei stellt Kniggs Fragen und die Kinder sollen die richtige Antwort finden. Zum Beispiel: „Wie meldest du dich richtig am Telefon? a) Mit Vornamen, Nachnamen und einem Gruß. b) Hallo, wer spricht? c) Ich sage gar nichts.“ Kniggs lässt die Kinder aus einigen Sätzen auch die herausfinden, in denen unpassendes Beneh­men beschrieben ist, beispielsweise: „Ich esse während des Telefonats meine Jause“, oder: „Ich sage, dass mein Papa gerade am Klo sitzt und nicht zum Telefon kommen kann.“ Kniggs und Flitzi werden von den Kindern geliebt. Wenn nun benehmensmäßig etwas nicht gut klappt, können Eltern zu Hause fragen: „Was würde wohl Kniggs dazu sagen?“ Das hat sicher einen größeren Effekt, als wenn wir unsere Kinder einfach kritisie­ren. Bettina Gruber und ihr Team arbeiten mit Rollen­spielen und Handpuppen, Erzählungen, Spielen, Quiz,

Jugendliche sind auch kaum bereit, ihren Kopf vom Display des Mobiltelefons zu heben, wenn sie mit ande­ren sprechen. Cornelia Nitsch schreibt in ihrem Buch „Kids mit Stil“ (Knaur): „Es ist auch nicht erbaulich, wenn der Sohn die Freundin mit ,Hallo, du Tusse‘ begrüßt, anschließend seine ,Scheiß­Jacke‘ sucht, schweißnasse Fußballschuhe im Wohnzimmer lüftet und alle, die auf Manieren Wert legen, als blöde Lack­affen bezeichnet.“ Doch je unsicherer die Welt im All­gemeinen wird, desto bereitwilliger besinnen Men­schen sich auf traditionelle Werte. Und so erlebt auch die „gute Kinderstube“ aktuell eine Auferstehung.

„Benimmfit“-TrainingsGute Umgangsformen sind wieder gefragt. Doch sie haben nichts mehr mit dem Drill vergangener Tage zu tun, sondern mit Wertschätzung, Einfühlungsver­mögen und Sensibilität. Respekt, gegenseitige Unter­stützung und Fairness sind Begriffe, die wieder an Wert gewinnen. Und so wollen auch die meisten Eltern ihren Kindern Höflichkeit und gute Manieren vermit­teln. Denn gute Umgangsformen sind nicht nur im Alltag, sondern auch im Berufsleben und bei der Karriere ebenso wichtig wie die Fachausbildung. Was also können Eltern tun, die sich über altersge­mäßes, gutes Benehmen für ihre Kinder informieren wollen oder Hilfe suchen? Eine interessante Initiative wurde von Bettina Gruber, ehemalige Marketing­Ma­nagerin und Mutter von zwei Kindern, ins Leben gerufen: Das „KinderKnigge Benimmfit­Training“ für Kinder von fünf bis zehn Jahren. Bettina Gruber: „ Unser Konzept basiert nicht darauf, Prinzessinnen und Prinzen aus den Kindern zu machen. Auch er­setzen wir nicht die wertvolle Erziehungsarbeit der Eltern. Doch ein wenig Unterstützung ist bei diesen Themen oft willkommen. Wir von ,KinderKnigge‘ vermitteln soziale Umgangsformen auf spielerische Weise, pädagogisch durchdacht, kreativ und kind­gerecht. Das Programm spannt einen Bogen von Workshops in den Klassen bis hin zu Übungen

Zauberei, Höraufgaben und dem Einsatz von selbst produzierten Videos (auch auf YouTube zu sehen), die eine Situation einmal falsch und dann richtig zeigen. Neben den spielerisch vermittelten Regeln legt das Team auch großen Wort auf Einfühlungsvermögen, Herzensbildung, Freundlichkeit und Toleranz. Seit Herbst gibt es Fortbildungsveranstaltungen an der Pädagogischen Hochschule in Wien. „KinderKnigge“ kommt in allen Teilen Österreichs an zahlreichen Schulen zum Einsatz.

Helferlein für Drei- und Vierjährige Was können schon Kinder mit drei oder vier Jahren lernen? „Das Wichtige ist, ein altersentsprechendes Gespräch auf Augenhöhe zu führen“, sagt Bettina Gruber. „Stellen Sie sich vor, ein Riese von der Größe einer Giraffe erteilt Ihnen Anweisungen und spricht dabei auch noch in eine andere Richtung. Vielleicht wendet er sich sogar dem Kochtopf zu oder flitzt mit dem Staubsauger durchs Haus. Was auch immer die­ser Riese Ihnen vermitteln möchte – es wird nicht gut bei Ihnen ankommen. Nehmen Sie am besten die Hände Ihres Kindes in Ihre und sprechen Sie mit ru­higer Stimme. Damit können Sie auch kleine Kinder schon erreichen.“ Mit folgenden Beispielen werden Sie sicher Erfolg haben:� Zum Üben der richtigen Haltung bei Tisch: „Pssst – auf deinem Schoß schläft ein süßes Kätzchen. Wenn du ein Weilchen ruhig sitzen bleibst, freut sich die Maus hinter deinem Rücken und ruht sich gemütlich aus. Und dann schmeckt dir dein Essen besser.“� Aufmerksam zuhören und ausreden lassen:„Wenn du redest, bin ich still, weil ich dich verstehen will.“ Kinder lieben Reime. Zeigen Sie bei dem Wort „du“ auf das Kind, halten Sie bei „still“ den Zeigefin­ger vor den geschlossenen Mund, deuten Sie bei „dich“ noch einmal auf das Kind und bei „verstehen will“ auf die Ohren.� Händewaschen nach der Toilette: Fabrizieren Sie einen „Händesalat“, indem Sie gemeinsam mit Ihrem

– In Schweden, Holland und Dänemark ist es üblich, sich sehr schnell zu duzen.– In Thailand sehen einander die Menschen beim Grüßen nicht in die Augen. Kinder werden nicht am Kopf gestreichelt, weil das Unglück bringt.– In Amerika kann eine Hand während des Essens ohne Weiteres auf dem Knie liegen. Das kommt angeblich daher, dass so im Wilden Westen schnell der Griff zur Waffe erfolgen konnte.– In Tschechien ist das Handgeben zwischen Erwachsenen und Kindern eher unüblich. Und wenn, dann sollte das Kind warten, bis der Erwachsene zuerst die Hand reicht. – In China ist es höflich, nach dem Essen zu rülpsen. Schmatzen und Schlürfen sind erlaubt, aber man sollte sich niemals beim Essen die Nase putzen.– In Indien legt man zur Begrüßung die Handflächen vor der Brust zusammen und neigt leicht den Kopf.– In Spanien begrüßen sich Männer per Handschlag. Ein Mann und eine Frau sowie zwei Frauen deuten einen Kuss auf beide Wangen an.– In Kanada bieten Gäste nach einer Einladung an, beim Aufräumen zu helfen, wobei der Gastgeber das ablehnen wird.– In Griechenland sollte man als Gast keine Schnitt-blumen mitbringen, sondern eine Topfpflanze.– Italiener lassen niemals Essen auf dem Teller zurück. Das gilt als unhöflich.– In der Türkei isst man nur mit der rechten Hand. Die linke Hand gilt als unrein, weil sie zur Reinigung auf der Toilette benutzt wird.– Franzosen lassen einen Rest ihrer Mahlzeit auf dem Teller zurück. Damit zeigen sie, dass sie satt sind.– Russen sprechen sich nicht mit „Frau“ oder „Herr“ an, sondern immer mit Vor- und Nachnamen.

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Andere Länder, andere Sitten

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Ordnung. Wenn zwischen Ihrer und der Auffassung Ihres Kindes große Unterschiede in Bezug auf Ord­nung bestehen, können Sie nervenaufreibende Dis­kussionen darüber mit folgendem Satz eindämmen: „Mach in deinem Zimmer, was du willst. In den gemeinsamen Räumen herrscht Ordnung.“Mobiltelefon. Besprechen Sie mit den Kids, bei wel­chen Gelegenheiten das Handy besser in der Tasche bleibt – während der gemeinsamen Mahlzeit, wenn wichtige Gespräche stattfinden oder wo auch immer die Beschäftigung mit einem Mobiltelefon stört.Social Media. Erklären Sie Ihrem Kind, dass das Internet nichts vergisst, sowohl Worte als auch Bilder eine „Waffe“ sein können und ein Posting daher gut überlegt sein will. Gefühle. Manchmal ist ein Kind wütend. Wenn Sie ihm vermitteln, dass es in Ordnung ist, zornig zu sein, kann es für dieses Gefühl ein anderes Ventil fin­den als schlechtes Benehmen. Eine gute Methode ist das Schlagen auf einen Polster oder – keine sensiblen Nachbarn im Untergeschoß vorausgesetzt – das Auf­stampfen mit den Füßen. Wenn Jugendliche wütend sind, empfiehlt sich die Frage „Was genau macht dich so zornig?“ und im idealen Fall ein Gespräch.Hilferuf. Nicht zuletzt kann schlechtes Benehmen auch ein Hilferuf sein. Vielleicht braucht Ihr Kind mehr Aufmerksamkeit? Ist es viel allein? Wird in Ih­rer Familie viel gestritten? Ist Ihr Kind überfordert – ganz pragmatisch oder emotional? Musste es mit trau­matischen Erlebnissen fertigwerden (Trennungen, Todesfall, Erkrankung, Gewalterfahrungen)? Bei gutem Benehmen geht es heute nicht mehr da­rum, mit dem Einfordern sturer Umgangsformen junge Menschen zur perfekten Anpassung zu erzie­hen. Aber Höflichkeit, Rücksichtname und Einfüh­lungsvermögen machen das Leben erfreulicher. Falls Sie doch manchmal entmutigt sind: Freuen Sie sich auf die Zeit, wenn Ihr inzwischen erwachsenes Kind von dieser guten Vorbereitung ganz klar profitieren wird – im privaten Umfeld oder im Berufsleben.

Kind in die Seife greifen und Schaum erzeugen. Das schafft Nähe und macht Spaß.

Alltagstipps für Eltern Welche Regeln sind ganz besonders wichtig? Und in welchen Bereichen könnten Eltern auch einmal ein Auge zudrücken? Bettina Gruber: „Grundsätzlich soll­ten Sie Verbote und Gebote beschränken. Bei einem Zuviel davon blocken Kinder und Jugendliche ab, und es entstehen neue Konflikte.“ Reden. Warten Sie nicht auf einen Streit, sondern reden Sie in einer entspannten Situation über die Absprachen, die Sie getroffen haben. Killersätze. Vermeiden Sie Killersätze wie: „Du machst das jetzt so und fertig!“, „Dein Freund Philipp kann das besser als du“, „Muss ich dir alles 100­mal sagen?“, „Bist du zu dumm, das zu kapieren?“, „Bla­miere uns nicht wieder“, „Sei brav und bedanke dich schön“, „Nimm dir ein Vorbild an deinem Bruder“. Solche Sätze verletzen, schwächen das Selbstvertrauen, und fördern Trotz und Protestverhalten.Kraftausdrücke. Ihr Kind kommt aus dem Kinder­garten oder der Schule mit heftigen Ausdrücken wie „du Arschloch“, „blöder Wichser“ oder „ficken“.1. Gehen Sie nicht groß darauf ein, denn richtig inter­essant wird es für das Kind erst, wenn Sie sich auf­regen. Im Übrigen wissen kleine Kinder oft gar nicht, was sie da eigentlich sagen. Sie freuen sich nur über die Turbulenzen, die sie mit einem Wort auslösen. 2. Klare Grenze ziehen: „Mit deinen Freunden kannst du so reden, mit mir nicht.“3. Wenn alles nichts nützt, können Sie so reagieren: „Wenn du mich als ‚blöde Mama‘ bezeichnest, dann habe ich keine Lust, mit dir einkaufen zu gehen.“Vorbilder. Kinder orientieren sich an Vorbildern. Prü­fen Sie also ehrlich, wie es mit Ihrem eigenen Beneh­men und Verhalten anderen gegenüber aussieht.Aussehen. Wenn es um ihr Styling geht, entwickeln schon die Kleinsten und erst recht Jugendliche eigene Auffassungen von „schön“. Seien Sie hier so tolerant wie möglich.

Sie behandeln in Ihrer Praxis Eltern, Kinder und Jugendliche. Welche Benehmensprobleme können besonders in der Pubertät auftreten? Sandra Velásquez: Alles, was Eltern provoziert: rülpsen und pupsen bei Tisch, nicht grüßen, kein „Bitte“ und „Danke“, keine Antwort auf Fragen, ständiges Hantieren mit dem Mobiltele-fon, Schimpfworte, Nichteinhalten von Vereinbarungen, keine Entschuldigung bei Fehlern, unpassendes oder extre-mes Styling. Das ganze Verhalten der Jugendlichen drückt aus: „Ich pfeif auf Konventionen“ und „kein Bock“. Das zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. So wird beklagt, dass Lehr-linge bei Berufseintritt mangelhafte Manieren haben und keine Verantwor-tung übernehmen wollen. Dasselbe Problem findet sich bei Studenten. Manchen wird von den Eltern vieles abgenommen, obwohl sie selbst Erfah-rungen sammeln sollten. Grundsätzlich gibt es vier Gruppen von Jugendlichen in Bezug auf gutes Benehmen: solche, die können, aber nicht wollen; solche, die wollen, aber nicht können; solche, die weder können noch wollen; und solche, die können und wollen.

Wie helfen Sie Eltern, die Manieren ihrer Kinder zu verbessern?Sandra Velásquez: Ich arbeite in solchen Fällen am liebsten mit den Eltern und gar nicht mit den Jugendli-chen selbst. Denn diese kommen oft nicht freiwillig und auf diese Weise sind Interventionen ohnedies sinnlos. Ich mache dann mit den Eltern ein

Check-up: Welche Manieren sind ihnen wichtig? Es gibt Familien, in denen zum Beispiel dem Grüßen keine Bedeutung beigemessen wird. In welchen gesell-schaftlichen Bereichen soll das Kind Zutritt finden? In welchen Kreisen soll es sich wohlfühlen? Sind wir selbst höflich – auch dem Kind gegenüber? Werden zu Hause oft Schimpfwör-ter verwendet? Sagen wir „Bitte“ und „Danke“? Entschuldigen wir uns – gene-rell und bei unserem Kind? Sind wir zu unterwürfig? Manche Eltern sind schon glücklich, wenn sie einmal die Woche ein knappes „Morgen“ hören. Erfüllen wir alle Wünsche der Kinder? Das kann zur Folge haben, dass diese alles „sofort“ wollen und keine Frustra-tionstoleranz haben. Viele Eltern wollen auch „cool“ sein und tolerieren daher schlechtes Benehmen. Aber wirklich cool sind Eltern dann, wenn sie sich zum Beispiel bei den Interessen der Kinder auskennen – ihrer Musik, bestimmten Künstlern, Filmen oder was auch immer „angesagt“ ist.

Warum ist gutes Benehmen für Jugendliche wichtig?Sandra Velásquez: Jeder möchte akzep-tiert werden. Und das gelingt viel leich-ter, wenn die Goldene Regel beachtet wird: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“ Manieren zeigen bedeutet, dem anderen Wert-schätzung entgegenbringen, sich mit seiner Zerbrechlichkeit auseinander-zusetzen. Das ist eine Brücke. Und das kann für jedes Miteinander nur förder-lich sein – privat und im Berufsleben.

„Manieren sind Brücken der Kinder zur Gesellschaft“

TEXT: Sabine Standenat

Bettina Gruber

Geschäftsführung Kinderknigge+43 699/11 08 11 88,

[email protected] GmbH

www.kinderknigge.com

Mag. Sandra VelásquezMontielklinische Psychologin und Familientherapeutin Psychologische Praxis Safe Place Döbling www.safe-place-doebling.at

Interview

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