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Aktive akustische Maskierung an einem B¨ uro-Container Christian Thyes 1,2 , Johannes Tschesche 1,2 , Joachim B¨ os 1,2 , Tobias Melz 1,2,3 1 LOEWE-Zentrum AdRIA, 64289 Darmstadt, E-Mail: [email protected] 2 TU Darmstadt, Fachgebiet Systemzuverl¨assigkeit und Maschinenakustik SzM, 64289 Darmstadt 3 Fraunhofer-Institut f¨ ur Betriebsfestigkeit und Systemzuverl¨assigkeit LBF, 64289 Darmstadt Einleitung Maskierung beschreibt das Ph¨ anomen des menschli- chen H¨ orens, dass Ger¨ ausche bei Anwesenheit von an- deren Ger¨ auschen teilweise verdeckt werden onnen [1]. Nachfolgend wird ein System zur aktiven akusti- schen Maskierung vorgestellt, welches in einem B¨ uro- Container zum Einsatz kommt. Das Maskierungssystem ¨ uberlagert dem Außenger¨ ausch ein zus¨ atzliches Signal f¨ ur ein gleichm¨ aßigeres Ger¨ auschniveau im Innern des Con- tainers. Das Maskierungssystem besteht aus einem Mikrofon, ei- ner Schaltung zur Signalkonditionierung am Ein- und Ausgang, einem Microcontroller zur Signalverarbeitung und Verarbeitung von Maskierungsalgorithmen, einem Audioverst¨ arker sowie einem Lautsprecher. Zur m¨ oglichst realit¨ atsnahem Demonstration des Mas- kierungssystems mit produktnaher Hardware ist das System in einem uro-Container implementiert. Der uro-Container abstrahiert eine typische l¨ armbelastete uroumgebung. Aktive akustische Maskierung Die aktive akustische Maskierung erfolgt mittels eigener Algorithmen, wobei im Folgenden nur ein Algorithmus zur Maskierung des st¨ arksten kritischen Bandes vorge- stellt wird. Zun¨ achst wird das mit Hilfe eines Mikrofons aufgenom- mene Außenger¨ ausch (Schalldruck) digitalisiert und in den Bildbereich ¨ uberf¨ uhrt. Daf¨ ur wird das Messsignal mit einer Abtastrate von 20 kHz abgetastet, und 512 Abtastschritte werden mit einer ¨ Uberlappung von 50 % gepuffert. Daraus folgt eine Frequenzaufl¨ osung von ca. 40 Hz. Aus diesem Intervall wird mittels Fast Fouri- er Transformation die Frequenz mit der h¨ ochsten Am- plitude bestimmt. Die Frequenz wird in das korrespon- dierende kritische Band umgewandelt. F¨ ur jedes kriti- sche Band wird ein bandbegrenztes, normiertes Rau- schen erzeugt. Das betreffende bandbegrenzte Rauschen wird ausgew¨ ahlt und mit dem Effektivwert der Anregung gewichtet. Im Folgenden werden jeweils zwei kritische ander zu einem zusammengefasst, um Rechenkapazit¨ at einzusparen. Dieser Algorithmus eignet sich prinzipbedingt vor allem ur tonale St¨ orungen, die durch das bandbegrenzte Rau- schen weniger wahrnehmbar werden sollen. Simulations- ergebnisse hierzu finden sich unter [2]. Maskierungssystem Das Maskierungssystem wurde zun¨ achst mit einem Echt- zeitsystem aufgebaut und getestet. Zur besseren Techno- logiedemonstration erfolgte der Aufbau einer kompakten Microcontroller-Plattform. Dadurch kann auf ein kost- spieliges Echtzeitsystem verzichtet und der erforderliche Bauraum erheblich reduziert werden. Der Microcontrol- ler wurde anhand der ben¨ otigten Berechnungen pro Ana- lyseschritt und der Samplingrate ausgew¨ ahlt [3]. Der Algorithmus erfordert die Messung des Außen- ger¨ ausches. Dies erfolgt mit einem konventionellen IEPE- Messmikrofon, das von einer Elektronik mit Energie ver- sorgt wird. Gleichzeitig erfolgt eine Signalverst¨ arkung des Messsignals zur besseren Aussteuerung des Analog- Digital-Wandlers. Nach der Bewertung des Außenger¨ ausches und der Er- zeugung des Maskierungssignals erfolgt die Signalausga- be des Microcontrollers. Der verwendete Microcontroller besitzt keinen eigenen Analogausgang. Daher wird auf ein hochfrequentes 100 kHz PWM-Signal mit 100 kHz zur¨ uckgegriffen, welches vor der Verst¨ arkung analog tief- passgefiltert wird. Damit kann ein Audiosignal digital synthetisiert werden. Dies Aufgaben erfolgen auf der in Abbildung 1 gezeigten Platine. Abbildung 1: Elektronikplatine zur Signalkonditionierung und Tiefpassfilterung Schließlich erfolgen eine Verst¨ arkung des Signals und die Ausgabe im B¨ uro-Container auf einem Lautsprecher. Der uro-Container ist dabei mit einem speziellen Flachlaut- sprecher versehen, um m¨ oglichst wenig Raum in An- spruch zu nehmen. Simulationsergebnisse Das Simulationsergebnis in Abbildung 2 zeigt das Auff¨ ullen von zwei kritischen B¨ andern bei einer tonalen Anregung von 1000 Hz (rote senkrechte Linie). Die jewei- DAGA 2014 Oldenburg 604

Aktive akustische Maskierung an einem Büro-Containerpub.dega-akustik.de/DAGA_2014/data/articles/000085.pdf · ligen Frequenzgrenzen der kritischen B ander bei 770 Hz und 1080 Hz

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Aktive akustische Maskierung an einem Buro-Container

Christian Thyes1,2, Johannes Tschesche1,2, Joachim Bos1,2, Tobias Melz1,2,31 LOEWE-Zentrum AdRIA, 64289 Darmstadt, E-Mail: [email protected]

2 TU Darmstadt, Fachgebiet Systemzuverlassigkeit und Maschinenakustik SzM, 64289 Darmstadt3 Fraunhofer-Institut fur Betriebsfestigkeit und Systemzuverlassigkeit LBF, 64289 Darmstadt

Einleitung

Maskierung beschreibt das Phanomen des menschli-chen Horens, dass Gerausche bei Anwesenheit von an-deren Gerauschen teilweise verdeckt werden konnen[1]. Nachfolgend wird ein System zur aktiven akusti-schen Maskierung vorgestellt, welches in einem Buro-Container zum Einsatz kommt. Das Maskierungssystemuberlagert dem Außengerausch ein zusatzliches Signal furein gleichmaßigeres Gerauschniveau im Innern des Con-tainers.

Das Maskierungssystem besteht aus einem Mikrofon, ei-ner Schaltung zur Signalkonditionierung am Ein- undAusgang, einem Microcontroller zur Signalverarbeitungund Verarbeitung von Maskierungsalgorithmen, einemAudioverstarker sowie einem Lautsprecher.

Zur moglichst realitatsnahem Demonstration des Mas-kierungssystems mit produktnaher Hardware ist dasSystem in einem Buro-Container implementiert. DerBuro-Container abstrahiert eine typische larmbelasteteBuroumgebung.

Aktive akustische Maskierung

Die aktive akustische Maskierung erfolgt mittels eigenerAlgorithmen, wobei im Folgenden nur ein Algorithmuszur Maskierung des starksten kritischen Bandes vorge-stellt wird.

Zunachst wird das mit Hilfe eines Mikrofons aufgenom-mene Außengerausch (Schalldruck) digitalisiert und inden Bildbereich uberfuhrt. Dafur wird das Messsignalmit einer Abtastrate von 20 kHz abgetastet, und 512Abtastschritte werden mit einer Uberlappung von 50 %gepuffert. Daraus folgt eine Frequenzauflosung von ca.40 Hz. Aus diesem Intervall wird mittels Fast Fouri-er Transformation die Frequenz mit der hochsten Am-plitude bestimmt. Die Frequenz wird in das korrespon-dierende kritische Band umgewandelt. Fur jedes kriti-sche Band wird ein bandbegrenztes, normiertes Rau-schen erzeugt. Das betreffende bandbegrenzte Rauschenwird ausgewahlt und mit dem Effektivwert der Anregunggewichtet. Im Folgenden werden jeweils zwei kritischeBander zu einem zusammengefasst, um Rechenkapazitateinzusparen.

Dieser Algorithmus eignet sich prinzipbedingt vor allemfur tonale Storungen, die durch das bandbegrenzte Rau-schen weniger wahrnehmbar werden sollen. Simulations-ergebnisse hierzu finden sich unter [2].

Maskierungssystem

Das Maskierungssystem wurde zunachst mit einem Echt-zeitsystem aufgebaut und getestet. Zur besseren Techno-logiedemonstration erfolgte der Aufbau einer kompaktenMicrocontroller-Plattform. Dadurch kann auf ein kost-spieliges Echtzeitsystem verzichtet und der erforderlicheBauraum erheblich reduziert werden. Der Microcontrol-ler wurde anhand der benotigten Berechnungen pro Ana-lyseschritt und der Samplingrate ausgewahlt [3].

Der Algorithmus erfordert die Messung des Außen-gerausches. Dies erfolgt mit einem konventionellen IEPE-Messmikrofon, das von einer Elektronik mit Energie ver-sorgt wird. Gleichzeitig erfolgt eine Signalverstarkungdes Messsignals zur besseren Aussteuerung des Analog-Digital-Wandlers.

Nach der Bewertung des Außengerausches und der Er-zeugung des Maskierungssignals erfolgt die Signalausga-be des Microcontrollers. Der verwendete Microcontrollerbesitzt keinen eigenen Analogausgang. Daher wird aufein hochfrequentes 100 kHz PWM-Signal mit 100 kHzzuruckgegriffen, welches vor der Verstarkung analog tief-passgefiltert wird. Damit kann ein Audiosignal digitalsynthetisiert werden. Dies Aufgaben erfolgen auf der inAbbildung 1 gezeigten Platine.

Abbildung 1: Elektronikplatine zur Signalkonditionierungund Tiefpassfilterung

Schließlich erfolgen eine Verstarkung des Signals und dieAusgabe im Buro-Container auf einem Lautsprecher. DerBuro-Container ist dabei mit einem speziellen Flachlaut-sprecher versehen, um moglichst wenig Raum in An-spruch zu nehmen.

Simulationsergebnisse

Das Simulationsergebnis in Abbildung 2 zeigt dasAuffullen von zwei kritischen Bandern bei einer tonalenAnregung von 1000 Hz (rote senkrechte Linie). Die jewei-

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ligen Frequenzgrenzen der kritischen Bander bei 770 Hzund 1080 Hz sind mit grauen senkrechten Linien mar-kiert. Das Rauschen fullt den Frequenzbereich innerhalbder zwei kritischen Bander gleichmaßig auf. Aufgrundder gleichmaßigen Anregung in Form eines Sinus mitkonstanter Frequenz und Amplitude wird stets das glei-che Frequenzintervall fur die Maskierung ausgewahlt. DieSimulationsergebnisse werden fur die Pegelbildung wieSchalldrucke (p0 = 2 · 10−5 Pa) behandelt.

500 1000 1500 200020

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Abbildung 2: Simulation eines 1000 Hz-Tons (orange) unddas Ergebnis der Maskierung (rot, gepunktet)

Wird ein realistischeres Anregungssignal in Form ei-nes Presslufthammergerausches aus [4] ausgewahlt, er-gibt sich ein Verhalten, wie es in Abbildung 3 darge-stellt ist. Die orangene Linie stellt wie in Abbildung 2die Anregung dar. Zu dem abgebildeten Zeitpunkt liegtdie starkste tonale Komponente in der Abbildung beica. 200 Hz. Der Maskierungsalgorithmus ermittelt zwardie starkste tonale Komponente, allerdings ist das Ur-sprungssignal so breitbandig, dass eine hohere akustischeQualitat durch die zusatzliche Maskierung nicht zu er-warten ist. Die Frequenzgrenzen von nun 100 Hz und300 Hz sind wieder mit grauen, senkrechten Linien mar-kiert. Je nach Zeitpunkt wechselt das Rauschen in dasjeweilige Frequenzband mit der starksten Anregung.

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 20000

10

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Abbildung 3: Simulation eines Presslufthammergerausches(orange) und das Ergebnis des Maskierers (rot, gepunktet)

Experimentelle Ergebnisse

Die Maskierung eines reinen Tons von 1000 Hz wird ex-perimentell erprobt. Außerhalb des Buro-Containers wirdder Ton uber einen Versuchslautsprecher abgespielt undvon einem Außenmikrofon gemessen. Die Verarbeitungund Erzeugung des Maskierungsgerausches fur den In-nenraum erfolgt wie oben beschrieben.

Im Innenraum des Buro-Containers befindet sich ein Mi-krofon zur Messung des resultierenden Gerausches. Ab-bildung 4 zeigt den gemessenen Schalldruckpegel miteiner Frequenzauflosung von 1,25 Hz. Dabei ist dasAuffullen der kritischen Bander von 770 Hz bis 1080 Hzwie in der Simulation zu erkennen. Der Sinuston mit1000 Hz ist trotz Maskierung in der Messung als Spek-trallinie deutlich erkennbar, wird aber im Innern desBuro-Containers erheblich weniger deutlich wahrgenom-men.

500 1000 1500 2000−20

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Abbildung 4: Messung eines 1000 Hz-Tons (orange) undErgebnis mit Maskierung (rot, gepunktet)

Danksagung

Die in diesem Beitrag vorgestellten Forschungsarbeitenwurden moglich durch LOEWE-Mittel des Landes Hes-sen (LOEWE-Zentrum AdRIA: Adaptronik – Research,Innovation, Application, Forderkennzeichen III L 4 –518/14004 (2008)).

Literatur

[1] Zwicker, E. ; Fastl, H.: Psychoacoustics. Facts andModels. Springer, Berlin u. a. 1990, ISBN 3-540-52600-5.

[2] Thyes, C.; Tschesche, J.; Bos, J.; Hanselka, H.: Acou-stic masking by means of an active system. AIA-DAGA 2013, Conference on Acoustics, 18. – 21. Marz2013, Meran.

[3] Produktseite Delfino Microcontrollerhttp://www.ti.com/product/tms320f28335,abgerufen: 25. Marz 2014

[4] Presslufthammergerauschhttp://www.freesound.org/people/Tomlija/

sounds/98859/,abgerufen: 25. Marz 2014

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