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BLIND FÜR DIE GEFAHR? EDITORIAL Jens Nacke Parlamentarischer Geschäftsführer Sehr geehrte Damen und Herren, ein Parlament lebt von der Auseinander- setzung zwischen Koalitionsfraktionen und Opposition. Die einen unterstützen die Regierung,die anderen üben Kritik und machen alternative Vorschläge. Das Besondere an der Demokratie ist, dass es für diesen Prozess feste Regeln gibt, die in der Verfassung stehen. Wer diese Regeln missachtet, schadet dem Ansehen des Parlaments und der Demokratie. SPD und Grüne in Niedersachsen haben in den letzten drei Jahren mehrfach die Oppositionsrechte verletzt. Akten wurden zurückgehalten, Informationen verschlei- ert, Fragen nicht oder viel zu spät beant- wortet. Gleich mehrfach stellte der Staats- gerichtshof einen Verfassungsbruch fest. Jetzt der nächste Rechtsbruch: CDU und FDP beantragten einen Untersuchungs- ausschuss zur Aufklärung von Ermitt- lungsfehlern der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Salafismus. Mit der Ausweitung auf Sachverhalte, die nicht in der Verantwortung von Innenminister Pistorius liegen, treten die Koalitionsfrak- tionen die Oppositionsrechte mit Füßen. Ein einmaliger Vorgang,mit dem Rot-Grün einen neuen Tiefpunkt im Niedersächsi- schen Landtag erreicht. BERICHT AUS DEM LANDTAG BL Ausgabe April 2016 Aktuell NICHT NUR RECHTE, AUCH PFLICHTEN Klartext MAßREGELVOLLZUG: IM ZWEIFEL FÜR DIE SICHERHEIT Aktuell „SIE HABEN EINE VISITENKARTE DER MENSCHLICHKEIT FÜR DEUTSCHLAND ABGEGEBEN“ Aus dem Parlament MORDFALL FREDERIKE: VERBRECHEN OHNE STRAFE? Aktuell GRÜNER FILZ Aktuell WEGE AUS DER KRISE Aktuell TEURES KARTENSPIEL Fraktion im Gespräch JUNGES ENGAGEMENT FÖRDERN

Aktuell NICHT NUR RECHTE, AUCH PFLICHTEN … · 4. CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG NR.4 | April 2016. BL • BERICHT AUS DEM LANDTAG 5. NICHT NUR RECHTE, AUCH PFLICHTEN

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BLIND FÜR DIE GEFAHR?

EDITORIAL

Jens NackeParlamentarischer Geschäftsführer

Sehr geehrte Damenund Herren,

ein Parlament lebt von der Auseinander-setzung zwischen Koalitionsfraktionen und Opposition. Die einen unterstützen die Regierung, die anderen üben Kritik und machen alternative Vorschläge.Das Besondere an der Demokratie ist, dass es für diesen Prozess feste Regeln gibt, die in der Verfassung stehen. Wer diese Regeln missachtet, schadet dem Ansehen des Parlaments und der Demokratie.

SPD und Grüne in Niedersachsen haben in den letzten drei Jahren mehrfach die Oppositionsrechte verletzt. Akten wurden zurückgehalten, Informationen verschlei-ert, Fragen nicht oder viel zu spät beant-wortet. Gleich mehrfach stellte der Staats-gerichtshof einen Verfassungsbruch fest.

Jetzt der nächste Rechtsbruch: CDU und FDP beantragten einen Untersuchungs-ausschuss zur Aufklärung von Ermitt-lungsfehlern der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Salafismus. Mit der Ausweitung auf Sachverhalte, die nicht in der Verantwortung von Innenminister Pistorius liegen, treten die Koalitionsfrak-tionen die Oppositionsrechte mit Füßen. Ein einmaliger Vorgang, mit dem Rot-Grün einen neuen Tiefpunkt im Niedersächsi-schen Landtag erreicht.

BERICHTAUS DEM LANDTAGBL

Ausgabe April 2016

AktuellNICHT NUR RECHTE, AUCH PFLICHTEN

KlartextMAßREGELVOLLZUG:IM ZWEIFEL FÜR DIE SICHERHEIT

Aktuell„SIE HABEN EINE VISITENKARTE DER MENSCHLICHKEIT FÜR DEUTSCHLAND ABGEGEBEN“

Aus dem ParlamentMORDFALL FREDERIKE: VERBRECHEN OHNE STRAFE?

AktuellGRÜNER FILZ

Aktuell WEGE AUS DER KRISE

Aktuell TEURES KARTENSPIEL

Fraktion im GesprächJUNGES ENGAGEMENT FÖRDERN

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CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG BL • BERICHT AUS DEM LANDTAGNR. 4 | April 20162 3

Die Absage der Braunschweiger Karnevalsumzug und des Fuß-ballländerspiels in Hannover infolge von Terrorwarnungen, die Ausreisewellen von IS-Sympathisanten aus Hildesheim und Wolfsburg nach Syrien und in den Irak und schließlich das is-lamistisch motivierte Messer-Attentat auf einen Bundespolizis-ten am Hauptbahnhof Hannover. Für die CDU-Landtagsfrakti-on sind dies klare Indizien dafür, dass unter der die rot-grünen Landesregierung die Sicherheit in Niedersachsen nicht gewähr-leistet ist. „Die verschiedenen Vorfälle mit islamistischem Hin-tergrund haben deutlich gemacht, dass in diesem sensiblen Bereich unter Rot-Grün gravierende Defizite entstanden sind“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtags-fraktion, Jens Nacke. Auf Antrag von CDU und FDP soll deshalb ein Parlamentarischer Untersuchungsausschusses (PUA) über-prüfen, wo genau Sicherheitslücken in der Abwehr islamisti-scher Bedrohungen bestehen damit diese geschlossen werden können.

Rot-Grün schränkt Arbeit der Sicherheitsbehörden ein

„Wir befürchten, dass die Sicherheitsbehörden in Niedersach-sen nicht mehr effektiv ermitteln und zusammen arbeiten kön-

Blind für die Gefahr?Ein Untersuchungsausschuss soll Sicherheitslücken bei der Abwehr islamistischer Bedrohungen aufklären. Doch SPD und Grüne blockieren dessen Einsetzung im Landtag.

THEMA DES MONATS

nen, weil sie durch politische Vorgaben von Rot-Grün behindert werden“, sagt Nacke. Anders sei nicht zu erklären, dass trotz zahl-reicher Hinweise und Warnungen immer wieder IS-Sympathi-santen aus Niedersachsen nach Syrien und in den Irak ausreisen konnten. „Obwohl beispielweise die DITIB-Moschee in Wolfsburg als Treffpunkt radikaler Salafisten und Rekrutierungszentrum des IS in Europa gilt, wird sie nicht effektiv kontrolliert“, kritisiert Nacke. Das sei eine direkte Folge des von Rot-Grün verordneten Ermittlungsverbots im Umfeld von Moscheen. Auch das Antira-dikalisierungskonzept der CDU-geführten Vorgängerregierung wurde von Rot-Grün ersatzlos gestrichen. Bei dem erst Jahre spä-ter eingerichteten Präventionsprojekt „beRATen e.V.“ ist bis heute unklar, ob und wie mit den Sicherheitsbehörden zusammengear-beitet wird.

Fahrlässigkeit macht Niedersachsen zum Terrorziel

Auch der Fall von Safia S., die einen Bundespolizisten am Haupt-bahnhof von Hannover niederstach, sei beispielhaft für den fahrlässigen Umgang der Landesregierung mit der Bedrohung durch den Islamismus, so Nacke: „Das Mädchen hat sich über einen längeren Zeitraum radikalisiert und daraus auch keinen Hehl gemacht.“ So hat die Schülerin ihre religiösen Ansichten in der Schule offensiv vertreten. Kein Wunder: Schon als Siebenjäh-rige musste sie in Internet-Videos mit dem bekannten salafisti-schen Prediger Pierre Vogel auftreten. Schließlich wandten sich Personen aus dem schulischen und familiären Umfeld von Safia S. an verschiedene Sicherheitsbehörden, um auf die Radikalisie-rung des Mädchens hinzuweisen. „Dennoch hinderte Niemand das Mädchen daran, in die Türkei auszureisen, wo es sich dem IS anschließen wollte. Schließlich war es die Mutter, die sie zurück nach Deutschland holte“, betont Nacke. In Deutschland wurde die Schülerin zwar durch die Polizei befragt, unter Beobachtung stand sie jedoch nicht. Ein Fehler, denn während ihres Türkeiaufenthalts wurde das Mädchen offenbar direkt von IS-Mitgliedern mit ei-nem Anschlag in Deutschland beauftragt. „Es ist tragisch, dass

Niedersachsen zum Schauplatz eines islamistischen Terroraktes geworden ist“, sagt Nacke. „Umso wichtiger ist es jetzt, im Un-tersuchungsausschuss zu klären, was mit diesen und ähnlichen Hinweisen in anderen Fällen geschehen ist und warum die Si-cherheitsbehörden tatenlos blieben.“

Rot-Grün blockiert Untersuchungsausschuss

Obwohl die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungs- ausschusses ein Minderheitenrecht darstellt, blockierte Rot-Grün die Entscheidung des Landtags im April-Plenum. „Rot-Grün versucht alles, um die Fehler der Landesregierung im Umgang mit Islamisten zu vertuschen“, betont Nacke. So forderten die Regierungsfraktionen, dass der PUA auch die Zeit vor dem Regie-rungswechsel 2013 überprüfen müsste. „Rot-Grün will erreichen, dass der Ausschuss mit einer Flut von unwichtigen Akten aus vergangenen Legislaturperioden lahmgelegt und die Fehler der Landesregierung nicht öffentlich werden“, sagt Nacke.

Der Kompromissvorschlag der CDU, zusätzlich das Jahr 2012 in den Blick zu nehmen, wurde von Rot-Grün abgelehnt. Statt-dessen beharrten SPD und Grüne auf einer Ausweitung des Untersuchungszeitraums. „Ein einmaliger Vorgang in der nie-dersächsischen Geschichte, der die Rechte der Opposition mit Füßen tritt“, kritisiert Nacke. So hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages (GBD) bereits festgestellt, dass

Jens Nacke, MdL – Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfrak-tion

In einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben die Fraktionen von CDU und FDP im März ihren Antrag zur Einsetzung des PUA bekannt.

das Verhalten der Landesregierung einen verfassungswidrigen Verstoß gegen die Oppositionsrechte darstellt. Deshalb prüfen sowohl die CDU als auch die FDP-Fraktion eine Klage vor dem Staatsgerichtshof. Über die Einsetzung des Ausschusses wird der Landtag nun am 4. Mai in einer Sondersitzung beraten. „Rot-Grün missachtet nicht nur die Oppositionsrechte, sondern blockiert vor allem das wichtige Ziel, Schwachstellen und Ver-säumnisse in der islamistischen Terrorabwehr schnell aufzuklä-ren und damit die Sicherheit der Menschen in Niedersachsen zu verbessern.“

Die wichtigsten Aufgaben des PUA im Überblick

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss soll aufklären,• welche gefahrenabwehrenden Maßnahmen die Landes- regierung präventiv und konkret ergriffen hat, um mögliche Straftaten von Islamisten und Radikalisierungsprozesse zu verhindern,• was von den Behörden unternommen wurde, um Sympathi- santen des Islamischen Staats (IS) an der Ausreise zu hindern,• was die Mitglieder der Landesregierung sowie die Mitarbeiter der Ministerien und Sicherheitsbehörden im Hinblick auf Prävention, Deradikalisierung, Früherkennung von Islamis- mus und Terrorismus unternommen haben und wie die Zu- sammenarbeit mit der Beratungsstelle zur Prävention neo-salafistischer Radikalisierung funktioniert.

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CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG 4 BL • BERICHT AUS DEM LANDTAG 5NR. 4 | April 2016

NICHT NUR RECHTE, AUCH PFLICHTEN

Der Kurswechsel der Landesregierung kam für alle Beteiligten ziemlich unerwartet: Zwei Tage vor einem Gespräch mit den Spitzen der Land-tagsfraktionen über den umstrittenen Vertrag mit den muslimischen Verbänden ließ Ministerpräsident Weil überraschend verkünden, die Verhandlungen würden vorerst auf Eis gelegt. Es sei nicht zu erwarten, dass die Vereinbarungen kurzfristig unterzeichnet werden könnten, hieß es aus der Staatskanzlei.Angeblicher Grund für den Rückzieher der Landesregierung ist die überra-schende Abwahl des langjährigen Vorsitzenden der Schura, SPD-Mitglied Avni Altiner. Eine für CDU-Fraktionschef Björn Thümler nicht nachvoll-ziehbare Begründung: „Dass die Landesregierung die Gespräche wegen eines Personalwechsels vorerst gestoppt hat, verwundert schon sehr. Man fragt sich, was passiert wäre, wenn die Vorstandswahl fünf Jahre später stattgefunden hätte?“ Die Schura zählt neben Ditib und der Alevitischen Gemeinde zu den drei muslimischen Verbänden, mit denen das Land Niedersachsen bis jetzt über die vertragliche Vereinbarung verhandelt hat. Nach Ansicht Thümlers verdeutlicht der überraschende Rückzug, dass Rot-Grün mit den Verhandlungen offensichtlich völlig überfordert war. „Die Landesregierung hat das Projekt von Anfang an falsch angefangen: Von den Geheimverhandlungen ohne Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen, über die viel zu spät begonnene Einbindung des Landtages, bis zur offenkundig fehlenden Unterstützung in den eigenen Reihen“, kritisiert Thümler.

Integration muss im Mittelpunkt stehen

An ihrer grundsätzlichen Kritik an dem vorliegenden Vertragsentwurf hält die CDU-Fraktion auch nach dem abrupten Kurswechsel von Rot-Grün fest. „In der jetzigen Form ist der Vertrag aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig“, sagt Thümler. „Bislang enthält das Vertragswerk ausschließlich Verpflichtungen für das Land, aber keine für die mus-limischen Verbände. Wir fordern, dass neben den Rechten, die ihnen zugestanden werden, auch Pflichten festgeschrieben werden.“ Im Mit-telpunkt müsse dabei die Aufgabe der Integration stehen. In diesem Zusammenhang sollen sich die Verbände – so die Forderung der CDU – klar von islamistischen und salafistischen Strömungen distanzieren. Thümler: „Die Pflicht zur Übernahme von mehr Verantwortung durch die muslimischen Verbänd muss in die Verträge aufgenommen werden. Dazu gehört, dass sie sich aktiv an der Integration der Muslime in unsere

AKTUELL

Plötzliche Kehrtwende der Landesregierung bei Vertrag mit Muslimen – CDU hält an Kritik am Vertragsentwurf fest Björn Thümler, MdL – Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion

Gesellschaft beteiligen und religiösen Fundamentalisten entschieden entgegentreten.“ Auch im Hinblick auf das Thema Religionsfreiheit sieht der CDU-Fraktionschef in dem vorliegenden Vertragsentwurf noch Nachbesserungsbedarf. „Die Verbände müssen an-erkennen, dass Muslime in Deutschland das Recht haben, dem Islam den Rücken zu kehren oder einer anderen Reli-gionsgemeinschaft beizutreten“, betont Thümler. „Dafür müssen formale Regelungen geschaffen werden, die in den zu den Verbänden gehörenden Moscheevereinen konsequent durchgesetzt werden.“ Der Austritt aus den christlichen Kirchen erfolgt in Deutschland durch eine Erklärung gegenüber dem zuständigen Standesamt.

Bevölkerung in Diskussion einbeziehen

Für grundsätzlich problematisch hält Thümler nach wie vor die geplante Einrichtung von Gebetsräumen an Schu-len: „Die Schule ist ein weltanschaulich neutraler Ort, an dem es darum geht, Wissen über Religion und nicht reli-giöse Lehren zu vermitteln – das sollte auch so bleiben.“ Zu einem offenen und transparenten Verfahren, wie es die Landesregierung nach eigenem Bekunden anstrebe, gehöre es zudem, die Bevölkerung in die Diskussion über die Vertragsinhalte einzubeziehen. „In seiner derzeitigen Form ist der Vertrag für die Bevölkerung aber nur schwer nachvollziehbar. Ich bin mir sicher, der sich der Großteil der Niedersachsen aktuell dagegen aussprechen würde, wenn man sie fragen würde“, so Thümler. „Ohne die flächende-ckende Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft, macht ein solcher Vertrag aber wenig Sinn.“

KLARTEXT:

MAßREGELVOLLZUG: IM ZWEIFEL FÜR DIE SICHERHEIT

von Reinhold Hilbers

Der Mord an einer jungen Frau im Klosterwald in Loccum im vergangenen September hat Niedersachsen auf eindringliche Weise erschüttert. Die Tat lässt sich nämlich nicht mit den üblichen (aber deswegen nicht minder schrecklichen) Um-ständen vergleichbarer Gewaltverbrechen erklären. Der Mord im Klosterwald fällt in die Kategorie Behördenversagen. Denn die 23-Jährige wurde aller Wahrscheinlichkeit nach von einem mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter während seines Frei-gangs aus dem Maßregelvollzug in Bad Rehburg ermordet. Ursprünglich wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, kam der mutmaß-liche Täter wegen einer schweren Alkoholsucht 2013 in den Maßregelvollzug nach Bad Rehburg. Während die Polizei vor der hohen Gewaltbereitschaft des Mannes warnte, gelangten Gutachter im Maßregelvollzug – darunter auch die Staatsan-waltschaft – offenbar zu einer weitaus milderen Einschätzung. Sie gewährten dem Mann, der nach seiner Haft in Sicherungs-verwahrung kommen sollte, allerlei Freiheiten: Vom unbeglei-teten Freigang bis zum Urlaub. Eine fatale Fehleinschätzung, die einen Menschen das Leben kostete.

Dass der mutmaßliche Täter erst im April dieses Jahres er-mittelt werden konnte, ist ein Skandal im Skandal. Schließich wurden die entscheidenden DNA-Spuren bereits am Tatort gesichert, aber auf Grund einer Schlamperei erst kürzlich aus-gewertet. Anders ausgedrückt: Der mutmaßliche Mörder ist auch nach der Tat über ein halbes Jahr lang regelmäßig und unbegleitet in Freiheit gewesen.

Unsere Gesellschaft muss fraglos mit der Tatsache leben, dass sich Gewaltverbrechen nie werden vermeiden lassen. Dass sie dazu in der Lage ist, liegt auch an ihrem berechtigten Grund-vertrauen in unseren Rechtsstaat, in die Arbeit der Strafverfol-gungsbehörden und der Polizei. Und genau deswegen kann die für den Maßregelvollzug im Land verantwortliche Sozial-ministerin Rundt den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Denn wo Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit verloren geht, wächst die Gefahr der Selbstjustiz.

Als CDU fordern wir seit Längerem eine Neuausrichtung des niedersächsischen Maßregelvollzugs. Dazu zählt die Forde-rung, Straftäter während ihres Freigangs zu überwachen, etwa mittels elektronischer Fußfessel. Dazu gehört nach dem skan-dalösen Fall von Bad Rehburg auch eine Überarbeitung der Begutachtungsprozesse für Freigänger. Die Sozialministerin muss handeln und die Regelungen anpassen, die Gutachter unabhängig voneinander ein Votum abgeben. Vollzugslocke-rungen müssen wesentlicher kritischer geprüft werden als bislang. Die Landesregierung muss handeln und sich darüber im Klaren sein: Die Grenzen eines liberalen Strafvollzugs sind dann überschritten, wenn Straftäter auf ihrem langen Weg der Resozialisierung zur Gefahr für eben jene Gesellschaft werden, die sie nach Verbüßung ihrer Haft möglichst wieder integ-rieren soll. Bestehen Zweifel an der Verlässlichkeit muss das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung immer im Vordergrund stehen.

Reinhold Hilbers, MdL – stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion

„Wichtig ist, dass wir das friedliche Zusammenleben mit den Muslimen in unserer Gesellschaft auf eine solide Grundlage stellen“, betont Thümler.Foto: dpa

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6 CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG BL • BERICHT AUS DEM LANDTAG 7NR. 4 | April 2016

Kanzleramtsminister Altmaier dankt Ehrenamtlichen aus Niedersachsen für Einsatz in der FlüchtlingshilfeBetten aufbauen, Essen verteilen, Spenden sortieren: Ohne das eh-renamtliche Engagement vieler Menschen in Niedersachsen wäre die Flüchtlingskrise nicht zu bewältigen. Diesen Einsatz würdigte die CDU-Landtagsfraktion im März mit einer besonderen Veran-staltung: Unter dem Motto „Das Ehrenamt zwischen Flüchtling und Politik“ diskutierten rund 550 ehrenamtliche Helfer aus ganz Niedersachsen in Hannover mit Kanzleramtschef Peter Altmaier, dem Koordinator für die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und einem der engsten Vertrauten der Bundeskanzlerin über ihre Erfahrungen und Erwartungen in der Flüchtlingshilfe. Altmaier drückte den Helfern auch im Namen der Kanzlerin ein großes Dankeschön für ihren Einsatz aus: „Sie haben eine Visitenkarte der Menschlichkeit für Deutschland abgegeben – dafür haben Sie zu Recht Respekt und Ansehen in der Welt erfahren.“ Es sei deshalb die Pflicht der Bundesregierung, nicht nur Entscheidungen zu treffen, sondern darüber auch mit den Menschen zu sprechen. Auch der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, lobte das Engagement der Ehrenamtlichen: „Das Ehrenamt steht in einem besonderen Spannungsfeld zwischen den Flüchtlingen, die zu uns kommen, und der Politik, die für den Umgang mit diesen Menschen verantwortlich ist. Wenn wir die Leistungen der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe zum Maßstab nehmen, dann brauchen wir uns um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land keine Sorgen zu machen.“

CDU-Gäste erhalten Neuigkeiten vom Flüchtlingsgipfel aus erster Hand

Wie intensiv die Bundesregierung an einer Lösung in der Flücht-lingskrise arbeitet, machte Altmaier in seiner Rede deutlich. Erst eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung in Hannover war der Flüchtlingsgipfel zwischen der Europäischen Union und der Türkei nach langwierigen Verhandlungen zu Ende gegangen. So erfuhren die Ehrenamtlichen durch den Kanzleramtsminister, praktisch aus erster Hand, von den Details des Flüchtlingspakts: In Griechenland ankommende Flüchtlinge aus Syrien können nach einer Prüfung ihrer Asylchance direkt in die Türkei zurückgeführt werden. Für jede in die Türkei zurückgebrachte Person soll im Gegenzug ein anderer Syrer aus dem Land auf legalem Wege in die EU kommen können.

AKTUELL

„SIE HABEN EINE VISITENKARTE DER MENSCHLICHKEIT FÜR DEUTSCHLAND ABGEGEBEN“

„Die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer leben mit ihrer Arbeit täglich in vorbildlicher Weise humanitäre Werte“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler in seinem Grußwort.

Diese Regelung dient einem bestimmten Zweck, wie Altmaier be-tonte: „Den Menschen, die auf Asyl in Europa hoffen, muss jetzt klar gemacht werden, dass es der falsche Weg ist, wenn sie sich in die Hän-de von Schleppern begeben, die mit ihrem Leid Geschäfte machen.“ Mit der Kontingent-Vereinbarung zeige sich, dass es der richtige Weg gewesen sei, trotz aller Kritik an der Politik der Bundesregierung beharrlich weiter für eine gesamteuropäische Initiative zu arbeiten, so Altmaier.

Diskussionsrunde mit emotionalem Ende

Als die Menschen aus Syrien und dem Irak vor Tod und Elend zu flie-hen begannen, konnte es für Deutschland angesichts seiner guten wirtschaftlichen Situation keine Lösung sein, einfach die Grenzen zu schließen und sich abzuschotten, so Altmaier weiter. Vielmehr sei es die Pflicht einer so wohlhabenden Demokratie, denjenigen Schutz und Zuflucht zu bieten, die alles verloren hätten.Nach einem regen Austausch mit Altmaier endete die anschlie-ßende Diskussionsrunde unerwartet emotional. Zwei der Gäste nutzten die Gelegenheit, um sich ihrerseits zu bedanken: Vor rund 30 Jahren waren sie selbst aus ihren Heimatländern Eritrea und Iran nach Deutschland geflohen. Sichtlich bewegt berichteten sie dem Kanzleramtsminister, dass sie in Niedersachsen nicht nur Schutz und Zuflucht, sondern auch eine neue Heimat gefunden hätten.

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8 CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG BL • BERICHT AUS DEM LANDTAG 9NR. 4 | April 2016

Justizministerin zeigt wenig InteresseDie rot-grüne Landesregie-rung sieht das offensichtlich anders. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU und auch in der zugehörigen Plenardebatte sprach sich Jus-tizministerin Niewisch-Lenn-artz ausdrücklich gegen eine Reform aus. Eine politische Initiative zur Anpassung des in Rede stehenden Paragrafen – wie sie die CDU von der Lan-desregierung fordert – lehnte die Ministerin genauso ab wie die Bitte, das Thema in der Justizministerkonferenz zur Sprache zu bringen.

„Es ist schade, dass die Justizministerin diesem wichtigen Sach-verhalt so wenig Interesse entgegenbringt“, so Adasch. „Unsere

Haltung, genauso wie die großer Teile der Bevölkerung, ist ganz klar: Der Paragraf 362 muss dringend geändert werden. Es muss möglich sein, ein Strafverfahren – in einem eng abgesteckten Rahmen – auch nach einem rechts-kräftigen Freispruch wieder aufzunehmen, wenn es neue erdrückende Beweise gibt. Die Angehörigen der Opfer leiden ein Leben lang. Eine Änderung der Rechtslage würde für sie ein Stück Gerechtigkeit be-deuten.“

Gerechtigkeit für Mordopfer und ihre Angehörigen – CDU fordert Reform von Paragraf 362 der StrafprozessordnungDarf ein Mord ungesühnt bleiben, nur weil der Täter vor mehr als 30 Jahren aus Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen wurde? Auch wenn die Beweise für seine Schuld – dank neuer kriminaltechnischer Möglichkeiten – inzwischen vorliegen? Diese Frage bewegt aktuell nicht nur Niedersachsen, sondern die ganze Bundesrepublik. Hintergrund ist eine große Anfrage der CDU-Land-tagsfraktion zum Mordfall Frederike von Möhlmann.

Die damals 17-jährige Schülerin wurde 1981 auf dem Heimweg von einer Chorprobe in Celle überfallen, vergewaltigt und erstochen. Im März 1982 verurteilte das Lüneburger Schwurgericht den mutmaß-lichen Täter zunächst zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof das Urteil jedoch auf und verwies den Fall an das Landgericht Stade. Der Mann wurde schließlich rechtskräftig freigesprochen. Mittlerweile hat eine DNA-Untersu-chung ergeben, dass er höchstwahrscheinlich der Täter ist.

„Wiederaufnahme bei neuen, erdrückenden Beweisen muss möglich sein“

Doch für seine Tat belangt wird der Mann wohl trotzdem nicht mehr. Denn wer in Deutschland einmal rechtskräftig freigespro-chen wurde, dem kann laut Paragraf 362 der Strafprozessordnung für das gleiche Verbrechen nicht noch der Prozess gemacht werden. Das will der Vater des Opfers nicht hinnehmen. Unter anderem mit einer Online-Petition setzt er sich für eine Reform des deutschen Strafrechts ein.

Eine Forderung, die die CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich un-terstützt. „Es ist mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung nicht vereinbar, wenn mutmaßliche Mörder trotz neuer eindeutiger Beweise, wie etwa DNA-Spuren, für ihre Tat nicht zur Rechenschaft gezogen werden können“, sagt der Celler CDU-Landtagsabgeord-nete Thomas Adasch. „Wenn neue wissenschaftliche Methoden, die zum Tatzeitpunkt noch nicht angewendet werden konnten, einen bereits freigesprochenen Täter zweifelsfrei überführen, muss das Strafverfahren wieder aufgenommen werden können.“

AUS DEM PARLAMENT

MORDFALL FREDERIKE: VERBRECHEN OHNE STRAFE?

Die 17-jährige Frederike von Möhlmann wurde 1981 in Celle ermordet. Darf ihr mutmaßlicher Mörder ungestraft davonkommen, weil er einmal fälschli-cherweise freigesprochen wurde?Foto: dpa

Thomas Adasch, CDU-Landtagsabge-ordneter aus Celle

bungen sind damit hinfällig. Wie der Verbraucherschutz künf-tig organisiert werden soll, ist unterdessen vollkommen unklar. „Der Verbraucherschutz spielt für Meyer keine Rolle mehr. An-ders ist es nicht zu erklären, dass diese wichtige Kompetenz dem Personalgerangel im Ministerium geopfert wird“, betont Oesterhelweg. Währenddessen knirscht es zwischen Minister und Mitarbeitern weiter. Auch, weil Meyer bei einem Mitarbei-tergespräch Anfang April kategorisch abstritt, unfair gehandelt zu haben. Stattdessen wurde der Personalrat für die Veröffent-lichung der Beschwerdeschreiben kritisiert. Die Schuld für die Personaldebatte suchte Meyers Staatssekretär indes bei der SPD-geführten Staatskanzlei. Diese habe die abgelehnte Genos-sin als Aufpasserin installieren wollen. „Dass der Minister bereit ist, ein ganzes Referat umzustrukturieren, nur um eine unlieb-same Bewerberin mit SPD-Hintergrund kalt zu stellen, zeigt, wie desaströs der Zustand der rot-grünen Koalition inzwischen ist“, sagt Oesterhelweg. „Der Ministerpräsident und seine Fraktion scheinen jeglichen Kontakt und Einfluss auf den grünen Koa-litionspartner verloren zu haben.“ Zumindest hinter vorgehal-tener Hand wird in der SPD Kritik an Meyer laut. „Da wird mit allen Mitteln getrickst“, sind sich Genossen sicher und fragen sich, „Wieso schreibt man eine Stelle aufwendig aus, um dann plötzlich festzustellen, dass man sie nicht mehr braucht?“ (HAZ vom 5. April). Diese Frage beschäftigt auch die CDU-Fraktion, die eine Anfrage zu den Personalverfahren im Landwirtschaftsmi-nisterium gestellt hat. „Wir wollen jetzt wissen, was es mit den zahlreichen Vorwürfen von Mitarbeitern des Ministeriums auf sich hat“, sagt Oesterhelweg.

Nicht nur bei den Landwirten macht sich Agrarminister Meyer unbeliebt – auch die eignen Mitarbeiter fühlen sich schlecht behandeltIm Landwirtschaftsministerium herrscht dicke Luft. Offenbar scheitert Minister Meyer nicht nur am richtigen Umgang mit den Landwirten – auch die Mitarbeiter im eigenen Haus leiden unter seinem verfehlten Führungsstil. Viele von ihnen sind der Meinung, dass bei Beförderungen und Stellenbesetzungen die Qualifikation schon lange nicht mehr entscheidend ist, sondern allein das grüne Parteibuch. In insgesamt 31 anonymen Stel-lungnahmen, die der Personalrat des Ministeriums veröffent-licht hat, gehen Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums deshalb hart mit ihrem Chef ins Gericht.

Wenn Kompetenz nicht zählt

Die Vorwürfe wiegen schwer: „Stellenbesetzungen erfolgen nach Gutsherrenart“ und die Personalpolitik offenbare täglich, „dass höherwertige Stellen ausschließlich mit Personen besetzt werden, die mit dem grünen Parteibuch winken“, heißt es in den Beschwerdeschreiben. Ein „Armutszeugnis“ für den Minister, urteilt der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfrak-tion, Frank Oesterhelweg. „Gerade die Grünen fordern immer und überall Chancengleichheit ein. Wenn es jedoch darum geht, Posten zu verteilen, werden diese Grundsätze offenbar schnell über Bord geworfen.“ Beispielhaft dafür ist die Besetzung des Referatsleiterpostens für den wirtschaftlichen Verbraucher-schutz. Seit eineinhalb Jahren war die Stelle unbesetzt. Nach langwieriger Suche fiel die Wahl aber nicht auf eine Bewerberin aus dem Ministerium, sondern auf den ehemaligen Mitarbeiter eines SPD-Bundestagsabgeordneten. Der verfügte zwar über keinerlei Verwaltungserfahrung, gilt aber als den Grünen nahe stehend. Offenbar ein Vorteil gegenüber seiner Konkurrentin, die zuvor für die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag gearbeitet hatte.desregierung fordert – lehnte die Ministerin genauso ab wie die Bitte, das Thema in der Justizministerkonferenz zur Sprache zu bringen.

Verbraucherschutz fällt Meyers Misstrauen zur SPD zum Opfer

Nachdem die übergangene Mitarbeiterin gegen dieses Vorge-hen Klage eingereicht hatte, kündigte die Ministeriumsspitze kurzerhand den Umbau der führungslosen Abteilung an. Die freie Stelle soll nun abgeschafft werden – die strittigen Bewer-

AKTUELL

GRÜNER FILZ

Frank Oesterhelweg, MdL – stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtags-fraktion

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10 CDU-FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG BL • BERICHT AUS DEM LANDTAG 11NR. 4 | April 2016

Hinblick auf den Export aufstellt, desto flexibler kann sie künftig auf Krisen einzelner Märkte reagieren“, erklärt Dammann-Tamke. „Ziel muss es sein, das Risiko ein Stück weit zu streuen.“

Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen könne sich der Zugang zu neuen Auslandsmärkten jedoch beispielsweise auf-grund der hohen Transaktionskosten schwierig gestalten. „Um diese Zugangsschwelle zu senken, ist die Hilfe der Politik notwendig“, so der CDU-Agrarexperte. „Wir erwarten von Landwirtschaftsminister Meyer, dass er dem Beispiel von Weil und Lies folgt, und Delegations-reisen zu potenziellen neuen Absatzmärkten auf den Weg bringt.“

Mit Milchplattformen Marktmacht des Einzelhandels entgegenwirken

Im Hinblick auf den Milchsektor hatte Dammann-Tamke bereits zu Beginn des Jahres mit seinen agrarpolitischen Sprecherkollegen der CDU-Landtagsfraktionen aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Hol-stein, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen eine gemeinsame Initiative für faire Erzeugerpreise und gegen das Ungleichgewicht auf dem Milchmarkt gestartet. Ziel ist die Gründung von Vermarktungsplattformen von Landwirten und Molkereien, um ein Gegengewicht zur Marktmacht des Einzel-handels zu schaffen. „Wenn 85 Prozent aller Molkereiprodukte von nur fünf Handelsgesellschaften abgenommen werden, wirkt sich das unweigerlich negativ auf die Preise der Landwirte und Molkerei-en aus“, betont Damann-Tamke: „Wir wollen ein Ende des ständigen Unterbietungswettbewerbs und angemessene Preise für unsere Landwirte.“Kartellrechtlich abgedeckt wird der CDU-Vorstoß durch die kürzlich erfolgte Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes auf Bundesebe-ne. Dammann-Tamke: „Michbauern und Molkereien haben damit deutlich bessere Möglichkeiten, das Angebot zu steuern.“

Sinkende Erzeugerpreise bedrohen die Existenz zahlreicher Höfe in Niedersachsen – CDU fordert Maßnahmenpaket zur Unterstützung der LandwirteLebensmittel aus Deutschland haben weltweit nach wie vor einen hervorragenden Ruf. Dennoch ist die finanzielle Lage auf zahl-reichen Höfen – auch in Niedersachsen – mehr als angespannt. Umsatzeinbußen von bis zu 45 Prozent waren im vergangenen Jahr für viele Betriebe traurige Realität. Betroffen sind vor allem Ferkelerzeuger, Milchviehhalter und Schweinemäster.

Grund für die hohen Einkommensverluste ist der massive Erzeu-gerpreisverfall – verursacht unter anderem durch den russischen Importstopp und die zurückgehende Nachfrage auf anderen wich-tigen Absatzmärkten. „Niedersachsen droht ein nie dagewesenes Höfesterben“, warnt der agrarpolitische Sprecher der CDU-Land-tagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke. „Gerade die Situation vie-ler Familienbetriebe ist äußerst kritisch. Es wird höchste Zeit, dass auch die Landesregierung etwas tut.

Bürgschaftsprogramm soll Liquidität auf den Höfen sichern

Geht es nach der CDU-Landtagsfraktion muss die rot-grüne Lan-desregierung umgehend ein ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg bringen. So soll beispielsweise ein landeseigenes Bürgschafts-programm die Liquidität auf den Höfen sicherstellen. „Vor allem die Betriebe mit wenig landwirtschaftlicher Nutzfläche brauchen Hilfe, um die Überbrückung des aktuellen Preistiefs zu stemmen“, so Dammann-Tamke.

Denn auch wenn die Hausbank den Hof weiterhin als kreditwür-dig einstuft, verhindern oftmals die strengen Auflagen der Ban-kenaufsicht eine Kreditvergabe. Dammann-Tamke: „Vor diesem Hintergrund wäre eine anteilige Risikoabdeckung durch ein lan-deseigenes Bürgschaftsprogramm sinnvoll und hilfreich. Die Lan-desregierung hat hier ganz konkret die Möglichkeit zu zeigen, dass ihr tatsächlich an der Existenzsicherung der niedersächsischen Familienbetriebe gelegen ist.“

Politik muss helfen, das Tor zu neuen Märkten zu öffnen

Eine Stabilisierung des Preisniveaus verspricht sich die Fraktion zudem vom Zugang zu neuen Absatzmärkten. Um die Landwir-te bei der Erschließung zu unterstützen, fordert die CDU von der Landesregierung ein landeseigenes Exportförderprogramm. „Je breiter sich die niedersächsische Agrar- und Ernährungsbranche im

AKTUELLWEGE AUS DER KRISE

Helmut Dammann-Tamke, MdL – agrarpolitischer Sprecher der CDU-Land-tagsfraktion

die ohnehin schon mit den hohen Kosten infolge der Flüchtlingskrise zu kämpfen haben, ist das eine unzumutbare zusätzliche Belastung“, kritisiert Matthiesen.

Verhaltene Resonanz auch in Nordrhein-Westfalen

Auch in Nordrhein-Westfalen, wo die elektronische Gesundheitskarte bereits Anfang des Jahres eingeführt wurde, ist die Resonanz eher verhalten: von insgesamt 396 Kommunen haben sich bislang 19 offiziell für eine Beteiligung an dem Projekt entscheiden – wirklich eingesetzt wird die Karte aber nur in sechs Städten und Gemeinden. Nicht nur deshalb hält Matthiesen das ganze Modell für unnötig: „Die von SPD und Grünen herbeigeredete Benachteiligung oder gar Diskriminierung von Flüchtlingen, die keine Gesundheitskarte besitzen hat es nie gegeben. Es galt immer schon der Grundsatz: Wer medizinische Hilfe benötigt, erhält sie auch. Eine Neuregelung ist deshalb absolut überflüssig.“

Elektronische Gesundheitskarte stößt bei Niedersachsens Kommunen auf AblehnungViel zu teuer und in dieser Form nicht akzeptabel: Die Reaktion der meisten Kommunen auf die Einführung der elektronischen Gesund-heitskarte für Flüchtlinge durch Sozialministerin Rundt ist eindeutig. „Auf der Grundlage der einseitig durch das Sozialministerium mit den Krankenkassen ausgehandelten Rahmenvereinbarung, wie sie uns zur Stellungnahme vorgelegen hat, hat sich nicht ein einziger Land-kreis für den Abschluss einer solchen Vereinbarung ausgesprochen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Städtetages. Seit dem 1. April können sich die Kommunen dem Projekt der rot-grü-nen Landesregierung anschließen.

Unzumutbare zusätzliche Belastung für Kommunen

Mit der elektronischen Gesundheitskarte sollen Asylbewerber in Niedersachsen künftig direkt zum Arzt gehen können. Bislang muss-ten sie sich dafür zunächst einen Bezugsschein beim zuständigen Sozialamt besorgen. Auch über den Umfang der Behandlung soll in Zukunft nicht mehr die Kommune entscheiden, sondern allein die behandelnden Ärzte.

Genau darin sieht der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtags-fraktion, Dr. Max Matthiesen, eines der großen Probleme des neuen Modells. „Die Krankenkassen werden nicht kontrollieren können, ob die gesetzlich vorgesehenen eingeschränkten Leistungen für Flücht-linge tatsächlich eingehalten werden“, so Matthiesen. „Die Kommu-nen wollen das aber genau geprüft wissen – schließlich müssen sie die Leistungen weiterhin bezahlen.“

Asylbewerber haben in Deutschland ausschließlich Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen. Die Überprüfung wird, so die Vermutung des CDU-Sozialpolitikers, an den Kommunen hängen bleiben. Matthiesen: „Dafür braucht es zusätzliches Personal – mehr Geld gibt es aber von der Landesregierung nicht. Wenn Rot-Grün die Gesundheitskarte schon gegen den Willen der Kommunen durch-boxen will, sollte sie zumindest so fair sein, die anfallenden Kosten selbst zu tragen.“

Stattdessen belastet die Gesundheitskarte das Budget der Kommu-nen auch noch in einer anderen Hinsicht: Für die Abwicklung sollen sie einen Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von acht Prozent der an-fallenden Kosten an die Krankenkassen zahlen. „Für die Kommunen,

AKTUELL

TEURES KARTENSPIEL

Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge verur-sacht für die Kommunen höhere Kosten – dementsprechend ablehnend re-agieren Städte und Gemeinden.Foto: dpa

Dr. Max Matthiesen, MdL – sozialpolitischer Sprecher der CDU-Land-tagsfraktion

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4. Mai Sondersitzung – Plenum des Niedersächsischen Landtags

23. – 25. Mai Fraktionsklausurtagung in Bramsche

7. – 10. Juni Plenum des Niedersächsischen Landtags

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CDU FRAKTION IM NIEDERSÄCHSISCHEN LANDTAG 12

CDU-Fraktion und Jugendverbände erarbeiten Grundlagen für die politische Beteiligung von Kindern und JugendlichenIn der Gesellschaft gibt es kaum einen Bereich - das gilt für Parteien genauso, wie für Hilfsorganisationen oder Sportvereine -, der ohne das Engagement freiwilliger Helfer auskommt. Oft wird der Grundstein für späteres ehrenamt-liches Engagement bereits in der Jugend gelegt. Im Rahmen eines jugendpo-litischen Gesprächs hat die CDU-Landtagsfraktion deshalb gemeinsam mit Vertretern niedersächsischer Jugendverbände über die notwendigen Grund-lagen moderner Jugendpolitik beraten. Die Ergebnisse dieses Treffens liegen jetzt im „Thesenpapier zur Jugendpolitik in Niedersachsen“ vor.

Balance zwischen Schule, Studium und Freizeit schaffen

„Das Engagement in Verbänden und Organisationen vermittelt jungen Men-schen ein Gefühl dafür, was es bedeutet, wenn ihre Ideen wahrgenom-men und wertgeschätzt werden“, sagt der jugendpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Volker Meyer. Angesichts immer vollerer Stundenpläne und der Ausweitung der Ganztagsschule haben Schüler jedoch immer weniger Zeit, sich in Jugendverbänden einzubringen. „Damit Schüler trotz der Veränderun-gen im Bildungssystem weiter die Chance erhalten, sich mit Themen ausein-ander zusetzen, die in der Schule nicht angeboten werden, müssen Schulen und Verbände künftig noch enger miteinander kooperieren“, fordert Meyer.

Doch auch nach dem Ende der Schulzeit bleibt oft wenig Zeit für ein ehren-amtliches oder soziales Engagement. „Ursache hierfür ist die Verschulung zahlreicher Studiengänge mit festen Stunden- und Ablaufplänen“, betont Meyer. „Gleichzeitig haben viele Vereine und Verbände damit zu kämpfen, dass vor allem immer mehr ihrer jungen Mitglieder für ein Studium wegzie-hen.“ Deshalb will sich die CDU-Fraktion dafür einsetzen, dass Universitäten und Hochschulen ihren Studenten Freistellungsmöglichkeiten anbieten, wenn sie in Jugendorganisationen aktiv sind oder sich ehrenamtlich enga-gieren.

Moderne Beteiligungsmöglichkeiten anbieten

Kindern und Jugendlichen könne durchaus zugetraut werden, ihre Belange selbst zu vertreten, so Meyer. Die CDU-Fraktion fordert daher, junge Menschen und ihre Interessenvertreter bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, zu beteiligen. „Die Landespolitik muss sich besonders auf die veränderten Kom-munikationsgewohnheiten junger Menschen einstellen und ihnen entspre-chende Plattformen und Zugangsmöglichkeiten über das Internet anbieten, damit sie sich in den politischen Prozess einbringen können.“ Über diese soge-nannte E-Partizipation wäre es Jugendlichen nicht nur möglich, Wünsche und Erwartungen an die Landespolitik in Niedersachsen zu äußern, sondern direkt an Lösungen mitzuarbeiten. „Bis alle Voraussetzungen für eine umfassende Beteiligung junger Menschen an politischen Entscheidungen geschaffen sind, arbeiten wir weiter eng mit den Jugendorganisationen zusammen. Das Thesenpapier ist Grundlage für CDU-Parlamentsinitiativen.“

FRAKTION IM GESPRÄCH

JUNGES ENGAGEMENT FÖRDERN Volker Meyer, MdL – jugendpolitischer Sprecher der

CDU-Landtagsfraktion

Gemeinsam mit Vertretern verschiedener Jugendverbände diskutierte der jugendpolitische Sprecher der CDU-Frakti-on, Volker Meyer, über die Grundlagen moderner Jugend-politik.