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den, und es ist dann eine Primärdiagnos- tik der Wirbelsäule verfügbar, die ein ge- zieltes Nachröntgen, falls notwendig, er- laubt. Wenn ein unauffälliges CT vor- liegt, ist m. E. kein Durchröntgen mehr nötig. Die 2. Frage ist: Wie halten sie es in ihrer Klinik beim Schwerverletzten? Ver- langen sie dann bei BWS und LWS 2 Ebenen oder nur die seitliche Ebene? Dr. Nothofer, Regensburg Zur letzten Frage: Wir streben immer – nach Möglichkeit – die Aufnahme in 2 Ebenen an, wenn es irgendwie durch- führbar ist. Zur ersten Frage beim Polytrauma- tisierten: Hier bin ich mit ihnen völlig einverstanden, die CT sollte möglichst frühzeitig eingesetzt werden, weil mit dem Spiral-CT in kurzer Zeit so viele In- formationen erhalten werden können, wie es mit konventionellen Röntgenauf- nahmen nicht erreichbar ist, da es oft 1 h dauert,bis der Patient durchgeröntgt ist. Die notwendigen Untersuchungsbefun- de sind heute in einer wesentlich kürze- ren Zeit erhältlich. Somit ist bei Po- lytraumatisierten die Indikation zum CT sicher großzügig zu stellen. Prof. Dr. Bühren, Murnau Erlauben sie noch eine Frage zur Kern- spintomographie. Sie haben die Aussa- ge getroffen, dass uns die Kernspinto- mographie zusätzliche Informationen geben kann und die Darstellung auch plastischer macht. Für die Praxis sollte vielleicht doch an dieser Stelle definiert werden, wann die Kernspintomographie in der primären Diagnostik wirklich in- diziert ist, aber auch ausgrenzen, wann letztendlich darauf verzichtet werden kann.Vielleicht können sie noch einmal präzisieren, wo sie eine dringende Not- wendigkeit sehen würden und in wel- cher Konstellation. Dr. Nothofer, Regensburg Bei nur inneren knöchernen Verletzun- gen und dem Verdacht auf eine lipo- mentäre Verletzung,also Bandscheiben- schädigung oder eine dorsale Zerrei- ßung der Bandkomplexe, die oft mit we- nig knöchernen Verletzungen einherge- hen, würde ich die Indikation zur Kern- spintomographie stellen. Immer wenn ich eine Aussage über eine bandstruktu- rierende Bandscheibe und für eine ent- sprechende diskoligamentäre Instabi- lität haben wollte, würde ich großzügig zur Kernspintomographie greifen; eben- so immer dann, wenn ich relativ wenig weiß, wenn mir einfach der knöcherne Befund nicht alles erklärt oder nicht al- le Fragen beantwortet. Prof. Dr. Mutschler, München Aus dem Auditorium eine Bemerkung? Sind sie alle zufrieden mit dem Algo- rithmus, der vorgestellt und jetzt revi- diert wurde, dass das CT doch an erster Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S241 Trauma Berufskrankh 2000 · 2 [Suppl 2]: S241–S242 © Springer-Verlag 2000 Wirbelsäulenverletzungen Wolf Mutschler 1 · Volker Bühren 2 1 Chirurgische Universitätsklinik Innenstadt, München 2 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau Aktuelle Entwicklungen in der Behandlung der Wirbelsäulenverletzungen (ohne HWS und RMV) Diskussion mit dem Auditorium Prof. Dr.W. Mutschler Chirurgische Universitätsklinik Innenstadt, Nussbaumstraße 20, 80336 München Prof. Dr. Bühren, Murnau Vielen Dank, Herr Dr. Nothofer für die- se Übersicht, die alles enthalten hat, was heute bildgebend und auch klinisch ge- macht werden kann. Erlauben sie mir aus meiner Sicht eine Ergänzung: Sie ha- ben die funktionelle Untersuchung er- wähnt und das Diagramm aus dem Buch von Herrn Prof. Dr. Blauth für die HWS gezeigt. Dies ist eine sehr wichtige Un- tersuchungsmethode, da sie überall und auch in jeder Notaufnahme durchge- führt werden kann. Der Untersucher nimmt den Kopf selbst in die Hand und kann dann unter dosiertem Zug und im seitlichen Strahlengang des Bildwand- lers tatsächlich funktionell untersuchen. Ich halte dies für eine der wichtigsten Methoden, um HWS-Verletzungen ab- zuklären, die gehäuft ohne knöcherne Verletzungszeichen vorkommen. Dr. Nothofer, Regensburg Ja,aber da mein Thema im Wesentlichen die BWS und die LWS waren, bin ich dar- auf nicht näher eingegangen. Prof. Dr. Josten, Leipzig Herr Dr. Nothofer, eine Anmerkung, ei- ne Frage: Sie haben gesagt, das CT sei ei- ne Option der weiterführenden Diag- nostik. In Ergänzung zu dem, was Herr Prof. Dr. Mutschler heute Morgen ange- führt hat, bin ich der Meinung, dass das CT beim Polytraumatisierten an erster Stelle steht. Der Patient kann damit sehr gut und sehr schnell durchgefahren wer-

Aktuelle Entwicklungen in der Behandlung der Wirbelsäulenverletzungen (ohne HWS und RMV)

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den, und es ist dann eine Primärdiagnos-tik der Wirbelsäule verfügbar,die ein ge-zieltes Nachröntgen, falls notwendig, er-laubt. Wenn ein unauffälliges CT vor-liegt, ist m. E. kein Durchröntgen mehrnötig.Die 2.Frage ist: Wie halten sie es inihrer Klinik beim Schwerverletzten? Ver-langen sie dann bei BWS und LWS 2 Ebenen oder nur die seitliche Ebene?

Dr. Nothofer, Regensburg

Zur letzten Frage: Wir streben immer –nach Möglichkeit – die Aufnahme in 2Ebenen an, wenn es irgendwie durch-führbar ist.

Zur ersten Frage beim Polytrauma-tisierten: Hier bin ich mit ihnen völligeinverstanden, die CT sollte möglichstfrühzeitig eingesetzt werden, weil mitdem Spiral-CT in kurzer Zeit so viele In-formationen erhalten werden können,wie es mit konventionellen Röntgenauf-nahmen nicht erreichbar ist, da es oft 1 hdauert, bis der Patient durchgeröntgt ist.Die notwendigen Untersuchungsbefun-de sind heute in einer wesentlich kürze-ren Zeit erhältlich. Somit ist bei Po-lytraumatisierten die Indikation zumCT sicher großzügig zu stellen.

Prof. Dr. Bühren, Murnau

Erlauben sie noch eine Frage zur Kern-spintomographie. Sie haben die Aussa-ge getroffen, dass uns die Kernspinto-mographie zusätzliche Informationengeben kann und die Darstellung auchplastischer macht. Für die Praxis solltevielleicht doch an dieser Stelle definiert

werden, wann die Kernspintomographiein der primären Diagnostik wirklich in-diziert ist, aber auch ausgrenzen, wannletztendlich darauf verzichtet werdenkann.Vielleicht können sie noch einmalpräzisieren, wo sie eine dringende Not-wendigkeit sehen würden und in wel-cher Konstellation.

Dr. Nothofer, Regensburg

Bei nur inneren knöchernen Verletzun-gen und dem Verdacht auf eine lipo-mentäre Verletzung, also Bandscheiben-schädigung oder eine dorsale Zerrei-ßung der Bandkomplexe, die oft mit we-nig knöchernen Verletzungen einherge-hen, würde ich die Indikation zur Kern-spintomographie stellen. Immer wennich eine Aussage über eine bandstruktu-rierende Bandscheibe und für eine ent-sprechende diskoligamentäre Instabi-lität haben wollte, würde ich großzügigzur Kernspintomographie greifen; eben-so immer dann, wenn ich relativ wenigweiß, wenn mir einfach der knöcherneBefund nicht alles erklärt oder nicht al-le Fragen beantwortet.

Prof. Dr. Mutschler, München

Aus dem Auditorium eine Bemerkung?Sind sie alle zufrieden mit dem Algo-rithmus, der vorgestellt und jetzt revi-diert wurde, dass das CT doch an erster

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000 S241

Trauma Berufskrankh2000 · 2 [Suppl 2]: S241–S242 © Springer-Verlag 2000 Wirbelsäulenverletzungen

Wolf Mutschler1 · Volker Bühren2

1Chirurgische Universitätsklinik Innenstadt, München2Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

Aktuelle Entwicklungen in der Behandlung der Wirbelsäulenverletzungen(ohne HWS und RMV)Diskussion mit dem Auditorium

Prof. Dr.W. MutschlerChirurgische Universitätsklinik Innenstadt,Nussbaumstraße 20, 80336 München

Prof. Dr. Bühren, Murnau

Vielen Dank, Herr Dr. Nothofer für die-se Übersicht, die alles enthalten hat, washeute bildgebend und auch klinisch ge-macht werden kann. Erlauben sie miraus meiner Sicht eine Ergänzung: Sie ha-ben die funktionelle Untersuchung er-wähnt und das Diagramm aus dem Buchvon Herrn Prof. Dr. Blauth für die HWSgezeigt. Dies ist eine sehr wichtige Un-tersuchungsmethode, da sie überall undauch in jeder Notaufnahme durchge-führt werden kann. Der Untersuchernimmt den Kopf selbst in die Hand undkann dann unter dosiertem Zug und imseitlichen Strahlengang des Bildwand-lers tatsächlich funktionell untersuchen.Ich halte dies für eine der wichtigstenMethoden, um HWS-Verletzungen ab-zuklären, die gehäuft ohne knöcherneVerletzungszeichen vorkommen.

Dr. Nothofer, Regensburg

Ja,aber da mein Thema im Wesentlichendie BWS und die LWS waren,bin ich dar-auf nicht näher eingegangen.

Prof. Dr. Josten, Leipzig

Herr Dr. Nothofer, eine Anmerkung, ei-ne Frage: Sie haben gesagt, das CT sei ei-ne Option der weiterführenden Diag-nostik. In Ergänzung zu dem, was HerrProf. Dr. Mutschler heute Morgen ange-führt hat, bin ich der Meinung, dass dasCT beim Polytraumatisierten an ersterStelle steht. Der Patient kann damit sehrgut und sehr schnell durchgefahren wer-

Prof. Dr. Rüter, Augsburg

Ich wollte vorhin schon eine Bemerkungmachen, es passt gerade zusammen.Wirführen momentan vom Präsidium derDGU aus – lassen sie es mich sagen – einGespräch mit den Neurochirurgen überdie Behandlung dieser Verletzungen imRahmen des Polytraumas. Da werdendiagnostische Empfehlungen gegeben,es steht bei jedem Polytraumatisierten

Nr. 1 gesamte Aufnahme der Wirbelsäulein 2 Ebenen,

Nr. 2 Thoraxaufnahme,Nr. 3 neurologische Untersuchung,Nr. 7 – glaube ich – Sonographie.

Ich glaube, hier muss die Wertigkeitgesehen werden. Die Wirbelsäulen-verletzung gehört nicht zu den akutlebensbedrohlichen Verletzungenmit der Frage, wo die Patienten hinsollen.

Prof. Dr. Mutschler, München

Ohne Rückenmarkbeteiligung, ist hierzu ergänzen.

Prof. Dr. Rüter, Augsburg

Ich fürchte mich ganz einfach vor denPatienten, bei welchen es bei der Erst-einlieferung heißt, es könnte eine Wir-belsäulenverletzung sein. Dann küm-mert sich niemand mehr um die Milz, eskümmert sich niemand mehr um die Le-ber, dann wird der Hubschrauber wie-der angefordert, dann geht das Ganzenoch einmal 1 1⁄2 h und dann wird er verlegt wegen Verdacht auf Wirbelsäu-lenmitbeteiligung. Und im Hubschrau-ber stirbt er dann an einem hypovolä-mischen Schock. Also ich glaube, auchdiese Verletzten brauchen in der zuerstangefahrenen Klinik eine saubere Höh-lenverletzungsdiagnostik und notfallseine Thoraxdrainage oder eine Milz-exstirpation oder eine Lebertampona-de und das Ganze dauert dann vielleicht2 h, in welchen das Rückenmark nichtmehr geschädigt wird als es schon ist.

Prof. Dr. Mutschler, München

Ich denke, wir können hier alle voraus-setzen: Nach jedem Schockraumalgo-

rithmus ist es klar, dass zuerst eine Un-tersuchung der anderen Organe und ei-ne Sonographie des Abdomens durch-geführt werden müssen. Das hat HerrDr. Nothofer klar dargestellt.

Prof. Dr. Blauth wollte noch viel-leicht die letzte Bemerkung machen?

Prof. Dr. Blauth, Hannover

Vielen Dank; ich wollte noch einmal aufdie MRT zurückkommen. Diese wurdem. E. in der Anwendung sehr großzügigbeurteilt. Ich finde, beim akuten Traumahat sie, abgesehen von der Darstellungdes Myelons, keinen großen Wert – zu-mindest in unseren Händen, wie es im-mer so schön heißt. Das heißt, die Aus-sage hinsichtlich Bandscheibe und Band-verletzung ist sehr vorsichtig zu bewer-ten, gerade im frischen Fall. Die Befundehierzu können z. T. sehr deutlich sein,aber auch verborgen bleiben, und ichwürde die Bemerkung von Prof. Dr.Bühren gerne wieder aufnehmen. DieFunktionsuntersuchung halte ich beidiskoligamentären Instabilitäten für we-sentlich wichtiger als die Kernspinto-mographie. Für das Myelon (Rücken-mark) ja! Aber sonst?

Prof. Dr. Bühren, Murnau

Dies ist für das Myelon belegt, ich denke,die MRT ist als Suchmethode zu sehen.Wir haben die Rückenmarkverletzungthematisch herausgenommen.Wenn je-doch eine Lähmung vorhanden ist undwir mit der konventionellen Radiologieund dem CT nicht weiterkommen, dannmüssen wir nach der Lokalisation derMyelonschädigung fahnden. Für diesenZweck hat die MRT in der Akutdiagnos-tik eine Indikation. Es muss allerdingsvor der Ansicht gewarnt werden, dass ei-ne Bandscheibenverletzung im MRTfrüh erkennbar ist. Dies ist eindeutignicht so, es ist vielmehr belegt, dass eineintraoperativ verletzte Bandscheibe inder Kernspintomographie in der Mehr-zahl der Fälle unverletzt erscheint, dieMRT hilft in dieser Situation somit über-haupt nicht weiter.

S242 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2000

Wirbelsäulenverletzungen

Stelle steht? Da gibt es überhaupt keinenWiderspruch? Erstaunlich. Oder ist dasso weit von ihrer täglichen Praxis ent-fernt? Das könnte natürlich auch sein.

Prof. Dr. Bühren, Murnau

Das angesprochene CT-Problem ist si-cher ein Verfügbarkeitsproblem. Wenneine modernste Schockraumausstattungmit einem CT direkt daneben zur Verfü-gung steht und wenn es zum Röntgenein weiterer Weg ist als zum CT, ist esnatürlich vertretbar, die Primärdiagnos-tik mit dem CT vorzunehmen, v. a.,wenn ein schnelles Gerät zur Verfügungist. Der Standard jedoch – und so sehenicht nur ich es, sondern es wird fürüber 90% aller Institutionen zutreffen –dürfte immer noch sein, dass radiolo-gisch in 2 Ebenen abgeklärt wird undanschließend gezielt die Indikation fürdie Schnittbilduntersuchung gestelltwird. Dies ist mit Sicherheit auch weni-ger strahlenbelastend.

Prof. Dr. Mutschler, München

Ich denke, es wäre wichtig, dass wir unshier klar äußern und sagen, wo der Rü-ckenmarkverletzte oder auch der Wir-belsäulenverletzte behandelt werden sol-len. Es ist in einem solchen Gremium er-laubt, darüber zu reden, ob man sagt, ichnehme den Verletzten bei mir in der Kli-nik auf, auch wenn ich diese diagnosti-schen Möglichkeiten nicht habe, undverlege ihn anschließend,oder dass ich –beim Vorliegen bestimmter Hinweise –sage, dass es sich um einen so schwerVerletzter oder einen so schwieriger Fallhandelt, dass ich ihn von vorne hereindorthin sende, wo die entsprechendendiagnostischen und therapeutischenMöglichkeiten vorhanden sind. Ich hof-fe, dass wir das hier auch diskutierenkönnen, das hat ja nichts mit Arroganzeiner Institution zu tun, sondern mit ei-ner schnellen Versorgung eines bedroh-ten Patienten.