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Understanding Physical Chemistry Ich begrɒße jeden Versuch, mit einem guten Lehrbuch Inter- esse und Begeisterung fɒr die phy- sikalische Chemie (PC) zu wecken, weil die PC auf der Favoritenliste der Che- miestudierenden zu meinem Bedauern hȨufig auf den unteren PlȨtzen rangiert. Der Stoff ist angeblich zu trocken oder zu schwierig, weil reich an mathematischen Formeln, und oft wird auch die Relevanz der PC-Inhalte fɒr andere Bereiche der Chemie unterschȨtzt. Dor Ben-Amotz hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinem Werk neue Inspiration fɒr das physikalische VerstȨndnis chemischer PhȨnomene zu liefern. Die Auswahl der behandelten Themen folgt dabei dem persçnlichen Interesse des Autors. Dies hat bei- spielsweise zur Folge, dass die Grundlagen zur Ki- netik nur sehr begrenzt (Kapitel 10) oder Prozesse an GrenzflȨchen (z.B. Marcus-Theorie, heterogene Katalyse) gar nicht behandelt werden. Die Funk- tionsweise und das Baukonzept eines Lasers (z.B. Besetzungsinversion, Einstein-Koeffizienten) finden sich ebenso wenig wie wichtige elektroche- mische Prozesse (z. B. Debye-Hɒckel-Theorie, Brennstoffzellen). Diese ɒberraschend starke Stoffbegrenzung spiegelt sich im kurzen Stich- wortverzeichnis. Dagegen werden grundlegende Einsichten in moderne Computersimulationen in ungewohnter Tiefe vermittelt. Nahezu in jedem Kapitel finden sich neben den ɒblichen experimentellen AnsȨtzen auch detaillierte Beschreibungen zum Stand der Technik bei Modellierungsmethoden, einschließ- lich kurzer historischer Entwicklung und Anwen- dung derselben. Hier zeigt sich deutlich die StȨrke (und die persçnliche Vorliebe?) des Autors. Gewçhnungsbedɒrftig fɒr ein PC-Lehrbuch ist das gewȨhlte fast literarisch anmutende Format: Gespickt mit Zitaten, historischen oder mathema- tischen Fußnoten sowie zahlreichen Querverwei- sen ist der Text teilweise fesselnd wie ein Roman, der die enorme Begeisterung des Autors fɒr sein Fach ausstrahlt. Oft jedoch ist das gewȨhlte Schreibformat langatmig bis verwirrend, weil sich wichtige Erkenntnisse und ZusammenhȨnge in langen SȨtzen und umstȨndlichen Formulierungen oder aufeinanderfolgenden Querverweisen verlie- ren. Wichtige Formeln werden zumeist separat hervorgehoben (oft leider ohne Herleitung), gehen teilweise aber auch im Textfluss unter, was das schnelle Auffinden gesuchter Konzepte erschweren kann. Anschauliche Grafiken sind insgesamt sehr spȨrlich gesȨt, von Themen illustrierenden photo- graphischen Abbildungen ganz zu schweigen. Neben den zahlreichen Beispielaufgaben (mit Lç- sungsweg), die den Lehrtext begleiten und ergȨn- zen, finden sich am Ende der einzelnen Kapitel gut strukturierte Fragenkataloge zur Vertiefung des Stoffes, die in Grundkonzept- (ohne Antworten) und VerstȨndnisaufgaben (Lçsungen im An- hang A) gegliedert sind. Obgleich der Autor konkrete VorschlȨge zur Nutzung seines Lehrbuches als Grundlage fɒr PC- Vorlesungsreihen macht, erscheint mir Understan- ding Physical Chemistry aufgrund seiner inhaltli- chen Begrenztheit nur bedingt als eigenstȨndiges Lehrbuch geeignet. Als ergȨnzende Lektɒre fɒr Studierende, die auf ungewçhnliche, aber sympa- thisch frische Art PC-Inhalte vertiefen mçchten, wɒrde ich das Werk jedoch durchaus empfehlen. Katrin F. Domke Max-Planck-Institut fɒr Polymerforschung, Mainz Alchemie Nach wie vor ɒbt die rȨt- selhafte und schwer zugȨngli- che Alchemie auf viele Menschen einen merkwɒrdigen Reiz aus. Die Alchemie, keineswegs einfach eine bi- zarre Irrlehre, beeinflusste gut ein Jahr- tausend lang maßgeblich die Vorstellungen von der Natur der Schçpfung im Orient und Okzident. Sie wurde und wird in einer Vielzahl qualitativ recht unterschiedlicher Publikationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Da fȨllt es nicht leicht, einen neuen und erhellenden Zugang zu finden; Jçrg Vçllnagel – das sei schon hier gesagt – ist dies in der Tat gelungen. Seine Interpretation der „Kçniglichen Kunst“, wie die Alchemie vielfach auch genannt wurde, basiert weder auf einer chemiehistorischen noch auf einer literaturwissenschaftlichen oder psychologischen AnnȨherung, sondern auf einer kunsthistorischen Deutung. Konsequenterweise untersucht Vçllnagel auch nicht die Texte der Alchemie, sondern ihre Bilder. Damit greift er einen hçchst wichtigen und bislang sicher zu wenig gewɒrdigten Teil des geis- tigen Kosmos der Alchemie auf. Ebenso wie eine moderne chemische Abhandlung ohne Formeln nicht vorstellbar ist, gehçren in der Alchemie Texte und Bilder untrennbar zusammen. Die Bilder der Alchemie kçnnen entweder indirekt durch den Text im Kopf des Lesers erzeugt werden, oder sie sind real vorhandene integrale Bestandteile alche- mischer Werke. Bei den Illustrationen kann es sich um mehr oder minder einfache Skizzen von La- borgerȨten und ArbeitsvorgȨngen handeln, oder um komplexe allegorische Darstellungen, deren Understanding Physical Chemistry Von Dor Ben-Amotz. John Wiley & Sons, Hoboken, 2013. 416 S., Broschur, 225.00 E.—ISBN 978- 1118724491 . Angewandte Bücher 9272 # 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 9272 – 9274

Alchemie. Die Königliche Kunst. Von Jörg Völlnagel

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Page 1: Alchemie. Die Königliche Kunst. Von Jörg Völlnagel

UnderstandingPhysical Chemistry

Ich begr�ße jeden Versuch,mit einem guten Lehrbuch Inter-

esse und Begeisterung f�r die phy-sikalische Chemie (PC) zu wecken, weil

die PC auf der Favoritenliste der Che-miestudierenden zu meinem Bedauern h�ufig

auf den unteren Pl�tzen rangiert. Der Stoff istangeblich zu trocken oder zu schwierig, weil reichan mathematischen Formeln, und oft wird auch dieRelevanz der PC-Inhalte f�r andere Bereiche derChemie untersch�tzt.

Dor Ben-Amotz hat sich zum Ziel gesetzt, mitseinem Werk neue Inspiration f�r das physikalischeVerst�ndnis chemischer Ph�nomene zu liefern. DieAuswahl der behandelten Themen folgt dabei dempersçnlichen Interesse des Autors. Dies hat bei-spielsweise zur Folge, dass die Grundlagen zur Ki-netik nur sehr begrenzt (Kapitel 10) oder Prozessean Grenzfl�chen (z.B. Marcus-Theorie, heterogeneKatalyse) gar nicht behandelt werden. Die Funk-tionsweise und das Baukonzept eines Lasers(z. B. Besetzungsinversion, Einstein-Koeffizienten)finden sich ebenso wenig wie wichtige elektroche-mische Prozesse (z. B. Debye-H�ckel-Theorie,Brennstoffzellen). Diese �berraschend starkeStoffbegrenzung spiegelt sich im kurzen Stich-wortverzeichnis.

Dagegen werden grundlegende Einsichten inmoderne Computersimulationen in ungewohnterTiefe vermittelt. Nahezu in jedem Kapitel findensich neben den �blichen experimentellen Ans�tzenauch detaillierte Beschreibungen zum Stand derTechnik bei Modellierungsmethoden, einschließ-lich kurzer historischer Entwicklung und Anwen-dung derselben. Hier zeigt sich deutlich die St�rke(und die persçnliche Vorliebe?) des Autors.

Gewçhnungsbed�rftig f�r ein PC-Lehrbuch istdas gew�hlte fast literarisch anmutende Format:Gespickt mit Zitaten, historischen oder mathema-tischen Fußnoten sowie zahlreichen Querverwei-sen ist der Text teilweise fesselnd wie ein Roman,der die enorme Begeisterung des Autors f�r seinFach ausstrahlt. Oft jedoch ist das gew�hlteSchreibformat langatmig bis verwirrend, weil sichwichtige Erkenntnisse und Zusammenh�nge inlangen S�tzen und umst�ndlichen Formulierungenoder aufeinanderfolgenden Querverweisen verlie-ren. Wichtige Formeln werden zumeist separathervorgehoben (oft leider ohne Herleitung), gehenteilweise aber auch im Textfluss unter, was dasschnelle Auffinden gesuchter Konzepte erschwerenkann. Anschauliche Grafiken sind insgesamt sehrsp�rlich ges�t, von Themen illustrierenden photo-graphischen Abbildungen ganz zu schweigen.Neben den zahlreichen Beispielaufgaben (mit Lç-sungsweg), die den Lehrtext begleiten und erg�n-

zen, finden sich am Ende der einzelnen Kapitel gutstrukturierte Fragenkataloge zur Vertiefung desStoffes, die in Grundkonzept- (ohne Antworten)und Verst�ndnisaufgaben (Lçsungen im An-hang A) gegliedert sind.

Obgleich der Autor konkrete Vorschl�ge zurNutzung seines Lehrbuches als Grundlage f�r PC-Vorlesungsreihen macht, erscheint mir Understan-ding Physical Chemistry aufgrund seiner inhaltli-chen Begrenztheit nur bedingt als eigenst�ndigesLehrbuch geeignet. Als erg�nzende Lekt�re f�rStudierende, die auf ungewçhnliche, aber sympa-thisch frische Art PC-Inhalte vertiefen mçchten,w�rde ich das Werk jedoch durchaus empfehlen.

Katrin F. DomkeMax-Planck-Institut f�r Polymerforschung, Mainz

Alchemie

Nach wie vor �bt die r�t-selhafte und schwer zug�ngli-

che Alchemie auf viele Menscheneinen merkw�rdigen Reiz aus. Die

Alchemie, keineswegs einfach eine bi-zarre Irrlehre, beeinflusste gut ein Jahr-

tausend lang maßgeblich die Vorstellungenvon der Natur der Schçpfung im Orient und

Okzident. Sie wurde und wird in einer Vielzahlqualitativ recht unterschiedlicher Publikationenaus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Daf�llt es nicht leicht, einen neuen und erhellendenZugang zu finden; Jçrg Vçllnagel – das sei schonhier gesagt – ist dies in der Tat gelungen. SeineInterpretation der „Kçniglichen Kunst“, wie dieAlchemie vielfach auch genannt wurde, basiertweder auf einer chemiehistorischen noch auf einerliteraturwissenschaftlichen oder psychologischenAnn�herung, sondern auf einer kunsthistorischenDeutung. Konsequenterweise untersucht Vçllnagelauch nicht die Texte der Alchemie, sondern ihreBilder. Damit greift er einen hçchst wichtigen undbislang sicher zu wenig gew�rdigten Teil des geis-tigen Kosmos der Alchemie auf. Ebenso wie einemoderne chemische Abhandlung ohne Formelnnicht vorstellbar ist, gehçren in der Alchemie Texteund Bilder untrennbar zusammen. Die Bilder derAlchemie kçnnen entweder indirekt durch denText im Kopf des Lesers erzeugt werden, oder siesind real vorhandene integrale Bestandteile alche-mischer Werke. Bei den Illustrationen kann es sichum mehr oder minder einfache Skizzen von La-borger�ten und Arbeitsvorg�ngen handeln, oderum komplexe allegorische Darstellungen, deren

Understanding PhysicalChemistryVon Dor Ben-Amotz. JohnWiley & Sons, Hoboken,2013. 416 S., Broschur,225.00 E.—ISBN 978-1118724491

.AngewandteB�cher

9272 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 9272 – 9274

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Deutung dem Betrachter obliegt und die einenwichtigen Bestandteil der in den alchemischenTexten steckenden geheimen Botschaften ausma-chen.

Vçllnagel, selbst Kunsthistoriker, betrachtetdie Bilderwelt der Alchemie aber nicht allein auseiner kunsthistorischen Perspektive, sondern erliefert auch kontextuale Deutungen, die ohne tie-feres Verst�ndnis der Gedankenwelt der Alche-misten nicht mçglich w�ren. In der synoptischenZusammenschau wichtiger Bildquellen und ihresAufeinanderbezogenseins erschließt sich auch f�rden interessierten Laien die faszinierende Welt derAlchemie mit bemerkenswerter Leichtigkeit, ohnedeshalb flach oder oberfl�chlich zu sein. Die aus-gezeichnete Qualit�t der Abbildungen diesesgroßformatigen Bandes liefert die dazu nçtigedrucktechnische Basis: Selbst ohne den Text zulesen, kann man sich in diese Bilderwelt versenken,die Strçmungen in der Kunst der Klassischen Mo-derne wie Symbolismus und Surrealismus langevorwegnimmt.

Der Band ist in sechs Kapitel unterteilt. Nacheiner knappen Einf�hrung in die „Bildlichkeit derAlchemie“ befasst sich das umfangreiche zweiteKapitel mit alchemischen Bilderhandschriften.Sehr passend zum Aufstieg der Alchemie in derKultur des Mittelalters steht hier am Beginn dieBilderhandschrift Aurora Consurgens, was „Auf-steigende Morgenrçte“ bedeutet. Der Text ent-stand wahrscheinlich schon im 14. Jahrhundert, dieIllustrationen lassen sich auf die Zeit um 1410 da-tieren. Die Aurora wurde pr�gend f�r sp�ter ent-standene Werke, die ebenfalls Text und Bild zueiner Einheit verschmelzen. Ein zentrales Themadieser Bilderhandschriften ist die Beziehung derAlchemie zur gçttlichen Schçpfung. Die Alchemiebasiert nicht auf einer christlichen �berlieferung,sondern hat ihren Ursprung in der heidnischenWelt des sp�tantiken �gypten. Die Grundlage f�rdie Idee der Metallumwandlung, einem Kernbe-standteil der alchemischen Lehre, bildete nichtzuletzt die Elementenlehre von Aristoteles. DurchAlbertus Magnus und seinen Sch�ler Thomas vonAquin wurde eine Versçhnung zwischen aristote-lischer Philosophie und christlicher Theologie ge-schaffen. Damit wurde es mçglich, auch die Al-chemie in einen christlichen Rahmen zu integrie-ren, was f�r ihre Aus�bung dringend erforderlichwar. Dennoch war der Alchemist stets in Gefahr alsKetzer angesehen oder gar eines Paktes mit demTeufel bezichtigt zu werden. Daher bem�hten sichdie Aurora wie ihre Nachfolgewerke um eine mitdem katholischen Glauben vereinbare Auslegungdes „Großen Werkes“ der Alchemie, n�mlich derBereitung des „Steins der Weisen“. Vçllnagel lie-fert hierzu kenntnisreiche Bildinterpretationen undstellt auch fundierte �berlegungen zu den jeweili-gen Text�berlieferungen und den Schçpfern der

Illustrationen an. Neben der Aurora consurgenswerden Das Buch der Heiligen Dreifaltigkeit unddas Donum Dei vorgestellt, die schon in ihrenTiteln den eben erl�uterten Bezug zwischen Al-chemie und Religion thematisieren. Das Rosariumphilosophorum, der „philosophische Rosengar-ten“, ist eine Kompilation alchemischer Bilder undTexte und bezieht seinen Titel aus dem Umstand,dass Alchemie und Philosophie lange Zeit synonymverwendet wurden. Den k�nstlerischen und in-haltlichen Glanzpunkt der Epoche der alchemi-schen Bilderhandschriften bildet die Splendor solisbetitelte, um 1530 entstandene Prachthandschrift,deren großartige Illustrationen Vçllnagel demAugsburger Renaissancemaler Jçrg Breu d. �. zu-schreiben konnte. Allen Bildfolgen ist die Auffas-sung gemeinsam, dass das Große Werk der Berei-tung des Steins der Weisen analog zum OpfertodChristi und seiner Wiederauferstehung in reinerer,gçttlicher Form zu erfolgen habe. Die Materie mussquasi getçtet und neu erschaffen werden. DieWurzel dieser Auffassung liegt im f�r die Alchemiezentralen Mythos der alt�gyptischen Gçtter Isisund Osiris, sie ließ sich aber recht zwanglos insChristliche transformieren.

Ein kurzes Kapitel ist Bildern von laborieren-den Alchemisten gewidmet. Die recht unter-schiedlichen Darstellungen spiegeln das Verh�ltnisder jeweiligen K�nstler zur Alchemie wider. „DerAlchemist“ von Pieter Bruegel d. �. von 1558werkelt fanatisch aber planlos in seinem chaoti-schen Labor; im Bildhintergrund tritt er mit Frauund Kindern den Weg ins Armenhaus an, finanziellruiniert, von der Verlockung des Goldes verf�hrtund betrogen. �hnlich sieht Adriaen van Ostadeden Alchemisten und die Alchemie in seinem Bildvon 1661. Dagegen zeigt das Labor des Francescodi Medici, gemalt von Jan Stradanus anno 1570, einwohlgeordnetes, bestens ausgestattetes Labor miteiner Vielzahl von Laboranten und einem wohl-gekleideten bebrillten Alchemisten, �hnlich demvon David Teniers 1680 gemalten Gelehrten.

Nach der Erfindung des Buchdrucks mit be-weglichen Lettern dauerte es eine Weile, bis dieDruckgraphik ein Niveau erreichte, das der k�nst-lerischen Qualit�t der Manuskriptilluminationennahekam. Am Ende des 16. und im 17. Jahrhundertkonnten dann aber so anspruchsvolle Darstellun-gen wie im Amphitheatrum Sapientiae Aeterne(„Amphitheater ewiger Weisheit“) von HeinrichKhunrath erscheinen, bei denen Graphik und Textin hçchst aufwendiger Form miteinander verbun-den sind. Im Gegensatz zu den stark von religiçs-theologischen Vorstellungen und Absichten ge-pr�gten Bildern der Handschriften bewegt sich dasMotivfeld nun zur „eigentlichen“ Alchemie. Kos-mologische Abbildungen spiegeln das Verst�ndnisder Alchemie vom Aufbau der Schçpfung wider,allegorische Szenen beschreiben verbal nur schwer

AngewandteChemie

9273Angew. Chem. 2014, 126, 9272 – 9274 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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fassbare Geheimnisse der „Vereinigung der Ge-gens�tze“ und der L�uterung der Materie. EinenHçhepunkt erreichte diese Form der Vermittlungalchemischer Denkfiguren 1618 in der Atalantafugiens, der „fliehenden Atalante“, die von vorn-herein als Emblembuch angelegt war und derenText von Michael Maier stammt, w�hrend dieKupferstiche von Matth�us Merian angefertigtwurden. Vçllnagel stellt beide Werke und ihreBebilderung vor und gibt entsprechende Erl�ute-rungen. In diesem, mit „Die popul�re Alchemie“�berschriebenen Kapitel werden auch noch andereillustrierte Schriften behandelt, auf die hier nichteingegangen werden soll. Ein eigener Abschnitt istdem Mutus Liber gewidmet, dem „StummenBuch“, das die Mitteilung alchemischen Wissensdurch Bilder auf die Spitze treibt, indem es vçlligauf einen Text verzichtet. Das 1677 erschieneneWerk enth�lt in 15 großformatigen Tafeln eineSerie von Bildern, die sich inhaltlich nur dem be-reits in der Alchemie Erfahrenen erschließen – ein„Bildwerk f�r Fortgeschrittene“, wie Vçllnagelbemerkt. Unter seiner Anleitung werden jedochauch die Aussagen des Stummen Buches ver-

st�ndlich und lebendig. Das Ende des Werkesbildet das Kapitel „Der Traum vom Opus Magnum.Die moderne Alchemie“. In der Tat gibt es bisheute Menschen, die in unterschiedlicher Weise andie Alchemie glauben. Meistens wird die Annahmeder realen Existenz eines Metallverwandlungsmit-tels nicht mehr aufrecht erhalten, wohl aber derGlaube an eine transzendentale Wahrheit, die inder Sprache der Alchemie und ihrer Bilder Aus-sagen �ber den Menschen, Gott und die Weltmacht. In diesem Sinne hat die Alchemie auchmoderne K�nstler beeinflusst, von Max Ernst undJackson Pollock bis zu Joseph Beuys. Damit rundetsich das Bild, das Vçllnagel mit seiner Untersu-chung der Bilderwelt der Alchemie selbst zeichnet– ein Bild, das seine Leser und Betrachter nach derLekt�re dieses eindrucksvoll gestalteten Bandes imGed�chtnis behalten werden.

Claus PriesnerDepartment f�r Geschichte, LMU M�nchen

DOI: 10.1002/ange.201306755

AlchemieDie Kçnigliche Kunst. VonJçrg Vçllnagel. Hirmer Ver-lag, M�nchen, 2012. 260 S.,geb., 49.90 E.—ISBN 978-3777460710

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9274 www.angewandte.de � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 9272 – 9274