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(Aus der 0hr-Hals-Nasenabteilung der Wiener allgemeinen Poliklinik [Vorstand: Dozent Dr. H. Brunner].) Aleuk~tmische, in Lymphosarkom iibergehende Lymphadenose. Von Dr. Josef Fischer. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. August 1937.) Im M/irz 1933 babe ieh in der Wiener laryngo-rhinologisehen Gesell- schaft einen Fall vorgestellt, bei dem sieh auf dem Boden einer aleuk~mi- schen Lymphadenose ein Lymphosarkom der Tonsillen entwickelt hatte. Wegen der sehr se]tenen tIauterseheinungen, die dieser Kranke zeigte, wurde der Fall im Archiv ffir Dermatologie mitgeteilt. Da abet dieser Kranke auch Befunde bot, die Ifir den Ohren-, HaIs- und Nasenarzt yon ganz besonderem Interesse sind und die ich bei meiner seinerzeitigen Demonstration nicht erw/~hnen konnte, da zu diesem Zeitpunkte der Ohrbefund noeh nicht vor]ag, will ich im Folgenden fiber den Fall ausftihrlieh beriehten. W. H., 48 Jahre alt, aufgenommen am 22.2.33. Familienanamnese o. B. Im Miirz 1932 bemerkte Pat. Drtisenpakete ]inks am Halse, in den Aehsel- h6hlen beiderseits und in der Leistenbeuge. Kein Fieber. Nach 8 R6ntgenbestrah- lungen (April-Juni) Drtisensehweltungen geschwunden. Driisen waren nicht druek- sehmerzhafL Ende November 1932 neuerliehe Drfisenschwellungen an denselben Stellen ohne Fieber. Dann Auftreten eines Ausschlages, bestehend aus Bl~sehen und Blasen yon Erbsen- bis SchillinggrSi3e am ganzen K6rper, besonders an den Streckseiten der Extremiti~ten unter Freilassung der Brust. Auf ,,Schwitzkur" verschwand der Ausschlag vollkommen, doeh blieben die Drfisenschwellungen un- ver/~ndert bis jetzt bestehen. Ebenso batten 4 neuerliche R6ntgenbestrahlungen keinen Erfolg. An]ang Dezember 1932 starke Verkiihlung mit Husten, Fieber, Unbehagen, ttalsschmerzen und das Geftihl, dag die rechte Mandel belegt sei. Leichte Sehluck- beschwerden, trotz Spfilungen nieht gebessert. Patient wurde ins Spiral (Wiedner Krankenhaus, Abtetiung Prof. /~. Bauer) aufgenommen. Der Liebenswiirdigkeit des Herrn Professor Dr. _R. Bauer verdanke ich folgenden kurzen Auszug aus der Krankengeschichte. 11.1.33. Mittelgroger Patient yon zartem Knochenbau, schwaeh entwiekelter Muskulatur. Im tateralen Halsabschni~b rechts li~ngliche, prallelas~ische, gut ver- schiebliche Driisen yon etwa BohnengrSfle, links ovalgeformte yon gleicher Be- schaffenheit. In der Achselh6hle je eine etwa erbsengroi3e Driise palpabel. Beider- seits in den Leistenbeugen groge, spindelf6rmige, prMlelastische Driisen, besonders im senkrechten Trakt. Tonsillen beiderseits vergrSgert, etwas zerklfiftet, w6lben den vorderen Gaumenbogen vor, der ebenso wie die Uvula gerStet ist, rechte Ton- stile zeigt grauweigen, oberfl~chlichen Belag, der abl6sbar ist. Im Abstrichpr~parat keine Diphtherie, kein Plaut-Vincent. Vereinzelte Kokken.

Aleukämische, in Lymphosarkom übergehende Lymphadenose

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Page 1: Aleukämische, in Lymphosarkom übergehende Lymphadenose

(Aus der 0hr-Hals-Nasenabteilung der Wiener allgemeinen Poliklinik [Vorstand: Dozent Dr. H. Brunner].)

Aleuk~tmische, in Lymphosarkom iibergehende Lymphadenose.

Von Dr. Josef Fischer.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 14. August 1937.)

I m M/irz 1933 babe ieh in der Wiener la ryngo-rhinologisehen Gesell- schaf t einen Fa l l vorgestel l t , bei dem sieh auf dem Boden einer aleuk~mi- schen Lymphadenose ein L y m p h o s a r k o m der Tonsil len entwickel t ha t te . Wegen der sehr se]tenen t Iau te r sehe inungen , die dieser K r a n k e zeigte, wurde der Fa l l im Arch iv ffir Dermato logie mi tgete i l t . D a abe t dieser K r a n k e auch Befunde bot , die Ifir den Ohren-, HaIs- und Nasenarz t yon ganz besonderem In teresse sind und die ich bei meiner seinerzeit igen Demons t r a t i on n ich t erw/~hnen konnte , da zu diesem Ze i tpunk te der Ohrbefund noeh n icht vor]ag, will ich im Fo lgenden fiber den Fa l l ausft ihrl ieh ber iehten.

W. H., 48 Jahre alt, aufgenommen am 22.2.33. Familienanamnese o. B. Im Miirz 1932 bemerkte Pat. Drtisenpakete ]inks am Halse, in den Aehsel-

h6hlen beiderseits und in der Leistenbeuge. Kein Fieber. Nach 8 R6ntgenbestrah- lungen (April-Juni) Drtisensehweltungen geschwunden. Driisen waren nicht druek- sehmerzhafL Ende November 1932 neuerliehe Drfisenschwellungen an denselben Stellen ohne Fieber. Dann Auftreten eines Ausschlages, bestehend aus Bl~sehen und Blasen yon Erbsen- bis SchillinggrSi3e am ganzen K6rper, besonders an den Streckseiten der Extremiti~ten unter Freilassung der Brust. Auf ,,Schwitzkur" verschwand der Ausschlag vollkommen, doeh blieben die Drfisenschwellungen un- ver/~ndert bis jetzt bestehen. Ebenso batten 4 neuerliche R6ntgenbestrahlungen keinen Erfolg.

An]ang Dezember 1932 starke Verkiihlung mit Husten, Fieber, Unbehagen, ttalsschmerzen und das Geftihl, dag die rechte Mandel belegt sei. Leichte Sehluck- beschwerden, trotz Spfilungen nieht gebessert. Patient wurde ins Spiral (Wiedner Krankenhaus, Abtetiung Prof. /~. Bauer) aufgenommen. Der Liebenswiirdigkeit des Herrn Professor Dr. _R. Bauer verdanke ich folgenden kurzen Auszug aus der Krankengeschichte.

11.1.33. Mittelgroger Patient yon zartem Knochenbau, schwaeh entwiekelter Muskulatur. Im tateralen Halsabschni~b rechts li~ngliche, prallelas~ische, gut ver- schiebliche Driisen yon etwa BohnengrSfle, links ovalgeformte yon gleicher Be- schaffenheit. In der Achselh6hle je eine etwa erbsengroi3e Driise palpabel. Beider- seits in den Leistenbeugen groge, spindelf6rmige, prMlelastische Driisen, besonders im senkrechten Trakt. Tonsillen beiderseits vergrSgert, etwas zerklfiftet, w6lben den vorderen Gaumenbogen vor, der ebenso wie die Uvula gerStet ist, rechte Ton- stile zeigt grauweigen, oberfl~chlichen Belag, der abl6sbar ist. Im Abstrichpr~parat keine Diphtherie, kein Plaut-Vincent. Vereinzelte Kokken.

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414 Josef Fischer:

Blutbe]und. 5 280 000 Rote, 12 500 WeiBe, 96 Sahli, 0,9 F/~rbeindex. Stabkernige 11% (1375), segmentkernige Neutrophile 51% (6375), Eosinophile 16% (2200), Basophile 1% (125), Lymphocyten 15 % (1875), Monocyten 6 % (630). Rotes Blut- bild o. B. tIistologischer Befund einer exstirpierten Lymphdrfise (Halsgegend): Kein Befund von Lymphogranulomatose. Am 22.1. wird Patient aus dem Spiral entlassen.

Seit 10 Tagen plStzliches Auftreten yon I-Ieiserkeit, SehwerhSrigkeit und rasehe Entwieklung eines knStehenf6rmigen Ausschlages, ferner starke Sehluck- besehwerden und Foetor ex ore. Wegen dieser Versehlimmerung des gustandes wurde Patient auf unsere Abteilung anfgenommen.

92. 2. 33: Status praesens. Schwer kaehektischer Patient, gelbliehgraue Ge- siehtsfarbe. Temperatur 38,3 ~ Beide Tonsillen stark vergrSBert, reehts wesentlieh mehr als links. Die reehte Tonsille ist an der ganzen medialen Oberfl~ehe in einen exulcerierten Tumor umgewandelt, der den hinteren Gaumenbogen einbezieht und den vorderen Gaumenbogen am Rande infiltriert und seinen unteren Anteil dureh Ulceration konsumiert. Kleine Erosionen am vorderen Gaumenbogen. Die linke Tonsille verhglt sieh ~hnlieh, nur sind die Vergnderungen nicht so intensiv wie reehts. Bewegliehkeit des Gaumensegels normal.

Laryngoskopie. Am Zungengrund, zum Tell die Valleeula ausfiillend, springt die Zungentonsille sehr stark vor und bildet kleine, hSckerige Tumoren. Der rechte Anteil an der Oberfl/~che exuleeriert. Die beiden aryepiglottischen Falten sind in der Mitre kugelig aufgetrieben, yon glatter Schleimhaut fiberzogen. Aryknorpel etwas 6dematOs. Stimmb~nder ger6tet, ein wenig gesehwollen. Kanten abgerundet. Bei der Phonation bleiben die Stimmb/~nder exkaviert, besonders das linke, wodureh der Glottisverschlug sehr schlecht wird (Internusparese). Ad- und Abduktion sonst normal. Auf der linken Seite im Unterkieferwinkel kleine Drfisen, gut ver- schieblich, augerdem unter dem Sternocleidomastoideus vom Processus mastoideus bis naeh unten perlsehnurartig /~hnliehe Drfisen tastbar.

Ohren: Beiderseits mattgetrfibte Trommelfelle. H6rweite: 3 m Flfistersprache beiderseits. Sputum: Keine Tuberkelbacfllen. Abstrich: Keine Diphtheriebaeillen. Interner Be]und (Abteilung Prof. J. J~auer, PoliMinik): ttoehgradige Kachexie, dunlde Pigmentation der I-Iaut, subikterische Verf/~rbung, B1/~sse, Cyanose. Derbe, indolente Driisenpakete, besonders an der rechten Halsseite. Die fibrigen tast- baren Lymphdrfisen leieht vergrSBert. Lungengrenzen tiefstehend, mi~gig gut verschieblich, leichte ttilusd/~mpfung beiderseits, sonst Giemen, Pfeifen nnd Sehnur- ren fiber beiden Lungen, kein Bronehialatmen. Cor: D/~mpfung nach links ver- breitert. Uber der Spitze erster Ton laut, inkonstantes, kurzes systolisches Ge- r~useh. Taehykardie. Abdomen o. B. Leber nicht vergrSflert, Milz etwa 3 Quer- finger unter dem Rippenbogen, m~gig derb. Patellarsehnenreflex positiv; Achilles- sehncnreflex nicht einwandfrei auslSsbar.

Blutbefund (23.2.33): Sahli 75, i.e. 83%, Erythrocyten 4 580 000, F/~rbe- index 0,9, Leukoeyten 15000, Polynucle/~re, segmentkernige 75,5%, Polynucle/~re, stabkernige 3,5 %, Metamyelocyten 1%, Lymphocyten 6%, Monocyten 6 %, Eo- sinophile 7 %, ]VIastzellen 0,5 %, T,grksehe Reizform 0,5 %. Starke toxisehe Granu- lierung der meisten Neutrophilen; toxisehe Kernver/~nderungen.

Wa.R. negativ. Harn: Albumen in Spuren, Sacch. negativ. Urobilinogen normal. Sediment: Geringe Menge, einige Leukoeyten, ganz vereinzelt grob granu- lierte Zylinder.

Ilautbefund (Doz. Riehl) : Disseminiertes, flach papnlSses Exanthem am ganzen K6rper einsehlieglich der oberen und unteren Extremit/~ten, mit Pr/~dilektion des Gesichts, der Kopfhaut, des Halses nnd des Rfickens.

Deeursus 23.2. : Patient fiihlt sich sehr schwach, macht einen verfMlenen Eindruck, hustet viel eitriges Sputum aus. Temperatur 38,4 ~ - - 24. 2.: Status

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idera, zunehmende Schwiche. - - 25. 2.: Patient ffihlt sich so schwaeh, dal3 er nur noch rait ganz leiser Stirame spreehen kann und kaura irastande ist, auszuhusten. Starkes Rasseln fiber den oberen Luftwegen hSrbar. Abends Temperaturanstieg bis 39,5 ~ - - Cardiaea ohne Erfolg. BewuBtlosigkeit. 20 Uhr Exitus letalis.

Auszug aus dera Obduktionsbe]und (Prof. Dr. C. Sternberg) : Die Haut des Thorax an der Vorderseite und besonders an der Riiekseite rait zahlreichen erbsen- his kirschgro$en, braunroten, leicht elevierten, zum Tell knotenfOrraigen Herden bedeckt. Die Follikel am Zungengrund in Form urafangreicher Wiilste und Knoten, die parallel zur L~ngsaehse angeordnet sind, vortretend. Die Tonsillen welt fiber nuSgrol3, welch, raarkig. Beide aryepiglottischen Falten, naraentlieh d ie reehte, verbreitert, plurap - - offenbar ebenso wie die Sehleirahaut des Sinus piriformis - - inffitriert.

Die Milz betrichtl ich vergrS$ert, ara Durehsehnitt die Follikel als grauweiBe, fiber stecknadelkopfgro$e Kn6tehen vortretend. Die Farbe der Sehnittfliche graurot. Die Lyraphknoten an der reehten I-Ialsseite ziemlich betr~ehtlieh ver- grSitert, voneinander durehwegs deutlich abgegrenzt, am Durchschnitt raarkig. Die Lyraphknoten l~ngs der Bauchaorta leicht vergrSl3ert, sonst keine wesentliehe Sehwellung der irmeren und ~uSeren Lyraphknoten nachweisbar. Lobulirpneurao- nische Herde in beiden Unterlappen.

Tonsillen: Oberfl~ehlich ein ausgebreiteter nekrotiseher Sehorf, des unter- liegende Gewebe l~13t keinerlei Struktur erkennen, ist vielraehr gleiehraagig yon dichten Massen lyraphatischer Zellen durchsetzt, welehe auch welt in des peri- tonsill~re Gewebe bzw. in die Muskulatur des Gaumens eindringen. Herdweise, naraentlich in den oberfl~ehlichen Lagen, linden sieh reiehlieh Plasmazellen, ver- einzelt sind kleinste, unregelrai$ig begrenzte Nekroseherdehen nachweisbar.

Rachenwand: Des Epithel glatt ausgesparmt, auf grol3e Strecken fehlend. Un- raittelbar unter dem Epithel diehte Massen lymphatiseher Zellen, die zura gro$en Teil typischen Lymphocyten entspreehen, teilweise abet etwas grSSer sind and einen dunkler f irbbaren Kern besitzen. Die Zellmassen durehsetzen gleiehrail3ig die ganze Breite der Raehenwand, so des nur stellenweise in den tieferen Sehichten l~este yon Muskelfasern und ab und zu aueh Drfisenluraina erkennbar sind. Auch bier vereinzelte kleinste Nekroseherdehen.

Lymphknoten am Hals: Die Struktur ist stark verwischt. Sekund~rknStehen und nanientlich Markstrange nur stellenweise noeh abgrenzbar. Die Schnitte zeigen ira wesentlichen iiberallin einera zarten geticulura dichte Massen yon Lyrapho- cyten, die an mehreren Stellen fiber die Kapsel hinausgreifen und kleine Anh~tu- fungen im umgebenden Fettgewebe bflden. Des Sinusendothel ist stellenweise vergr6$ert und desquaraiert. In anderen Lymphknoten gleichfalls starke Verraeh- rung tier Lymphoeyten, doch sind die vergr61~erten SekundgrknStehen teilweise noch gut erkennbar. Die Kapsel ist vollkoramen frei.

Milz: Kapsel und Trabekel ohne Verinderungen. Die Malpighisehen KSrper- chert ziemlich grol3, gleichra~13ig von groSen Mengen yon Lyraphoeyten gebildet, ohne Keirazentren. Auch die Pulpa ist zieralich zellreich und enth~lt grof~e Mengen von Lyraphocyten.

Leber: Struktur durchwegs unver~ndert. In einzelnen Lippchen in den Capfl- laren zieralich reichlieh weige BlutkSrperchen, darunter aueh viele Lyraphoeyten. In den periloortalen Feldern vereinzelt kleinste Anhiufungen yon Lyraphoeyten.

Knochenmark: Sehr zellreich, und zwar linden sich in diffuser Anordnung fiberaus grol~e Mengen yon Lymphocyten, die an Zaht anscheinend fiber die anderen Zellarten welt fiberwiegen. Vereinzelt kleinste Nekroseherdehen.

Lunge: Gr6$ere Gruppen yon Alveolen yon einem jungen Bindegewebe aus- geffillt. An anderen Stellen in den Alveolen rote BlutkSrperehen, Lyraphoeyten, Leukoeyten und Fibrin.

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416 Josef Fischer:

Histologische Untersuehnng der Felsenbeine: t~echtes Ohr, ~iufieres Ohr: Geh6rgang normal. Im Trommelfell grebe zentrale

Narbe. Mittelohr: Freier Eiter im Cavum tympani, besonders in den Fensternischen,

aber auch im Epitympanum. Im runden Feaster Eiter, plastisches Exsudat und beginnende 0rganis~tionsvorg~nge. Mittelohrschleimhaut perivasculgr infiltriert, dilatierte Gef~l~e, Eiter im Prussalcschen Raum. Chorda tympani von Eiter nm- sptilt. Tegmen dehiszent. Geh6rkn6ehelehen intakt. Die Sehne des Tensor tympani zeigt Rundzelleninfiltration. Kalkkriimelchen in einer Narbe im Hypotympanum.

Abb. 1. Schnitt dutch die Labyrinthkapsel mit Facialis (2r VII) und Tumor (Tu) in tier Gegend 4er Area cribrosa.

KnSeherne Tube: Im Tubealumen freier Eiter, in der Tubenschleimhaut linden sich subepithelial zahlreiche perivascul~re Infiltrate. Fettgewebe in der :Nische des runden Fensters.

Inneres Ohr: a) Kn6cherne Labyrinthkapsel: Im Bereiche des runden Feasters zeigt der Knochen an der Insertion der Membrana tympani secundaria typische otosklerotische Ver~nderungen (vermehrte pr~kollagene Substanz, erweiterte Mark- r/~ume, neugebildete Blutgef~e , unregelm~igiger ]3au des Knochens usw.). Der Herd ragt in Form einer Exostose in die Scala tympani der Vorhofswindung.

An der vorderen Wand der Felsenbeinpyramide einzelne Hirnhernien. Zwischen Macula utriculi und Crista superior findet sieh ein knopff6rmiger

Tumor, der aus chondroidem Knochen besteht und der in innigem Zusammenhang mit dem Knoehengeriiste der 3/Iacula cribrosa superior steht (Abb. 1). Da er in seiner Struktur weitgehende ~_hnlichkeit mit dem Gewebe dieses Gerfistwerkes aufweist, so liegt die Annahme nahe, dab er yon diesem wirklich ausgegangen ist.

b) Perilymphatisches Gewebe: ])as perilymphatische Gewebe is~ bedeutend ver- ringert, an der mediMen Utrieuluswand im perilymphatischen l~aum sparliche

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Rnndzelleninfiltration. Skalenr/~ume intakt. AuBerordentlich gesteigerte Pig- mentation.

c) Hgutiges Innenohr: Im Lumen des Utriculus Rundzellen und Exsudat, beginnende Organisationsvorg~nge. Im Ductus endolymphatieus etwas Fibrin. An der Crista ampullaris horizontalis zwei Cysten. Ferner atypisehe Epithelforma- tionen mit Blutgef~gen und Pigmentanh~nfungen an der medialen Wand des Utrieulus, im Sinus utrieularis inferior, an der lateralen Wand am Ubergang in die Maeula utrieuli nnd an der unteren Wand. Das Lumen des Duetus eochlearis dutch partielle Verwaehsung der Membrana vestibularis mit der Papilla basilaris ver- ringert. Die Zellen der Papilla zusammengebaeken (Artefakt ?).

d) 2gervenganglienalg~garat: Der Nervus oetavus zeigt im inneren Geh6rgang Rundzelleninfiltrate. Die Zellen im Spinalganglion ziemlieh intakt, das Nerven- bfindel zwisehen den Bl~ttern der kn6ehernen Spiralmembran etwas dfinner, Nervus faeialis intakt, die Begleitvenen dilatiert, stark gestaut. Stellenweise Extravasate.

Linkes Ohr: Geh6rgang und Trommelfe]l intakt. Mittelohr: Im Hypotympanum, im runden und ovalen Fenster, im Epi-

tympanum und im Prussakschen 1Raum freier Eiter. Die GehSrkn6ehelchen intakt. Dehiszenz des knSehernen Faeialkanals. Die Mittelohrschleimhaut wenig ver- diekt, ebenso zeigt das Trommelfell, das an seiner Innenflache mit Eiter bedeekt ist, keine Infiltration der Propriasehiehte.

Kn6cherne Tube: Im Tubenlumen freier Eiter, die Sehleimhaut zeigt auch hier keine wesentlichen entziindlichen Veri~nderungen. Das hohe Flimmerepithel ist iibera]l deutlich zu sehen.

Inneres Ohr : a) Kn6cherne Labyrinthlcapsel. Typiseher otosklerotischer Herd am ovalen Fenster (Promontorium und Faeialkanal und Proeessus coehleariformis). Der Herd fiihrt zu einer bedeutenden Verengerung der ovalen Fensternisehe, reieht jedoeh bis an das Ringband nieht heran. Er erstreekt sieh his zum Endost des Vestibulum, das er intakt l~Bt, naeh auBen bis zur Mittelohrsehleimhaut, naeh oben bis in den Knoehen des Proeessus eoehleariformis und his zum Endost des Faeialkanals und bis zu den Knoehentrabekeln der Maeula eribrosa superior, naeh unten bis zum Ringband, das intakt geblieben ist. Der Herd am unteren Fenster- rahmen ist viel kleiner und reieht nur im obersten Teil des Promontoriums bis zum Ligamentum annulare, das normal erseheint. Er tibersehreitet nirgends die Grenzen der Promontorialoberflaehe (Endost, Mueosa intakt). Ferner findet sieh ein oto- sklerotiseher Herd im medialen nnteren Promontorialabschnitt, der die lmSeherne Umrandung des runden Fensters und einen Teil der Membrana tympani see. sub- stituiert und in Form einer Exostose in die Scala tympani der basalen Sehneeken- windung hineinreieht (Abb. 2).

Zwisehen der Maeula utrieuli und der frontalen Ampulle springt ein Knoehen- tumor vor, der aber hier viel kleiner ist als auf der anderen Seite.

b) t~erilymphatisches Gewebe: Etwas sp~rlieher, sonst normal. Die perilympha- tischen R/~ume leer.

e) H~iutiges Innenohr: Mit Ausnahme yon postmortalen Ver~nderungen an den Sinneszellen (Crista, Maeula, Papilla basil.) intakt. Anffallend ist die augerordent- lich starke Pigmentation, die sich sogar stellenweise bis in die Wand des h~utigen Bogenganges hinein naehweisen l~gt.

Im Sinus petrosus superior finder sieh ein organisierter Thrombus. An der vorderen Felsenbeinpyramide sieht man eine Reihe -con ]:Iirnhernien.

~ 'assen w i t in Kf i rze die k l in i schen B e o b a e h t u n g e n dieses Fa l les z u s a m m e n , so e rg ib t sieh fo lgendes : P a t i e n t e r k r a n k t e z u m e r s t en Ma]e

Arehiv f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkunde. Bd. 143. 29

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418 Josef Fischer:

im M/irz 1932, doch sind wir fiber den genaueren Befund zu dieser Zeit nieht informiert. Wir kSnnen nur annehmen, dab damals eine Lymph- adenose, and zwar wahrscheinlich eine aleuk~mische Lymphadenose diagnostiziert worden ist. Es stfitzt sieh diese Annahme auf die Tatsache, dal~ damals allgemeine Drfisenschwellungen (Hals, Axilla und Inguinal- gegend) bestanden haben, da6 ferner eine l%Sntgentherapie eingeleitet und mit Erfo]g durehgeftihrt worden ist and dal~ der Blutbefund negativ ausgefa]len ist. ~ber den damaligen Befund yon Leber nnd Mflz ist

Abb. 2.

niehts bekannt. Patient blieb gesund bis zum November 1932. Dam1 erkrankte er wieder mit Drfisenschwellungen, welche diesmal abet mit Hauterscheinungen (Blasen und Bl~schen yon Erbsen- bis Schilling- grSi3e am ganzen KSrper, besonders an den Streckseiten der Extremi- t~ten unter Freilassung der Brust) einhergingen. Nach einem ,,Schwitz- mittel" versehwanden die Hauterscheinungen, nicht aber die Drfisen- sehwellungen. 1 Monat spiiter (Dezember 1932) erkrankte der Patient an einer ,,fieberhaften Erki~ltung", die naeh wenigen Tagen versehwand. 14 Tage sparer stellten sieh aber Hals- und Schluekbesehwerden ein und es wurde in einem Peripheriespita] Plaut-Vincentsche Angina diagnosti- ziert. In diesem Zustand kam Patient im Januar 1933 im Wiedner Krankonhaus zur Aufnahme. Es wurde abermals die Diagnose einer

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aleuk~mischen Lymphadenose gestellt. Der Blutbefund zeigte nur eine leiehte An~mie, eine geringe Linksversehiebung und eine Eosinophflie, die offenbar anf die wieder aufgetretenen Hauterscheinungen zur/iek- zufiihren war. Eine Wiederholung der RSntgenbestrahlung hatte diesmal nut sehr geringen Erfolg. Im Februar 1933 traten pl6tzlich Heiserkeit und SehwerhSrigkeit auf, weshalb der Patient Ende Februar auf m~sere Abteflung aufgenommen wurde. Wir fanden eine allgemeine Dr/isen- sehwellung, eine m~gige VergrSl3erung der Milz, hingegen keine Ver- gr61~erung der Leber und eine leuks Hautaffektion. Im Blut- befund fiel nnr das reiehliehe Vorhandensein yon polymorphkernigen Leukoeyten (75,5%) und das Auftreten yon Metamyeloeyten (1%) auf. Wir fiihrten diesen Befund auf die vom Raehen (siehe sp~ter) ausgehende Infektion zuriiek und erbliekten darin einen I-Iinweis auf eine relativ gute Anspreehbarkeit des myeloisehen Apparates, eine Annahme, die dutch die Autol0sie nieht vollkommen best/~tigt wurde, wobei Mlerdings zu bemerken ist, dab die kurzen Knoehen nieht genau untersueht worden sind. Im Raehen sahen wit, dug die reehte Tonsille in einen Tumor umgewandelt war, der beide Gaumenb6gen einbezog, und dag sieh auf beiden Tonsillen, reehts mehr als links, Uleera fanden.

Die yon Prof. Sternberg durehgefiihrte Autol0sie ergab die typisehen leuk~misehen Ver~nderungen an den LYmphknoten, im Knoehenmark ~ d am Integument. Es tanden sich im ~ Knoehenmark, in der Haut, in den Tonsillen und an der gaehenwand kleinste Nekroseherdehen, die bekanntlieh nicht zum typisehen Bilde der leukgmisehen Vergnde- rungen gehSren, die abet in diesem Falle, naeh Ansieht yon Sternberg, vielleieht dureh die vorangegangene gSntgenbestrahlung hervorgerufen waren. Anffallend im autoptisehen Befund war ferner, dag die Milz sehr grol3e Mengen yon Lymphoeyten enthielt, aber die Malpighisehen K6rperehen, wenn aueh ohne Keimzentren, erkennbar waren und dag in der Leber die fiir Lymphadenose so eharakteristisehen lymphatisehen I-Ierde in den periporta]en t~eldern fehlten bzw. nut angedeutet waren. Demgegentiber land sieh sowohl im Bereiehe der Tonsillen als aueh im Bereiehe der l~aehenwand ein ungemein aggressives Waehstum: typisehe kleine Lymphoeyten, abet auela grol]e Zellen mit dentlieh gef~rbten Kernen durehsetzten das peritonsfllare Gewebe, die Muskulatur des Gaumens und der gaehenwand, so dag nut stellenweise in den tieferen Sehiehten l~este yon Muskelfasern und ab und zu l~este yon Drtisen- lumina gefunden wurden. Auf Grund dieses Befundes stellte Prof. Sternberg die Diagnose: Aleuk~mische Lymphadenose mit Ubergang in Lymphosarkom im Bereiche der Tonsillen und des t{aehens, und wir sehliegen uns dieser Diagnose an.

Gegen die Bereehtigung dieser Diagnose, deren M6gliehkeit sehon Kundrat zugegeben hat, werden bekanntlieh sehwere Einwgnde erhoben, und es ist ganz besonders Naegeli, der bei einem Falle wie dem unserigen,

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420 Josef Fischer:

die oben mitgeteilte Diagnose wohl kaum gelten 1/~gt. Naegeli ~u6ert sich diesbeziiglich sehr pr~zise. Auf S. 524 sagt er: ,,Es gibt lceine lokalen Tumoren mit Leu]~iimie, keine SarlcoIeulcomatose, es gibt nur generalisierte leukgmisehe AMe]ction6n , die stellenweise stark aggressiv auftreten, und diese Infiltrationen sind bei chronisehen Lymphadenosen sieher nieht se]ten. Es gibt daher ]ceine symptomatische LeukCimie! Die Aggressivitat ist manchen Fs yon Leukosen eigentiimlich, sie gehSrt sogar zum Wesen rasch wuehernder leuk/~miseher l~ormationen und wird in m/~giger Form fast nie vermigt ."

Gem~l~ dieser Auffassung yon Naegeli mfi6ten wir daher in unserem Falle eine Meuk/~mische Lymphadenose mit ]okaler starker Aggressivit~t im l~aehen erb]ieken. Wenn wir uns auf Grund unserer nur beseheidenen Erfahrung in Gegensatz zu dem so bedeutenden Blutforseher stellen, so miissen wir die Grfinde angeben, weshalb wir uns in der epikritischen ]~etraehtung unseres Falles eher der Diagnose Sternbergs Ms der ver- muteten Diagnose Naegdis anschlie~en. Wenn wir unseren FM1 iiber- blieken, so wird wohl kaum jemand daran zweifeln kSnnen, dag es sieh hier zuns um eine Meuk~misehe Lymphadenose gehande]t hat. DafiJr spreehen 1. die ausgedehnte Erkrankung der Lymphdriisen, die natiirlieh dureh eine ]ymphogene Verbreitung eines Lymphosarkoms nicht zu erkl/~ren ist. DaB zun~chst nieht alle Driisen befallen waren, sprieht nicht gegen Lymphadenose, da auch naeh Naegeli bei der typi- sehen ehronischen Lymphadenose dureh lange Zeit eine strenge GenerMi- sierung fehlen kann (vgl. Typ 2 yon Naegeli und den yon ibm erw~hnten Fall yon leuk~mischem Tumor im Epipharynx, der erst viel sparer yon einer genera]isierten Driisenschwel]ung gefolgt war). 2. Sprieh~ ffir eine chronisehe Lymphadenose die Hautaffektion, die sich bekanntlieh bei der Lymphosarkomatose niemMs finder, und 3. sprieht in diesem Sinne der Befund des ]ymphatischen Knochenmarks, der bei Lympho- sarkom in den seltensten Fs gefunden wird. Es besteht daher wohl kaum ein Zweifel, dal3 der Patient zun/~chst an einer chronischen Lymph- adenose gelitten hat. Trotzdem lassen sieh aber in diesem Falle Befunde erheben, die mit der Annahme einer Lymphadenose sehwer oder iiber- haupt nicht zu erkl~ren sind. Hierher gehSren folgende Befunde: 1. Die Tumorbildung und das aggressive Wachstum im Bereiche der Yonsillen, das sich sehon kliniseh (Einbeziehung beider GaumenbSgen) und noeh mehr anatomisch nachweisen liel~. ~ u n ist es uns wohl bekannt, dM] ein aggressives Waehstum aueh bei der Lymphadenose sehr oft angetroffen wird, und die Untersuehungen yon Brunner und Fischer haben dies- beziiglich die seinerzeitigen Befunde yon Fabian, Naegel~ und Schatilow im wesentliehen best/%igt. Trotzdem mug man sagen, dM~ dieses aggres- sive Wachstnm besonders im Bereiche der Tonsillen nur ganz geringe Grade erreieht und die hSchsten Grade der Infiltrate, welehe die Gewebe zerstSren und ersetzen, doch bei chronischer Lymphadenose kaum

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vorkommen. 2. Die schweren ulcerSsen Prozesse an den Tonsillen 1, die nicht etwa im Sinne einer komplizierenden Angina zu deuten sind, sondern zu dem Krankheitsprozesse gehSren, da eine Angina nicht 3 Monate dauern kann. Diese u]cer5sen Prozesse sind aber auch nicht im Sinne einer termina]en, akuten lymphatischen Leuk~mie (tibrigens sehr selten) zn deuten, da der charakteristisehe Blutbefund und die h~mor- rhagiscbe Diathese feh]en. Sie gehSren aber aueh nicht ganz zu dem Bflde einer ehronisehen Lymphadenose, da NaegeIi selbst erw~hnt, dab sich solehe Infil trate des Raehens und des Zahnfleisches relativ selten bei Lymphadenose linden, w~hrend er yon ulcerSsen Prozessen an den Tonsillen bei chroniseher Lymphadenose iiberhaupt nieht sprieht (vgl. aueh Brunner und Fischer). Es ist daher anzunehmen, dal~ diese sehweren ulcer5sen Prozesse an den Tonsillen nicht dureh die chronisehe Lymphadenose und natiirlich aueh nicht dureh eine akute Lymph- adenose, sondern dureh ein Lymphosarkom hervorgerufen worden sind. 3. Die Reduktion der Lymphocyten im strSmenden Blut, die zuerst nur eine relative, sps (2 Tage ante exitum) aber eine absolute und relative war. Wir mSehten hervorheben, dal~ Naegeli selbst (S. 536) den mehrfaeh erhobenen Beiund der l~eduktion der Lymphoeyten- ~verte bei Lymphosarkom best~tigt und diesen Befund auf die Zer- stSrung der ]ymphoeytenbildenden Organe dureh das Sarkom zurfiek- fiihrt, ~vobei er noeh besonders hervorhebt, dab die Lymphosarkoma- rose andere Reaktionen auslSst als die Lymphadenose und ,,trotz aul~erordentlieher Ausdehnung nicht zu Lymphocytose r und sieh damit als biologisch wesensversehieden eharakterisiert", d. Mii[3ige leulciimische Veriinderungen in der Milz, geringe teukgmische Ver~inde- rungen in der Leber. Auf diesen Punkt mSchten wir das Haupt- gewieht legen, denn NaegeIi sehreibt S. 534: ,,Zahlreiche Autoren fassen die Lymphosarkomatose nicht richtig auf. Eine Identit~t mit Lymphadenose ist nieht vorhanden, well in den Leberinterstitien nicht iiberall Lymphome auftreten und die Milz nieht rein lymphatiseh wird. Damit wird die oft behauptete enge Verwandtschaft mit (aleuk~misehen) Lymphadenosen widerlegt."

In unserem Falle waren tatsachlich nicht in allen Leberinterstitien Lymphome und die Milz war nieht rein lymphatiseh, daher mug man aueh naeh der Auffassung Naegelis in unserem Fall an eine Lympho- sarkomatose and nieht an eine Lymphadenose denken. Da aber, wie sehon oben erwahnt, zun~ehst eine Lymphadenose sieher bestanden hat, so bleibt niehts anderes fibrig, als eine Kombination beider Erkrankungen anzunehmen.

1 Auch Ghon und Roman erw~hnen die H~ufigkeit yon Ulcerationen bei Lympho- sarkomen, besonders ira Verdauungstrakt, und fiihren sie entweder auf sekund~re entziindliche Prozesse oder auf regressive Ver~nderungen im Sinne einer einfachen Nekrose zuriick,

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422 Josef Fischer:

5. Das _Fehlen der terminalen Mimorrhagischen Diathese. Auch dieser Punkt spricht bis zu einem gewissen Grade fiir das Bestehen einer Lympho- sarkomatose, da die terminale h~morrhagische Diathese beim Lympho- sarkom niemals, bei der Lymphadenose relativ hs zu beobachten ist.

Fassen wir alle die angeffihrten Punkte zusammen, so glauben wir uns zu der Annahme berechtigt, da~ in unserem Falle eine Kombination yon Lymphosarkom und chronischer Lymphadenose bestanden hat. Wir mSchten aber in diesem gemeinschaftlichen Vorkommen weder eine Identit~t beider Erkrankungen erblicken, noch die Leuk~mie als sympto- matisch in Abh~ngigkeit von dem Lymphosarkom bringen.

Wir stellen uns vielmehr den Zusammenhang dieser beiden KraI~k- heiten in folgender Weise vor. ~qach der Auffassung der Mehrzahl der Autoren (Ghon und Roman, Naegeli, Sternberg u. a.) ist das Lympho- sarkom eine bSsartige Neubildung, wobei wir ganz davon absehen, ob man diese Neubfldnng auf die pluripotenten Mesenchymzellen im Sinne yon Ghon und Roman oder auf nicht rfickgebildete embryonale lympha- tische Her@ im Sinne yon Sternberg zuriickffihren mu~. Demgegeniiber wird ebenso allgemein angenommen, dal~ die Lymphadenose, auch die Myelose, eine Systemaffektion darstellt, die durch Wucherung des lym- phatischen Gewebes im Sinne einer Hyperplasie oder eines benignen Tumors charakterisiert wird. Wir kSnnen nun keinen Grund ffir die Annahme finden, da6 die lymphadenotische, rein hyperplastische Wuche- rung ein uniiberwindliches Hindernis ffir die Entwickinng maligner Wucherungen ws Wir wissen im Gegenteil, dal3 der Ubergang yon gutartigen in bSsartige Geschwfilste durchaus nicht zu den Selten- heiten gehSrt, wobei man immerhin in der malignen Wucherung eine Steigerung der schon der gutartigen Wucherung innewohnenden aggres- siren Tendenz erblicken kann. Trotzdem wird man sich schon aus klinischen ]%ficksichten nicht damit begnfigen kSnnen, eine maligne Wucherung einfach als eine Wachstumssteigerung einer gutartigen Hyperplasie aufzufassen. Auf Grund dieser Anschauungen mSchten wir daher annehmen, dal~ sich in unserem Falle ein Lymphosarkom auf dem Boden einer Lymphadenose entwickelt hat, wobei wir aber in dieser Lymphadenose durchaus nicht eine ,,Disposition" fiir die Ent- wicklung des Lymphosarkoms erblicken, da sich das Lymphosarkom ebensogut ohne Lymphadenose entwickeln kann. Weshalb sich in unserem Fail das Lymphosarkom ausgebildet hat, wissen wir ebenso- wenig wie in den F/illen, in welchen es zur Entwicklung eines Lympho- sarkoms ohne Lymphadenose gekommen ist.

Zum Sch]uB wollen wir noch auf die beim Pat. bestandene Schwer- hSrigkeit n~her eingehen. Seit den Untersuch~ngen yon Alexander ist es bekannt, dal~ bei den Leuk~mien eine Reihe yon pathologischen Ver/~nderungen im Innenohr (Blutungen, lymphatische oder myeloische Infiltrate, exsudative Prozesse, sekund~r-degenerative Prozesse etc.) als

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ursachliche Momente ffir die ldinischen Symptome yon seiten des Ohres in Betracht kommen. In unserem Falle fanden sich keine dieser Ver- anderungen im inneren Ohr, hingegen grol~e typische Otoskleroseherde im Bereiche des ovalen und des runden Fensters.

Es zeigt sich also, dal3 nieht jede SehwerhSrigkeit bei den Lymph- adenosen auf lymphatische Ver~nderungen zurfickzuffihren ist, sondern z. B. auf Otosklerose, es sei denn, dal3 man auch zwischen Otosklerose und Lymphadenose einen Zusammenhang konstruiert, wie dies D6derIein gemacht hat.

Von 200 wah]los zusammengestellten Felsenbeinen fand er in 5 Fallen Otosklerose, und zwar floride Spatformen.

In 3 yon diesen 5 Fallen bestand eine lymphatische Leukamie, in den iibrigen 2 :Fallen eine Tuberkulose. Da es bei der Tuberkutose ebenfalls zur Mitbetefligung des lymphatischesn Appaxates, und zwar im Sinne einer t typerfunktion kommt, seh]ieBt D6derlein, dab die Otosklerose mit einer Hyperfunktion des lymphatischen Apparates zusammenhangt. Er ffihrt als Erklarung die Beziehungen des lymphatisehen Systems zum Knoehensystem an, wobei eine FunktionsstSrung des ersteren sich am Skelet auswirken kann. Er ffihrt auch Nietschlce an, der auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen die Raehitis und die S~uglings- tetanie als Folge einer Hyperfunktion des lympha~ischen Gewebes an- sieht. Demnach kommt es nach D6derlein zuerst zu einer t typerfunktion des lymphatisehen Gewebes, die zu einer allgemeinen Disposition zu Knoehennmbauprozessen fiihrt. Durch gleichzeitig auftretende Hyper- plasien yon Lymphdrfisen und Lymphfollikeln (chronische Schwellungs- zustande) kSnnen an bestimmten Stellen venSse Stauungen in um- schriebenen Venengebieten des Felsenbeines im Sinne Wittmaa/cs als lokale Ursache zur Bfldung otosklerotiseher Herde ffihren. Es kSnnen also nach Dgderlein dutch dieselbe chronisehe Allgemeinerkrankung (Leukamie) ein allgemeines Moment und durch die Driisenhypertrophie ein lokales Moment ffir die Otosklerosenbfldung verantwortlich gemacht werden.

Es liegt uns Ierne, auf Grund dieses einen vorliegenden Falles eine grSBere Diskussion fiber Otoslderose abzuffihren. Zu bedenken ist bloB, dal3 einerseits mate r der grol3en Zahl pathologisch-anatomiseh genau untersnchter :Fal]e Alexanders nur zweimal Otosklerose als Nebenbefund vorkam. Andererseits sahen Br.t~nner und E. Urbantschitsch in einem Falle mit stark vergrS~erter Mflz und reiehlichem lymphoidem, sogar ]euk~mische Follikel enthaltendem Knochenmark im Felsenbein keine Otosklerose. Wenn nun auch unsere Beobachtung im Sinne yon D6der- lein zu sprechen scheint, so k6nnen wir auf Grund der eben angeffihrten Befunde doch im besten :Falle in der Otoslderose und in der Hyper- funktion des lymphatisehen Apparates koordinierte Erscheinungen er- blicken, wenn wir nicht fiberhanpt nut ein znfalliges Zusammentreffen

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424 Josef ~ischer.

dieser beiden Symptome azmehmen wollen. I n diesem Sirme sprechen auch die n icht otosklerot ischen Knochen tumoren im inneren Ohre, die wir in unserem Falle fanden und die wohl kaum mit der Hyl0erfunktion

des ]ymphat ischen Appara tes in Zusammenhang gebracht werden k6nnen.

Zusammenfassung. Auf dem Boden einer aleuk/~mischen Lymphadenose k o m m t es zur

En twick lung eines Lymphosa rkoms der Tonsille. Die histologische

Unte rsuchung der Felsenbeine deckt eine Otosklerose als Ursache der k]inisch nachgewiesenen SchwerhSrigkeit auf.

Literaturverzeichnis. Alexander, G.: Z. tteilk. 1907. - - JBrunner, H. u. J. Fischer: Mschr. Ohrenheilk.

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