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I - SAVE SCHWEDEN- POWER TEST: ZWEI TURBINEN FÜR MEHR LEISTUNG IM VOLVO FH FERNFAHRER DAS TRUCK-MAGAZIN FÜR BERUFSKRAFTFAHRER FERNFAHRER 2019 fernfahrer.de Sonderdruck aus Heft 8

Alfred Angerer KG - FERNFAHRER Sonderdruck...nicht gerade nach Fahr-spaß. „I-Save“ steht da in der Sonne glänzend neben dem schon be-kannten Typenschild, das die Leistungsklas

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Page 1: Alfred Angerer KG - FERNFAHRER Sonderdruck...nicht gerade nach Fahr-spaß. „I-Save“ steht da in der Sonne glänzend neben dem schon be-kannten Typenschild, das die Leistungsklas

I-SAVE SCHWEDEN-POWERTEST: ZWEI TURBINEN FÜR MEHR LEISTUNG IM VOLVO FH

FERNFAHRERD A S T R U C K - M A G A Z I N F Ü R B E R U F S K R A F T F A H R E RFE

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2019

fernfahrer.de

Sonderdruckaus

Heft 8

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VOLVO FH I-SAVETEST UND TECHNIK

Die Zusatzbezeichnung der neuesten Volvo FH klingt nicht gerade nach Fahr-spaß. „I-Save“ steht da in

der Sonne glänzend neben dem schon be-kannten Typenschild, das die Leistungsklas-se angibt. Sparen also sollen die Modelle in erster Linie, die vom neuen D13TC-Motor befeuert werden. An Modifikationen für Hard- und Software hat Volvo Trucks zu diesem Zwecke aber nicht gespart. Eine aktualisier-te Version des vorausschauenden Tempoma-ten I-See kommt da beispielsweise zum Ein-satz. Mit ihr greift das System nicht mehr nur – wie in der Vergangenheit – auf eine Cloud zu, in der Profile bereits befahrener Strecken abgespeichert sind, sondern nutzt haupt-sächlich hinterlegtes Kartenmaterial. Um den nutzbaren Schwung zu berechnen, berück-sichtigt die Software zudem neben der Mas-se des Lkw und der Topografie auch voraus-fahrende Fahrzeuge.

Außerdem an Bord der I-Save-Trucks ist eine eigene I-Shift-Gangwechselsoftware, die speziell für Fernverkehrsaufgaben optimiert wurde, den Lkw früher im Leerlauf segeln lässt und weniger häufig einen Gang zurück-schaltet. Zu den weiteren Ausstattungsmerk-malen zählt Volvo die automatische Abschal-tung des Motors nach zweieinhalb Minuten im Leerlauf, eine Servolenkungspumpe mit variablem Durchfluss und Reifen mit nied-rigem Rollwiderstand (Kraftstoffeffizienz-klasse A). Auch in Sachen Antriebsachse gibt es Neuigkeiten: Mit der RSS1244B hält

auf Wunsch eine 12-Tonnen-Achse Einzug, die im Vergleich zur bisherigen 13-Tonnen- Achse 100 Kilogramm einspart, rund 1,5 Liter weniger Öl beinhaltet und reibungsoptimiert läuft – und trotzdem gut sein soll für Zug-gesamtgewichte bis 44 Tonnen. Sie ist mit Übersetzungen von 2,31 bis 3,36 zu haben. Insgesamt schreibt Volvo all diesen Maß-nahmen Spriteinsparungen von bis zu drei Prozent zu. Der größte einzelne Brocken geht aber auf das Konto des neuen 13-Liter- Reihensechszylinders.

Schon ohne den TC-Zusatz, der für die Turbo compound-Technologie steht, ist der Standard-D13 mit Euro 6d nämlich mit einer geänderten Motorsoftware, neuen Kolben-ölabstreifringen und einer optimierten Be-schichtung im Abgasnachbehandlungssys-tem ausgestattet. Um die innere Reibung weiter zu senken, kommt ein dünnflüssiges VDS-5-Öl (5W-30) zum Einsatz. Die Verdich-tung der 500-PS-Variante des Triebwerks zieht dazu mit der der 420- und 460-PS-Modelle gleich.

Das neue Turbocompound-System setzt dem Diesel dann die Krone auf. Die dem ei-gentlichen Turbolader nachgeschaltete Tur-bine nutzt die aus den heißen Abgasen zu-rückgewonnene Energie, um sie über ein Zahnräderpaket und einen Dämpfer auf die Kurbelwelle des Motors zu übertragen – und greift ihm so gerade in hohen Lastbereichen kräftig unter die Arme. Die Kolben des D13TC sind zusätzlich mit einer patentierten,

wellenförmigen Kolbenmulde versehen. Sie soll die Wärme zielgerichtet in die Mitte der Zylinder leiten und damit zu einer besseren Verbrennung führen.

Was die Kraftstoffkosten angeht, wollen die Schweden mit dieser nicht ganz simplen und dabei immerhin auch 101 Kilogramm schwe-ren Technik genau vier Prozent herausholen. Drei Prozent sind dabei dem genügsameren Dieseldurst des D13TC geschuldet, ein Prozent ist dem niedrigeren Adblue-Kon-sum  ( minus 40 Prozent im Vergleich zum

Der D13TC ist laut Volvo Trucks der sparsamste Motor, den das

Unternehmen je für den Fernverkehr gebaut hat. Auf der ersten

Fahrt aber beeindruckt er im FH I-Save vor allen Dingen mit seinem

kräftigen Durchzug.

TEXT I Julian Hoffmann FOTOS I Volvo Trucks, Karl-Heinz Augustin (1), Christoph Pforr

DREHMOMENTKING OF

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????? RUBRIK

DIE TURBOCOMPOUND-KOMPONENTEN sind in Fahrtrichtung rechts vom Motor untergebracht und bringen immerhin 101 Kilogramm auf die Waage.

DIE ZUSÄTZLICHE ENERGIE aus den Abgasen wird über eine Reihe von Zahnrädern und einen Dämpfer direkt auf die Kurbelwelle übertragen.

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Standard-D13) zuzuschreiben. Der Turbo-compound-Motor nämlich verfügt über eine gekühlte statt einer ungekühlten Abgasrück-führung. Damit entstehen bei der Verbren-nung weniger Stickoxide, die im Anschluss mit der Harnstofflösung unschädlich ge-macht werden müssen.

Die Rechnung für den Unternehmer geht laut Volvo also schon mal auf – zumindest, wenn er im Fernverkehr unterwegs ist und seine Lkw hohe Laufleistungen von 120.000 Kilo-metern und mehr pro Jahr vorweisen kön-nen. Dann soll sich das I-Save-Paket inklusi-ve des D13TC-Diesels zu einem Listenpreis von 5.500 Euro schnell amortisieren. Doch wie sieht es auf der Seite der Fahrer aus? Müssen sie dafür zurückstecken? Ganz im Gegenteil. Dank seines Turbocompound-Systems liefert der neue D13TC bei nominell gleicher Leistung im Vergleich zum Basis-motor nämlich ein um 300 Nm höheres Dreh-moment. Im Datenblatt für die zwei verfüg-baren I-Save-Varianten mit 460 und 500 PS stehen also satte 2.600 beziehungsweise 2.800 Nm – auf dem Papier ist die zweite Turbine damit die perfekte Lösung, um den Verbrauch zu senken, ohne in Sachen Fahr-leistungen abzufallen.

Ganz neu aber ist das Konzept nicht. Anfang der 2000er hatten die Schweden nämlich schon einmal einen Turbocompound-Motor präsentiert, damals noch mit zwölf Liter Hub-raum, 500 PS und immerhin 2.400 Nm. 2014

folgte – etwas verspätet – ein 460 PS und 2.800 Nm starker Selbstzünder. Und auch in den USA ist den Fahrern der Volvo-VNL-Hau-ber das System bekannt – ihr Xceed-Modell ist eine Art Pendant zum europäischen I-Save. In den frühen 90er-Jahren hatte zu-dem schon Scania die Technologie in einem 400 PS und 1.750 Nm starken Stream line-Lkw mit elf Liter Hubraum genutzt. Mit die-sem Modell rühmen sich die Skandinavier, die Technik als erster Nutzfahrzeughersteller

für Lkw in Serie produziert zu haben. Heute aber fährt neben Volvo nur Mercedes im OM 473 (15,6 Liter Hubraum, 625 PS und 3.000 Nm) noch Turbo compound-Aggregate.

Im Süden von Schweden, einige Kilometer östlich von Göteborg, stellte Volvo den euro-päischen Pressevertretern die neuen D13TC-Motoren auf einer 320 Kilometer langen Fahrt auf Autobahnen und gut ausgebauten Land-straßen vor. Für die bessere Vergleichbarkeit waren dazu bis auf das I-Save-Paket iden-tisch ausgestattete FH-Modelle mit D13-Motoren am Start. Alle Lkw waren auf 40 Tonnen ausgeladen. Los ging es im Top-Modell: Der FH 500 I-Save rollte mit dem I-Shift-Doppelkupplungsgetriebe samt Over-drive, kurz übersetzter Hinterachse (2,85) und Vollluftfederung inklusive 4-Punkt-luft-gefederter Kabine vor. Dank seiner Active-Chassis-Option kann er so bei Geschwindig-keiten über 60 km/h Vorder- und Hinterachse automatisch um einige Millimeter absenken und damit wieder Diesel sparen.

Am Steuer ist davon aber nichts zu spüren, dafür umso mehr von dem massiven Dreh-moment. Die 2.800 Nm des stärksten D13TC liegen schon ab 900 Touren an und ziehen die Fuhre damit ungeahnt locker vom Hof. Das Doppelkupplungsgetriebe tut sein Übri-ges: Es schaltet unbemerkt und ohne Zug-kraftunterbrechung von Gang zu Gang. Die schieren Ausmaße des 40-Tonners, seine

Drehmomentkurven

800 1.100 1.400 1.700 2.000 U/min

Nm

800

600

1.200

1.600

2.000

2.400

2.800

Drehmoment

D13TC 500 PSD13eSCR 500 PS

2.800/2.500 Nm

Impressum: Sonderdruck des ETM Verlags aus Fernfahrer 8/2019 Verantwortlich: Doris Lorch, Telefon (07 11) 7 84 98-92 · www.etm.de

DIE VDS-LENKUNG lässt sich über den Touchscreen steuern. Auf Tastendruck steht der aktive Spurhalteas-sistent zur Verfügung.

DIE TC-MOTOREN setzen 300 zusätzliche Nm frei (r.).

OHNE DIE ZWEITE TURBINE der TC-Motoren verlieren die FH unter voller Last manches Mal an Tempo – und müssen in der Folge runterschalten.

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TEST UND TECHNIKVOLVO FH I-SAVE

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Masse – all das wird im komfortabel über Unebenheiten schwingenden Fahrerhaus schnell zur Nebensache. Daran hat auch die elektronisch unterstützte Volvo-Dynamic-Steering-(VDS-)Lenkung ihren Anteil. Sie lässt sich mittels eines eigenen Menüpunkts über den Touchscreen individuell einstellen. Wer entspannt rangieren will, wählt also die volle Unterstützung an. Möchte man dage-gen mit hoher Geschwindigkeit durch die Lande fahren, werden die Rückstellkräfte erhöht. Im Zusammenspiel mit dem Spurhalte assistenten hält das System den Volvo auf Tastendruck – wann immer Fahr-bahnmarkierungen auszumachen sind – ak-tiv in der Spur. Die leichten Lenkkorrekturen machen die Hände sofort aus, empfinden sie

aber auch deswegen nicht als unangenehm, weil sie mühelos übersteuert werden können.

Was die Auslegung des Triebstrangs angeht, überrascht der 500 PS starke I-Save in Kom-bination mit dem Doppelkupplungsgetriebe aber doch. Mit aktiviertem I-See schaltet der voll ausgeladene Lkw vor Steigungen be-herzt in den direkt übersetzten elften Gang zurück und steuert so manchen Berg mit satten 1.300 Touren an. Dann bügeln die 2.800 Nm und die vollen 500 PS, die ab 1.250 Umdrehungen anstehen, die südschwedi-sche Hügellandschaft mühelos glatt. Im FH 500 ohne I-Save (500 PS ab 1.530/min, 2.500 Nm ab 980/min) verhält sich I-Shift ähnlich – und macht die Volvo damit zu Eil-

transportern, mit denen die Tour über freie Straßen große Freude bereitet.

Wer beim Wechsel auf die FH-460-Test-Lkw allerdings harte Einschnitte vermutete, der sah sich getäuscht. Und das, obwohl deren Chassis ohne vordere Luftfederung auskom-men musste, sie mit dem Standard-Direkt-ganggetriebe samt zwölf Gängen versehen waren und auf den lang übersetzten Hinter-achsen (2,31) standen. Der Standard-460er ohne Turbocompound-Motor hat größeren Steigungen natürlich weniger entgegenzu-setzen als seine potenteren Brüder. Wenn für die gleiche Masse plötzlich „nur“ noch 460 PS und 2.300 Nm zur Verfügung stehen, macht sich das einfach bemerkbar. Dafür aber vermittelt die Zugmaschine mit der kon-ventionellen vorderen Federung ein unmittel-bareres Gefühl für die Straße, was manches Mal für ein subjektiv höheres Sicherheits-empfinden sorgt. Vor Steigungen dann müht er sich länger im direkt übersetzten zwölften Gang, rollt häufiger bei nur etwas über 1.000 Touren übers Land. Mit dem I-Save-Paket treibt der Volvo das Spiel noch weiter, seine ab 900 Umdrehungen anstehenden 2.600 Nm lassen ihn im höchsten Gang noch ge-lassener, ja geradezu meisterhaft rollen – und damit Diesel sparen.

Die hohen Drehmomentwerte der I-Save-Modelle können in der Praxis also grundver-schiedene Auswirkungen nach sich ziehen: Mit dem Direktganggetriebe, langer Achse und in Vernunftausstattung wird der FH 460 schnell zum gelassenen Gleiter. In der 500-PS-Einstellung in Verbindung mit dem ultraschnellen Doppelkupplungsgetriebe da-gegen ist der I-Save gefühlt ein waschechter Performance-Truck.

ALS I-SAVE bügelt der Volvo die Hügellandschaft flach. Das Doppelkupp-lungsgetriebe steuert so manchen Berg aber mit 1.300 Touren an.