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Allgemeine Relativit¨ atstheorie Petr Hajicek arz 2003

Allgemeine Relativitaetstheorie 002

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It describes clearly the general relativity theory

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  • Allgemeine Relativitatstheorie

    Petr Hajicek

    Marz 2003

  • 2

  • Einfuhrung

    Die Allgemeine Relativitatstheorie (ART) wurde am Anfang voriges Jahrhunderts

    von einem einzigen Mann in einem bewunderungswerten Alleingang geschaffen. Die

    Aufgabe war, die Newtonsche Theorie der Gravitation und die Spezielle Relati-

    vitatstheorie zu verheiraten. Die ersten Versuche waren etwa darauf ausgerichtet,

    das Gravitationspotential als ein Feld in der Minkowskischen Raumzeit zu betrach-

    ten. Nichts aber wollte gelingen; es dauerte etwa 10 Jahre, bis Einstein endlich das

    Problem loste. Die Schwierigkeit war, dass dabei sowohl die alte Gravitationstheo-

    rie, als auch die junge Spezielle Relativitatstheorie modifiziert werden mussten. Die

    nachsten 50 Jahre waren schwierig fur die Theorie, da ihre experimentelle Basis recht

    dunn blieb und ihre schwierige mathematische Struktur nicht gut verstanden wur-

    de. In den letzten 40 Jahren bluhte aber die Theorie auf. Mit der Verbesserung der

    Technik und dem grossen Fortschritt in den astronomischen Beobachtungsmethoden

    erweiterte sich der Kreis der beobachtbaren Fakten, zu welchen die ART anwendbar

    ist, so dass sie heute eine der bestens experimentell unterstutzten Theorien ist und

    viele konkurierende Theorien widerlegt wurden. Auch die konzeptuellen und mathe-

    matischen Grundlagen werden viel besser verstanden. Heute dient die ART als Basis

    der modernen Astrophysik und der Raumforschung, deren faszinierende Resultate

    auch immer mehr Leute interessieren.

    Die ART ist eine sehr fruchtbare Theorie; sie hat mehrere neue, uberraschende

    Effekte vorhergesagt. Die bekanntesten Beispiele sind:

    Die dynamische Kosmologie Die Losungen der Einstein-Gleichungen, welche

    die Kosmologie beschreiben, sind nicht statisch. Die ersten sind von Friedmann ge-

    funden worden, und sie alle beginnen in einem singularen Punkt, wo alle Materie

    zusammengedrangt wird: in dem sog. Big Bang. Das heisst: unser Weltall is ein Ue-

    berrest einer riesigen Explosion. Die Big Bang Kosmologie is heute eine erfolgreiche

    Theorie.

    Die Gravitationsstrahlung In der Newton-Theorie berechnet man das Gravita-

    tionspotential (t, r), zur Zeit t aus der Massendichte (t, r) zur gleichen Zeit mittels

    i

  • der Poisson-Gleichung:

    = 4piG.

    Eine Aenderung der Quelle aussert sich also augenblicklich in der Form des Gravi-

    tationspotentials uberall langs der Gleichzeitigkeitsebene. Das Feld ist aber messbar;

    die Information uber die Bewegung der Quelle breitet sich also unendlich schnell im

    Gravitationsfeld aus. In einer relativistischen Theorie kommt hochstens die Lichtge-

    schwindigkeit fur eine Signalausbreitung in Frage. Diese gravitativen Signale, welche

    Energie und Information mit einer endlichen Geschwindigkeit tragen, heissen Gravi-

    tationswellen. Die Existenz einer solchen Strahlung ist eine starke Modifikation der

    Newton-Theorie.

    Die schwarzen Locher Betrachten wir eine Quelle mit Masse M und Gravitati-

    onspotential (r) = GMr1. Auf ein Probeteilchen mit Masse m wirkt in diesemFeld eine Anziehungskraft, welche Arbeit verrichten kann. Wenn wir das Teilchen

    von r = bis zur Distanz r von der Quelle heranbringen, kann im Prinzip dieArbeit A(r) = m() m(r) = m(r) = GMmr1 geleistet werden. Diedazu notwendige Energie kann nicht vom Gravitationsfeld der Quelle kommen: im

    Unterschied zum analogen Versuch in der Elektrodynamik wird das Addieren des

    Teilchens zur Quelle deren Feld verstarken. Die Ladungen sind beide positiv im

    Gravitationsfall, hingegen ist die eine positiv und die andere negativ im elektrischen

    Fall. Die Arbeit muss also von der Ruheenergie des Teilchens stammen. Aus der

    Erhaltung der Energie folgt dann aber, dass

    GMmr1 mc2.

    Das ergibt die Existenz eines minimalen Radius, RG:

    RG =G

    c2M, (1)

    so, dass man entweder aus einer grosseren Tiefe als RG keine Energie mehr schopfen,

    oder dass keine Quelle unter den Radius RG konzentriert sein kann. RG heisst

    Gravitationsradius der Masse M .

    Warum man etwa von unterhalb des Gravitationsradius keine Energie herausho-

    len kann, zeigt eine andere Abschatzung. Berechnen wir die Entfernung von unse-

    rer kugelsymmetrischen Quelle, wo die Fluchtgeschwindigkeit den Wert v hat. Die

    Fluchtgeschwindigkeit ist bekanntlich die Geschwindigkeit der kreisformigen Bahn

    am gegebenen Radius. Diese Bahn erfullt die Gleichung:

    GMm

    r2=mv2

    r.

    ii

  • (Gravitative Zentripetalkraft = Zentrifugalkraft). Dann gilt fur die gesuchte Entfer-

    nung r

    r =G

    v2M,

    und fur v = c haben wir r = RG. Kein energie- oder informationstragendes Signal

    kann also von unterhalb des Gravitationsradius zu uns vordringen. Die Objekte,

    deren Ausmasse mit deren Gravitationsradius vergleichbar sind, heissen schwarze

    Locher. Bei der Existenz von schwarzen Lochern handelt sich es klar um eine Modi-

    fikation der Speziellen Relativitatstheorie. Die Existenz der Gravitationsstrahlung

    und der schwarzen Locher ist heute relativ gut durch indirekte Beobachtungen belegt

    worden.

    Die ART steht auf zwei Beinen: Eines ist die geometrische Deutung der Gravitati-

    on, das andere die Einstein-Gleichungen. Der erste Teil des Skriptums versucht, die

    geometrische Deutung klar zu machen und die schwierige konzeptuelle Struktur auf-

    zuklaren. Der zweite Teil enthalt dann die wichtigsten Anwendungen: Kosmologie,

    Gravitationskollaps und und schwarze Locher. Die Gravitationsstrahlung ist konzep-

    tuell wichtig aber sehr schwach in Wirkung; sie ist nicht einmal direkt beobachtet

    worden.

    Wahrend der vielen Jahre, in denen dieses Skript entstanden ist, haben mir einige

    Studenten geholfen sowohl durch ihre Fragen bei den Vorlesungen, als auch mit For-

    mulationen und Grammatik der Deutschen Sprache. Zu erwahnen sind insbesondere

    Martin Schon, Matthias Zurcher und Matthias Peter Burkhardt.

    iii

  • Inhaltsverzeichnis

    I Die Geometrische Deutung der Gravitation ix

    1 Geometrisierung der Dynamik 1

    1.1 Ausgewahlte Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    1.1.1 Cavendish Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    1.1.2 Eotvos Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

    1.1.3 Ablenkung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    1.1.4 Rotverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    1.2 Das Aequivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    1.3 Newton-Galilei-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    1.4 Die kraftefreien Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    1.5 Ein Affiner Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    1.5.1 Krummlinige Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    1.5.2 Kurven und Tangentvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    1.5.3 Affiner Zusammenhang einer Mannigfaltigkeit . . . . . . . . . 11

    1.5.4 Der metrische AZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    1.6 Cartan-Friedrichs-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    1.7 Krummungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    1.8 Das Aequivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    1.8.1 Galilei-Aequivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    1.8.2 Geodatische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    1.8.3 Lokale Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    1.8.4 Formulierung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    1.9 Paralleltransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

    1.10 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    2 Relativistische Teilchendynamik im Gravitationsfeld 41

    2.1 Relativistische Gravitationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    2.2 Geometrie der Minkowski-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    2.3 Teilchendynamik in der ART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

    2.4 Lokale Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

    iv

  • 2.4.1 Allgemeines Bezugsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    2.4.2 Eigenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

    2.4.3 Radarmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

    2.4.4 Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

    2.4.5 Abstande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

    2.4.6 Spektra und Richtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

    2.5 Statische Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

    2.5.1 3-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

    2.5.2 Freie Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

    2.5.3 Gravitationsbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

    2.5.4 Rotverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

    2.5.5 Verlangsamung des Uhrganges

    in starkem Gravitationsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

    2.6 Isometrie (Mathematisches Intermezzo) . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

    2.6.1 Rotation in E2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

    2.6.2 Diffeomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    2.6.3 Lie-Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    2.6.4 Killing-Vektorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    2.7 Rotationssymmetrische Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

    2.7.1 Rotationsflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

    2.7.2 Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

    2.7.3 Geodatische Gleichung im statischen Fall . . . . . . . . . . . . 77

    2.8 Asymptotisch flache Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

    2.8.1 Eddington-Robertson-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 78

    2.8.2 Energie- und Impulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

    2.9 Bewegung der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    2.9.1 Vergleich mit der Newton-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    2.9.2 Drehung des Perihels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

    2.10 Lichtsignale im Sonnensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

    2.10.1 Ablenkung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

    2.10.2 Verzogerung der Radarsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

    2.11 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

    3 Dynamik der Felder 96

    3.1 Beispiel: Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

    3.1.1 Aequivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

    3.1.2 Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

    3.1.3 Energie-Impuls-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

    3.2 Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

    3.2.1 Transformationseigenschaften der Tensorfelder . . . . . . . . . 103

    v

  • 3.2.2 Dynamik der Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

    3.2.3 Die Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

    3.2.4 Variationsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

    3.2.5 Feldgleichungen der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

    3.3 Kovariante Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

    3.3.1 Definition der kovarianten Ableitung . . . . . . . . . . . . . . 113

    3.3.2 Direkter Ausdruck fur die kovariante Ableitung . . . . . . . . 114

    3.3.3 Algebraische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

    3.3.4 Metrischer Affinzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

    3.4 Paralleltransport und die kovariante Ableitung . . . . . . . . . . . . . 121

    3.4.1 Generatoren der Tensoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

    3.4.2 Komponenten eines Affinzusammenhanges in Bezug auf ein

    beliebiges Basenfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

    3.4.3 Kovariante Ableitung der Tensorfelder . . . . . . . . . . . . . 127

    3.5 Energie-Impuls-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

    3.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

    3.5.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

    3.5.3 Bedeutung der Divergenzgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 133

    3.5.4 Ideale Flussigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

    3.6 Dynamik der Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

    3.6.1 Die Wirkung fur die Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

    3.6.2 Die Einstein-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

    3.6.3 Allgemeine Kovarianz der Einstein-Gleichungen . . . . . . . . 147

    3.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

    II Kosmologie, Gravitationskollaps und schwarze Locher154

    4 Kosmologische Modelle 155

    4.1 Homogene isotrope 3-Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

    4.1.1 Kosmologisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

    4.1.2 Der Euklidische Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

    4.1.3 Die Kugeloberflache S3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

    4.1.4 Die Pseudokugel P 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

    4.2 Robertson-Walker-Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

    4.2.1 Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

    4.2.2 Bevorzugtes Bezugsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

    4.2.3 Kosmologische Rotverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

    4.2.4 Kosmologische Horizonte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

    vi

  • 4.2.5 Einstein-Tensor der Robertson-Walker-Raumzeit . . . . . . . . 165

    4.3 Kosmische Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

    4.3.1 Friedmann-Lematre-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 165

    4.3.2 Die kosmische Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

    4.3.3 Einfache Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

    4.4 Die Staubmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

    4.4.1 Die Skalenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

    4.4.2 Qualitative Diskussion der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . 173

    4.4.3 Die relativen Dichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

    4.4.4 Das -Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

    4.4.5 Die Helligkeitsdistanz und die Messungen von . . . . . . . . 181

    4.4.6 Die Friedmann-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

    4.5 Raumzeiten mit hochster Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

    4.5.1 Minkowski-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

    4.5.2 DeSitter-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

    4.5.3 Anti-DeSitter-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

    4.6 Das fruhe Welttall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

    4.6.1 Horizontproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

    4.6.2 Flachheitsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

    4.6.3 Entropieproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

    4.6.4 Inflationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

    4.6.5 Quantenkosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

    4.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

    5 Rotationssymmetrische Sternmodelle 203

    5.1 Hydrostatisches Gleichgewicht

    nichtrotierender Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

    5.1.1 Gleichungen des hydrostatischen Gleichgewichts . . . . . . . . 203

    5.1.2 Bedingungen im Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

    5.1.3 Bedingungen an der Oberflache . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

    5.1.4 Die Metrik ausserhalb des Sternes . . . . . . . . . . . . . . . . 206

    5.1.5 Vergleich mit der Newton-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . 208

    5.1.6 Massenlimite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

    5.1.7 Verbindungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

    5.2 Eigenschaften der Schwarzschild-Losung . . . . . . . . . . . . . . . . 212

    5.2.1 Birkhoff-Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

    5.2.2 Radiale Lichtstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

    5.2.3 Eddington-Finkelstein-Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 214

    5.2.4 Horizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

    5.3 Oppenheimer-Snyder-Kollapsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

    vii

  • 5.3.1 Innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

    5.3.2 Aussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

    5.3.3 Oberflache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

    5.3.4 Radiale lichtartige Geodaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

    5.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

    6 Stationare schwarze Locher 229

    6.1 Kausale Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

    6.1.1 Zeitorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

    6.1.2 Kausaler Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

    6.2 Hyperflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

    6.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

    6.2.2 Tangentialvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

    6.2.3 Induzierte Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

    6.2.4 Normale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

    6.2.5 Klassifikation von Hyperflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

    6.2.6 Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

    6.3 Kruskal-Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

    6.3.1 Rotationssymmetrische Hyperflachen in der Kruskal-Raumzeit 242

    6.4 Rotierende, geladene schwarze Locher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

    6.4.1 Wichtigste geometrische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . 246

    6.5 Dynamik der geladenen Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

    6.5.1 Bewegungsintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

    6.5.2 Die Aequatorialebene und die Symmetrieachsen . . . . . . . . 258

    6.6 Energetik der schwarzen Locher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

    6.6.1 Nutzbare Energie eines schwarzen Loches . . . . . . . . . . . . 263

    6.6.2 Energie der Teilchen im Feld eines schwarzen Loches . . . . . 271

    6.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

    viii

  • Teil I

    Die Geometrische Deutung der

    Gravitation

    ix

  • Kapitel 1

    Geometrisierung der Dynamik

    1.1 Ausgewahlte Tatsachen

    Tragen wir zunachst zusammen, was von der Seite der Beobachtung und des Expe-

    rimentes uber die Natur der Gravitation bekannt ist. Wir wollen dabei im Rahmen

    der Newton-Vorstellungen von Raum, Zeit und Dynamik bleiben und nur diejenigen

    Aspekte erwahnen, welche fur die Entwicklung der ART von unmittelbarer Bedeu-

    tung sind.

    1.1.1 Cavendish Experiment

    Im Jahr 1798 hat H. Cavendish die Anziehungskraft zwischen zwei massiven Kugeln

    mit einer Torsionswaage gemessen. Das Resultat war vertraglich mit

    FG = Gm1m2r2

    ,

    wo m1 und m2 die Massen, r deren Abstand und G die Newton-Konstante sind.

    Tatsachlich wurde die Newton-Konstante gemessen. Diese Messung wurde seitdem

    mehrmals verbessert; ein moderner Wert wird in [3] and [4] gefunden; fur uns genugt

    die Grosenordnung

    G 1010 N kg2m2.Das Gravitationsgesetz ist formal analog zum Coulomb-Gesetz

    FC =1

    4pi0

    q1q2r2

    ,

    wo q1 und q2 die Ladungen und 0 die dielektrische Konstante fur Vakuum sind:

    1

    4pi0 1010 N C2m2.

    Unterschiede:

    1

  • 1. Das Vorzeichen. Zwei Massen ziehen einander an, zwei gleiche Ladungen aber

    stossen sich ab. Deshalb finden wir in der Natur kaum Anhaufungen der elek-

    trischen Ladung, wogegen grosse Konzentrationen der Masse eine Regel sind

    (Gravitationsinstabilitat, Gravitationskollaps).

    2. Die gravitative Ladung ist die Masse, welche positiv fur alle Korper ist. Das

    bewirkt die sog. Universalitat der Gravitation. Sie wirkt auf alle Korper und

    ist von allen produziert.

    3. Vergleich der zwei Krafte fur z.B. zwei Protonen:

    FGFC

    1036.

    Es ist eigentlich Gluck, dass die Gravitation so schwach ist, sonst wurde sie

    alles verschlingen.

    1.1.2 Eotvos Experiment

    Ein anderer wichtiger Unterschied zur Elektrodynamik ist, dass die Masse in der

    Physik nicht nur die Funktion der gravitativen Ladung (schwere Masse) hat, sie

    kommt auch im zweiten Newtonschen Gesetz als die sog. trage Masse vor:

    F = ma.

    Diese Eigenschaft der Masse hat, auf den ersten Blick, mit der Gravitation nichts

    zu tun und wird auch ganz anders gemessen. Wir konnen also eigentlich nur von

    der Proportionalitat der tragen und schweren Masse eines und desselben Korpers

    sprechen. Der universelle Koeffizient der Proportionalitat hangt von der Wahl der

    Einheiten ab, und kann zu eins reduziert werden.

    Wie genau ist die Proportionalitat experimentell bestatigt? Zum ersten Mal hat

    solche Messungen R. Eotvos (1889, 1922) durchgefuhrt (1 : 2 108). Einige moder-nere Versionen findet man in [3] and [4]. Diese Experimente sind phantastisch genau

    (1 : 1012).

    Aus dieser Proportionalitat folgt, dass die Trajektorie eines Korpers, der in einem

    Gravitationsfeld fallt, nur von dem Feld, nicht aber vom Korper abhangt. Die Be-

    schleunigung des Korpers ist namlich dessen Masse umgekehrt, die Kraft aber direkt

    proportional. Die Bewegung in einem Gravitationsfeld ist also wesentlich einfacher

    als zum Beispiel in einem elektrostatischen Feld. Im ersten Fall bestimmt das Feld,

    der Anfangspunkt und die Anfangsgeschwindigkeit die Bewegung vollkommen, im

    zweiten Fall muss man dazu noch das Verhaltnis q/m der Ladung zur Masse des

    Probekorpers kennen.

    2

  • 1.1.3 Ablenkung des Lichtes

    Alles bisher Gesagte gilt fur massive Korper. Wie reagieren die Photonen auf das

    Gravitationsfeld? Sie werden durch das Feld abgelenkt, ganz ahnlich wie massive

    Korper. Die existierenden Beobachtungen (die erste: Eddington & Dyson, 1919)

    betreffen das Feld der Sonne; die Photonen bewegen sich dabei tangential zur Ober-

    flache und gemessen wird der Ablenkungswinkel . Sehr prazise Messungen sind mit

    von einem Paar von Quasaren kommenden Radiosignalen durchgefuhrt worden [3]

    and [4]. Das Resultat ist

    1.77.Elektromagnetische Wellen spuren aber das Gravitationsfeld auch noch auf eine

    andere Weise.

    1.1.4 Rotverschiebung

    Wenn ein Photon im homogenen Gravitationsfeld steigt, muss es seine Energie ver-

    lieren, sonst konnte man ein Perpetuum Mobile bauen. Man kann zeigen, dass die

    Rotverschiebung eines Photons, das die Hohe l ersteigt, muss deshalb genau glc2

    machen. Ein entsprechendes Experiment ist zum ersten Mal 1960 durchgefuhrt wor-

    den [3] and [4]. Man liess die Photonen ein 22.5 hohen Turm aufsteigen und mass

    die Frequenz mittels des Mossbauer-Effektes.

    1.2 Das Aequivalenzprinzip

    Die Grundidee der ART ist die Einsteinsche Antwort auf die Frage, woher die Pro-

    portionalitat zwischen der tragen und der schweren Masse kommt. Er hat bemerkt,

    dass die gleiche Proportionalitat auch fur die sog. scheinbaren Krafte zutrifft. Zen-

    trifugalkraft, Corioliskraft usw. sind alle proportional der tragen Masse des Pro-

    bekorpers. Die Annahme, dass die Gravitationskraft eine scheinbare Kraft ist (das

    heisst, sie kann auf eine beschleunigte Bewegung des Bezugsystems zuruckgefuhrt

    werden) istin groben Zugenwas man unter dem sog. Aquivalenzprinzip versteht

    (Aquivalenz von Gravitationsfeld und Erscheinungen in beschleunigten Systemen).

    Betrachten wir der Einfachheit halber das linear beschleunigte System. Seine

    Achsen x, y, und z bewegen sich mit Beschleunigung g im Bezug auf die Achsen x,

    y und z in die positive Richtung der z-Achse:

    x = x y = y z = z 12g t2. (1.1)

    Man stelle sich einen Physiker vor, der in einem auf diese Weise beschleunigten

    Kasten eingeschlossen ist. Er kann nicht sehen, dass z.B. eine Kraft ausserhalb des

    3

  • Kastens ihn beschleunigt, aber er kann die Erscheinungen innerhalb eines solchen

    Kastens untersuchen. Das ist der sog. Einstein-Kasten (Gedankenexperiment).

    Der Beobachter sieht, dass alle Gegenstande zu Boden fallen (in Richtung der

    negativen z-Achse) mit einer Beschleunigung g , welche unabhangig von ihrer Masse

    und anderen Eigenschaften ist. Wenn er diesen Effekt als Wirkung einer Kraft ~F

    deuten will, muss er setzen~F = m~g,

    worin ~g ein Vektor mit Komponenten (0, 0,g) ist. ~g kann Intensitat des Gravita-tionsfeldes, m die Gravitationsladung des Probekorpers genannt werden.

    Wie reagiert das Licht auf diese Gravitation? Ein Lichtstrahl mit der Trajektorie

    x = ct, y = 0, z = 0

    in Bezug auf (x, y, z) bewegt sich gemass der Transformation (1.1) bezuglich (x, y, z)

    folgendermassen

    x = ct, y = 0, z = 12g t2,

    zeigt also eine Ablenkung in Richtung der Gravitationsbeschleunigung.

    Beobachten wir auch eine Rotverschiebung, wenn das Licht vom Boden des Ka-

    stens (z = 0) zur Decke (z = l) wandert? Ja und man kann zeigen (Aufgabe), dass

    der entsprechende Dopplereffekt zu einer Rotverschiebung fuhrt:

    = glc2.

    Damit haben wir eine Erklarung der Rotverschiebung!

    Bedeutet das, dass man die Gravitation an der Erdoberflache durch eine Beschleu-

    nigung der Erdoberflache nach oben, also weg vom Erdzentrum, erklaren kann?

    Mussten dann nicht auch alle Abstande an der Erdoberflache mit einer solchen Be-

    schleunigung zunehmen? Das ware allerdings ein Paradox.

    Dieses Paradox folgt aber nicht aus der alleinigen Annahme, dass die Gravita-

    tionskraft eine scheinbare Kraft ist. Es resultiert eher aus der Kombination dieser

    Annahme mit der Newtonschen Vorstellung uber den Raum und die Zeit. Man kann

    sogar ganz exakt und explizit zeigen, wie das Einreihen der Gravitationskraft un-

    ter die scheinbaren Krafte die Geometrie der Raumzeit andert, so dass eine ganz

    bestimmte Krummung der Raumzeit erscheint.

    In diesem Teil der Vorlesung wollen wir die notwendigen geometrischen Begriffe

    und Eigenschaften einfuhren. Wir arbeiten dabei direkt mit der Dynamik - geometri-

    sieren die Dynamik sozusagen - so dass die Geometrie eine physikalische Bedeutung

    bekommt. Eine Bekanntschaft mit der Differentialgeometrie wird nicht vorausge-

    setzt. Auf diese Weise werden sowohl die relevanten geometrischen Begriffe und

    Tatsachen als auch die zentrale Idee der ART auf Grund bekanntes Materials der

    nichtrelativistischen Dynamik eingefuhrt.

    4

  • 1.3 Newton-Galilei-Raumzeit

    Es ist vorteilhaft, den dreidimensionalen Raum und die eindimensionale Zeit in eine

    einzige vierdimensionale Konstruktion zusammenzuschliessen, in die sog. Raumzeit.

    Dieser Schritt ist fur die Geometrisierung wesentlich. Wir wollen nun die Newton-

    schen Vorstellungen uber die Zeit und den Raum in Postulate uber diese Raumzeit

    (im Weiteren mit M bezeichnet) ubersetzen.

    Postulat 1.1 M ist ein topologischer Raum homeomorph zu R4. Elemente von Mheissen Ereignisse (oder Punkte).

    Mit Hilfe des Homeomorphisms kann man Koordinaten auf M aufstellen.

    Postulat 1.2 Auf MM ist eine Funktion T : MM 7 R definiert, welcheZeitabstand heisst. Ihre Eigenschaften sind:

    1. T (p, q) ist glatt, auf, und hat ein uberall nichtverschwindenden Gradienten

    (in Bezug auf die Koordinaten, welche oben definiert sind).

    2. T (p, q) = T (q, p), fur alle p und q,

    3. T (p, q) + T (q, r) = T (p, r), fur alle p, q und r.

    Es folgt, dass T (p, p) = 0, fur alle p. Der Zeitabstand ist mit einer absoluten Uhr

    von Newton zu messen.

    Wir konnen dann eine Zeitfunktion definieren, T : M 7 R, indem wir ein Ereig-nis p0 wahlen und setzen:

    T (q) := T (p0, q).

    Zwei verschiedene Zeitfunktionen konnen sich nur um eine additive Konstante un-

    terscheiden: sie ist T (p1, p2) gleich, wenn die zwei Zeitfunktionen mit den zwei

    Ereignissen p1 und p2 zusammenhangen.

    Auch die Zukunft (oder Vergangenheit) eines Ereignisses p lasst sich dann defi-

    nieren als {q M|T (p, q) > (

  • 1. fur jedes R gibt es eine Abbildung E : RR 7 V 3, welche wir bezeichnen so:E(p, q) = q p V 3. Es gilt:

    2. die Abbildung E(p, q) ist differenzierbar in beiden Argumenten,

    3. (p-q) = -(q-p),

    4. (p-q) + (q-r) = (p-r),

    5. sei p fest in R. Dann ist die Abbildung q p : R 7 V 3, welche q in V 3 sendet,bijektiv fur fedes p.

    Diese Struktur definiert also einen Abstand D(p, q) fur jede zwei gleichzeitige Ereig-

    nisse p und q durch

    D(p, q) :=

    (p q, p q) ,der durch Masstabe messbar ist.

    Ein allgemeines Bezugsystem in M ist durch einen Ereignis (Zeitanfang), je einenEreignis pro Gleichzeitgkeitsflache (der Ursprung) und ein kartesisches Achsenkreuz

    in jedem dieser Ereignisse gegeben. Man kann dann jedem Ereignis p eine 4-Zahl

    (x0, x1, x2, x3) zuordnen, wobei x0 = T (p) und T ist eine der Zeitfunktionen, und

    die Koordinaten x1, x2, x3 des Ereignisses im entsprechenden Achsenkreuz. Umge-

    kehrt bestimmen vier Zahlen (x0, x1, x2, x3) und ein allgemeines Bezugsystem ge-

    nau ein Ereignis in M. Die Beziehung zwischen Koordinaten (x0, x1, x2, x3) und(y0, y1, y2, y3) von einem Eregnis in zwei verschiedenen Bezugsystemen ist durch

    vier differentierbare Funktionen von vier Variablen gegeben.

    In der Newton-Physik spielen die sog. kraftefreien Bewegungen (KB) eine be-

    sondere Rolle: sie dienen zur Definition eines Inertialsystems (IS). Ein IS ist ein

    Bezugsystem mit der Eigenschaft: Die Bahn jeder KB hat in den entsprechenden

    Koordinaten die Form

    x = v + b, = 0, 1, 2, 3, (1.2)

    mit als Bahnparameter. Die zwei 4er-Vektoren v und b werden durch die KB

    definiert (bis auf affine Parametertransformation).

    Postulat 1.4 Es gibt mindestens ein IS.

    1.4 Die kraftefreien Bewegungen

    Manchmal werden die KB gerade dadurch definiert, dass sie in einem IS gleichformig

    und geradlinig aussehen. Damit wir keine Kreisdefinition bekommen, setzten wir

    voraus, dass eine dynamische Definition der KB moglich ist. Das heisst, dass man

    6

  • alle moglichen Krafte kennt und eliminieren kann. Beispielsweise werden elektroma-

    gnetische Krafte dadurch ausgeschaltet, dass man nur Probekorper zulasst, deren

    elektrische und magnetische Multipole alle verschwinden. Kontaktkrafte wie Rei-

    bung, Luftwiderstand usw. werden durch die Verwendung kontaktfreier Probekorper

    eliminiert.

    Studieren wir naher die Gleichung (1.2).

    1. Man sieht, dass eine und dieselbe KB verschiede Darstellungen vom Typ (1.2)

    haben kann. Wichtig ist nur der Weg, d.h. die Menge der Punkte in M, nichtaber die Werte des Parameters . Die Wahl des Parameters ist beliebig, be-

    schrankt nur durch die Bedingung, dass (1.2) linear ist. Damit wird bis auf

    eine affine Transformation bestimmt:

    7 = + , 6= 0.Man nennt einen affinen Parameter. Diese Willkurlichkeit in Beschreibung

    ist ein Preis dafur, dass wir die Zeit und die raumlichen Koordinaten auf eine

    symmetrische Weise behandeln wollen.

    2. Die Gleichungen (1.2) konnen durch vier Differentialgleichungen ersetzt wer-

    den:d2x

    d2= 0, . (1.3)

    Jede Losung x() hat die Form (1.2), und beliebige vier Funktionen der Form

    (1.2) losen umgekehrt das System (1.3).

    Die bedeutung der KB ist, dass sie bezuglich eines IS andere Beschreibungen haben

    als bezuglich eines Nicht-IS, so dass wir diese zwei Klassen von Bezugsystemen

    unterscheiden konnen. Welche Gestalt hat die KB in einem beliebigen Bezugsystem

    (BS)?

    Betrachten wir also ein IS K mit den Koordinaten x und ein Nicht-IS K mit x.

    Die Transformation zwischen diesen Koordinaten lautet im Allgemeinen

    x = x(x0, . . . , x3),

    und fur die Bahn einer KB haben wir

    x(x0(), . . . , x3()).

    Setzen wir diese Beziehung fur x() ein in die Gl. (1.3), erhalten wir

    x +3

    =0

    3=0

    x x = 0, (1.4)

    7

  • wobei

    =3

    =0

    x

    x2x

    xx.

    Es ist leicht zu zeigen, dass die so definierten Komponenten von unabhangig

    vom IS K sind. Die Koeffiziente werden eine wichtige Rolle weiter spielen. Man

    kann zeigen, dass sie mit den sog. scheinbaren Kraften zu tun haben (Aufgabe). Zu-

    sammenfassend: Die IS haben gleich null, die Nicht-IS aber nichtverschwindend.

    Die Differentialgleichung (1.4) der KB hat noch einen formal mathematischen

    Aspekt. Ihre Koeffizienten definieren ein geometrisches Objekt, einen sog. affinen

    Zusammenhang (AZ, engl. connection). Der AZ spielt eine wichtige Rolle in meh-

    reren Gebieten der Mathematik und der modernen theoretischen Physik. Beilspiels-

    weise sind die sog. Eichfelder oder Yang-Mills-Felder AZ.

    Als geometrische Strukturen der Newton-Raumzeit haben wir insgesamt

    1. Absoluter Zeitabstand in der Raumzeit (bestimmt durch die Uhr),

    2. Abstande und Winkel in den Gleichzeitigkeitsebenen (bestimmt durch die

    Massstabe),

    3. Affiner Zusammenhang in der Raumzeit (bestimmt durch die KB).

    Wir wollen im nachsten Abschnitt den AZ naher betrachten.

    1.5 Ein Affiner Zusammenhang

    1.5.1 Krummlinige Koordinaten

    Die allgemeinen BS der Newton-Theorie sind Beispiele von krummlinigen Koordi-

    naten, denn die Koordinatenlinien xk = const, k = 1, 2, 3, sind keine Geraden. Die

    Transformation zwischen zwei Systemen von krummlinigen Koordinaten ist nicht

    linear. Die Nichtlinearitat der erlaubten Koordinatentransformationen ist die wich-

    tigste neue Eigenschaft. Bisher hatten wir die Newton-Theorie, beherrscht von der

    Galilei-Transformation, und die Relativitatstheorie, beherrscht von der Poincare-

    Transformation. Diese Theorien sind linear. Wir beginnen an diesem Punkt vorsich-

    tig, das vertraute Land der linearen Theorien zu verlassen.

    Ein anderes Beispiel: die Kugeloberflache mit den spharischen Koordinaten und

    . Wenn und die Intervalle

    0 < < pi, 0 < < 2pi (1.5)

    durchlaufen, ist die ganze Kugeloberflache bedeckt bis auf das abgeschlossene Seg-

    ment

    0 pi, = 0. (1.6)

    8

  • Versuchen wir uber dieses Gebiet hinauszugehen, erhalten einige Punkte auf der

    Kugeloberflache mehrere Paare von Koordinaten: Der Pol = 0 beispielsweise lasst

    jeden beliebigen Wert von zu, usw. Man kann die ganze Kugeloberflache aber mit

    zwei verschiedenen Koordinatenkarten {1, 1} und {2, 2} bedecken, wobei dieentsprechenden Segmente (1.6) nicht uberlappen durfen. Auf diese Weise stossen wir

    auf den Begriff der Mannigfaltigkeit.

    Definition 1 Eine differenzierbare n-Mannigfaltigkeit ist ein topologischer Raum

    M und eine Familie {Ui} von offenen Teilmengen, welche M uberdecken:

    M =i

    Ui.

    Fur jede Teilmenge Ui gibt es einen Homeomorphismus (beidseitig stetige Bijektion)

    hi : Ui 7 Rn. Das Paar (Ui, hi) heisst Koordinatenkarte. Wenn zwei Koordinaten-karten uberlappen, Ui Uj 6= , dann ist die Abbildung

    hi h1j : Rn 7 Rn

    mit Definitionsbereich hj(Ui Uj) differenzierbar (C, d.h. alle Ableitungen stetig),und die Jacobi-Determinante der Abbildung verschwindet in keinem Punkt von hj(Ui Uj).

    Auf diese Weise hat man auf dem Uberlappungsgebiet Ui Uj zwei Koordinaten-systeme: {x}, das durch die Abbildung hi von Rn auf M gebracht wird, und{x}, das von hj stammt. Die Abbildung hi h1j ist auf hj(UiUj) Rn durch dieFunktionen x(x1, . . . , xn), = 1, . . . , n, reprasentiert, und die Jacobi-Determinante

    ist(x1, . . . , xn)

    (x1, . . . , xn).

    Wir wollen die Ableitungen der Transformationsfunktionen x(x1, . . . , xn) wie folgt

    abkurzen:x

    x= X .

    Bemerke, dass der Strich uber der Koordinate zu einem Strich uber dem Index wird!

    Wir werden im weiteren viel mit diesen Symbolen rechnen. Oft benutzte Beziehungen

    sindn

    =1

    X X =

    ,

    n=1

    X X =

    .

    Sie folgen aus der Kettenregel fur die Ableitung von zusammengesetzten Funktionen.

    9

  • 1.5.2 Kurven und Tangentvektoren

    Im ersten Teil der Vorlesung wollen wir uns hauptsachlich mit der Dynamik der

    Massenpunkte beschaftigen. Die Kurven, welche als Bahnen dienen, werden also zu

    einem Grundbegriff. Zunachst definieren wir eine Kurve.

    Definition 2 M sei eine n-Mannigfaltigkeit. Eine Kurve C ist eine Abbildung

    C : R 7M,

    stuckweise differenzierbar im folgenden Sinn: in den Koordinaten {x} wird die Ab-bildung durch n Funktionen x() dargestellt, und diese Funktionen sind stuckweise

    C.

    Aus der Definition folgt, dass die Funktionen x(), welche die Kurve C in anderen

    Koordinaten, {x}, darstellen, durch die Funktionen x() bestimmt sind:

    x() = x(x1(), . . . , xn()). (1.7)

    Hier sind die x(x1, . . . , xn) die Transformationsfunktionen von {x} zu {x}.Der Tangentvektor t zu C in einem Punkt p der Kurve wird durch seine Kom-

    ponenten bezuglich {x} bestimmt. Der Punkt p entspreche dem Wert 0 des Para-meters . Dann gilt

    t = x(0), = 1, . . . , n.

    Eine grosse Bedeutung in der Differentialgeometrie hat die Frage, wie sich eine

    Grosse transformiert, wenn die Koordinaten wechseln. Die Gleichung (1.7) gibt:

    t = x(0) =

    n=1

    x

    xx(0) =

    n=1

    X t.

    Somit ist der Tangentvektor ein Beispiel einer Grosse mit den Eigenschaften:

    1. Sie ist immer mit einem bestimmten Punkt p von M verbunden.

    2. Bezuglich den Koordinaten {x} um p ist sie durch n Komponenten (t1, . . . , tn)dargestellt.

    3. Diese Komponennten transformieren sich wie folgt

    t =

    n=1

    X (p) t.

    10

  • Eine solche Grosse heisst Vektor.

    Neu ist bei dieser Definition die Tatsache, dass jeder Vektor einen festen Hei-

    matsort hat. In der Speziellen Relativitatstheorie z.B. wird das nicht verlangt. In

    der Differentialgeometrie mussen wir einen Vektor immer mit einem bestimmten

    Punkt von M verbinden. Sonst wissen wir namlich nicht, wie er sich transformiert:

    die Matrix X ist nicht konstant auf M wie in der Speziellen Relativitatstheorie,

    weil die Transformation der Koordinaten im allgemeinen nichtlinear ist.

    1.5.3 Affiner Zusammenhang einer Mannigfaltigkeit

    Definition 3 M sei eine n-Mannigfaltigkeit. Durch physikalische oder geometrische

    Grunde werde eine Klasse von Kurven ausgesondert dergestalt, dass die Koordina-

    tendarstellung x() einer jeden solchen Kurve das System von Differentialgleichun-

    gen

    x +n

    =1

    n=1

    xx = 0, , (1.8)

    erfullt und jede Losung des Systems eine Kurve dieser Klasse ist. Dabei sollen die

    (x) C-Funktionen von x sein und es soll

    (x) = (x), x, , ,

    gelten. Dann definieren die Kurven einen AZ auf M . heissen Komponenten des

    AZ und die Kurven Autoparallelen des AZ.

    Das System (1.8) besteht aus n gekoppelten, gewohnlichen, nichtlinearen Diffe-

    rentialgleichungen 2. Ordnung. Sie sind alle aufgelost nach 2. Ableitungen; es ist

    also durch jeden Punkt p mit Koordinaten xp und jeden Vektor v in diesem Punkt

    genau eine Autoparallele bestimmt1. Sie erfullt (1.8) mit den Anfangsbedingungen

    x(0) = xp ,

    x(0) = v.

    Ferner ist die Differentialgleichung (1.8) invariant unter affinen Transformationen

    des Parameters . Die Parametrisierung der Autoparallelen ist demnach durch (1.8)

    hochstens bis auf eine affine Transformation festgelegt.

    Die Komponenten des AZ sind nur in Bezug auf die gewahlten Koordinaten be-

    stimmt. Unsere Frage, wie sich die Grossen denn bei einem Koordinatenwechsel

    transformieren, ist wieder fallig. Die Antwort ist in der Definition des AZ enthalten.

    1Wir benutzen einen Existenzsatz aus der Theorie der gewohnlichen Differentialgleichungen,

    siehe z. B. [2], S 501.

    11

  • Um sie zu finden, brauchen wir etwas mehr Technik. Es lohnt sich, diese Technik

    schon jetzt einzufuhren, da sie immer wieder benutzt wird.

    Wir definieren eine indexbehangte Grosse (IG) als eine mehrdimensionale Tabelle

    von Zahlen, den sog. Komponenten der IG, welche durch Indexwerte identifiziert

    werden. Z.B. ist t eine eindimensionale Zahlentabelle mit n Elementen (t1, . . . , tn),

    X eine zweidimensionale mit n2 Elementen und eine dreidimensionale. Jeder

    Index lauft durch die Werte {1, . . . , n}. Die Reihenfolge aller Indizes ist wesentlich.Es gibt Indizes, welche oben und solche, die unten beim Symbol der Grosse stehen.

    Die Anzahl p der oberen und q der unteren Indizes gibt den sog. Typ (p, q) der IG.

    So ist t von Typ (1, 0) und vom Typ (1, 2). Man hat die folgenden Rechenregeln

    fur die IG.

    Gleichheit Zwei IG sind gleich, wenn sie vom gleichen Typ sind und wenn jede

    Komponente der einen gleich der entsprechenden Komponente der zweiten ist.

    Die Gleichheit kann man so ausdrucken, dass man die Gleichheit der Kompo-

    nenten mit allgemeinen Indizes aufschreibt, z. B.

    A = B.

    Die Namen der Indizes rechts und links mussen ubereinstimmen. Die Gleichung

    A = B

    kann nur einen Sinn machen, wenn , , und , , und bestimmte Werte

    annehmen; dann bedeutet diese Gleichung, dass die betreffenden Komponen-

    ten gleich sind, aber nicht unbedingt die ganzen IG.

    Summe Zwei IG vom gleichen Typ konnen addiert werden und somit eine neue IG

    vom denselben Typ definieren, z. B.:

    Z = X + Y

    .

    Diese Gleichung stellt nichts anderes dar, als die Addition der entsprechenden

    Komponenten.

    Produkt Zwei beliebige IG vom Typ (p1, q1) und (p2, q2) konnen multipliziert wer-

    den. Das ergibt eine IG vom Typ (p1 + p2, q1 + q2), z.B.:

    Z = X B

    .

    Diese Gleichung ist eine Vorschrift, wie man eine Komponente von Z durch

    Multiplikation von Komponenten von X und B bekommt.

    12

  • Algebra Eine wichtige Beobachtung ist, dass die Rechnung mit den indexbehang-

    ten Grossen nicht Rechnung mit den ganzen Tabellen ist, ahnlich wie z. B.

    Matrixrechnung, sondern immer nur von und mit den einzelnen Komponen-

    ten. Die beiden eingefuhrten Operationen sind also die ublichen Operationen

    mit Zahlen. Deshalb gelten auch die Standardregeln dafur: je zwei kommuta-

    tive und assoziative Gesetze und ein distributives Gesetz.

    Verjungung Gegeben sei eine IG vom Typ (p, q), wobei p > 0 und q > 0, dann

    konnen wir eine IG vom typ (p 1, q 1) bilden, indem wir einen der oberenund einen der unteren Indizes wahlen, und die Komponenten mit gleichen

    Werten dieser Indizes summieren. Z.B.

    W =

    n=1

    Z .

    Je nach Wahl des oberen und des unteren Index konnen dabei verschiedene

    IG enstehen, und so ist es wichtig, alle Indizes explizit anzugeben. Es gibt

    einen besonderen Namen fur diese Summationsindizes: stumme, und fur die

    ubrigen: freie Indizes. Fur die Verjungung hat Einstein die folgende Regel

    vorgeschlagen: man lasst einfach das Summationszeichen weg. Beispielsweise

    schreibt man die IG W als Z . Das ist die sog. Einsteinkonvention. Diese

    Konvention verkurzt Rechnungen und macht Ausdrucke ubersichtlich.

    Die obigen Rechenregeln und Konventionen wollen wir jetzt anwenden, um das

    Transformationsgesetz fur die Komponenten des AZ zu berechnen. Wir haben also

    zwei Koordinatensysteme {x} und {x}. Eine Autoparallele C sei in Bezug auf {x}durch die Funktionen x() dargestellt. Diese Funktionen erfullen die Gleichungen

    (1.8). Dieselbe Autoparallele ist in Bezug auf {x} durch x() dargestellt. WelcheGleichung erfullen diese Funktionen? Wir wissen, dass

    x() = x(x1(), . . . , xn()).

    Berechnen wir die Ableitungen,

    x =

    n=1

    x

    xx = X x

    ,

    x =

    n=1

    x

    xx +

    n=1

    n=1

    2x

    xxx x = X x

    +X x x,

    und setzen in die Gleichung (1.8) ein, so erhalten wir

    X x +X x

    x + X

    xX x = 0.

    13

  • Durch die Anwendung des Kommutativgesetzes und des Distributivgesetzes erhalten

    wir

    X x + (X +

    X

    X

    ) x

    x = 0.

    Die linke Seite ist eine IG vom Typ (1, 0). Wenn wir sie mit der IG X multiplizieren

    und die Verjungung in den Indizes und durchfuhren, kommen wir zu

    x + (X X +

    X

    X

    X

    ) x

    x = 0.

    Diese Gleichung hat schon die Form von (1.8). Somit ist

    = X

    X

    X

    +X

    X

    , (1.9)

    und das ist das gewunschte Transformationsgesetz. Dieses Gesetz ist nichthomo-

    gen, wie wir erwarten sollten. Hatten wir namlich nur das erste Glied auf der rech-

    ten Seite, mussten die Komponenten des AZ bezuglich aller Koordinatensysteme

    verschwinden, sobald sie in einem System gleich Null sind. Der AZ der Newton-

    Raumzeit ist ein Gegenbeispiel: seine Komponenten verschwinden in den IS, aber

    nicht in beliebigen BS.

    1.5.4 Der metrische AZ

    Ein wichtiges Beispiel von AZ ist das folgende. Als Mannigfaltigkeit betrachten wir

    wieder die Kugeloberflache. Eine Sonderklasse von Kurven auf der Kugel besteht

    aus den Grosskreisen. Sie sind durch geometrische Eigenschaften unter allen anderen

    Kurven auf der Kugel ausgezeichnet. Definieren sie einen AZ? Dazu mussen wir die

    Differentialgleichung der Grosskreise finden.

    Kurvenlange

    p und q seien zwei beliebige Punkte auf der Kugel. Jede Kurve, welche p und q

    verbindet (Verbindende) hat eine bestimmte Lange. Die Grosskreise sind dadurch

    ausgezeichnet, dass ihre Segmente die kurzesten Verbindenden ergeben. Wir konnen

    also die Differentialgleichung der Hauptkreise als Euler-Lagrange-Gleichung eines

    bestimmten Variationsprinzips herleiten. Die Lange der Verbindenden wird die Rolle

    der Wirkung ubernehmen.

    Die Lange einer beliebigen Kurve C, welche in Bezug auf die Koordinaten und

    durch die Parameterdarstellung

    = (), = (), a b,

    gegeben ist, berechnen wir wie folgt. Die Beziehung zwischen den Koordinaten

    und auf der Kugel und yk, k = 1, 2, 3 in dem Euklidischen Raum E3, in dem die

    14

  • Kugel eingebetet ist, lautet

    y1 = r sin cos, (1.10)

    y2 = r sin sin, (1.11)

    y3 = r cos, (1.12)

    wo r Radius der Kugel ist. C hat somit in E3 die folgende Darstellung

    y1() = r sin() cos(),

    y2() = r sin() sin(),

    y3() = r cos().

    Ihre Lange L ist gegeben durch

    L =

    ba

    d

    (y1)2 + (y2)2 + (y3)2.

    Das Einsetzen fur die Funktionen yk() ergibt

    L =

    ba

    d

    r22 + r2 sin2 2.

    Fur eine allgemeine n-dimensionale Flache F in Em haben wir die Einbettungs-

    gleichungen (Analogie zu Gln. (1.10)(1.12)):

    yk = yk(x), k = 1, . . . , m,

    und die Kurve hat die Darstellung

    x = x(), = 1, . . . , n.

    Der Ausdruck unter der Wurzel wird zu

    (y1)2 + . . .+ (ym)2 =m

    k=1

    yk

    xyk

    xxx.

    Metrik

    Es lohnt sich, diesen Ausdruck zu studieren. Er ist eine quadratische Form in den

    Komponenten x des Tangentvektors zur Kurve. Die Koeffizienten der quadratischen

    Form bezeichnen wir durch g, d.h.

    g =

    3k=1

    yk

    xyk

    x. (1.13)

    15

  • Diese Gleichung bestimmt eine IG g in jedem Punkt x der Flachenicht nur

    langs der Kurve. Dieses Feld g(x) heisst Metrik auf der Flache F induziert durch

    ihre Einbettung in 3 . Eigentlich ist die Metrik unabhangig von der Kurve und kann

    zur Berechnung der Lange aller Kurven dienen. Wir konnen also diese Information in

    der Metrik speichern, was den Vorteil hat, dass man dazu nicht wissen braucht, wie

    die Mannigfaltigkeit im Euklidischen Raum eingebettet ist, insbesondere braucht sie

    nicht eingebettet werden. Ein Beispiel ist die Metrik des Euklidischen Raumes n

    selber.

    Die Komponenten der Metrik hangen aber von dem gewahlten Koordinatensy-

    stem ab. Berechnen wir diese Abhangigkeit. Wahlen wir neue Koordinaten {x} aufF . Die Transformationsformeln zu den alten Koordinaten sind

    x = x(x).

    Die Kettenregel ergibtyk

    x=yk

    xX .

    Wenn wir diese Gleichung in die Definition von g einsetzen, erhalten wir

    g = XX

    g.

    Das ist das Transformationsgesetz der Komponenten der Metrik. Es ist linear ho-

    mogen wie dasjenige fur Vektoren, nur etwas komplizierter.

    Tensoren

    Solche IG, welche mit einem Koordinatensystem verbunden sind und deren Kom-

    ponenten sich linear homogen transformieren, wobei die Koeffizienten der Trans-

    formation aus den Produkten der Matrixelemente von X oder X

    gebildet sind,

    reprasentieren die sogenannten Tensoren. Genauer, ein Tensor A vom Typ (p, q) ist

    eine Grosse, welche in jeden Koordinaten durch eine IG vom Typ (p, q) dargestellt

    wird. Das Transformationsgesetz von der Darstellung A...... in Bezug auf {x} undA...... in Bezug auf {x} lautet

    A...... = X

    . . .X . . . A

    ......,

    wobei die Matrix X

    p-mal und die invertierte X q-mal mit entsprechenden Indizes

    auf der rechten Seite vorkommt. So ein Tensor heisst dann auch vom Typ (p, q) oder

    p-fach kontravariant q-fach kovariant. Somit ist ein Vektor ein einfach kontravari-

    anter und die Metrik ein zweifach kovarianter Tensor. Die Summe p + q bezeichnet

    man als Stufe des Tensors. Diese Terminologie druckt gewisse Transformationseigen-

    schaften von physikalischen oder geometrischen Grossen aus und nichts mehr: ganz

    16

  • verschiedene physikalische oder geometrische Grossen konnen durch Tensoren vom

    gleichen Typ beschrieben werden. Beipiele von Grossen, welche kein tensor sind: ,

    X.

    Aus dem Transformationsgesetz folgt, dass jeder Tensor mit einem bestimmten

    Punkt der Mannigfaltigkeit verbunden ist, genau wie dies schon bei Vektoren be-

    sprochen wurde. Ein Tensorfeld ordnet dann jedem Punkt der Mannigfaltigkeit einen

    Tensor zu, der mit diesem Punkt verbunden ist. Ein Tensorfeld ist glatt, wenn die

    Komponenten einer seiner Koordinatendarstellung glatte Funktionen der Koordina-

    ten sind.

    Wir haben Tensoren als Grossen definiert, welche von IG in Bezug auf Koor-

    dinatensysteme dargestellt werden, und diese IG mussen sich von Koordinaten zu

    Koordinaten auf eine ganz bestimmte Weise transformieren. Wir konnen von Tenso-

    reigenschaften dann sprechen, wenn die Eigenschaften unabhangig von der Darstel-

    lung sind (in allen Darstellungen gelten). Einige Beispiele von Tensoreigenschaften

    folgen. Fur die IG haben wir einige Operationen eingefuhrt: Gleichheit, Summe,

    Produkt und Verjungung. Wenn wir die IG, welche Tensoren darstellen, durch diese

    Operationen in jedem Koordinatensystem kombinierenwerden dann daraus wieder

    Tensoren resultieren, d.h. werden die entsprechenden Transformationseigenschaften

    fur diese Kombinationen gelten? Wir wollen diese Frage jetzt fur die einzelnen Ope-

    rationen studieren.

    Gleichheit Zwei Tensoren S und T verbunden mit einem Punkt und vom glei-

    chem Typ seien in einem festen Koordinatensystem {x} durch zwei IG, S......und T ...... dargestellt, und diese IG seien gleich. Dann sind die Darstellungen

    der Tensoren in jedem Koordinatensystem gleiche IG. Das folgt daraus, dass

    die Transformationsgesetze fur die Komponenten gleich sind. Solche Tenso-

    ren nennen wir gleich. Auf diese Weise stimmt die Gleichheit der IG mit der

    Gleichheit der Tensoren uberein.

    Summe Betrachten wir lieber ein Beispiel. S und T seien zwei Tensoren verbunden

    mit einem Punkt und vom Typ (1, 2). Im Koordinatensystem {x} sind siedurch die IG S und T

    dargestellt. Diese IG sind vom gleichen Typ und

    konnen summiert werden:

    W = S + T

    .

    In einem anderen Koordinatensystem {x} haben wir zwei andere IG, S undT und ihre Summe kann durch W

    bezeichnet werden. Ist die Darstellung

    des Tensor W als eine solche Summe eindeutig? D.h., erfullen die IG W und

    W die richtige Transformationsregel? Rechnen wir:

    W = S + T

    = X

    XX

    S

    +X

    XX

    T

    ,

    17

  • weil S und T Tensoren sind. Nach den Rechenregeln fur die IG konnen wir

    jetzt die Transformationsmatrizen ausklammern:

    X

    XX

    S

    +X

    XX

    T

    = X

    XX

    (S

    + T

    )

    = X

    XX

    W

    ,

    und das ist das richtige Transformationsgesetz. Damit ist die Summe zu ei-

    ner Tensoroperation gemacht. Man kann Tensoren vom gleichen Typ (p, q)

    summieren, und die Summe hat wieder diesen Typ.

    Produkt Seien beispielsweise S und T Tensoren verbunden mit einem Punkt und

    vom Typ (2, 1) und (1, 1), und bilden wir die Produkte ihrer IG-Darstellungen

    in den obigen zwei Koordinatensystemen:

    V = S T

    , V

    = S

    T

    .

    Dann gilt:

    V = S T

    = X

    X

    XS

    X

    XT

    = X

    X

    XX

    XS

    T

    = X

    X

    XX

    XV

    Das Produkt ist also auch eine Tensoroperation, und man erhalt einen Tensor

    vom Typ (p1 + p2, q1 + q2) als Produkt der Tensoren vom Typ (p1, q1) und

    (p2, q2).

    Verjungung Nehmen wir den Tensor S vom vorigen Beispiel und berechnen die

    Verjungung der entsprechenden IG in den Koordinatensystemen {x} und{x}:

    U = S , U = S .

    Dann gilt

    U = S = X

    X

    XS

    = (X

    X)X

    S .

    Es gilt aber

    X

    X =

    .

    Also

    U = X

    S = X

    U,

    und die Verjungung ist eine Tensoroperation, welche den Typ (p, q) in den Typ

    (p 1, q 1) umwandelt.

    18

  • Symmetrie

    Die Metrik in jedem Punkt ist ein sog. symmetrischer Tensor. Aus der Definition

    (1.13) geht namlich hervor

    g(x) = g(x), x, , .

    Diese Eigenschaft bleibt bei jeder Koordinatentransformation erhalten:

    g = XX

    g = X

    X

    g = X

    X

    g = X

    X

    g = g

    .

    Aehnlich wie symmetrische konnen wir auch antisymmetrische Tensoren definieren:

    z. B. A ist antisymmetrisch, wenn A = A.Jede IG kann in Bezug auf zwei Indizes auf demselben Niveau (d.h. oben oder

    unten) eindeutig in seinen symmetrischen und antisymmetrischen Teil aufgespaltet

    werden. Beispielsweise sei B eine beliebige IG vom Typ (2, 1). Dann konnen wir

    schreiben

    B = S + A

    ,

    wobei

    S = S , A

    = A .

    S und A sind eindeutig durch die Komponenten von B

    bestimmt:

    S =1

    2(B +B

    ), A

    =

    1

    2(B B ).

    Eine oft benutzte Eigenschaft der symmetrischen und antisymmetrischen IG ist

    die folgende. Sei z.B. S symmetrisch und A antisymmetrisch. Dann gilt

    SA = 0.

    Ganz allgemein ist die Verjungung zwischen zwei symmetrischen und zwei antisym-

    metrischen Indizes immer gleich null. Beweis fur den obigen Fall:

    SA = SA = SA = SA.

    Wenn diese IG Tensoren in einem Koordinatensystem representieren, dann gelten

    alle Beziehungen in allen Koordinaten.

    Kontravariante Metrik

    Mit dem Tensorfeld g(x) ist ein anderes, die sog. kontravariante Metrik, verbunden.

    Diese wollen wir jetzt definieren.

    19

  • Die rechte Seite der Definitionsgleichung (1.13) fur die Metrik auf der Flache F

    kann als Skalarprodukt zweier Vektoren im E3 aufgefasst werden:

    3k=1

    yk

    xyk

    x= (~Y, ~Y),

    wo die Vektoren ~Y, = 1, 2, Tangentvektoren zu Kurven x1 = , x2 = const, bzw.

    x1 = const, x2 = auf der Flache F sind. Sobald die Koordinaten {x} ein erlaubtesSystem bilden (unabhangig sind), sind auch diese zwei Vektoren linear unabhangig.

    Die Determinante det g der Metrik g ist nicht anderes als die Gram-Determinante

    dieser Vektoren, sie darf also nicht verschwinden.

    Ganz allgemein gilt fur die symmetrischen kovarianten Tensoren T zweiter Stufe

    auf einer beliebigen n-Mannigfaltigkeit: Wenn die Determinante detT 6= 0 in Bezugauf ein Koordinatensystem {x}, dann ist detT 6= 0 in Bezug auf jedes beliebigeandere Koordinatensystem {x}. In der Tat, es gilt

    T = XX

    T.

    Das lasst sich als ein Matrixprodukt von drei n n Matrizen schreiben, wenn wirdie Matrizen T und X so definieren:

    T :=

    T11 T1n...

    ...

    Tn1 Tnn

    ,

    und

    X :=

    X11 X1n...

    ...

    Xn1 Xnn

    .

    Dann, offensichtlich,

    T = X>TX.

    Somit ist2

    detT = det2X detT. (1.14)

    X ist aber immer eine regulare Matrix, det2X > 0, und so ist sogar das Vorzeichen

    von detT unabhangig vom Koordinatensystem.

    Die Metrik g(x) im Punkt x, als Matrix betrachtet, hat also immer eine Inverse;

    bezeichnen wir die Elemente dieser Inversen durch g(x), d.h.

    g(x)g(x) = .

    2Wir benutzen den Satzt uber die Determinante eines Produktes von Matrizen, sieh z. B. [1],

    S. 133.

    20

  • Auf diese Weise wird eine neue IG g(x) in jedem Punkt und in bezug auf jedes

    Koordinatensystem definiert. Man kann zeigen (Aufgabe), dass die neue Grosse sich

    als ein Tensor vom Typ (2, 0) transformiert; sie ist als die sog. kontravariante Metrik

    bekannt.

    Allgemeine Definition der Metrik

    Bisher haben wir die Metrik nur auf den Flachen im E3 definiert. Eine allgemeine

    Definition der Metrik ist wie folgt.

    Definition 4 M sei eine n-Mannigfaltigkeit und g(x) ein symmetrisches nicht-

    ausgeartetes (det g 6= 0) Tensorfeld vom Typ (0, 2), das uberall auf M wohldefiniertund glatt ist. Dann heisst das Paar (M, g) eine Riemann-Mannigfaltigkeit und

    g(x) die Metrik auf M.

    Die Metrik definiert eine Art Skalarprodukt im Raum aller Vektoren in einem Punkt.

    Denn seinen V und U zwei Vektoren im Punkt p. Der Ausdruck g(p)VU ist

    ein Skalar, das linear von jedem der Vektoren abhagt und symmetrisch in Bezug

    auf Vertauschung der beiden ist. Es braucht nicht positiv definit sein; wir erlauben

    ausdrucklich auch indefinite Metriken.

    Definition 5 (M, g) sei eine Riemannsche n-Mannigfaltigkeit und C : [1, 2] 7M eine beliebige stuckweise glatte Kurve in M . Dann ist die Lange L(C) der Kurve

    definiert wie folgt:

    L(C) =

    21

    dg(x())xx, (1.15)

    unabhangig von der gewahlten Parametrisierung x() (die Lange ist nur fur nicht-

    negative Ausdrucke unter der Wurzel wohldefiniert).

    Um also Langen von Kurven auf einer Mannigfaltigkeit definieren zu konnen, ist es

    nicht notwendig, dass die Mannigfaltigkeit eine Flache im E3 ist. Allerdings sind alle

    solche Flachen Beispiele von Riemann-Mannigfaltigkeiten.

    Geodaten

    Wir wollen jetzt die Differentialgleichung der Verbindenden mit der extremalen

    Lange auf einer allgemeinen Riemann-Mannigfaltigkeit herleiten. Die Verbindenden

    heissen Geodaten und die Gleichung heisst die geodatische Gleichung. Die gewunschte

    Gleichung der Grosskreise auf der Kugeloberflache ist ein Sonderfall davon.

    Seien also p und q zwei Punkte auf einer Riemannschen n-Mannigfaltigkeit (M, g),

    {x} sei ein Koordinatensystem und C : [1, 2] 7 M eine beliebige Verbindendezwischen p und q, C(1) = p, C(2) = q, und x

    () die Darstellung der Kurve C in

    21

  • Bezug auf {x}. Die Lange von C ist durch das Integral (1.15) gegeben. Wir habenalso eine typische Variationsaufgabe mit festen Enden. Die Lagrangefunktion L ist

    L(x(), x()) =g(x())x()x().

    Die Losung x() ist durch die Euler-Lagrange-Gleichungen gegeben

    Lx

    dd

    Lx

    = 0.

    Rechnen wir:

    Lx

    =1

    2Lgx

    xx ,

    Lx

    =1

    2L(gx + gx

    ) =1

    Lgx,

    d

    d

    Lx

    =1

    Lgx +

    1

    Lgx

    xx 1L2 Lgx

    (alles unter der Voraussetzung, dass g(x)xx > 0 ist). Das Einsetzen in die Euler-

    Lagrange-Gleichung ergibt

    1

    Lgx +

    1

    Lgx

    xx 12L

    gx

    xx =1

    L2 Lgx .

    Wir konnen diese Gleichung nach den zweiten Ableitungen x auflosen, indem wir

    mit Lg multiplizieren:

    x +1

    2g(

    2gx

    gx

    )xx =

    d logLd

    x.

    Das zweite Glied auf der rechten Seite kann noch umgeformt werden. Die Klam-

    mer ist nicht symmetrisch in den Indizes und , wohl aber der Ausdruck xx.

    Somit spielt nur der symmetrische Teil der Klammer eine Rolle. Bezeichnen wir

    den so entstandenen Koeffizienten bei xx durch {}, das sogenannte Christoffel-Symbol. Dann haben wir

    {} =1

    2g(gx

    +gx

    gx

    ), (1.16)

    und

    x + {}xx =d logLd

    x. (1.17)

    Das ist die geodatische Gleichung.

    Ware die rechte Seite der geodatischen Gleichung Null, dann wurde diese Glei-

    chung formal mit der Gleichung (1.8) der Autoparallelen eines AZ ubereinstimmen.

    22

  • Warum ist die rechte Seite nicht null? Wir haben ein Funktional variiert, das die

    Lange einer Kurve darstellt und so invariant in Bezug auf beliebige Reparame-

    trisation der Kurve ist. Reparametrisation ist die Transformation des Parameters,

    beispielsweise = (). Auch die resultierende Gleichung hat diese Symmetrie. An-

    dererseits hat die Gleichung der Autoparallelen diese Symmetrie nicht; sie bestimmt

    jeweils eine Klasse von Kurvenparametern, die sog. affinen Parameter.

    Gibt es eine besondere Klasse von Parametern, fur welche die rechte Seite der

    geodatischen Gleichung verschwindet? Es mussen genau diejenigen Parameter sein,

    fur welche L = 0, also L = const. Wenn wir dies in den Ausdruck (1.15) fur dieLange einsetzen, erhalten wir

    s() =

    dL = L( ).

    also

    = s+ ,

    wo = L1 und s ist die Kurvenlange.Wir haben also das folgende Resultat. Die Geodaten auf einer Riemann-Mannig-

    faltigkeit, wenn sie durch ihre Lange oder durch eine Affintransformation davon

    parametrisiert werden, sind Autoparallelen eines AZ. Die Komponenten des AZ sind

    durch die Christoffel-Symbole gegeben. Dieser AZ heisst metrisch.

    Es ist wichtig zu bemerken: ein AZ braucht zu seiner Existenz keine Metrik. Die

    Mannigfaltigkeiten mit affinem Zusammenhang sind allgemeiner als Riemannsche.

    1.6 Cartan-Friedrichs-Raumzeit

    Wir sind jetzt mit Mathematik ausreichend ausgerustet, um endlich der Idee einen

    mathematischen Ausdruck verleihen, dass die Gravitationskraft eine scheinbare Kraft

    ist. Dazu schreiben wir zunachst das zweite Gesetz von Newton in einem allgemei-

    nen BS auf, so dass alle scheinbaren wie auch alle physikalischen Krafte in einer

    Gleichung erscheinen. Dann versuchen wir, die Grenze zwischen den Kraften anders

    zu ziehen als in der Newton-Theorie.

    Die Bewegung eines Massenpunktes mit Masse unter dem Einfluss einer Ge-

    samtkraft ~f ist, in Bezug auf ein IS {x}, durch die folgenden Gleichungen bestimmt:x0 = 0, xk = 1fk( x0)2. (1.18)

    ( x0)2 auf der rechten Seite ist die Korrektur dafur, dass nicht die Zeit und somitxk nicht die Beschleunigung ist (Punkt bezeichnet die Ableitung nach ). Wir haben

    eine spezielle Klasse der Parameter durch die erste Gl. (1.18) gewahlt: sie sind bis

    auf eine Affintransformation durch eine Zeitfunktion bestimmt.

    23

  • Die Transformation der linken Seite von (1.18) zu einem beliebigen BS (mit kar-

    tesischen Achsen!) ist dieselbe wie die Transformation der KB. Wir setzen (1.18) in

    die zweimal abgeleiteten Gleichungen

    x0 = x0 T, xk = xk(x0, x1, x2, x3)

    ein und erhalten

    x0 = 0,

    xk + kNxx = 1fk(x0)2, (1.19)

    wobei gilt

    fk = Xkl fl;

    N sind die Komponenten des Newton-AZ; Xkl

    ist eine (zeitabhangige) orthogonale

    Matrix. In der Gleichung (1.19) stehen die scheinbaren Krafte auf der linken Seite,

    die physikalischen auf der rechten.

    Die Gesamtkraft ~f kann in die Gravitationkraft und den Rest aufgespaltet wer-

    den:

    fk = k + F k, (1.20)wo das Newton-Potential ist. Setzen wir (1.20) in die Gleichung (1.19) ein:

    xk + kNxx = k(x0)2 + 1F k(x0)2.

    Wie erwartet, hat das Gravitationsglied die gleiche Form wie die geometrischen

    Glieder auf der linken Seite, inbesondere enthalt es keine Information uber das Pro-

    beteilchen. Wenn wir es zur linken Seite bringen, haben wir

    xk + (kN + 0

    0k)x

    x = 1F k(x0)2. (1.21)

    Die Koeffizienten der quadratischen Form auf der linken Seite der Gleichung (1.21)

    definieren einen neuen AZ, den wir Einstein-AZ nennen. Die Komponenten Edavon sind also gegeben durch

    0E = 0N = 0,

    kEmn =

    kNmn = 0,

    kE00 = kN00 + k,

    kE0l =

    kN0l. (1.22)

    Die Autoparallelen des Einstein-AZ sind die freien Falle der Newton-Theorie (F k =

    0).

    Wir haben auf diese Weise eigentlich eine andere Raumzeit erhalten. Sie hat

    wieder die drei Strukturen: die absolute Zeit wie Newton-Raumzeit, die E3-Struktur

    24

  • in den Hyperebenen der Gleichzeitigkeit wie Newton-Raumzeit, aber den Einstein-

    AZ anstatt des Newtonschen. Die Raumzeit mit dieser Geometrie heisst Cartan-

    Friedrichs-Raumzeit. In der Cartan-Friedrichs-Raumzeit wird also die Gravitation

    nicht mehr als ein Kraftefeld aufgefasst, sondern als ein Teil der Geometrie der

    Raumzeit.

    Die Gleichungen (1.21) und (1.19) sind mathematisch aquivalent: die Losungen

    davon beschreiben dieselben Bewegungen der Massenpunkte. Die messbaren Vorher-

    sagen haben sich nicht geandert. Trotzdem haben wir eine bedeutende Verschiebung

    in der Interpretation. Was in der Newton-Theorie eine Bewegung unter Einfluss der

    Gravitationskraft ist (freier Fall), wird in der Cartan-Friedrichs-Theorie eine krafte-

    freie Bewegung. War die Geometrie der Raumzeit in der Newton-Theorie starr und

    immer diegleiche, wird diese in der Cartan-Friedrichs-Theorie abhangig von der Ver-

    teilung der Massen.

    Betrachten wir beispielsweise die Bewegung eines Mannes, der auf dem Boden des

    Horsaals steht. Vom Standpunkt der Newton-Theorie aus ist diese Bewegung krafte-

    frei: die Gravitationskraft der Erde ist durch die Kontaktkraft der Oberflache genau

    aufgehoben. Aber vom Standpunkt der Cartan-Friedrichs-Theorie aus ist der Mann

    nicht kraftefrei: es wirkt die Kontaktkraft und sie beschleunigt den Mann nach oben.

    Die Beschleunigung ist jetzt direkt durch den AZ (die linke Seite von Gl. (1.21))

    definiert, nicht durch ein IS. Das rettet uns vom Paradox der sich aufblasenden Erde!

    Gibt es in der Cartan-Friedrichs-Theorie etwas Gleichwertiges zu den Inertialsy-

    stemen? Wir wollen dieser Frage jetzt nachgehen. Die formale Definition des IS geht

    von AZ aus und lautet: IS ist ein BS, in dem alle Komponenten des Newton-AZ

    uberall verschwinden,

    (x) = 0, , , , x. (1.23)

    Die Frage ist wichtig fur die losung des Problems mit der sich aufblasender Erde.

    Wenn es namlich ein kartesisches System x gabe, wo E verswindet, dann lautet

    Gl. (1.21)

    xk = 1F k( x0)2.

    Die Kraft F k ist die Kontaktkraft, welche uberall weg vom Zentrum der Erde ge-

    richtet ist. Dann mussen sich die Koordinaten xk der Oberflache andern genau in

    diese Richtung, und so wird sich die Erde wieder aufblasen. Es durften also keine IS

    dieser Art existieren.

    Ein Koordinatensystem, das Gl. (1.23) erfullt, heisst in der Differentialgeometrie

    global geodatisches System. Unsere Frage lasst sich also mathematisch formulieren:

    erlaubt der Einstein-AZ die Existenz von global geodatischen Systemen? Um diese

    Frage zu beantworten, brauchen wir wieder einmal etwas mehr Mathematik.

    25

  • 1.7 Krummungstensor

    Das Problem im vorhergehenden Abschnitt lasst sich allgemein und prazise wie folgt

    formulieren. Gegeben sei eine affin zusammenhangende n-Mannigfaltigkeit M . Seien

    die Komponenten des AZ in Bezug auf ein BS {x}. Gibt es Koordinaten {x}so, dass die entsprechenden Komponenten des AZ uberall verschwinden? Das heisst

    (x) = 0 x, , , .Das lasst sich umformulieren als die Aufgabe, die Transformationsfunktionen x(x)

    zu finden. Das Einsetzen in die Transformationsformel fur die s ergibt

    0 = (x) = X

    X

    X

    +X

    X

    .

    Das sieht aus wie eine schwierige Differentialgleichung fur die Transformationsfunk-

    tionen x(x). Wir konnen sie aber vereinfachen. Das letzte Glied konnen wir trans-

    formieren:

    X X = X

    (X

    ) = (X

    X

    ) (X )X =

    ( ) (X X )X = X XX .

    Einsetzen ergibt:

    XX

    X

    +X

    X

    = (

    X

    X )XX .

    Wir erhalten also die Gleichung

    2x

    xx= (x)

    x

    x. (1.24)

    Das ist ein lineares System von Differentialgleichungen fur die Funktionen x(x).

    Eine notwendige Bedingung fur die Losbarkeit dieses Systems erhalten wir, in-

    dem wir beide Seiten nach x ableiten und die Symmetrie in den Indizes und

    verlangen. Zunachst das Ableiten:

    3x

    xxx=

    (x)X

    +

    (x)X

    =

    (x)X

    +

    (x)

    (x)X

    =

    ((x) +

    (x)

    (x))X

    .

    Dabei haben wir fur X aus der Gleichung (1.24) eingesetzt. Die Symmetriebedin-

    gung ergibt

    (x) +

    (x)

    (x) (x) (x)(x) = 0.

    Der Ausdruck auf der linken Seite, den wir durch R abkurzen, spielt eine grosse

    Rolle in der Differentialgeometrie. Wir haben die zwei Satze:

    26

  • Theorem 1 M sei eine n-Mannigfaltigkeit mit AZ, und seien die Komponenten

    des AZ in Bezug auf ein beliebiges Koordinatensystem {x}. Eine IG R sei durchihre Komponenten in Bezug auf das System {x} wie folgt definiert

    R(x) = (x) (x) + (x)(x) (x)(x). (1.25)

    Dann ist R ein Tensor von Typ (1, 3), antisymmetrisch in den letzten zwei

    Indizes. R heisst Krummungstensor des AZ .

    Der Beweis ist direkt, wenn auch etwas muhsam: man benutzt die Transformations-

    formel (1.9) fur und jene fur die Koordinatenableitung. Alle Glieder, welche die

    zweiten und dritten Ableitungen der Transformationsfunktionen enthalten, heben

    sich gegenseitig weg!

    Theorem 2 Die notwendige und hinreichende Bedingung dafur, dass die Differen-

    tialgleichung (1.24) mindestens eine Losung in einer Umgebung U von p hat, lautet

    R(x) = 0 x U, , , , und .

    Wir haben nur die notwendige Bedingung bewiesen. Die umgekehrte Richtung ist

    schwierig. (Siehe z.B. [5]).

    Der AZ, dessen Komponenten sich so zu Null transformieren lassen, heisst inte-

    grierbar oder flach. Wir bemerken, dass R als Tensor entweder in allen Koor-

    dinatensystemen verschwindet oder in keinem. Die Integrabilitat eines AZ ist also

    eine koordinatenunabhangige Eigenschaft.

    Berechnen wir die Krummung der Cartan-Friedrichs-Raumzeit. Wir wollen fur

    den AZ die Beziehungen (1.22) in die Formel (1.25) einsetzen und die Tatsache

    benutzen, dass der Krummungstensor fur den Newton-AZ verschwindet. Wir erhal-

    ten beispielsweise fur die Komponenten R kE 0l0

    R kE 0l0 = lk

    E 00 0 kE 0l + kE l E 00 kE 0 E 0l= l(

    kN 00 + k) 0 kN 0l + kN l0 0N 00 + kN lr( rN 00 + r)

    ( kN 00 + k) 0N 0l kN 0r rN 0l= lk + (l

    kN 00 0 kN 0l + kN l N 00 kN 0 N 0l) + kN lrr k 0N 0l.

    (1.26)

    Die letzten zwei Glieder sind aber gleich Null, und die vier Glieder in der Klammer

    sind gleich der Komponente R kN 0l0 des Newton-Krummungstensors, welche naturlich

    verschwindet. Wir erhalten so

    R kE 0l0 = lk. (1.27)

    27

  • Auf analoge Weise konnen alle anderen Komponenten des Krummungstensors be-

    rechnet werden mit dem einfachen Resultat:

    R kE mln = R0

    E lmn = Rk

    E 0mn = Rk

    E l0m = R0

    E 0mn = R0

    E l0m = R0

    E 00l = 0. (1.28)

    Wie erwartet, ist also der Einstein-AZ krumm fur jedes inhomogene Gravitationsfeld;

    es gibt dort keine globalen IS.

    Es ist etwas uberraschend, dass die Krummung sozusagen nur in der Zeitrichtung

    existiert. Das deutet das Verschwinden aller rein raumlichen Komponenten R kE mlndes Tensors an. Wenn wir die Eigenschaft der Komponenten des Newtonschen AZ

    benutzen, dass nur kN00 und kN0l von null verschieden sind (Aufgabe) und das das-

    selbe fur den Einstein-AZ gilt, sehen wir schnell ein: die Geraden in jeder Gleichzei-

    tigkeitsebene (die ja der dreidimensionale Euklidische Raum ist) sind Autoparallelen

    des Einstein-AZ, genau wie des Newtonschen. Diese Eigenschaft wird allerdings in

    der relativistischen Theorie nicht mehr bestehen, weil Zeit und Raum sich dann nicht

    voneinander trennen lassen. Doch in denjenigen Fallen, wo die Newton-Theorie eine

    gute Approximation ist, wird die Krummung des Raumes immer einige Potenzen

    der Lichtgeschwindigkeit kleiner sein als in der Zeitrichtung.

    Was ist die Bedeutung der einzelnen Komponenten des Krummungstensors? Bis-

    her wissen wir nur, dass das Verschwinden des Krummungstensors die Existenz von

    IS garantiert. Das ergibt nur ein sehr grobes Verstandnis der Komponenten. Wir

    konnen auf die folgende Weise mehr erfahren.

    Welche ist die physikalische Bedeutung der Matrix R kE 0l0? Betrachten wir zwei

    Punkte, einen mit Koordinaten xm, einen anderen mit xm + xm. Die relative Be-

    schleunigung ak von zwei freifallenden Korpern durch diese Punkte ist

    ak = k(xm + xm) + k(xm) = kl(xm)xl = R kE 0l0xl.Die Komponenten des Krummungstensors ergeben also die Aenderung der Beschleu-

    nigung vom freien Fall bei Veranderung der Position. Auf der Erde nehmen wir

    solche relative Beschleunigungen wahr beispielsweise im Felde des Mondes als Krafte,

    welche die Gezeiten hervorrufen. Deshalb sagt man manchmal, der Krummungsten-

    sor der ART beschreibt die Gezeitenkrafte. Auch im allgemeinen Fall enthalten die

    Komponenten des Krummungstensors eines beliebigen AZ die Auskunft uber die

    relativen Beschleunigungen seiner Autoparallelen.

    1.8 Das Aequivalenzprinzip

    1.8.1 Galilei-Aequivalenzprinzip

    Die Newton-Mechanik konnte auf die Cartan-Friedrichs-Form gebracht werden und

    die Gravitation zur Geometrie der Raumzeit gemacht, nur wenn die fogende Vor-

    28

  • aussetzung erfullt ist:

    Galilei-Aequivalenzprinzip Die Bewegung eines beliebigen freifallen-

    den Probeteilchens ist unabhangig von seiner Zusammensetzung und

    Struktur.

    Dazu genugt, dass die Probeteilchen a) elektrisch neutral sind, b) ihre gravitative

    Bindungsenergie vernachlassigbar gegen die Masse ist, c) ihr Drehimpuls venachlas-

    sigbar ist, d) ihr Radius klein genug ist, damit die Inhomogenitaten im Gravitati-

    onsfeld keinen Einfluss auf die Bewegung haben. Das ist das so genannte Galilei-

    Aequivalenzprinzip (oder schwaches Aequivalenzprinzip). Die ersten Experimente

    (Pendelexperimente, Pisa-Turm war nur ein Gedankenexperiment) dazu waren von

    Galilei gemacht.

    Wir stehen nun vor zwei Problemen. Erstens, wenn die Gravitationseinwirkung

    auf alle Systeme, nicht nur auf die dynamischen Trajektorien, einfach von fallsch-

    bewegten Bezugsystemen stammt, musste man das Galilei-Prinzip verallgemeinern

    konnen: aber wie? Zweitens, eine vollstandige Abschaffung der IS ist nicht uberzeu-

    gend: die IS spielen eine allzu wichtige Rolle, inbesondere in der SRT und die SRT

    hat sich experimentell sehr gut bewahrt. Sie sollten nicht total fallsch sein, aber

    moglicherweise als eine Naherung weiter bestehen. Die Antworten auf beide Fragen

    sind verwandt. Wir brauchen ein bischen Mathematik.

    1.8.2 Geodatische Systeme

    Die Gleichung (1.27) zeigt, dass in der Cartan-Friedrichs-Raumzeit keine volle Ana-

    logie zu den IS existiert. Konnen wir die Bedingung (1.24) abschwachen und doch

    eine vernunftige Klasse von IS erhalten? Folgende Definition taugt dazu:

    Definition 6 M sei eine n-Mannigfaltigkeit mit dem AZ und p ein beliebiger

    Punkt von M . Das Koordinatensystem {x} heisst geodatisch in p, wenn

    (p) = 0.

    Theorem 3 Fur jeden Punkt p jeder affinzusammenhangenden Mannigfaltigkeit M

    gibt es mindestens ein Koordinatensystem, welches geodatisch in p ist.

    Beweis: Wahlen wir Koordinaten {x} um den Punkt p; die Komponenten des AZin Bezug auf {x} seien , und sei (p) 6= 0. Wir wollen zeigen, dass neueKoordinaten {x} existieren, so dass (p) = 0.

    Die Bedingung (p) = 0 ist aquivalent der Gleichung (1.24), beschrankt auf

    den Punkt p:2x

    xx(p) =

    x

    x(p)(p).

    29

  • Diese Bedingung ist erfullt durch die folgende Transformation

    x = x x(p) + 12(p)

    (x x(p))(x x(p)) (1.29)

    und so sind die Funktionen {x}, welche durch diese Transformation definiert wer-den, die gesuchten Koordinaten, WZZW.

    1.8.3 Lokale Inertialsysteme

    Was ist die physikalische Bedeutung der geodatischen Koordinaten im Cartan-

    Friedrichs-Raumzeit? Betrachten wir eine solche Raumzeit mit einem gegebenen

    Gravitationsfeld . Wahlen wir unseren Punkt p. Wahlen wir die Koordinaten auf

    eine kluge Weise: {x} sei ein IS in der entsprechenden Newton-Raumzeit. Dannhaben wir

    N = 0.

    Die Formel (1.22) gibt dann

    kE 00 = k,

    wobei alle anderen Komponenten von E verschwinden. Setzen wir das ein in die

    Transformationsformel (1.29), erhalten wir

    x0 = x0 x0(p),

    xk = xk xk(p) + 12k(p)

    (x0 x0(p))2 .

    Die Bahn des Ursprungs x = 0 ist

    xk = xk(p) 12k(p)

    (x0 x0(p))2 .

    Es ist die Bahn des freien Falles durch p um x0 = x0(p), wo die beiden Achsensysteme

    ubereinstimmen. Die relative Drehung der raumlichen Achsen ist durch die konstante

    Matrix gegeben

    X kl =xk

    xl= kl ,

    2xk

    xlx0= 0,

    denn die Koordinate xk ist nur im ersten Term der Transformationsfunktion enthal-

    ten. Somit ist das lokal geodatische System nichts als ein frei fallendes, nichtrotie-

    rendes System durch den Punkt p. Solche System nennen wir lokale Inertialsysteme,

    LIS.

    30

  • 1.8.4 Formulierung des Prinzips

    Welche Bedeutung konnen solche Systeme fur die Physik haben? Alle Grossen in

    unseren Ueberlegungen sind glatt. Wenn eine solche Grosse in einem Punkt p ver-

    schwindet, ist sie auch in einer ganzen Umgebung von p unmessbar klein. Dass heisst:

    wenn man sich auf genugend kleine Umgebungen in einer beliebigen affinzusam-

    menhangenden Mannigfaltigkeit beschrankt, dann ist der AZ (oder die Geometrie)

    beliebig genau durch einen flachen AZ approximiert. Anschaulich auf der Kugel: je

    kleiner die Umgebung von p, desto besser ist sie durch die Tangentialebene appro-

    ximiert. Diese Betrachtungen fuhren zu folgender Hypothese.

    Starkes Aequivalenzprinzip. Kein physikalisches Experiment, wel-

    ches mit einer beliebigen aber festen Genauigkeit innerhalb eines freifal-

    lenden nichtrotierenden Kastens durchgefuhrt wird, kann das Gravitati-

    onsfeld ausserer Quellen detektieren, wenn nur der Kasten genug klein

    und die Gesamtdauer des Experimentes genug kurz sind.

    Mit anderen Worten, der Einfluss der Gravitation auf physikalische Systeme oder

    Prozesse lasst sich mit beliebiger Genauigkeit durch eine passende Wahl des Ko-

    ordinatensystems lokal wegtransformieren oder herbeifuhren. Es muss sich aber um

    Systeme oder Prozesse handeln, welche genugend lokalisierbar sind, und zwar sowohl

    im Raum als auch in der Zeit.

    Dieses Prinzip ist die prazise Form unserer Behauptung, dass die Gravitation eine

    scheinbare Kraft ist. Das Prinzip hat aber auch eine grosse praktische Bedeutung.

    Mit seiner Hilfe konnen wir den Einfluss der Gravitation auf beliebige physikalische

    Systeme oder Prozesse vorhersagen, sobald wir wissen, wie man diese Systeme oder

    Prozesse in krummlinigen Koordinaten beschreibt.

    Das Prinzip hat mehrere schwachere Formen. Wenn die physikalischen Experi-

    mente so beschrankt werden, dass keine Versuche mit Gravitation zugelassen sind

    (d.h., das Gravitationsfeld der Messgerate und der benutzten Gegenstande fur das

    Experiment ohne Bedeutung ist), sprechen wir vom Einstein-Aequivalenzprinzip.

    Wenn wir die Experimente noch weiter nur zur Beobachtung der Bahnen von Pro-

    beteilchen in der Mechanik beschranken, dann heisst es Galileisches (schwaches)

    Aequivalenzprinzip. Das Einstein-Aequivalenzprinzip wird zur Grundlage der relati-

    vistischen Theorie der Gravitation.

    Das Aequivalenzprinzip (in jeder der drei Formen) ist heute wohl das am genaue-

    stens getestete physikalische Gesetz uberhaupt (siehe [4]).

    31

  • 1.9 Paralleltransport

    Eine der wichtigsten Aufgaben der globalen IS der Newton-Theorie bestand dar-

    in, den Vergleich der Werte von verschiedenen physikalischen Grossen in vonein-

    ander entfernten Punkten zu ermoglichen. Betrachten wir beispielsweise die Bahn

    x = x() eines Massenpunktes in einem beliebigen BS in der Newton Raumzeit.

    Seine Geschwindigkeiten zur Zeit t1 = t(1) und zur Zeit t2 = t(2) sind sind x(1)

    und x(2). Sind diese Geschwindigkeiten gleich oder verschieden? Aehnliche Fragen

    sind wichtig, wenn es z.B. um eine Impulsbilanz geht, usw. Das bekannte Rezept der

    Newton-Theorie ist: man soll die Geschwindigkeitsvektoren in ein IS transformieren

    und die entsprechenden Komponenten vergleichen. Diese Art Gleichheit ist offen-

    sichtlich unabhangig vom gewahlten IS wegen der Linearitat der Transformation

    zwischen zwei IS. So lassen sich eigentlich die Vektoren in verschiedenen Punkten

    des Mikowski-Raumes identifizieren, so dass ein gemeinsamer Vektorraum fur alle

    Punkte resultiert; man kann so auch Vektoren in verschiedenen Punkten addieren,

    wie man eben in Minkowski-Raum gewohnt ist. Auch lasst sich diese Definition der

    Gleichheit auf beliebige Tensoren ausdehnen.

    In der Differentialgeometrie heissen die Tensoren in verschiedenen Punkten, deren

    Komponenten in Bezug auf global geodatische Koordinaten gleich sind, nicht gleich,

    sondern parallel. Der Terminus gleich ist fur die gleichen Tensoren in gleichen

    Punkten reserviert. Wir wollen also weiterhin uber parallele Tensoren sprechen.

    Wann zwei Tensoren in zwei verschiedenen Punkten parallel sind, wird also auf

    einer flachen affinzusammenhangenden Mannigfaltigkeit durch ein global geodati-

    sches System bestimmt. Diese Systeme sind wiederum durch den AZ bestimmt. Es

    gibt aber einen direkten Weg vom flachen AZ zu Parallelitat: der sogenannte Pa-

    ralleltransport. Wir definieren den Paralleltransport zunachst fur einen Vektor. Fur

    andere Tensoren ist die Ueberlegung analog.

    Sei also (M,) eine flache affinzusammenhangende Mannifaltigkeit, p und q zwei

    Punkte darauf, und {x} ein beliebiges Koordinatensystem. Wahlen wir eine Verbin-dende C der zwei Punkte, d.h. C : [1, 2] 7M,C(1) = p und C(2) = q. In Bezugauf die Koordinaten {x} sei C durch die Funktionen x() gegeben. Sei weiter V ein Vektor in p. Dieser Vektor bestimmt einen zu ihm parallelen Vektor in jedem

    Punkt von C einschliesslich q. Das so erhaltenen Vektorfeld langs C wird durch die

    n Funktionen V () dargestellt: seine Komponenten bezuglich {x} im Punkt C()fur jeden Wert von . Dieses Vektorfeld langs C heisst der Paralleltransport von V

    langs C.

    Wir wollen den Paralleltransport direkt durch die bestimmen. Dazu fuhren

    wir ein beliebiges global geodatisches System {x} um C ein. Da verschwindet,

    32

  • folgt aus der Transformationsformel (1.9) fur AZ

    = XX

    .

    Nach der Definition der Parallelitat erfullen die Komponenten V () vom Parallel-

    transport in Bezug auf {x} die folgende GleichungdV

    d= 0.

    Wir haben

    V () = X V().

    Setzen wir fur V () die rechte Seite dieser Gleichung ein. Nach der Durchfuhrung

    der Ableitung ergibt sich:

    dV

    dX +X

    x

    V = 0.

    Durch Multiplikation mit X erhalten wir

    dV

    d+ (XX

    )x

    V = 0,

    alsodV

    d+ x

    V = 0 , (1.30)

    und das ist die gewunschte Beziehung. Sie heisst Gleichung des Paralleltransports

    langs C. (1.30) stellt ein System von n gewohnlichen linearen Differentialgleichungen

    1. Ordnung fur V () dar, welche nach den Ableitungen aufgelost sind. Ihre Losung

    ist also eindeutig durch den Anfangswert V (1) bestimmt, und so konnen wir aus

    den Werten von direkt parallele Vektoren in beliebigen zwei Punkten finden.

    Da der Paralleltransport nur durch bestimmt ist, kann er auf beliebige affin-

    zusammenhangende Mannigfaltigkeiten ausgedehnt werden.

    Definition 7 (M,) sei eine n-Mannigfaltigkeit mit AZ. {x} seien beliebige Koor-dinaten, und die Komponenten des AZ in Bezug auf {x}. Gegeben seien weitereine Kurve C durch die Funktionen x(), und ein Vektor V im Punkt x(1). Das

    Vektorfeld V () langs C, das eindeutig durch die Differentialgleichung (1.30) und

    den Anfangswert V bestimmt ist, heisst Paralleltransport von V langs C.

    Ein Beispiel dieses Paralleltransports ist das Vektorfeld, dass tangential zu einer

    Autoparallelen steht. In der Tat, die Gleichung der Autoparallelen ist ein Sonderfall

    der Gleichung des Paralleltransports, wobei der zu transportierende Vektor Tangente

    zur Kurve ist. Das erklart auch den Namen Autoparallele.

    33

  • Konnen wir nun durch diesen Paralleltransport auch auf krummen Mannigfaltig-

    keiten parallele Vektoren in verschiedenen Punkten definieren? Eine Schwierigkeit

    konnte darin bestehen, dass sich zwei Punkte durch mehrere Kurven verbinden las-

    sen. In der Tat, der Paralleltransport hangt in den krummen Mannigfaltigkeiten

    vom Wege ab:

    Theorem 4 (M,) sei eine n-Mannigfaltigkeit mit AZ. Ein infinitesimales Vier-

    eck sei durch seine Eckpunkte p = (x), q1 = (x + x1 ), q2 = (x

    + x2 ) und

    r = (x + x1 + x2 ) in den Koordinaten {x} gegeben. Die Komponenten des

    Krummungstensors im Punkt p in Bezug auf {x} seien R. Der Paralleltrans-port eines beliebigen Vektors V von p nach r via q1 sei V

    1 (r), via q2, V

    2 (r). Dann

    gilt es (mit Genauigkeit b