Als Soldat im 2. Weltkrieg - eisenstrasse.infoeisenstrasse.info/fileadmin/images/forschungsarbeiten/hbl2006_als... · Als Soldat im 2. Weltkrieg von Heimo Freunthaller So wie viele

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  • Als Soldat im 2. Weltkrieg

    von Heimo Freunthaller

    So wie viele sterreicher (Ostmrker) wehrfhigen Alters war auch ichim 2. Weltkrieg Soldat der Deutschen Wehrmacht. Bei der Stellung wurdedie Kriegsverwendungsfhigkeit festgestellt, die mir zugewiesene Waffengat-tung war die Artillerie.Als eines Tages die Einberufung kam, begleitete mich am 3. Okt. 1941 meinVater nach Wien. Dort hatten sich in einem Gastgarten im 2. Bezirk andereeinrckende Mnner in groer Zahl eingefunden. Mein Vater verlie michdort, der Abschied fiel uns schwer. War doch erst am 22. Juni desselben Jah-res sein erstgeborener Sohn, mein Bruder Walter, am 1. Tag des Russland-feldzuges gefallen.Aus eigenen Aufzeichnungen, Briefen und anderen Erinnerungen soll hier ei-niges davon wiedergegeben werden, was ich als Soldat erlebte, in einemKrieg, von dem ich tglich hoffte, er mge zu Ende gehen.

    Die Ausbildung

    Man brachte mich nach Olmtz (damals Protektorat Bhmen u. Mhren),wo ich in der Alt-Starhemberg-Kaserne bei der Leichten Artillerie Rekrutwar.04.10.41: Von unserem Stubenfenster aus geht der Blick zum Olmtzer

    Dom, dessen Turmuhr mit ernsten Schlgen das Weiterrcken derZeit verkndet.

    09.10.41: Der Dienst begann gleich ziemlich scharf mit Geschtzexerzie-ren. Noch stehen wir der Leichten Feldhaubitze recht ratlosund mit Missbehagen gegenber. Mir wurde die Rolle des Richt-kanoniers zugedacht. Ich mache vieles falsch, und es gibt auchschon Strafen, etwa mit dem Geschtz (zu 3 Tonnen Gewicht!)wie mit einem Schubkarren auf dem riesigen Kasernenhof vorge-gebene Strecken zurcklegen...

    12.10.41: Schrecklich ist der Fudienst. Damit ist das allgemeine Exerzie-ren gemeint. Es ist dies nur ein Mittel, uns zu schinden, zu jagen,zu erschrecken, mit einem Wort: uns williger, gefgiger zu ma-chen. Strafen blieben nicht aus...

    Die Fhrerschaft der Kaserne bestand aus Kommandeur, Batteriechef, Zug-fhrern und den Ausbildnern. Immer wieder gab es Besichtigungen des Aus-bildungsfortschrittes, gab es Kontrollen bei den gefrchteten Appellen, die

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  • bei festgestellten Mngeln hufig Anlass zu Strafen unterschiedlichster Artboten.3 Monate dauerte die Ausbildung als Rekrut. Wir erlebten dabei auch dasScharfschieen mit dem Gewehr, dann aber auch mit den Geschtzen (aufdem Truppenbungsplatz von Wischau).Zu Jahresbeginn 1942 musste ich nach Stockerau fahren zu einem AVT-Lehr-gang (Artillerie-Vermessungstrupp), der eher mit Schule (viel Mathematik)als mit Militr zu tun hatte. Einmal weg vom sturen Kommissdienst warhchst willkommen.11. 02.42: Kaum waren wir aus Stockerau wieder in Olmtz angekommen,

    stand auch schon der Spie (Hauptwachtmeister) da und befahl:Marsch, hinauf zum KOB-Lehrgang! (KOB, das hie Kriegs-offiziersbewerber). Es wurde mir gar nicht warm ums Herz. AlsAbsolvent einer Mittelschule kam man hier automatisch in denGenuss dieses Lehrgangs.

    Umgeben von miesen Ehrgeizlingen fhlte ich mich dort gar nicht wohl. DerKursleiter, ein Oberleutnant, verstand es durch seine zynische Art, einen zuerniedrigen, verchtlich zu machen...Freie Stunden aber bentzte ich, um in der Olmtzer Musikschule Klavier zuspielen, eine Mglichkeit, die mir der Direktor dieser Schule einrumte.Nach Ende des KOB-Kurses hatte ich berraschend den Schein zu einemkurzen Heimaturlaub in Hnden, aus dem ich jedoch sehr bald wieder tele-graphisch zurckbeordert wurde. Der Befehl war eingetroffen, ich sei binnenkrzester Zeit ans Feldheer abzustellen. Gleichzeitig befrderte man michzum Gefreiten.

    Der 1. Fronteinsatz

    Am 20. Mai 1942 begann die Fahrt in den Osten ber Lemberg, Kiew, nachKursk; unterbrochen von tagelangen Aufenthalten war ich nach mehr als 2Wochen endlich am Ziel.09.06.42: Heute bin ich endlich am Bestimmungsort eingetroffen. Die

    Truppe ist die 8. Batterie/III. Abt. des Artillerieregiments 102, zur9. Panzerdivision gehrend. Enttuscht bin ich, weil man michhier zur Schweren Artillerie steckte, obwohl ich bei der LeichtenArt. ausgebildet worden bin. Es gibt viel umzulernen. Die Leuteder Batterie sind Sachsen, ich bin hier der einzige sterreicher.Der Chef hat weder fr einen solchen noch fr einen KOB etwasbrig, was deutlich zu erkennen ist.

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  • Vom Geschehen in der Welt wusste ich nichts, wie es mit dem Krieg stand,wusste auch keiner zu sagen. Die Batterie lag zur Zeit in einem Auffri-schungsraum, wurde aber bald darauf verlegt, wo es wieder zu warten hie.Ich musste fleiig Wache schieben, jeden 2. Tag kam ich dran. Das sei hierso der Brauch, wenn ein Neuer kommt, sagte man mir. Man teilte mich beider S.F.H (= Schweren Feld-Haubitze) als K5 und K6 (= Kanoniere, die Gra-naten und Kartuschen zu schleppen hatten) ein, was arg viel Schwei kostete.An das Leben unter den Sachsen hatte ich mich bald gewhnt.22.06.42: Ein Gercht wird verbreitet: Es soll die Offensive Richtung Osten

    - wie im Vorjahr - fortgesetzt werden. Wir warten stndlich aufden Befehl zum Beziehen unserer Stellung.

    Und es ging wirklich los. Nach einem Feuerberfall zogen unsere Schtzen(=Infanteristen) in stlicher Richtung vor und nahmen in harten Kmpfen dieWinterstellungen der Russen, die teilweise stark vermint waren. RussischeFlugzeuge luden immer dort ihre Bomben ab, wo wir unsere Stellungen be-zogen hatten.02.07.42: Unser Batteriechef ist ein Draufgnger, am liebsten wrde er un-

    sere Geschtze vor die Schtzen stellen! Vorgestern hatten wir 4 Verwundete. Beim Durchkmmen des Gelndes in der Nhe derFeuerstellung wurde auf uns geschossen.

    Unsere Geschtze wurden von groen Ketten-Zugmaschinen gezogen. Tg-lich rollten wir weiter. Immer wieder der mhevolle Aufbau einer Feuerstel-lung, oft nur fr wenige Stunden, dann rumten wir wieder den Platz, um an-derswo wiederum aufzubauen. Gegen die russischen Flugzeuge musste mansich schtzen. Dazu hatten wir als erste Aufgabe nach Beziehen einer Feuer-stellung Splitterschutzgrben auszuheben. Feldkchen erreichten uns schonlange keine mehr, wir mussten sehen, wie wir uns verpflegten... Dann - es war am 8.7. - hatten wir ein Panzergefecht zu berstehen, bei demwir unseren gesamten Munitionsvorrat verschossen. Als am Tag darauf Un-mengen von russischen Tanks gemeldet wurden, wren wir allein zu schwachgewesen, gegen sie zu kmpfen. Die Division zog sich aus diesem Abschnittzurck, um an anderer Stelle wieder auf den Gegner zu stoen.14.07.42: Nach langer Fahrt im vom Gefecht aufgewhlten Land haben wir

    einen neuen Einsatzort bezogen...Ich hatte groes Glck: Eine russische Pak (=Panzerabwehr-kanone) schoss in unser aufgestelltes Zelt hinein, neben dem ichmich gerade aufhielt. Ich kam mit dem Schrecken davon...Und wieder Stellungswechsel. Russische Panzer hatten uns aufge-sprt und bedrohten uns zusehends...

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  • 17.07.42: Bomben in krzester Entfernung, dann noch nher, dann rund umuns herum. Man wei nicht mehr, wohin man sich verkriechensoll. Die Ratas (= russ. Kampfflugzeuge) sind nicht ungefhrlich.Sie tauchen erst in letzter Minute auf, weil sie so niedrig fliegen.Knapp vor unserem Geschtz entstanden riesige Bombenkrater...Seit gestern liegen wir am Don vor der Stadt Woronesch.

    22.07.42: Ich kann von einem Vorfall berichten: Als Kl (= Richtkanonier)hatte ich am Rundblickfernrohr eine Schussrichtung einzustellen,nach der das Geschtz geschwenkt werden sollte. Es herrschte einstarker Wind, ein Sturm an diesem Tag. Ich verstand das Kom-mando 135 Strich weniger! offenbar falsch, stellte nur 35Strich weniger ein. Der darauffolgende Schuss lag daher dane-ben. Der Batteriechef verpasste mir am Abend 2 Tage Arrest.Nach Meinung der Kameraden verdankte ich das der sterrei-cher-Aversion des Chefs.

    30.07.42: Als ich gerade mit dem Transport von Kisten beschftigt war, kammit Geheul eine Granate auf mich zugeflogen. Ich warf mich zuBoden und meinte, das Ende sei da. 5 Meter neben mir fuhr dieGranate in die Erde, detonierte und sandte die Splitter in die Ge-gend. Es war ein Wunder, dass ich nichts abbekam...

    03.08.42: Man hat mich zum Unteroffizier befrdert. Ja, so ist das mit demKOB. Man wird nicht gefragt, ob man Offizier werden will odernicht. Man kommt in ein Ausleselager, hat zu gehorchen. Wirdman als geeignet erkannt, erhlt man darber nicht einmal eineMitteilung. Man wird einfach weitergeschoben...

    Wir liegen etwas westlich unseres letzten Einsatzes in Ruhe. Es hie, hier amDon sei die Offensive zu Ende, es gehe nicht mehr weiter nach Osten. Aberwas wissen wir schon von der militrischen Situation! Man reimt sich selberalles zusammen. ...Hier hatte ich auch die Arreststrafe in einer Lehmkeusche abzusitzen...Die 9. Panzerdivision rollte nun nach Westen. Das neue Einsatzgebiet lagnrdlich von Kursk. Es musste am 10.8. gewesen sein: Die Russen waren um1/2 3 Uhr frh in der linken Flanke unserer Bereitstellung mit Artillerie- undPanzeruntersttzung in der Strke von 2 Bataillonen eingebrochen. Die 9.Panzerdivision hatte alle ihre Waffen sofort eingesetzt, um den Einbruch ab-zuwehren. Das gelang auch. Ein darauffolgender eigener Angriff aber schei-terte. Es war schier unmglich, die russischen Stellungen zu erstrmen.Selbst Artillerie - wir schossen aus allen Rohren - vermochte nichts. In eige-nen Kampfpausen antwortete der Gegner mit Granatwerfern, Artillerie, Pan-

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  • zern und Pak, die uns ohne Unterlass aus ihren eingebauten, nicht auszuma-chenden Stellungen behmmerten.Nach diesem Stand der Kampfhandlungen kam fr etliche von uns der Be-fehl: Rckfahrt in die Heimat! - Ich atmete auf, konnte es kaum glauben.Doch Fahrschein, Urlaubsschein drckte man mir in die Hand. Nach Ab-schied von den mir wohlgewogenen schsischen Kameraden gelangte ich vonOrel aus mit einem Fronturlauberzug bis Brest, dann nach Warschau undweiter bis Wien.

    Heimaturlaub und O.A.-Kurs in Brnn

    Nach den Fronterlebnissen in Russland konnte ich im wohlverdienten zehnt-gigen Urlaub so richtig abschalten. Ich verbrachte die Tage bei meiner Fami-lie in Waidhofen, auf einem Bauernhof in Lassing und mit Wanderungen inden heimatlichen Bergen. Ich hoffte, nicht wieder vorzeitig in das Kriegsge-schehen zurckgerufen zu werden.Anschlieend an die mir gegnnten, von mir reichlich auch mit Musikgentzten Urlaubstage hatte ich wieder einzurcken, diesmal nach BrnnMeine neue Einheit dort war die 2. schwere Artillerie-Abt.(mot.)109. Unter-gebracht war sie in der Schwarzen Felderkaserne. Dort hatte ich nun denOffiziers-Anwrter(O.A.)-Kurs durchzustehen, bei dem wir ganz hart herge-nommen wurden. Ich empfand diesen Kurs wie eine weitere Rekrutenzeit mitviel krperlicher Schinderei und Lernarbeit. Das Kursprogramm enthielt hr-testen Fudienst, Geschtzexerzieren, Gelndebungen mit Einsatz vonInfanteriewaffen, stndig Schiebungen, dazwischen Sport in jeder freienMinute. Ich entsinne mich eines Gewaltlaufens mit 1 Kilometer Telefonkabel(!) am Rcken, was mir letzte Kraftreserven abverlangte. Auch einen Reit-kurs und die Autofahrschule (Pkw, Lkw) hatte ich zu absolvieren.An manchen Abenden bot sich mir die Gelegenheit, im Brnner StadttheaterKonzerte oder Opernauffhrungen zu erleben. Selber musizierte ich mit HansWerner Gler, einem schon seit Russland guten Freund und vorzglichenGeiger. Wir verschafften uns die Mglichkeit, in der Musikschule Sonatenund Konzerte von Hndel und Mozart spielen zu knnen.

    Offizierslehrgang in Jterbog

    Stndig hatte man nach Befehlen zu handeln, eigenes Wollen war ausge-schaltet, Widerstnde wurden gebrochen. Es gab alle Arten von Sanktionengegen Fehlverhalten. So wurde ich nach den Wochen in Brnn einfach inmeiner Soldatenlaufbahn weiterkommandiert. In Jterbog (Kreis Potsdam)sollte ich in der Artillerieschule II (Lehrgang I/4) zum Offizier geformt wer-

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  • den. Die Ausbildung hier beanspruchte unsere ganze Kraft. Es gab riesig vielund Anstrengendes zu tun. Neben viel Unterricht hat man uns beim Fu-dienst, Geschtzexerzieren und Gelndedienst so richtig geschliffen.15.10.42: Ich bin hier fast ausschlielich von Offiziers-Anwrtern aus

    Preuen umgeben. Ich sprte, fr mich als sterreicher hatte mannur ein Nasermpfen brig. Auch hier sind sie zahlreich vertreten:die Kriecher, die Streber, Emporkmmlinge ...

    11.11.42: Heute sagte man mir, zum Offiziersberuf fehle mir noch das Sich-Hervortun. Ich msse mehr aus mir herausgehen. Doch ich nderemein Verhalten nicht; ich wei, wer ich bin. Ein Lump, in meinenAugen, der mehr gibt, als er hat.

    10.12.42: Nun ist der Lehrgang in der Waffenschule Jterbog zu Ende. Ichwurde, wie andere auch, zum Wachtmeister ernannt. Nach einerweiteren Frontbewhrung wrde meine Ernennung zum Leutnanterfolgen.

    Der 2. Fronteinsatz

    Nach einem kurzen Heimaturlaub hatte ich zurck nach Brnn zu fahren.Auch der Westfale H.W. Gler war wieder da, und wir fanden Zeit und Gele-genheit zum Musizieren. Mein Freund Gler war vom Soldatsein ebensowe-nig erfllt wie ich. Er wollte nach dem Krieg wie sein Vater Pastor werden.25.01.43: Es kam hier nach Brnn das Signal, das uns, Gler und mich, wie-

    der ins Feld hinaus rief. Das Ziel war Rschew in Russland.Wir fuhren bis zur Frontleitstelle Wolkowisk. Der Zug, der uns weiterbringensollte, wurde von Partisanen aufgehalten. Die Lokomotive war auf eine Mineaufgefahren, der Kessel war kaputt. Es war finstere Nacht, und die Partisanenbegannen, auf den Zug zu schieen. Wir hatten die Waggons zu rumen, eslag Schnee, und es war bitter kalt. Schon gab es auch Tote und Verwundeteim Zug. Erst nach dem Hellwerden konnte die Fahrt fortgesetzt werden. Undabermals hatten Streckenruber Minen eingebaut, die diesmal der Lokomo-tive nichts anhaben konnten, weil 2 Gterwaggons vorgekoppelt waren.Ich wurde von einer Leitstelle zur anderen geschickt, bis ich endlich den Be-stimmungsort erreichte. Gler hatte anderswohin zu fahren. Es war diesmaleine andere Batterie der 9. Pz. Division, der ich zugeteilt war. Dort hatte ichmich gleich gut zurechtgefunden. Es herrschte viel gute Kameradschaft. Wirwohnten in Erdbunkern, in denen wir frischgeflltes Birkenholz in kleinenfen verheizten, um uns zu erwrmen. Aus einem davorliegenden Schtzen-graben heraus hatten wir die gegnerischen Bewegungen zu beobachten.

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  • 04.02.43: Gestern erschreckte mich die Nachricht vom Fall der Festung Sta-lingrad. Was fr ein ungewisses und sicher bitteres Los wird dieMnner der geschlagenen 6. Armee erwarten? - Wie wird es mir,uns allen weiterhin ergehen? Wenn nur recht bald schon ein Ende aller Kmpfe herausschauen knnte! Mein sehnlichsterWunsch!

    Wochen waren verstrichen. Eines Abends wurden wir alarmiert. Die Russenhatten im Gebiet von Shisdra einen starken Einbruch erzielt. Unsere Batteriewurde eilends ins Kampfgebiet verlagert. Ich war als Nahbeobachter beieinem vorgeschobenen Geschtz und bei der 1. Kompanie des Schtzenregi-ments 10 in vorderster Front eingesetzt. Dort auf einer Anhhe waren wirdem Feindfeuer ununterbrochen ausgesetzt. Stndig schlugen Granaten ein,MG-Garben strichen ber unsere Stellungen, schwere Artillerie nahm unsschier den Atem. Aber wir harrten aus und verhinderten durch gut gezieltesFeuer den Durchbruch der Russen.15.03.43: Eine Granate zerplatzte mitten auf dem Haus, in dem ich mich ge-

    rade befand. Ich wurde unter Staub, Steinen und Balken begraben.Nur mit Mhe gelang es mir, aus dem Schutt hinauszukriechen.Nach ganz benommen stellte ich fest, dass ich unverletzt war.

    Dann hatte ich in vorderster Linie zu den Schtzen zu ziehen. Genau dortgriffen die Russen mit massenhaft viel Infanterie an, erzielten einen Einbruchin unsere Front, sodass sich unsere Schtzen zurckziehen mussten. Wir -meine 2 Funker und ich - sahen uns pltzlich alleingelassen. Im dichtestenKugelhagel setzten auch wir uns ab, dabei wre ich um ein Haar Opfer derrussischen Infanterie geworden. Beim darauffolgenden eigenen Gegenstowaren wir aber wieder dabei und konnten durch unser Geschtzfeuer dieRussen vertreiben.In der darauffolgenden Nacht war es bitter kalt. Unser Standplatz war ein ca.1m tiefes Loch, in dem 20 cm hoch das Wasser stand. Das Brot, unsere ein-zige Nahrung, war gefroren. Ein Schtze einer Nachbarstellung hatte eineSge, mit der wir uns Brotstcke vom Kommisswecken absgten. An Schlafwar nicht zu denken. Am kommenden Morgen begrte uns ein T 34 (Pan-zer). Er schien unsere Stellung erkannt zu haben. Einer meiner Funker wurdevon einem Granatsplitter am Kopf getroffen. Er war auf der Stelle tot. EinSanittstrupp, den wir anforderten, holte ihn erst nach Stunden. Mein 2. Fun-ker erlitt 3 Tage spter am selben Platz schwere Verwundungen. Das allesunter stndigem Strfeuer der Russen. Erst nach vielen Tagen kam die Abl-sung fr mich, dringend geboten nach den extremen Verhltnissen der ver-gangenen Tage. Schlaf, trockene Bekleidung und warmes Essen taten mir gut

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  • nach der Zeit im nassen, eisigen, dem feindlichen Feuer stndig ausgesetztenErdloch.27.03.43: Unsere Division begann einen Gegenangriff. Wieder musste ich

    als VB (= vorgeschobener Beobachter) am rechten Flgel der Ak-tion mit den Schtzen ziehen. Wir lagen unter strkstem Artillerie-und Granatwerferfeuer, wie ich es bis dahin noch nicht erlebthatte. Der Angriff kam kaum vom Fleck. Diesmal waren es dieSchtzen der 5. Pz. Div., fr die ich Artillerie-Untersttzung be-reitzustellen hatte. Ich meldete mich beim Kompaniechef, einemRitterkreuztrger; er war ein Ekel von einem Soldatenfhrer, einDraufgnger und Menschenschinder. Als ich ein Sperrfeuer aus-gelst hatte, weil die Russen angriffen, waren auch Kurzschssedabei, die zum Glck in den eigenen Reihen keinen Schaden an-richteten. Aber es gengte, um den Ritterkreuztrger in Wut zuversetzen. Er drohte mir, mich vor ein Kriegsgericht zu bringen.Die Streuung unseres Geschtzfeuers ist leider sehr gro. Es sindhalt schon alte, ausgeschossene Geschtzrohre, die lngst ersetztgehrten.

    Kurz darauf schrie mich ein anderer Chef der Infanterie an, ich sei ein Deser-teur, und wollte mich auch vors Kriegsgericht bringen, weil ich trotz ver-zweifelter Antennenmanver lange keine Funkverbindung mit meiner Feuer-stellung herstellen und Schiebefehle erteilen konnte. Noch einige Zeit langhatte ich die mir aufgetragenen Aufgaben zu erfllen, ehe ich abgelstwurde.29.03.43: Ich sitze in einem Russenhaus. Neben mir schreit ein kleiner Rus-

    senbub in der Wiege. Mge ihm eine friedlichere Zukunft beschie-den sein!

    04.04.43: Wir sind nun aus den Gefechten herausgezogen worden. ZwischenBriansk und Rosslawl haben wir in einem Dorf Quartier bezogen.Leider waren die Huser, die wir bewohnten, nicht frei vonUngeziefer (Wanzen). Doch eine Zeit der Erholung war unsgegnnt.

    Die Verwundung

    Dann hatte man mich unvermittelt als AVK (=Artillerie-Verbindungs-Kom-mando) in Ssenkowo beim Inf.Rgt 167 eingesetzt. Es waren anstrengendeTage mit viel Feindfeuer und Nchte mit unentwegten Bombendetonationenum uns herum. Ich hatte viele Beobachtungsaufgaben, ber die mir zu jederTages- und Nachtzeit Meldungen abverlangt wurden.

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  • Als ich am 16.5.1943 von einem Beobachtungsauftrag zurckkehrte, rasteteich an einem kleinen Wassertmpel. Da hrte ich ein seltsames Rauschen inder Luft. Es schwoll immer mehr an, und schon waren die ersten Einschlgeda, feurig, glhend, rot, grellwei, hei, links rechts vorne hinten! Ich warfmich auf den Boden, zog den Kopf ein und dachte nur mehr: Das ist dasEnde! Da bekam ich auch schon einen frchterlichen Schlag auf das linkeBein. Von neuem raste mit Geheul eine Reihe von Granaten der Stalinorgel(=Werfer) auf mich und meine Umgebung zu und whlte berall die Erdeauf. - Dann war Ruhe. Ich versuchte, mich aufzurichten, aber es gelang mirnicht mehr. Ich machte mich mit lautem Rufen bemerkbar. Gleich kamen Ka-meraden gelaufen und schleppten mich - ich hatte bereits groe Schmerzen -zu den Unterstnden... Ich wurde verbunden, lie mir mein Zeug geben, dasNotwendigste wurde in den Sanker (= Sanittsauto) geladen, der inzwi-schen eingetroffen war, und nachdem man mich verfrachtet hatte, ging es abzum Hauptverbandplatz in Beglutschowa.Dort erfolgten Operationen, Splitter wurden entfernt, das Bein schiente man.Viele Tage lag ich auf einem Strohsack, ich war nicht transportfhig. DieWunden vereiterten bald, die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Fieber tratauf und verlie mich vorerst nicht. Die rzte befrchteten eine Gasbrandin-fektion und sprachen schon von Amputation. Immer wieder wechselte manden Verband. Endlich wagte man, mich in ein Lazarett nach Orel zu schaffen.Dort zog man in die grte Wunde Gummistreifen ein, die den Abfluss desEiters erleichtern sollten. Nach etlichen Tagen beschloss man, mich mit einerJu 52 bis nach Smolensk zu fliegen. Von dort brachte mich nach Tagen einLazarettzug nach Radom in Polen. Ich lag dort in einem Saal mit ber 50Verwundeten aller Arten und Grade. Immer noch schwamm ich in Eiter, anSchlaf war vor Schmerzen kaum zu denken. In einer Nacht warf eine Partisa-nengruppe eine Handgranate in den Krankensaal. Gro war die Erregung, 2 Tote und etliche Verletzte waren zu beklagen.Wieder nach einiger Zeit brachte mich ein Lazarettzug nach Quedlinburg amHarz, wo ich im Lazarett betreut wurde, bis die Wunden halbwegs abgeheiltwaren. Mitte August folgte die Entlassung. Ich hatte darauf in meine alteGarnisonsstadt Olmtz zu fahren. Dort bewilligte man mir zunchst einenErholungsurlaub in Waidhofen. Auf der Fahrt dorthin sa im selben Zugab-teil der Dichter J. Weinheber. Er war sehr gesprchig und schwrmte vonfrher, als alles besser und schner war. Wir leben in einer Zeit der betroge-nen Hoffnungen. Was sich anfnglich als Segen und Erlsung zeigte,wandelte sich bald in Trug, in Enttuschung. Wie soll das enden?, so sagte er.

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  • Nach dem Urlaub hatte ich in Olmtz wieder Kasernendienst zu leisten. Ichwar inzwischen zum Leutnant befrdert worden. Fahrten zu Truppenbungs-pltzen in Bruck an der Leitha, Dllersheim und sogar nach Gro-Born(Pommern) zum Scharfschieen sind mir in Erinnerung. Dabei machte mirmein zerschossenes Bein arge Beschwerden. Bis es nicht mehr anders ging:Ich musste wieder ins Lazarett, diesmal in Olmtz im Kloster Radisch. Eswurde erkannt, eine gnstigere Narbenbildung muss erzielt werden. Zugleichsollten noch verbliebene Granatsplitter aus dem Bein entfernt werden. Am24.11. lag ich auf dem Operationstisch. Ein tief sitzender Splitter konnte wie-der nicht herausgeholt werden. (Diesen Splitter hatte erst 1989(!) Dr. Provaz-nik im Waidhofner Krankenhaus entfernen knnen. Die Narbe war in denlangen Jahren immer wieder aufgebrochen.)Es begann eine lange Zeit der Heilung. Es gab immer wieder Rckschlge(Fieber, Fistelbildungen, Abszesse, sogar Wunddiphtherie). Nur langsamging es aufwrts. Am 4.3.1944 gestattete der Heilungsfortschritt die Verle-gung in ein anderes Lazarett in Olmtz. Dort besuchte mich H.W.Gler, derliebe Freund. Er litt an Malaria und Gelbsucht und war rekonvaleszent wieich. Er war von Musik besessen, sein alleiniger musikalischer Leitstern hieJ.S. Bach. Die Theologie und die Bachmusik waren der Inhalt seines Lebens.Er kam mit der Violine, und wir musizierten im Lazarett, wo es zum Glckein Klavier gab. Als Patient nach einer Verwundung am linken Bein geselltesich ein weiterer Musiker zu uns. Es war Martin Keller. Er stammte aus einerhochmusikalischen Stuttgarter Familie. Sein Vater war Prof. Hermann Keller,der bedeutende Bachforscher und Herausgeber der Werke von J.S. Bach.

    Der 3. Fronteinsatz

    Nach meiner endgltigen Entlassung aus dem Lazarett und dem Ende einerlangen Leidenszeit teilte man mich in Olmtz zur Rekrutenausbildung ein.Freund Gler musste wieder ins Feld. Ich sollte ihn nie wieder sehen, denn erwurde ein Opfer dieses elenden Krieges. Er war ein wunderbarer, aufrechterund frommer Mensch.22.08.44: Die Zeit vergeht, noch bin ich hier in Olmtz bei intensiver Aus-

    bildungsttigkeit. Kein Einblick in das, was wirklich gespieltwird! Wie denn der Krieg eigentlich weitergeht, das frage ichmich. Verlieren wir oder siegen wir? Man hrt aus dem Ostenkeine frohe Kunde. Auch im Westen sind die Amerikaner seit dersogenannten Invasion ganz schn im Vormarsch begriffen.

    08.09.44: Nun erreichte mich die Feldabstellung. Ich muss wieder nachGro-Born (Pommern) zu einer Umschulung.

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  • Von Gro-Born gings zunchst nach Dllersheim und von dort nach Pilsen.Ich war einem hheren Stab als Ordonnanz-Offizier zugeteilt. Die Einheitnannte sich Volks-Artillerie-Korps 401. Das war eine Schwerpunktwaffe, be-stehend aus mehreren Abteilungen mit verschiedenen Geschtzkalibern.Im Oktober war es dann soweit, es ging wieder an die Front. Diesmal nachWesten.Mit der Eisenbahn brachte man das Artillerie-Korps (Geschtze, Munition,Fahrzeuge und Soldaten) in den Raum stlich von Saarbrcken. Auf denStraen rollte dann alles weiter in den Elsass hinein, bis wir Feindberhrunghatten. Es waren die vorstoenden Amerikaner, denen wir da gegenber stan-den, in einem Kampf von einem Dorf zum andern.16.11.44: Tage harten Kampfes liegen hinter uns. Tag und Nacht bin ich un-

    terwegs, um Meldungen und Befehle zu berbringen und die ver-schiedensten Auftrge in unbekanntem Land zu erledigen. JedenTag befinden wir uns in einem anderen Ort. Bald gibt es einenVorsto, bald ein Zurckweichen. Gekmpft wird fast nur aufLandstraen. Die Ortschaften lsst man im Allgemeinen in Ruhe,die Bevlkerung wird geschont. Lieber berlsst man alles denAmerikanern freiwillig, als dass man es verteidigt.

    28.11.44: Am Abend eines ereignisreichen Tages. Es gab in letzter Zeit zahl-reiche Kmpfe im Elsass und hier nun in Lothringen. Die Bevl-kerung ist freundlich und versorgt uns gut. Sie wei, dass wir sieschonen. - Wie wir hren, ist der Krieg im Osten schon auf deut-schen Boden vorgedrungen. Wir haben keine Ahnung, wie es mitdem Krieg steht. Man trstet uns damit, dass groe Ereignissebevorstehen. Neue Waffen sind entwickelt worden und sollten ein-gesetzt werden.

    12.12.44: Wir wurden inzwischen in die Eifel verlegt. Dort sammeln wir unsvor neuen Aufgaben. Das Wetter ist meist trb, und das ist gut,denn da bleiben die Flugzeuge weg. Ich hatte viele Fahrten zu un-ternehmen, zu den verschiedensten Kommandostellen und Stbenberall umher. Man sprt, es wird eine grere Aktion auf deut-scher Seite vorbereitet.

    Dann hatte tatschlich die letzte groe deutsche Offensive in den Ardennenbegonnen (25.12.44). berall war Schnee gefallen, was den Vormarsch sehrbehinderte. Leider klarte auch der Himmel auf, und schon waren auch dieamerikanischen Jabos (= Jagdbomber) da, die Schrecken des westlichenKriegsschauplatzes.

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  • 03.01.45: Vor Bastogne ist alles steckengeblieben. Die Amerikaner beherr-schen den Luftraum. Stndig sind wir von den Jabos bedroht, sietauchen unvermittelt auf, ganz niedrig fliegend, beschieen unsmit Bordkanonen und werfen Bomben. Ununterbrochen heult ihrMotorenlrm ber unseren Kpfen. Wir liegen meist in Deckung.Die Flak (= Fliegerabwehrkanonen) trauen sich nicht zu schieen.Im Handumdrehen wre ihre Feuerstellung entdeckt und durchBombenwrfe ausgeschaltet... Zum Schreiben in meinem Tage-buch reicht die Zeit nicht. Auch die Energie fehlt mir dazu.

    16.01.45: Die Schlacht um Bastogne ist verloren, alles wurde zurckgenom-men. Ich meine, das war Deutschlands letzte Chance, und nunsollte endlich nach Frieden getrachtet werden, ehe der Krieg aufdeutschen Boden bergreift. Ist denn bei den Heerfhrern das Ver-antwortungsgefhl so klein? Wann hrt diese Sinnlosigkeit auf?Ich hre in den Nachrichten des Rundfunks: Luftangriff auf Wien!Angriffe der Russen in Ungarn! Da sind sie ja von sterreichnicht mehr weit weg!

    23.01.45: Wir bangen alle um unsere Angehrigen. Im Osten sind die Rus-sen bereits tief in deutsches Gebiet eingedrungen. Hier sitze ichzur Zeit in einer Mhle in der Eifel und schreibe diese wenigenZeilen. Lngst drngte man uns wieder aus Belgien heraus.

    07.02.45: Eine schtzende Hand war wieder einmal ber mir: Auf einer Er-kundungsfahrt auf einem Ketten-Krad bemerkten uns 2 Jabos. Siedrehten eine Kurve und kamen zurck. Wir - der Fahrer und ich -warfen uns in den Straengraben, das Fahrzeug fuhr allein weiterund landete auch im Graben. Da prasselten schon die Einschlgeder Bordwaffen rund um uns herum in den Erdboden. Die Straewurde der Lnge nach aufgerissen. Jetzt sah ich sie kommen, dieBomben! Sie rauschten herunter, eine davon prallte dicht nebenmir auf und wurde dann oberhalb der Bschung auf die Wiese ge-schleudert, wo sie sofort explodierte. Andere Bombendetonatio-nen rundherum sandten einen gefhrlichen Splitterhagel ber unshinweg.

    Und wiederum holte man uns in einen anderen Einsatzraum, diesmal nachNorden, wo heie Kmpfe an der hollndischen Grenze begonnen hatten.Flugzeuge lieen uns auch dort nicht ungeschoren. Wir mussten uns letztlichzurckziehen.03.03.45: Alles geht dem Ende zu. Was man da aus vielen Teilen Deutsch-

    lands und aus sterreich an Nachrichten hrt, ist angsterregend.

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  • Auch wir haben viel zu erleiden, die Zivilbevlkerung ist in tau-send ngsten. Ich musste das Zusammenstrzen der Kirchtrmevon Xanten sehen, die von Bomben getroffen wurden. Niemandwei, wo der Bombenregen das nchste Mal niedergeht.

    Bei Nacht hatten wir in Schlauchbooten den Rhein zu berqueren, gelangtenins Ruhrgebiet, zogen uns dort, hinhaltend kmpfend, von einer Stadt zur an-deren zurck. Wo wir gestern waren, waren heute schon die Amerikaner.Auch die Zivilbevlkerung war - soweit wir sie zu sehen bekamen - untrst-lich ber ein solches Ende.

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    Hier enden auch meine Aufzeichnungen. Ich kann ber das, was folgte, nuraus der Erinnerung berichten.In der Gegend von Iserlohn lieen wir am 16.4.1945 unsere Fahrzeuge ste-hen. Der Krieg war fr uns beendet! Nur mit dem Notwendigsten ausgerstetzogen wir zu Fu, immer auf der Hut vor den Amerikanern, durchs Sauer-land und Rothaargebirge in sdlicher Richtung davon. Jeder wollte in seineHeimat. Wir bewegten uns nur in den Nchten, tagsber blieben wir in einemVersteck. Aus entlegenen Bauern- oder Forsthusern wurde uns gerne heim-lich Verpflegung geschenkt.In einer Nacht aber stieen wir leider in dem Drfchen Momberg (Kurhes-sen) auf eine amerikanische Streife, die uns sofort gefangen nahm. (6.5.1945)

    Die Kriegsgefangenschaft

    Mit einem LKW brachte man uns in ein Lager ohne jedes Dach nach BadHersfeld, wo schon viele deutsche Soldaten versammelt waren. Dort, hinterhohem Stacheldraht und Wachtrmen, blieben wir einige Zeit, ehe man unsnach Kreuznach - wieder in ein Massenlager ohne Dach ber dem Kopf- undschlielich ins Lager Biebelsheim am Rhein schaffte. Die sterreichertrennte man gleich von den brigen Gefangenen. Ich traf dort auch 2 Waid-hofner. Wir hofften auf baldige Entlassung. Aber wir tuschten uns. Es gabviel zu wenig zu essen, Hunger plagte uns. Wir pflckten Gras und kochtenes auf primitive Weise, selbst Regenwrmer verschmhten wir nicht. VieleGefangene erkrankten, einzelne starben an der Ruhr, die sich rasch im Lagerausbreitete. Eines Tages befrderte man uns in Viehwaggons mit der Bahnnach Romilly sur Seine in Frankreich. Der Lagerkommandant, ein Franzose,machte uns das Leben zur Hlle. Unsere wenigen Habseligkeiten wurdenimmer wieder gesiebt; immer war etwas dabei, das wir nicht weiter besitzendurften. In Romilly mussten wir ein zerstrtes Flughafengelnde subern und

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  • die riesigen Trmmer eines Hangars wegrumen. Es gab hrteste Arbeit, unddabei hatten wir alle keine Kraft mehr.Nach einigen Wochen landete ich im Lager Mailly-les-Camps. Dort - nunwieder in amerikanischer Obhut - blieben wir bis spt in den Herbst. Auchdort gab es schwere Arbeit. Daneben aber entwickelte sich ein reger Kultur-betrieb unter den Gefangenen. Etliche Wissenschafter, Professoren, Knstleru.a. waren darunter. Vortrge, Kurse in allen mglichen Fachgebieten, auchChormusik kamen zustande. Und alles wurde freudig begrt und lie unsdas Los, ein Gefangener sein zu mssen, leichter tragen.Im Dezember kam ich aber in das Sammellager Stenay, in der Nhe von Ver-dun. Von dort begannen nach und nach die Entlassungen aus der Kriegsge-fangenschaft. Nicht wenige Soldaten wurden damals bereits in die Heimatgeschickt. Wie glcklich sie alle waren! Wir vergnnten es jedem, hier her-auszukommen.Kurz vor Weihnachten wurde ich krank. Es sah wie eine Grippe aus, und manschaffte mich in die Krankenabteilung. Zur selben Zeit fuhr der Zug, dermich mitnehmen sollte, in die Heimat. Aus der Grippe wurde eine bseKrankheit: Lungenentzndung, Rippenfellenentzndung, Stimmbandlh-mung. Mit einem Sanittsauto brachte man mich in eine Lazarett der Ameri-kaner in Lerouville. Etliche Wochen behandelte man mich dort, ehe ich ineinem Lazarettzug nach Regensburg fahren konnte, wo ich wiederum ineinem Lazarett auf meine endgltige Entlassung zu warten hatte. Diese er-folgte am 16. Mrz 1946.

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    Was hier festgehalten wurde, ist sicher nicht sensationell. Aber es ist haltauch eines der ungezhlten Soldatenschicksale im 2. Weltkrieg.

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