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Herausgegeben von Dezember 2011 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558 Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB 12 HEISSES EISEN „SCHULDENBREMSE“ GEMEINSAM: AUFBRUCHSSTIMMUNG • GÖD: RISSE IM BETON • TRARI- TRARA – DIE POST WAR DA

Alternative Dezember 2011

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Monatszeitschrift der UG

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Page 1: Alternative Dezember 2011

Herausgegeben von

Dezember 2011

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558

UnabhängigeGewerkschafterInnenim ÖGB

12

HEISSES EISEN„SCHULDENBREMSE“

GEMEINSAM: AUFBRUCHSSTIMMUNG• GÖD: RISSE IM BETON • TRARI-TRARA – DIE POST WAR DA

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Menschenrechtspreis 2011

Der diesjährige Menschenrechtspreis für besondere Verdienste um die Umsetzung der Menschenrechte in Österreich wird an Michael Genner verliehen.

Er kämpft mit seinem Verein „Asyl in Not“ unermüdlich und mit großem Engagement für die Wahrungdes Menschenrechts auf Asyl. Schon seit über zwanzig Jahren ist er als Rechtsberater in Asylverfahrentätig und hat zahlreichen Menschen geholfen, ein Leben ohne Angst vor Abschiebung und Verfolgungzu führen. Er verbindet konkrete Rechtsberatung mit seinem kontinuierlichen politischen Kampf gegenein menschenfeindliches Rechtssystem. „Denn es gibt noch viel zu tun, viel Unrecht gehört weggeräumt– und vielleicht kommt ja doch eines Tages, ganz unerwartet, wie so oft in der Geschichte, die große Ver-

änderung, zu der ich meinen bescheidenen Teil beitragen darf“ (Michael Genner in einem Text zu seinem 63. Geburtstag). Die feierliche Preisverleihung findet in Kooperation mit this human world am 10. Dezember 2011 ab 19 Uhr in der Ovalhalle,

Museumsquartier, statt. Das Team der Liga freut sich gemeinsam mit Michael Genner über zahlreiches Erscheinen.

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daten & taten

Ernst Obczovsky ist am 28. Oktober 2011 im 72. Lebensjahr nach einer schweren Operation gestor-

ben. Ernst, der seit seiner Elektrolehre bei Brown-Boveri Mitglied der Gewerkschaft war, ist sein gan-

zes abwechslungsreiches Berufsleben den Gedanken der Solidarität treu geblieben. Ernst war einer

der Leisen und Bescheidenen, er hat sich nie in Funktionen gedrängt, aber wenn ihn seine Fraktion

die GE und später die AUGE brauchte, war er stets zu Stelle. Ernst, mit seiner Fröhlichkeit und Hilfs-

bereitschaft, wird uns fehlen. Unser Mitgefühl ist bei seiner Familie.

Kritische LiteraturtageVom 4. bis 5. November 2011 fanden im ÖGB-Gebäude zum zweiten Mal die „Kritischen Literaturtage“ statt.

Zwei Tage lang konnten die BesucherInnen bei der Literaturmesse abseits des kommerziellen Mainstreams in Büchern vonüber fünfzig Verlagen schmökern. Zahlreiche Buchpräsentationen und Lesungen von El Awadalla, Gerhard Ruiss, SusanneScholl oder Richard Weihs ließen das BücherliebhaberInnenherz höher schlagen. KollegInnen des Instituts Theater-, Film- undMedienwissenschaft präsentierten zum Beispiel den Sammelband „Jura Soyfer – ein Studienprojekt“, der den in Vergessen-heit geratenen österreichischen Dramatiker einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen will. Reges Interesse wecktenauch die zahlreichen Infotische von Gewerkschaftsorganisationen und sozialen Initiativen wie Attac, Amnesty International,der Jura Soyfer Gesellschaft, der Österreichisch-Kubanische Gesellschaft oder die Wiener Friedensbewegung. Auch dieses Jahrwar die UG mit VertreterInnen ihrer Säulen an beiden Tagen mit einem Infostand vertreten.

Höhepunkt war der Poetry Slam mit Mieze Medusa – die teilnehmenden SlammerInnen texteten bei dem literarischen Vor-tragswettbewerb zum Thema „zeit? arbeit? geld?“. Das Publikum kürte Yasmine Hafedh und Markus Köhle zu den SiegerIn-nen. Für diejenigen, die das versäumt haben: auf http://www.poetryslam.at/ finden sich aktuelle Poetry Slam-Termine. Ein-ziger Wermutstropfen blieb die geringe BesucherInnenzahl und der geringe Bekanntheitsgrad. Nichtsdestotrotz freuen wiruns auf die nächste KriLit 2012 – mit hoffentlich vielen Verlagen und Organisationen und einem höheren Bekanntheitsgrad.Die alternative Literaturmesse hat es sich verdient. Rückblick: www.krilit.at und www.flickr.com/photos/augeug/

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Aktuell

Kommentar: Große Staatsschulden gibt es nicht . . . . . Seite 3Schwachsinn Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . Seite 5

Gewerkschaft & Betrieb

GÖD: Risse im Beton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10Krankenanstalten: Kein Plan B? . . . . . . . . . . . . . Seite 14GEMEINSAM: Aufbruchstimmung . . . . . . . . . . . . Seite 16Trari – trara – die Post war da?. . . . . . . . . . . . . . Seite 18Interview mit PIV/UG . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20

Magazin

Arbeiterkammer: Wertschöpfungsbarometer 2010 . . . . Seite 2110 Jahre „connecting people“ . . . . . . . . . . . . . . Seite 22

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12

IM DEZEMBER

WERTSCHÄTZUNG

So verwöhnt wurden wir schon lange nichtmehr und gerne berichten wir darüber.

Lisa Langbein, bis vor kurzem Vorsitzendeder Unabhängigen GewerkschafterInnen,bekam von ÖGB-Präsident Erich Foglar anläß-lich des bevorstehenden Endes ihres gewerk-schaftlichen Berufslebens die Goldene Ver-dienstmedaille des ÖGB (Seite 4).

Der diesjährige Menschenrechtspreis fürbesondere Verdienste um die Umsetzung derMenschenrechte in Österreich wurde anMichael Genner vom Verein Asyl in Not verlie-hen (Seite 2).

Seit 10 Jahren gibt es das Projekt „con-necting people“ der Aylkoordination. Aus denHänden von Unterrichtsministerin ClaudiaSchmied empfing das Team dafür den Staats-preis für Erwachsenenbildung (Seite 22).

Die alternative gratuliert herzlich. Von derWertschätzung zur Wertschöpfung: Die Arbei-terkammer Oberösterreich veröffentlichte ihrjährliches Wertschöpfungsbarometer. Zu ver-melden ist ein neuer Rekord bei der Wert-schöpfung pro Mitarbeiter: 97.484 Euro. DerAnteil der ArbeitnehmerInnen an der Produk-tivitätsstegerung ist um mehr als der Hälftehinter der Produktivitätsentwicklung zurück-geblieben (Seite 21).

Die Debatte um die „Schuldenbremse”beherrscht seit einiger Zeit die politische Aus-einandersetzung in Österreich und der EU.Markus Koza beschäftigt sich im Heftschwer-punkt mit dem heissen Eisen. Fazit: eineSchuldenbremse im Verfassungsrang stellteine massive Einschränkung der budgetärenHandlungsspielräume, insbesondere in Kri-senzeiten, dar (Seite 5).

EDITORIAL von Alfred Bastecky

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB)Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

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Die „Goldene“ für Lisa Langbein

Anlässlich des bevorstehenden Endes ihres gewerkschaftlichenBerufslebens verlieh der ÖGB unserer Lisa die GoldeneVerdienstmedaille des Gewerkschaftsbundes.

Lisa Langbein – gelernte Krankenschwester – war zunächstPersonalvertreterin und Gewerkschafterin bei der Stadt Wien.16 Jahre begleitete sie als Büroleiterin den Aufstieg der KIV/UG.Die letzten Jahre vertrat sie die UnabhängigenGewerkschafterInnen als deren Vorsitzende im ÖGB-Vorstand.

Präsident Foglar betonte, dass sie es als erste Minder-heitenvertreterin im ÖGB-Vorstand anfangs sicher nicht leichthatte. Trotzdem hat sie engagiert die Positionen ihrer Fraktionvertreten und - auch bei vielen Meinungsverschiedenheiten -

ihre Loyalität zum ÖGB gezeigt.

Im Rahmen der Finanzkrise „mussten“ dieBanken gerettet werden. Mit sehr grossenSummen. Von den Staaten. Jetzt sollen dieSchulden abgebaut werden. Auf Kosten derBevölkerung. Anstatt die Finanzmärkte andie Kandare zu nehmen, anstatt ihreGeschäfte zu besteuern, diktieren ausgerech-net diese jetzt die Politik. Leute, da wedeltder Schwanz mit dem Hund.

Sozialstaaten adeDie europaweit heftigen Proteste gegen

die drastischen Verschlechterungen derLebensbedingungen bleiben fast ungehört.Es wird nicht viel darüber berichtet, undwenn, dann so, als ob das ungehörig wäre.Sparen ist angesagt, sparen wird getrommelt.Wir sollten eigentlich gleich freiwillig auf dieHälfte von allem verzichten. Die Beamtenauf ihre Gehälter, die PensionistInnen aufihre Pensionen, die Arbeitslosen auf dieUnterstützung, die Kranken brauchen viel-leicht auch nicht gar so viel medizinischeBetreuung, die Alten weniger Pflege, die Kin-der doch nicht unbedingt öffentliche Schulenund so weiter. Ich sehe deutliche Entschlos-

senenheit: das soziale Niveau in Europa sollheruntergefahren werden. Und zwar „ordent-lich“. Unsere Armut ist Programm. Österrreichist nur weiter unten auf der Liste.

Demokratie babaDas Unbehagen über die Bestimmenden

nimmt immer klarere Formen an. Viele EU-Gremien, auch die Troika, sind nicht demo-kratisch legitimiert. Aber sie entscheidenüber das Schicksal von Millionen Menschen.Mit der Einsetzung von „Experten“regierun-gen wird’s deutlich: wer hat denn die legiti-miert? Durch welche Art von Wahlen sind siein die Regierung gekommen? Da haben dieGriechen eine sozialdemokratische Mehrheitgewählt….tja, blöd gelaufen. Das ist Finanz-kolonialismus. Im Neusprech gibt’s bereitsdas Wort postdemokratisch. Das sollte zudenken geben.

Ich glaube wir brauchen dringend Ideen.Wir brauchen offenbar neue Formen desWiderstandes. Wir können doch nicht nur dieAugen zumachen und die Schultern einzie-hen – die Wolken ziehen sicher nicht so ein-fach vorbei. ❚

GRUNDVERKEHRTDie grossen Staatsschulden gibt es nicht, weil ich zusehr in Saus und Braus gelebt habe. Von Lisa Langbein.

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Kommentar

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Die Regierung auf der Suche nach einer Mehrheit. Eine „Schuldenbremse“ soll in die Verfassung. Von Markus Koza.

SCHWACHSINNSCHULDENBREMSE

Nun soll sie also – geht es nach ÖVPund SPÖ – auch in Österreich kommen:Die „Schuldenbremse“. Die „Finanz-märkte“ wollen schließlich beruhigtsein, tönt es aus den Mündern vonKanzler und Vizekanzler unisono, assis-tiert von Industriellenvereinigung, Wirt-schaftskammer und einem breitenmedialen Mainstream, dessen Kenntnisökonomischer Zusammenhänge inetwa jenem der Finanzministerin ent-spricht. Österreich droht das Triple-A zuverlieren, Österreich muss signalisieren,dass es ihm mit dem Sparen ernst ist.Ein entsprechender Verfassungsent-wurf liegt auch bereits vor: Ab 2017sollen Bund, Länder und Gemeindeneinen „strukturell ausgeglichenen“Haushalt erstellen, was erreicht ist,wenn das „strukturelle“ Defizit nichtüber 0,35 Prozent des Bruttoinlands-produktes (BIP) liegt. Ausnahmen vondieser Defizitschranke sollen nur bei„Naturkatastrophen“ oder „außeror-dentlichen Notsituationen, die sich derKontrolle des Staates entziehen“ zuläs-sig werden (mit einfacher Mehrheit zu

beschließen). Zumindest die automati-schen Stabilisatoren (z.B. Arbeitslosen-geld) können auch in konjunkturellenKrisenzeiten wirken.

Wird das Defizitziel verfehlt, wird der„Überhang“ in einem Kontrollkontovermerkt. Überschreitet das zulässigeBundesdefizit auch noch 1,5 Prozentdes BIP, muss diese Überschreitung„konjunkturgerecht“ abgebaut werden,sprich, es muss ein entsprechenderPlan vorgelegt werden. Im Fall der Län-der und Gemeinden wird diese Über-schreitung in einem gemeinsamenKontrollkonto der Länder erfasst, wennÜberschreitungen im Ausmaß von 0,25Prozent des BIP stattfinden. Ansonsten

gilt für Länder und Gemeinden einNulldefizit.

Die „magische Grenze“ (Der Stan-dard vom 16. November 2011) von60 Prozent maximaler Staatsverschul-dung findet sich im Gesetzesentwurfzwar nicht, allerdings ein Hinweis aufbisher gültige EU-Vorschriften inSachen Staatshaushalt. Bund, Länderund Gemeinden müssen sicherstellen,„dass die Verpflichtungen der RepublikÖsterreich aus Rechtsakten der Euro-päischen Union zur Einhaltung derHaushaltsdisziplin erfüllt werden.“

UMDEUTUNG DER KRISE Die Forderung nach einer „Schulden-

bremse“ suggeriert, dass die Staatsver-schuldung Folge einer unverantwortli-chen Budgetpolitik wäre. Man habe„über die Verhältnisse“ gelebt, manhabe auf „Kosten künftiger Generatio-nen“ geprasst, und, und, und. Einmalmehr wird Ursache und Wirkung ver-wechselt, findet eine Umdeutung derKrise statt. Festgehalten sei: Die stei-genden Staatsschulden sind nichtUrsache, sondern Folge der Krise. VorGründung der Eurozone lag der Schul-denstand der heutigen Euro-Staatenbei 72,8 Prozent des BIP. Bis 2007 fielder Schuldenstand auf 66,1 Prozent.Erst seit der Krise – mit hunderten Mil-liarden Euro schweren Bankenrettungs-paketen für „die Finanzmärkte“, mitKonjunkturpaketen und massiven Steu-

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Aktuell

Bitte umblättern

Markus Kozaist UG-Vorsitzender,im ÖGB-Vorstandund Mitarbeiter derAUGE/UG in Wien.

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erausfällen – stieg die Verschuldungder Euro-Staaten 2010 auf 85,4 Pro-zent (Defizit: –6,2 Prozent). DieserSchuldenstand macht sich im Vergleichzu den USA – die in wenigen Tageneinen Staatsschuldenstand von rund100 Prozent erreichen werden – und zuJapan mit rund 200 Prozent beinahebescheiden aus. In Österreich lag derStand der Staatsschulden kurz vor derKrise mit 60,2 Prozent knapp an derMaastrichtgrenze von 60 Prozent undstieg mit der Krise 2010 auf 71,8 Pro-zent. Der Zusammenhang zwischenKrise und Schuldenentwicklung istoffensichtlich. Dennoch wird nun plötz-lich die Finanz- und Wirtschaftskrise ineine „Staatsschuldenkrise“ umgedeutet(wobei uns die Finanzkrise in dennächsten paar Monaten wieder einzu-holen droht). Und: trotz drohenderschwerer konjunktureller Einbrüche inden nächsten Monaten werden, alsReaktion auf die steigenden Staats-schulden, die nur noch als „Schulden-hysterie“ zu bezeichnen sind, allen Län-dern radikale Sparpakete verordnet.Beschlossen von konservativ-liberalenMehrheiten in EU-Rat, Kommissionund Parlament im Rahmen des EU-Six-Packs wurden haushaltsrechtlicheRichtlinien sowie der Stabilitäts- undWachstumspakt verschärft.

JEDE MENGE REGELN UNDABERMILLIARDEN ANKONSOLIDIERUNGSBEDARFDie Forderung nach einer „Schulden-

bremse“ suggeriert zusätzlich, dass esbislang keinerlei bzw. unzureichendeBudgetrestriktionen, die zu Sparsam-keit verpflichten würden, gäbe. Sugge-riert wird auch, dass die Konsolidie-rungsbestrebungen unzureichendwären. Das ist schlichtweg falsch undtotaler Nonsens. Vielmehr das Gegen-teil ist der Fall: gerade das österrei-chische Haushaltsrecht sieht jedeMenge an „Ausgabenbremsen“ vor.Und nicht zuletzt der Schuldenabbauder Vorkrisenjahre belegt einmal mehr,dass sowohl Defizite, als auch Staats-schulden zurückgeführt worden sind.Und der Schuldenabbau geht auchmunter voran. Und nicht zuletzt dieverschärften EU-Regelungen werdendiesen noch beschleunigen. Der Konso-lidierungsbedarf in Österreich geht indie Zig-Milliarden. Eine Auswahl an

Budgetrestriktionen und den entspre-chenden Konsolidierungsbedarf alskleine Erinnerung:•Erinnert sei etwa an das Bundesfi-nanzrahmengesetz, das Ausgabeober-grenzen vorsieht, und nach dem bereitsder Budgetkonsolidierungspfad bis2014 beschlossen wurde. Konsolidie-rungsbedarf bis 2014 insgesamt (nurBund): rund 12,6 Milliarden Euro,davon rund 4,5 Milliarden einnahme-seitig, 8,1 Milliarden ausgabeseitig.•Erinnert sei an den innerösterrei-chischen Stabilitätspakt, der Bund,Länder und Gemeinden zu Haushalts-zielen und -disziplin verpflichtet. EinInstrument, das es so in der BRD etwanicht gibt. In Artikel 13 (2) der Bundes-verfassung ist bereits festgeschrieben,dass „Bund, Länder und Gemeinden …bei ihrer Haushaltsführung die Sicher-stellung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts und nachhaltig geord-neter Haushalte anzustreben haben.“

Erinnert sei an die im Rahmen desSix-Pack beschlossene Verschärfungdes Stabilitäts- und Wachstumspakts.Etwa an die „Ausgaberegel“, die dabesagt, dass das jährliche Wachstumöffentlicher Ausgaben die mittelfris-tige Wachstumsrate des Bruttoinlands-produktes grundsätzlich nicht über-schreiten darf. Oder die „Schuldenre-gel“, die eine Rückführung der Staats-schuld auf sechzig Prozent des Brutto-inlandsproduktes verlangt.

Liegt die Schuldquote über sechzigProzent, muss sich der Abstand überdie letzten drei Jahre hinweg umdurchschnittlich ein Zwanzigstel proJahr verringern. Für Österreich, miteiner gesamtstaatlichen Schuld 2010von rund 71,8 Prozent des Bruttoin-landsproduktes (Statistik Austria),ergäbe sich somit ein „Rückführungs-bedarf“ von 34 Milliarden Euro, alsoim ersten „Rückführungs-Jahr“ vonzusätzlich 1,7 Milliarden Euro (und inden Folgejahren entsprechend etwasweniger)! Prognostiziert wird bis 2014allerdings eine Staatsschuld vonknapp über 75 Prozent (2012:74,6 Prozent, 2013: 75,5 Prozent) desBruttoinlandsproduktes. Der „Rückfüh-rungsbedarf“ würde sich dann auf eineSumme von rund 45 Milliarden Eurobelaufen! Übrigens: laut Standardvom 16. November 2011 und Aussa-gen so mancher ÖVP-PolitikerInnen(wieder einmal Finanzministerin Maria

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• Eine Schuldenbremse in Verfassungsrangstellt eine massive Einschränkung budgetärerHandlungsspielräume – insbesondere in Kri-senzeiten dar. Budgetäre Handlungsspiel-räume sind allerdings bereits jetzt – siehe EU-Vorgaben, Bundesfinanzrahmengesetz, inner-österreichischer Stabilitätspakt – sehr einge-schränkt. Je regelgebundener eine Budgetpo-litik ist, desto mehr wird der Budgetprozess –hinsichtlich Erstellung, Begutachtung, Ände-rung etc. – entdemokratisiert.• Die Festlegung eines „strukturellen“ – alsodes konjunkturunabhängigen Anteils – Bud-getdefizits hinsichtlich seiner Höhe ist weni-ger wissenschaftlich, als „politisch“ begrün-det. Das deutsche Institut für Makroökonomieund Konjunkturpolitik hat für die deutscheSchuldenbremse acht (!) unterschiedlicheBerechnungsmethoden gefunden, die sichalle innerhalb des vorgegebenen EU-Rah-mens (der bereits viermal revidiert wurde)bewegen. Die Abweichungen hinsichtlich desmaximal zulässigen Defizits beliefen sichdabei auf bis zu fünfzehn Milliarden Euro! Esist schon schwierig festzustellen, welcherBestandteil eines Defizits konjunkturell, wel-cher strukturell bedingt ist. Auch das ist über-

Argumente gegen eineSchuldenbremse in Verfassungs-bzw. Gesetzesrang

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Fekter im Morgenjournal vom15. November 2011) soll Österreich die-ses Ziel bis zum Jahr 2020 erreichen.Das würde, beginnend mit 2015, Jahrfür Jahr einen zusätzlichen Konsolidie-rungsbedarf von rund neun MilliardenEuro ergeben!

Kommt nun auch die Schulden-bremse (also die Reduktion des „struk-turellen Defizits“ bis 2017 auf 0,35Prozent) beliefe sich der Konsolidie-rungsbedarf – bezogen auf das Jahr2012 – auf zusätzliche rund 9,2 Milliar-den Euro.•Konsolidierungsbedarf, bezogenjeweils auf das Vorjahr, beginnend mit2013, dem Jahr, in dem die Schulden-bremse zu laufen beginnt: 1,58 Milliar-den Euro, •2014: 1,70 Milliarden Euro, •2015: 1,84 Milliarden Euro, •2016: 1,99 Milliarden Euro, •2017: 2,14 Milliarden Euro.

Abermilliarden, Abermilliarden undnoch einmal Abermilliarden werdenalso „konsolidiert“, an Schulden abge-baut. Und schon ohne Schuldenbremsestellt sich die Frage: woher nehmen?Wer zahlt? Mit Schuldenbremse würdesich diese Frage noch mehr stellen.

ÖSTERREICHS „TEA PARTY“-PARTEIENAlso: woher nehmen? Die Stoßrich-

tung der „Tea Party“-Parteien ÖVP, FPÖund BZÖ – ihres Zeichens auch die eif-rigsten EinforderInnen einer Schulden-bremse – ist klar. „No more Taxes!“,also bloß keine Steuererhöhungen. Fürdie ÖVP kommen Vermögenssteuernauf gar keinen Fall in Frage. Das BZÖentblödet sich tatsächlich nicht, einemaximal zulässige Abgabenquote inder Verfassung als Bedingung für ihreZustimmung zu stellen. Und schließlichdie FPÖ, die plötzlich so gar nichtsmehr von der von ihr sonst so eifrigund fanatisch geforderten „Schulden-bremse“ wissen will und abgesehenvon Volksabstimmungen über allesund jedes und „Kein Geld für die Grie-chen“ natürlich auch „keine neuenSteuern“ zur Bedingung macht.

Gespart werden soll nur ausgabesei-tig, die Volkspartei weiß auch schongenau wo: bei den ÖsterreichischenBundesbahnen, bei Transfers, bei denPensionen – überall dort, wo „Rotes“vermutet wird.

„NO MORE TAXES“? SCHLAGNACH BEI SCHWARZ-BLAUDiese schroffe Ablehnung von höhe-

ren Steuereinnahmen zum Schulden-abbau erstaunt dann doch: Denn ent-gegen dem gern gepflogenen Mythosder „Sparmeister“ der Nation war esausgerechnet die Schwarz-Blaue Koali-tion unter Wolfgang Schüssel und demnicht nur besten, sondern auch schöns-ten Finanzminister aller Zeiten, die –um ein Nulldefizit zu erreichen – einenSpitzenwert bei der Steuer- und Abga-benquote in Kauf nahm. Unter Beteili-gung sämtlicher Rechtsparteien, vonFPÖ über BZÖ bis selbstverständlichzur ÖVP.

Unter Schwarz-Blau erreichte dieSteuer- und Abgabenquote einenRekordwert: 46,8 Prozent des BIP flos-sen als Steuern und Abgaben in denStaatssäckel um das schwarz-blauePrestigeprojekt „Nulldefizit“ zu realisie-ren. Zum Vergleich: 1995 lag die Quotebei 43,7 Prozent des Bruttoinlandspro-duktes. 1999, ein Jahr vor der schwarz-blauen „Wende“, bei 45,9 Prozent.2009, mitten in der Krise bei 44,3 Pro-zent, 2010 schließlich bei „nur“ noch43,7 Prozent. Läge die Steuer- undAbgabenquote heute bei jener desKarl-Heinz Grasser, hätte unsere Repu-blik Mehreinnahmen von 8,9 Milliar-den Euro! Das Budgetdefizit würdesich von 3,9 Prozent der BIP (für 2011)auf bis zu 0,8 Prozent des BIP reduzie-ren. Für 2012 wäre – halten die Defizit-prognosen – beinahe ein Nulldefizitmöglich! Wohlgemerkt: Nur durch ein-nahmeseitige Maßnahmen im Umfangschwarz-blauer Steuer- und Abgaben-politik. In absoluten Zahlen: von 1999bis 2001 erhöhten sich die Einnahmenaus Steuern und Abgaben von91,4 Milliarden Euro auf 100,1 Milliar-den Euro – also innerhalb von nur zweiJahren um ziemlich genau zehn Pro-zent. Unter Schwarz-Blau verloren Frei-heitliche wie Konservative ganz offen-sichtlich sämtliche ideologischen Hem-mungen und Bedenken, wenn es umSteuererhöhungen zur Erreichung einesfinanzpolitischen Ziels ging. Nulldefizitwar angesagt, das war der Schlagereiner sonst eher durch Skandale undfreiheitliches Regierungsunvermögenauffallenden Regierung.

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wiegend eine „ideologische“ und weniger einewissenschaftliche Frage.• Ökonomische Kenndaten haben in einerVerfassung nichts verloren. Insbesondere,wenn diese für einen bestimmten, zukünftigenZeitraum lediglich prognostizierbar sind underst im Nachhinein – und da keineswegsimmer unumstritten – tatsächlich bestimmtwerden können. Dies gilt sowohl für ein „struk-turelles“ Defizit, als auch für eine Abgaben-quote. Es ist auch der Verfassungsgerichtshofschlichtweg der falsche Ort, es sind Verfas-sungsrichter die falschen Personen, um festzu-stellen, ob ein Budget, ob Ausgaben und Ein-nahmen verfassungskonform sind oder nicht.Budgets sind in Zahlen gegossene Politik, einBudget sowie Schwerpunkte in Budgets müs-sen politisch und nicht durch Verfassungsrich-ter festgelegt werden.• Die Wirkung von Schuldenbremsen auf „dieFinanzmärkte“ sind höchst umstritten. Jeden-falls zeigt – nicht zuletzt die Erfahrung derletzten Wochen – dass massive Sparpakete,wie sie auch Folge von Schuldenbremsenwären, keineswegs zwingend zu einer Beruhi-gung führen. Ganz im Gegenteil: Beinahejedem verkündeten Sparpaket folgte einDowngrading seitens der Ratingagenturen.• Schuldenbremsen wirken gerade in kon-junkturell schwierigen Zeiten prozyklisch,also konjunkturelle Zyklen verstärkend. Siebieten zu wenig Möglichkeiten zu raschemGegensteuern.

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BEGEISTERUNG FÜRSCHULDENBREMSE NIMMT AB Wer bringt die Zwei-Drittel-Mehrheit

für diesen ökonomischen Schwachsinn?ÖVP- und SPÖ-Chef werden inzwischenungeduldig, ob der Forderungen derOpposition und der Nichtbereitschaftso mir nix, dir nix der Koalition denSegen zur Schuldenbremse zu geben.Appelle an die „staatspolitische“ Ver-antwortung verpuffen angesichts derTatsache, dass die Schuldenbremse einUnsinn ist, zusehends auch innerhalbder Regierungsparteien.

Die SPÖ-Basis war ohnehin immerdagegen, die „ablehnende bis skepti-sche“ Haltung der sozialdemokrati-schen GewerkschafterInnen fand –nach einer mehrere Tage dauerndenSchreckminute – in ÖGB-, GPA-djp undArbeiterkammer-Beschlüssen ihren Nie-derschlag. Selbst die ÖVP-nahe Arbei-terkammer-Fraktion hat diesenBeschlüssen zugestimmt (nicht aberdie von GöDlerInnen dominierte FCG-Fraktion im ÖGB-Vorstand). Vollkom-men zu Recht wird befürchtet, dasseine Schuldenbremse vor allem alsWachstums- und Beschäftigungs-bremse wirkt und vor allem – jeden-falls von konservativer Seite – für einenKahlschlag im Sozial- und Bildungsbe-reich genutzt werden soll.

Die potentiellen Mehrheitsbeschaf-fer – und sie seien gewarnt davor! – inGrün, die einer Schuldenbremse in Ver-fassungsrang ohnehin eher ablehnendgegenüberstehen, fordern Vermögens-steuern und „sinnvolles“ Sparen, wasauf die erwartete Ablehnung seitensder ÖVP stößt. Die Freiheitlichen –neben BZÖ eigentlich logischerZustimmungspartner – verweigern sichnatürlich beharrlich. Schmälern dochmilliardenschwere Sparpakete unterZustimmung der FPÖ die Wahlchancenempfindlich. So richtig ernst gemeinthat mans ja doch nicht. Bleibt das„Bündnis Zukunft Österreich“, das mitder wahnsinnigen Forderung nach der„Abgabenbremse“ in der Verfassunglogischerweise auf Widerstand der SPÖstoßen muss.

Der SPÖ bleibt vielleicht doch nochdas von ihrem Vorsitzenden bestimmteSchicksal erspart, den „nützlichen Idio-ten“ für eine neokonservative, neolibe-rale wirtschaftspolitische Agenda inÖsterreich zu geben …

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Nach einem einige Tage andauerndenSchockzustand – nur die UnabhängigenGewerkschafterInnen bezogen in diesemZeitraum als einzige Gewerkschafts-fraktion klar Position gegen die Schulden-bremse – fassten der ÖsterreichischeGewerkschaftsbund und die Arbeiterkam-mer doch ziemlich klar und unmissver-ständlich Beschlüsse gegen eine verfas-sungsmäßige Verankerung. „Skeptisch bisablehnend“ stünden AK und ÖGB einerSchuldenbremse gegenüber, da diese „alsVorwand für Kürzungen am Sozialsystem“verwendet werden könnte.

Um „Staatsverschuldung zu bremsen“fordern die Interessenvertretungen derArbeitnehmerInnen die „Bekämpfung derSchuldentreiber“, zu der eine „Schulden-bremse allerdings nichts beiträgt“.

Die Schuldenbremser sind dabei:• ein krisenanfälliges Finanzsystem, dasBankenrettungen notwendig macht• steigende Arbeitslosigkeit und fehlen-des Wachstum, die die Steuereinnahmensenken und zu höhere Ausgaben führen• unzureichende Beiträge von Reichenbzw. Unternehmen und BauernStatt einer Schuldenbremse fordernArbeiterkammer und ÖGB – die sich zueinem ausgewogenen Verhältnis zwi-schen Einnahmen und Ausgaben beken-nen – u.a.:• einen Spielraum für konjunkturellesGegensteuern• Rückführung der Schulden „wesentlich“auf der Einnahmenseite – durch Vermö-gensteuern, Finanztransaktionssteuer undMaßnahmen gegen Steuerhinterziehung

ÖGB und Arbeiterkammer:

„Skeptisch bis ablehnend“ zu Schuldenbremse in Verfassung

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BUDGETKONSOLIDIERUNG?ABER SICHER OHNESCHULDENBREMSE Es gibt tatsächlich jede Menge Ein-

sparungspotentiale, die es zu nutzengilt: etwa die 1,3 Milliarden Euroschwere steuerliche Förderung privaterPensionsvorsorge. Die Steuerprivilegiender Landwirtschaft im Umfang vonvierhundert bis fünfhundert MillionenEuro. Die Steuergeschenke an die Selb-ständigen in Form eines „fiktiven“ 13.und 14. Monatsgehalts im Umfang von160 bis 300 Millionen Euro. Und: dieArbeitslosigkeit, die 2,7 MilliardenEuro für hunderttausend Arbeitslosekostet. Ohne Zweifel gibt es auch inder Verwaltung – etwa in der Schulver-waltung mit ihren vielen Ebenen –Sparpotential. Das ist die eine Seite.Die andere ist: Die Verursacher derKrise und der Krisenkosten habengefälligst für den verursachten Scha-den aufzukommen. Die infolge derKrise entstandenen Schulden müssenvon jenen abgebaut werden, welchevon den Rettungsaktionen besondersprofitierten. Das sind die Vermögen-den, die Finanzmarktakteure, dieSpitzeneinkommensbezieherInnen. Dasbedeutet natürliche eine höhereSteuer- und Abgabenquote, allerdingssozial treffsicher und ohne negativeBeeinträchtigung der Konjunktur. Unddas heißt natürlich, dass beim Sozial-staat, jener Einrichtung, welche bei derBewältigung der Krise besonders dien-lich und hilfreich war, nicht gespartwerden darf. Das bedeutet auch, dasseine weitere Selbstbeschränkung natio-naler Budgetpolitik nicht beschlossenwerden darf, will die Politik auf Krisenreagieren können.

„FINANZMÄRKTE“: KEINEBERUHIGUNG DURCHSCHULDENBREMSENDass Schuldenbremsen, massive

Sparpakete, Kürzungen im Sozialstaatetc. „Finanzmärkte“ ganz offensichtlichkaum beruhigen zeigen Länder wieGriechenland, Portugal, Italien, aberselbst die BRD. Während für ersteremassive Sparpakete zur „Beruhigungder Finanzmärkte“ in massiven„Downgradings“ mündeten, bis hin,dass Staatsanleihen in Griechenlandund Portugal zu Ramsch erklärt wur-

den, tut sich selbst die BRD schwer –trotz ökonomisch günstiger Situationund trotz Schuldenbremse – Anleihenam Markt zu platzieren (auch wenn derGrund dafür wohl vor allem im Versuchzu suchen ist, diese mit einem unterInflationsrate liegenden Zinsatz aufden Markt zu bringen).

Wer spart, wer Ausgaben kürzt,dämpft Wachstum und Konjunktur,was wiederum zu geringeren Steuerein-nahmen, zu höheren Ausgaben fürArbeitslosigkeit und damit zu höherenStaatsschulden führt. Es ist ein Teufels-kreis, der von „Schuldenbremsen“ nurnoch verstärkt wird. Schuldenbremsenhalten also nicht einmal das, was sievorgeben zu versprechen.

… NÜTZEN ABER DER FPÖWas eine Schuldenbremse allerdings

verspricht: ein weiteres Erstarken derFreiheitlichen. Kurioserweise ausge-rechnet jener Partei, die – wie schonerwähnt – die eifrigste Fürsprecherinfür eine Schuldenbremse war und ist.Die Kampagne läuft ohnehin schon:Während für „unsere Leut“ allesgekürzt wird, kriegt’s „der Grieche“ –eh schon wissen – wohin geschoben.Die FPÖ darf sich auf ein Comebackvon Blau-Schwarz freuen und vonungarischen Zuständen träumen. DieseHorrorvorstellung sollte Beweggrundalleine sein, zur Schuldenbremse klar„Nein“ zu sagen ...

Quellen, Anmerkungen zum Text: die im Arti-kel angeführten Abgabe- bzw. Schulden- undDefizitquoten stammen aus dem Datenmate-rial der Statistik Austria (für Österreich) bzw.von Eurostat (für Eurostaaten). Die in diesemBeitrag verwendeten Abgabenquoten bezie-hen sogenannte „imputierte“ Sozialversiche-rungsbeiträge ein. Dabei handelt es sich v.a.um für Beamte geleistete Pensionszahlun-gen, die durch SV-Beiträge nicht gedecktsind. Es wird sozusagen ein „fiktiver“ Sozial-versicherungsbeitrag angenommen und miteinberechnet. Andere Berechnungsarten fürAbgabequoten beziehen diese imputierenSV-Beiträge nicht ein. Sie sind daher nicht„falsch“, sondern es liegt ihnen nur eineandere Berechnungsweise zugrunde. Dergeschätzte Konsolidierungsbedarf bei Einfüh-rung einer Schuldenbremse beruht aufBerechnungen der AK-Wien, welche auch imPositionspapier des ÖGB angeführt sind.

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• keine verfassungsrechtliche Festschrei-bung von Schuldenobergrenzen undAbgabequoten• die verfassungsrechtliche Verankerungvon sozialen Grundrechten• Spielräume für Beschäftigung, fürOffensivmaßnahmen und für die Verbesse-rung des Sozialstaates

Dieser Beschluss fand in der Arbeiter-kammer die Zustimmung aller Fraktionen– also auch des ÖAAB-FCG. Im ÖGB-Vor-stand dagegen enthielt sich die hier GöD-dominerte FCG Fraktion der Stimme. DieUG unterstützt in der AK (als AUGE/UG)wie auch im ÖGB die Positionierung derInteressenvertretungen zu einer Schulden-bremse, sieht sich dabei allerdings nichtals „skeptisch“, sondern als klar undunmissverständlich „ablehnende“ Fraktion.

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Die Unabhängigen GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst und bei den Ausgegliedertensorgen mit einem Initiativantrag zum Bildungsvolksbegehren

und der Kandidatur für den GÖD-Vorstand für Bewegung am GÖD-Kongress. Von Reinhart Sellner.

RISSE IM BETON

Z

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ehn ordentliche UGöD-Delegierte vonüber 600 Delegierten (rund 400 FCG,200 FSG) verschafften mit einem Ini-tiativantrag den Anliegen des Bil-dungsvolksbegehrens die der Bildungs-frage zustehende Aufmerksamkeit amGÖD-Bundeskongress. FCG und FSGhatten nämlich keinen Leitantrag Bil-dung zustande gebracht und die Not-lage der Universitätsbediensteten, wis-senschaftliches und allgemeines Perso-nal, fanden nur in den Wortmeldungenvon Unabhängigen GewerkschafterIn-nen die Beachtung, die diesem Bereichzukommt.

Das Volksbegehren war im Vorfelddes GÖD-Kongresses von der fcg.GÖDaus standes- und parteipolitischenGründen und ohne Diskussion mitbefürwortenden KollegInnen nichtoffen abgelehnt, aber hintergründighintertrieben worden. Der ÖGB, alleanderen Teilgewerkschaften und dieAK unterstützten das Volksbegehren,ebenso die Industriellenvereinigung,SozialdemokratInnen, Grüne und zahl-reiche NGOs, darunter die ÖLI-UG. Fürdie GÖD als Vertreterin der Arbeitneh-merInneninteressen im öffentlichenSektor waren Kindergartenausbau,gemeinsame Schule, Ganztagsschulenund mehr Geld für Unis und Bildung =zusätzliche Arbeitsplätze, bessereArbeitsbedingungen für öffentlichBedienstete und Ausgegliederte biszum Eröffnungstag des Bundeskon-gresses kein Thema.

VolksbegehrerInnen hatten die Idee,am GÖD-Kongress, der zeitgleich mitder Eintragungswoche tagte, eineöffentliche Diskussion zu versuchenund damit noch einmal fürs Unter-schreiben zu mobilisieren. UGöD-Dele-gierte formulierten einen Initiativan-trag, der die Unterstützung von FSG-

KollegInnen fand, die mit dem ÖVP-Kurs der fcg.GÖD nicht einverstandensind – damit waren die vorgeschriebe-nen 64 Unterschriften gegeben undder Antrag musste diskutiert und abge-stimmt werden.

Dieser Antrag und die Kundgebungder VolksbegehrerInnen vor dem Aus-tria Center, die eine Grußbotschaft anden GÖD-Bundeskongress vortragenwollten, veranlassten Fritz Neugebauerdazu, Daniel Landau (LehrerInnen fürdas Bildungsvolksbegehren) undJohanna Zauner (Katholische Jugend,Vorsitzende der Bundesjugendvertre-tung) am zweiten Kongresstag Rede-recht und Redezeit zu gewähren. Ohnevon Zwischenrufen gestört zu werden,hörten die Delegierten über die sozial-und demokratiepolitische Dimensionvon Bildung, auch von der mitmensch-lichen und der wirtschaftlichen Not-wendigkeit von Schulreform, diegemeinsame Schule inbegriffen. Damitwar die öffentliche Diskussion in derGÖD eröffnet. Reden, Zuhören, Streitenstatt Totschweigen und Aussitzen.

Die konkreten Beschlüsse des GÖD-Kongresses haben weder der Appellvon Landau und Zauner noch der Ini-tiativantrag in Richtung Reformbereit-schaft und Nachdenklichkeit beein-flusst. Noch nicht. Sie haben aber deut-lich gemacht, was die fcg-Vorsitzendenden LehrerInnengewerkschaften undwas die GÖD insgesamt der schwei-genden fcg.GÖD-Mehrheit zumutet:

Quin (AHS), Kimberger (APS) undihre schwarzen Vorsitzkollegen, die inden Monaten vor dem Kongress keinengemeinsamen Leitantrag Bildungzusammengebracht haben, sahen sichveranlasst, ihrerseits einen „Initiativan-trag der Vorsitzenden“ einzubringen,von dem FSG-und ÖLI-UG-stellvertre-

tende Vorsitzende erst unmittelbar vorder Abstimmung erfuhren, ebenso dieübrigen Delegierten. Über sechs SeitenAntragstext wurden vom Diskussions-leiter dieses letzten Tagesordnungs-punktes zur Abstimmung gebracht.Während der Diskussion wurden eilige50 Exemplare vors Podium gelegt, für600 Delegierte, Lesezeit keine. DasVerweisen dieses Überraschungsan-trags an den Vorstand (Antrag UGöD,FSG) war nichts für den Neugebauer-Nachfolgekandidaten Norbert Schnedl:Schluss der Debatte und Antrag aufuneingeschränkte Annahme. Er wurdemit großer fcg-Mehrheit angenommen– gegen die Stimmen von FSG, UG undder fraktionsunabhängigen Universi-tätslehrerInnen.

„Unsere Vorsitzenden vertreten dieMehrheit und wissen was die Mehrheitder Lehrer will.“ (Schnedl). „Unsergutes Schulwesen kann verbessert wer-den, aber nicht durch die Gesamt-schule, sondern durch noch mehr Diffe-renzierung. ‚Suum cuique’ sagt schonder antike Philosoph, zu gut Deutsch:Jedem das Seine!“ (AHS-VorsitzenderQuin) „Lehrer brauchen wegen derzunehmenden Verhaltensauffälligkei-ten von Schülern mehr Erziehungsmit-tel, wenn vorgeladene Eltern nicht indie Schule kommen, sind sie bei derJugendwohlfahrt anzuzeigen.“ (APS-Vorsitzender Kimberger).

Der Initiativantrag auf Unterstüt-zung des Bildungsvolksbegehrens, alserster Initiativantrag am 8. Novembereingebracht, kam am 10. November alsallerallerletzter zur Abstimmung. Kal-kül: Überholt, weil die Eintragungsfristin wenigen Stunden endet und weilviele Forderungen in Einzelanträgendes GÖD-Kongresses ohnehin enthal-ten sind. Als Diskussionsauslöser hat er

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funktioniert, Medien haben darüberberichtet, dass es in der GÖD nicht nurNeugebauers „schwarze“ Betonfraktiongibt, sondern auch parteiunabhängigeGewerkschafterInnen, die, wie vielesozialdemokratische Delegierte (Aus-nahme Zahradnik, stv. AHS-Vorsitzen-der), in Opposition zur ÖVP-Mehrheitstehen. Es gibt Risse im Beton. Dieseunendliche Geschichte wollten die

Unabhängigen 2011 zu einem gutenEnde bringen. Laut GÖD-Statut müss-ten alle Gewerkschaftsorgane nachStärkeverhältnissen der WählerInnen-gruppen bei Personalvertretungs-,Betriebsrats- und Gewerkschaftswahlenzusammengesetzt werden. Da die Ver-tretung im Vorstand über die Fraktions-anerkennung und die Besetzung einesReferates samt Infrastruktur in derGÖD entscheidet und da der UGöDnach den GÖD-offiziellen Stimmenver-hältnissen nach dem d’HondtschenWahlauswertungsverfahren das 14.von 18 Vorstandsmandaten zusteht,beschloss die UGöD Reinhart Sellnerals Kandidat für den Vorsitz zu nomi-nieren. Die Wahlvorschlagskommission,bestehend aus FCG und FSG beschlosseinstimmig, einen reinen FCG-FSG-Vor-stand wählen zu lassen. Der übleRechentrick: Vorsitzender Neugebauerund seine 5 StellvertreterInnen werdennicht zum Vorstand gezählt, bleiben 12„weitere Vorstandsmitglieder“. Vor-schlag der UGöD an die Delegierten:Schreibt Reinhart Sellner auf dem Vor-standsstimmzettel dazu, und da dasStatut keine fixe Vorstandszahl kennt,braucht ihr auch niemand zu streichen.Das Wahlergebnis wurde ohne die Zahlder Stimmen für den UgöD-Vertretergenannt. Da der UGöD nur 10 Dele-gierte zugestanden worden sind, wärenschon 20 oder 30 ein bemerkenswertesErgebnis. Net amoi ignorieren. Immer-

hin: Fritz Neugebauer erklärte gegen-über einzelnen UgöD-Delegierten, dassman ja den Sellner zu Vorstandssitzun-gen einladen werde, also irgendwiefast eine Fraktionsanerkennung. Ähnli-che Neugebauer-Zusagen gibt es schonseit inzwischen 15 Jahren. Die Unab-hängigen, im ÖGB und in anderenGewerkschaften als Fraktion anerkanntund im Vorstand vertreten, werden ein-

mal mehr das intransparent tagendeGÖD-Schiedsgericht anrufen und dieAufhebung der statutenwidrigenZusammensetzung des Vorstandes ein-fordern. Nutzt das nix, bleibt die zivil-rechtliche Klage gegen den ÖGB, denDachverein der Teilgewerkschaften, diekeine eigene Rechtspersönlichkeithaben, als letztes, bisher nicht wahrge-nommenes Rechtsmittel zur Durchset-zung von demokratischen, in denVereinssatzungen festgeschriebenenMitglieder-Rechten.

Anerkennung für die UGöD hat esdennoch gegeben. KollegInnen ande-rer Fraktionen haben uns nicht wie frü-her mitleidig ihr Beileid ausgespro-chen, sondern unsere Argumente auf-gegriffen, für unsere ungebrochenesachlich-freundliche Wahrnehmungvon KollegInneninteressen Respektgezeigt und mehrmals und irritiertgefragt, woher wir die Kraft nehmen,trotz fortgesetzter Nichtachtung undauch offener Demütigung durch Neu-gebauer und andere Spitzenfunktio-näre (alle männlich) engagierteGewerkschafterInnen zu bleiben, seit10 und 15 Jahren.

„GÖD einstimmig für ein Konjunktur-paket Bildung Soziales und öffentlicherDienst: Annahme durch den Kongressund Weiterleitung der Forderung anden ÖGB“ – Diesen UGöD-Antraghaben wir bis zum GÖD-Bundeskon-gress durchbringen können. Wir sind

2009 mit dieser Hauptforderung in diePersonalvertretungswahlen gegangen,haben diese Forderung auf jedem derwenigen Zentralvorstände (aufGÖDisch: Bundeskonferenz) einge-bracht, zuletzt im Frühjahr 2011, als wirAktionen gegen das restriktive Finanz-rahmengesetz der SPÖ-ÖVP-Regierungvorgeschlagen haben. Beim Bundestagder AHS-Gewerkschaft wurde dieser

Antrag zwar inhaltlich auf AHS-Dimensionen zurechtgestutzt, ÖGBund AK als Verbündete der GÖDmussten ebenfalls herausgenommenwerden, aber die Überschrift unddie Grundintention blieb erhalten.Dass der Inhalt dieses Antrages inkeinen der großteils verschwomme-nen Leitanträge aufgenommenwurde, sondern als einer von vielenBildungsanträgen abgestimmtwurde, tut dem Erfolg keinenAbbruch: Kalkül 1 (Annahme) undKalkül 4 (an den ÖGB) und beides

einstimmig – das haben nur wenigeAnträge geschafft. Und die UG imÖGB kann sich auf diesen GÖD-Beschluss berufen, wenn es gegen dieSchuldenbremse geht, mit der Reiche,AnlegerInnen und FinanzspekulantIn-nen abgesichert und ArbeitnehmerIn-nen weiter zusammengestaucht wer-den sollen. Weil diese anscheinendgeduldiger und weniger sensibel sindals die Finanzmärkte und das Schicksalüberhaupt.

Risse im Beton sind zu wenig. Wennwiderständige Initiativen – bewährteund neue – bei den Betriebsratswahlen2011 und den nächsten Personalvertre-tungswahlen solidarisch beleben kön-nen, dann wird’s den Beton zerbröseln.Wenn, dann. Why not? Wir lernen imGehen, auch beim Hinausgehen ansRednerpult des GÖD-Kongresses, nach-haltiger an den Dienststellen und inden Betrieben, mit den KollegInnenund für sie.

GET UP, STAND UPStand up for your rights Get up, stand up DON’T GIVE UP THE FIGHT!Bob Marley

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UGöD-Pressekonferenz imCafe Eiles, 4. November 2011.V.l.n.r: Dietmar Mühl (Berufs-schullehrer), Beate Neunteufel-Zechner (ÖNB, VorsitzteamUGöD), Reinhart Sellner (AHS-Lehrer, Vorsitzteam UGöD)

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Sehr ambitioniert hat die Kampagne „Zeit für Menschlichkeit“ der GdG-KMSfB im Krankenanstaltenverbund begonnen. Von Christine Rudolf.

KEIN PLAN B?

AM

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14. September 2011 war der Auftakthinter dem Rathaus und einige Zeitun-gen schrieben: „Sie ließen das Rathausbrennen“. In Wirklichkeit wählte mandie spektakuläre Projektion auf die Hin-terseite des Rathauses mit einem Bildaus Feuer und dem Spruch „Ausge-brannt“, um die Gefahr des Ausbren-nens im Wiener Gesundheitsbereich auf-zuzeigen. Und das kam an bei denBediensteten des KAV vor Ort, aberauch beim Bürgermeister. Auf einmalwar er gesprächsbereit und signalisierte,dass man die Probleme der Bedienste-ten ernst nehme. Auch wenn dieBerichterstattung in manchen Medien,beeinflusst durch die Stadtregierung wieman munkelt, nicht so fein war.

Nach dem Auftakt begann dieHauptgruppe 2 mit den geplantenAktionswochen in den Häusern desKAV – um die KollegInnen über dieForderungen zu informieren und durch-aus auch auf etwaige Kampfmaßnah-men einzustimmen. So gab es in derzweiten Oktoberwoche Dienststellen-versammlungen und Verteilaktionenmit verschiedenen Motiven: es wurden„BotschafterInnen“ gesucht, welche dieInfos verbreiten sollten. Rezepte wur-den an die KollegInnen verteilt, mitdenen sie sich, sofern sie mit den For-derungen einverstanden sind, bei ihrerPersonalvertretung vor Ort ein Medika-

ment gegen die problematische Situa-tion holen konnten (eine Schachtel mitZuckerln). Auch Luftballons gab es undT-Shirts in verschiedenen Varianten,sowie Buttons mit Symbolen der ver-schiedenen Berufsgruppen, wahlweisemit lachendem oder ernstem Gesicht.Und eigentlich wären in der letztenOktoberwoche Aktionen in der Öffent-lichkeit geplant gewesen, um diePatientInnen und die Wiener Bevölke-rung für die Forderungen zu sensibili-sieren und Bewusstsein dafür zu erzeu-gen, dass eine qualitativ hochwertigeGesundheitsversorgung und Pflege nurmit genügend Personal, ausreichendenRessourcen und passenden Rahmenbe-dingungen möglich ist – denn sonststehe unser Gesundheitssystem vordem Kollaps!

Dann passierte etwas Tolles – dergroße Erfolg, wie die Führung derHauptgruppe 2 meint: Die Sparmaß-nahmen, welche vor dem Sommer vonder KAV-Direktion erlassen wurden(Stopp der Bewilligungen für Dienstrei-sen, Remunerationen, Beförderungenund Sonderurlaube, Nachbesetzungs-stopp, Einschränkung der Fortbildun-gen sowie Freizeitausgleich statt Über-stundenauszahlung), wurden vom KAV-Direktor am 12. Oktober zurückgenom-men. Ja – ein Erfolg, keine Frage. Aberkein so grosser, weil diese Rücknahmenicht die Einsparungen von insgesamt50 Millionen Euro betrifft, welche fürdie Häuser des KAV mit Anfang desJahres erlassen wurden. Leider bedeu-teten diese Vorgänge das (zumindestmomentane) Aus für weitere Aktionenin der Öffentlichkeit im Rahmen derGesundheitskampagne. Derzeit wirdlediglich wieder, wie zu Beginn derKampagne, eine Befragung im KAVdurchgeführt, bei welcher die KollegIn-nen beantworten sollen, was sich

ändern muss, damit der „Druck“ weg-fällt. Und trotzdem: Ärgerlich ist, dassseit dem „Erfolg“ in den Medien davondie Rede ist, dass „die Sparmaßnah-men im KAV“ zurückgenommen wur-den, was so leider nicht stimmt. Aberwie kommen die Medien dazu, solcheBehauptungen aufzustellen? Wurdensie schlecht informiert oder haben sieschlecht recherchiert? Wie auchimmer… Wir haben unsere KollegInnender KIV, welche die Kampagne undAktionen nach ihren Möglichkeitenunterstützt haben, gefragt, wie dieStimmung in den Häusern nun ist undwas die Aktionen bewirkt haben?

Als positive Reaktion wird gesehen,dass viele KollegInnen sensibilisiertwurden und sich nun offener über dieÜberlastungssituation zu reden trauen,sowie auch gemeinsam überlegen, wasnotwendig wäre, um ihre Situation zuverbessern.

Als negativ wurde allerdings emp-funden, dass die Aktivitäten der Perso-nalvertretungen unkoordiniert erschei-nen. Viele KollegInnen vor Ort wissen,trotz Aktionen mit dem Ziel der Aufklä-rung und Information über die Forde-rungen der Kampagne, nicht, wohinder Weg gehen soll und wozu man dasüberhaupt macht. Viele KollegInnenfragen uns jetzt auch, warum esmomentan so ruhig ist und warum esnun keine öffentlichen Aktionen gibt?Manche überlegen überdies, was ausder Frage im Rahmen der Fragebogen-aktion im Vorfeld des Kampagnen-starts geworden ist, „Ja, ich bin bereitfür die Rechte der Beschäftigten zustreiken!“, welche mit großer Zustim-mung beantwortet wurde.

Wir haben in der Hauptgruppe 2 undbei den FSG-PersonalvertreterInnennachgefragt, was passiert, wenn diemomentan laufenden Verhandlungen

Christine Rudolfist politischeSekretärin der KIV.

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Die 156. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wienunterstützt die Kampagne der Gewerkschaften GPA-djp undVida „Für eine nachhaltige Pflegefinanzierung“ und die Kam-pagne der GdG-KMSfB Hauptgruppe 2 „Zeit für Menschlich-keit!“ mit dem Wiener Appell gegen geplante Einsparungenim Wiener Krankenanstaltenverbund, für eine Sicherstellungder notwendigen finanziellen Mittel und für mehr Personal.Die AK setzt sich gemeinsam mit den Gewerkschaften für dieUmsetzung der Forderungen ein. Die 156. Vollversammlungder Arbeiterkammer Wien fordert die Stadt Wien und diepolitisch Verantwortlichen auf Bundesebene entsprechendihrer Zuständigkeiten dazu auf, den Forderungen derGewerkschaften im privaten und kommunalen Gesundheits-und Pflegebereich nachzukommen und dementsprechendeMaßnahmen einzuleiten.

Die erwähnten Kampagnen der Gewerkschaften zeigendeutlich auf: Es ist an der Zeit, endlich für eine nachhaltigeSicherung, für den Erhalt und den Ausbau einer qualitativhochwertigen Pflege und Betreuung in Wien und Österreichzu sorgen. Nicht durch vielfach unüberlegte Einsparungs-Maßnahmen auf dem Rücken der Bediensteten, Beschäftig-ten und der betroffenen KlientInnen – sondern durch einesolidarische Finanzierung über vermögensbezogenen Steu-ern. (…) Keine weiteren Einsparungen auf Kosten des Perso-nals und der PatientInnen im Wiener Krankenanstaltenver-bund, sondern:•Eine umfassende Verbesserung der Arbeitsbedingungenmittels einem breiten Angebot an betrieblicher Gesundheits-vorsorge, leistungsgerechter Entlohnung, einer Verringerung

des Arbeitsdrucks durch eine bessereArbeits-Organisation und entsprechendeAnerkennung und gesellschaftliche Neu-bewertung der Gesundheitsberufe.•Eine gerechtere Verteilung der finanziel-len Mittel: Mehr Personal in den Kranken-und Pflegewohnhäusern zur Sicherstel-

lung der Qualität und für ausreichende Zeit zur intensivenund qualitativen Betreuung, medizinischen Versorgung undPflege der PatientInnen und Pflegebedürftigen.•Ausbau statt Abbau: tatsächliche Einsparungen bei Investi-tions- und Betriebskosten durch die im Wiener Spitalskonzeptangestrebte Reduzierung und Zusammenlegung von Stand-orten sollen für mehr Personal verwendet werden!•Verbesserte Organisation: Mehr Beschäftigte an der Basisund entsprechende Ressourcen, anstatt neue Posten im Top-Management zu schaffen!•Mehr Zeit für die PatientInnen und Pflegebedürftigen stattimmer mehr Schreibaufwand: Der Dokumentationsaufwandsoll zugunsten von mehr (Betreuungs-)Zeit gestaltet werden.•Dienstplanverlässlichkeit und eine deutliche Entlastung derBeschäftigten: für ausreichend Erholungs- und Freizeitpha-sen und eine wirkliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie.•Mehr Aufmerksamkeit für den Menschen: Eine weitereErhöhung der Patientenfrequenz durch Abbau der statio-nären Betten zugunsten von wochen- und tagesklinischemBetrieb.

Im Sinne der Beschäftigten und Bediensteten im kommu-nalen und privaten Gesundheits- und Pflegebereich in Wiensind wir es den von uns als Arbeiterkammer-RätInnen ver-tretenen KollegInnen schuldig, in der Öffentlichkeit undnatürlich auch im sozialpartnerschaftlichen Dialog mit denpolitisch Verantwortlichen dieses Zeichen gemeinsam zusetzen: „Es ist Zeit für Menschlichkeit – denn soziale Arbeitist mehr wert!“Die Resolution wurde angenommen.

Aus einer AUGE-Resolution zur AK-VollversammlungWien, Oktober 2011

Für eine ausreichende und nachhaltige Finanzierungvon Pflege und Betreuung im kommunalen und privaten Gesundheits- und Pflegebereich

zu keinem Ergebnis führen? Die öffent-lichen Aktionen, so heißt es, liegenwährend der Verhandlungen zwar aufEis, sind aber nach wie vor geplant,wenn notwendig. Trotzdem geben dieKollegInnen der HG 2 verschiedeneAntworten, wodurch bei uns der Ein-druck der Uneinigkeit entsteht. Esscheint, als ob es keinen Plan B gäbe.Und Informationen über die laufendenVerhandlungsgespräche zwischenHG 2-Führung und KAV-Direktion gibtes leider auch im Moment keine –zumindest wissen wir nichts davonund die KollegInnen vor Ort in denHäusern leider auch nicht. Ein gefähr-liches Unterfangen, wenn man zuvorbei den KollegInnen so viele Erwartun-gen schürt! Die Gesundheitskampa-gne mit ihren Forderungen ist unter-stützenswert, da damit die Gewerk-

schaftsführung innerhalb der Haupt-gruppe 2 den Mut gezeigt hat, in derÖffentlichkeit gegen den Sparkurs derRot-Grünen-Stadtregierung aufzutre-ten, die Überlastung und den Arbeits-druck der KollegInnen zu thematisie-ren und die KollegInnen auch mit ein-zubeziehen.

Nur, wenn die Gewerkschaftsfüh-rung wirklich dazu bereit ist, Verbesse-rungen auch zu erkämpfen, dann darfsie die nun aufgerüttelten KollegInnennicht allzu lange hinhalten und mussversuchen, über die Verhandlungentransparent zu informieren, damit dieStimmung nicht ins Gegenteilumschlägt. Wir brauchen eine Gewerk-schaft, die zu wirklichen Kampfmaß-nahmen für bessere Arbeitsbedingun-gen, bessere Einkommen und mehrPersonal bereit ist.

Wir fordern von der Stadtregierung,dass mehr Geld für die kommunalenSpitäler und Geriatriezentren zur Ver-fügung gestellt wird und es keine wei-teren Privatisierungen, Ausgliederun-gen bzw. Fremdvergaben geben darf.Außerdem fordern wir die Rücknahmeder bereits durchgeführten Ausgliede-rungen und Fremdvergaben im kom-munalen Gesundheitswesen, Personal-bedarfserhebungen nur mit Mitspra-che der betroffenen KollegInnen vorOrt, mehr Mitsprachemöglichkeitender KollegInnen bei der Gestaltungund Arbeitsorganisation an ihremArbeitsplatz und eine deutliche Ent-lastung aller KollegInnen im KAV. Esist nicht nur Zeit für Menschlichkeit –es ist Zeit für Gerechtigkeit!

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GEMEINSAM steigt wieder vermehrt in die Vorarlberger Gewerkschaftsarbeit ein. Von Mario Lechner.

AUFBRUCHSTIMMUNG

G

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EMEINSAM ist bislang vor allem alsFraktion in der Arbeiterkammer-Vorarl-berg aktiv. GEMEINSAM ist aber auch(wieder) eine anerkannte Fraktion imÖGB-Vorarlberg. Dieser Arbeitsbereichsoll nun sein Schattendasein beenden.Strategien, wie das gehen soll, hat derGEMEINSAM-Vorstand bei einer Klau-sur in Lingenau im Bregenzerwald ent-wickelt. Derzeit ist GEMEINSAM mit •drei Betriebsräten in der Gewerk-schaft der Privatangestellten, Druck,Journalismus, Papier (GPA-djp, Vorarl-berg) und •mit einem in der Produktionsgewerk-schaft (Pro-Ge) vertreten. Diese GEMEINSAM-Betriebsräte sindTeil der AUGE/UG.

Weiters zählen neun Personalvertre-terInnen im Öffentlichen Dienst zurUGöD (Unabhängige Gewerkschafte-rInnen). Erklärtes Ziel des VereinsGEMEINSAM ist es, dass bei der Arbei-terkammerwahl 2014 mindestens 14

Betriebsratsmitglieder auf derGEMEINSAM-Liste antreten.

GEMEINSAM entstand 1993 mitdem Ziel, bei den AK-Wahlen 1994erstmals anzutreten. Mit dabei warenvon Anfang an auch Gewerkschafts-mitglieder und Betriebsräte. Der 1994als erster GEMEINSAM-Kammerratgewählte Mario Lechner war beispiels-weise damals Betriebsratsvorsitzenderim Sozialverein DOWAS. Folglichbegann GEMEINSAM sich auchgewerkschaftlich zu orientieren.GEMEINSAM schloss sich kurz nachseiner Gründung der bundesweitenAlternativen Fraktion in AK und ÖGBan, die damals noch den Namen „GE –Gewerkschaftliche Einheit“ trug.GEMEINSAM war so dann auch bei derUmbenennung der GE zur „AUGE –Alternative und Grüne Gewerkschafter-Innen“ und beim Zusammenschluss mitden „UGöD – Unabhängigen Gewerk-schafterInnen für mehr Demokratie“ in

der Gewerkschaft öffentlicher Dienst(GöD) und der Konsequente Interes-senvertretung in der GdG-KMSfB(Gewerkschaft der Gemeindebedienste-ten, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe)zur neuen ÖGB-Fraktion „UG – Unab-hängige GewerkschafterInnen“ vonAnfang an dabei.

Die Unabhängige GewerkschafterIn-nen waren und sind ein Bottom-Up-Projekt, ein Zusammenschluss von vie-len Basis- und Betriebsgruppen mitjeweils eigener Geschichte, eigenerIdentität und eigenem Namen, was fürNeueinsteigerInnen nicht immer leichtzu durchblicken ist, wie auch einigeTeilnehmerInnen an der Klausur fest-stellen mussten. Mit Markus Koza, demUG-Vertreter im ÖGB-Vorstand, hatsich GEMEINSAM einen kompetentenReferenten ins Land geholt, der esschaffte, den Mitgliedern des GEMEIN-SAM-Vorstands einen ersten Durch-blick zu verschaffen.

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PASSIVES WAHLRECHT ERKÄMPFT,FRAKTIONSSTATUS VERLORENGEMEINSAM war in seiner Gewerk-

schaftsarbeit in den 1990er-Jahrenschon weiter als heute: Sowohl im ÖGBals auch in der GPA-djp als Fraktionanerkannt und in der GöD, die sich bisheute beharrlich weigert, die UG alsFraktion anzuerkennen, mit Funktionär-Innen vertreten. 1999 wurden Kolleg-Innen mit türkischer Staatsbürger-schaft von der GEMEINSAM-Liste zurAK-Wahl gestrichen. In einem jahrelan-gen Rechtsstreit gelang es GEMEIN-SAM, das allgemeine passive Wahl-recht bei AK- und Betriebsratswahlendurchzusetzen. GegnerInnen in diesemzeit-, energie- und finanzaufwendigenProzess waren die Mitglieder der AK-Hauptwahlkommission, fast alle Funk-tionäre und Angestellte von Gewerk-schaften. Um nicht weiter die Prozess-gegner mitfinanzieren zu müssen, tra-ten die GEMEINSAM-AktivistInnengroßteils aus den Gewerkschaften aus,womit dann auch der Fraktionsstatusverloren ging.

Vor der AK-Wahl 2009 stieß CanBozgül zu GEMEINSAM. Er war und isttürkischer Staatsbürger, Betriebsrat beiTridonic in Dornbirn und somit einerder Nutznießer des Kampfes um dasallgemeine passive Wahlrecht. Seitherentwickelt sich die GEMEINSAM-Gewerkschaftsarbeit wieder zaghaft.Die Klausur wird dieser Entwicklungnun den notwendigen Schub verleihen.

Die Gewerkschaftsarbeit ist mit derKlausur vom Rand ins Zentrum desBlickfelds gerückt. Die Vorstandsmit-glieder haben die notwendigen Grund-lagen erfahren. Die Strategien sindnun klar, die nächsten Schritte defi-niert und die strukturellen Weichengestellt. In den nächsten Monaten wirdGEMEINSAM intensiv mit Mitgliedernund SymphatisantInnen in Kommuni-kation treten, um sie für das Projekt„GEMEINSAM in den Gewerkschaften“zu gewinnen. Es gibt mit Sicherheitmehr als vier Betriebsratsmitglieder inVorarlberg, die sich als alternativ, grün,links oder unabhängig verstehen unddaher dazu zu gewinnen sind, eineFraktionserklärung für die AUGE/UGzu unterschreiben. Weiters wird es inden nächsten Jahren gelingen, dassGEMEINSAM-AktivistInnen bei Perso-nalvertretungs-, und Gewerkschafts-

und Betriebsratswahlen antreten –entweder auf Einheits- oder aufGEMEINSAM-Listen. So wird es gelin-gen, nicht nur im ÖGB-Vorarlberg, son-dern auch in mehreren Gewerkschaf-ten den Fraktionsstatus und damitEinfluss auf die Gewerkschaftspolitikzu erlangen.

GEMEINSAM UND DIE GRÜNENFür GEMEINSAM war immer klar,

dass die Interessen der Arbeitnehmer-Innen völlig frei und unabhängig vonäußeren Einflüssen, sei es von Unter-nehmerInnen, von politischen Parteienoder von anderen Organisationen undInteressen zu definieren und zu vertre-ten sind. Dennoch – oder gerade des-wegen – hatte GEMEINSAM immerein freundschaftliches und kooperati-ves Verhältnis zu den Grünen. EinzelneGEMEINSAM-AktivistInnen waren undsind Mitglieder der Grünen. GEMEIN-SAM hat sich im Laufe der Entwick-lung dann auch entschlossen, bei AK-Wahlen als „GEMEINSAM – Grüneund Unabhängige“ zu kandidieren.Bei AK-Wahlen soll das auch weiter-hin so sein. Um aber in der Gewerk-schaftsarbeit keinen Zweifel an derUnabhängigkeit und Bereichsautono-mie der GEMEINSAM-AktivistInnenund GEMEINSAM-Gruppen in Betrie-ben und Gewerkschaften aufkommenzu lassen, werden die Gewerkschafte-rInnen als „GEMEINSAM/UG“ auftre-ten, wobei das UG für die bundes-weite ÖGB-Fraktion „UnabhängigeGewerkschafterInnen“ steht. Die ver-bindende gemeinsame „Marke“ bleibtGEMEINSAM. Unabhängig davon, inwelchem Bereich die Alternativge-werkschafterInnen in Vorarlberg auf-treten, bleibt damit die Wiedererkenn-barkeit erhalten.

Kontakt

– GEMEINSAM/UG (ÖGB-Fraktion), CanBozgül (Vertreter der UG im ÖGB Landesvor-stand), [email protected], Mario Lech-ner (KIV/UG-Landessprecher), [email protected].– Gemeinsam – Grüne und Unabhängige(AK-Fraktion), Sadettin Demir (Fraktionsvor-sitzender), [email protected].

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ug-oegb.at

auge.or.at

kiv.at

ugoed.at

ug-vida.at

we4you-ug.at

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Seit einigen Jahren setzt sich die Privatisierung und Liberalisierung der Post ungebrochen fort.

Von Renate Vodnek.

TRARI – TRARA –DIE POST WAR DA?

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otor dieser Entwicklung ist die EU-Liberalisierungspolitik, dieschrittweise die Öffnung der Postmärkte vorgeschrieben hat.Seit 2011 ist in Österreich auch der Briefmarkt theoretischliberalisiert. Der Zweck der Gemeinschaftspolitik ist lautEuropäischer Kommission „den Binnenmarkt für Postdienstezu vollenden und durch einen geeigneten Regulierungs-rahmen dafür zu sorgen, dass unionsweit allen Bürgern effi-ziente, zuverlässige Qualitätspostdienste zu erschwinglichenPreisen zur Verfügung stehen“.1

Wie zeigen sich diese „effizienten, zuverlässigen Qualitäts-postdienste“? Seit 1999 wurde in Österreich jedes zweitePostamt geschlossen, mittlerweile gibt es bereits mehr Post-partner als Postämter (siehe Grafik „Österreichweit nah amKunden“). Im Nachhaltigkeitsbericht der Post AG liest sichdas so: „kundenorientierte Restrukturierung des Standort-

netzes“.2 Das bedeutet: Schließung von Postämtern undEröffnung von Postpartnern. Bis Ende 2012 über fünfzigWiener Postämter geschlossen werden.

Die Ergebnisse betreffen Beschäftigte und KundInnengleichermaßen. Lange Warteschlangen, weniger Postkästen,längere Wege zum nächsten Postamt, Ausdünnung der städ-tischen Infrastruktur und weniger Personal, Gehaltseinbu-ßen oder schlechtere Arbeitsbedingungen sind zwei Seiteneiner Medaille. Die Arbeiterkammer spricht von desaströsenAuswirkungen: „Viele private Paketdienstleister habenGeschäftsmodelle, mit denen sie das Arbeitsrecht umgehen.Die Folgen sind prekäre Arbeit, Scheinselbstständigkeit undNiedrigstlöhne. Mit einer Preisschlacht für kommerzielleAnbieter zwingen sie die Post, ebenfalls solche Praktikeneinzusetzen“.3 Die Verlagerung der Postdienste auf die Post-

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partner sind kein geeigneter Ersatz: Die ArbeiterkammerTirol stellt in einer Studie diesen ein schlechtes Zeugnis aus.Kritisiert werden zahlreiche Mängel wie Verschlechterungender Dienstleistung, der fehlende Schutz der Privatsphäre,aber auch Umsatzverluste (bis zu achtzig Prozent4). Daseinzige, das nach wie vor im Steigen ist, sind die Gewinneund Dividenden.

Anhand der Abbildung ist erkennbar, dass von 1999 bis2009 jedes zweite Postamt geschlossen und das Personalum ein Drittel reduziert wurde. Gab es 1999 noch zweitau-senddreihundert Postämter, sind davon weniger als tausendübrig. Selbst wenn die Postpartner miteinbezogen werden,stehen wir 2010 österreichweit bei insgesamt 1850 Post-Stellen – 733 Filialen und 1117 Postpartner. Interessanter-weise berichtet der Nachhaltigkeitsbericht der Post AG freu-dig von einem dichten Netz – „dichter als mit 1650Geschäftsstellen gesetzlich vorgeschrieben“.2 Auf der ande-ren Seite ist im selben Zeitraum der Gewinn um fast dasvierfache gestiegen. Die Bruttobezüge der Vorstandsmitglie-der sind in den letzten fünf Jahren um etwa sechzig Prozentgestiegen, während die der Beschäftigten nur um drei Pro-zent erhöht wurden.4

Im Nachhaltigkeitsbericht von September 2011 tönt diePost AG vollmundig von einer Ausweitung der Versorgungsowie einer Förderung des Gemeinwohls und des gesell-schaftlichen Engagements. Wie macht sich das bemerkbar?Peter Gross, Vorsitzender der „Personellen Interessensvertre-tung/Unabhängige GewerkschafterInnen“ (PIV/UG), hatdavon noch nichts bemerkt: „Das muss sich um einen Irrtumhandeln. Man schließt lieber Filialen als dass man sie aus-weitet“ (Interview auf der nächsten Seite mit Peter Gross,November 2011).

Gleichzeitig steht im selben Bericht ein Ziel von einem biszwei Prozent Umsatzwachstum pro Jahr und eine Steigerungdes Gewinns vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern(EBITDA) von zehn bis zwölf Prozent pro Jahr. Damit soll derUnternehmenswert gesteigert werden und eine attraktiveDividendenpolitik durchgeführt werden. Die attraktive Divi-dendenpolitik ist bemerkbar: Von 2007 bis 2009 wurdesogar mehr Dividenden ausbezahlt, als Gewinn erzieltwurde. In den letzten vier Jahren wurde somit in die Sub-stanz des Unternehmens eingegriffen.

Der Post-Generaldirektor hält eine Kritik an der Dividen-denpolitik für völlig unberechtigt und verweist auf 2,4 Milli-arden Euro Umsatz. Dabei vergisst er anscheinend, dass sichdie Höhe einer Dividende üblicherweise am Gewinn desUnternehmens orientiert und nicht an der Umsatzentwick-lung. Weiters wird in der Regel ein Teil des Gewinns einbe-halten und den Rücklagen zugeführt, um zum Beispiel

Investitionen zu finanzieren. Bei geschlossenen Postämternsind aber natürlich keine Investitionen notwendig.

Immer deutlicher wird erkennbar, dass Liberalisierung undPrivatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und Güternzu einem Debakel für Beschäftigte und KundInnen führen.Die PIV/UG fordert daher die Verbesserung der Lebensqua-lität am Arbeitsplatz, genügend Personal mit guten Verträ-gen und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit (statt vierverschiedener Entlohnungsarten für Beamte, Angestellte,Bedienstete mit Sondervertrag und mit KV-Neu). Statt Aus-gliederungen und Privatisierungen ist ein Ausbau und dieStärkung des Öffentlichen Dienstes notwendig. Postdienstedürfen nicht der Gewinnmaximierung der AktionärInnendienen, sondern wie alle anderen kommunalen Dienste demGemeinwohl der Gesellschaft.

Literatur

1 http://ec.europa.eu/internal_market/post/legislation_de.htm2 Nachhaltigkeitsbericht der Post AG 2010, September 2011, Seite 123 www.arbeiterkammer.com/online/postmarktgesetz-53068.html4 Werkstatt-Blatt 2/2011, Seite 7

in Millionen Euro 2007 2008 2009 2010Gewinn . . . . . . . . . . . 123 119 80 118Dividende . . . . . . . . . . 168 169 101 108in % des Gewinns . . . . . . 137 142 126 91,53EBIT*) . . . . . . . . . . . . 163 170 149 157*) Gewinn vor Steuern und Zinsen.Quelle: Geschäftsbericht Post AG

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Interview

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Es stehen derzeit wieder Postamtsschlie-ßungen auf der Tagesordnung – was fürAuswirkungen erwartet ihr?

Viele KollegInnen werden versetzt oder„restrukturiert“ werden. Postpartner sinddas neue Konzept der Post. Für denKundInnenkreis ist es ärgerlich, wenn siekilometerweit zum nächsten Postamtfahren müssen. Abgesehen davon wirdvon den Postpartnern das Briefgeheimnisnicht so gewahrt wie am Postamt. LautPost AG haben sich die Postpartner gutbewährt. Jedoch gehe ich in die Trafik,wenn ich Semmeln kaufen will?

Wie steht die Gewerkschaft zu Postamts-schließungen?

Grundsätzlich sind alle Fraktionen gegenPostamtsschließungen. Ein Konzept fehltaber nach wie vor! Kürzlich gab esStreikdrohungen gegen Personalabbau,doch fehlt es an Mut, das auch durchzu-ziehen. Das Unternehmen baut weiterPersonal ab und die Gewerkschaft derPost- und Fernmeldebediensteten (GPF)redet viel anstatt zu handeln.

Was ist die Position der UG PF?Die UG PF steht für die Erhaltung jedesArbeitsplatzes, wir treten strikt gegenPersonalabbau sowie Auslagerungenund Schließungen ein. Unser Ziel ist eineGewerkschaft, die wirklich etwas bewegtund den Abbau des Sozialstaates undunserer gewerkschaftlich erkämpftenRechte verhindert.

Welche Erfahrungen hast du mit demPost-Arbeitsmarkt?

Das Konzept PostlerInnen zur Polizei bzw.ins Finanzministerium hat sich kaumbewährt. Das Personal wurde mehr oderminder finanziell geködert bzw. genötigt.Der Großteil ist wieder bei der Post ange-stellt! Der Personalabbau wird Jahr fürJahr weiter betrieben. Aktuell ist geplant,pro Jahr 800 Beamte und Vertragsbe-dienstete abzubauen. Billigeres Personalmit neuem Kollektivvertrag oder Leasing-kräfte sind zukünftig gefragter denn je

bei der Post. Das heurigeJahr sieht für die Post gutaus, es gibt 110 MillionenEinnahmen. Vermutlich wer-den wieder wie die Jahredavor 86 Prozent an Dividenden ausge-schüttet. Die Belegschaft ist verunsichert.„Was passiert mit uns in den nächstenJahren?“ ist die häufigste Frage. Burnoutnimmt zu. Motivation? Früher war manstolz ein Postler zu sein. Das hört manheute kaum noch. Die großen Fraktionengingen lieber faule Kompromisse ein stattzu handeln. Die GPF sieht immer noch zu,redet, beruhigt die MitarbeiterInnen stattein richtiges Konzept auszuarbeiten.

Im Nachhaltigkeitsbericht der Post AGsteht „Ausweitung der Versorgung undFörderung des Gemeinswohls und desgesellschaftlichen Engagement“ – wasist davon zu merken?

Das muss sich um einen Irrtum handeln.Man schließt lieber Filialen als dass mansie ausweitet. Kostenreduzierung passiertvor allem durch Personalabbau. Einspa-rungen sind Alltag. Das Unternehmenfeilt so lange, bis das Ziel erreicht ist,koste es was es wolle. Quantität stattQualität ist das Motto der Post. Es wirdbald keine Postler mehr geben, die diePost zustellen. Vermutlich kann man siedann selbst beim Postamt abholen.

Stichwort Liberalisierung und Privatisie-rung des Postmarkts – was für Auswir-kungen sind sichtbar?

Die Auswirkungen sind: Mehr Druck aufdas Personal. Es wird mehr Leistunggefordert und nur noch gewinnorientiertgehandelt. Es gibt massive Einsparun-gen. Ein gewinnorientiertes Dienstleis-tungsunternehmen sind wir schon lange,seit 1996, als die Post zur Aktiengesell-schaft (AG) wurde. Eine verstaatlichtePost wäre flächendeckender und hättemehr Verpflichtungen gegenüber derGesellschaft. Wir brauchen ausreichendepersonelle Besetzung – nur durch ausrei-chenden Personalstand ist es möglich,

den wachsenden Anforderungen gerechtzu werden und die Lebensqualität amArbeitsplatz zu verbessern. Weiters benö-

tigen wir mehr eigenes Personalstatt LeiharbeiterInnen. Außer-dem müssen der Privatisierungs-wahn und die Ausgliederungenbeendet werden. Der Trend zurPrivatisierung und Ausgliederungführt zu Personaleinsparungenund erhöhten Leistungsdruck.

Was kann die UG innerhalbder Personalvertretungbewegen?

Durch das PersonalvertreterInnensystemmit der dreistufigen Hierachie Vertrau-enspersonalausschuss (VPA), Personal-ausschuss (PA) und Zentralausschuss(ZA) bei der Post ist es schwierig, etwaszu bewegen. Der VPA besteht aus dengewählten PersonalvertreterInnen imjeweiligen Betrieb, ist jedoch dem PA(Bundesländer Vertretung) und dem ZA(Österreichweit, wie Konzern-Betriebsrat)unterstellt. Der VPA steht zwar an vor-derster Front bei der Belegschaft, ist abervöllig hilflos, wenn der Zentralausschussbestimmt. Die UG wird leider in der GPFnoch zu wenig ernst genommen. Daswird sich in den nächsten Jahren ändern.Laut einer Umfrage im BriefzentrumWien sind wir die Zukunft.

Was sind eure Forderungen?Unsere Forderungen sind: Lebensqualitätam Arbeitsplatz; Basisorientierung stattBonzendiktat; Modernes Dienstrecht:Anerkennung und Honorierung der Leis-tung („gebühren“ statt „gewähren“);Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit(nicht vier unterschiedliche Entlohnungs-arten – Sondervertrag, Beamte, Ange-stellte und KV-Neu); Ausreichend Perso-nal; Personelle Interessens Vertretungstatt „faule“ Kompromisse; Ausbau undStärkung des Öffentlichen Dienstes;Gegen Ausgliederung und Privatisierun-gen; Teamarbeit statt veralteter Befehls-hierarchien; Demokratisierung derGewerkschaft und Personalvertretung.

Ein Zitat von Generaldirektor Pölzl: „DiePost ist schon sehr schlank. Das muss sobleiben“ – was ist eure Antwort darauf?

Diäten führen oft dazu, schlank zu wer-den, dabei ist der berühmte Jojo-Effektvorprogrammiert – das wünsche ich unsPostangestellten.

„Gehe ich in die Trafik, wenn ich Semmeln kaufen will?“Seit mehr als einem Jahrzehnt macht die Post unter anderem mit Personalabbauund Postamtsschließungen von sich reden. Wir sprachen mit Peter Gross,Mandatar und Vorsitzender der PIV/UG, über die aktuelle Lage und dieArbeit der im Juli 2010 gegründeten „Personellen Interessensvertretung“.Bei der Wahl im August 2010 wurden die KollegInnen auf Anhieb zurdrittstärksten Gewerkschaftsfraktion gewählt.

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eit gut neun Jahren unter-sucht sie, wie viel Österreichs

Unternehmen an „ihren“Beschäftigten verdienen, wie

hoch also die Wertschöpfung der Mit-arbeiterInnen ist. Ausgewertet werdendabei die verfügbaren Jahresab-schlüsse mittlerer und größerer Unter-nehmen. So auch für das Jahr 2010: Eswurden die verfügbaren Unterneh-mensergebnisse 880 mittlerer und grö-ßerer österreichischer Unternehmen(Bilanzsumme über 4,8 Millionen Euro,Umsatzerlöse größer als 9,68 MillionenEuro, über 50 Beschäftigte) mit insge-samt 467.166 Beschäftigten (rund13,9 Prozent aller ArbeitnehmerInnen)analysiert. Der „Trend 2010: Produktivi-tät der Beschäftigten ist top!“ DieErgebnisse in aller Kürze:•Die „Wertschöpfung“ pro Beschäftig-ter erreicht mit 97.484 Euro einenneuen Spitzenwert, wobei ein „Über-schuss“ (Wertschöpfung minus durch-schnittlicher Personalaufwand proBeschäftigter) von 40.335 Euro eben-falls einen neuen Rekord darstellt.•Und: die Gewinnausschüttungen andie Eigentümer pro Beschäftigter blei-ben auch in der Krise annähernd hochund belastet die Jahresergebnisse inden Folgejahren schwer.

Die Produktivität pro Beschäftigterhat sich im Vergleich zu 2004 um26,7 Prozent gesteigert. Der Personal-aufwand je Beschäftigter – also derAnteil der ArbeitnehmerInnen an derProduktivitätssteigerung – ist miteinem Plus von insgesamt 12,9 Prozentum mehr als die Hälfte hinter der Pro-duktivitätsentwicklung zurückgeblie-ben! Im Vergleich zum Vorjahr hat sichvon 2009 auf 2010 die Wertschöpfungpro ArbeitnehmerIn um 5,9 Prozenterhöht, der Personalaufwand im glei-chen Zeitraum dagegen um nur3,7 Prozent. Der Personalaufwand2010 in absoluten Zahlen: 57.119 Euro.Der produzierte „Überschuss“ (diegesamte Wertschöpfung abzüglich desPersonalaufwands) hat 2010 einenneuen Spitzenwert von Euro 40.335erreicht – um 53 Prozent mehr alsnoch 2004. Die AK-OÖ-Untersuchung:

„Anders ausgedrückt: Die 2010 unter-suchten Unternehmen erwirtschaftetenpro ArbeitnehmerIn einen um durch-schnittlich 53 Prozent höheren Ertragals im Jahr 2004.“ Die gesamte Wert-schöpfung einer unselbstän-dig Beschäftigten lag 2010um 70 Prozent höher als deranfallende Personalaufwandund liegt damit über demNiveau des Boomjahres2007 (Gesamtwertschöp-fung: 92.258, Anteil Perso-nalaufwand: 55.125, Über-schuss: 37.133). Anhaltendhoch sind auch die Gewinn-ausschüttungen an dieEigentümer pro Beschäftig-ter geblieben. Zwar wurdeder Rekordwert des Jahres2008 (15.884 Euro) auch 2010 nichterreicht, doch liegt dieser mit 12.334Euro ausgeschütteter Gewinn je Eigen-tümer pro Beschäftigter deutlich überjenem des Jahres 2004 (8359 Euro).„Da der erwirtschaftete Überschuss vorallem zur Befriedigung der Kapitalinte-ressen der EigentümerInnen und nichtzur nachhaltigen Verbesserung desEigenkapitals und der Liquidität derUnternehmen genutzt wurde, ist dieForderung nach angemessenen Lohn-und Gehaltserhöhungen jedenfallslegitim.“ Was allerdings die Untersu-chung auch zeigt: Die Jahr für Jahrbeschlossenen hohen Gewinnausschüt-tungen an die EigentümerInnenbedeuten für die Folgejahre massiveBelastungen für die Jahresergebnisse.

Angesichts hoher Ausschüttungsvo-lumina bleiben Investitionen drama-tisch zurück. Die Investitionsneigung –das prozentuelle Verhältnis der Sachin-vestitionen zum Wertverlust der Sach-anlagen, also den „Abschreibungen“ –ist um mehr als 22 Prozent-Punktezurückgegangen. Für die AK ein

„Alarmsignal“. Denn: „Der dahinter ste-hende Rückgang der Sachinvestitionenstellt eine existenzielle Gefährdung desFortbestandes von Unternehmen undArbeitsplätzen dar und verschlechtertdie internationale Position der österrei-chischen Unternehmen.“

Zumindest in einem Punkt dürftendie Unternehmen aus der Krise die ent-sprechenden Lehren gezogen haben:Sinken schon die Investitionsvolumina,ist zumindest der Anteil der Finanzin-vestitionen im Verhältnis zu denGesamtinvestitionen rückläufig. Wur-den 2009 noch 47,86 Prozent allerInvestitionen in Finanzprodukte (Betei-ligungen, Wertpapiere etc.) getätigt,beläuft sich dieser Anteil 2010 auf

31,20 Prozent. Angesichts der sonsti-gen Untersuchungsergebnisse aller-dings nur ein schwacher Trost.

Für die oberösterreichische Arbeiter-kammer zeigt sich jedenfalls abschlie-ßend, „... dass sich die Verteilungs-schieflage weiter deutlich verfestigthat. Mehr denn je müssen die Unter-nehmen in die Pflicht genommen wer-den und einen gerechten Beitrag zumGemeinwohl durch faire Löhne, Über-stundenabbau und Arbeitszeitverkür-zung bei Lohn und Personal leisten.“

Linktipp

Arbeiterkammer-Oberösterreich: AK-Wert-schöpfungsbarometer, Neuer Rekord bei derWertschöpfung pro Mitarbeiter. Alle Unterla-gen zur Pressekonferenz am 14. November2011 unter www.arbeiterkammer.com/online/produktive-mitarbeiter-64296.htmldownloaden.

TOPS UND FLOPS

Die oberösterreichische

Arbeiterkammer hat ihren

Wertschöpfungsbarometer

für 2010 präsentiert.

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Belastung der gesamten Jahresergebnissedurch die erfolgten Vorjahresgewinn-Auszahlungen

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an läuft mit den anderen mitund hat große Angst“, erklärt

Mohammad der österreichi-schen Journalistin Teresa Arrieta.

So begann Mohammads Flucht, die ihnJahre später nach Österreich bringensollte. Zuerst in die Schubhaft, dannnach Traiskirchen und schließlich ineine Betreuungsstelle für unbegleiteteminderjährige Flüchtlinge. Minderjäh-rige Flüchtlinge, die wie Mohammadohne Eltern nach Österreich kommen,dürfen Deutsch lernen, einen Haupt-schulabschlusskurs besuchen und wer-den auch sonst intensiver betreut alsErwachsene. Mit dem Erreichen derVolljährigkeit ist damit allerdings meis-tens Schluss. Dass Mohammad diedamals begonnene HTL weiter besu-chen kann, verdankt er seiner PatinHelga. Kennengelernt hat er sie imRahmen des Patenschaftsprojekts „con-necting people“, eines Projekts der„asylkoordination österreich“. Moham-mad ist einer von über zweihundertjungen Flüchtlingen, die auf dieseWeise jemanden gefunden haben, diesich besonders um sie kümmert. Dievon connecting people vermitteltenPatenschaften sollen den Flüchtlingsju-gendlichen emotionalen Halt gebenund einen guten Start in die österrei-chische Gesellschaft ermöglichen.

Das Patenschaftsprojekt „connectingpeople“ feiert heuer sein zehnjährigesBestehen. Jedes Jahr werden zweiPatengruppen mit bis zu vierzig neuenPatenschaften vermittelt. Bevor diePatinnen und Paten „ihre“ Jugendli-chen kennen lernen, durchlaufen sieeine Schulung, die einen Einblick gibtin die Rahmenbedingungen und Pro-blematiken – rechtliche, soziale, psy-chische, mit denen die Jugendlichenkonfrontiert sind. „connecting people“vernetzt die Patenschaften zum Erfah-rungs- und Informationsaustausch undbleibt auch weiter Anlaufstelle für alleFragen und Probleme, die im Verlaufeiner Patenschaft auftauchen können.

Das Interesse an Patenschaften isterfreulich hoch, leider mangelt es aberan den nötigen finanziellen Mitteln.Trotz vieler positiver Medienberichte,ausgezeichneter externer Evaluationund der Verleihung der „Sozialmarie“(einem Preis für innovative Sozialpro-jekte) muss das Projekt jedes Jahr umsÜberleben kämpfen. Spenden Sie für„connecting people“, damit wir uns

nicht den Kopf zerbrechen müssen, wiewir Geld auftreiben, sondern unseregebündelte Energie auf die Kernkom-petenz – nämlich das Ausbilden vonPatInnen und das Zustandekommenvon funktionierenden Patenschaften –richten können. Spendenkonto: asyl-koordination österreich, Kontonummer01810665749, LZ 14000 (BAWAG),Verwendungszweck: connectingpeople. Sie möchten mehr erfahren,Patin/Pate werden? Bitte informierenSie sich unter connectingpeople.at.

Buchtipp

Well. Come! Literarische und fotografischePorträts von jugendlichen Flüchtlingenund ihren Patinnen und Paten. Mandelbaum-Verlag, November 2011,ISBN 978-3854763710.

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Staatspreis an das

Paten-Projekt für unbeglei-

tete junge Flüchtlinge.

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„connecting people“ erhielt denStaatspreis für Erwachsenenbildung2011 in der Kategorie Freiwilligentä-tigkeit, vergeben vom Bundesminis-terium für Unterricht, Kunst und Kul-tur. Ministerin Claudia Schmiedüberreichte ihn am 14. November imRahmen eines Festakts an KlausHofstätter, Leiter von connectingpeople. V.l.n.r.: Ernestine Prachner(Patin), Klaus Hofstätter (Projektlei-ter connecting people), Anny Knapp(Obfrau asylkoordination österreich),Marion Kremla (Fortbildung, asylko-ordination österreich), Bundesminis-terin Dr. Claudia Schmied

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Filmtipp: Der Prozess Der Film von Gerald Igor Hauzenberger handelt vom Prozess gegen 13 TierschützerInnen, die nach dem sogenann-ten Mafia-Paragraf 278a angeklagt wurden. Ihnen wurde die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen.Dadurch bekam eine Sonderkommission (SOKO) bereits 2007 weitreichende Ermittlungsbefugnisse, wie Videoüber-wachung, Abhörmaßnahmen oder E-Mail- Auswertung. Trotz 5 Millionen Steuergeldern für die Ermittlungstätigkeitder SOKO wurden keine Beweise gefunden – der Prozess endete schließlich mit einem Freispruch in allen Punkten.Wer nun glaubt, dass damit die Sache erledigt ist, irrt. Viele der AktivistInnen stehen wegen der Prozesskosten vordem finanziellen Ruin. Außerdem überlegt die Staatsanwaltschaft noch, ob sie nicht Berufung einlegen will – wasauf der einen Seite weitere Prozesskosten bringen würde und auf der anderen Seite die Ungewissheit für die Ange-klagten verlängert. Handelt es sich also um einen Musterprozess gegen zivilen Ungehorsam? Müssen alle, die sichaktiv in einer NGO engagieren, fürchten, als Mitglied einer terroristischen Organisation angeklagt zu werden? DerFilmemacher Gerald Igor Hauzenberger begleitete einen der größten Prozesse der Republik mit der Kamera.Thimfilm-Verleih und Framelab-Filmproduktion, www.derprozess.com, Seit 25. November 2011 im Kino (siehe www.film.at).

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