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Sinn für nachhaltiges Bauen Alumnus des Monats November 2014 Mathias Vogt, MSc

Alumnus des Monats November 2014

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Sinn für nachhaltiges Bauen

Alumnus des Monats November 2014Mathias Vogt, MSc

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„Was ist kritischer Regionalismus, Herr Vogt?"Der Architekt Mathis Vogt hat eine verständliche Antwort parat: „Das ist eine Richtung der modernen Architektur, die regionale Besonderheiten in den Entwurf einfliessen lässt. Das heisst, dass ich bei meiner Arbeit nicht nur gegenüber dem Bauherrn, sondern auch gegenüber dem Ort und der Region sensibel bin. Die örtlichen Gegebenheiten und die Kultur verdienen Respekt.“ Diese Einstellung hat sich der junge Familienvater im Studium für „Nachhaltiges Bauen“ angeeignet – und sie hat sich bei seinem Studienprojekt in Tibet bestätigt. Eine klare Haltung ist erfrischend. Oft zahlt sie sich aus. Mathias Vogt hat kürzlich mit seinem Team den Wettbewerb für die Planung der Turnhalle in Nendeln gewonnen. „Natürlich haben wir den sozialen Auftrag der Turnhalle umgesetzt. Aber auch die präzise Setzung des Volumens, welche die dort ausgegrabenen römischen Stätten wieder besser zugänglich macht, hat die Jury überzeugt. Das meine ich u.a. in der Praxis mit dem Respekt vor den örtlichen Gegebenheiten“, erläutert der Architekt. Inspiration für Gestaltungsideen und Entwürfe findet der in Triesen wohnhafte Balzner auf Reisen, aber auch alleine in der Natur beim Biken. Weniger Vorschriften, neue Handschrift

Mit Bedenken blickt er auf die Entwicklung des Baurechts: „Die Baubranche sieht sich mit einer zunehmenden Flut von Vorschriften konfrontiert.

„Wer äussere Faktoren wie Sonnenenergie und Wind geschickt im Entwurf einbezieht, braucht im Betrieb einer Immobilie weniger Energie…“

Die Behörden können nichts dafür, aber die Politiker müssten nicht immer auf jede einzelne Stimme hören. Heute kommt es vor, dass sich Vorschriften widersprechen.“ Besser als ein ausuferndes Regelwerk sei das Vertrauen in dieEigenverantwortung der Bauherren und Unternehmer der Baubranche. 

Zu Letzteren gehört auch Mathias Vogt seit knapp drei Jahren. „Es war ein guter Schritt, in die Firma meines Vaters einzusteigen. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, da ich Projektleiter eines Grossprojektes im Architekturbüro von Conradin Clavuot in Chur war. Mein Vater hält sich heute aus den gestalterischen Fragen heraus, aber ich bin froh, dass ich auf seine reiche Erfahrung zählen kann, wenn es z.B. um baurechtliche Fragen oder die Zusammenarbeit mit den Behörden geht“, berichtet Mathias Vogt. Seit jeher stehe die Vogt Architekten AG, ehemals Markus Vogt AG, für Verlässlichkeit und sie geniesst hohes Vertrauen bei den Bauherren. Diesen Weg will der Sohn weitergehen, bringt jedoch sicher seine eigene Handschrift als Architekt mit ein. Aussen zurückhaltend, innen individuell

Bei jedem Projekt stellen sich von Neuem die zentralen Fragen: Wie ist das bestehende Wohnquartier generell beschaffen? Wie sind die örtlichen, architektonischen Voraussetzungen? Wie viel Individualität lässt dieses Quartier zu? Das Hinterfragen von extremen gestalterischen Ideen eines Bauherrn oder einer Bauherrin gehören zum Alltag. Oft erkundigt sich Mathias Vogt beim Bauherrn nach dessen Lieblingsort in der jetzigen Wohnform. „Aus der Antwort kann – muss aber nicht zwingend – sogar ein Leitmotiv für das ganze Haus werden.“ 

Mathias Vogt sieht seinen  architektonischen Ansatz weitgehend im erwähnten „kritischen Regionalismus“. So heisst das in der Fachwelt, wenn ein Architekt die gewachsenen Strukturen respektiert und gleichzeitig weiterentwickeln will, ohne sie einfach zu kopieren. „Ich bin kein Freund von Extravaganz. Äusserlich zeichnen sich meine Entwürfe durch Zurückhaltung aus. Die Individualität des Bauherrn kommt dafür innen umso mehr zum Ausdruck.“ Für sie nutzt Mathias Vogt verschiedenste gestalterische Mittel, wie

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unterschiedliche Raumhöhen, Galerien, die bewusste Verwendung von Tageslicht, gezielteAus- und Einblicke und vieles mehr. Eine bedeutende Rolle nehmen dabei die bewusst verwendeten natürlichen Materialien und ihreFarbgebung ein, die die Raumatmosphäre entscheidend prägen. 

Den Einsatz von Hightech will Mathias Vogt in Wohnhäusern nicht übertreiben. Auch da kommt sein Sinn für nachhaltiges Bauen zum Tragen:„Wer äussere Faktoren wie Sonnenenergie und Wind geschickt in den Entwurf einbezieht, braucht im Betrieb einer Immobilie weniger Energie und spart auch noch Geld. Glaubt man der Fachwelt, kann das für zeitgemässe Bauten mit einer vorausgesagten Lebensdauer von bis 100 Jahre entscheidend sein.“

Erfahrung in Tibet

Während seines Studiums an der Uni Liechtenstein absolvierte der Balzner ein Auslandssemester in der norwegischen Stadt Trondheim. Dort war er einer von acht Studenten, die für ein Projekt in Tibet ausgewählt wurden. Die Chance, zwei Monate in Lhasa mit dem Erforschen der tibetischen Architektur zu verbringen, hatte neben den beeindruckenden auch ihre Schattenseiten: Die Militärpräsenz in Tibet war massiv. 

Die Unterdrückung der Tibeter aus nächster Nähe zu sehen, war für ihn erschütternd. „So etwas bringt mich aus der Fassung. Das tibetische Volk wird daran gehindert, nach seinen kulturellen Ritualen und religiösen Ansichten zu leben. Minderheiten wie dieses Volk brauchen Schutz“, ist der Balzner überzeugt. „Der bewusste Umgang der Tibeter mit Ressourcen und Bautradition hat mich geprägt. In dieser autarken Umgebung war und ist es notwendig, mit vorhandenen Mitteln sorgfältig umzugehen. In einem Land, in dem es praktisch keinen Baumbestand gibt, spielt der Baustoff Lehm eine grosse Rolle – einfach, weil er verfügbar ist“, begründet Mathias. Die Tibeter hätte ihm das Positive der nachhaltigen Sichtweise immer wieder vor Augen geführt, beispielsweise indem sie den hohen Wirkungsgrad der Sonne mit Hilfe von Spiegeln geschickt für die Erzeugung von Warmwasser nutzten. 

Regionale Materialien bevorzugt

Mathias Vogt wünscht sich, dass das „einfache Bauen“ in der westlichen Welt wieder mehrBeachtung findet. Liechtenstein und die Region seien ein Kulturraum, der zum Glück ein grosses Baumaterialvorkommen in Form von Holz und Stein habe. Bauen mit regionalen Materialien seien sinnvoll. Es lohne sich, zurückzuschauen und sich jeweils auf den örtlichen Charakter zu besinnen. „Wer Kies hat, kann Beton herstellen. Ist das nicht klüger, als exotische Materialien mit Frachtschiffen durch alle Weltmeere zu schiffen, um sie in Liechtenstein zu verbauen?“, stellt der Unternehmer fest. Abschliessend meint er zu seinen privaten Zielen: „Ich bin glücklich und bescheiden aufgewachsen. So will ich bleiben.“

„Der bewusste Umgang der Tibeter mit Ressourcen und 

Bautradition hat mich geprägt. In dieser autarken Umgebung war und ist es notwendig, mit 

vorhandenen Mitteln sorgfältig umzugehen. “

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Zur Person

BerufstitelArchitekt MSc, Universität Liechtenstein Architektursprache

„Ich vertrete weitgehend die Ansichten des kritischen Regionalismus – moderne Architektur, die funktionale Besonderheiten aufgreift und weiterentwickelt. Es geht mir darum, die Bauten im regionalen Kontext so einzubetten, dass sie als selbstverständlich gelesen werden. Mit einfachen Mitteln will ich Raumbezüge von hoher Qualität schaffen. Letztlich sind es diese Momente, die den Bauten den gewünschten Wiedererkennungswert und das gewisse Etwas verleihen. Die nachhaltige Bauweise ist kein Muss, aber ich halte sie für sinnvoll. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird oft missverstanden, da er fast schon beliebig verwendet wird. „Nachhaltigkeit“ soll die Aspekte von Ökologie, Ökonomie und Soziales im Gleichgewicht halten. Es muss auch in der Architektur möglich sein, den Blick nach vorn zu richten und verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen.“ Ehrgeizige Projekte

Projektleiter für die Überbauung Pulvermühle, Chur, mit 145 Wohnungen, Büros und einer Kletterhalle; 2014: 1. Preis beim Wettbewerb für den Neubau der Turnhalle mit Aussenanlagen in Nendeln (2014) Privater Wohnsitz

„Mit meiner Frau Stefanie und Sohn Noah wohne ich in einer 4,5-Zimmer-Mietwohnung in Triesen.“ Ausgleich zum Beruf

„Meine Hobbies sind u.a. Tennis, Biken und das Reisen. Es zieht mich nach Skandinavien, das liegt auch an der nordischen Architektur und dem nordischen Design. Vergangenen April hab ich mit meiner Frau die Flitterwochen in Finnland verbracht – unseren halbjährigen Sohn haben wir mitgenommen. Die Familie bildet einen wichtigen Ausgleich. Kinder können sehr inspirierend sein.“ 

Curriculum Vitae

Mathias Vogt, Jg. 1981, absolviert nach der Realschule eine Lehre als Hochbauzeichner. Von 2005 bis 2010 studiert er Architektur an der Universität Liechtenstein und verbringt ein Auslandssemester in Trondheim, Norwegen. Im Rahmen dessen reist er nach Tibet und erforscht tibetische Architektur. Nach dem Studium arbeitet Mathias Vogt zwei Jahre im Architekturbüro von Conradin Clavuot in Chur. 2012 tritt er in das Architekturbüro seines Vaters Markus Vogt ein und ist heute Geschäftsführer der Vogt Architekten AG, Balzers.

Text: Alexandra Ospelt

Bilder: Elma Korac