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Am 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B / zur 1.Lesung 1. Besser Recht haben Es ist beruhigend recht zu haben. Vor allem dann, wenn man tatsächlich recht hat. Das kommt nämlich auch vor. Das sind die Situationen, in denen es eigentlich unfair ist, eine Wette einzugehen, weil man mit großer innerer Sicherheit um die Fakten weiß. Mehr noch ist uns die moralische Sicherheit wichtig. Recht zu haben kann sehr zur Stützung des Selbstbewusstseins beitragen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Manchmal ist es denn auch allzu offensichtlich: Von Ninive, der Hauptstadt des Großreiches der Assyrer, heißt es zu Anfang der lehrreichen und unterhaltsamen Novelle von Gott und seinem Propheten Jona: Die Schlechtigkeit der Stadt ist offenkundig. Kein Zweifel daher, dass dieser im 8 Jahrhundert vor Christus einzig verbliebenden Großmacht der zivilisierten Welt der Untergang anzukündigen ist. Die Bosheit Ninives liegt auf der Hand. Wer die Supermacht Assyrien wegen seiner Rücksichtslosigkeit und Ungerechtigkeit kritisiert, kann sich der Zustimmung an den Stammtischen dieser Welt gewiss sein, zumal wenn dieser Stammtisch bei dem Volk steht, das der Gott des Himmels und der Erde sich als sein Eigentum erwählt hat. Gemeinsam ist man sich einig über Ninives Schlechtigkeit. Jona hat daher keinen Grund, Gottes Urteil über die Stadt anzuzweifeln. Es ist beruhigend, recht zu haben. ("Die Kirchen sind plötzlich eins mit dem Zeitgeist", titelt die aktuelle ZEIT zum Thema).

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• Es ist beruhigend recht zu haben. Vor allem dann, wenn man tatsächlich recht hat. Das kommt nämlich auch vor. Das sind die Situationen, in denen es eigentlich unfair ist, eine Wette einzugehen, weil man mit großer innerer Sicherheit um die Fakten weiß.

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Am 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B / zur 1.Lesung 1. Besser Recht haben

• Es ist beruhigend recht zu haben. Vor allem dann, wenn man tatsächlich recht hat. Das kommt nämlich auch vor. Das sind die Situationen, in denen es eigentlich unfair ist, eine Wette einzugehen, weil man mit großer innerer Sicherheit um die Fakten weiß.

• Mehr noch ist uns die moralische Sicherheit wichtig. Recht zu haben kann sehr zur Stützung des Selbstbewusstseins beitragen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Manchmal ist es denn auch allzu offensichtlich: Von Ninive, der Hauptstadt des Großreiches der Assyrer, heißt es zu Anfang der lehrreichen und unterhaltsamen Novelle von Gott und seinem Propheten Jona: Die Schlechtigkeit der Stadt ist offenkundig. Kein Zweifel daher, dass dieser im 8 Jahrhundert vor Christus einzig verbliebenden Großmacht der zivilisierten Welt der Untergang anzukündigen ist. Die Bosheit Ninives liegt auf der Hand. Wer die Supermacht Assyrien wegen seiner Rücksichtslosigkeit und Ungerechtigkeit kritisiert, kann sich der Zustimmung an den Stammtischen dieser Welt gewiss sein, zumal wenn dieser Stammtisch bei dem Volk steht, das der Gott des Himmels und der Erde sich als sein Eigentum erwählt hat. Gemeinsam ist man sich einig über Ninives Schlechtigkeit. Jona hat daher keinen Grund, Gottes Urteil über die Stadt anzuzweifeln. Es ist beruhigend, recht zu haben. ("Die Kirchen sind plötzlich eins mit dem Zeitgeist", titelt die aktuelle ZEIT zum Thema).

• Was hier im Großen gilt, gilt auch im Kleinen. • Natürlich lassen sich Selbstzweifel leichter religiös verbrämen. Aber wohltuender ist es zu wissen, dass der Partner im Unrecht ist, wenn er das schmutzige Geschirr liegen gelassen hat, und dass der Kommilitonen im Institut zwar erfolgreicher sein mag, moralisch aber im Unrecht ist, weil er es war, der die Versuchsreihe vermasselt hat. Was auch immer es sei, es ist beruhigend, moralisch im Recht zu sein. Wer sollte sich das nehmen lassen?

2. Prophet mit fünf Worten• Die Pointe der kleinen Novelle von Gott und seinem

Propheten Jona wird erst deutlich, wenn man die ganze Erzählung liest.

• Vage bekannt ist zumeist der erste Teil: Jona hat keine Lust, nach Gottes Auftrag Ninive das Unheil anzudrohen. Lieber flieht er, versteckt sich, versenkt sich in der Tiefe des Meeres. Gott aber rettet ihn durch jenen Fisch, in dessen Bauch Jona drei Tage und drei Nächte überlebt, bevor er wieder an Land gespült wird. Hierauf kommt der zweite Anlauf, dessen Beginn und Erfolg die heutige Lesung bildet. Jona geht nach Ninive, die eindrucksvoll als Metropole geschildert wird, wohl achtzig Kilometer Durchmesser von einem Ende bis zum anderen.

(Wem es bis dahin noch nicht aufgefallen ist: das Buch Jona liebt Übertreibungen!) • Jona bemüht sich noch nicht einmal bis zur Stadtmitte. Ein Drittel des Weges bringt er hinter sich, stellt sich auf den Platz und ruft erkennbar lustlos (im Hebräischen) fünf Worte aus: Noch vierzig Tage - Ninive zerstört. Was soll sich Jona auch mehr Mühe machen, die Botschaft Gottes zu verkünden. Ninive ist böse und bringt nur Böses hervor. Soll diese Stadt in den Untergang rennen; Jona hat seine Schuldigkeit getan. Er hat Recht, hat Gott auf seiner Seite, Kronenzeitung, Profil und Spiegel einmütig in seiner Tasche, und keinen Anlass zu zweifeln, dass kommen wird, was kommen muss. • Nur, es kommt doppelt anders.

- Erstens bekehrt sich das heidnische Ninive, obwohl Jona sich nun wirklich nicht sonderlich bemüht hat.

Das Urteil über Ninives Bosheit stand, und nun bekehren die da sich in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. - Und zweitens erweist sich Gott auf einmal als unsicherer Kantonist. Kaum dass sich die Kerle bekehren, wird Gott schwach, und es reut ihn das Unheil, das mit so viel Recht über Ninive hätte kommen sollen. Gnädig und barmherzig erweist sich Gott, statt klar und berechenbar!

3. Gnädig ist Gott und barmherzig• Im Kopf ist Jona gläubig. Die Information über Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, ist bei ihm abgespeichert. Das war es aber auch.

Die Leidenschaft Gottes ist ihm fremd, Gottes Barmherzigkeit und Liebe erst recht. Er hat das Wort Gottes verkündet, aber so lustlos, wie man sich einer lästigen Pflicht entledigt. • Wichtiger als die Achterbahnfahrt der Leidenschaft Gottes ist

dem Jona das klare Urteil. Ninive ist böse. Ninive esse delendam. Wenn ich recht habe, dann sollte sich daran nichts ändern. Niemand soll mir das erhebende Gefühl rauben, auf der richtigen Seite zu stehen. Dass der andere sich bekehrt, aufrichtig bekehrt, ist in dem Weltbild nicht vorgesehen. Es geht im Streit nicht um das Gute, sondern um das Recht-Haben, nicht um den Segen, sondern um die Befestigung der Barrikaden. Man stelle sich vor, die Regierung der USA würden den Krieg nicht gewollt haben, sondern nur erfolgreich durch Aufmarsch und Drohung das Volk des Irak von seinem Diktator befreit haben wollen. Ich zumindest befürchte, dass sich in die Freude über einen Erfolg des Guten eine kräftige Portion Ärger darüber mischen könnte, nicht recht gehabt zu haben im eigenen Urteil. Und, wie gesagt, im Kleinen ist das nicht anders als im Großen. Die Fehler der anderen wirken sich so stabilisierend auf das eigene Selbstwertgefühl aus. Daher fordert man die radikalste Bekehrung mit größter Lustlosigkeit, damit nicht etwa der andere sich bekehrt und dadurch mein Weltbild erschüttert. • Dass Gott ganz anders ist, das verkündet uns das Buch

Jona. •

• Und nebenbei ärgert diese Novelle seine Leser damit, dass sich die Heiden und Fremden bekehren

• und wir doch wissen, dass bei uns selbst Bekehrung ein mühsames Geschäft ist.

• • Gott aber will nicht den Untergang, sondern den Neuanfang. • Gott will nicht recht behalten, sondern Gerechtigkeit. • Gott ist kein Schicksal und kein Strafgesetzbuch. • Gnädig ist Gott und barmherzig, langmütig, reich an Huld

und Treue ( • Jona 4,2; Exodus 34,6 u.ä.) • • Amen.