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2 kinderkrankenschwester 32. Jg. (2013) Nr. 13074 Ambulante Kinderkrankenpflege Ambulante Kinderintensivpflege braucht zunehmend Personal Gabriele Hennicke Der fünfjährige Leo muss rund um die Uhr beatmet werden. Seit einem Auto- unfall im Sommer 2008 ist Leo vom ers- ten Halswirbel an gelähmt. Er lebt zu- sammen mit seiner achtjährigen Schwester Cora und seinen Eltern Tanja und Heiko Strittmatter zuhause in Wehr-Öflingen. Dass Leo zuhause le- ben kann, ermöglicht der ambulante Kinderintensivpflegedienst Kids@Home, der ihn an 365 Tagen im Jahr pflegt, überwacht und betreut. Für 66500 pflegebedürftige Kinder gibt es nach Angaben des Bundesverbandes Häusliche Kinderkrankenpflege in Deutschland etwa 160 Kinderintensiv- pflegedienste , lange nicht genug bei wachsender Nachfrage. Nur einige we- nige sind es in Südbaden. Die examinierte Kinderkrankenschwes- ter und Sozialfachmanagerin Stefanie Nies (Abb. 1) hat Kids@Home vor knapp einem Jahr gegründet, sie bringt über 17 Jahre Erfahrung aus dem Inten- sivbereich mit. Derzeit betreut Kids@Home mit zwölf Fachkräften fünf schwerkranke Kinder, die am Hoch- rhein, im Landkreis Lörrach, im Breisgau und bei Freiburg leben. „Wir ermöglichen den Familien mit ei- nem intensivpflegebedürftigen Kind, zuhause zu leben“, sagt Stefanie Nies, „jedes Kind hat ein festes Pflegeteam, das sich um es kümmert.“ Leos Tag ist in drei Schichten eingeteilt. Der Pflege- dienst versorgt Leo von sechs bis 14 Uhr nach der Uhr machen. In der Klinik wechseln die Kinder ständig.“ Bevor Svenja Amrein durch private Vermitt- lung zu Leo kam, hat sie im Universi- tätskinderspital in Basel gearbeitet. Dass es ambulante Kinderintensivpfle- gedienste gibt, wusste sie zuvor nicht. Stefanie Nies sucht dringend Personal, damit sie weitere Pflegeaufträge über- nehmen kann. „Viele Fachkräfte haben Bedenken, ob sie der Verantwortung in der Kinderintensivpflege gewachsen sind“, weiß die Leiterin des Kinderin- tensivpflegedienstes aus Erfahrung. „Kaum jemand hat vorher in diesem Be- reich gearbeitet, man kann das wirklich lernen. Wir arbeiten unser Personal in- tensiv ein, die ersten Dienste laufen grundsätzlich zu zweit. Alle Mitarbeite- rinnen werden in die Gerätetechnik ein- gewiesen und fortgebildet.“ Damit es keine Probleme mit Nähe und Distanz gibt, sollen sich die Krankenpflege- kräfte grundsätzlich mit den Eltern sie- zen. Schwierige Situationen werden in den regelmäßigen Teambesprechun- gen angesprochen, bei Bedarf gibt es Supervision. Gabriele Hennicke Freie Journalistin Kirchweg 6, 79244 Münstertal Abb. 1: Stefanie Nies Abb. 2: Leo Strittmatter und Schwester Sveja Amrein und über Nacht von 22 bis sechs Uhr. Die Nachmittagsschicht übernimmt die Familie selbst. „ Wir brauchen auch eine Zeit, in der wir einmal als Familie für uns sind, das geht nachmittags und am Abend am besten“, sagt Leos Mutter, Tanja Strittmatter (37). Seit dem 1. April 2009 lebt Familie Strittmatter mit Leo zuhause. Bevor Leo aus der Klinik ent- lassen wurde, mussten die Eltern einen Reanimations-Kurs und einen Beat- mungskurs absolvieren und den Um- gang mit dem Beatmungsgerät erler- nen, damit sie jederzeit in der Lage sind, auf Störungen und Probleme richtig zu reagieren. „Man wächst da rein“, meint Vater Heiko Strittmatter (39), „ wir sind die Experten, was Leo angeht.“ Pflegende und Familie lernen sich ken- nen, bevor die Zusammenarbeit fest vereinbart wird. „Wir haben absolutes Vertrauen zu den Pflegekräften von Kids@Home, das passt. Der Pflege- dienst ist Gast bei uns, wir lassen sie werkeln und leben unseren Alltag“, sagt Tanja Strittmatter. Die dreiundzwanzigjährige Svenja Am- rein ist Kinderkrankenschwester und betreut Leo am Vormittag (Abb. 2). Sie kommt morgens um sechs Uhr ins Haus. Meist ist Leo dann schon wach und hat gleich einiges zu erzählen. Nach einem kurzen Übergabegespräch mit dem Nachtdienst kontrolliert sie Puls und Herzfrequenz, Beatmungsgerät und den ganzen Gerätewagen. Dann richtet sie Leo für die Fahrt in den Kin- dergarten, die Familienmitglieder über- nehmen Waschen, Toilette, und Zähne- putzen. Leo frühstückt im Kindergarten, der Fahrdienst des Roten Kreuzes bringt Leo und Svenja Amrein in den Kinder- garten in Bad Säckingen. Die Kinder- krankenschwester hält sich dort im Hin- tergrund, sie übernimmt die rein pfle- gerischen Aufgaben und die ständige Überwachung des Beatmungsgerätes. „Ich bin sehr gerne bei Leo“, sagt sie, „ es gefällt mir, dass ich mich intensiv um ein Kind kümmern kann: ich kann ihn fördern, bekomme seine Entwicklung hautnah mit und muss keine Pflege

Ambulante Kinderintensivpflege braucht zunehmend …€¦ · Abb. 2: Leo Strittmatter und Schwester Sveja Amrein und über Nacht von 22 bis sechs Uhr. ... 13074_umbr_hennicke_musterseite_kks_hauptartikel

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2 kinderkrankenschwester 32. Jg. (2013) Nr. 13074

Ambulante Kinderkrankenpflege

Ambulante Kinderintensivpflegebraucht zunehmend Personal

Gabriele Hennicke

Der fünfjährige Leo muss rund um dieUhr beatmet werden. Seit einem Auto-unfall im Sommer 2008 ist Leo vom ers-ten Halswirbel an gelähmt. Er lebt zu-sammen mit seiner achtjährigenSchwester Cora und seinen Eltern Tanjaund Heiko Strittmatter zuhause inWehr-Öflingen. Dass Leo zuhause le-ben kann, ermöglicht der ambulanteKinderintensivpflegedienstKids@Home, der ihn an 365 Tagen imJahr pflegt, überwacht und betreut.Für 66500 pflegebedürftige Kinder gibtes nach Angaben des BundesverbandesHäusliche Kinderkrankenpflege inDeutschland etwa 160 Kinderintensiv-pflegedienste , lange nicht genug beiwachsender Nachfrage. Nur einige we-nige sind es in Südbaden.Die examinierte Kinderkrankenschwes-ter und Sozialfachmanagerin StefanieNies (Abb. 1) hat Kids@Home vorknapp einem Jahr gegründet, sie bringtüber 17 Jahre Erfahrung aus dem Inten-sivbereich mit. Derzeit betreutKids@Home mit zwölf Fachkräften fünfschwerkranke Kinder, die am Hoch-rhein, im Landkreis Lörrach, im Breisgauund bei Freiburg leben.„Wir ermöglichen den Familien mit ei-nem intensivpflegebedürftigen Kind,zuhause zu leben“, sagt Stefanie Nies,„jedes Kind hat ein festes Pflegeteam,das sich um es kümmert.“ Leos Tag istin drei Schichten eingeteilt. Der Pflege-dienst versorgt Leo von sechs bis 14 Uhr

nach der Uhr machen. In der Klinikwechseln die Kinder ständig.“ BevorSvenja Amrein durch private Vermitt-lung zu Leo kam, hat sie im Universi-tätskinderspital in Basel gearbeitet.Dass es ambulante Kinderintensivpfle-gedienste gibt, wusste sie zuvor nicht.Stefanie Nies sucht dringend Personal,damit sie weitere Pflegeaufträge über-nehmen kann. „Viele Fachkräfte habenBedenken, ob sie der Verantwortung inder Kinderintensivpflege gewachsensind“, weiß die Leiterin des Kinderin-tensivpflegedienstes aus Erfahrung.„Kaum jemand hat vorher in diesem Be-reich gearbeitet, man kann das wirklichlernen. Wir arbeiten unser Personal in-tensiv ein, die ersten Dienste laufengrundsätzlich zu zweit. Alle Mitarbeite-rinnen werden in die Gerätetechnik ein-gewiesen und fortgebildet.“ Damit eskeine Probleme mit Nähe und Distanzgibt, sollen sich die Krankenpflege-kräfte grundsätzlich mit den Eltern sie-zen. Schwierige Situationen werden inden regelmäßigen Teambesprechun-gen angesprochen, bei Bedarf gibt esSupervision. Gabriele HennickeFreie JournalistinKirchweg 6, 79244 MünstertalAbb. 1: Stefanie Nies

Abb. 2: Leo Strittmatter und SchwesterSveja Amrein

und über Nacht von 22 bis sechs Uhr.Die Nachmittagsschicht übernimmt dieFamilie selbst. „ Wir brauchen auch eineZeit, in der wir einmal als Familie für unssind, das geht nachmittags und amAbend am besten“, sagt Leos Mutter,Tanja Strittmatter (37). Seit dem 1. April2009 lebt Familie Strittmatter mit Leozuhause. Bevor Leo aus der Klinik ent-lassen wurde, mussten die Eltern einenReanimations-Kurs und einen Beat-mungskurs absolvieren und den Um-gang mit dem Beatmungsgerät erler-nen, damit sie jederzeit in der Lage sind,auf Störungen und Probleme richtig zureagieren. „Man wächst da rein“, meintVater Heiko Strittmatter (39), „ wir sinddie Experten, was Leo angeht.“

Pflegende und Familie lernen sich ken-nen, bevor die Zusammenarbeit festvereinbart wird. „Wir haben absolutesVertrauen zu den Pflegekräften vonKids@Home, das passt. Der Pflege-dienst ist Gast bei uns, wir lassen siewerkeln und leben unseren Alltag“,sagt Tanja Strittmatter.

Die dreiundzwanzigjährige Svenja Am-rein ist Kinderkrankenschwester undbetreut Leo am Vormittag (Abb. 2). Siekommt morgens um sechs Uhr insHaus. Meist ist Leo dann schon wachund hat gleich einiges zu erzählen. Nacheinem kurzen Übergabegespräch mitdem Nachtdienst kontrolliert sie Pulsund Herzfrequenz, Beatmungsgerätund den ganzen Gerätewagen. Dannrichtet sie Leo für die Fahrt in den Kin-dergarten, die Familienmitglieder über-nehmen Waschen, Toilette, und Zähne-putzen.

Leo frühstückt im Kindergarten, derFahrdienst des Roten Kreuzes bringtLeo und Svenja Amrein in den Kinder-garten in Bad Säckingen. Die Kinder-krankenschwester hält sich dort im Hin-tergrund, sie übernimmt die rein pfle-gerischen Aufgaben und die ständigeÜberwachung des Beatmungsgerätes.„Ich bin sehr gerne bei Leo“, sagt sie, „es gefällt mir, dass ich mich intensiv umein Kind kümmern kann: ich kann ihnfördern, bekomme seine Entwicklunghautnah mit und muss keine Pflege