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H. Ebel und M. F. Ebel Analogien zwischen der Rontgenstreuanalyse Abstract The equations for primary, secondary and tertiary excitation in XRFA have been modified in order to describe single- and multiple-scattering processes in XRSA. For different hydro- carbons, the corresponding ratios of coherently and incoherently scattered X-rays have been calculated and the reasons for the discrepancy of approximately 15 per cent between theory and experiment discussed. Institutfur Angewandte Physik der Technischen Hochschule Wien, Austria Zusammen fassung Es werden die Gleichungen fur die Prim&-, Sekundar- und Tertibanregung bei der RFA verwendet, um aus Analogiebe- trachtungen die Verhaltnisse bei der Einfach-, Zweifach- und Dreifachstreuung quantitativ behandeln zu konnen. Der charak- teristische Quotient aus koharent und inkoharent gestreuter Intensitat wird sodann fur verschiedene Kohlenwasserstoffe berechnet und rnit den experimentell gefundenen verglichen. Die Ursachen fur den etwa 15 Prozent betragenden Unterschied werden diskutiert. und der Rontgenfluoreszenzanalyse" Received 10 July 1971 Accepted 20 July 1971 Einleitung Werden in einem Rontgenspektrometer die an einer Probe gestreuten charakteristischen Linien der Spektro- skopierohre in Bezug auf ihre spektrale Intensitatsvertei- lung untersucht, so sind daraus Riickschlusse auf die Probenzusammensetzung moglich, da mit abnehmender Ordnungszahl der Comptonanteil gegenuber dem klassisch gestreuten Anteil zunimmt. In Abb. 1 sind die Ergebnisse von Streumessungen mit Blei bzw. mit C6HI4 als Streu- korper wiedergegeben (WLarl,2, Analysatorkristall: Topas, Diskriminator). Von dieser Tatsache wird z.B. bei der rontgenograplu- schen Bestimmung des C-H-Verhdtnisses in Kohlen- wasserstoffen Gebrauch gemacht.' l2 Die Fluoreszenzstrahlung leichter Elemente kann nun entweder nicht, oder aber nur schwierig der Messung zu- ganglich gemacht werden, so dass die Rontgenstreuanalyse (R.S.A.) und die Rontgenfluoreszenzanalyse (R.F.A.) einander in idealer Weise erganzen. Die bisher in der Literatur gegebenen Abhandlungen uber die R.S.A. be- schreiben das Phanomen und seine praktische Anwendung ohne aber die koharent (c) und inkoharent (i) gestreuten Anteile auf elementare Grossen, wie die Streu- und Massen- schwachungskoeffizienten und die Probenzusammenset- zung zuruckzufiihren. Es wird daher im folgenden eine theoretische Analogiebetrachtung R.F.A.-R.S.A. vorge- nommen, daraus ein fur die quantitative Analyse geeigneter Ausdruck abgeleitet, dieser experimentell uberpruft und aus dem Ergebnis auf die Grenzen der hier vorgeschlagenen * H e m Prof. Dr. F. Lihl zum 65 Geburtstag gewidmet. I I I I I I -O29 Abb. 1. Mit dem Rontgenspektrometer (Topas, Dis- kriminator) gemessene spektrale Intensitats- verteilung der an Pb und C6HI4gestreuten WLar12-Strahlung (caI2 ... koharente Streu- winkel, ialZ ... fur einen Streuwinkel von 90" berechnete inkoharente Streuwinkel). Betrachtungsweise geschlossen. Als Stimulans fur die vorliegenden Untersuchungen ist das Tabellenwerk von McMaster et d3 anzusehen, welches neben den totalen Massenschwachungskoeffizienten auch die Streu- und Photoanteile enthdt. Theorie Ein fachstreuprozesse Fallt ein paralleles Rdntgenstrahlenbundel mit einer spektralen Haufigkeitsverteilung xh der Quanten Ge Se- kunde, je Flacheneinheit normal zur Strahlrichtung und je Wellenlangenintervall)unter einem Winkel (Y zum Fla- chenlot auf eine ebene Probe und erfasst auf dieser die Flache A, so betragt die auf die Probenoberflache je Zeiteinheit auftreffende Zahl der Quanten aus dem Wel- lenlangenintervall h bis h + dh X-Ray Spectrometry 1, 1972 15

Analogien zwischen der Röntgenstreuanalyse und der Röntgenfluoreszenzanalyse

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Page 1: Analogien zwischen der Röntgenstreuanalyse und der Röntgenfluoreszenzanalyse

H. Ebel und M. F. Ebel Analogien zwischen der Rontgenstreuanalyse

Abstract The equations for primary, secondary and tertiary excitation

in XRFA have been modified in order to describe single- and multiple-scattering processes in XRSA. For different hydro- carbons, the corresponding ratios of coherently and incoherently scattered X-rays have been calculated and the reasons for the discrepancy of approximately 15 per cent between theory and experiment discussed.

Institutfur Angewandte Physik der Technischen Hochschule

Wien, Austria

Zusammen fassung Es werden die Gleichungen fur die Prim&-, Sekundar- und

Tertibanregung bei der RFA verwendet, um aus Analogiebe- trachtungen die Verhaltnisse bei der Einfach-, Zweifach- und Dreifachstreuung quantitativ behandeln zu konnen. Der charak- teristische Quotient aus koharent und inkoharent gestreuter Intensitat wird sodann fur verschiedene Kohlenwasserstoffe berechnet und rnit den experimentell gefundenen verglichen. Die Ursachen fur den etwa 15 Prozent betragenden Unterschied werden diskutiert.

und der Ron tgenfluoreszenzanalyse" Received 1 0 July 1971 Accepted 20 July 1971

Einleitung Werden in einem Rontgenspektrometer die an einer

Probe gestreuten charakteristischen Linien der Spektro- skopierohre in Bezug auf ihre spektrale Intensitatsvertei- lung untersucht, so sind daraus Riickschlusse auf die Probenzusammensetzung moglich, da mit abnehmender Ordnungszahl der Comptonanteil gegenuber dem klassisch gestreuten Anteil zunimmt. In Abb. 1 sind die Ergebnisse von Streumessungen mit Blei bzw. mit C6HI4 als Streu- korper wiedergegeben (WLarl,2, Analysatorkristall: Topas, Diskriminat or).

Von dieser Tatsache wird z.B. bei der rontgenograplu- schen Bestimmung des C-H-Verhdtnisses in Kohlen- wasserstoffen Gebrauch gemacht.' l 2

Die Fluoreszenzstrahlung leichter Elemente kann nun entweder nicht, oder aber nur schwierig der Messung zu- ganglich gemacht werden, so dass die Rontgenstreuanalyse (R.S.A.) und die Rontgenfluoreszenzanalyse (R.F.A.) einander in idealer Weise erganzen. Die bisher in der Literatur gegebenen Abhandlungen uber die R.S.A. be- schreiben das Phanomen und seine praktische Anwendung ohne aber die koharent (c) und inkoharent (i) gestreuten Anteile auf elementare Grossen, wie die Streu- und Massen- schwachungskoeffizienten und die Probenzusammenset- zung zuruckzufiihren. Es wird daher im folgenden eine theoretische Analogiebetrachtung R.F.A.-R.S.A. vorge- nommen, daraus ein fur die quantitative Analyse geeigneter Ausdruck abgeleitet, dieser experimentell uberpruft und aus dem Ergebnis auf die Grenzen der hier vorgeschlagenen

* H e m Prof. Dr. F. Lihl zum 65 Geburtstag gewidmet.

I I I I I I

- O 2 9

Abb. 1. Mit dem Rontgenspektrometer (Topas, Dis- kriminator) gemessene spektrale Intensitats- verteilung der an Pb und C6HI4 gestreuten WLar12-Strahlung (caI2 ... koharente Streu- winkel, ialZ ... fur einen Streuwinkel von 90" berechnete inkoharente Streuwinkel).

Betrachtungsweise geschlossen. Als Stimulans fur die vorliegenden Untersuchungen ist das Tabellenwerk von McMaster et d 3 anzusehen, welches neben den totalen Massenschwachungskoeffizienten auch die Streu- und Photoanteile enthdt.

Theorie Ein fachstreuprozesse

Fallt ein paralleles Rdntgenstrahlenbundel mit einer spektralen Haufigkeitsverteilung xh der Quanten Ge Se- kunde, je Flacheneinheit normal zur Strahlrichtung und je Wellenlangenintervall) unter einem Winkel (Y zum Fla- chenlot auf eine ebene Probe und erfasst auf dieser die Flache A , so betragt die auf die Probenoberflache je Zeiteinheit auftreffende Zahl der Quanten aus dem Wel- lenlangenintervall h bis h + dh

X-Ray Spectrometry 1, 1972 15

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In der Tiefe t unter der Oberflache sinkt diese Zahl, schwachungsbedingt auf

xh * dh . A . cos a! exp ( - p i p - t/cos a) ( 2 )

ab, php ist der lineare Gesamtschwachungskoeffizient der Probe p fur die Rontgenstrahlung der Wellenlange h. Im Schichtelement der Dicke d t wird der Anteil

xh . dh . A . cos a! exp (-php . t/cos a!). ?-hp ' dt/cosa! (3)

photoabsorbiert. T~ ist der lineare Photoabsorptions- koeffizient der Probe fur die Rontgenstrahlung h. Da nur die Fluoreszenzstrahlung des in der Probe mit ci-Gewichts- prozenten enthaltenen Elementes i interessiert, ist von T~~ der Bruchteil

von Bedeutung. Die Zahl der Photoabsorptionen im Element i betragt somit

(4)

wobei p p und p i die Dichten der Legierung und des i- Reinelementes sind sowie ?hi der lineare Photoabsorp- tionskoeffizient des Reinelementes i fur die Rontgen- strahlung A. Bekanntlich ist der zuletzt erhaltene Ausdruck noch mit

zu multiplizieren. S K j ist der auf den Photoabsorptions- koeffizienten bezogene K-Sprung (es moge die charakte- ristische Ki-Strahlung untersucht werden), Wi ist der Augerfaktor (efficiency), p i die Ubergangswahrschein- lichkeit fur das betrachtete Niveau, 52/4n der zur Beob- achtung gelangende Raumwinkelanteil der Fluoreszenz- strahlung (es wird Gleichverteilung fur die Fluoreszenz- strahlung uber den gesamten Raumwinkel angenommen). Der Exponentialausdruck beschreibt die Schwachung der z-Fluoreszenzstrahlung bis zum Verlassen der Probe, wobei pip der lineare Gesamtschwachungskoeffizient der Probe fur die i-Strahlung ist und fi der auf die Flachennor- male bezogene Beobachtungswinkel. ~i beschreibt schliess- lich jenen Prozentsatz der i-Fluoreszenzstrahlung, der tatsach- lich vom Zahler registriert wird (Gertitekonstante).

(Ao bis XK~) wird die Gesamtzahl ni der gemessenen i-Fluores- zenzquanten je Zeiteinheit gefunden.

Die hier deduzierte Gleichung fur die Primaranregung unterscheidet sich von jener in der Literatur - z.B. Shiraiwa und Fujino4 - durch die theoretisch richtige Verwendung des Photokoeffizienten ?-hi/& an Stelle des Gesamtmassen-

Nach Integration uber die Variablen t (0 bis m) und X

schwachungskoeffizienten philpi und des Photoabsorptions- kantensprunges an Stelle des Gesamtschwachungskoeffizien- tensprunges. Bei schweren Elementen sind die sich ergebenden Unterschiede gering (Prozentbereich). Schliesslich wird noch vorausgesetzt, dass durch die Verwendung der Gleichungen

die Bindung die Elementkoeffizienten T v / P j , phj/Pj und pij/pj nicht beeinflusst.

Nun sei GI. (7) auf Einfachstreuprozesse ubertragen. Zunachst ist zu beachten, dass beim Einfachstreuprozess nur entweder c-oder i-Streuung auftritt und dass es bei der Streuung allgemein unmoglich ist, zu unterscheiden, an welcher Atomsorte die Streuung erfolgte. Es tritt also die Probe als anonymes Ensemble in Erscheinung und somit sind bei der R.S.A. nur die Probenkoeffizienten p k p , p ip etc. bestimmend. Es gilt dementsprechend fur das element- spezifische Produkt

(9)

und der spektrale Quantenanteil xhdh ist durch die fur den Streuprozess verwendete monochromatische Quantenzahl xi zu ersetzen. Schliesslich konnen, da die einfallende und die gestreute Strahlung unabhangig vom Streuprozess die- selbe oder nahezu dieselbe Wellenlange besitzen, php und pip gleichgesetzt werden. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich fur den koharent gestreuten Anteil

p f p / p p ist wieder der Gesamtmassenschwachungskoeffi- zient und 06 / p p der koharente Massenstreukoeffizient der Probe fur die zur Streuung gelangende monochro- matische i-Strahlung. Analog betragt der inkoharent ge- streute Anteil

16 X-Ray Spectrometry 1,1972

Page 3: Analogien zwischen der Röntgenstreuanalyse und der Röntgenfluoreszenzanalyse

cosa ' cosp pp

wobei hier a&/& den inkoharenten Massenstreukoeffizien- ten reprasentiert. Werden nun die Probenkoeffizienten pp/pp, u$/pp und ab/pp durch die Elementkoeffizienten der die Probe konstituierenden Elemente ausgedruckt, so scheint das Problem der Konzentrationsbestimmung mittels Streustrahlenmessung gelost zu sein, da z.B. bei einer binben Probe der experimentell erfassbare Quotient rcj aus dem koharenten und dem inkoharenten Streuanteil nur mehr die zu bestimmende Konzentration eines der beiden Partner enthidt.

In GI. (1 1) ist die Beziehung

enthal ten. Setzt man etwa fur Kohlenstoff (Graphit) und WLa12-

Strahlung die Werte aus lit. 3 ein, so errechnet sich ein gegen- uber dem Experiment urn 38 Prozent hoher liegender Wert fur rci. Es erhebt sich somit die Frage nach der Ursache fur diesen Unterschied. In den G1. (10) bis (12) wurde impli- ziert: 1. Das Fehlen einer Winkelkorrelation zwischen der ein-

fallenden und der gestreuten Strahlung, also Gleichwahr- scheinlichkeit aller Streurichtungen.

Massenschwachungskoeffizienten. 2. Die Bindungsunabhangigkeit der Massenstreu- und der

3. Das Fehlen von Mehrfachstreuprozessen. Ausserdem wird fur das gebrachte Zahlenbeispiel angenom- men, dass 4. die Genauigkeit des eigenen Experimentes ausreichend

5. die aus lit. 3 entnommenen Zahlenwerte ebenso ausrei- war und

chend genau bekannt sind.

ad 1. Bei der R.F.A.-Theorie erscheint die Annahme der Gleichverteilung der Fluoreszenzstrahlung zurnindest durch die gute Ubereinstimmung zwischen der Theorie und dem Experiment als gesichert. Anders liegen die Verhatnisse im Falle der koharenten Streuung. Hier gilt die Thomson'sche Beziehung

wobei 6' der Streuwinkel ist. Aus der Klein- Nishina-Formel leitet sich fur niedrige Quanten- energien - hv < 500 keV - derselbe (14) Zusam- menhang bei inelastischer Streuung ab.

Die Gerltegeometrie ist bei den handelsublichen Rontgenspektrometern so ausgelegt, dass der Streu- winkel 0 = 90" betragt, so dass die beiden Streu- anteile (1 0) und (1 1) noch mit dem Faktor 1/2 zu versehen sind. Damit ist wohl das Einzelstreuer- eignis quantitativ richtig beschrieben worden, doch erfahrt der Quotient (12) keine Veranderung, da die beiden Fiktoren 1/2 im Zahler und Nenner gekurzt werden kcnnen.

ad 2. Die Bindung beeinflusst vermutlich die Element- koeffizienten, doch haben die von Dwiggins' an Kohlenwasserstoffen gefundenen Versuchsergeb- nisse gelehrt, dass dieser Einfluss, wenn er vorhanden ist, nur sehr gering sein kann und den hier aufge- zeigten Unterschied von 38 Prozent nicht zu er- klaren vermag. Auch die noch zu behandelnden eigenen Versuchsergebnisse weisen in dieselbe Richtung.

lich behandelt und sind tatsachlich fur die gesuchte Diskrepanz zwischen der Theorie und dem Experi- ment von Bedeutung.

ad 4. Die Versuchsgenauigkeit ist aufgrund umfassender Messreihen mit statistischer Auswertung sicher besser als + lo Prozent und scheidet somit als wesent- liche Ursache aus. Weiter sind noch hinsichtlich der verwendeten Mess- und Auswertetechnik Ver- besserungen moglich, wodurch die Genauigkeit bis zu einer Grossenordnung zu verbessern ist. Dies ist z.B. durch eine punktweise Vermessung des Streu- profils und Computerauswertung zu bewerkstelligen.

ad 5. Werden die Gesamtmassenschwachungskoeffizien- ten gemass lit. 3 mit den etwa gleichaltrigen Werten von Heinrich6 verglichen, so sind Abweichungen von 5 Prozent und daruber keine Seltenheit. Fur die Streukoeffizienten fehlt uns zwar eine analoge Vergleichsmoglichkeit, doch ist anzunehmen, dass auch hier die Verhaltnisse ahnlich gelagert sind. Aus diesem Grunde miissten fur die quantitative R.S.A. die in Frage kommenden Streukoeffizienten einer noch durchzufuhrenden Prazisionsuntersu- chung unterzogen werden. khnlich sind ja bekannt- lich die Verhaltnisse bei der quantitativen R.F.A., der Elektronenmikrostrahlanalyse und der Elek- tronenmakrostrahlandyse hinsichtlich der Massen- schwachungskoeffizienten gelagert.

ad 3 . Die Mehrfachstreuprozesse werden noch ausfiihr-

Zweifachstreuprozesse Es erubrigt sich, die Gleichung for die der Analogie-

betrachtung dienende Sekundaranregung bei der R.F.A. herzuleiten, da diese ja ebenso wie die Primar- und Tertiar- anregung in der Literatur (z.B. lit. 4) bereits angegeben sind. Bei der Primaranregung war die Ableitung in aller Ausfuhrlichkeit vorgenommen worden, um den Ubergang von der R.F.A. zur R.S.A. anschaulich demonstrieren zu konnen. Die Gleichung fur die von der Sekundar- anregung (es regt die charakteristische Strahlung des Elementes I die i-Fluoreszenzstrahlung sekundar an)

X-Ray Spectrometry 1, 1972 17 C

Page 4: Analogien zwischen der Röntgenstreuanalyse und der Röntgenfluoreszenzanalyse

herruhrende i-Fluoreszenzzahlrate nir lautet

rcosn cos a Ux.. UI.. 1 PP L pp

Die Bezeichnungen sind analog zur Primaranregung und seien nachfolgend auf den Zweifachstreuprozess ubertragen. Es werden auch hier wieder

gesetzt, da das Einzelelement nicht in Erscheinung zu treten vermag. Die Massenphotoabsorptionskoeffizienten rli /pi und r h l / p l sind durch die entsprechenden Massen- streukoeffizienten auszutauschen und so lautet der ko- Karente Zweifachstreuanteil (c.c.)

Durch die Thomson'sche Beziehung ergibt sich der Korrekturfaktor 3/4. Es sind hier nicht mehr ausschliess- lich Streuwinkel um 8 = 90" moglich, sondern prin- zipiell alle Streuungen, da der weiterhin erforderliche Summenstreuwinkel von 8 = 90" uber die verschiedensten Winkelkombinationen 8 und 8 realisierbar ist. Das heisst, dass das gewogene Mittel

einzusetzen ist. Die inkoharente Streuung ist durch c-i, i-c und i-i Streuvorgange realisierbar. Da fur die i-Vorgange wieder samtliche Winkel 8 und 8 moglich sind und bei den i-i Streuungen ausserdem dem einfallen- den Quant zweimal Energie in unterschiedlichem Aus- masse entzogen wird, 1st die wesentliche Verbreiterung des Comptonanteiles in Abb. 1 gegeniiber dem koharen- ten Anteil verstandlich. Ausserdem wird das Compton- profil noch durch die Divergenz des Primarbundels mit der damit einhergehenden Variation des Comptonstreu- winkels verbreitert. Da auch hier der Korrekturfaktor

314 verwenden ist, errechnet sich der gesamte inkoharente Zweifachstreuanteil zu (siehe G1. (19) S.19).

Der Ausdruck

beschreibt darin die beiden gleichwertigen Streuvarianten c-i und i-c und der Ausdruck

die zweifache Comptonstreuung i-i. Dreifachstreuprozesse

Die Gleichung fur die Tertiaranregung bei der R.F.A. lautet4'* (siehe G1. (20) S.19).

Die beiden Integrale uber die Variable u sind nicht elementar, sondern nur numerisch losbar. Es regt hier die einfallende Rontgenstrahlung zunachst das Element n, dieses sekundar das Element m und schliesslich die m- Strahlung tertiar die i-Fluoreszenzstrahlung an. Der Uber- gang zur koharenten Dreifachstreuung (c-c-c) erfolgt ebenso wie in Einfachstreuprozesse und Zweifachstreu- prozesse. (Siehe G1. (21) S.19).

Inkoharente Dreifachstreuung ist uber die Prozesse c-c-i, c-i-c, i-c-c, c-i-i, i-c-i, i-i-c und i-i-i realisierbar. Damit errechnet sich der inkoharente Drei- fachstreuanteil zu (siehe GI. (22) S.19).

Die Wahrscheinlichkeit fur Mehrfachstreuprozesse hoherer Ordnung nimmt rasch ab, wahrend, wie aus den bisherigen Ausfiihrungen zu ersehen ist, die Kompliziert- heit der Ausdrucke in entschieden hoherem Masse zunimmt. Diese Tatsache ist ja auch bei der R.F.A. bekannt, wo die Tertiaranregung eigentlich nur mehr zu Kontrollzwecken - also der Vollstandigkeit halber - theoretisch berucksichtigt wird.

Streuquo tien t

Losungsweg an. Es wird das Verhaltnis rci unter Beruck- sichtigung der Mehrfachstreuung verwendet.

Fur die quantitative R.S.A. bietet sich folgender

rci = *ic + nics + nict nii + niis + niit

18 X-Ray Spectrometry 1,1972

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3 1 a 1 4n 1 K j " X j ' n . . =-. - . z z r 4 4 1+- cos ff cos p

1 + cosa . cosp . In( 1 + COS(Y ) . In(1 + + (cosa + cos 0). 2 . In 2 -

1 1

l + u 1 1 + u . In -. du - cosp . In - . du) 1

- + 1 U U U

0 cosp 0 cosff (22)

X-Ray Spectrometry 1, 1972 19 C*

Page 6: Analogien zwischen der Röntgenstreuanalyse und der Röntgenfluoreszenzanalyse

Tabelle 1. Es kurzt sich zunachst der in allen sechs Teilausdriicken gleich vorkommende Faktor

!2 1 4 i T Z 2 1 1

A . - . K . ' X . '

-+- cosa cosp

Wird nun noch die Standardgeometrie

miteinbezogen, so lautet unter Verwendung folgender Abkurzungen

PP 4 der Ausdruck fur rci

V 0.5 + 0 . 4 6 7 ~ + 1 . 2 9 ~ ~ ' 0.5 + 0 . 4 6 7 ( 2 ~ + 4 ) + 1.29(3q2 + 3 q $ + $7 rci =

cp und $ sind wieder durch die Elementkoeffizienten aus- zudriicken

Berechnet man zur Kontrolle rci fur Kohlenstoff und W h I 2 -Strahlung, so verringert sich das Missverhaltnis zwischen Theorie und dem Experiment von 38 Prozent auf 10 Prozent. Die Mehrfachstreuung ist somit von ent- scheidendem Einfluss. Als Kritik an der theoretischen Behandlung der Mehrfachstreuung ist nach unserer An- sicht einzig die Verwendung des gerundeten Wertes 314, herriihrend von der Thomson'schen Beziehung, anzu- bringen. Da die vorliegende Arbeit aber nur die Analogie zwischen R.F.A. und R.S.A. aufzeigen will, erscheint die bisherige Vorgangsweise gerechtfertigt. Eine bessere Aussage ist naturgemass uber eine Monte-Carlo-Rech- nung zu erwarten. Der so zu gewartigende Streubereich fur das theoretische Ergebnis ist nach Abschatzungen mit maximal f 10 Prozent zu veranschlagen.

Experiment In der Literatur wurden bisher vorwiegend Streu-

experimente an Kohlenwasserstoffen unter Verwendung dcs Verhaltnisses rci beschrieben. Somit war es sinnvoll, die eigenen Experimente zu Vergleichszwecken in der- selben Richtung zu fuhren. Die eigenen Messungen wurden auf einem Philips-Rontgenspektrometer PW 1540 ausge- fuhrt. Als Probensubstanzen dienten - nach steigendem H-Gehalt geordnet - verschiedene Kohlenwasserstoffe. Die Versuchsergebnisse sind aus der Tabelle I zu ent- nehmen.

Probe Gew % H rcj theor. rci exp

C (Graphit) 0,oo 1,31 1,16 C, H, (Benzol) 7,74 1,07 0,95 C, H, (Toluol) 8,75 1,04 0,90 C, H,, (XYlOl) 12,28 0,96 0,83 C, H I , (Cyclohexan) 14,38 0,9 1 0,72 C,H,, (iso-Octan) 15,88 0,88 0,75 C,H,, (n-Hexan) 16,38 0,237 0,69

Der i-Anteil der Streustrahlung ist (s. Abb. 1) wesent- lich breiter als der c-Anteil. Es ist somit nach den theo- retischen Ausfiihrungen richtig, die integralen c- und i- Anteile in Rechnung zu setzen und nicht, wie ublich, die ZBhlraten entsprechend den (urn den background vermin- derten) c- und i-peaks? Daraus resultieren die aus Abb. 2 ersichtlichen Unterschiede zwischen den eigenen Mess- ungen und jenen von Dwiggins.' Ausserdem sind in Abb. 2 noch die mit dem Computer (IBM 7040) unter Ver- wendung von G1. (27) und der Tabelle von McMaster3 berechneten theoretischen rci-Werte einge tragen.

Von reinem Kohlenstoff beginnend, verlaufen die theoretischen und experimentellen Kurven rcj = f(C,) annahernd parallel zu einander, wobei der Unterschied etwa 10 prozent betragt. Da beim Graphit und den Koh- lenwasserstoffen unterschiedliche Bindung vorliegt, findet die von Dwiggins' bereits aufgestellte Aussage, dass die Bindung das Streuvermogen nicht wesentlich beeinflusst, hier eine zusatzliche Bestatigung.

Elgem W C I I

0- 0 5 10 15

CH ICew %I

Abb. 2. Abhangigkeit des Verhaltnisses der koharent zur inkoharent gestreuten Strahlung von Kohlenwasserstoffen in Abhangigkeit vom Wasserstoffgehalt.

7 Zur Messung der c-Intensitatsverteilung eignet sich Pb als Streu- korper, bei welchem der i-Anteil nur etwa 0,7 Prozent des c- Anteils ausmacht. Pb ist praktisch als kohiirenter Streuer anzu- sehen und es lasst sich, da nach den eigenen Messungen und Uberlegungen der i-Anteil bei leichten Elementen das Maximum des c-Anteils unmessbar beeinflusst, die Pb Streukurve im Ver- haltnis der kohirenten Maxima von der an einem beliebigen Kohlenwasserstoff gemessenen Streukurve in Abzug bringen. Es ist dies ein einfach zu beherrschender Weg zur Trennung des c- und des z-Anteiles unter der Gesamtstreukurve.

20 k R a y Spectrometry 1,1972

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Der Unterschied zwischen den Kurven b und c der Abb. 2 verringert sich nach unseren neuesten Versuch- sergebnissen noch wesentlich, da im inkoharenten Anteil auch die bisher nicht berucksichtigte Rontgen- Raman- und Rontgen-Plasmon-Streuung enthelten ist. Die domit verbunulene Zunahme des inkoharenten Anteils bedingt eine weitere Verminderung von rCi (theor.). Unter Berucksichtigung aller hier genaunten Einflussgrossen durfte es erstmals gelungen sein, die Verhaltnisse bei der R.S.A. theoretisch zu formulieren.

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X-Ray Spectrometry 1, 1972 21