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Anfragesprachen – Dipl. Ing. Ulrich Borchert / FH Merseburg 1/11 Lernen als Informationsverarbeitung Auch wenn über die Natur des Lernens nicht viel bekannt ist, kann man sagen, dass Lernen nicht nur eine Speicherung von Zuordnungen von Reaktionen zu Reizmustern ist, sondern eine Informationsverarbeitung, die im weitesten Sinne Regeln verwendet. Dabei kann man drei Prozesse unterscheiden: Ein deduktiver Prozess bezeichnet das Folgern von Aussagen aus Voraussetzungen aufgrund von (bekannten) Regeln. • Ein abduktiver Prozess bezeichnet den Rückschluss auf (mögliche) Ursachen aufgrund von beobachteten Beispielen bzw. Ereignissen und bekannten Regeln • Ein induktiver Prozess bezeichnet das Ableiten von Regeln aus Beispielen.

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Anfragesprachen – Dipl. Ing. Ulrich Borchert / FH Merseburg 1/11

Lernen als Informationsverarbeitung

Auch wenn über die Natur des Lernens nicht viel bekannt ist, kann man sagen,

dass Lernen nicht nur eine Speicherung von Zuordnungen von Reaktionen zu

Reizmustern ist, sondern eine Informationsverarbeitung, die im weitesten Sinne

Regeln verwendet.

Dabei kann man drei Prozesse unterscheiden:

• Ein deduktiver Prozess bezeichnet das Folgern von Aussagen aus

Voraussetzungen aufgrund von (bekannten) Regeln.

• Ein abduktiver Prozess bezeichnet den Rückschluss auf (mögliche) Ursachen

aufgrund von beobachteten Beispielen bzw. Ereignissen und bekannten Regeln

• Ein induktiver Prozess bezeichnet das Ableiten von Regeln aus Beispielen.

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deduktiv:Es regnet.

Wenn es regnet, wird die Straße nass.

Die Straße ist nass.(Darum ziehe ich feste Schuhe an.)

Induktiv:Als gestern die Straße nass war, hat es geregnet.

Heute ist die Straße nass und es regnet.Letzte Woche war die Straße nass und es hat geregnet.

Wenn es regnet, ist die Straße nass.

abduktiv:Die Straße ist nass.

Wenn es regnet, wird die Straße nass.

Es regnet.(Darum nehme ich den Regenschirm mit.)

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Deduktives Schließen geht von einer Regel aus:Wenn deren Voraussetzung erfüllt ist, ist auch die

Folgerung richtig. Dabei wird die Richtigkeit der Regelnicht in Frage gestellt.

Induktives Schließen geht von einer Beobachtung aus:Aus beobachteten Ereignissen oder Beispielen werden allgemeine Regeln abgeleitet. Eine induzierte Regel ist

richtig, solange keine Beispiele gefunden werden, die derRegel widersprechen.

Abduktives Schließen geht von beobachteten Folgen aus:Wenn es eine Regel und eine Ursache gibt, die zu der

Folge führen, wird die Ursache angenommen. Es führt nur dann sicher zu einer richtigen Aussage, wenn die Regeleindeutig, also umkehrbar ist. (In diesem Fall, wenn es

keine andere Gründe für nasse Straßen gibt.)

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Schlussfolgerungen in Abhängigkeit von Regeln

• Deduktives Schließen ist (theoretisch) allgemein richtig. So richtig, wie die

Ableitung und die Regeln. Das setzt das Vorhandensein von Regeln und die

Fähigkeit, mit Regeln umgehen zu können (z.B. Feststellen, ob Voraussetzung

erfüllt ist) voraus.

• Abduktives Schließen setzt Regeln voraus und schließt rückwärts auf eine

mögliche Ursache. Diese Schlussweise ist im Allgemeinen natürlich nur

eindeutig, wenn eine Regel (in der betrachteten Beispielmenge) umkehrbar ist.

• Induktives Schließen kann sinnvoller Weise nur in Abhängigkeit von einer

Beispielmenge „richtig“ oder „falsch“ sein. Die aus Beispielen gewonnenen

Regeln werden im Allgemeinen an anderen Beispielen überprüft. Im frühen

Kinderalter lernen Menschen überwiegend aus Beispielen.

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Lernen kann also dadurch charakterisiert werden, ein bestimmtes Verhalten zu

zeigen, das sich durch einen äußeren Einfluss ändert, ohne dass es sich dabei

primär um eine mechanisch-körperliche Veränderung handelt.

Das kann z.B. die Fähigkeit sein:

• auf eine Frage oder einen Satz in einer Fremdsprache zu reagieren, nachdem

man einen Sprachkurs besucht hat.

• aus einer Folge von Buchstaben ein Wort oder einen Satz vorzulesen oder eine

bestimmte Rechenaufgabe zu lösen, nachdem man die Grundschule besucht

hat.

• einen Gegenstand mit einem Wort zu bezeichnen, nachdem man beobachtet

hat, dass andere dieses Wort für den Gegenstand verwenden.

• auf einem Fahrrad zu fahren, nachdem man es einige Male (erfolglos) versucht

hat.

• als Ratte schneller den richtigen Weg durch ein Labyrinth zu finden, nachdem

richtiges Durchlaufen des Labyrinths belohnt wurde.

• als Hund auf einen Signalton hin Speichel abzusondern, nachdem der Signalton

vorher zusammen mit Nahrung aufgetreten war.

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Umgangssprachlich bezeichnet man das Ergebnis eines Lernvorganges beim

Menschen als

• Wissen, wenn es sich um sprachlich-begriffliche Fähigkeiten handelt („Ich weiß,

wie ich zum Bahnhof komme“)

• Kennen, wenn es sich um sinnliche Wahrnehmungen handelt („Ich kenne den

Bahnhof“)

• Können, wenn es sich um motorische Fähigkeiten handelt („Ich kann mit dem

Fahrrad fahren“)

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Definition im Zusammenhang mit maschinellem Lernen von Herbert

A. Simon

Mit Lernen bezeichnet man adaptive Veränderungen der Fähigkeiten eines Systems, um die gleichen oder ähnlichen

Aufgaben, die aus der gleichen Population hervorgehen,beim nächsten Mal effizienter und effektiver behandeln

zu können (Verbesserung der Performance).

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Lernen allgemein

Die Psychologie bezeichnet Lernen als eine Veränderung von

Verhaltensdispositionen durch Erfahrung.

Man spricht von Verhalten und nicht von Wissen, weil nur Verhalten beobachtet

werden kann. Wissen kann durch Verhalten für andere manifestiert werden.

Man spricht von Verhaltensdisposition, also der Fähigkeit oder Möglichkeit, ein

bestimmtes Verhalten zu zeigen, weil ein Lernprozess auch stattfinden kann,

ohne dass das entsprechende Verhalten direkt gezeigt wird.

Der Einfluss von Erfahrung grenzt Lernen von Vorgängen wie Reifung oder

Entwicklung ab.

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Automatisches Lernen aus Beispielen

Generell handelt es sich bei der Wissensgewinnung aus Korpora (in diesem Fall

Database) also um eine Form des induktiven Lernens. Definiert wird dies als

Fallbasiertes Schließen (engl.: case-based reasoning; CBR).

Ist ein Ansatz zum Lernen aus Erfahrung. Akkumuliertes Wissen aus früheren

Situationen bzw. gelösten Problemstellungen wird für die Bearbeitung aktueller

Aufgaben genutzt. Vom Rechner (-programm) wird dabei ein bestimmtes

menschliches Problemlösungsverhalten nachvollzogen (kognitives Modell).

Fallbasiertes Schließen ist eine Disziplin der Künstlichen Intelligenz

Künstliche Intelligenz (Definition nach Lämmel und Cleve)

Teilgebiet der Informatik, welches versucht, menschliche Vorgehensweisen der

Problemlösung auf Computer nachzubilden, um auf diesem Wege neue oder

effiziente Aufgabenlösungen zu erreichen.

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Funktion CBR Systeme

CBR-Systeme basieren auf Erfahrung, die in Form von Fällen (Problemen und

Lösungen) in einer Falldatenbank gespeichert sind.

• Im ersten Schritt wird nach Fällen gesucht, die dem neuen Problem ähneln. Es

muss festgelegt werden, welche Merkmale des Problems beachtet werden

sollen.

• Die alten Lösungen werden der aktuellen Situation angepasst und auf das neue

Problem angewendet.

• Die neuen Fälle werden in die Datenbank abgelegt.

Fallbasiertes Schließen eignet sich in Bereichen:

• in denen zwar Wissen über wesentliche Hintergründe und Zusammenhänge,

aber kein vollständiges Modell vorhanden ist.

• in denen ähnliche Situationen immer wieder vorkommen und in denen die

Erfahrung aus früheren Situationen hilft, das aktuelle Problem besser zu lösen.