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Überblick 51 Otto Lilienthal, Luftfahrtpionier und Groß- meister der Fliegekunst, hätte seine helle Freu- de gehabt, wenn er die Schüler und Schülerin- nen einer 9. Klasse gesehen hätte, die mit einem künstlichen Vogel in einem Rundlauf die erforderliche Leistung zum Fliegen messen. „Alles Fliegen ist Erzeugen von Luftwiderstand, alle Flugarbeit ist Überwinden von Luftwider- stand“ hat er vor mehr als 100 Jahren als Kern- satz geprägt. 20 Jahre lang hatte er Störche beim Flug beobachtet, bevor er 1889 sein bahn- brechendes Werk „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ veröffentlichte und mit seinen nachfolgenden Gleitflügen der Menschheit eine neue Dimension der Bewegung erschloss. Unge- achtet dieser frühen Erkenntnisse von Lilien- thal und anderen herrscht auch heute noch manche Verwirrung hinsichtlich der Frage, warum ein Vogel oder ein Flugzeug fliegt. H atte der Wegbereiter der modernen Luftfahrt noch die Natur zum Vorbild des Fliegens [1], so ist die Technik zu anderen Lösungen vorge- stoßen: Triebwerke statt Schwingenflug bewegen heute Flugzeuge um den ganzen Erdball. Eine Boeing 747–400 steht mit fast 400 Tonnen am Start. Jedes ihrer vier Triebwerke hat eine Schubkraft von 260 000 N. Der neue Airbus A380 wird in der Grundversion 560 Tonnen wiegen und trotz dieser Masse mit 250 m/s über den Atlantik rasen. Masse, Kraft und Geschwindigkeit sind die physika- lischen Grundgrößen, welche die Physik des Fliegens beherrschen. Erforderliche Leistung als Produkt Kraft × Geschwindigkeit entscheidet als Merkmal der Wirt- schaftlichkeit über den Erfolg eines Flugzeugs – aber erst in der Luft. Den Start beherrscht Newtons Gesetz Kraft = Masse × Beschleunigung. Empfiehlt sich der Autohersteller mit der Leistung des Motors, so kann den Kunden eines Flugzeugs nur die Schubkraft beein- drucken. Niemals findet man eine Leistungsangabe für ein Triebwerk. Allein die Schubkraft entscheidet, wel- che Startmasse auf der gegebenen Länge der Startbahn so beschleunigt werden kann, dass am Ende die Ge- schwindigkeit ausreicht, die notwendige Auftriebskraft an den Tragflügeln zum Abheben aufzubauen. Beobachtung der Natur Warum entsteht Luftwiderstand, den Flugzeuge und fliegende Lebewesen mit ihren „Triebwerken“ überwin- den müssen? Lilienthals (1848–1896) Beschreibung ist von unübertroffener Genauigkeit und gibt zugleich Zeugnis davon, um welche grundlegenden Einsichten er Jahre seines Lebens gerungen hat: „Wenn ein Körper sich durch die Luft bewegt, so werden die Luftteile vor dem Körper gezwungen, aus- zuweichen und selbst gewisse Wege einzuschlagen. Auch hinter dem Körper wird die Luft in Bewegung ge- raten. Die hinter dem Körper befindliche Luft wird teil- weise die Bewegungen des Körpers mitmachen, und außerdem werden gewisse regelmäßige Wirbelbewegun- gen in der Luft entstehen, welche sich noch eine Zeit lang auf dem von dem Körper in der Luft beschriebe- nen Wege vorfinden werden und erst allmählich durch die gegenseitige Reibung aneinander zur Ruhe kom- men. Der vorher in Ruhe befindlichen Luft müssen alle diese Bewegungen, die für das Hindurchlassen des Körpers durch die Luft nötig sind, erst erteilt werden; und deshalb setzt die Luft dem in ihr bewegten Körper einen gewissen messbaren Widerstand entgegen, zu dessen Überwindung eine gleich große Kraft gehört.“ ([1], Seite 17) Die Beobachtung des Tierflugs steht am Anfang der Aufklärung der Mechanismen der Schuberzeugung. Allerdings wird die Beobachtung von fliegenden Lebe- wesen extrem schwierig, wenn genaue Daten ermittelt werden sollen. Bei Vögeln erfahren die Flügel oft große Deformationen und sogar Flächenänderungen. Es gibt bewundernswerte Zeugnisse sorgfältiger Beobachtung in der Literatur und in Filmarchiven, aber vom Stand- Aerodynamik Physik des Fliegens Ein reizvolles Thema, jungen Leuten die Gesetze der Mechanik lebendig zu vermitteln Wolfgang Send Dr. Wolfgang Send, DLR-Institut für Aeroelastik, Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen, wolfgang.send @dlr.de Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 6 0031-9279/01/0606-51 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 Abb. 1: Der Flug der Wan- derheuschrecke lässt sich im Wind- kanal analysieren. Von außen ange- legte Hochfre- quenzfelder indu- zieren Spannungen in winzigen Spulen auf den Flügeln, aus denen die Kinematik des Flügels berechnet wird. Auf einer Windkanalwaage werden die Kräfte und Momente be- stimmt [2]. (Foto freundlicherweise überlassen von Prof. W. Zarnack, Universität Göttin- gen).

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Otto Lilienthal, Luftfahrtpionier und Groß-meister der Fliegekunst, hätte seine helle Freu-de gehabt, wenn er die Schüler und Schülerin-nen einer 9. Klasse gesehen hätte, die mit einem künstlichen Vogel in einem Rundlauf dieerforderliche Leistung zum Fliegen messen.„Alles Fliegen ist Erzeugen von Luftwiderstand,alle Flugarbeit ist Überwinden von Luftwider-stand“ hat er vor mehr als 100 Jahren als Kern-satz geprägt. 20 Jahre lang hatte er Störchebeim Flug beobachtet, bevor er 1889 sein bahn-brechendes Werk „Der Vogelflug als Grundlageder Fliegekunst“ veröffentlichte und mit seinennachfolgenden Gleitflügen der Menschheit eineneue Dimension der Bewegung erschloss. Unge-achtet dieser frühen Erkenntnisse von Lilien-thal und anderen herrscht auch heute nochmanche Verwirrung hinsichtlich der Frage, warum ein Vogel oder ein Flugzeug fliegt.

Hatte der Wegbereiter der modernen Luftfahrtnoch die Natur zum Vorbild des Fliegens [1], soist die Technik zu anderen Lösungen vorge-

stoßen: Triebwerke statt Schwingenflug bewegen heuteFlugzeuge um den ganzen Erdball. Eine Boeing747–400 steht mit fast 400 Tonnen am Start. Jedes ihrervier Triebwerke hat eine Schubkraft von 260 000 N.Der neue Airbus A380 wird in der Grundversion 560Tonnen wiegen und trotz dieser Masse mit 250 m/süber den Atlantik rasen.

Masse, Kraft und Geschwindigkeit sind die physika-lischen Grundgrößen, welche die Physik des Fliegensbeherrschen. Erforderliche Leistung als Produkt Kraft× Geschwindigkeit entscheidet als Merkmal der Wirt-schaftlichkeit über den Erfolg eines Flugzeugs – abererst in der Luft. Den Start beherrscht Newtons GesetzKraft =Masse × Beschleunigung. Empfiehlt sich derAutohersteller mit der Leistung des Motors, so kannden Kunden eines Flugzeugs nur die Schubkraft beein-drucken. Niemals findet man eine Leistungsangabe fürein Triebwerk. Allein die Schubkraft entscheidet, wel-che Startmasse auf der gegebenen Länge der Startbahnso beschleunigt werden kann, dass am Ende die Ge-schwindigkeit ausreicht, die notwendige Auftriebskraftan den Tragflügeln zum Abheben aufzubauen.

Beobachtung der NaturWarum entsteht Luftwiderstand, den Flugzeuge und

fliegende Lebewesen mit ihren „Triebwerken“ überwin-den müssen? Lilienthals (1848–1896) Beschreibung istvon unübertroffener Genauigkeit und gibt zugleichZeugnis davon, um welche grundlegenden Einsichtener Jahre seines Lebens gerungen hat:„Wenn ein Körper sich durch die Luft bewegt, so

werden die Luftteile vor dem Körper gezwungen, aus-zuweichen und selbst gewisse Wege einzuschlagen.Auch hinter dem Körper wird die Luft in Bewegung ge-raten. Die hinter dem Körper befindliche Luft wird teil-weise die Bewegungen des Körpers mitmachen, undaußerdem werden gewisse regelmäßige Wirbelbewegun-gen in der Luft entstehen, welche sich noch eine Zeitlang auf dem von dem Körper in der Luft beschriebe-nen Wege vorfinden werden und erst allmählich durchdie gegenseitige Reibung aneinander zur Ruhe kom-men. Der vorher in Ruhe befindlichen Luft müssen allediese Bewegungen, die für das Hindurchlassen desKörpers durch die Luft nötig sind, erst erteilt werden;und deshalb setzt die Luft dem in ihr bewegten Körpereinen gewissen messbaren Widerstand entgegen, zudessen Überwindung eine gleich große Kraft gehört.“([1], Seite 17)

Die Beobachtung des Tierflugs steht am Anfang derAufklärung der Mechanismen der Schuberzeugung.Allerdings wird die Beobachtung von fliegenden Lebe-wesen extrem schwierig, wenn genaue Daten ermitteltwerden sollen. Bei Vögeln erfahren die Flügel oft großeDeformationen und sogar Flächenänderungen. Es gibtbewundernswerte Zeugnisse sorgfältiger Beobachtungin der Literatur und in Filmarchiven, aber vom Stand-

Aerodynamik

Physik des FliegensEin reizvolles Thema, jungen Leuten die Gesetze der Mechanik lebendig zu vermitteln

Wolfgang Send

Dr. Wolfgang Send,DLR-Institut fürAeroelastik, Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen,[email protected]

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 60031-9279/01/0606-51$17.50+50/0©WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2001

Abb. 1:Der Flug der Wan-derheuschreckelässt sich im Wind-kanal analysieren.Von außen ange-legte Hochfre-quenzfelder indu-zieren Spannungenin winzigen Spulenauf den Flügeln,aus denen dieKinematik desFlügels berechnetwird. Auf einerWindkanalwaagewerden die Kräfteund Momente be-stimmt [2]. (Fotofreundlicherweiseüberlassen vonProf. W. Zarnack,Universität Göttin-gen).

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punkt des theoretischen Physikers werden nicht genugGrößen erfasst, und die komplizierte Bewegung ist inströmungsmechanischen Rechnungen kaum nachzu-vollziehen. Manche Insekten sind „theoriefreundli-cher“, weil sich bei ihnen trotz großer Auslenkungendie Flügelflächen in sich wenig verformen. Vor allemsind Insekten leichter auch im Windkanal zu untersu-chen. Ein Musterbeispiel an „Kooperationsfreudigkeit“sind Wanderheuschrecken, deren Spannweite (Maßzwischen den Flügelspitzen) 10–12 cm beträgt (Abb. 1).

Physik: Brücke zwischen Natur und Technik Der Reiz des Themas Fliegen liegt in den Fächer

übergreifenden, interdisziplinären Aspekten. Die Spra-che der Physik, wie sie die Mechanik mit ihren Geset-zen und Begriffen prägnant pflegt, wird von Schülernwenig, von Schülerinnen noch weniger, um ihrer selbstwillen geliebt. Verbindet man die spröde Mechanikaber mit einem Thema wie dem der Physik des Flie-gens, das der Vermittlung komplexer Sachverhaltedient, dann nimmt der Wille zur Aneignung des Hand-werkzeugs, der Sprache wie derFähigkeit zum Experiment, erstaun-lich zu. Jedenfalls ist dies der Ein-druck des Autors nach vielen Begeg-nungen im Unterricht mit jungenLeuten. Physik wird Mittel zumZweck, sich verständlich zu machenund angemessen Sachverhalte dis-kutieren zu können in einer durchPhysik und Technik vielfältig gepräg-ten Lebenswelt. Lehrerinnen undLehrer mögen sich ermuntert fühlen,das Thema Fliegen aufzugreifen undden Unterricht damit zu bereichern.

Der vorliegende Artikel möchtedeshalb einen spezifischen Beitragzu einer solchen ganzheitlichen Behandlung des The-mas Fliegen im Unterricht leisten, in dem er gemeinsa-me Grundlagen in Natur und Technik herausarbeitetund einigen selten diskutierten Grundfragen nachgeht.So lässt sich die Schuberzeugung bei Lebewesen heuteebenso gut demonstrieren und messen wie der Schubdes Propellers an einem Flugzeugmodell. Zwischendem Leistungsbedarf eines Flugzeugs und dem einesInsektes liegen viele Zehner-Potenzen und Anderesmehr, aber die physikalischen Begriffe bleiben die glei-chen; Eckdaten für beide Abschätzungen finden sichim Verlauf des Artikels. Zum Auftrieb wird ein alterna-tiver Zugang skizziert, dessen theoretische Behandlungwohl der Hochschuldidaktik vorbehalten bleibt. AberMessen und Erklären wird dabei für jede Altersstufesehr viel einfacher. Moderne Analyse- und Messver-fahren wie Laserlichtschnitte und insbesondere dieParticle Image Velocimetry (PIV) gestatten den gleich-zeitigen Zugriff auf die Partikel eines gesamten Strö-mungsfeldes und zeigen eindrucksvoll nicht nur dasGeschwindigkeitsfeld v der Partikel um und hinterTragflächen, sondern das zweite Verfahren liefert auchdie zentrale physikalische Größe aller inkompressiblenStrömungen, die Wirbeldichte j = rot v. Damit werdenehemals abstrakte mathematische Funktionen anschau-lich verständlich.

„Triebwerke“ der Vögel und InsektenDer klassische, strömungsmechanisch günstig ge-

formte Körper ist die Tragfläche, wie wir sie mitdickem, gewölbtem Profil als Querschnitt in einemVogelflügel sehen oder als dünne Platte bei Insekten-flügeln vorfinden. Die Entwicklung der Flugzeugtrag-flächen ist aus diesen Querschnitten hervorgegangen.Die Tragfläche verursacht Widerstand und lässt zu-gleich Auftrieb entstehen. Auftrieb steht definitions-gemäß senkrecht auf der Bahnrichtung und verlangtkeine Leistung. Durch Leistung überwunden werdenmuss allein der Widerstand. In der Natur gibt es keineumlaufende Drehbewegung nach Art eines Propellers.Für die Erzeugung der Schubkraft hat die Evolution ei-nen sinnreichen Mechanismus entwickelt, bei dem sichmit Flügeln zum Auftrieb durch geeignete Bewegungzugleich Vortrieb erzeugen lässt. Wir können diese bei-den funktional im Tierflügel vereinten Eigenschaftenheute in ihren wesentlichen Grundzügen verstehen undtheoretisch wie experimentell nachvollziehen. BeiFlugzeugen sind die beiden Funktionen dagegen deut-lich getrennt: Die Triebwerke an den Tragflächen die-

nen allein der Schuberzeugung, dieTragflächen selbst sind starr undliefern allein Auftrieb. Das fliegen-de Lebewesen bringt mit seinenSchlagmuskeln die Leistung auf, diemit hohem Wirkungsgrad von ca.90 % in Schubleistung umgesetztwerden kann. Am Beispiel der ein-gangs gezeigten Heuschrecke lässtsich der Weg zu solchen Einsichtenillustrieren.

Der Bewegungsapparat eineskleinen Insektes ist ein faszinieren-des Wunderwerk der Natur, das je-de menschliche Mikrotechnik kon-struktiv und von den Materialien

her weit hinter sich zurück lässt. Das einfachste Modelleines Tierflügels (Abb. 2) wird durch zehn Parameterbestimmt, wenn man aus dem zeitlichen Verlauf dergemessenen Kurven nur den harmonischen Anteil (dieGrundfrequenz der Flügelschlagbewegung) für dietheoretische Ermittlung der Kräfte heranzieht:

Schlagen u(t) = us + u0 cos(vt + k) + ...Schwenken f(t) = fs + f0 cos(vt + s) + ...Drehen a(t) = as + a0 cos vt +...Translation g(t) = u0 t

Jedes Lebewesen hat eine typische Frequenz desFlügelschlags, die nur wenig variiert. Massenverteilungund Steifigkeit der Flügel grenzen optimale Schlagfre-quenzen ein. Für Insekten gilt, dass auch die mechani-schen Abmessungen des ganzen Brustkorbs mit be-stimmten Frequenzen einher gehen. Drei stationäreMittelwerte (Index s), drei Amplituden (Index 0), zweiPhasenlagen s und k relativ zur Bezugsbewegung Dre-hen sowie die Frequenz f (bzw. v = 2pf) und die Ge-schwindigkeit u0 bestimmen nach diesem Modell dieKinematik des Flügels, somit auch die Bewegung desLebewesens [3]. Die höheren Frequenzanteile sindnicht mehr sehr ausgeprägt. Diese kinematischen Da-ten gehen in die aerodynamische Rechnung ein. Wenndiese stimmt, dann muss der erzeugte Schub im Gleich-gewicht sein mit dem ebenfalls aus der Rechnung fol-genden Widerstand des fliegenden Lebewesens – derWunschtraum des Theoretikers. Wir konzentrieren uns

Abb. 2:Zusammen mit der Translation g(t) bil-den die Freiheitsgrade Schlagen u(t),Drehen a(t) und Schwenken f(t) nachLilienthal die kinematischen Grund-muster des Fliegens.

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hier auf den Aspekt der Schuberzeugung und betrach-ten hierzu die für den Flügelschlag benötigten Leistun-gen P, die man über eine Flügelschlagperiode mittelnund als Mittelwerte ≤P≥ analysieren kann.

Es ist in der Aerodynamik üblich, Kräfte und Leis-tungen als so genannte Beiwerte auf Größen der sta-tionären Umströmung und geometrische Eckdaten zubeziehen. So ergeben der Staudruck q0 = !ß2 ru20 und dieGrundrissfläche A des Flügels die Kraft F0 = q0A. Ausder Kraft folgt mit der Geschwindigkeit u0 die LeistungP0 = F0 u0, wobei r die Dichte der Luft ist.

Die Schichtlinien der Leistungsbeiwerte in Abb. 3geben eine typische Situation beim Fliegen wieder. Zujedem der vier Freiheitsgrade x der Bewegung gehörtein Leistungsbeiwert ≤cP,x≥1), der die aufzubringendeoder frei werdende Leistung beschreibt: ≤Px≥ =≤cP,x≥ · P0 · a2

0. Zur besseren Übersicht ist die Dreham-plitude, auf die hier die Winkel bezogen sind, aus denBeiwerten herausgezogen. Die Abhängigkeit der Leis-tung vom Quadrat der Bezugsamplitude ist ein Merk-mal instationärer Bewegungen, bei denen stets Kraftund Geschwindigkeit zeitabhängig sind. In den Bildernsind die theoretisch möglichen Ergebnisse für verschie-dene Phasenlagen berechnet und mit den beobachtetenDaten verglichen worden. k = 90° bedeutet, dass derFlügel beim Aufschlag den größten positiven Anstell-winkel (Vorderkante hoch, Hinterkante tief) beimDurchgang des Flügelschlags durch den stationärenMittelwert erfährt. Zugleich wird der Flügel für s = 90°beim Aufschlag entgegen der Bahnrichtung zurückge-zogen. Beim Abschlag wird der Flügel nach vorne ge-schwenkt, sodass der Weganteil des Abschlags in Bahn-richtung deutlich größer ist als der des Aufschlags.2)

Die Heuschrecke hat offenbar genau die Parameter„ausgewählt“, die zur optimalen Umsetzung der auf-gebrachten Leistung beim Schlagen in Schubleistungführen. Bedenkt man, dass die Wanderheuschrecken(und auch die artgeschützten Libellen) vier Flügel ha-ben, so kommt das einfache aerodynamische Modelldieser Lebewesen auf fast 40 kinematische Parameter,höhere Harmonische und flexible Flügel noch gar nichtberücksichtigt.

Sind die „Triebwerke“ der fliegenden Lebewesendeshalb ein Geheimnis, das wir kaum entschlüsselnkönnen? Es gibt zwei Gründe, die diesen Eindruckverstärkt haben mögen. Zum Einen ist schon die dyna-mische Auftriebskraft einer Tragfläche, die das Gewichteines fliegenden Lebewesens oder eines Flugzeugs aus-gleicht, ein schwieriges Thema – auch unter Physikern.Zum Anderen hat ein Kernexperiment zum Schwingen-flug gefehlt, mit dem die Überwindung des Widerstandsdurch Flügelschlag quantitativ bestimmt und erklärtwerden kann. Es fehlte nicht an flugtauglichen Flug-modellen. Die ersten künstlichen – und kunstvollen –Vögel gehen auf Erich v. Holst am Zoologischen Insti-tut der Universität Göttingen zurück [5]. Schon zu Lili-enthals Zeiten hat der französische Physiologe Étien-ne-Jules Marey (1830–1904) lebende Tauben in einemRundlauf fliegen lassen und ihren Flug untersucht [6].Aber einen Versuch nach Mareys Anordnung mit ei-nem künstlichen Vogel hat es nie gegeben. Ein solcherVersuchsstand mit einem künstlichen Vogel, der – nurmit zwei schlagenden Flügeln angetrieben – in einemRundlauf fliegt, wurde nun unlängst vom Autor zusam-men mit dem Feinmechaniker Felix Scharstein ent-wickelt. Er wird inzwischen für Lehre und Forschungals ANIPROP RL3 in kleiner Auflage angeboten3). Ein

Versuchsaufbau ist auch vom Deutschen Zentrum fürLuft- und Raumfahrt e.V. (DLR) für sein JugendlaborDLR_School_Lab in Göttingen erworben worden undsteht seit der EXPO 2000 Schulklassen und Lehrkräf-ten zur Verfügung.4) An diesem künstlichen Vogel kannman zeigen, dass der zentrale Mechanismus noch ein-facher ist als in Abb. 3 dargestellt. Schon die Schlag-bewegung einer Tragfläche zusammen mit einer gleich-

zeitigen Drehung erzeugt eine Schubkraft, wenn diebeiden Amplituden, die Phasenlage, die Frequenz undGeschwindigkeit zueinander passen. Eine einfacheDarstellung dieser Zusammenhänge kann mit den Mit-teln der Mathematik der Sekundarstufe II erarbeitet [7,8] und an dem erwähnten Versuchsstand nachgeprüftwerden. Referenz [8] ist im Internet verfügbar5) undenthält Vorschläge zur Erarbeitung voranstehenderSachverhalte im Unterricht.

Formulierung des UmströmungsproblemsWollen wir die Bewegung der Luft und deren Kraft

auf eine feste Oberfläche beschreiben, so haben wir esmit der Formulierung eines Umströmungsproblems zutun. Ein Flugzeug, der fallende Ahornsamen oder einfliegendes Lebewesen, sie alle reizen zur Lösung desUmströmungsproblems. Will man Auftrieb und Wider-stand berechnen, dann muss die eingangs nach Lilien-thal zitierte Beschreibung der Umströmung in Formelnumgesetzt werden. Zu Lilienthals Zeiten, am Ende des19. Jahrhunderts, herrschte weder Klarheit über denWiderstand, den die umgebende Luft auf einen um-strömten Körper ausübt, noch hatte man eine Vorstel-lung, welche Kräfte die fliegenden Lebewesen in derLuft halten. Den verschiedenen Berechnungen undÜberlegungen war gemeinsam, dass sie nur ungenaueund sogar widersprüchliche Ergebnisse zeitigten. EinBeispiel ist die noch heute verbreitete Auffassung, dassder Auftrieb als Rückstoß durch das Aufprallen derLuftpartikel auf die Oberfläche des umströmten Kör-pers entsteht. Viele Physikbücher zeigen Bilder mitQuerschnitten von Profilen und ihren Stromlinien, indenen die Partikel auch nach unten abgelenkt werden.Solche Bilder lassen sich aus der Lösung des Umströ-

1) Der Index P stehthier für die Leistung P,um eine Verwechslungmit dem Druckbeiwertcp zu verhindern.

2) siehe auch LilienthalsFig. 3 in Tafel VIII seinesBuchs [1].

3) Bilder zum RundlaufANIPROP RL3 und Ver-weise auf Lilienthal undMarey im Internet über:http://www.aniprop.de

4) DLR_School_Lab im DLR-Standort Göttingen: http://www.schoollab.dlr.de

5) www.aniprop.de

Abb. 3:Leistungsbeiwerte beim Vorderflügel einer Wanderheuschreckeals Funktion der Phasenwinkel zwischen den verschiedenenFreiheitsgraden. Wie der Vergleich mit dem Experiment (rotePunkte) zeigt, wird Leistung beim Schlagen (grün) in Translati-onsleistung (blau) umgesetzt. Drehen und Schwenken machendie Umsetzung möglich, verbrauchen aber kaum Leistung(Theorie [3], Experiment [4]). u0 = 2,5 m/s, f = 20 Hz, A = 4 · 10–4

m2, a0 = 0,52 rad (30°).

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mungsproblems aber nicht ableiten. Für den Wider-stand gab es die „Lufthügeltheorie“ über den Aufprallder Partikel auf eine quer in der Strömung stehendePlatte, die aber ebenso wenig mit Messungen überein-stimmte.

Die mathematische Formulierung des Umströmungs-problems beruht auf den Erhaltungssätzen für Impuls,Masse und Energie für ein Fluid, etwa Luft, und derRandbedingung der Umströmung für einen im Fluid be-wegten Körper. Berücksichtigen die Sätze die Zähigkeit(Viskosität) des Fluids, so spricht man von den Navier-Stokes-Gleichungen, die Erhaltungssätze für das idealeFluid ohne solche Terme mit Zähigkeit werden auchEuler-Gleichungen genannt (statt für das Ensemble derdrei Gleichungen finden sich die Namen manchmalnur zu Kennzeichnung des jeweiligen Impulssatzes).Die aerodynamischen Lösungen zeichnen sich dabeidurch eine Besonderheit aus: Die„große“ Grundgeschwindigkeit u0des fliegenden Körpers gibt eineausgezeichnete Richtung vor. Quer-geschwindigkeiten werden in denverschiedenen Approximationenvernachlässigt. Abb. 4 zeigt die Kräf-teverhältnisse an einem typischen,aerodynamisch geformten Körper,einer Tragfläche mit der Flügeltiefel. Die Ausdehnung in Spannweite bist unterdrückt (2D-Querschnitt).Jedes Flächenelement DS der Ober-fläche des Körpers erfährt durch dasFluid eine Kraft f mit einem Anteiltangential zur Oberfläche in Rich-tung t, bewirkt durch die Schub-spannung s, und mit einem Kraftan-teil entgegen dem örtlichen Normalenvektor n durchden Druck p. Die beiden resultierenden Kräfte Auftriebund Widerstand werden nicht an der Anziehungskraftin Richtung g ausgerichtet, sondern auf die jeweiligeBahnrichtung bezogen. Die Anschauung lässt schonvermuten, dass diejenigen Kräfte keine großen Beiträgeliefern, die sich aus den in Bahnrichtung weisendenFlächenanteilen ergeben. Diese so genannte Stirnflächeist bei Tragflächen stets klein im Vergleich zur Auf-sicht- oder Grundrissfläche A = Flügeltiefe l × Spann-weite b. Deswegen sind der Auftrieb aus der Schub-spannung und der Widerstand durch Druck zumeistnur kleine Effekte. Allgemein übt das Fluid eine Kraft Fauf die Oberfläche S des Körpers aus, die sich darstelltals

Zerlegt man die beiden Beiträge zu F jeweils in Kom-ponenten parallel und quer zur Bahnrichtung des Kör-pers, so erhält man den Auftrieb FA und den Wider-stand FW. Das zentrale Gleichgewicht des Fliegens (imhorizontalen Flug) lautet daher: Der Auftrieb gleichtdas Gewicht aus, die Schubkraft überwindet denWiderstand.

Die Randbedingungen sind anschaulich verständ-lich. Überall auf der Oberfläche S des umströmten Kör-pers muss die Relativgeschwindigkeit vrel der Fluidpar-tikel gegenüber S verschwinden: vrel = 0. Das Fluidhaftet überall auf der Oberfläche und die Impulsüber-tragung auf das Fluid erzeugt eine Gegenkraft.

In Abb. 5 ist eine typische stationäre Lösung des

F n t F F= − ⋅ + ⋅ = +zzS

p dS ps sb g .

Umströmungsproblems für eine Tragfläche vorwegge-nommen, da vielleicht nicht alle Leserinnen und Leserdie Skizzierung des Lösungswegs nachvollziehen wol-len. Es ist diejenige Lösung, die sich mit wechselndemProfilquerschnitt in eigentlich allen Physikbüchernwiederfindet, in denen der Auftrieb einer Tragflächeabgehandelt wird – aber oft mit Bildern, die man nurals „frei erfunden“ bezeichnen kann. Die Lösung be-ruht auf der nachfolgend eingehender diskutiertenNäherung, die hier als Grenzfall der infinitesimal dün-nen Grenzschicht bezeichnet wird. Im Rahmen dieserNäherung wird weiterhin nur die Lösung in der Mitteeiner unendlich ausgedehnten Tragfläche betrachtet,auch 2D-Lösung genannt. Der Körper bewegt sichgleichförmig mit u0 gegenüber dem Fluid. Auf einemmodernen PC lässt sich der AuftriebsbeiwertcA = FA / F0 als Integral der Differenz zwischen der Ver-

teilung des Druckbeiwerts cp auf derOberseite und der Unterseite in we-nigen Sekunden berechnen. DerWiderstandsbeiwert cW = FW / F0 derLösung ist im berechneten Grenz-fall unendlicher Spannweite null.Der Unterdruck auf der Oberseiteist eine Folge der Lösung, bei dersich die teilende Staupunktstrom-linie stromauf unterhalb der Mittel-linie ergibt (siehe vergrößerter Aus-schnitt mit Profilnase). Auf derOberseite wird deshalb mehr Massedurchgesetzt und die Geschwindig-keit ist folglich höher. Dies zeigenauch die beiden Partikel (violettePunkte) zu zwei Zeitpunkten t0 undt1 und zwei Zwischenzeiten, deren

Weg sich nach einem gemeinsamen Start in engerNachbarschaft am Staupunkt teilt. Das fast gleicheStrömungsbild mit den schnelleren Partikeln auf derOberseite (hier nicht dargestellt) entsteht auch bei derangestellten dünnen Platte ohne Wölbung. Die Wöl-bung ist deshalb auch nicht die Ursache für den Unter-druck, wie man häufig liest, sondern verstärkt ihn al-lenfalls.

Druck und Geschwindigkeit stehen über die Ber-noullische Gleichung in Beziehung, die nachfolgendnur umgeschrieben ist:

x ist ein Ort im Strömungsfeld mit dem örtlichenDruck p(x), cp der zugehörige Druckbeiwert. VomDruck p ist der barometrische Ruhedruck p∞ im Fluidabgezogen. Die Bernoullische Gleichung ist ein erstesIntegral des Impulserhaltungssatzes (unter Bedingun-gen, die hier nicht weiter erörtert werden sollen) undstellt nur eine Beziehung zwischen der Relativge-schwindigkeit vrel und dem Druck p her. Die eigentli-che Lösung des Umströmungsproblems ist der funktio-nale Zusammenhang von vrel mit der Randbedingungfür die Umströmung, deren Weg nachfolgend skizziertist.

Skizzierung des LösungswegsDer mit dem Flieger fest verbundene Beobachter

sieht die Relativgeschwindigkeit vrel des Fluids (wie inAbb. 5). Lilienthal hat eine andere Geschwindigkeit vals Folge der Verdrängung und des Haftens beschrie-

cu

cp p

qp pxv x

xxb g b g b g b g= − =

− ∞12

02

0

rel mit .

Abb. 4:Die örtliche Kraft f des Fluids auf einenKörper. Quer zur Bahnrichtung domi-niert der Druck p, der für den AuftriebFA verantwortlich ist, in Bahnrichtungdominiert die Schubspannung s, die fürden Widerstand FW verantwortlich ist.

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ben: Das natürliche Geschwindigkeitsfeld v(x, t) derFluidpartikel in demjenigen Bezugssystem, in dem dieLuft anfänglich geruht hat. Dieses Feld unterscheidetsich von der Relativgeschwindigkeit um die kinemati-sche Geschwindigkeit vkin(xS, t), mit der sich der Fliegerdurch die Luft bewegt und die die Eigenbewegung derFlügel mit einschließt: vrel(x, t) = vkin(xS, t) + v(x, t).

Wir beschränken uns im Folgenden auf inkompres-sible Strömungen. Inkompressibel soll heißen, dass diehöchsten Geschwindigkeiten des Feldes v nicht mehrals etwa ein Viertel der Schallgeschwindigkeit errei-chen (cs = 340 m/s), womit aber die ganze Welt desFliegens und Schwimmens in der Natur abgedeckt ist.Die entscheidende Kennzahl ist die Mach-ZahlMa = u0/cs. Der Einfluss der Kompressibilität auf dieLösung nimmt zu mit 1/√◊◊◊◊◊◊◊◊◊1–Ma2, wie eine genauereAnalyse zeigt.

Die Folgen dieser Annahme stehen in enger Bezie-hung zum Fundamentalsatz der Vektoranalysis. Nachihm lässt sich jedes Vektorfeld, also auch das Ge-schwindigkeitsfeld v(x, t), darstellen als Gradient einesskalaren Potentials o plus der Rotation eines diver-genzfreien Vektorpotentials A:

Diese grundlegende mathematische Aussage hat un-mittelbare Konsequenzen für die praktische Lösung desUmströmungsproblems. Dazu kommen wir auf die dreibereits genannten Erhaltungssätze für Masse, Impulsund Energie zurück. Der Erhaltungssatz für die Masseist eine rein kinematische Aussage, die aus der Bewe-gung infinitesimal benachbarter Partikel in einem be-liebigen Geschwindigkeitsfeld v(x, t) folgt. Deren Ab-stand wird beschrieben durch die Differentialgleichungihres jeweiligen relativen Verbindungsvektors dx in die-sem Feld:

Spannen vier infinitesimal benachbarte Fluidpartikelzum Zeitpunkt t ein orthogonales Dreibein für das Vo-lumenelement mit der Masse DM auf, so hat sich diesesDreibein zum Zeitpunkt t+Dt bewegt und sein einge-nommenes Volumen verändert, definitionsgemäß abernicht die eingeschlossene Masse. Der Erhaltungssatzfür die Masse steckt in der Differentialgleichung für dieBeschreibung der zeitlichen Änderung des belegten Vo-lumens für DM bei Dehnung, die identisch erfüllt ist.Die Bewegung des Dreibeins besteht aus formtreuerDrehung, Volumen erhaltender Scherung und isotroperDehnung. Erzwungen werden diese drei Bewegungsan-teile aus v(x,t) durch die Vorschriften von Impuls- undEnergiesatz. Die Energiebilanz eines bewegten Mas-senelements im Fluid wird außer durch Wärmeleitungnur durch Scherung und Dehnung beeinflusst. Die vo-lumentreue und scherungsfreie Drehung verschiebthingegen lokal keine Partikel und verursacht folglichauch keine Reibung und Energiedissipation. DieBeiträge aus den stofflichen Eigenschaften Zähigkeitund Wärmeleitung zum Wärmehaushalt des bewegtenMassenelementes für Luft kann man abschätzen undzeigen, dass sie vernachlässigbar sind: Daher verbleibtvom Energiesatz nur eine adiabatische Zustandsglei-chung, die für die Lösung des Umströmungsproblemsnicht benötigt wird.

Während die Zähigkeit für die Energieerhaltung ver-

ddt

ddt t

d dx x v v− ⋅ = =∂∂

+ ⋅grad mit grad .0

v x x A x

A x

, , ,

,

t t t

t

b g b g b gb g

= − + +

=

grad rot Konstante,

mit div .

o0

nachlässigbar ist, ist sie dagegen unerlässlich für dieImpulsübertragung vom Körper auf die Strömung,sonst erhält man „falsche“ Lösungen, die mit demExperiment nicht übereinstimmen.

Die Dehnung d ist die Quelldichte des Feldes v,d = div v, Drehung und Scherung finden sich in derWirbeldichte j = rot v. Scherung tritt auf bei der Im-pulsübertragung von einem bewegten Körper auf dasFluid sowie innerhalb des Fluids selbst. Die beidenGrößen der Bewegung lassen sich unmittelbar mit denbeiden obigen Potentialen in Verbindung bringen,indem man einmal die Divergenz, zum anderen dieRotation von v(x, t) bildet. Es ergeben sich die beidenPotentialgleichungen

DA(x, t) = – j(x, t) und Do(x, t) = –d(x, t) .

Die Annahme der Inkompressibilität ist identischmit einer verschwindenden Quelldichte; die Dichte rist dann eine Konstante r∞. Die Geschwindigkeit wirdnun allein durch das Vektorpotential A bestimmt, dasaus der allgemeinen Lösung der Potentialgleichung DA = –j folgt:

Wirbeldichte kennzeichnet Gebiete des Geschwin-digkeitsfeldes mit der Eigenschaft, Scherströmung zusein und hier auch durch Impulsübertragung auf sichselbst zurückzuwirken. Überall sonst ist j gleich null

A xj x

x x,

',

''t

tdVb g b g

=−

⋅zzz14p

Vol.

.

Abb. 5:Berechnete Strömung (unten) eines gewölbten, dicken Profils(NACA2312) mit 3° Anstellwinkel. Diese Lösung für den unend-lich gestreckten Flügel (2D-Fall) ist leistungslos und liefert nureine Kraftkomponente quer zur Anströmung (infinitesimal dün-ne Grenzschicht). Aus der Strömungsgeschwindigkeit ergibtsich mithilfe der Bernoulli-Gleichung der Druck bzw. derDruckbeiwert cp (oben rechts). Der Auftriebsbeiwert cA = FA/F0ergibt sich als Integral der Differenz (grüne Pfeile) zwischender Verteilung des Druckbeiwerts cp auf der Oberseite (rote Li-nie für Kontur und Beiwerte) und der Unterseite (blaue Liniefür Kontur und Beiwerte). Die violetten Quadrate symbolisie-ren zwei benachbarte Partikel, die zum gleichen Zeitpunkt star-ten und deren Bahnen durch die Staulinie getrennt sind. DiePartikel auf der Oberseite sind schneller, da die Staulinie, diedie Strömung teilt, unterhalb der Mittellinie des Profils liegt(oben links). Die Grenzschicht (Lupe) ist in Abb. 6 vergrößertgezeigt.

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und es gibt nur eine „Fernwirkung“ des ersten Be-reichs, der eine volumentreue und scherungsfreie Dre-hung induziert.

Die Randbedingung für die Umströmung verlangt,dass die Relativgeschwindigkeit verschwinden muss,und liefert somit die Bedingung für j, die zu jedemZeitpunkt erfüllt sein muss: rot A = –vkin. Die Glei-chung verlangt die Kenntnis der Kinematik des um-strömten Körpers, die aus Messungen an Lebewesenoder durch äquivalente theoretische Annahmen be-kannt ist. Die eigentliche Dynamik, die zeitliche Ent-wicklung des aus der erzwungenen Umströmung resul-tierenden Geschwindigkeitsfeldes, kommt aus dem Im-pulserhaltungssatz:

Die Anwendung des Rotationsoperators rot auf denImpulssatz liefert die Wirbeltransportgleichung für dieWirbeldichte j:

Der Druckgradient und das Schwe-refeld tauchen nicht mehr auf. DasGeschwindigkeitsfeld wird alleindurch die Dynamik der Wirbeldichtej bestimmt: Alle inkompressiblenStrömungen sind allein Wirbeldyna-mik. Mit dem Zähigkeitsterm auf derrechten Seite gleich null ist dieseDifferentialgleichung für j formalidentisch mit der voranstehenden fürden relativen Verbindungsvektor dx.Sie besagt für diesen Fall in Worten,dass Wirbeldichte, ist sie einmal ent-standen, an ein- und denselben Par-tikeln haften bleibt und im Fluid nurmittransportiert wird. Der skalareFluss von j durch eine mitbewegteFläche, die so genannte ZirkulationG, bleibt in diesem Fall folglich er-halten. Entstehen kann Wirbeldichteunter diesen Umständen nur nochan den Oberflächen von Körpern.Mit Zähigkeitsterm diffundiert dieWirbeldichte dagegen zu den umlie-genden Partikeln, ohne allerdingsverloren zu gehen. Dies würde erstgeschehen, wenn wieder innere Rei-bung zugelassen würde, die vernach-lässigt worden war. Die Lösung derGleichung für den Wirbeltransportist im allgemeinen Fall sehr schwie-rig, denn in der Geschwindigkeit v steckt über das In-tegral für das Vektorpotential A ebenfalls wieder dieWirbeldichte j. Die Gleichung ist damit eine Integro-differentialgleichung für die Wirbeldichte j. Für diesesProblem gelang dem Göttinger StrömungsmechanikerLudwig Prandtl (1875–1953) der große Wurf.

Prandtls Näherungen der Grenzschicht Wenn keine Zähigkeit h in der Strömung angenom-

men wird, also in einem idealen Fluid, bleibt die Zirku-lation in der Strömung erhalten. Aber unter solchenBedingungen kann auch kein Impuls mehr von einemumströmten Körper auf das Fluid übertragen werden.

ddt

jj v j− ⋅ =

∞grad .

hr

D

r r hD∞ ∞= − + +ddt

pv

g vgrad .

Wo kommt nun der Auftrieb in Abb. 5 her? Er stammtaus der Druckverteilung an der Grenze zwischenAußenströmung ohne Zähigkeit und Grenzschicht mitZähigkeit (Abb. 6), wobei Prandtl annimmt, dass derDruck p durch die Grenzschicht hindurch konstantbleibt (¤p(h,s)/¤h = 0).

Das Verfahren von Prandtl ist eine geniale Vereinfa-chung der Wirbeldynamik mit Zähigkeit. Von Prandtlwird berichtet, dass ihn die Suche nach einem Weg zurLösung des Umströmungsproblems für eine Tragflächefast zur Verzweiflung gebracht hat (den Leserinnenund Lesern möge dies ein Trost sein). Genau hier liegtaber der Schlüssel zum Verständnis der Aerodynamikund des Widerspruchs ideale Flüssigkeit und Auftrieb.Es geht dabei um die Behandlung des besonders kriti-schen Bereichs nahe der Oberfläche. Das relativ zumProfil bewegte Fluid wird nicht nur verdrängt, sonderndurch die Zähigkeit des Fluids haften die Partikel di-rekt auf der Oberfläche und reißen im Nahbereich dieentgegenkommenden Partikel mit, sodass diese demProfil „nachlaufen“. Dass ständig neue Partikel mit ki-netischer Energie ausgestattet werden, äußert sich alsStrömungswiderstand, zu dessen Überwindung fort-

während Leistung aufgebracht wer-den muss. Die Geschwindigkeit desvorbei eilenden Fluids steigt dabeisehr schnell von null auf die Grö-ßenordnung von u0 an (Abb. 6).

Prandtl hat nicht nur die Strö-mungsverhältnisse in dieser Über-gangszone zwischen Oberfläche Sund Fluid mit seiner Grenzschicht-theorie recht genau berechnet [9].Vor allem hat er späterhin in seinerTragflügeltheorie erkannt, dass mandiese zumeist sehr dünne Zone fürdie Berechnung des Auftriebs garnicht genau kennen muss, wennman nur ihre Existenz auf eine be-stimmte Weise berücksichtigt [10].Dazu hat er unterstellt, dass dieVorgänge der Impulsübertragung inder insbesondere bei Flugzeugtrag-flächen sehr dünnen Grenzschichtnäherungsweise in einem mathema-tisch infinitesimal dünnen Bereichstattfinden. Je größer die Ge-schwindigkeit, desto dünner istdiese Schicht und desto größer istdie Reynolds-Zahl Re = u0r l /hmit l als Flügeltiefe. Ein groberMittelwert für die Dicke z0 einerGrenzschicht auf einer Trag-fläche ist z0 =5l / √◊◊◊◊Re mit Re =

6,7 · 104 · u0 l / (m2 s–1), also wenige Millimeter bei einem

startenden Verkehrsflugzeug (l = 4m, u0 = 80 m/s).Auch der glatt abfließende „Nachlauf“ auf Ober- undUnterseite wird hinter dem Profil auf einen flächenhaftdünnen Bereich N in der Strömung komprimiert. Stattder räumlichen Wirbeldichte wird nunmehr eine Lö-sung für die flächenhafte Wirbeldichte j f gesucht durch

Allerdings kann nun die Randbedingung vrel = 0 nichtmehr streng erfüllt werden. Die Partikel müssen dieOberfläche S aber wenigstens noch tangential umströ-

A xj x

x x, t

' , t

'' .b g b g

=−

+zz1

4pS N

f

dF

Abb. 6:In der Grenzschicht nahe der Oberflächewerden die Partikel mitgerissen und dieGeschwindigkeit u des Fluids steigtschnell an (oben). Nach der PrandtlschenNäherung wird für die Berechnung desDrucks die räumliche Grenzschicht aufeine flächenhafte Grenzschicht gleicherStärke zusammengepresst, an deren„äußerem“ Rand die Randbedingungvrel · nS = 0 gilt (unten).

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men, vrel · nS = 0. Es verbleibt als Randbedingung rot A · nS = –vkin · nS.

Die flächenhafte Wirbeldichte hat einen unschätzba-ren Vorteil: Mithilfe des Ampèreschen Theorems fürflächenhafte Wirbeldichten (siehe Potentialtheorie)kann der Druck auf der Tragfläche nachträglich überdie Bernoullische Gleichung aus v und vkin berechnetwerden. Dies gilt auch für zeitlich veränderliche Bewe-gungen der Tragfläche, für die sich eine instationäreBernoullische Gleichung herleiten lässt.

Als weitere Näherung nimmt man noch an, dass dieWirbeldichte (als Folge der infinitesimal dünnen Scher-strömung) näherungsweise dort im Fluid liegen bleibt,wo sie die Hinterkante verlassen hat („starrer“ Nach-lauf). Von der Wirbeltransportgleichung verbleibt nurdie Differentialgleichung d j f/dt = 0, die sich vergleichs-weise einfach lösen lässt.

Es ist anschaulich zu erwarten, dass sich die beidenGrenzschichten von Ober- und Unterseite an der Hin-terkante einfach nur aufeinanderlegen und hinter demProfil zurückbleiben (glatter Abfluss). Die Folgen die-ser Annahme ergeben das Strömungsbild in Abb. 5, dassich auch im Experiment einstellt. Damit ergibt sichnach der Bernoullischen Gleichung eine Druckvertei-lung, die sich als Auftriebskraft äußert. Im Grenzfallunendlich großer Reynolds-Zahl schrumpfen die bei-den dünnen Grenzschichten zu Flächen. Nur dieZähigkeit mit ihrer Haftwirkung an der Profilober-fläche verhindert, dass die Partikel von der Unterseitean der Hinterkante direkt in das Gebiet geringerenDrucks auf der Oberseite zurückströmen. Könnten siedies, dann würden sie aber bald auf die Partikel vonder Oberseite stoßen, die sie wieder in Stromrichtungabdrängen. Die Folge für das Strömungsbild wäre einzweiter Staupunkt auch auf der Oberseite dicht vor derHinterkante (tatsächlich lässt sich auch dieser Fall ex-perimentell nachweisen, wie die Hele-Shaw Strömungzeigt [11]). In diesem Fall verschwindet das Integralüber die Differenz der Druckbeiwerte und damit derAuftrieb. Die Zähigkeit geht beim Modell der infinitesi-mal dünnen Grenzschicht also nur noch als Annahmefür das Strömungsbild ein. Durch Prandtls Konzept wird die Berechnung von

Auftrieb und Widerstand „entkoppelt“ und kann in

zwei aufeinanderfolgenden Schritten stattfinden. Erstdiese Vereinfachung hat Tragflächenumströmungen derBerechnung zugänglich gemacht und damit auch nebender Entwicklung der Luftfahrt die Einsichten in diePhysik des Tierflugs sehr befördert.

Berechnet man die Fluidkraft F, dann findet manzunächst nur eine Näherung für den Druck p. Der Bei-trag aus den Schubspannungen wird erst im zweitenSchritt ermittelt. In Schritt 1 berechnet man genau-genommen den Druck auf der Außenseite dieser infini-tesimal dünnen Grenzschicht. In Schritt 2 der Einbe-ziehung einer endlich dicken Grenzschicht muss dieReynolds-Zahl vorgegeben werden, aus der die Dickeder zu berücksichtigenden Grenzschicht folgt. Man er-hält dann zum einen den Beitrag zu F aus der Schub-spannung s am Profil, den eigentlichen (Reibungs-)Widerstand, und zum anderen eine Korrektur derDruckverteilung aus dem nun endlich dicken Nachlauf,die einen Druckwiderstand liefert. Im zweiten Lö-sungsschritt liefert die Schubspannungslösung umge-kehrt aber keinen nennenswerten Beitrag mehr zumAuftrieb, weil der Druck durch die endlich dickeGrenzschicht hindurch sich kaum verändert. Ist manalso nur am Auftrieb interessiert, dann genügt zumeistder erste Schritt. Abb. 7 zeigt das Ergebnis dieser bei-den Schritte im Vergleich zu einer numerischen Lösungder Navier-Stokes-Gleichung.

Wirbeldichte im ExperimentTragflächen kann man näherungsweise als ebene

oder gewölbte Platten darstellen, deren Umströmungeine infinitesimal dünne Wirbelschicht erzwingt. Diesgilt nicht nur für den Insektenflügel, dessen Leistungenin Abb. 3 auf diese Weise berechnet worden sind. AuchBerechnungsverfahren für Flugzeuge machen sich dieseVereinfachung zunutze, wenn es nur um Druckkräftegeht. Eine solche Lösung zeigt Abb. 8. Für den Beiwertdes Auftriebs einer solchen angestellten Platte gibt eseine grobe Näherungsformel, in der L = b2/A das so ge-nannte Seitenverhältnis ist: cA = 2p · sinas · L /(L+2).Nehmen wir die Daten von einem Airbus A340 mitA = 363 m2 und b = 60 m kurz nach dem Start beiu0 = 150 m/s, dann müsste nach dieser Formel eine

Abb. 8:Aufsicht auf eine dünne Platte von 0,16 » 0,4 m2 (helles orange)mit Anstellwinkel (3D-Lösung). Die flächenhafte Wirbeldichtej f (blau) erzwingt durch das von ihr induzierte Geschwindig-keitsfeld die tangentiale Umströmung, die im Mittelschnitty = 0,2 m von der Seite betrachtet (xz-Ebene) ein ähnliches Bildbieten würde wie die Strömung in Abb. 5. Die abfließende Wir-beldichte spannt den Nachlauf (hellblau) auf, der bei der sta-tionären Lösung ins Unendliche reicht. Die Integralkurven die-ses Vektorfeldes sind geschlossene Kurven (Hufeisenwirbel).Die Zirkulation (dunkles orange) bleibt im Nachlauf erhalten,weil keine Diffusion vorhanden ist. Der schwarze Pfeil gibt dieRichtung an, aus der in Abb. 9 auf die graue Fläche geblicktwird. as = 10°, L = 2,5, cA = 0,484.

Abb. 7:Für anliegende Strömungen unterscheiden sich die Beiwerte cs = s/q0 der Schubspannung (rechts) aus dem 2-Schritt-Verfah-ren nach Prandtl kaum von der aus einem Navier-Stokes-Löserfür zähe Strömung (Rechnung B. Grüber). Die Beiwertecp = (p – p∞)/q0 des Drucks (links) weichen nur an der Hinter-kante ab. Die flächenhafte Wirbeldichte ist auf u0 bezogen. Tur-bulente Grenzschicht, as = 3°, Re = 105.

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ebene Platte mit 6 Grad angestellt sein, um die Massevon 270 t ausgleichen zu können (die Gleitzahl iste= cA/cW $ 20).

Theoretisch aufgeklärt sind alle Einzelheiten derWirbelbildung bis heute nicht. Turbulente Schwankun-gen in der Strömung machen eine „genaue“ Vorhersageder Umströmung nur mit Einschränkungen möglich.Stets müssen noch Annahmen unterstellt werden, dieUnsicherheiten bedeuten.

Die Sichtbarmachung von Strömungen ist daher einaktuelles Thema, weil Form und Stärke der Wirbel hin-ter einer Flugzeugtragfläche den Abstand bestimmen,mit dem zwei Flugzeuge hintereinander landen dürfen.Für den eingangs schon erwähnten Airbus A380 wer-den diese Strukturen mit den modernsten Messfahrenam Modell untersucht. Vor allem sucht man nachIdeen, den Wirbelzerfall hinter dem Flugzeug zu be-

schleunigen. Das PIV-Verfahren ist das Mittel der Wahldafür, weil ganze Schnittebenen mit einer Aufnahmeerfasst werden können.6) Das Fluid ist mit Partikeln immm-Bereich durchsetzt. Ein Laser-Doppelblitz wirdaufgefächert und beleuchtet eine Schnittebene. DieEbene wird zweimal zeitgleich zu den Blitzen mit einerhochauflösenden CCD-Kamera fotografiert. Aus denverschobenen Streupartikeln werden kohärente Struk-turen errechnet, die das Geschwindigkeitsfeld in derEbene liefern und damit auch die Wirbeldichte. Mit ei-ner weiteren Kamera erhält man sogar die 3D Strukturdes Geschwindigkeitsfeldes. Abb. 9 ist am Rundlaufentstanden mit Geschwindigkeiten von 4–6 m/s. Derrechte Bildteil zeigt die Wirbeldichte als Bereich derStrömung, in dem die Strömung durch Scherung unver-meidlich Bewegungsenergie in innere Energie umsetzt.Die „Fernwirkung“ dieser Zone ist Quelle einergroßräumigen Partikelbewegung (linkes Bild), die alsder eigentliche Wirbel gesehen wird. Im mathemati-schen Modell schrumpft die räumliche Ausdehnung derWirbeldichte auf eine flächenhaft dünne Schicht.

AusblickDie Physik des Fliegens fristet in der physikalischen

Grundausbildung an Schulen wie Hochschulen zumeistein eher kärgliches Dasein, oft mit veralteter experi-menteller Ausstattung und mit nicht weniger alten di-daktischen Konzepten. Moderne Analyse- und Mess-verfahren liefern heute völlig neue und verdichteteEinblicke in Strömungen. Die Querverbindungen zurBiologie, zur Fahrzeugaerodynamik und zum Luftsportmachen dieses Gebiet für viel junge Leute attraktiv.Die didaktische Aufarbeitung der Einsichten und Mo-dellvorstellungen kann nach den Erfahrungen des Au-tors einen respektablen Beitrag zur Attraktivität desPhysikunterrichts leisten, zumal weite Bereiche alleinmit den Grundlagen der Mechanik erfasst werden kön-nen. Den inkompressiblen Strömungen kommt dabeieine besondere Bedeutung zu. Mehr als viele andereGebiete ist die Physik des Fliegens auch eine Domänedes Experiments. Trotz wachsender Rechenkapazitätder gängigen PCs entziehen sich viele Strömungsvor-gänge des alltäglichen Lebens der genauen numeri-schen Analyse, weil gewisse Grundfragen turbulenterStrömungen unverändert ungelöst sind. Das simulierteExperiment am Rechner kann leicht als unzulänglichentlarvt werden. Das macht Physik lebendig und offenfür den Diskurs.

Der Autor freut sich über Anfragen ebenso wie überMitstreiterinnen und Mitstreiter, die an einem Erfah-rungsaustausch interessiert sind und seine Kenntnissedurch eigene Forschungen und Einsichten bereichernkönnen. Das Internet ist dafür eine ideale Plattform.

Literatur[1] O. Lilienthal, Der Vogelflug als Grundlage der

Fliegekunst, Gaertner Verlag, Berlin, 1889.[2] W. Zarnack, A transducer recording continuously

3-dimensional rotations of biological objects, J.comp. Physiol. 126, 161 (1972).

[3] W. Send, The Mean Power of Forces and Momentsin Unsteady Aerodynamics, Z. f. AngewandteMath. u. Mech. 72, 113 (1992).

[4] M. Wortmann, Rolldrehmoment, Auftrieb und Vor-trieb der Wüstenheuschrecke, Diss. UniversitätGöttingen, 1991.

[5] E. von Holst, Über „künstliche Vögel“ als Mittelzum Studium des Vogelfluges, J. für Ornithologie91, (1943).

[6] É.-J. Marey, Le Vol des Oiseaux, Éd. G. Masson,Paris, 1890.

[7] W. Send, Aerodynamik des Tierflugs, MNU 47/3,131 (1994).

[8] W. Send, Der Mechanismus des Schwingenflugs,in: Didaktik der Physik, Vorträge DPG JT 1996, Je-na, S. 19, ISSN 1430-564X

[9] L. Prandtl, Ueber Flüssigkeitsbewegung bei sehrkleiner Reibung, in: Verh. III. Int. Math. Kongr.,Heidelberg 1904, S. 484, Teubner Verlag Leipzig,1905.

[10] L. Prandtl, Tragflügeltheorie. 1., Mitt. Ges. Wiss.Gött., Math.-phys. Kl., 151 (1918). Tragflügeltheo-rie. 2., dto., 107 (1919).

[11] M. van Dyke (Hrsg.), An Album of Fluid Motion,The Parabolic Press, Stanford, California, 1982.

Abb. 9:Geschwindigkeitsfeld und Wirbeldichtehinter der angestellten Platte aus Abb. 8.Blickrichtung ist gegen die Hinterkante.Die Kante des Fensters von 0,12 » 0,12m2 ist in Abb. 8 als graue Fläche einge-zeichnet. Die linke Abbildung zeigt dieals Randwirbel kreisenden Partikel mitihren Geschwindigkeitskomponenten inder yz-Ebene. Dieser Wirbel und sein ent-gegengesetzt rotierendes Pendant an dergegenüberliegenden Tragflächenkantebilden die so genannte Wirbelschleppe,

die ein Flugzeug hinter sich „herzieht“und die den Mindestabstand zu einemnachfolgenden Flugzeug bestimmt. DerRandwirbel als Wirbeldichte in der rech-ten Abbildung durchstößt das Blickfen-ster; er ist in Wirklichkeit nicht „flach“,wie das Wirbelmodell annimmt, sondernhat eine runde Struktur. Messung mit„Particle Image Velocimetry“ (PIV). Aus-wertung mit freundlicher Hilfe von Dr.G. Schneider (DLR).

6) Particle Image Veloci-metry: http://pivnet.sm.go.dlr.de/PivNet