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138 guitar 3/07 Iron Maiden – The Gear Of The Beast Dave Murray (g), Adrian Smith (g), Janick Gers (g), Steve Harris (b) q Wer eine Heavy-Metal-Legende sein will, muss ordentlich viel touren. Und wer das seit mehr als 25 Jahren tut, muss dafür sorgen, dass die Ausrüstung immer und überall funktioniert. Iron Maiden spielen zwar in riesigen Hallen und Stadien und könnten schränkeweise Equipment mitschleppen, doch überraschenderweise hält sich das Reisegepäck angesichts der Größe der Operation in Grenzen. Grundsätzlich stehen die vier Saiteninstrumentalisten – neben Bandgründer Steve Harris (Bass) die drei Gitarristen Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers – auf Altbewährtes. Das heißt im Wesentlichen: viele Strats und jede Menge Marshalls. Dave Murray Jeder der Maiden-Musiker hat zu Hause wahrscheinlich einen Keller voller Spielzeug. Oder mehrere Keller. Aber trotzdem nimmt Dave Murray nur zwei Gitarren mit auf eine World-Tour, und zwar zwei Fender Stratocaster. Beide Äxte – eine in Weiß, eine in Sunburst, jeweils mit Perlmutt- Schlagbrett – kommen während der Show regelmäßig ins Rampenlicht; es gibt also kein Hauptinstrument. Die Gitarren sind mit Floyd-Rose-Vibratosystemen und Hot-Rail- Pickups von Seymour Duncan ausgestattet, also Humbuckern im Singlecoil-Format mit hohem Output. Gerockt wird in Standard-E (E – A – D – G – H – E), und zwar konsequent funklos durch ein Kabel, das vom Instrument zu einer Pete Cornish Switching Box im Rack führt. Diese Sonderanfertigung lässt sich mit einer aufgemotzten A/B-Box vergleichen. Sie besitzt unter anderem einen Send & Return- Weg, in den ein Rack-WahWah (Dunlop Crybaby DCR-1SR) eingeschliffen wird, und insgesamt vier Ausgänge. Davon werden zwei genutzt – für ein „A-Rig“ und ein „B-Rig“, denn sämtliche Komponenten sind zweifach vorhanden. Im Notfall kann also von einem Rig komplett auf das unabhängig laufende zweite umgeschaltet werden. Aus dem Pete-Cornish-Switcher läuft das Signal in einen Marshall-Preamp JMP-1, dort über einen Send&Return-Loop zum Effektgerät, einem Marshall JFX-1 Signal Processor. Der Master-Output des Preamps ist wiederum verbunden mit dem Effect- Return-Eingang eines JCM 2000 Dual Super Lead (dreifach vorhanden). Mit anderen Worten: Von diesem Topteil wird nur die Endstufe verwendet. Damit das Ganze nicht unnötig brummt, wird hier noch eine B.I.S- Box von Mike Hill vorgeschaltet, mit der man „99% von allem Rauschen und Brummen los wird“, wie Murrays Techniker Andy erläutert. Von den Tops scheppern die Riffs dann über stinknormale 1960-Marshall-Boxen in die Ohren der Headbanger. Im Rack hängen zusätzlich noch zwei Marshall-9200-Endstufen und zwei Shure-U4D-Wireless-Empfänger. Daves Sunburst-Strat mit Perlmutt-Schlagbrett Das gleiche Modell in weiß – mehr E-Gitarren braucht der Mann nicht Nahaufnahme Hot-Rail-Pickups Daves Rack, ganz ähnlich dem von Adrian Marshall JCM 2000 Dual Super Lead: Drei Stück davon treiben Dave Murrays Metal-Sound Custom-B.I.S.-Box Dave Murrays Fußschalter: Der Hauptsound heißt „Bollox“ (ugs. „Schwachsinn“); außerdem gibt es eigene Sounds für bestimmte Stücke © PPVMEDIEN 2007

Iron Maiden - The Gear of The Beast - musik-produktiv.ch · Signal in einen Marshall-Preamp JMP-1, dort über einen Send&Return-Loop zum Effektgerät, einem Marshall JFX-1 Signal

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138 guitar 3/07

Iron Maiden – The Gear Of The BeastDave Murray (g), Adrian Smith (g), Janick Gers (g), Steve Harris (b)

q Wer eine Heavy-Metal-Legende sein will, muss ordentlich viel touren. Und wer das seit mehr als 25 Jahren tut, muss dafür sorgen, dass die Ausrüstung immer und überall funktioniert. Iron Maiden spielen zwar in riesigen Hallen und Stadien und könnten schränkeweise Equipment mitschleppen, doch überraschenderweise hält sich das Reisegepäck angesichts der Größe der Operation in Grenzen. Grundsätzlich stehen die vier Saiteninstrumentalisten – neben Bandgründer Steve Harris (Bass) die drei Gitarristen Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers – auf Altbewährtes. Das heißt im Wesentlichen: viele Strats und jede Menge Marshalls.

Dave MurrayJeder der Maiden-Musiker hat zu Hause wahrscheinlich einen Keller voller Spielzeug. Oder mehrere Keller. Aber trotzdem nimmt Dave Murray nur zwei Gitarren mit auf eine World-Tour, und zwar zwei Fender Stratocaster. Beide Äxte – eine in Weiß, eine in Sunburst, jeweils mit Perlmutt-Schlagbrett – kommen während der Show regelmäßig ins Rampenlicht; es gibt also kein Hauptinstrument. Die Gitarren sind mit Floyd-Rose-Vibratosystemen und Hot-Rail-Pickups von Seymour Duncan ausgestattet, also Humbuckern im Singlecoil-Format mit hohem Output. Gerockt wird in Standard-E (E – A – D – G – H – E), und zwar konsequent funklos durch ein Kabel, das vom Instrument zu einer Pete Cornish Switching Box im Rack führt. Diese Sonderanfertigung lässt sich mit einer aufgemotzten A/B-Box vergleichen. Sie besitzt unter anderem einen Send & Return-Weg, in den ein Rack-WahWah (Dunlop Crybaby DCR-1SR) eingeschliffen wird, und insgesamt vier Ausgänge. Davon werden zwei genutzt – für ein „A-Rig“ und ein „B-Rig“, denn sämtliche Komponenten sind zweifach vorhanden. Im Notfall kann also von einem Rig komplett auf das unabhängig laufende zweite umgeschaltet werden.

Aus dem Pete-Cornish-Switcher läuft das Signal in einen Marshall-Preamp JMP-1, dort über einen Send&Return-Loop zum Effektgerät, einem Marshall JFX-1 Signal Processor. Der Master-Output des Preamps ist wiederum verbunden mit dem Effect-Return-Eingang eines JCM 2000 Dual Super Lead (dreifach vorhanden). Mit anderen Worten: Von diesem Topteil wird nur die Endstufe verwendet. Damit das Ganze nicht unnötig brummt, wird hier noch eine B.I.S-Box von Mike Hill vorgeschaltet, mit der man „99% von allem Rauschen und Brummen los

wird“, wie Murrays Techniker Andy erläutert. Von den Tops scheppern die Riffs dann über stinknormale 1960-Marshall-Boxen in die Ohren der Headbanger. Im Rack hängen zusätzlich noch zwei Marshall-9200-Endstufen und zwei Shure-U4D-Wireless-Empfänger.

Daves Sunburst-Strat mit Perlmutt-Schlagbrett

Das gleiche Modell in weiß – mehr E-Gitarren braucht der Mann nicht

Nahaufnahme Hot-Rail-Pickups

Daves Rack, ganz ähnlich dem von Adrian

Marshall JCM 2000 Dual Super Lead: Drei Stück davon treiben Dave Murrays Metal-Sound

Custom-B.I.S.-Box

Dave Murrays Fußschalter: Der Hauptsound heißt „Bollox“ (ugs. „Schwachsinn“); außerdem gibt es eigene Sounds für bestimmte Stücke

© PPVMEDIEN 2007

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Marshall-Topteile mit MarkierungenAkustikgitarre für „Legacy“. Grundsätzlich macht Adrian seinem Techniker Shawn anscheinend keine großen Sorgen, wie man sieht

Noch mehr Fußschalter

Fußschalter mit drei Grundsounds: Rhythmus, Solo und Harmonien

Umschalter für Synth und Akustik

Weiße StratHaupt-Strat mit Guitar-Synthesizer

Strat mit Peace-Zeichen SG mit Peace-Zeichen

mal daneben stampft. Außerdem je einen Kanal für Clean, Standard-Solo und Solo-mit-tonnenweise-Effekten. Letzteres kommt etwa beim Ende von „Iron Maiden“ zum Einsatz. Zusätzlich muss Dave für Stücke vom aktuellen Album ’A Matter Of Life And Death‘ eigene Sounds abrufen können, nämlich für „The Reincarnation Of Benjamin Breeg“, „The Legacy“ und „The Longest Day“. Der Schalter ganz unten links hat keine Funktion, wurde also abgeklebt. Dave Murray spielt verhältnismäßig dünne Saiten (.009, .011, .014, .024, .032, .042), angeschlagen wird mit Ernie-Ball-Plektren.

Adrian SmithAdrian Smith sah man in der Vergangenheit mit einer Vielzahl verschiedener Gitarrenmodelle, doch mittlerweile hat er sich seinen Kollegen angepasst und nutzt hauptsächlich eine Fender Strat mit Sunburst-Lackierung. Allerdings wurden ihr für bessere Metal-Tauglichkeit ein Humbucker in Stegposition und ein Floyd-Rose-Vibratosystem eingesetzt. Zwischen ihnen findet sich der schmale Tonabnehmer (Roland GK-1) für den Gitarrensynthesizer, der live vor allem bei den neuen Songs eingesetzt wird. Aus diesem Grund laufen auch zwei Kabel von der Gitarre zu den Verstärkern. Fällt die Hauptaxt aus, greift Adrian auf eine identische Strat zurück, die einen Peace-Aufkleber trägt. Eine Gibson SG aus den Sechzigern darf für drei Songs auf die Bühne, weil sie in Dropped-D (D – A – D – G – H – E) gestimmt ist. Interessanterweise nutzt Adrian dieses Tuning für die älteren Songs am Ende des Konzerts, die wie alle Maiden-Stücke eigentlich in Standard-E eingespielt wurden. Als Ersatz für die SG steht noch eine weiße Stratocaster – ebenfalls mit Humbucker und Floyd Rose – im Rack. Die leisen Töne im neuen Stück „The Legacy“ zaubert Smith aus einer Akustikgitarre von Taylor, Modell 412CE, die fest auf einem Stativ installiert und deren Schallloch mit einem Plastikeinsatz abgedeckt wurde.

Generell schwört Adrian – wie alle Iron-Maiden-Klampfer – auf eine direkte Kabel-verbindung und setzt Sender nur bei der Akustikgitarre und der SG ein. Als Empfänger nutzt er ein Shure U4D. Die verschiedenen Signalwege steuert Techniker Shawn an, und zwar über einen Multiselector FS von Whirlwind (Auswahl: Kabel, Sender, Guitar Synth, Mute) und einen Zweifach-Schalter (für Synth oder Akustik), ebenfalls von Whirlwind. Das Signal läuft dann zu einem Pedalboard am Bühnenrand, das folgende Bodenpedale beinhaltet: zwei Ibanez Tubescreamer Reissues, um das Signal für Soli oder Harmonien zu boosten, einen Boss Line Selector LS-2, einen Boss Octaver OC3 (für einige der neuen Songs) und ein Digitech Whammy. In der Mitte findet sich noch ein Wah-Pedal, das zwei Dunlop Crybaby

Sämtliche Umschalterei erledigt Dave Murray selbst über ein All-Access-Pedalboard von Rocktron, das die JFX-1-Effektgeräte ansteuert und ganz unkompliziert auf ein Stück Holz geschraubt wurde. Dieses enthält außerdem den Controller für das Rack-Wah. Seinen Hauptsound nennt der Gitarrist „Bollox“, was übersetzt soviel wie „Schwachsinn“ heißt. Den gibt es auf dem Trittbrett zweimal, falls man im Dunkeln

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Die Gitarren von Janick Gers müssen einiges aushalten; hier eine ordent-lich abgeschabte schwarze Strat Alle tragen Narben, manche weniger … … manche mehr Diese Gitarre muss neu sein …

Gibson Chet Atkins für die akustischen Sequenzen

Die Kanalumschaltung erledigt der Techniker für Janick

Janick Gers‘ Rack: Marshall- und Boogie-Amps, Pete-Cornish-Schaltbox, Marshall-Effekte Headquarters: Warwick GmbH&Co.Music Equipment KG • Gewerbegebiet Wohlhausen • 08258 Markneukirchen/Germany • E-Mail: [email protected]

Branch China: Warwick Music Equipment (Shanghai) Ltd., Co.•Shanghai Waigaoqiao Free Trade Zone • Shanghai 200131/P.R.China • E-Mail: [email protected] UK: Warwick Music Equipment Trading (Manchester UK) Ltd. • 75 Bridge Street • Manchester M3 2RH / Great Britain • E-Mail: [email protected] Switzerland: Warwick Music Equipment Trading (Zurich) GmbH • Kriesbachstrasse 30 • 8600 Dübendorf / Switzerland • E-Mail: [email protected] CZ: Warwick Music Equipment Trading (Praha CZ) s.r.o. • Spálená 23/93 • 11000 Praha 1 / Czech Republic • E-Mail: [email protected]

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DCR-2SR im Rack ansteuert. Aus den Boden-effekten läuft das Signal in den Verstärker, einen Marshall 30th Anniversary 6100 in der Special Edition in Blau. Als Ersatz steht die reguläre Ausgabe des Amps darunter. Von da geht es per Send&Return zu den Effekten, nämlich zu zwei Peavey Transtube Fex. Seine Sounds wählt Adrian Smith über den Midi-Controller Yamaha MFC10 selbst. Das Fußpedal dieses zweiten Trittbretts läuft separat davon über einen anderen MIDI-Kanal und kontrolliert das Volumen des Synthesizers. „Geschaltet wird nicht viel“, meint Shawn. „Adrian wechselt nur zwischen Rhythmus und Lead sowie einem Sound mit mehr Delay und Chorus für Harmonien, wenn alle drei Gitarristen zusammen spielen. Die Lautstärke wird dabei nicht runtergefahren.“ Im Rack sorgt zusätzlich ein Rocktron Hush für Rauschunterdrückung.

Der zweite Signalweg aus der Gitarre gehört zum Gitarrensynthesizer, einem Roland GR20, der sich ganz oben im Rack befindet. Von dort läuft der Ton in eine Marshall-JMP-1-Vorstufe (zweifach vorhanden), dann in die Marshal l-9200-Dual-Monobloc-Endstufe. Hören können wir das alles dann über zwei Marshall-Boxen (4x12“er, 1960-Modell, ab- gewinkelt), die Snyth-Sounds über eine weitere, baugleiche Box. Adrian Smith greift in Saiten der Stärken .009, .011., 016., .024, .034, .044 – ebenfalls mit Hilfe von Ernie-Ball-Plektren.

Janick GersAuch bei Gitarrist Nummer drei, Janick Gers, bleibt der Werkzeugkasten überschaubar.

„Allerdings setzt er seiner Ausrüstung ganz schön zu“, weiß sein Techniker Kevin. „Ich bin die ganze Zeit dabei, irgendwas zu reparieren.“ Zum Reisegepäck gehören fünf Strats, benutzt werden jedoch nur vier – davon hauptsächlich ein schwarzes Modell, das mit zwei JB-jr.-Pickups von Seymour Duncan, also Humbuckern im Singlecoil-Format, ausgestattet wurde. Auf ein Floyd Rose verzichtet Gers, weil er den Hebel so

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Das Bassrack in Komplettaufnahme

gut wie nie benutzt. Dafür geht es aber sonst zur Sache: Bei dieser Axt sieht man an der Stelle, wo der rechte Arm aufliegt, bereits das Holz, denn der Lack wurde abgerockt. Die Ersatzgitarre, eine gleich bestückte Strat in Weiß, trägt eine kleinere Narbe. „Alle Gitarren sind auf E gestimmt, aber Janick wechselt trotzdem hin und her, um immer eine frisch gestimmte Axt zu bekommen.“ Und warum braucht der Mann zwei weitere Klampfen? „Weil sie rumgeworfen werden und deshalb einen Sender tragen“, lautet die lapidare Antwort. Deshalb hört die dritte Strat nicht zu Unrecht auf den Namen „Stunt Guitar“: Ihr Lack ist vollkommen zersplittert, außerdem ist „der Korpus zweimal ganz durchgebrochen, weil Janick sie in Japan fallen gelassen hat“, berichtet Kevin. „Also habe ich sie einfach wieder zusammengeklebt. Das hält besser als das Holz.“ Die vierte Gitarre, eine weiße Strat, muss wohl noch neu im Arsenal sein, denn sie wirkt taufrisch. Auf alle E-Gitarren werden 10er-Saiten mit einer dünneren H-Saite (.010, .012, .017, .026, .036., 046) aufgezogen, gezupft wird erneut mit Ernie-Ball-Plektren. Seine wilde Bühnenshow muss Janick Gers allerdings unterbrechen, wenn es an die akustischen Töne geht: Dafür nutzt er eine schwarze Gibson Chet Atkins SST mit geschlossener Decke, also komplett ohne Schallloch.

Das Signal läuft in der Regel über ein Klinkenkabel zu einem Drei-Wege-Umschalter, den Kevin aus zwei A/B-Boxen von Whirlwind zusammengestöpselt hat. So lässt sich zunächst zwischen „Hauptaxt“ und „Ersatz/Akustisch“, dann bei Bedarf noch mal zwischen „Ersatz“ und „Akustisch“ auswählen. Die Töne gelangen so zu einer Pete-Cornish-Einheit im Rack und „allem möglichen Zauberkram drin, etwa einem Ibanez Tubescreamer, den ich ab und zu zuschalte, einem unbenutzten Equalizer und einem Midboost für Soli“. Das muss der Techniker auch genau wissen, denn er erledigt sämtliche Umschalterei: „Janick ist einfach zu sehr mit Rumlaufen beschäftigt – oder zu faul, wie er sagt.“ Deshalb liegt das Pedalboard A4 von Korg auch auf dem Rack, nicht auf der Bühne. Mit ihm werden sechs Sounds angesteuert: Harmony, Solo, Clean 1, Clean 2, Rhythmus, Boogie. Letzteres bezieht sich wohl auf einen unbenutzten Mesa Boogie Studio Preamp im Rack. In der Kette folgt eine Marshall-JMP-1-Vorstufe (doppelt vorhanden), in deren Effektschleife ein Marshall JFX-1 Signal Processor (ebenfalls doppelt vorhanden) arbeitet. Schließlich folgen die Endstufe (Marshall 9200, doppelt vorhanden) und die Boxen: Hierbei handelt es sich um alte Bass-Modelle mit vier 12"-Lautsprechern aus Gers' Zeit in der Band von Ian Gillan, die einen dickeren Sound machen sollen. Ganz oben im Rack sieht man außerdem noch die beiden Shure-U4D-Wireless-Empfänger.

… und mit Blitz-Finish

Steves Hauptbass: Fender Precision mit Westham-United-Aufkleber und gepolstertem Schultergurt Noch ein Fender in Hellblau …

Die Endstufen im Bassrack

Detailaufnahme Bass-Rack: Shure-Sender, Aural Exciter und Pete-Cornish-Umschaltbox

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guitar 143

… und mit Blitz-Finish

Die Endstufen im Bassrack

Steve HarrisSteve Harris spielt seit jeher Fender-Precision-Bässe, sein Gerätepark bietet jedoch ein paar Überraschungen, wie Michael Kenney zu berichten weiß. Der Mann kümmert sich seit 23 Jahren um Harris' Anlage und spielt bei Konzerten nebenbei auch alle Keyboards.Der Hauptbass des Maiden-Chefs ist ein weißer Fender Precision, der mit einer Bad-Ass-II-Bridge von Leo Quan, einem Chrom-Pickguard und einem Aufkleber von Steves Fußballverein Westham United ausgestattet wurde. Zusätzlich hat er den Volumeknopf durch ein versiegeltes Allen-Bradley-Poti austauschen lassen. Weil Harris den Tone-Regler überhaupt nicht benutzt, ist der nicht angeschlossen und dreht sich nicht einmal. „Der Pickup ist ein Seymour Duncan“, erläutert Kenney, „aber eigentlich handelt es sich nur um eine Kopie des Pickups in Steves erstem Bass. Das Ding produziert einen sehr kleinen Output – und hier steckt das Geheimnis des cleanen Sounds.“ Auf diesem Bass absolviert Steve Harris die ganze Show, es sei denn, etwas geht schief oder der Gig ist wirklich heiß und schwitzig, erst dann wechselt Steve auf ein Instrument mit neuen Saiten.

Die Saiten sind ohnehin etwas Besonderes, nämlich „flatwound“, und nicht wie üblich „roundwound“. Das heißt, die Drähte fühlen sich nicht nur glatter an, sondern sie produzieren auch viel weniger Höhen und klingen vergleichsweise dumpf. Zum Einsatz kommt hier das Steve-Harris-Signature-Set von Rotosound in den Stärken .050, .075, .095 und .110. Bei den Ersatzbässen handelt es sich prinzipiell um das gleiche Modell, nur die Optik fällt anders aus: Da wären das Modell in Blitz-Finish, also in Blau-Silber, sowie ein Ersatzbass in Hellblau. Letzteres Instrument trägt auf der Kopfplatte Harris' Unterschrift und zudem den Kopf von Band-Maskottchen Eddie – ein Signature-Bass, den Fender eine Zeit lang im Programm führte.

Von den Instrumenten gelangen die Töne über ein Shure-Wireless-System in die Verstärkeranlage. Insgesamt stehen im Rack vier Exemplare des Shure U4D zur Verfügung, benutzt werden momentan nur zwei. Es folgt erneut eine Pete-Cornish-Switching-Unit mit vier Kanälen. In zwei davon laufen die Signale aus den Wireless-Empfängern, die auf diese Weise einfach bei Bedarf zugeschaltet werden können, um anschließend von einem Aphex Aural Exciter Type C aufgepeppt zu werden. Der Techniker erklärt, welcher Trick sich dahinter verbirgt: „Bei den Flatwound-Saiten wird es mit den Höhen manchmal kompliziert. Mit diesem Gerät gleiche ich aus, wenn die Saiten abzusterben beginnen. Es fügt einfach ein klein wenig Brillanz, ein paar Extrahöhen hinzu.“ Der Alectron-Preamp sieht nicht nur wie ein altes Modell aus, er ist auch „sehr alt“, fährt Kinney fort. „Es handelt sich um

eine Kopie des Hiwatt Solid State 200. Weil wir mit denen Probleme hatten, ließen wir uns die Alectrons bauen.“ Von da geht es zu einem dbx-160-Compressor/Limiter, aber der „komprimiert nichts, sondern wirkt eher wie eine Gain Stage und übergibt ein sehr nett ausbalanciertes Signal an die Verstärker.“ Dabei handelt es sich um zwei SR707, von denen momentan nur einer wirklich in Benutzung ist. Hauptgrund dafür: „Für Steves Ohr klangen die beiden unterschiedlich.“ Wer Harris' Rack nachbauen will, wird jedoch spätestens hier auf Probleme treffen: „Die Dinger gibt es schon seit einer Weile nicht mehr.“ Die Leistung: 825W, also ordentlich Feuer unter der Haube. Neben diesem Rack steht sogar noch ein zweites, das außer Keyboard-Ausrüstung jedoch nur Ersatzteile enthält,

etwa einen Aural Exciter, einen Alectron-Preamp, eine Cornish-Unit, einen Ampeg-SVT-Pro3-Bassverstärker, einen Trace- Eliott-GP12-SMX-Preamp und eine weitere SR707-Endstufe.

Einen großen Anteil am Steve-Harris-Sound liefern auch die Custom-Boxen: 4x12“er-Kisten von Marshall, in die die Electrovoice-Speaker „front-mounted“ anstatt „rear-loaded“ eingebaut wurden. Was das ist? Zumindest „kein Grillcloth“. Mit vier dieser Boxen erreicht Harris den Klang so clean, wie er es wünscht. Gehörschutz benutzt der Chef nicht, im Gegensatz zu Janick Gers und Sänger Bruce Dickinson. Adrian Smith trägt als einziger ein In-Ear-Monitorsystem. g

Christof Leim

© PPVMEDIEN 2007