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:antifaschistische N r. 19 nachrichten www.antifaschistische-nachrichten.de g 3336 18.9.2014 30. jahrg./issn 0945-3946 1,50 Zweireiher statt Springerstiefel Die „Alternative für Deutschland“ als „rechtsradikale Partei neuen Typs“ 1 Kongress des KOPP-Verlags LEINfELDEN-EcHTERDINGEN. Der KOPP-Verlag aus Rottenburg, in dessen Buchangebot sich Verschwörungstheore- tiker aller couleur und extrem rechte Au- toren tummeln, will am 4. Oktober einen Kongress in der „filderhalle“ in Leinfel- den-Echterdingen durchführen. Unter dem Motto „Das geheime Wissen der Goldanleger“ werden Referate von „Bör- sen-Guru“ Marc faber, von Dimitri Speck, Autor des Buches „Geheime Goldpolitik“, von KOPP-Autor Thorsten Schulte, dem Vermögensverwalter Peter Boehringer und von Bruno Bandulet an- gekündigt. Bandulet gehörte früher dem Bundesvorstand des rechtsgewirkten „Bund freier Bürger“ an. Referieren sol- len die fünf „Spezialisten“ zu fragen wie „Sind 3.000 Tonnen deutsches Gold für immer an die USA verloren?“ oder „Wird es zu einem Goldverbot in Deutschland kommen?“. Die Moderation der Veranstaltung wird dabei Ralf flierl, chefredakteur des auch in einschlägig rechten Publikationen beworbenen Bör- senmagazins „Smart Investor“, überneh- men hma Kriegerdenkmal verhüllt KONSTANZ. Die Konstanzer friedensini- tiative hat ein 1937 von den Nazis einge- weihtes Kriegerdenkmal vor dem Haupt- eingang der Konstanzer cherisy-Kaser- ne mit einem Transparent weitgehend verhüllt. Auf dem Transparent ist in gro- ßen Buchstaben das Wort „Propaganda“ zu lesen und darunter das Wort „Reali- tät:“, gefolgt von einem Bildnis eines mehrfach verwundeten Soldaten mit ei- ner Krücke. Die friedensinitiative will mit dieser Protestaktion eine Debatte um die Zukunft des martialisch dreinbli- ckenden Steinsoldaten anstoßen. Dies scheint ihr – mit Blick auf die lokalen Medien – gelungen. Die „freie Grüne Liste“ will die Debatte demnächst in den Kulturausschuss der Stadt tragen. Ob es zu einer Umgestaltung oder gar Beseiti- gung des Kriegerdenkmals von Paul Dieses war der erste Streich…. Nachdem Sachsen bereits bei den Bundestags- und den Europawah- len ein Schwerpunkt der AfD gewesen war, war man dort nach den Landtags- wahlen vom 31. August schon fast froh, dass das Ergebnis dieser Partei mit 9,7 Prozent nicht zweistellig ausgefallen war. Gleichzeitig konnte man danach fast si- cher davon ausgehen, dass auf diesen ers- ten Streich mit dem Einzug der AfD in die Landesparlamente von Thüringen und Brandenburg umgehend ein zweiter und dritter folgen würden. Die jeweiligen Re- sultate mit 12,2% (11 Sitze) in Branden- burg und 10,6% (11 Sitze) in Thüringen fielen dann noch drastischer aus als er- wartet. Damit befindet sich eine Partei im Prozess der Etablierung, deren Einschät- zung zunächst als „euro-kritisch“ zu nun- mehr mehrheitlich „rechtspopulistisch“ gewechselt ist. Die anfänglich recht wohlwollende mediale Begleitung des Gründungsprozesses ist einer deutlichen Kritik gewichen. Dies war offenbar nicht ausreichend, um Wahlerfolge zu verhin- dern. Die AfD hat bei allen drei Wahlen in beträchtlichem Umfang von den anderen Parteien und nicht zuletzt auch bisherigen Nichtwählern gewonnen. Die stützt die Vermutung, dass alle anderen Parteien die AfD sträflich unterschätzt haben und es aus diesem Grunde versäumten, eine für ihre jeweiligen Zielgruppen schlüssige Strategie gegen die AfD zu erarbeiten. Die Unsicherheit über die zutreffende po- litische Einstufung der AfD dürfte daran einen wichtigen Anteil gehabt haben. Personal mit Vergangenheit Die Meldungen über personelle Über- schneidungen der AfD, speziell in Sach- sen, mit der extremen Rechten häufen sich gegenwärtig. 2 Erste personelle Kon- sequenzen, wie den Rückzug des desig- nierten Alterspräsidenten des Sächsischen Landtages, Detlev Spangenberg, von die- sem Amt hat die AfD bereits vollzogen. Eine erste Analyse der AfD-Landtagskan- didaten in Brandenburg durch den rbb 3 zeigt, dass sich auch in diesem Bundes- land etliche Aktivisten mit einer nach- weisbaren Vergangenheit in Organisatio- nen der extremen Rechten auf der Kandi- datenliste, teils auf aussichtsreichen Plät- zen, befinden. Björn Höcke, Spitzenkan- didat der AfD in Thüringen, hat offenkun- dig starke inhaltliche und persönliche Af- finitäten zu der „neu“rechten Strömung der „Identitären 4 “. Die Landesgeschäfts- führerin der AfD im Mecklenburg-Vor- pommern machte durch rassistische Äu- ßerungen in sozialen Netzwerken von sich reden. 5 Solche Biografien deuten zu- nächst lediglich darauf hin, dass ehemals parteipolitisch heimatlose Anhänger der extremen Rechten in den Inhalten der Fortsetzung Seite 4 Aus dem Inhalt: Landtagswahl in Thüringen 2 Gab es wirklich kein Bekennerschreiben (Teil 2) 3 Marine Le Pen wähnt sich im Anmarsch auf die politische Macht 8

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:antifaschistische Nr.19nachrichten www.antifaschistische-nachrichten.de

g 3336 18.9.2014 30. jahrg./issn 0945-3946 1,50 €

Zweireiher stattSpringerstiefelDie „Alternative für Deutschland“ als „rechtsradikale Partei neuen Typs“1

Kongress des KOPP-VerlagsLEINfELDEN-EcHTERDINGEN. DerKOPP-Verlag aus Rottenburg, in dessenBuchangebot sich Verschwörungstheore-tiker aller couleur und extrem rechte Au-toren tummeln, will am 4. Oktober einenKongress in der „filderhalle“ in Leinfel-den-Echterdingen durchführen. Unterdem Motto „Das geheime Wissen derGoldanleger“ werden Referate von „Bör-sen-Guru“ Marc faber, von DimitriSpeck, Autor des Buches „GeheimeGoldpolitik“, von KOPP-Autor ThorstenSchulte, dem Vermögensverwalter PeterBoehringer und von Bruno Bandulet an-gekündigt. Bandulet gehörte früher demBundesvorstand des rechtsgewirkten„Bund freier Bürger“ an. Referieren sol-len die fünf „Spezialisten“ zu fragen wie„Sind 3.000 Tonnen deutsches Gold fürimmer an die USA verloren?“ oder„Wird es zu einem Goldverbot inDeutschland kommen?“. Die Moderationder Veranstaltung wird dabei Ralf flierl,chefredakteur des auch in einschlägigrechten Publikationen beworbenen Bör-senmagazins „Smart Investor“, überneh-men

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Kriegerdenkmal verhüllt

KONSTANZ. Die Konstanzer friedensini-tiative hat ein 1937 von den Nazis einge-weihtes Kriegerdenkmal vor dem Haupt-eingang der Konstanzer cherisy-Kaser-ne mit einem Transparent weitgehendverhüllt. Auf dem Transparent ist in gro-ßen Buchstaben das Wort „Propaganda“zu lesen und darunter das Wort „Reali-tät:“, gefolgt von einem Bildnis einesmehrfach verwundeten Soldaten mit ei-ner Krücke. Die friedensinitiative willmit dieser Protestaktion eine Debatte umdie Zukunft des martialisch dreinbli-ckenden Steinsoldaten anstoßen. Diesscheint ihr – mit Blick auf die lokalenMedien – gelungen. Die „freie GrüneListe“ will die Debatte demnächst in denKulturausschuss der Stadt tragen. Ob eszu einer Umgestaltung oder gar Beseiti-gung des Kriegerdenkmals von Paul

Dieses war der erste Streich….Nachdem Sachsen bereits bei denBundestags- und den Europawah-

len ein Schwerpunkt der AfD gewesenwar, war man dort nach den Landtags-wahlen vom 31. August schon fast froh,dass das Ergebnis dieser Partei mit 9,7Prozent nicht zweistellig ausgefallen war.Gleichzeitig konnte man danach fast si-cher davon ausgehen, dass auf diesen ers-ten Streich mit dem Einzug der AfD in dieLandesparlamente von Thüringen undBrandenburg umgehend ein zweiter unddritter folgen würden. Die jeweiligen Re-sultate mit 12,2% (11 Sitze) in Branden-burg und 10,6% (11 Sitze) in Thüringenfielen dann noch drastischer aus als er-wartet. Damit befindet sich eine Partei imProzess der Etablierung, deren Einschät-zung zunächst als „euro-kritisch“ zu nun-mehr mehrheitlich „rechtspopulistisch“gewechselt ist. Die anfänglich rechtwohlwollende mediale Begleitung desGründungsprozesses ist einer deutlichenKritik gewichen. Dies war offenbar nichtausreichend, um Wahlerfolge zu verhin-dern. Die AfD hat bei allen drei Wahlen inbeträchtlichem Umfang von den anderenParteien und nicht zuletzt auch bisherigenNichtwählern gewonnen. Die stützt dieVermutung, dass alle anderen Parteien dieAfD sträflich unterschätzt haben und esaus diesem Grunde versäumten, eine fürihre jeweiligen Zielgruppen schlüssige

Strategie gegen die AfD zu erarbeiten.Die Unsicherheit über die zutreffende po-litische Einstufung der AfD dürfte daraneinen wichtigen Anteil gehabt haben.Personal mit Vergangenheit

Die Meldungen über personelle Über-schneidungen der AfD, speziell in Sach-sen, mit der extremen Rechten häufensich gegenwärtig.2 Erste personelle Kon-sequenzen, wie den Rückzug des desig-nierten Alterspräsidenten des SächsischenLandtages, Detlev Spangenberg, von die-sem Amt hat die AfD bereits vollzogen.Eine erste Analyse der AfD-Landtagskan-didaten in Brandenburg durch den rbb3

zeigt, dass sich auch in diesem Bundes-land etliche Aktivisten mit einer nach-weisbaren Vergangenheit in Organisatio-nen der extremen Rechten auf der Kandi-datenliste, teils auf aussichtsreichen Plät-zen, befinden. Björn Höcke, Spitzenkan-didat der AfD in Thüringen, hat offenkun-dig starke inhaltliche und persönliche Af-finitäten zu der „neu“rechten Strömungder „Identitären4“. Die Landesgeschäfts-führerin der AfD im Mecklenburg-Vor-pommern machte durch rassistische Äu-ßerungen in sozialen Netzwerken vonsich reden.5 Solche Biografien deuten zu-nächst lediglich darauf hin, dass ehemalsparteipolitisch heimatlose Anhänger derextremen Rechten in den Inhalten der

Fortsetzung Seite 4

Aus dem Inhalt:Landtagswahl in Thüringen 2Gab es wirklich kein Bekennerschreiben (Teil 2) 3Marine Le Pen wähnt sich imAnmarsch auf die politische Macht 8

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:antifaschistische nachrichten 19-20142

Diesch kommen wird, ist derzeit frag-lich. Von 270 Lesern der Tageszeitung„Südkurier“ sprachen sich bei einer On-line-Abstimmung 80,6 % für den Erhaltdes Steinsoldaten aus. Eine Informati-onstafel, die auf den historischen Hinter-grund des Denkmals – die Erinnerung andie Schlachten von cherisy im 1. Welt-krieg mit Beteiligung des 6. BadischenInfanterie-Regimentes aus Konstanz –hinweist, findet hingegen schon ersteAnhänger

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Auflage erhöht

Die Zeitschrift „cOMPAcT“ um chefre-dakteur Jürgen Elsässer hat – nach eige-nen Angaben – ihre Auflage imSeptember auf 42 000 Exemplare proMonat gesteigert. Zu Beginn des Jahres2014 sollen es noch 30 000 Exemplarepro Monat gewesen sein. Diese „Offensi-ve“ sei „nicht ganz billig“ gewesen, heißtes bei „cOMPAcT“. Mit einer Aufkle-ber-Kampagne und mit kostenlosen In-

ternet- und youtube-Angeboten scheintdie rechtsgewirkte Zeitschrift erfolgreichneue Kunden gewonnen zu haben. EndeSeptember soll nun ein 4. „cOMPAcT-Spezial“ über den „Krieg gegen Russ-land“ erscheinen. Zudem erscheint in der„cOMPAcT-Edition“ das Buch „Wladi-mir Putin: Reden an die Deutschen“ inder zweiten Auflage.

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Lehren aus dem NSU-Terror?Auf dem 3. Parlamentariertag der LIN-KEN in Erfurt (4. und 5. September)wurde in einem Workshop „Neonazismusund Rassismus bekämpfen“ über dieLehren diskutiert, die aus dem NSU-Ter-ror gezogen werden müssen. …Die LINKE geht mit drei zentralen for-derungen an die weitere Aufarbeitungdes NSU-Skandals:Erstens: Die Verfassungsschutzämterhaben nicht das Grundgesetz geschützt,sondern Nazis unterstützt und polizeili-

che Ermittlungen behindert. Deshalb sindsie als Geheimdienste aufzulösen. Die V-Leute-Praxis aller Sicherheitsbehördenist umgehend einzustellen.Zweitens: Es gibt in Deutschland gesell-schaftlichen und institutionellen Rassis-mus auf allen Ebenen, der bekämpft wer-den muss. Deshalb fordert die LINKEu.a. ein Bleiberecht für Opfer rechtsex-trem-rassistischer Gewalt, Aufklärungs-programme innerhalb von Polizei undJustiz und unabhängige Polizei-Beobach-tungs- und –Beschwerde-Stellen.Drittens: Die förderung gesellschaftli-cher Initiativen gegen Rassismus undRechtsextremismus muss dringend ver-bessert werden. Dazu gehört einmalmehr Geld, das deutschlandweit und dau-erhaft zur Verfügung stehen muss. Aberauch die endgültige Abschaffung der„Extremismus-Klausel“, mit der die Ini-tiativen unter einen verfassungswidrigenGeneralverdacht gestellt werden.

(gekürzt) Brigitte Wolf �

Neu im Landtag: Die Alternative fürDeutschland (AfD)

Die AfD ist neben Brandenburgauch in den Thüringer Landtag ein-gezogen. Entgegen der Prognosen,

die ihr zuletzt ein Ergebnis von ca. 7%voraussagten, hat sie mit 10,6 das bisherbeste Ergebnis erreicht.

Mit 11 Mandaten ist sie stärker als diefDP in der nun zu Ende gehenden Wahl-periode. Anders als die Partei in Sachsenverfügt sie in Thüringen weder über zu-mindest einigermaßen bekanntes Spitzen-personal oder eine organisatorische Aus-gangsbasis.

Sie nimmt einerseits die funktion der„Denkzettel“- und Protestwähler-Parteiein, zeigt aber andererseits auch ein hohesMaß an überzeugten Wähler_innen ausdem wertkonservativen und rechten Wäh-lerspektrum. Sie ist die eigentliche Wahl-siegerin.

Der Wahlkampf der AfD war erkenn-bar darauf angelegt, Protestwähler/-in-nen ebenso zu gewinnen wie Stimmenaus dem Milieu von cDU, fDP undNPD.

In Übereinstimmung mit AlexanderHäusler (2014) lässt sich festhalten: DieAfD ist „geprägt von drei politischenStrömungen und Milieus: einem markt -radikalen, einem nationalkonservativenund einem deutlich rechtspopulistisch af-finem Milieu. Es gibt eine auffällige in-haltliche Zustimmung aus Parteikreisen

zu den Thesen des ErfolgsbuchautorsThilo Sarrazin. Ein besonders feindbildder AfD ist die so genannte PolitischeKorrektheit – die These, dass Medien undPolitik vom angeblichen Diktat einerlinksgestrickten ‚political correctness‘ be-herrscht seien.“

Die Wähler/-innenschaft der AfD dürf-te sich bisherigen Erkenntnissen nach amehesten mit dem Milieu der Republikanervergleichen lassen. Zu diesem Ergebniskommen zumindest Beobachtungen so-wohl von forsa als auch der Wahlstatistikin Baden-Württemberg, wo die Partei so-wohl 1992 als auch 1996 mit 10,9% bzw.9,1% im Landtag saßen.

In den neuen Ländern gelang es derSchönhuber-Partei damals nicht, sich par-lamentarisch zu etablieren – von ihremNiedergang profitierte einerseits dieNPD, die jedoch für den bürgerlichen Teildes Republikaner-Lagers unwählbar war.In diese seitdem bestehende Lücke stößtnun die AfD.

In 26 der 44 Landtagswahlkreise er-reicht die AfD zweistellige Listenstimm-energebnisse. Ihre fünf besten Wahlkreisesind:

1. Ilm-Kreis II (23): 15,2%2. Saale-Holzland-Kreis II (36): 14,2%3. Greiz I (39): 14,0%4. Gera I (41): 13,9%5. Gera II (42): 13,6%

Anders als in Sachsen lassen sich inThüringen nach kursorischer Prüfung kei-ne unmittelbaren Zusammenhänge zwi-schen hohen Stimmergebnissen für dieAfD und die NPD erkennen.

Die AfD kann Stimmen aus allen politi-schen Spektren gewinnen. Die höchsteWählerwanderung erfolgt von denanderen Parteien (23000), deren Wähler/-innen sich davon einen rea- len Stimmen-erfolg erhoffen. Von der cDU wechseln18 000 Wähler/-innen zu AfD, gefolgtvon der Linkspartei (16000) und jeweils12000 Stimmen aus dem Nichtwähler/-in-nen- Spektrum und von der SPD. Von derfDP wandern 11 000 Wähler/-innen abund damit der prozentual höchste Anteilaus allen Parteien, gemessen an der Ge-samtstimmenzahl der jeweiligen Partei.Rechtsextreme bleiben draußen

Der Thüringer Landtag ist das einzigeostdeutsche Landesparlament, in demseit 1990 keine rechtsextreme Partei ver-treten war. Dies bleibt auch nach derdiesjährigen Landtagswahl so.

Die NPD scheiterte mit 3,6% klar ander 5%-Hürde. Sie verliert 11 000 Stim-men von denen ein relevanter Teil an dieAfD gegangen sein dürfte.

Während sie bei den Wähler/-innenüber 70 Jahren auf einen Anteil von 1%kommt, stimmen 10% der Erstwähler/-in-nen für die NPD.

Benjamin-Immanuel Hof �

Wieder: AfD drin – NPD draußenLandtagswahl in Thüringen am 14. September 2014 – Wahlnachtbericht

:meldungen, aktionen

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antifaschistische nachrichten 19-2014 3

Gab es wirklich keinBekennerschreiben?

Fortsetzung des Artikels vonRechtsanwalt Eberhard Reinecke„Es gab doch kein Bekenner-

schreiben – Rechtfertigungsstrategiender Ermittlungsbehörden für das Versa-gen“ aus der letzten Ausgabe der ANDas Argument „Es gab ja kein Beken-nerschreiben“ ist so noch nicht einmalrichtig. Es trifft zu, dass es zum An-schlag in der Keupstraße kein Beken-nerschreiben gab, zumindest nicht be-vor das Paulchen-Panter-Video nachdem 04.11. 2011 verbreitet worden ist.Es trifft aber nicht zu, dass es keine all-gemeine Bekennung des NSU gegebenhätte. Bereits im Jahre 2002 ist in min-destens zwei rechtsradikalen kleinenfanzines – kleine Heftchen mit Auflagevon 500 bis 1000 – ein Manifest desNSU verbreitet worden. Ich will es zi-tieren, weil das auch der Verfassungs-schutz gelesen hat.

Da heißt es:

„Die Aufgaben des NSU bestehen inder energischen Bekämpfung derFeinde des Deutschen Volkes und derbestmöglichen Unterstützung von Ka-meraden und nationalen Organisatio-nen. Solange sich keine grundlegen-den Änderungen in Politik, Presseund Meinungsfreiheit vollziehen, wer-den die Aktivitäten weiter geführt.Getreu dem Motto: „Sieg oder Tod“wird es kein zurück geben. Entschlos-senes bedingungsloses Handeln sollder Garant dafür sein, dass der mor-gige Tat dem deutschen Volke gehört.Jeder Kamerad ist gefragt, auch du!!!Gib Dein Bestes – Worte sind genuggewechselt, nur mit Taten kann ihnenNachdruck verliehen werden. DerNSU ist keine abstrakte Sache. JederKamerad gehört dazu, sofern er denMut findet zu handeln und seinen Bei-trag zu leisten. Wie erfolgreich dernationalsozialistische Untergrund inder Zukunft sein wird, hängt auch vonDeinem Verhalten ab. Das Zeichendes NSU symbolisiert die Sympathieund Verbundenheit gegenüber derneuen Bewegung. Es verkörpert je-doch auch die Ablehnung der beste-henden Verhältnisse und die Bereit-schaft, dagegen vorzugehen.“

(Das Zeichen des NSU ähnelt einem aufdem Kopf gestellten Zeichen der SA).Wir hatten hier im Jahre 2002 radikaleBekennung zu „Sieg oder Tod“ Zu die-sem Zeitpunkt waren bereits ersteMordtaten und auch der Bombenan-schlag in der Probsteigasse begangenworden. Der Verfassungsschutz hat die-

se Veröffentlichung gelesen und als ir-relevant behandelt und ist dem auchnicht weiter nachgegangen. Obwohl inder gleichen Ausgabe eben der Heraus-geber des fanzise schreibt „Dank anden NSU. Die 2,500,00 € haben früch-te getragen.“ D. h. es erfolgte sogar inselben Ausgabe ein Hinweis darauf,dass der NSU in der Lage ist, rechtenPublikationen Geldmittel zur Verfü-gung zu stellen und wenn man weiß,dass ein Großteil der rechten Anhänger-schaft von Sozialleistungen leben, dannist 2500,00 € sehr viel, das nicht unbe-dingt aus legalen Einkünften stammt.Der Verfassungsschutz könnte natürlichbei seinen vielen Spitzeln in der rechtenSzene gedacht haben, dass ist jetzt einTeil unseres Geldes.

Wenn man ernsthaft davon ausgeht,dass von Leuten gespendet worden ist,die im Untergrund leben, die also ei-gentlich keine Sozialleistungen in An-spruch nehmen können, sondern sichauf andere Weise finanzieren, dannmüsste das ein zusätzliches Alarmsignalsein. Das aber wie gesagt nichts ausge-löst hat.Verharmlosung in den Verfassungs-schutzberichten

Das geht darauf zurück, dass das Bun-desamt für Verfassungsschutz und auchdie Verfassungsschutzämter der Länderpermanent das Problem des rechtsradi-kalen Untergrunds unterschätzt haben.Wir finden im Bericht des Bundesamtesfür Verfassungsschutz für das Jahr1998, also Anfang 1998 erschienen,durchaus einen Hinweis. Auf der Seite24 heißt:

„Im Januar stellte die Polizei beiNEO-Nazis in Jena (das ist also Böhn-hard, Mundlos, Zschäpe) unter anderemvier funktionsfähige Rohrbomben si-cher. Konkrete Anschläge scheint dieGruppe damit nicht beabsichtigt zu ha-ben. Gegen die drei Tatverdächtigen, dieseither flüchtig sind, erging Haftbefehl.“

Warum soll jemand, der Rohrbombenplant, keine konkrete Anschläge beab-sichtigen? Ich kann mir nicht vorstellen,wofür man Rohrbomben baut, wennman keine konkreten Anschläge beab-sichtigt. D. h. hier wurde von vornhe-rein abgewiegelt, diese Abwiegelei ziehtsich dann wiederum durch sämtlicheweitere Jahresberichte, 2001 war der Te-nor des Bericht „Es kann theoretischeinzelne gewaltbereite Personen in derrechten Szene geben, aber wir kennenniemanden“. Und so spielen sich dieVerharmloser die Bälle gegenseitig zu.Ich hatte oben den damaligen Bundesin-

nenminister mit seiner Stellungnahmeim Untersuchungsausschuss des Bundeszitiert, in der er dann den Verfassungs-schutzbericht des Bundes für das Jahr2003 zitiert: „Anhaltspunkte für terro-ristische Aktivitäten anderer Rechtsex-tremisten (außer einem Strafverfahren)lagen im Jahre 2003 nicht vor.“

Der damalige Verantwortliche für denVerfassungsschutz, der Innenminister,leugnet – wie ich am Anfang ausgeführthabe – weitgehend die Existenz rechts-radikaler Gewalt und reduziert sie mitstatistischen Tricks. Das Bundesamt fürVerfassungsschutz – getreu dieser Linie– schreibt Jahr für Jahr etwas von mög-lichen rechten Gewalttätern, auf die esaber keine konkreten Hinweise gäbe,selbst als die drei untertauchen. Schilysetzt sich dann wieder in den Untersu-chungsausschuss hin und sagt, der Ver-fassungsschutz kam ja selbst zu dem Er-gebnis, dass es keine Hinweise auf sol-che rechtsradikalen Anschläge gibt. D.h. wir haben hier die vollständige Ab-schottung, weil man es nicht anderswollte.Auch beim Oktoberfestattentatgab es kein Bekennerschreiben

Wer die Vergangenheit nicht aufklärt,der steht in der Gefahr, dass sich so et-was wiederholt. Auch beim Oktoberfes-tattentat gab es bekanntlich kein Beken-nerschreiben. Das Problem wurde sei-nerzeit dadurch erledigt, dass die Theo-rie von dem verwirrten Einzeltäter indie Welt gesetzt wird, von dem mankein Bekennerschreiben erwartet undsämtliche Hinweise zu Kontakten in dierechtsextreme Szene zu der Wehrsport-gruppe Hofmann schlicht und einfachgeleugnet wurden und zwar aus ganzbewussten politischen Kalkül für franzJosef Strauss und seine Aussichten inder damaligen Bundestagswahl. Wennman damals gesagt hätte „Es ist eineGruppe, die hinter dem Attentat steht“,dann wäre das Argument „Aber es hatja kein Bekennerschreiben gegeben“heute eigentlich von Anfang an tot. Ichempfehle in diesem Zusammenhang dasBuch oder den film „Der blinde fleck“zum Oktoberfestattentat. Hier wird sehrnachvollziehbar am Ende dargestellt,dass die Blindheit gegenüber dem Wü-ten des rechten Terrors durch den NSUauch eine Wurzel in der Leugnung desZusammenhangs zwischen dem Okto-berfestattentat und rechten Strukturenhat.

Eberhard Reinecke �

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:antifaschistische nachrichten 19-20144

AfD deutliche Hinweise sehen, dass siehier ihren politischen Kurs mit mehr Aus-sicht auf Erfolg fortsetzen können. DieAfD entfaltet eine „Staubsaugerwirkung“im Personenpotenzial zwischen cDU undNPD. Es ist auffällig, dass in Sachsen dieAfD in den gleichen Regionen besondersgut abgeschnitten hat, die auch weiterhinHochburgen der NPD sind. Dies deutetdarauf hin, dass in diesen Gebieten (Erz-gebirge, Sächsische Schweiz, Oberlau-sitz) ein politisch-kulturelles Klimaherrscht, welches durchaus den Erfolgzweier Parteien rechts von der Union er-möglicht, so diese unterschiedliche sozia-le Zielgruppen ansprechen können.

Entsprechende Vorwürfe einer Durch-setzung der Mitgliedschaft mit teils lang-jährigen Akteuren der extremen Rechtenwehrt die AfD regelmäßig durch den Hin-weis ab, es handele sich lediglich um we-nige Einzelfälle, die Mitgliedschaften lä-gen lange zurück, es handele sich nicht umvom Verfassungsschutz beobachtete Grup-pierungen, wegen des starken Mitglieder-zuwachses habe man nicht alle Neulingeso gründlich wie geboten überprüfen kön-nen. Alexander Gauland hält gar eine ein-schlägige ehemalige Mitgliedschaft für„unproblematisch“. Er könne niemandemdie Mitgliedschaft verweigern, „nur weiler für kurze Zeit Mitglied in einer rechtenPartei war“.6 Intern hat die AfD längst er-kannt, dass es sich um mehr als die be-haupteten Einzelfälle handelt. Bei derBundesvorstandssitzung der AfD am 18.Juli 2014 wurde das aus NRW stammendeVorstandsmitglied Marcus Pretzell beauf-tragt, „politisch einschlägig auffällige Mit-glieder“ im Landesverband Bayern für denBundesvorstand „aufzubereiten“. Der ineinem dem Vorstand vorgelegten Papierkritisierte bayerische Landesvorsitzendekonterte mit dem Vorwurf, der eingesetzteKontrolleur Pretzell habe selbst ein rechtesUmfeld.7 Insgesamt wird die Leitlinie aus-gegeben, sich jener Mitglieder, die manselbst als problematisch erachtet bzw. we-gen denen man sich angreifbar glaubt,möglichst „geräuschlos“ zu entledigen.

Jenseits der Schutzbehauptung von denangeblichen „Einzelfällen“ zeichnet sichimmer stärker ein anderer Trend ab. „Derflügelkampf innerhalb der AfD scheintentschieden. Immer mehr liberale Mitbe-gründer der AfD verlassen die Partei re-signiert oder finden sich parteiintern imAbseits. für die extrem rechten Kräfte, dieParteichef Lucke in die Partei geholt hatte,fehlt inzwischen jedes Gegengewicht.“8

Zu diesen gemäßigten Kräften, die derAfD inzwischen den Rücken gekehrt ha-ben, zählen auch ehemals ranghohe funk-tionärinnen und funktionäre sowie Mit-glieder, die in der Anfangsphase als Aus-hängeschilder benutzt wurden, um mittelsihrer Person und funktion den Vorwurfder Rechtslastigkeit abzuwehren. So be-gründet die ehemalige niedersächsische

AfD-Landesvorsitzende Martina Tigges-friedrichs, ein ehemaliges Mitglied derfDP, ihren Schritt: „für mich ist ein klarerRechtsruck der Partei erkennbar, den ichnicht mittragen möchte. Es geht nichtmehr um konservative und liberale Posi-tionen, sondern um erzkonservative undnationalistische. Bereits zur Europawahlim Mai hatte die AfD den praktisch glei-chen Slogan wie die NPD plakatiert: „Wirsind nicht das Weltsozialamt!“ Das fandich unmöglich. Aber auch schon vorherhat es in mir gegärt. Seit Oktober 2013war ich bei den Kolibris. Das ist ein loserZusammenschluss der Konservativen undLiberalen in der AfD. Sie verstehen sichals Gegengewicht zu den – vorsichtig aus-gedrückt – nationalen Kräften in der AfD,die sich in der sogenannten Patriotischenfront zusammengeschlossen haben. Aberwenn man bei facebook verfolgt, wieenorm die Nutzerzahlen der PatriotischenPlattform im Unterschied zu den Kolibirisanwachsen, muss man irgendwann einse-hen, dass man verloren hat.“9

In diesem Zusammenhang muss hervor-gehoben werden, dass die besagte „Patrio-tische Plattform“ wesentlich durch sächsi-sche AfD-funktionäre initiiert worden istund in diesem Landesverband noch im-mer ihren personellen Schwerpunkt hat.So gehört der wegen seiner behinderten-feindlichen Äußerungen (vorläufig) in diezweite Reihe verbannte ehemalige stell-vertretende sächsische LandesvorsitzendeThomas Hartung ebenso zu dieser Strö-mung wie der Leipziger Islamwissen-schaftler Hans-Thomas Tillschneider, derherausgehoben am Entwurf des sächsi-schen Wahlprogramms gearbeitet hat,oder die beiden Leipziger Landtagskandi-daten felix Koschkar und RechtsanwaltRoldand Ulbrich, die durch den Skandalum die Einladung des Österreichers An-dreas Mölzer als Wahlkampfredner vonsich reden machten.10

Horst Kahrs und Benjamin Hoff sehenin ihrer Analyse des Wahlergebnisses inSachsen Orientierungen der Wähler_in-nenschaft, die sich „bisherigen Erkennt-nissen nach am ehesten mit dem Milieuder Republikaner vergleichen lassen. (…)In den neuen Ländern gelang es derSchönhuber-Partei damals nicht, sich par-lamentarisch zu etablieren – von ihremNiedergang profitierte einerseits die NPD,die jedoch für den bürgerlichen Teil desRepublikaner-Lagers unwählbar war. Indiese seitdem bestehende Lücke stößt nundie AfD.“11 Soziologisch betrachtet, fehltegenau jener bürgerliche Teil, der den Kernder Klientel der REPublikaner in ihrenSchwerpunktgebieten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen ausmachte, inden ostdeutschen Bundesländern. Im Os-ten konnte die völkisch-soziale Propagan-da der NPD eher wirken als die wohl-standschauvinistische der REPublikaner,auch wenn der Rassismus in beiden Argu-mentationsmustern zentrales Element war.

Die Trennungslinie, so folgerichtigManfred Güllner, chef des Meinungsfor-schungsinstitute forsa, „zwischen denbeiden Lagern ist die soziale Schichtzuge-hörigkeit“. Die Anhänger der AfD stamm-ten „eher aus der Ober- und Mittelschichtmit relativ hohem Einkommen und ent-sprechend hoher Schulbildung, währendSympathisanten der rechtsextremen Par-teien dagegen überwiegend aus den unte-ren sozialen Schichten mit geringem Ein-kommen und geringer Schulbildung kom-men.“12 Zur Sozialstruktur der stellt erfest: „Die Anhänger der AfD kommen(…) vor allem aus einem bestimmten Seg-ment der deutschen Ober- und Mittel-schicht (26 und 53 Prozent). 55 Prozenthaben Abitur und/oder studiert und beur-teilen die Wirtschaftserwartungen pessi-mistisch, 44 Prozent verfügen über einHaushaltsnettoeinkommen von 3000 Eurooder mehr. (…) Männer stellen über zweiDrittel (69 Prozent) der AfD-Anhänger-schaft, frauen nur 31 Prozent. (…) Alspolitisch rechts schätzen sich 28 Prozentder AfD-Sympathisanten ein, immerhin17 Prozent als links, und 55 Prozent ver-orten sich in der Mitte.“13 Nach der Euro-pawahl und der öffentlichen Debatte überdas gute Abschneiden der AfD bekommedie Partei nun offenbar auch Zulauf vonAngehörigen der unteren Schichten, diebislang eher zur Wahlenthaltung tendier-ten. Wenn dies zutrifft, ist davon auszuge-hen, dass auch in den bisherigen Hochbur-gen der NPD die AfD von dieser vermehrtAnhänger abziehen wird.

Hoff und Kahrs gelangen zu demSchluss, dass der Wahlkampf der AfD da-rauf angelegt gewesen sei, Personen, diegegen die herrschende Politik protestierenwollten, „ebenso zu gewinnen wie Stim-men aus dem Milieu von cDU, fDP undNPD.“ Weiter heißt es: „Zu diesem Zweckwidmete sich das Wahlprogramm und derWahlkampf der AfD denjenigen Themen,die im Spannungsfeld zwischen rechts-konservativ und rechtsextremistisch seitlanger Zeit als Angstmacher en voguesind..“14 In der Analyse folgt eine Reihevon Positionen der AfD, die seit langerZeit zum Kernbestand der Ideologie dernicht-nazistischen extremen Rechten ge-hören. Es sei an dieser Stelle ausdrücklichdarauf verwiesen, dass ein vorwiegendkulturell und religiös begründeter Rassis-mus zum Kernbestand des Gedankengutsder AfD gehört.

Alexander Gauland, Spitzenkandidatder AfD in Brandenburg bei der Landtags-wahl, insistiert dagegen begreiflicherwei-se, seine Partei sei vorwiegend eine Pro-testpartei. Im Interview mit dem „Han-delsblatt“ zieht er aufschlussreiche Ver-gleiche: „Die NPD ist mit ihrer Nähe zurNazi-Zeit für viele, die einen Denkzettelausteilen wollen, unwählbar.“ Die Piratenerreichten diese Zielgruppe mit ihremSchwerpunkt Netzpolitik nicht. „Dasreicht nicht, um als Protestpartei profitie-

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antifaschistische nachrichten 19-2014 5

ren zu können. Und die NPD ist zu igitti-gitt. Da bleibt nur noch die AfD.“ Man-fred Güllner bestreitet die Eigencharakte-risierung als „Protestpartei“. Die AfDwerde „gewählt von einem Milieu, dasman als rechtspopulistisch bis rechtsradi-kal identifizieren kann.“ Der forsa-chefschätzt, dass etwa zehn Prozent der Wäh-ler für ein „solches Weltbild anfällig“ sei-en. „Die gehen zeitweilig entweder garnicht wählen oder parken ihre Stimmenbei anderen Parteien, auch, aber nicht nur,bei der Union – bis es wieder eine für sieattraktive Partei auf der rechten Seitegibt.“16 Die AfD sei nach der Sachsen-Wahl salonfähig geredet worden.

Helmut Kellershohn sieht es als „Kurio-sum“, dass „Identitätspolitik“ ein eigen-ständiges Thema im Wahlprogramm dersächsischen AfD gewesen ist. „Zum einenwird die (auf die Region bezogene) „Lan-desidentität“, zum anderen die „National -identität“ beschworen. Wer diese nichthat, neigt erstaunlicherweise zum Extre-mismus. Schuld an diesem ist also diemangelnde Identifikation mit dem Land,in dem man lebt. Dagegen helfe z.B. einGeschichtsunterricht, dessen „deutlicherSchwerpunkt“ im 19. Jahrhundert liegensoll (1813, 1848, 1871). Das „Absingender Nationalhymne bei feierlichen Anläs-sen“ sollte „selbstverständlich“ sein.Empfohlen werden „weniger Anglizis-men“ und „mehr deutschsprachige Titel“in Rundfunk und fernsehen. Gleichzeitigwendet man sich gegen Sprachregelungenund politische Vorgaben bezüglich „Gen-der- und Gleichstellungsideologie“. Insge-samt also ein Plädoyer für eine staatlichgelenkte nationalistische Medienpolitik.“17

Jungkonservative Ideengeber

Er betont gleichzeitig, dass die AfD indiesem Prozess nicht ausschließlich Sub-jekt sei, sondern ebenso Objekt der strate-gischen Planung der Exponenten der anti-demokratischen jungkonservativen Rich-tung der „Konservativen Revolution“ so-wie der Identitären. Entsprechend siehtHelmut Kellershohn neben einer „Politikfür den Mittelstand“ im Sinne des Natio-nalliberalismus und einer Orientierung anchristlichen Werten „mit einer traditiona-listischen bis fundamentalistischen Prä-gung“ in der „völkischen Ideologie“ dendritten Eckpunkt der Programmatik derAfD, diese jedoch „nicht im Sinne der al-ten völkischen Bewegung, sondern in ei-nem modifizierten Sinne, nämlich vermit-telt über die jungkonservative Lesart desvölkischen Nationalismus, die bei allerBetonung der „ethnischen Kontinuität“als Basis der Nation stärker das willentli-che, subjektive Element hervorhebt.“18

Kellershohn beschreibt damit das Ergeb-nis eines Modernisierungsprozesses derIdeologie der extremen Rechten.

Die Zentralität dieses Themenkomple-xes unterstreicht der AfD-Mitbegründerund Vorsitzende der „Konservativen

Avantgarde“, Martin E. Renner in seinemjüngsten Artikel mittels einer Negativbe-schreibung: „Grundlagen der Bestands-aufnahme der politischen Realität inDeutschland und die feststellung der Ver-stöße gegen die eigene – deutsche – Iden-tität waren und sind: Abwendung der etab-lierten Politik vom Rationalen. Vermorali-sierung der Politik. Selbstüberforderung.Verzicht auf nationale Selbstbestimmung.Verzicht auf entschlossene Selbstbehaup-tung und auf Selbstbewahrung. Verzichtauf Selbstbewusstsein. Kultivierung undInstrumentalisierung von Angst. Zerrüt-tung des Bürgerlichen, der familie undder gesellschaftlichen Normativität.“19

Die unlängst durch Anonymus Öster-reich öffentlich gemachten Dokumente20

der so genannten Landesfachausschüsseder sächsischen AfD, die der Vorbereitungder Verabschiedung des Landtagswahl-programms dienen sollten, unterstreichen,eine Untersuchung der öffentlichen Pro-grammatik der betreffenden formationnicht hinreicht, um zutreffende Aussagenzu ihrer Ideologie zu treffen. Zwar ver-weist die AfD berechtigt darauf, dass bei-spielsweise einige behindertenfeindlichePassagen nicht in das Programm über-nommen worden seien, doch erfolgte dieStreichung lediglich aus taktischen Erwä-gungen. Hinter dem gestrichenen Passushießt es aufschlussreich: „Das ist vermin-tes Gelände.“ Man scheute also vor allemein mögliches negatives Medienecho. Be-sonders aufschlussreich ist in diesem Zu-sammenhang, dass neben dem Themen-feld „Bildung“ der Komplex „Bürgerrech-te und Datenschutz“ mit 16 Prozent diegeringste Bedeutung für die Wählerschaftder AfD hat.

An den „Programm-Thesen der AG In-nere Sicherheit“ haben allerdings gleichmehrere Landtagskandidaten, darunter mitdem jetzigen Landtagsabgeordneten Se-bastian Wippel und Jens Kuprat zwei Po-lizeibeamte, mitgearbeitet. Auch co-Au-tor Hendrik Seidel, stellvertretender Vor-sitzender des Kreisverbandes Mittelsach-sen, ist Beamter. Der berufliche Hinter-grund wird an dieser Stelle betont, da dasErgebnis ihrer Arbeit das Sächsische Lan-desamt für Verfassungsschutz erstmals zueiner öffentlichen Äußerung über die AfDveranlasste. Der Sprecher des Amtes,Martin Döring, stufte „Teile der Doku-mente als verfassungswidrig ein“. „RadioMephisto“ berichtete: „Bedenklich sei vorallem die Überlegung den deutschen Tele-kommunikationsverkehr zur Gefahrenab-wehr abzuhören. Der Verfassungsschutzsieht eine Passage über eine stärkere Tele-fonüberwachung kritisch, weil darin dasRecht auf informationelle Selbstbestim-mung angegriffen werde.“ und zitierteDöring wörtlich: „Nur in ganz engenGrenzen darf ja in dieses Grundrecht ein-gegriffen werden, und wenn Personenzu-sammenschlüsse meinen, dieses Rechtspielt keine Rolle mehr, dann wird ein ele-

mentares Grundrecht, ein elementaresMenschenrecht infrage gestellt.‘“ Derzeitsei die AfD allerdings noch nicht Beob-achtungsobjekt des Verfassungsschutzes,so Döring. Würden diese Vorschläge aberweiter verfolgt werden, könnte die AfDunter Beobachtung fallen.21 Auch der Vor-stand der Leipziger Strafverteidiger e.V.meldete sich zum gleichen Thema mit ei-ner mehrseitigen Stellungnahme zu Wort.Er sieht in den forderungen der Positions-papiere „einen massiven Angriff auf denRechtsstaat und die grundgesetzlich garan-tierten Rechte jedes Bürgers“ und einen„eklatanten Widerspruch zu den Grund-prinzipien des deutschen Strafrechts“.22

Zusammenfassend lässt sich feststellen,dass zumindest in Sachsen die AfD alleKriterien erfüllt, die nach wissenschaftli-chen Standards erforderlich sind, sie in dieKategorie „extreme Rechte“ einzuordnen.Das bedeutet selbstverständlich nicht,dass alle ihre Positionen undemokratischsind. Das bedeutet ebenfalls nicht, dassalle ihre Mitglieder oder gar Wähler soeinzuordnen sind. Allerdings haben Perso-nen aus dem Landesvorstand, aus denReihen der Landtagsabgeordneten, derfunktionäre und der Mitgliedschaft einenbiografischen Vorlauf in Gruppierungender extremen Rechten bis hin zu neonazis-tischen Organisationen. Der Wahlkampfzielte zu einem relevanten Teil auf bisheri-ge Wählerinnen und Wähler der NPD. Dietatsächlich erreichte Wählerschaft ähneltstark jener der REPublikaner in deren Er-folgsphase. Die Programmatik weist star-ke Überschneidungen bis hin zu passagen-weisen Übereinstimmungen mit beispiels-weise jener der NPD auf.

Es wird genau zu beobachten sein, inwelche Richtung sich die programmati-schen Tendenzen der AfD nach den Erfol-gen bei den Landtagswahlen in Thüringenund besonders in Brandenburg entwickeln.Es kann dann auch nicht bei der mehr oderweniger resignierten feststellung bleiben,dass und wieviele Wählerinnen und Wäh-ler von der LINKEN zur AfD gegangensind. Es gilt vielmehr, diese Klientel, ihresoziale Zusammensetzung und ihre Posi-tionen genauer zu untersuchen.

17.5.2014, Protest gg ProNRW in Bonn, Foto: K.R.

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:antifaschistische nachrichten 19-20146

Deutlich überdurchschnittlich wurde dieAfD sowohl in Brandenburg wie auch inThüringen von Männern gewählt. Das ent-spricht älteren Analysen zu Parteien derextremen Rechten.23 In dieses Bild passtder Umstand, dass die Alterskohorten jün-gerer Menschen in der AfD-Wählerschaftüberproportional repräsentiert sind. Ledig-lich die Altersgruppe über 60 Jahren ver-hindert noch schlimmere Ergebnisse.Während Angestellte und Beamte nurleicht überdurchschnittlich AfD wählen,liegen eindeutige Schwerpunkte bei denSelbständigen und den Arbeitern. Wenndie AfD in Thüringen nach erstenAnalysen24 16000 bisherige Wähler_In-nen der LINKEN für sich mobilisierenkonnte und in Brandenburg mit 20000 ge-wonnenen Stimmen sogar den größtenZufluss von allen anderen Parteien ver-zeichnen konnte, muss dies als geradezudramatisch eingeschätzt werden. Esspricht auf jeden fall dafür, dass sich die-se Erfolgsserie in nächster Zeit verfestigenkönnte.

Kerstin Köditz (Sprecherin fürAntifaschistische Politik der Linksfrakti-

on im sächsischen Landtag) / VolkmarWölk

1 Christoph Giesa, „Der rechte Weg“, www.theeuro-pean.de/christoph-giesa/ 8835-das-rechtsradikale-gesicht-der-afd#8835; 20.08.142 z.B. „Aktivisten mit Neonazi-Hintergrund in derSachsen-AfD“, http://blog.zeit.de/stoerungsmel-

der/ 2014/09/09/aktivisten-mit-neonazi-hintergrund-in-der-sachsen-afd_16971; 09.09.143 http://www.rbb-online.de/extra/landtagswahl-brandenburg-2014/beitraege/die-kandidaten-der-afd-brandenburg.html#; 07.09.14; vgl. auch K. Litsch-ko, „Nach außen hui, innen pfui“, TAZ v. 11.09.144 siehe den Beitrag „Alternative für Deutschland –Wie eine Partei immer stärker nach rechts kippt“ inder Sendung „Monitor“ v. 11.09.14, online verfüg-bar unter http://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/videoalternativefuerdeutschlandwieeinepar-teiimmerstaerkernachrechtskippt100.html; Sendema-nuskript unter http://www.wdr.de/tv/applications/daserste/monitor/pdf/2014/0911/manuskript-alternative-fuer-deutschland.pdf. Vgl. auch sein Inter-view „AfD als identitäre Kraft“ für das „neu“rechteOnline-Portal „Blaue Narzisse“ (Teil I: www.blauen-arzisse.de/index.php/gesichtet/item/4820-afd-als-identitaere-kraft, Teil II:http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesich-tet/item/4824-afd-als-identitaere-kraft-ii); als kriti-sche Analyse dieser relativ neuen Erscheinung: Juli-an Bruns/Kathrin Glösel/Natascha Strobl, „DieIdentitären. Handbuch zur Jugendbewegung derNeuen Rechten in Europa“; Münster: Unrast, 21045 http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Rassistisch-Vorwuerfe-gegen-Spitzen-frau-der-AfD,afd168.html6 http://www.maz-online.de/Brandenburg/Land-tagswahl-2014/Gauland-AfD-offen-fuer-fruehere-Rechtsextreme7 Ergebnisprotokoll zur Sitzung des Bundesvor -stands am 18. Juli 2014 (Kassel), Anlage 5; onlineauf http://www.stesocom.de/; Beitrag v. 16.08.14:„AfD von Neo- Nazis durchtränkt!!!“8 „Monitor“, a.a,o.9 Martina Tigges-Friedrichs, http://www1.wdr.de/themen/politik/afd218.html; 11.09.1410 S. dazu u.a. „Plattform für Rechtsaußen-Kontake“,„Blick nach rechts“ v. 12.08.14; www.bnr.de/artikel/

aktuelle-meldungen/plattform-f-r-rechtsau-en-kontakte11 Benjamin Hoff/Horst Kahrs, Die Ergebnisse derLandtagswahl in Sachsen am 31. August 2014 –Wahlnachtbericht und Update der ersten Analysevon Horst Kahrs, S.7.f.12 http://www.stern.de/politik/deutschland/forsa-analyse-wer-die-afd-waehlt-2115316.html;04.06.201413 ebd.14 ebd., S.715 http://www.handelsblatt.com/politik/deutsch-land/landtagswahlen-2014/interview-mit-alexander-gauland-die-npd-ist-zu-igittigitt-da-bleibt-nur-noch-die-afd/v_detail_tab_print/10674354.html; 10.09.1416 http://www.t-online.de/nachrichten/deutsch-land/umfragen/id_70962832/forsa-chef-manfred-guellner-afd-waehler-sind-rechtspopulistisch-bis-rechtsradikal-.html; 10.09.1417 Helmut Kellershohn, „Konservative Volkspartei“,Junge Welt 06.09.2014, S.10. Online abrufbarunter http://www.jungewelt.de/2014/09-06/021.php18 ebd.19 Martin E. Renner, „Die programmatische Agen-da und politische Vision der AfD“; http://www.blu-news.org/2014/09/10/die-programmatische-agenda-und-politische-vision-der-afd/; 10.09.1420 online unter https://twitter.com/AnonAustria21 http://mephisto976.de/news/45206; 04.09.1422 Stellungnahme der Leipziger Strafverteidigere.V. v. 08.09.14; http://www.leipziger-strafverteidi-ger.de/stellungnahmen/23 Vgl. z.B. Joachim Hofmann-Göttig, Die neueRechte: die Männerparteien; Bonn: DemokratischeGemeinde, 198924 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wa-ehlerwanderung-in-thueringen-und-brandenburg-afd-wildert-bei-allen-a-990951.html

Seit Mai 2014 sitzt der 1982 geborenePolizeikommissar Sebastian Wippel fürdie AfD im Kreistag Görlitz. Am 31. Au-gust wurde er auch in den SächsischenLandtag gewählt. Als Mitglied der Ar-beitsgruppe „Innere Sicherheit“ der säch-sischen AfD hat er Papiere mit zu verant-worten, die als Grundlage für die Erstel-lung des Wahlprogrammes für die Land-tagswahl erarbeitet wurden. Neben Wip-pel wurde das Papier u.a. von Jens Ku-prat, ebenfalls Polizist, und dem ehemali-gen Sicherheitsbeauftragten von DynamoDresden, Achim Exner, verfasst.1

Ein Teil dieser internen Papiere wurdenveröffentlicht, AfD-Sprecher Julien Wie-semann bestätigte inzwischen die Echt-heit der Dokumente. Unter anderem heißtes darin:

Nach Ansicht des Leipziger Strafver-teidiger e.V. stellen vorbenannte forde-rungen in den Positionspapieren einenmassiven Angriff auf den Rechtsstaatund die grundgesetzlich garantiertenRechte jedes Bürgers dar. Sie stünden im

eklatanten Widerspruch zu den Grund-prinzipien des deutschen Strafrechts,denn sie verlangten im Ergebnis eine Ab-kehr von der grundgesetzlich verbrieftenUnschuldsvermutung sowie dem imdeutschen Strafrecht vorherrschendenSchuldprinzip. Die forderung, den deut-schen Telekommunikationsverkehr zurGefahrenabwehr abzuhören, bedeutetquasi eine Abschaffung des Grundrechtesauf informelle Selbstbestimmung alsAusprägung des allgemeinen Persönlich-keitsrechtes (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetzin Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundge-setz).2

Wenn sächsische Polizisten an der Er-arbeitung verfassungswidriger forderun-gen mitarbeiten, dann braucht sich nie-mand mehr über die „sächsische Demo-kratie“ zu wundern. So kann „SachsensDemokratie“ mittlerweile als Synonymfür Rechtsbeugungen und Eingriffe in dieBürgerrechte durch Ermittlungsbehörden,Demokratiedefizite der Landesregierungund ihrer Behörden, sowie Überwachung

und Kontrolle von kritischer Zivilgesell-schaft gesehen werden.

Jenseits der kurzlebigen Skandale umMitglieder, funktionäre und Kandidatender AfD aus der extremen Rechten odergar dem Neonazispektrum aber zeigt sich,dass es in der Partei insgesamt offenkun-dig ein strukturelles Problem gibt. Stel-lungnahmen gegen Grund- und Men-schenrechte sind dort offenbar hoffähig.Wenn sie keinen Eingang in die öffentli-che Programmatik der Partei finden, dannoft mit einer aufschlussreichen, ebenfallsbei Anonymus Österreich nachzulesen-den Begründung: „Das ist vermintes Ge-lände.“ Will sagen: das kostet uns Wäh-lerstimmen und wird deshalb verschwie-gen.

Jens Thöricht �1 https://twitter.com/AnonAustria/status/506502328938426368/photo/1 2 http://www.leipziger-strafverteidiger.de/stellungnahmen/

Ein Polizeikommissar mitgrundgesetzwidrigen Positionen?Görlitzer AfD-Landtagsabgeordneter fordert massiven Eingriff in Grundrechte

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Aus Anlass des 20. Jahrestages des sog. PKK-Verbo-tes hat der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. eine (kosten-los oder gg. Spende erhältliche) Broschüre mit demTitel „20 Jahre PKK-Verbot – eine Verfolgungsbi-lanz“ herausgegeben. In ihr werden Repressionengegen Kurdinnen und Kurden und ihre Institutionendokumentiert, ohne jedoch den Anspruch auf Voll-ständigkeit erheben zu können. Es war uns aberwichtig, zumindest einen Eindruck davon zu vermit-teln, welche Folgen es haben kann, sich aktiv für dielegitimen kurdischen Interessen einzusetzen. http://www.nadir.org/nadir/initiativ/azadi/[email protected]

antifaschistische nachrichten 19-2014 7

Es ist ein fatales Signal, dass die Bun-desanwaltschaft (BAW) ein mutmaßli-ches Mitglied der Arbeiterpartei Kurdis-tans PKK zu einem Zeitpunkt in derBundesrepublik verhaften ließ, an demPKK-Einheiten im Mittleren Osten inder direkten Auseinandersetzung mit denTerrorbanden des Islamischen Staates ISkämpfen und zehntausende flüchtlingegerettet haben.

Der 45-Jährige Mehmet D. wurde be-reits vergangenen freitag verhaftet. Er seidringend verdächtig, sich unter dem co-denamen Kahraman als Mitglied an der„ausländischen terroristischen Vereini-gung PKK gemäß § 129b beteiligt zu ha-ben“. Er wurde am 29. August 2014 demErmittlungsrichter des Bundesgerichts-hofs vorgeführt, der Untersuchungshaftanordnete. Mehmet D. soll von Januar bisSommer 2013 Verantwortlicher der PKKfür die Regionen Duisburg, Köln Biele-feld und Dortmund und danach für dieRegion Nord (Bremen, Hamburg, Kiel,Berlin und Sachsen) gewesen sein.

Während seitens PolitikerInnen allerfraktionen und in Medien, wie u.a. derfAZ, frontal 21, Spiegel Online oder derTageszeitung (taz), mit größtenteils ver-nünftigen Argumenten über eine Aufhe-bung des PKK-Verbots in der Bundesre-publik und die Streichung der kurdischenOrganisation von der ohnehin fragwürdi-gen EU-Terrorliste diskutiert wird, hältdie BAW an alten feindbildern und un-haltbaren Vorwürfen fest. In bisherigenProzessen nach § 129b gegen vermeintli-che Gebietsverantwortliche wurden Vor-würfe wie der Transport von Grillwagenvon einem Ort zum Anderen , der Aufrufzu Demonstrationen oder die Konfliktlö-sung innerkurdischer Streitigkeiten alsBeweise zu Ungunsten der Angeklagtenausgelegt. Auch ein Experten zufolgevollkommen abwegiges Konstrukt wurdeimmer wieder bemüht, um die Beschuldi-gen zu verurteilen: Die unabhängigeStadtguerilla TAK – die im Westen derTürkei vor einigen Jahren Anschläge ver-übte – sei eine Untergruppe der PKK,heißt es in den bisherigen Urteilen. Be-weise dafür wurden in den Verfahrennicht präsentiert.

„Die festnahme des vermeintlichenPKK-Verantwortlichen Mehmet D. ist zudiesem Zeitpunkt ein besonders fatalesSignal. Die syrisch-kurdische Partei derDemokratischen Einheit PYD und diePKK sind diejenigen Kräfte, die die Ezi-den und weitere Bevölkerungsgruppen

im Nordirak und Syrien am effektivstenvor den Massakern der Gruppe Islami-scher Staat (IS) schützen. Anstatt diePKK weiter zu kriminalisieren, muss so-fort deren Verbot in Deutschland aufge-hoben und die PKK von der EU-Terror-liste gestrichen werden“, fordert UllaJelpke, Mitglied des Bundestags, DIELINKE.

„Ich frage mich, was zehntausendeflüchtlinge aus Sengal denken, wenn sievon dieser Verhaftung erfahren. Men-schen zu verhaften, die vermeintlich derPKK angehören, die sich den mordendenDschihadisten im Mittleren Osten erfolg-reich entgegenstellt und zehntausendenEzidInnen und christInnen das Lebenrettet, während die IS in Europa weiteroffen auftreten und Mitläufer für ihrenmenschenfeindlichen Krieg rekrutierenkann, ist schon besonders zynisch,“ kom-mentiert Martin Dolzer, Soziologe undMenschenrechtler.

„Ein Umdenken bezüglich der Bewer-tung der PKK ist jetzt notwendig. SeitJahren orientiert die Organisation auffrieden und eine demokratische Entwick-lung des Mittleren Ostens. Die Vorurteileder BAW sind unhaltbar, die festnahmevon Mehmet D. ist absolut kontraproduk-tiv. Sämtliche gemäß § 129b inhaftiertenKurdinnen und Kurden sollten sofort frei-gelassen, die PKK entkriminalisiert undvon der ohnehin fragwürdigen EU-Ter-rorliste gestrichen werden“, betont derBundestagsabgeordnete Andrej Hunko,DIE LINKE.

Die PKK setzt sich intensiv für dieGleichberechtigung der frauen und einrespektvolles Zusammenleben aller Men-schen ein. Es wird Zeit die Organisationendlich als Dialogpartner zu sehen, an-statt als feind. Das würde auch die Inte-gration der kurdischen MigrantInnen indie bundesdeutsche Gesellschaft erleich-tern“, skizziert, Hamide Akbayir, Stadträ-tin in Köln, DIE LINKE.

Andrej Hunko, Mitglied des Bundestags und derParlamentarischen Versammlung des Europarats,DIE LINKE • Ulla Jelpke, Mitglied des Bundestags,DIE LINKE • Cansu Özdemir, Abgeordnete derHamburgischen Bürgerschaft, DIE LINKE • HamideAkbayir, Stadträtin Köln, DIE LINKE • Marion Pa-dua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste • Britta Eder,Rechtsanwältin • Martin Dolzer, Menschenrechtlerund Soziologe • Yilmaz Kaba, Vorstandsmitgliedder Föderation der Ezidischen Vereine e.V. • Bun-desarbeitskreis „Demokratie in der Türkei, Frieden inKurdistan“ BAK-DTFK, DIE LINKE

Verhaftung eines vermeint -lichen PKK-Mitglieds ist einfalsches und fatales Signal

www.ostermarsch-ruhr.de

Ablauf:11:30 – 13:00Uhr Auftaktkundge-bungMarktplatz Kalkar13:00 – 14:00Uhr Demonstrationzur vonSeydlitz-Kaserne14:00 – 15:30Uhr Abschlusskundgebung-vor der Kaserne

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Neofaschistische extreme Rechte profi-tiert massiv von der Schandbilanz des„Sozialdemokraten“ François Hollandeund seiner Flaschensammlung. Undmacht Stimmung wegen der Aussetzungvon Rüstungslieferungen an RusslandsMachthaber, im Zusammenhang mit demUkrainekonflikt. Unterdessen nehmen je-doch die Probleme in mindestens einemder vom Front National regierten Rat-häuser, in Hayange (Lothringen), massivzu. Dem dortigen Bürgermeister FabienEngelmann stehen ernsthafte Schwierig-keiten ins Haus

Es ist in der Sache kein Wunder, abervom Ausmaß her erstaunt es dann doch.Das Vertrauen der französischen Stimm-bevölkerung in Präsident françois Hol-lande ist auf einem absoluten Tiefpunktangelangt. (Vgl. dazu vom Autor dieserZeilen: http://www.trend.infopartisan.net/trd0914/t560914.html) Kurz vor der Ab-stimmung in der französischen National-versammlung vom 16. September überdas „Vertrauen“ in den alt-neuen Premier-minister Manuel Valls – nach der Regie-rungsumbildung von Ende August wurdeder ganz rechte Sozialdemokrat erneutzum Regierungschef bestellt – und dergeplanten Ansprache Präsident Hollandesam 18. September 2014 deutet nichts,aber auch gar nichts auf eine Besserungder Lage hin. Die Pariser AbendzeitungLe Monde, welche dem politischen Lagerfrançois Hollandes nahe steht, spricht inihrer Ausgabe vom Donnerstag Abend(11.09.‘14) von „Tagen der Dämmerungim Elyséepalast“ und sieht die politischeNacht über ihren ehemaligen vermeintli-chen Hoffnungsträger hereinbrechen.

Tatsache ist, dass die Wirtschafts- undSozialpolitik des – räusper, räusper, hust– „Sozialisten“ sich aus Sicht der Lohn-abhängigen bislang ungefähr so nützlichausfiel (und ausfällt) wie ein furunkel amHintern, oder ein paar prächtige Hämor-rhoiden. Seine Bilanz auf diesem Gebietgestaltet sich nach einer knappen Hälfteseiner fünfjährigen Amtszeit in einer Artund Weise, dass Hollande ausnahmsweisesogar rot werden, nämlich vor Scham rotanlaufen könnte. Laut einer Umfrage, dieam gestrigen Donnerstag, den 11.September d. J. publik wurden, wünschenübrigens 62 Prozent der befragten fran-zosen & französinnen seinen Abtritt mit-ten in der Amtsperiode.

So weit, so gut oder jedenfalls gutnachvollziehbar, was die Reaktion derWahlbevölkerung betrifft. Das Schlimmeliegt jedoch woanders. Hauptnutznießerindes Vertrauensverlusts in den sozialdemo-

kratischen Amtsinhaber scheint nämlichdie rechtsextreme Politikerin Marine LePen zu sein. Laut Zahlen, die am vergan-genen Wochenende des 6./7. September2014 im figaro Magazine erschienen,würde die chefin des front National (fN)zur Zeit in jeder Konstellation – egal also,wer ihre gewichtigsten Mitbewerber wä-ren – im ersten Durchgang einer Präsi-dentschaftswahl auf dem ersten Platz lan-den. Dabei könnte sie rund 26 Prozent derStimmen erwarten. Im zweiten Wahlgangwürde sie allerdings in den meisten fällenverlieren. Außer, falls sie je dem bisheri-gen Präsidenten Hollande in der Stich-wahl gegenüber stünde – der allerdingsnach den vorliegenden Zahlen nicht in diezweite Runde einziehen würde -, denndann würde sie mit 54 Prozent gewinnen.Über vier fünftel jener Wählerinnen undWähler, die 2012 für den konservativenKandidaten Nicolas Sarkozy stimmten,erklären sich bereit, in dieser Hypothesefür Marine Le Pen zu stimmen.

Mit einem protektionistisch und betont„sozial“ klingenden Diskurs versucht dieRechtsextreme, maximalen Nutzen ausdem Widerspruch zwischen françoisHollandes Wahlkampfinhalten vor zweiJahren – sowie den in ihn gesetzten Er-wartungen einerseits –, und der ausge-sprochen wirtschaftsliberalen „Realpoli-tik“ andererseits zu ziehen. Aber auchMarine Le Pen sieht sich Widersprüchenausgesetzt. So folgt die öffentliche Mei-nung ihr im Augenblick bei einigen The-men, doch diese Unterstützung hinkt da-bei auf anderen Themenfeldern stark hin-terher. So erklärten sich bei einer Befra-gung, deren Ergebnisse am 30. Augustd. J. veröffentlicht wurden, insgesamt 34Prozent der Teilnehmer „oft einverstan-den mit Marine Le Pen“. Aber nur 14 Pro-zent folgen ihr demnach beim ThemaEuro-Ausstieg. Hingegen erklären sich 54Prozent mit ihr zur „Inneren Sicherheit“,und 47 Prozent beim Thema „Laizität“ –also Trennung von Religion und Staat, einThema, das die fN-Vorsitzende quasiausschließlich als „Muslimproblem“ auf-greift – global einverstanden.

Ein weiteres Problem für die Parteiche-fin des front National wäre die ausge-sprochen dünne Personaldecke der extre-men Rechten, was jedenfalls qualifizierteführungskräfte betrifft. Seit Ende Augustforderte sie wiederholt lautstark eine Auf-lösung des Parlaments und vorgezogeneNeuwahlen, da die derzeit amtierende Re-gierung das Vertrauen der Wahlbevölke-rung verloren habe. In einem solchen fal-le, behauptete Marine Le Pen, sei sie be-

reit zu regieren: Sie malte etwa in einemlangen Interview mit Le Monde aus, wiesie als Premierministerin im Rahmen ei-ner Kohabition – eines Nebeneinandersvon Premier und Staatspräsident aus un-terschiedlichen politischen Lagern – mitfrançois Hollande regieren würde. Präsi-dent Hollande wäre demnach noch „fürdie Einweihung von Blumentöpfen undfür Gedenkfeiern“ zuständig.

Doch in Wirklichkeit wäre der fN imderzeitigen Zustand unfähig, Regierungs-posten – von der Ministerebene über Be-rater bis hin zu den hohen Beamten – ingrößerer Zahl zu besetzen. Auch wenn diePartei sich seit den Kommunalwahlenvom März bemüht, ihre nun über 1000örtlichen Mandatsträger durch fortbil-dungen zu administrativen, juristischenund wirtschaftlichen Themen zu qualifi-zieren. Auch hat die rechtsextreme Parteiderzeit jedenfalls in einigen der von ihrregierten elf Städten erhebliche Mühen. Klumpatsch in Hayange

In der früheren Arbeiterstadt Hayange inLothringen, die durch die Stahlkrise ge-beutelt wurde, regiert seit März der35jährige Bürgermeister fabien Engel-mann vom fN, ein aggressiver kleinerId(…)t. Ihm droht nun die Amtsenthe-bung. Seit einigen Wochen spitzt sich dieKrise mit seiner früheren ersten Beisitze-rin Marie Da Silva, einer ehemaligen Ge-werkschafterin und Journalistin, zu.Letztere wirft ihm autoritäre, alleinherrli-che Amtsführung vor. Am 3. Septemberwurden ihr in einer Abstimmung vomKommunalparlament alle Vollmachtenentzogen. Aber vieles deutet dabei aufWahlbetrug hin.

Engelmann scheint die Unterstützungvon Marine Le Pen verloren zu haben,beispielsweise war er im Gegensatz zuanderen Parteikadern nicht zur „Sommer-universität“ der Parteijugend fNJ am 6/7.September 2014 in der ebenfalls fN-re-gierten Stadt fréjus an der côte d‘Azureingeladen. Und viele in der Partei findeninzwischen, dass der in mehreren Inter-views geäußerte muslimfeindliche fana-tismus fabien Engelmanns allmählich zu

Marine Le Pen wähnt sich imAnmarsch auf die politische Macht

: frankreich

HINWEISDie beiden Artikel „französischeRechtsextreme zum neuen Nahostkon-flikt“ in AN Nr. 16/2014 und 17/2014waren in der Papierausgabe versehent-lich nicht gekennzeichnet. Beide Arti-kel stammen von unserem frankreich-korrespondenten Bernard Schmid.

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antifaschistische nachrichten 19-2014 9

viel des Guten wird. Engelmann, ein frü-herer Angehöriger der radikalen Linken –er war sechs Jahre lang u.a. bei der tradi-tionsmarxistisch-trotzkistischen Klein-partei Lutte Ouvrière (LO, „Arbeiter-kampf“) sowie bei der GewerkschaftcGT aktiv, Letztere schloss ihn 2011 auf-grund rechtsextremer Betätigung aus –,geriet ab dem Jahr 2010 unter den Ein-fluss der Sekte Riposte Laïque (RL, unge-fähr: „Die Laizisten schlagen zurück“).Diese radikal muslimfeindliche Spinner-sekte, die ebenfalls durch einen früherenLinken und sogar Ex-Linksradikalen inGestalt von Pierre cassen angeführt wird,besteht aus einer gleichnamigen Internet-publikation sowie einer Vorfeld-“Bürger-initiative“ unter dem Namen RésistanceRépublicaine (RR, „RepublikanischerWiderstand“). Aufgrund des eher gerin-gen Realitätssinns dieser Sekte findenmittlerweile auch einige Parteigänger desfN, dass Engelmann es mit seinem Enga-gement dort übertreibt.

Letzterer lässt sich unterdessen bislangnicht beirren. Am Sonntag, den 14. Sep-tember 2014 organisierte er ein „fest desSchweins“ (sic, im Original: fête du co-chon) in „seiner“ Stadt. Auf einem öffent-lichen Platz in Steinwurfweite vom Rat-haus – zum Steinewerfen wäre es prak-tisch gewesen… – war eine Tribüne auf-gebaut, wo der bekennende VegetarierEngelmann eine Ode auf die Sau im All-gemeinen und das Schweinefleisch imBesonderen verlas. Letzteres konnte mandann auch ganz in der Nähe in zahlrei-chen formen verköstigen. „Unser Vetter“(sic), das Schwein, wurde vom Bürger-meister als Bestandteil „unseres Kulturer-bes“ vorgestellt, und es verleihe – fuhrfabien Engelmann fort – „uns Wurzeln,die dermaßen vielen jungen Leuten feh-len/abgehen“. Die im Hintergrund desganzen Gedöns‘ stehende Konzeption istdenkbar prosaisch und lässt sich einfachzusammenfassen: Da weder moslemischenoch jüdische Menschen Schweinefleischessen, wird das arme Vieh in der rassisti-schen extremen Rechten als Identitäts-markierer eingesetzt. (Was sagt eigentlichder Tierschutz dazu?) Die Sekte RiposteLaïque hielt vor diesem Hintergrund bei-

spielsweise im Sommer 2010 so genann-te „Aperitifs mit Wein und Schwein“ un-ter freiem Himmel ab – die Hauptsachewar dabei allein, ohne Muslime auszu-kommen.

An dem ideologisch unterfüttertenfressfest nahmen auch rund zwanzig ge-waltbereite Neofaschisten teil, bekleidetmit T-Shirts, die vom Keltenkreuzund/oder Aufschriften der faschistisch-antisemitischen Sekte L’Oeuvre française(eine im November 1968 gegründeteSplittergruppierung, ihr gehörten etwa dieMörder des am 1. Mai 1995 am Randedes fN-Aufmarschs in Paris getötetenMarokkaners Brahim Bouarram an)ver„ziert“ respektive verunstaltet wurden.Auch Riposte Laïque-Sektenchef Pierrecassen war persönlich mit von der Partie,und dazu wohl extra aus Paris angereist1.Mobilisierung für Rüstungsexport –und Russlands Machthaberinteressen

Auf einem anderen Blatt steht eine weiterMobilisierung, die der fN unterdessenmit einigem Erfolg oder jedenfalls Auf-sehen betreibt. Am Mittwoch, den 3.September 2014 verkündete der Elysée-palast (Amtssitz des französischen Präsi-denten), dass ein größerer Rüstungsex-port, nämlich die geplante Auslieferungvon zwei Hubschrauberträgern vom Typ,Mistral‘ an das regierende Regime inRussland, vorläufig ausgesetzt werde.Dies gelte bis zu einer „politischen Lö-sung“ in der Ostukraine, wo faktischgleichermaßen ukrainische wie russischeSöldner, Neofaschisten und Ultranationa-listen – im staatlichen Auftrag und/oderauf eigene faust – auf beiden Seiten mit-mischen.

Auf den Werften im westfranzösischenSaint-Nazaire, wo die beiden Ungetümegebaut wurden/werden, sorgt dies für ei-nen gewissen Unmut. Denn eine Reihevon Mitarbeiter/inne/n verteidigen ebensowie manche Gewerkschaften, etwa diepolitisch schillernde Gewerkschaft forceOuvrière/fO, mehr oder minder blind„die Arbeitsplätze“ (ein Problem, auf dassich ja auch durch Konzepte für Rüs-tungskonversion zugunsten ziviler Pro-dukte reagieren ließe).

Marine Le Pen, welche politisch denaktuellen russischen Machthabern ausge-sprochen nahe steht – am 12. April 2014wurde sie in den Räumlichkeiten derDuma vom Parlamentspräsidenten SergejNaryschkin wie ein hoher Staatsgast emp-fangen, und der Mann gratulierte ihr zumAbschneiden ihrer Partei bei den Kom-munalwahlen von Ende März –, nutzt die-se Situation aus. Lautstark rührt sie dieTrommel gegen diese vorläufige Ausset-zung der Rüstungslieferung, welche „dasVertrauen auf frankreichs gegebenesWort in der Welt“ ankratze2. (Auch man-che Politiker der französischen „Links-front“ – ungefähr vergleichbar mit DIELINKE in Deutschland – kritisierten die-sen „Bruch französischer Versprechen“.Und setzten sich für Russlands Machtha-ber in einer Art und Weise ein, wie sie esvor 25 Jahren in Zeiten der Systemkon-kurrenz getan hätten; nur, dass sie an-scheinend noch nicht mitbekamen, dassRussland heute nicht mal mehr in Anfüh-rungszeichen von „Kommunisten“ regiertwird…).

Dabei scheint es der fN auch geschafftzu haben, im Rahmen eines Kollektivsunter dem Titel Mistral Gagnons – nebenAnhängern des bürgerlichen Nationalis-ten und EU-Kritikers Nicolas Dupont-Ai-gnan – auch Mitarbeiter/innen der Werf-ten und ihrer Subunternehmen anzuzie-hen. Dieses veranstaltete am Sonntag, den7. September eine Demonstration inSaint-Nazaire3. Der Bemühung von Mari-ne Le Pen um soziale Demagogie kanndies nur nutzen.

Bernard Schmid, Paris1 Vgl. Fotos von der Sause unter freiem Himmel bei:http://www.lexpress.fr/actualite/politique/fn/du-lard-et-du-cochon-a-la-fete-du-maire-fn-de-hayan-ge_1575845.html 2 Vgl. auch http://www.letelegramme.fr/econo-mie/mistral-le-pen-c-est-une-decision-tres-grave-04-09-2014-10324921.php?xtor=EPR-3-[quotidien]-20140904-[detailarticle] 3 Vgl. dazu http://canempechepasnicolas.over-blog.com/article-deux-manifs-a-saint-nazaire-ou-sont-les-communistes-124549953.html – Vorsicht:Bei der Quelle handelt es sich um eine neostalinisti-sche Webseite, die auch Russlands aktuell(nicht  „kommunistische“) Machthaber weitestge-hend kritiklos verteidigt.

Die crème de la crème, oder eher: derAbschaum des Abschaums? In jedemfalle ist es eine Art Ansammlung der Su-perlative, welche die französische extre-me Rechte am Sonntag, den 07. Septem-ber 14 in calais auf die Straße brachten.

Den Anlass respektive Vorwand liefertedie Situation in der nord(ost)-französi-

schen Stadt, wo seit Jahren eine Art Na-delöhr für Migrant/inn/en, die auf die bri-tischen Inseln überzusetzen versuchenoder jedenfalls von einer Ankunft in Eng-land träumen, entstanden ist. Die Behör-den sorgen einerseits durch wiederholtepolizeiliche „Säuberungs“aktionen undZwangsräumungen dafür, dass sich der

Eindruck, diese Menschen stellten einvordringliches und brennendes „Pro-blem“ dar, allgemein noch verstärkt wird.Andererseits sorgen die diversen behörd-lichen Schikanen nicht dafür, dass sichdie Lage vor Ort durch eine Abnahme derKonzentration vieler Migranten auf en-gem Raum entspannen würde: Zwar wer-

Calais: Rassistische Hassdemonstration undPositionierung der Bürgermeisterin gegenMigrant/inn/en am Ärmelkanal

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Asylbewerber: Kommunen– Länder sollen mehrbezahlen Die Kommunen fordern angesichts dersteigenden Asylantragszahlen mehr Un-terstützung durch die Länder. „Wir wol-len den Menschen helfen und sie ordent-lich betreuen“, sagte der Hauptgeschäfts-führer des Deutschen Städtetages, Ste-phan Articus.

Ohne zusätzliche Hilfe der Länder seidas aber kaum zu bewältigen. „Wir habengroße Belastungen zu tragen.“ Im erstenHalbjahr 2014 stellten rund 77000 Men-schen einen Asylantrag. Das sind etwa 60Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

für das Gesamtjahr rechnet das Bundes-amt für Migration und flüchtlinge mit200000 Anträgen. In Bayern bekämen dieKommunen rund 80 Prozent, in Schles-wig-Holstein 70 Prozent ihrer Ausgabenfür Asylbewerber vom Land erstattet.Manche Städte in Nordrhein-Westfalenbekämen dagegen nur 20 Prozent, so Ar-ticus. Hamburg hat unterdessen gefordert,den Königsteiner Schlüssel zur Verteilungvon Asylbewerbern zu verändern. Groß-städte mit angespanntem Wohnungsmarktsollten entlastet werden, dünner besiedel-te Regionen dafür mehr flüchtlinge auf-nehmen.

Quelle: Publikation „Forum MigrationSeptember 2014„ �

The Voice Refugee Forum –20 Jahre Widerstand 1. bis 5. Oktober in Jena: 20 JahreThe Voice Refugee Forum – 20 JahreWiderstand von Flüchtlingen inDeutschland

Anfang August und Anfang Septembergab es zwei Vorbereitungstreffen, dasProgramm ist vorbereitet: Anfang Okto-ber wird The Voice 20 Jahre alt, Aus-druck einer beachtlichen Kontinuität die-ser ältesten flüchtlingsselbstorganisati-on. „Gegen Abschiebung und sozialeAusgrenzung“ lautet das Motto der Jubi-läumstage mit Konferenz und Aktionenin Jena, siehe http://thevoiceforum.org/

„750 X 20€ für den 20. Jahrestag vonThe VOIcE Refugee forum: Spenden-

:antifaschistische nachrichten 19-201410

: flucht und migration

den die Menschen wiederholt von ihrenUnterkünften an Ort und Stelle zwangs-weise entfernt, und ihr Hab und Gut wirdzerstört, doch mangels anderer Perspekti-ven kommen sie fast zwangsläufig immerwieder zurück. (Vgl. dazu unseren Hinter-grundartikel vom Juli 2014:http://www.antifaschistische-nachrich-ten.de/index.php?id=6431&tx_ttnews[tt_news]=11382&tx_ttnews[backPid]=6391 )

Rassisten und offene Nazifreunde ver-suchten sich diese objektive Ausgangssi-tuation nun zunutze zu machen, um ihreoffene Hasspropaganda über die Regionauszuschütten. Aufrufer der Demonstrati-on vom 07.09.2014 war das KollektivSauvons calais – „Retten wir calais“ -,das bereits im April dieses Jahres durchAufmarschversuche von sich reden mach-te. Anführer der Gruppierung ist ein jun-ger Mann namens Kévin Rèche, in dessenHaut ein Hakenkreuz eintätowiert wurde.

Neben dieser örtlichen Gruppierungriefen dieses Mal auch mehrere Parteienund formationen der extremen Rechtenzu der Kundgebung auf. Es handelt sichum Gruppen der außerparlamentarischenfaschistischen Rechten, die „jenseits“ desfront National – als stärkster Wahlparteidieses Spektrums – stehen und diesen als„viel zu schlapp“ erachten. Aufrufer wa-ren insbesondere:• der Parti de la france (Pdf, „Parteifrankreichs“) von carl Lang, frühererGeneralsekretär des fN, eine Rechtsab-spaltung der Le Pen-Partei, gegründet imfebruar 2009; • der Mouvement national républicain(MNR, „National-republikanische Bewe-gung“), eine ebenfalls durch eine Abspal-tung vom fN im Jahr 1999 entstandeneKleinpartei;• die seit November 1968 bestehende, fa-schistisch-antisemitische KleinparteiL’Oeuvre française („Das französischeWerk“), von ihrer Gründung bis im Janu-ar 2012 von Pierre Sidos angeführt undseit diesem Datum durch Yvan Benedetti,den der fN im Juni 2011 u.a. wegen des

Anspruchs „Ich bin Antizionist, Antise-mit und Antijude“ von seinen Mitglieds-rechte suspendiert hatte;• und das Réseau Identitaire („IdentitäreNetzwerk“) von Richard Roudier, eineder Unterorganisationen der außerparla-mentarisch-aktivistischen „identitärenBewegung“.

Rund 250 bis 300 Personen kamen zudieser Kundgebung, die unter dem Titel„Gegen die Invasion“ angekündigt wor-den waren. Dabei waren u.a. auch offenzur Schau gestellte Hitlergrüße – auchnach französischem Recht strafbar – zusehen, wie verschiedene Aufnahmen zei-gen1. In seiner Ansprache wetterte Tho-mas Joly, der junge (knapp vierzigjährige)Generalsekretär des Pdf, u.a. gegen „die-ses Gesocks, das gekommen ist, um Eu-ropa zu kolonisieren und zu plündern“und „für das wir nur eine Antwort parathaben: Raus!“ Und der für seinen Jähzornbekannte Yvan Benedetti donnerte mithassverzerrtem Gesicht: „OrganisiertEuch nach Stadtteilen!“, um in nur unzu-länglich verhohlenen Worten zur Organi-sierung von militanten Bürgerwehren undzur Gewalt zwecks „Abwehr“ von Mig-ranten aufzurufen2. Dazu befinden sichderzeit Strafanzeigen bei antirassistischenOrganisationen in Vorbereitung. TrotzAufforderung hat hingegen die Staatsan-waltschaft bislang nicht, oder nicht dasses bekannt wäre, Ermittlungen auf eigeneInitiative hin eingeleitet.

Auch circa 60 Gegendemon -strant/inn/en kamen am selben Sonntagan Ort und Stelle zusammen; sie wurdendurch die Presseberichte (v.a. bei RTL)pauschal als „schwarzgekleidete Antifa-schisten“ in einen Topf geworfen. InWirklichkeit war die Gegenmobilisierungdurchaus heterogener zusammengesetzt.

Auf einer anderen Ebene hat sich dieamtierende UMP-Bürgermeisterin voncalais, Nathacha Bouchard, in – sagenwir – provokanter Weise zum ThemaMigranten in „ihrer“ Stadt geäußert. AmSamstag, den 23. August 14 erschien ihr

Interview in der Regionalzeitung La Voixdu Nord, in welchem sie eine rhetorischefrage aufwirft: „Was machen wir mit die-sen Leuten? Bringen wir sie um, erträn-ken wir sie?“ Dies war natürlich nichtwirklich wörtlich als Aufforderung ge-meint; vielmehr wollte sie zu verstehengeben, dass – da an solche „radikalen“Lösungen, natürlich natürlich, nicht zudenken sei – die Regierung endlich ein-schreiten müsse, um etwas für ihre Stadtund gegen die laut ihrer Darstellung über-mäßige Migrantenpräsenz zu tun. Im ak-tuellen Meinungsklima ist nur zu befürch-ten, dass manche aufgeheizten Individuendiese Worte der Bürgermeister dennochsehr ernst, und wörtlich, nehmen könn-ten…

Anfang September d.J. drohte dieAmtsinhaberin im Rathaus von calaisauch schon einmal damit, den Hafen ihrerStadt zu blockieren, falls die Regierungnicht im entsprechenden Sinne handele3.Unterdessen erklärte der britische Innen-minister James Brokenshire am Sonntag,den 7. September (dem Tag der neofa-schistischen Demo in calais) seine Be-reitschaft, der französischen Stadt Sicher-heits-Stacheldraht zu schenken, um dieunerwünschten – und hauptsächlich nachEngland strebenden – Migranten von ihrfernzuhalten. Draht vom selben Typ, wieer soeben zum Schutz des NATO-Gipfelsin Newport/Wales eingesetzt worden war.

Bernard Schmid, Paris1 Vgl. u.a. http://www.rtl.fr/actu/societe-faits-di-vers/calais-derapages-nazis-lors-d-un-rassemble-ment-anti-migrants-7774167328/ (und www.ajib.fr/2014/09/calais-rassemblement-raciste-et-derapa-ges-neo-nazis/ ) sowie 2 Vgl. zu der Kundgebung auch:www.canalplus.fr/c-divertissement/c-le-grand-jour-nal/pid5411-le-replay.html? progid=1123192 undwww.dailymotion.com/video/ x25h2p7_rassem-blement-contre-l-invasion-migratoire-a-calais-7-sep-tembre-2014_news 3 Vgl. www.lemonde.fr/societe/article/2014/09/03/migrants-la-maire-de-calais-menace-de-bloquer-l e - p o r t - s a n s - g e s t e - f o r t - d e s - b r i t a n n i -ques_4480721_3224.html

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aufruf für finanzielle Autonomie – keineAnträge, aber ein Beitrag von allen, dieTeil der Bewegung sind oder mit ihr sym-pathisieren.“

Der Spendenaufruf zur Beteiligung ander finanzierung und der Unterstützungdurch Material und Logistik für denTransport der flüchtlinge zu den Jubilä-umsveranstaltungen. „Dein Geburtstags-geschenk für 20 Jahre The VOIcE“ – Bit-te verbreitet den Spendenaufruf!http://www.thevoiceforum.org/node/370

1 Förderverein The VOICE e.V.Sparkasse Göttingen, Kontonummer:

127829, BLZ: 260 500 01IBAN: DE97 2605 0001 0000 1278 29,

BIC: NOLADE21GOE, Stichwort: 20yrsQuelle: Kompass AntiRa Newsletter

September 2014 �

Menschenwürdige Aufnah-me von Asylsuchendenmuss gesichert werdenDie chaotischen Zustände bei der Auf-nahme neuer Asylsuchender in Berlinund Bayern verletzen die völkerrechtli-chen Verpflichtungen der Bundesrepu-blik. Damit muss endlich Schluss sein,fordert Ulla Jelpke, innenpolitische Spre-cherin der fraktion DIE LINKE, anläss-lich der Schließung der Zentralen Auf-nahmeeinrichtung für Asylbewerber inBerlin. Jelpke weiter:

Dass den Unionsinnenministern derLänder bei ihrem Treffen in Weimar nichtmehr einfällt, als über Verschärfungen desAsyl- und Abschiebungsrechts nachzu-denken, ist ein weiteres Symptom einervollkommen verfehlten Politik. Seit Jah-ren steigen die Asylbewerberzahlen inDeutschland. Ein Ende von Krieg undUnterdrückung in den Hauptherkunftslän-dern der flüchtlinge – in Syrien, Somalia,Eritrea und Afghanistan – ist nicht abseh-bar. Darauf hätte schon viel früher mitdem Ausbau von Aufnahmekapazitäten

reagiert werden müssen.Auf diese komplexe Problemlage mit

der forderung nach verschärfter Abschie-bepolitik zu reagieren, ist realitätsblindund getragen von ideologischen Abwehr-reflexen gegen flüchtlinge. Dieser Politikerteilen wir eine klare Absage.

Quelle: Pressemitteilunghttp://www.ulla-jelpke.de 04.09.2014 �

Benachteiligung von Flücht-lingskindern beendenDie Aufnahme von flüchtlingskindernmuss verbessert werden, um ihnen einenguten Start in ein neues Leben zu ermög-lichen“, fordert Ulla Jelpke, innenpoliti-sche Sprecherin der fraktion DIE LIN-KE, als Reaktion auf die Studie „In ersterLinie Kinder“, die das UN-Kinderhilfs-werk UNIcEf heute vorgestellt hat. DieAbgeordnete weiter:

Etwa ein Drittel der Asylsuchenden inDeutschland sind Kinder. Von den Ein-schränkungen, denen flüchtlinge durchdas Asylbewerberleistungsgesetz unter-worfen sind, sind sie in besonderer Weisebetroffen. Dazu gehören die Unterbrin-gung in großen Sammelunterkünften stattin Wohnungen, die Beschränkung medizi-nischer Hilfe auf Notfälle und die Versor-gung mit Lebensmittelpaketen statt mitBargeld. Weder in der Gesetzgebungnoch im Handeln der zuständigen Behör-den wird das Kindeswohl angemessen be-rücksichtigt.

Doch es reicht nicht, für Kinder einzel-ne Verbesserungen einzuführen. Kinderbesserzustellen, ändert nichts am generelldiskriminierenden Umgang mit Asylsu-chenden und Geduldeten in Deutschland.DIE LINKE wird sich weiterhin für dieAbschaffung diskriminierende Sonderge-setze gegen schutzsuchende Menscheneinsetzen.

Quelle: http://www.ulla-jelpke.de9.9.2014 �

Bundesweites Treffen zu EU-Arbeitsmigration20. und 21.9.2014 in München: Bundesweites Treffen zu EU-Arbeits-migration

Aus der Einladung: „ … bei dem Work-shop zu „Migration aus Bulgarien undRumänien“ auf der ‘noborder lasts fore-ver’ – Konferenz im februar 2014 habenwir vereinbart, dieses Jahr noch ein bun-desweites Treffen zum Thema „EU-Ar-beitsmigration“ zu veranstalten. … Zielist es zum einen, Erfahrungen auszutau-schen zu Interventionsmöglichkeiten ge-gen die rassistische Hetze zur sogenann-ten „Armutszuwanderung“, gegen Aus-grenzung von sozialen Leistungen, öf-fentlichem Raum und Wohnraum, gegenArbeitsausbeutung und Prekarisierung.Zum anderen wollen wir auch langfristigNetzwerke und Kampagnen starten.

Wir schlagen also für’s erste folgendeThemen vor:► Erfahrungsaustausch von (selbstorga-

nisierten) Kämpfen um Wohnraum,freiraum, soziale Rechte, faire Arbeit

► Interventionsmöglichkeiten in die so-genannte „Debatte“ zu „Armustzu-wanderung“ und ihrenleistungsideologischen Konsens

► Möglichkeiten des legal activism (zBin Hinsicht auf den Zugang zu Hartz-IV, Notunterkünfte, Anmeldungen,Kindergeld,..)

► Planung einer translokalen Kampagne…“

Initiative Zivilcourage, http://inizivi.antira.info/Kompass –Antira-Newsletter September

2014 �

Sichere Herkunftsländer? Ein Schlag ins Gesicht für verfolgteRoma

Am 19. September wird im Bundesratüber eine Änderung des Asylgesetzesentschieden, die unter anderem Serbien,Bosnien Herzegowina und Mazedonienzu sogenannten „sicheren“ Herkunftslän-dern machen möchte.

Wir haben in den vergangen Jahren un-zählige Stellungnahmen, Berichte und In-terviews veröffentlicht, die belegen, dasses kein sicheres Leben für Roma in die-sen Ländern gibt – und auch keine Per-spektive darauf. Aus humanitären und po-litischen Gründen sollte den MenschenSchutz vor Ausgrenzung, Verfolgung undsozialer Not geboten werden.

Die Gesetzesänderung feuert hier wiedort Stimmen gegen „Sozialschmarotzer“an. Dabei wäre grade das Gegenteil not-wendig: den Menschen, die hierher geflo-hen sind und fliehen, die zum Teil schonseit Jahren hier leben oder sich aktuell aufdie Suche nach einem menschenwürdigesLeben machen genau diese Perspektivenzu bieten.

Wir fordern eine umfassende Bleibe-rechtsregelung und einen Stopp der Poli-tik, die rassistischer Hetze Vorschub gibt.

Gerade in Deutschland sollte die Redevon historischer Verantwortung ernst ge-nommen werden – was bedeuten würdedenjenigen, die strukturell ausgeschlossenund benachteiligt werden chancen zu ge-ben anstatt den Ausschluss zu wiederho-len und immer weiter zu zementieren.

Quelle: Bundes Roma Verband e. V.9.9.2014 �

Vor dem Aus – oder vor demAusbau?: Abschiebehaft Die Praxis, abzuschiebende Ausländer inHaft zu nehmen, gerät unter Druck. Am17. Juli urteilte der Europäische Ge-richtshof, dass Migranten vor einer Ab-schiebung nicht in normalen Gefängnis-sen untergebracht werden dürfen.

antifaschistische nachrichten 19-2014 11

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:antifaschistische nachrichten 19-201412

Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessenund Nordrhein-Westfalen hatten dies ge-tan und damit gegen eine EU-Richtlinieverstoßen, die separate Abschiebehaft-einrichtungen vorschreibt. Am 25. Juliwurde ein Urteil des Bundesgerichtshofs(BGH) bekannt, nach dem Asylbewerbervor ihrer Abschiebung in ein anderes EU-Land nicht pauschal wegen fluchtgefahreingesperrt werden dürfen. Die Auslän-derbehörden nehmen bei diesen so ge-nannten Dublin-fällen, die mittlerweiledie Mehrheit aller Abschiebungen aus-machen, oft fluchtgefahr an und sperrendie Asylsuchenden deshalb ein. Dafürgebe es keine Rechtsgrundlage, so derBGH.

Nach den beiden Richtersprüchen wur-den bundesweit etwa 30 Abschiebehäft-linge freigelassen. Bund und Länder prü-fen, wie sie mit der neuen Rechtslage um-gehen wollen. Politiker der Grünen undder Linkspartei forderten eine generelleAbschaffung der Abschiebehaft.

Das Bundesinnenministerium arbeitetjedoch seit einigen Monaten an einem„Gesetz zur Neubestimmung der Aufent-haltsbeendigung“. Das soll es ermögli-chen, flüchtlinge, die über andere EU-Staaten nach Deutschland gekommensind, direkt nach ihrer Ankunft in Haft zunehmen. Diese Dublin-fälle sollen dannbis zu ihrer Zurückschiebung in andereEU-Länder im Gefängnis bleiben. Ob dasGesetz im Bundesrat bestehen kann, istoffen.

Quelle: Publikation „Forum MigrationSeptember 2014“ �

Refugees welcome in BarnstedtDer schöne Begriff „Willkommenskul-tur” scheint im medialen und politischenKontext omnipräsent zu sein; oft wird erpropagiert, selten internalisiert und nochseltener umgesetzt. Die 600 Dorfbewoh-ner_innen aus dem niedersächsischenBarnstedt sprechen nicht nur über Will-kommenskultur, sondern leben sie auchvor. Wie die HAZ (Hannoversche Allge-meine Zeitung) in ihrer heutigen Ausgabeberichtet, wurden die 17 flüchtlinge ausdem Sudan, Somalia, der Elfenbeinküsteund dem Libanon, die seit November2013 ins Dorf kamen, von den Anwoh-ner_innen direkt nach ihrer Ankuft herz-lich empfangen. Wer hier in der Provinzrassistische, flüchtlingsfeindliche Ressen-timents erwartet hat, wurde schnell einesbesseren belehrt. Die Barnstedter_innengründeten unmittelbar einen Initiativkreisfür die Asylbewerber_innen im Dorf, derzunächst Sachspenden koordinieren soll-te, aber anhand der Welle von Hilfsbereit-schaft schnell überfordert war. So bekamein Kind bspw. gleich fünf neue fußbällegeschenkt. Schnell wurden die flüchtlin-ge in die Dorfgemeinschaft aufgenom-men.

Die Ortsansässigen unterstützen sie beiall den Dingen, die ihnen nach ihrer(meist psychisch wie physisch sehr be-lastenden) flucht aus ihren Herkunftslän-dern in einem komplett neuen Umfeldschwer fielen: Hilfe beim Lernen derneuen Sprache, Begleitung bei Arzttermi-nen oder Behördengängen u.v.m. Außer-dem werden deutsch-sudanesische Essenveranstaltet und eine Musikmeile organi-siert, um Spenden für Dolmetscher_in-nen und Rechtshilfe für die Neubarnsted-ter_innen zu generieren. Dabei tretendann Punkbands, Jagdhornbläser_innenoder chansonsänger_innen auf, die Bä-ckerei spendet Kuchen und die feuer-wehr engagiert sich mit einem Grillstand.Wer also vorhat, demnächst wieder ir-gendwelche pauschalen Aussagen zu ei-ner wie auch immer gestalteten Willkom-menskultur zu tätigen, dem sei geraten,einfach mal in den Landkreis Lüneburgzu fahren und sich nach dem Dorf zu er-kundigen, in welchem diese ganz selbst-verständlich zum alltäglichen Zusam-menleben dazugehört.

Quelle: http://www.nds-fluerat.org02.09.2014 �

Sofort Flüchtlinge aus demIrak aufnehmen!PRO ASYL fordert schnelle Um -setzung von Merkels Ankündigung.De Maizière soll Italien die Durchrei-se von Flüchtlingen nach Deutsch -land anbieten.

„Dort wo Menschen in Not sind, werdenwir helfen, auch durch zusätzliche Auf-nahme von flüchtlingen“, sagte Bundes-kanzlerin Merkel gestern in einer Regie-rungserklärung vor dem Bundestag.

PRO ASYL fordert Bund und Länderauf, diese Ankündigung schnell umzu-setzen und insbesondere Angehörigevon bedrohten Minderheiten (Jesiden,christen und andere) nach Deutschlandauszufliegen. Von besonderer Dringlich-keit sei es, Verletzte, Witwen und Wai-senkinder aus der irakischen Krisenregi-on zu evakuieren. PRO ASYL geht da-von aus, dass sich die Region nichtkurzfristig beruhigen wird. „Deutsch-land und Europa müssen sich auf dauer-haft höhere flüchtlingszahlen einstel-len“, sagte PRO ASYL-GeschäftsführerGünter Burkhardt. (Presseerklärungvom 1.9.2014)

In Deutschland leben zahlreicheflüchtlinge aus dem Irak, darunter auchzehntausende Angehörige der jesidischenVolksgruppe und anderer verfolgter Min-derheiten. Viele von ihnen bangen in die-sen Tagen um das Leben ihrer Angehöri-gen im Irak und wollen sie zu sich nachDeutschland holen.

Günter Burkhardt mahnte, Deutschlandmüsse die Aufnahme von flüchtlingen ausdem Irak zügig organisieren. Anders als imSyrienkonflikt sollte eine schnelle Reakti-

on erfolgen. Bund und Länder hatten Son-derprogramme aufgelegt, um syrischenflüchtlingen die Einreise nach Deutsch-land zu ermöglichen. Die Aufnahme star-tete jedoch erst mit monatelanger Verzöge-rung und kam danach nur schleppend vo-ran. „Es ist dringend geboten, sofort zuhandeln, um Menschenleben zu retten“,sagte Burkhardt. Neben der flüchtlings-aufnahme gehöre dazu auch, legale Wegezu schaffen, damit irakische flüchtlingenach Europa kommen können.

So lange die EU nicht handelt, sind tau-sende flüchtlinge aus dem Nahen Ostengezwungen, über das offene Mittelmeerauf Booten nach Europa zu fliehen. Esgibt keine legalen fluchtwege. Dies ist ei-ner der Gründe, weswegen Italiens Mari-ne in der Operation Mare Nostrum mehrals 110000 flüchtlinge auf dem Meer ge-rettet hat.

PRO ASYL fordert Innenminister deMaizière auf, beim heutigen Treffen mitseinem italienischen Amtskollegen anzu-bieten, in Italien ankommenden flücht-lingen mit Verwandten in Deutschland dieWeiterreise zu gestatten. Deutschlanddürfe nicht länger Italien die Verantwor-tung für die aus Seenot Geretteten aufbür-den. Die starre europäische Zuständig-keitsregelung Dublin III müsse grundle-gend geändert werden.

Quelle: Presseerklärung PRO ASYL2.9.2014 �

Flüchtlingsrat MV kritisiertfahrlässige Äußerungen zumThema FlüchtlingszahlenDer flüchtlingsrat Mecklenburg-Vor-pommern kritisiert fahrlässige Äußerun-gen von Innenminister Lorenz caffierzum Thema flüchtlingszahlen. caffierhatte am gestrigen Donnerstag (4.9.2014)erklärt, wir könnten nicht mehr flüchtlin-ge aufnehmen und dies mit der hohenZahl, den Sorgen der Bevölkerung undden steigenden Kosten begründet.

Dazu der flüchtlingsrat: Asyl ist einMenschenrecht. Die BundesrepublikDeutschland hat die Allgemeine Erklä-rung der Menschenrechte unterzeichnet.Völkerrecht, die EU-Gesetzgebung undnicht zuletzt das Grundgesetz sind ver-bindlich. Wir müssen flüchtlinge aufneh-men – auch wenn das Geld kostet.

Innerhalb Europas liegt Deutschlandmit seinen Asylzahlen seit Jahren im Mit-telfeld. Die Bundesrepublik Deutschlandist das bevölkerungsreichste Land Euro-pas. Mit neun Asylanträgen pro 10000Einwohner_innen lag Deutschland 2012auf Platz 10 der EU-Staaten. Auch 2013belegte Deutschland nicht den Spitzen-platz. Den höchsten flüchtlingsanteil proEinwohner hatte 2013 laut EUROSTATSchweden (5,7 Asylanträge pro TausendEinwohner), gefolgt von Malta (5,3 Anträ-ge). Die kleine Mittelmeerinsel und dasnordeuropäische Königreich nahmen in

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antifaschistische nachrichten 19-2014 13

den vergangenen vier Jahren ungefähr 20Asylbewerber pro Tausend Einwohnerauf. Das wirtschaftlich starke Deutschlandbelegte 2013 mit 3,5 Asylbewerber protausend Einwohner in Europa Platz neun,weltweit lediglich Platz 16. (Quelle: Eu-rostat). Dem Vergleich mit Staaten im Na-hen Osten oder in Afrika können wir an-gesichts der von der UNO-flüchtlingshil-fe genannten 51,2 Millionen flüchtlingeweltweit gar nicht standhalten. Der Liba-non hat derzeit einen flüchtlingsanteil von25 Prozent. Ein Viertel der Bevölkerungkommt also aus den Nachbarstaaten.

Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende desflüchtlingsrates: „Eine solche Debatte ineinem Bundesland loszutreten, in dem derAnteil gerade mal 3 Promille beträgt istmehr als fahrlässig. Minister caffierspielt mit den Ängsten der Bevölkerungund bestätigt sie. Er stärkt damit diejeni-gen, die mit ihrer unmenschlichen Ein-stellung gegen die Ärmsten der Armen,die alles verloren haben, ihre rechtsextre-men Ziele verfolgen. Dabei besteht garkein Grund zur Besorgnis. In der Vergan-genheit kamen zwar schon wenigerflüchtlinge nach Deutschland, aber esgab auch schon wesentlich höhere Zah-len. Mit vernünftiger Planung könntenwir viel mehr Menschen aufnehmen.

Diese Debatte ist einzuordnen in dasVorfeld der Innenministerkonferenz imHerbst. Die cDU plant eine Verschärfungdes Asylrechts. Sie benötigt dazu die Un-terstützung aus der Bevölkerung. Auchich sehe Parallelen zu Lichtenhagen1992. Damals wurde ebenfalls nichts ge-tan, um die Sorgen der Menschen ernst-zunehmen und vor allem auszuräumen.Das Gegenteil war in der öffentlichen De-batte der fall. Die politische Hetze gegenAsylsuchende lieferte den Gewalttäternvon Rostock-Lichtenhagen die Stichwor-te. Die Eskalation wurde von der Landes-regierung und der Stadt Rostock sehen-den Auges in Kauf genommen. Das Po-grom wurde von den Polizeibehördennicht verhindert und anschließend als He-bel zur Verstümmelung des Grundrechtsauf Asyl instrumentalisiert. Die folge war1993 die Mehrheitsbildung für eineGrundgesetzänderung zur Einschränkungdes Asylrechts und für die Einführung desAsylbewerberleistungsgesetzes.“Quelle: Pressemitteilung Flüchtlingsrat

M-V e.V., 05. September 2014 �

Sichere Herkunftsländer? Ein Schlag ins Gesicht für verfolgteRoma

Am 19. September wird im Bundesratüber eine Änderung des Asylgesetzesentschieden, die unter anderem Serbien,Bosnien Herzegowina und Mazedonienzu sogenannten „sicheren“ Herkunftslän-dern machen möchte.

Wir haben in den vergangen Jahren un-zählige Stellungnahmen, Berichte und In-

terviews veröffentlicht, die belegen, dasses kein sicheres Leben für Roma in die-sen Ländern gibt – und auch keine Per-spektive darauf. Aus humanitären und po-litischen Gründen sollte den MenschenSchutz vor Ausgrenzung, Verfolgung undsozialer Not geboten werden.

Die Gesetzesänderung feuert hier wiedort Stimmen gegen „Sozialschmarotzer“an. Dabei wäre grade das Gegenteil not-wendig: den Menschen, die hierher geflo-hen sind und fliehen, die zum Teil schonseit Jahren hier leben oder sich aktuell aufdie Suche nach einem menschenwürdigesLeben machen genau diese Perspektivenzu bieten.

Wir fordern eine umfassende Bleibe-rechtsregelung und einen Stopp der Poli-tik, die rassistischer Hetze Vorschub gibt.

Gerade in Deutschland sollte die Redevon historischer Verantwortung ernst ge-nommen werden – was bedeuten würdedenjenigen, die strukturell ausgeschlossenund benachteiligt werden chancen zu ge-ben anstatt den Ausschluss zu wiederho-len und immer weiter zu zementieren.

Flüchtlingsrat und Anti -diskriminierungsverbandSH besorgt über Roma-feindliche GesetzeGesetzesinitiativen des Bundes be-fördern antiziganistische Diskrimi-nierungen

flüchtlingsrat und Antidiskriminierungs-verband Schleswig-Holstein nehmen mitBlick auf die aktuelle Studie der Antidis-kriminierungsstelle des Bundes über inder Bevölkerung verbreitete Einstellungengegenüber Sinti und Roma in DeutschlandStellung zu aktuellen Gesetzesinitiativen.

„Die Befunde der Studie sind aus Sichtder Antidiskriminierungsstelle des Bun-des (ADS) und des Zentralrates Deut-scher Sinti und Roma dramatisch“, mahntschon der erste Satz der gerade erschiene-nen Studie „Zwischen Gleichgültigkeitund Ablehnung“ zu Bevölkerungseinstel-lungen gegenüber Sinti und Roma inDeutschland. Die Antidiskriminierungs-stelle hatte die lesenswerte Studie beimZentrum für Antisemitismusforschungder TU Berlin und beim Institut für Vor-urteils- und Konfliktforschung e.V. inAuftrag gegeben.

Rund 20 Prozent der Befragten wissendemnach nichts über die Verfolgungenund Ermordungen von Sinti und Romazur Zeit des Nationalsozialismus. fast dieHälfte der Befragten steht der Ansicht,Deutschland habe gegenüber den Sintiund Roma eine historische Verantwor-tung, skeptisch gegenüber oder teilt sienicht. Sinti und Roma werden von je-dem/jeder Dritten für unsympathisch ge-halten, eben so viele Befragte fänden esunangenehm, Sinti oder Roma in derNachbarschaft zu haben.

Das sind nur einige Ausschnitte der Be-funde, die die ADS und den ZentralratDeutscher Sinti und Roma dazu veranlas-sen, einen forderungskatalog aufzustel-len. Gefordert werden unter anderem Ver-besserungen beim rechtlichen Schutz vorDiskriminierungen durch staatliche Stel-len, ein eigenständiges Klagerecht fürAntidiskriminierungsverbände und dasEnde des sogenannten „racial profiling“durch die Polizeibehörden.

Der flüchtlingsrat und der Antidiskri-minierungsverband Schleswig-Holsteinbegrüßen diesen forderungskatalog aus-drücklich und formulieren insbesonderemit Blick auf die Tätigkeit des Gesetzge-bers aus aktueller Sicht Ergänzungsbe-darf. Denn die Umsetzung von zwei aktu-ellen Gesetzesinitiativen würde sich vorallem für Roma verheerend auswirken.

„Während der Bund unter den Ländernderzeit Mehrheiten für ein Gesetz sucht,das flüchtlingen aus dem Westbalkanpauschal die Asylwürdigkeit abspricht,“mahnt Andrea Dallek vom flüchtlingsratSchleswig-Holstein, „äußern Verwal-tungsgerichte in Stuttgart und MünsterZweifel an der Praxis des Bundesamtesfür Migration und flüchtlinge, Asylanträ-ge serbischer Roma als offensichtlich un-begründet abzulehnen.“

Die von der Bundesregierung geplanteErklärung Serbiens, Mazedoniens undBosnien-Herzegowinas zu sicheren Her-kunftsstaaten ignoriere die systematischdiskriminierenden Bedingungen und da-mit Verfolgungstatbestände, denen Romain diesen Ländern ausgesetzt seien.

Auch die aktuelle Gesetzesinitiative zurVerschärfung des EU-freizügigkeitsrechteskonterkariert nach Ansicht beider Akteuredie forderungen der Antidiskriminierungs-stelle des Bundes, gegen institutionelle Dis-kriminierungen vorzugehen. Jana Pecenkavom Antidiskriminierungsverband erklärt:„Anstatt den vor allem gegen Roma gerich-teten Generalverdacht des ‚Sozialbetrugs‘,als rassistisch und antiziganistisch zu ent-larven, wird ihm hier durch eine Gesetzes-initiative Vorschub geleistet.“

Quelle: Presseerklärung Flüchtlingsratund Antidiskriminierungsverband

Schleswig-Holstein 09.09.2014

ECRE-Studie nennt Defiziteim europäischen AsylsystemDie EU ist nach Ansicht des Europäi-schen flüchtlingsrats EcRE noch immerweit von der Verwirklichung eines ge-meinsamen Asylsystems entfernt. Diesist das Ergebnis einer Studie, die EcREam 9. September 2014 in Brüssel der Öf-fentlichkeit präsentierte.

Der Titel der Studie „Mind the Gap“(deutsch: „Achten Sie auf den Abstand!“)verweist darauf, dass nach Ansicht der Au-toren zwischen dem Anspruch der EU, einGemeinsames Europäisches Asylsystem(GEAS) zu schaffen, und der Realität in

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den Mitgliedstaaten weiterhin eine großeLücke klafft. So müssten Asylsuchendeimmer größere Risiken eingehen, um dasTerritorium der EU zu erreichen. Allein imRahmen der italienischen Operation „MareNostrum“ seien über 100000 Menschenim Mittelmeer aus Seenot gerettet worden.Dies mache deutlich, dass ein enormer Be-darf bestehe, sichere und legale Zugangs-wege für flüchtlinge nach Europa zu er-öffnen. Stattdessen würden die EU-Staatenaber wieder dazu übergehen, Maßnahmenzu ergreifen, die in der Vergangenheit be-reits gescheitert seien und mit denen ver-sucht werde, durch verstärkte „Grenzsi-cherung“ sowie durch die Kooperation mitStaaten außerhalb der EU „illegale Migra-tionsströme“ zu bekämpfen.

Asylsuchende, die die EU erreichen,werden laut EcRE noch immer mit einerReihe von Problemen konfrontiert, dieden Zugang zu einem fairen Asylverfah-ren behindern:•..fehlender oder eingeschränkter Zu-

gang zu Unterkunft und zur Grundver-sorgung: Zum Beispiel hätten Asylsu-chende in frankreich im Jahr 2014durchschnittlich 12 Monate daraufwarten müssen, in einer Aufnahmeein-richtung für Asylsuchende unterge-bracht zu werden.

•..Inhaftierung von Asylsuchenden aufproblematischer Rechtsgrundlage sowieunzureichende Haftbedingungen: InUngarn hätten sich im April 2014 26%aller Asylsuchenden in Haft befunden.

•..fehlender Zugang zu kostenloser undqualifizierter Rechtsberatung.

•..fehlende Mechanismen, um Asylsuchen-de mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Op-fer von folter oder Minderjährige) zu iden-tifizieren und angemessen zu versorgen.Die erheblichen Unterschiede in Asyl-

recht und -praxis der EU-Mitgliedstaatenwerden in der Studie auch durch umfang-reiche Statistiken belegt. Dabei werdenzum Beispiel die enormen Abweichungenbei Anerkennungsquoten von Asylsu-chenden deutlich:

Demnach erhielten im Jahr 2013 infrankreich lediglich 17% somalischerAsylsuchende einen Schutzstatus, währenddie entsprechende Quote in den Niederlan-den bei 90% und in Italien bei 96% lag.Auch bei syrischen Asylsuchenden kam esim Jahr 2013 zu starken Abweichungen.Hier erhielten in Italien 51% der Antrag-steller Schutz, während es in Deutschland99% sowie in Bulgarien und Malta jeweils100% waren. Demgegenüber hatten Asyl-suchende aus der Russischen föderationim Jahr 2013 in Deutschland nur sehr ge-ringe chancen auf einen Schutzstatus(2%), während die Anerkennungsquoten inanderen europäischen Ländern deutlich hö-her ausfielen (Österreich: 26%, frankreich:26%, Großbritannien: 41%). …

Quelle: Europäischer FlüchtlingsratECRE 09.09.2014 �

Schluss mit demAushungern der Refugees!

Vor mehr als einer Woche besetzten Refu-gees das Dach ihrer vormaligen Unter-kunft in der Gürtelstraße in friedrichs-hain. Sie sind frühere Bewohner des Ora-nienplatzes und fallen damit unter die sogenannte O-Platz-Regelung, ausgehan-delt im „Einigungspapier Oranienplatz“zwischen den Refugees und Senatorin Di-lek Kolat im Auftrag des Berliner Senats.Während die Refugees ihren Teil der Ver-einbarung erfüllt haben … halten sich we-der Senat noch Ausländerbehörde an ihreZusagen: In keinem fall wurde bisherernsthaft einzelfallbezogen geprüft. Esgibt keine einzige Umverteilung nachBerlin, keine einzige Aufenthaltserlaub-nis, keinen Abschiebestopp, nicht einmalreguläre medizinische Versorgung. Statt-dessen wurden 108 Refugees, deren Asyl-verfahren für abgeschlossen erklärt wur-den, mittellos auf die Straße gesetzt,sprich sie sind seitdem obdachlos.

Aus Protest gegen diesen Vertragsbruchbesetzten am 26. August einige von denRefugees das Dach der Gürtelstraße 39.Noch sieben von den anfangs zehn Män-nern aus Niger harren seitdem ohne Essenund praktisch ohne Wasser aus. WederAnwält*innen noch Ärzt*innen werdenzu ihnen vorgelassen. Einer der Protestie-renden ist an Tuberkulose erkrankt, er er-hielt seine lebenswichtigen Medikamenteerst nach einigen Tagen und ohne Wasser.fehlender Strom macht die Kommunika-tion nach außen inzwischen unmöglich.Die menschenverachtende Politik desBerliner Senats und der Polizei ist offen-sichtlich: um den legitimen Protest zubrechen, sollen die Dachbesetzer ausge-hungert werden. Gravierende gesundheit-liche Schäden für die Betroffenen werdendabei bewusst in Kauf genommen.Quelle: Pressemitteilung Medibüro Ber-

lin 4.9.2014 �

Berlin: Sozialsenator Czajasetzt Asylrecht außer Kraft Berlins Zentrale Aufnahmestelle fürAsylbewerber verweigert dieAnnahme von Asylanträgen

Wie Sozialsenator Mario czaja (cDU)heute Mittag auf einer Pressekonferenzbeim Landesamt für Gesundheit und So-ziales (LAGeSo)bekannt gab, werden inBerlin vorerst keine Asylanträge mehrangenommen. für die Betroffenen bedeu-tet das: Kein Zugang zum verfassungs-und europarechtlich garantierten Asyl-recht, kein Zugang zur polizei- und men-schenrechtlich gebotenen Existenzsiche-rung, keine Annahme des Asylgesuchszur Weiterleitung an das Bundesamt fürMigration und flüchtlinge BAMf, keineZuweisung einer Unterkunft zur Vermei-dung von Obdachlosigkeit, keine Verpfle-gung und keine medizinische Versorgung.

Zum wiederholten Male setzt die inBerlin für die Annahme von Asylanträgenallein zuständige „ZENTRALE AUf-NAHMEEINRIcHTUNG fÜR ASYL-BEWERBER ZAA“ beim LAGeSo Ber-lin Asylsuchende rechtswidrig ohne Ver-pflegung der Obdachlosigkeit aus. Be-gründet wird dies mit dem „flüchtling-sansturm“ bei der ZAA, in den letztenbeiden Tagen seien dort je 100 Asylanträ-ge gestellt worden. Man hoffe, so Mitar-beiterInnen des LAGeSo, die flüchtlingewerden auf andere Bundesländer auswei-chen. Dabei ist die Schließung nicht mitanderen Bundesländern abgesprochen.

Schon bisher werden neu ankommendeAsylsuchende gleichmäßig auf die Bun-desländer verteilt. Dabei gehört aber auchdie geordnete Zuweisung und Weiterlei-tung Asylsuchender an andere Bundes-länder nach dem „Königsteiner Schlüs-sel“ zu den Pflichtaufgaben der nunmehrgeschlossenen Berliner ZAA.

Während neu in Berlin ankommendeflüchtlinge im August 2014 nur nochHostel-Gutscheine erhalten hatten, umsich – oft erfolglos – selbst Schlafplätzezu besorgen – vgl. PM des flüchtlingsratsvom 14.8.14 und vom 4.10.13 – wird ih-nen nun erklärtermaßen jegliche Schlaf-möglichkeit verweigert, da Asylanträgenicht einmal mehr entgegengenommenwerden. Das Land Berlin ist gesetzlichverpflichtet, asylsuchenden Menscheneine Unterkunft nachzuweisen, und sieals Asylsuchende ggf. auch an andereBundesländer zuzuweisen. … „Senatorczaja setzt willkürlich Grund- und Men-schenrechte und das Asylrecht außerKraft“, so Nora Brezger vom flüchtlings-rat Berlin, „wir sind schockiert über dasskrupellose Vorgehen des Gesundheits-und Sozialsenators, die asylsuchendenMenschen ohne Nahrung und Dach überdem Kopf und ohne medizinische Hilfesich selbst zu überlassen.“

So wurde heute einer allein reisendenMutter mit zwei Kindern im Alter vonzwei und vier Jahren aus Tschetschenien,die vorsprechen wollte um ihr Asylge-such zu stellen, mitgeteilt, sie dürfe erstam 16.9.2014 wieder vorsprechen. Bisdahin wurden weder Übernachtungsmög-lichkeiten bereitgestellt, noch bekam sieVerpflegungsgeld und Krankenscheine,noch einen Termin beim Bundesamt fürMigration und flüchtlinge BAMf zurförmlichen Asylantragstellung.

Jeder neu ankommende Asylsuchendewird seit heute von der ZAA abgewiesenund auf einen Termin ein oder zwei Wo-chen später verwiesen. Der flüchtlingsratfordert die sofortige Öffnung der ZAAund die sofortige Annahme von Asylan-trägen neu ankommender flüchtlinge, so-wie ihre Unterbringung und Verpflegung.…

Quelle: Presseinformation Flüchtlings-rat Berlin 03.09.2014 �

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Seit Monaten führt das„Schlafwandler“-Buch vonch. clark die Bestsellerlistean. Doch was ist dran an derBehauptung, alle seienirgendwie in den Ersten Welt-krieg „geschlafwandelt“? Da-rauf gibt das Buch des fran-zösischen Historikers und Ar-chivars camille Bloch über„Die Ursachen des ErstenWeltkrieges“ eine klare Ant-wort: Nichts. Obwohl bereits1933 in Paris und 1935 indeutscher Übersetzung in Zü-rich erschie-nen, ist eskeineswegsüberholt. ImDritten Reichverboten, hates der DonatVerlag soebenals wichtigenBeitrag zurgegenwärti-gen Debatteüber dieKriegs -schuldfrage1914 heraus-gebracht undmacht es da-mit der deut-

schen Öffentlichkeit zum ers-ten Mal bekannt.

Anders als clark befasstsich Bloch nicht mit der Psy-che der europäischen Staats-männer und besteht als kennt-nisreicher und überausbewährter Archivar auf der„historischen Methode“. …Im Wesentlichen stellt Blochzwei Thesen auf. Zum einen:In der enormen Menge der biszum Tag des Erscheinens sei-nes Buches veröffentlichtenDokumente findet sich – und

so ist es auch heute noch –kein Indiz dafür, welches zuder Annahme berechtigt, dasses ohne die konzertierten Ak-tionen der deutschen undösterreichischen Machthaberim August 1914 zu einemKrieg gekommen wäre. …Zum anderen: Die Bemühun-gen der vier genannten Mäch-te, den frieden zu erhalten,haben deren Gegner bis EndeJuli anerkannt. Erst als die di-plomatischen finten zu nichtsmehr taugten und aller Weltvor Augen stand, wer das Rä-derwerk des Krieges in Ganggesetzt hat, bezichtigte man

den feind der Aggression, ge-gen die man gezwungen sei,sich verteidigen zu müssen.

… Wie schon die nach1914 überzeugten Propagan-disten deutscher Unschuldverteidigen ihre Nachfahrennach hundert Jahren jenedeutschen Machthaber, dieEuropa und die Welt in denAbgrund gestürzt haben. …Herausgegeben und mit einerEinleitung von Helmut Donat[= Schriftenreihe Geschichte& Frieden, Bd. 28] 240 Sei-

ten, 6 Abbildungen, 14.80 € –ISBN 978-3-943425-29-1

Wuppertal, 19.-21.9.2014:Kongress mit Prof. Dr. KlausTheweleit, Prof. Dr. ArnoKlönne, Dr. Dieter Nelles,Dr. Holger Politt, Dr. OliverSchulz, Dr. Gudrun Brock -haus, Yves Müller, Ángel Al-cade, Silke fehlemann, Dr.Joachim Schröder, MarcelBois, Malte Meyer, PieterTrogh, Dr. Stephan Stracke,Dr. Salvador Oberhaus, AnkeHoffstadt, frank Werner,Bernd Hüttner

Eine Veranstaltung derRosa-Luxemburg-StiftungNRW und der Rosa-Luxem-burg-Stiftung (Bund)

Heute, hundert Jahre nachseinem Beginn im August1914, stehen der ErsteWeltkrieg und seine Geschichteim besonderen fokus deröffentlichen Aufmerksamkeitund einmal mehr wird nach den

Ursachen und Verursachern ge-fragt. Wir möchten diese Debat-ten aufgreifen, reflektieren undweiterführen: Wie wurde undwird der Erste Weltkrieg seitnunmehr 100 Jahren ver- undbearbeitet? Inwiefern ist derErste Weltkrieg seit 100 Jahrenein Bezugspunkt für verschie-dene Deutungen, Identitätskon -struk tionen und Geschichtspoli-tiken?

„Geschichte wiederholtsich nicht, aber sie reimtsich…“ – von Mark Twainsderzeit vielzitierter Bemer -kung zur (Un)Ver gleich -barkeit historischer Struktu-ren und Ereignisse bis zuKurt Tucholskys Aufruf„Krieg dem Kriege!“ von1919 andererseits entspanntsich ein ganzer Bogen vonfragen nach politischen undsozialen Zusammenhängen,

nach ihrerLanglebig-

keit und Aktualität bis in un-sere Gegenwart hinein. Wirwollen Verbindungslinien,Kontinuitäten, Brüche undStrukturen der verschiedenenBezugnahmen auf den ErstenWeltkrieg ausloten und unsdabei vor allem auf kultur-und mentalitätshistorischeZugänge konzentrieren:a.. Welche Rolle spielt der

Erste Weltkrieg für dieStrukturen und Entwick-lungen des Nationalsozia-lismus?

b.. Welche Auswirkungenhatte der Erste Weltkriegauf die in der ArbeiterIn-nenbewegung organisiertepolitische Linke? Und wiebezog sie sich ihrerseitsauf den Ersten Weltkrieg?

c.. Wie sind die geschichtspo-litischen Interpretationenund Standpunkte sowie dieerinnerungskulturellenPraktiken im„Erinnerungsjahr 2014“einzuordnen? Was bedeu-

tet es, den Krieg als „Ur-katastrophe“ zu denkenund von zivilisatorischenBruchkanten, Zäsurenoder Kontinuitäten im„kurzen 20. Jahrhunderts“zu sprechen?

Wir laden Sie und Euchherzlich ein, ein Wochenendemit Vorträgen, Workshops,filmabend und Ausstellungs-exkursion mit fragen,Gesprächen und Diskussionenmitzugestalten.

Ort: Die Börse, Wolkenburg100, 42119 Wuppertal

Weitere Infos, Programm undAnmeldung unter

www.nrw.rosalux.de/nc/event/50792/geschichte-wiederholt-

sich-nicht-aber.htmlRosa-Luxemburg-Stiftung

Regionalbüro NRW

antifaschistische nachrichten 17-2014 15

: ankündigungen

Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:GNN-Verlag, Venloer Str. 440, 50825 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. email: [email protected], Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Venloer Str. 440, 50825 Köln. V.i.S.d.P.: Jörg DetjenRedaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg, NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, H. Deilke GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327Stuttgart, Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,50 Euro.Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Venloer Str. 440, 50825 Köln. Sonderbestellungen sindmöglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt.

Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinungder Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann.

Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Verein für politische Bildung, linke Kritik undKommunikation); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN – Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrume.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN – Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (MdB DIE LINKE); UlrikeBach, Edith Bergmann, Christoph Cornides; Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; Angelo Lucifero; Kai Metzner (minuskelscreen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk.

„Geschichte wiederholt sich nicht, aber …“100 Jahre Erster Weltkrieg, 100 Jahre Bezugnahmenund Deutungen in Europa

Die Ursachen des Ersten WeltkriegesCamille Bloch

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:antifaschistische nachrichten 17-201416

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AfD – Durchbruch in Sachsen –Hoffnungen des Blattes

Junge Freiheit Nr. 37 + 38/14 vom 5. und12.9.2014

Als einen „Sieg“ betrachtet chefredak-teur Dieter Stein das Wahlergebnis derAfD in der sächsischen Landtagswahl, erbetrachtet ähnliche Wahlergebnisse inThüringen und Brandenburg als sicher:„Mit drei Landtagsfraktionen und derPräsenz im EU-Parlament wird die AfDin vierzehn Tagen zur etablierten Größe.“Dem Blatt scheint ein strategischerWechsel möglich: „Die politischen Ge-wichte verlagern sich damit. Die fDP alswankelmütiger Lobbyistenclub linkslibe-raler Meinungsmacher und Wirtschafts-verbände ist paralysiert, die Union hat ihrhochnäsig missbrauchtes Monopol aufVertretung der bürgerlichen Mitte verlo-ren. Die cDU spürt nun den heißen Atemder AfD im Nacken … Die Altparteien,Grüne und Linke eingeschlossen, ma-chen nun die Erfahrung, dass sie denStaat und die Parlamente nicht für sichgepachtet haben. Es lebe die Demokra-tie!“ Ganz so ernst meint es das Blatt mitder angeblichen Mitte, die die AfD fürsich erobert habe, nicht. In der folgendenAusgabe erläutert Stein, warum das Blattdie Partei so unterstützt, dass sich schonmanche Leser beschweren, das Blatt sei„fast schon eine Parteizeitung“: Das Blatthabe schon zahlreiche Parteien als „kon-servative, rechtsdemokratische“ Alterna-tiven unterstützt – die Republikaner, denBund freier Bürger, die Schill-Parteiebenso wie die rechten flügel in denUnionsparteien und der fDP – MartinHohmann, Alexander von Stahl. Jetztaber bestehe Hoffnung: „Zweifellos istdie bisherige Entwicklung der AfD fürdie Parteiengeschichte der Bundesrepu-blik ohne Beispiel. Seit dem Verschwin-den der Deutschen Partei … ist sie dieerste ernsthafte konservative Herausfor-

derung für sie und die cSU, die an dieSubstanz gehen könnte. Insofern ist esfür die künftige Ausrichtung der Repu-blik von enormer Bedeutung, ob sich dieArithmetik durch die AfD verschiebt:Die Union verliert ihr Monopol auf Ver-tretung der bürgerlichen Mitte, die fDPgeht als linksliberaler faktor unter, undes eröffnen sich so Spielräume für rechts-liberale, konservative Politikinhalte.“ Obdies der AfD gelingen kann, hängt zu ei-nem erheblichen Teil auch davon ab, wiedie anderen Parteien mit ihr umgehen –behandeln sie sie „normal“ oder pflegensie einen Umgang wie mit anderen rech-ten Parteien – keine Verbrüderung, keinAustausch von Höflichkeiten, keine Zu-sammenarbeit.

Mal wieder: Flüchtlinge alsBedrohungJunge Freiheit Nr. 37/14 vom 5. September 2014

Der „Zustrom von Asylbewerbern“wachse bedrohlich und sei außer Kon-trolle titelt das Blatt. Tatsächlich steigtdie Zahl von flüchtenden stark an – liegtaber 2014 noch immer unter der Zahl von1995 – in diesem Jahr haben bislang ca.100 000 Menschen einen Antrag auf Asylin der Bundesrepublik gestellt, im Jahr1995 waren es 167 000. Das war bereitsnach der Auflösung des Asylrechts imGrundgesetz. Jetzt aber malt das Blatt re-gelrechte Schreckensszenarien an dieWand. Die steigenden Zahlen seien derBeweis dafür, dass nicht flucht und Ver-folgung, sondern „dreiste Einwanderungin den deutschen Sozialstaat“ Ursachesei. Dass die flüchtlingszahlen in ande-ren Ländern noch mehr steigen, dass z.B.Schweden mit 9,5 Millionen Einwohnernin diesem Jahr bereits über 60 000flüchtlinge aufgenommen hat, nimmtdas Blatt nicht zur Kenntnis, sondern for-dert zynisch: „Herabsetzung der mate-

: aus der rechten presse

riellen Anreize für illegale Einwanderungund Asylbetrug, Wiedereinführung wirk-samer Grenzkontrollen und ein Grenzre-gime an den EU-Außengrenzen, das auf-gegriffene illegale Einwanderer umge-hend zurückschleppt und nicht denSchleusern und Schleppern auf den letz-ten Metern auch noch den Transport ab-nimmt.“ Das heißt: Sollen sie doch imMittelmeer umkommen – denn die italie-nische Marine sammelt die flüchtlingeauf, deren Boote vom Untergang bedrohtsind. Das heißt auch, das Urteil des Bun-desverfassungsgerichts zum Asylbewer-berleistungsgesetz auszuhebeln. Dergrößte Teil der flüchtlinge kommt zur-zeit aus Syrien und Eritrea, sie flüchtenvor Krieg und Verfolgung. Wohin sollensie zurückgeschleppt werden?

Mit Russland gegen Ameri-ka?Junge Freiheit Nr. 38/14 vom 12. September 2014

Mit „Leitlinien für eine interessenorien-tierte Realpolitik gegenüber Amerika,Russland und Osteuropa“ macht dasBlatt auf – und knüpft an die lange beste-hende antiamerikanische Politik an, mitinteressanten Akzenten: Nicht mehr derAustritt aus Nato und EU, sondern dieNato-Mitgliedschaft biete „Deutschlandauch die Möglichkeit, dem Missbrauchder Nato als Instrument globaler ameri-kanischer Hegemoniepolitik zu wider-sprechen, wenn diese deutschen und eu-ropäischen Interessen zuwiderläuft.“ Undschließlich: „Der Wille Russland ,anders‘zu sein und sich dem unter dem Schlag-wort der ,Demokratie‘ vorangetragenenglobalen Dominanzanspruch westlich-amerikanischer Doktrinen zu unterwer-fen – vom Radikalindividualismus undHomosexuellen-Kult über Multikultura-lismus und Masseneinwanderung bis zurVerachtung und Auflösung der eigenenkulturellen, historischen und religiösenfundamente – sollte respektiert und nichtdämonisiert werden.“ Man ist schon fastversucht, dem Blatt zu raten, nach Russ-land auszuwandern. Aber Zweck derRussland-Sympathie ist die altbekannteIslamphobie: „Und der islamische Extre-mismus und Terrorismus fordert Russ-land ebenso heraus wie Europa und dieUSA. Töricht, sich in einer solchen Si-tuation in eine Neuauflage des KaltenKrieges zu stürzen und sich gegenseitigzu schwächen.“

uld �