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Antiinfektiva - bft-online.de · VORWORT Kontrollierter Einsatz von Antiinfektiva zur Gesunderhaltung der Tiere und zum Schutz des Menschen Veränderte Lebenshaltungsbedingungen und

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Verantwortungsvoller Umgangmit Antiinfektiva zum Schutz von Tier,

Mensch und Umwelt

Antiinfektiva

BfT_Antiinfektiva(RZ) 20.01.2000 10:40 Uhr Seite 1

Inhalt

VORWORT Seite 2

ANTIINFEKTIVA - BAKTERIEN UND VIREN Seite 3Der unterschiedliche Aufbau von Bakterien und VirenDie Einteilung der AntiinfektivaDie Entwicklungsgeschichte der Antiinfektiva Seite 4

Zusammenfassung

ANTIINFEKTIVA - WIRKUNGSMECHANISMUS Seite 5Die verschiedenen Wirkungstypen der AntiinfektivaDie unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der Antiinfektiva

ANTIINFEKTIVA - WIRKUNGSSPEKTREN Seite 6Die Gruppeneinteilung der Antiinfektiva

Zusammenfassung Seite 7

GESUNDERHALTUNG VON HAUS- UND NUTZTIEREN Seite 8Bakterielle InfektionskrankheitenBehandlung bakterieller Infektionen

Zusammenfassung Seite 9

SICHERHEITSPRÜFUNG Seite 10Zusammenfassung Seite 11

WIRKSAMKEIT UND VERTRÄGLICHKEIT Seite 12PharmakodynamikPharmakokinetik

Zusammenfassung Seite 13

RÜCKSTANDSNACHWEIS UND WARTEZEITEN Seite 14Zusammenfassung Seite 15

ABGABE UND ANWENDUNG BEI TIERARZNEIMITTELN Seite 16Abgabe und Anwendung von Tierarzneimitteln in DeutschlandTierarzneimittelverkehr in der europäischen Union Seite 17

Zusammenfassung Seite 18

EINSATZ VON ANTIINFEKTIVA BEI TIEREN Seite 19Resistenz- und EmpfindlichkeitsprüfungResistenzmechanismenEmpfindlichkeitsprüfungResistenzmonitoring Seite 20Umgang mit Antiinfektiva

Zusammenfassung Seite 22

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VORWORT

Kontrollierter Einsatz von Antiinfektiva zur Gesunderhaltung der Tiere und zumSchutz des MenschenVeränderte Lebenshaltungsbedingungen und die steigende Weltbevölkerungszahl stellenneue Anforderungen an die Produktion vom Tier stammender Lebensmittel. Der Verbrauchererwartet, dass seine Bedürfnisse durch das Nahrungsmittelangebot und die Lebensmittel-qualität befriedigt werden, wobei auf die Gesundheit der Tiere und ihre artgerechteHaltung zunehmend Wert gelegt wird.

Der therapeutische Einsatz von Antiinfektiva dient der Behandlung von Infektionskrank-heiten bei Mensch und Tier.

Das europaweit gültige MRL-Konzept, das unbedenkliche Höchstmengen für jedes Tier-arzneimittel festlegt, hat zu einer entscheidenden Verbesserung der Verbrauchersicherheitund des Verbraucherschutzes gegenüber Rückständen von Tierarzneimitteln in Lebens-mitteln geführt.

Der Entwicklung und -übertragung von Resistenzen bei Mikroorganismen liegen komplexeMechanismen zugrunde, die keineswegs auf die Tier/Mensch-Beziehung beschränkt sind.Durch eine Risikobewertung wird derzeit abgeschätzt, inwieweit durch Resistenzüber-tragung nach Anwendung von Antiinfektiva in der Tierhaltung eine tatsächlicheGefährdung der menschlichen Gesundheit besteht.

Nur der verantwortungsvolle Umgang mit Antiinfektiva garantiert ein Höchstmaß an Schutzfür das Tier, den Verbraucher und die Umwelt.

Eine wettbewerbsfähige Tierproduktion, die sichere Lebensmittel erzeugt, ist nur danngewährleistet, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovation auf dem Gebiet derProphylaxe und Therapie von Tierkrankheiten genutzt werden können. Die Rahmenbe-dingungen müssen so gestaltet werden, dass es gelingt, den Verbraucherschutz und dieÖkonomie der Erzeugung tierischer Lebensmittel in Einklang zu bringen.

Ziel der Informationsbroschüre ist es, einen Beitrag zum Verständnis des Einsatzes und derBedeutung von Antiinfektiva zur Gesunderhaltung der Tiere zu bieten.

BfT e.V., 1999

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ANTIINFEKTIVA – BAKTERIEN UND VIREN

Der unterschiedliche Aufbau von Bakterien und VirenBakterien sind selbständige Kleinlebewesen mit eigenem Stoffwechsel und daher zumeistauf künstlichem, unbelebtem Nährboden züchtbar. Im Gegensatz zu Tieren und Pflanzen,die aus vielen organisierten Zellen zusammengesetzt sind, bestehen Bakterien nur ausEinzelzellen. Das Erbgut (Genom bzw. Chromosom) der Bakterien, ein doppelsträngigesDNS-Molekül, befindet sich frei im Zytoplasma der Zelle. Dieses Zytoplasma enthält alle fürdas Bakterium lebensnotwendigen Stoffe (Enzyme, Speicherstoffe u.a.) sowie die für dieProteinsynthese erforderlichen Ribosomen.

Das Zytoplasma wird von der Zytoplasmamembran umgeben, die zusammen mit der Zellwand eine den Stoffwechseltransport kontrollierende Barriere bildet. Primär fungiert die Zellwand als Stützgerüst (Mureingerüst).

Das Mureingerüst ist bei den einzelnen Bakterienarten unterschiedlich aufgebaut und reagiert bei Anfärbung mit bestimmten Farbstoffen (Färbung nach GRAM) verschieden-artig. Grampositive Bakterien sind blau und gramnegative Bakterien rot anfärbbar und können somit voneinander differenziert werden. Den Mykoplasmen fehlt eine feste Zell-wand (kein Mureingerüst), weshalb sie nach Gram nicht anfärbbar sind.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit besteht aufgrund der äußeren Bakteriengestalt.Ausgehend von den zwei Grundformen, kugel- und stäbchenförmig, kann zwischenSemmelformen, Lanzett- und Staketform sowie ovoid elliptischen, spindeligen und recht-eckigen Bakteriengestalten unterschieden werden. Bestimmte Bakterien besitzen an ihrerOberfläche zusätzlich Proteinfäden (Pili), die für die Haftung und Kolonisation vonBedeutung sind.

Viren sind dagegen keine eigenständig vermehrungsfähigen Lebewesen, da sie selbst nichtüber die für Wachstum und Teilung erforderlichen Enzyme verfügen. Sie müssen deshalb inlebende Wirtszellen (von Mensch, Tier oder Pflanze) eindringen und dort zu ihrerVermehrung die unterschiedlichen Einrichtungen des Wirtszellstoffwechsels benutzen. Dergenaue Aufbau dieser einzelligen Krankheitserreger mit innenliegender Desoxyribonu-kleinsäure (DNS) oder Ribonukleinsäure (RNS) ist nur im Elektronenmikroskop erkennbar.Einige Viren werden von einer lipidhaltigen Hülle umgeben: So zum Beispiel die Masern-und Pockenviren, ebenso wie die Virions und die Prionen (Haufen von infektiösenEiweißmolekülen), die als infektiöses Agens für die Krankheit BSE diskutiert werden.

Die Einteilung der AntiinfektivaBisher ordnete man antibakteriell wirksame Substanzen aufgrund ihres Ursprungs bzw.anhand des jeweiligen Herstellungsverfahrens entweder den Antibiotika oder denSulfonamiden zu. Antibiotika sind nach der ursprünglichen Definition natürlich auftretendeStoffwechselprodukte, vor allem von Bakterien und Pilzen, die diesen als Überlebensschutzgegen andere Mikroorganismen dienen.

Seit die chemische Struktur vieler dieser Stoffe bekannt ist, werden zahlreiche Antibiotikahalb- oder vollsynthetisch hergestellt (z.B. Penicillin). Sulfonamide sind dagegen rein syn-thetische Substanzen. Eine Sonderstellung unter den antibakteriellen Chemotherapeutikanehmen die Chinolone ein, da sie dem Wirkungsprinzip der Antibiotika folgen, aber reinsynthetisch hergestellt werden.

Heute werden deshalb alle antibakteriell wirksamen Chemotherapeutika mit dem Begriff„Antiinfektiva“ bezeichnet.

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Antiinfektiva ermöglichen dieBehandlung bakteriellerInfektionskrankheiten und die-nen somit der Erhaltung derTiergesundheit. Gegen Virensind sie jedoch unwirksam, da sich diese im Aufbaugrundsätzlich von Bakterienunterscheiden.

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I N F O R M A T I O NDie Entwicklungsgeschichte der AntiinfektivaDer Chemiker und Arzt PAUL EHRLICH (1854–1915) prägte den Begriff Chemo-therapie. Er stellt fest, dass unterschiedliche Zellstrukturen durch bestimmte Farbstoffeanfärbbar sind und geeignete Farbstoffe Bakterien abtöten oder vermehrungsunfähigmachen müssten, ohne den Wirtsorganismus (Mensch, Tier, Pflanze) zu beeinträchtigen.Ihm gelang mit der erfolgreichen Behandlung der Syphilis erstmals eine gezielte Therapie,die spezifisch die Ursachen einer Infektion bekämpft. Dieses Prinzip der selektiven Toxizitätist auch heute noch die Grundlage jeder antiinfektiven Therapie.

Im Jahr 1932 wies DOMAGK (1895–1964) die antibakterielle Wirksamkeit derSulfonamide nach. Mit der Einführung des Prontosil (ein roter Farbstoff) im Jahre 1935erhielt die Medizin eine Substanzklasse mit breitem antibakteriellen Wirkungsspektrum.FLEMING (1881–1955) entdeckte im Jahre 1928 das Penicillin, dessen Wirksamkeit undVerträglichkeit später alle Erwartungen übertraf. Mit der erfolgreichen Isolierung vonPenicillin aus Kulturfiltraten begann 1940 die eigentliche „Ära“ der Antibiotika.

Seither wurde in der Natur eine fast unüberschaubare Anzahl antibakteriell wirkenderSubstanzen entdeckt und isoliert. Heute werden zahlreiche Antiinfektiva halb- oder voll-synthetisch hergestellt.

ZusammenfassungAntiinfektiva sind nur bei Bakterien, nicht aber bei Viren wirksam. Bakterien haben im Gegensatz zu den Viren einen zelleigenen Stoffwechsel, sie lassen sich anhand ihresZellwandaufbaus mittels Färbung nach GRAM in Grampositive (blau) oder Gramnegative(rot) unterteilen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die äußere Gestalt der einzelnenBakterienarten. Grundformen sind Kokken und Stäbchen.

Definition der AntiinfektivaAntibiotika

sind Stoffwechselprodukte, vor allem von Pilzen und Bakterien, die diesen als Über-lebensschutz dienen.

Chinolonesind rein synthetisch hergestellte Substanzen, die ein ähnliches Wirkungsprinzip wie Antibiotika haben.

Sulfonamidesind synthetisch hergestellte Substanzen mit speziellem Wirkungsprinzip.

Heute werden alle antibakteriell wirksamen Produkte mit dem Begriff „Antiinfektiva“bezeichnet.

Geschichte der AntiinfektivaPAUL EHRLICH behandelte eine Infektionskrankheit (Syphilis) erstmals gezielt nach demPrinzip der selektiven Toxizität. Die Wirkung der Sulfonamide wurde 1932 von DOMAGKnachgewiesen und ermöglichte ebenfalls eine erfolgreiche Behandlung von Infektions-krankheiten. Das von FLEMING entdeckte Penicillin konnte 1940 isoliert werden und hatnoch heute einen wesentlichen Anteil an der antibakteriellen Therapie.

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ANTIINFEKTIVA – WIRKUNGSMECHANISMUS

Die verschiedenen Wirkungstypen der AntiinfektivaEin Teil der als Antiinfektiva bezeichneten Substanzen greift in den Stoffwechsel derBakterien ein. Hierdurch werden das Wachstum bzw. die Vermehrung der Bakterienzelleblockiert, ohne diese jedoch abzutöten. Die hemmende Wirkung wird als Bakteriostasebezeichnet. Therapeutika mit diesem Wirkungstyp verhindern bei Keimen im Ruhestadiumdas Einsetzen einer neuen Vermehrungsphase. Zur Substanzklasse der Bakteriostatikagehören die Sulfonamide und Tetracycline. Die in ihrer Vermehrung gehemmten Erregerwerden mit Hilfe der körpereigenen Abwehr eliminiert. Andere antibakterielle Chemo-therapeutika hemmen die Erreger nicht nur in ihrem Wachstum, sondern schädigen auchdie Zellwandstruktur oder andere lebensnotwendige Vorgänge (z.B. den Nukleinsäuren-stoffwechsel) der Bakterien irreversibel. Als Folge sterben die Bakterienzellen ab. Manbezeichnet diesen Wirkungstyp als Bakterizide. Bakterizid wirkende Substanzen, wie z.B.Penicillin und Streptomycin, führen also bei ausreichend hoher Dosierung zu einer irrever-siblen Keimabtötung. Die Einteilung in bakterizid und bakteriostatisch wirksameSubstanzklassen ist jedoch nicht absolut gültig, da einige keimhemmende (bakteriostati-sche) Antiinfektiva in hoher Dosierung auch keimabtötend (bakterizid) wirken.

Die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der AntiinfektivaAntiinfektiva haben spezifische Angriffspunkte in den Bakterien, z.B. die Zellwand, die Funktionder Zytoplasmamembran und intrazelluläre Stoffwechselvorgänge wie die Nukleinsäure-synthese, die Proteinsynthese der Ribosomen sowie intermediäre Stoffwechselreaktionen.

1. Hemmung der ZellwandsynthesePenicilline und Cephalosporine hemmen die Zellwandsynthese, indem sie die Verknüpfungvon Bausteinen behindern. So wird der Aufbau der Zellwand im Wachstumsstadium ge-hemmt und bei höherer Konzentration eine vollständige Auflösung (Lysis) der Zellwand erreicht. Die Bakterien sterben ab (Bakterizide).

2. Störung der Funktion der ZytoplasmamembranDie Zytoplasmamembran wirkt zwischen Bakterienzelle und Umgebung wie eine Barriere. Diese Schranke kontrolliert den Transport und Austausch der für die Krankheitserreger lebensnotwendigen Stoffe (Permeabilität der Zytoplasmamembran). Polymyxine können sich in der Zytoplasmamembran einlagern und diesen Kontrollmechanismus stören, die Bakterien sterben ab.

3. Hemmung der ProteinsyntheseIn den Bakterien sind die Ribosomen für die Proteinsynthese verantwortlich. Aminogly-koside (z.B. Streptomycin), Makrolide (z.B. Erythromycin) und Lincosamide (z.B. Lincomycin) heften sich an die Ribosomen an und beeinträchtigen den lebensnotwendigen Eiweißaufbau. Die Bakterien werden abgetötet oder an ihrer Vermehrung gehindert.

4. Hemmung der Synthese der NukleinsäurenNukleinsäuren sind Träger der bakteriellen Erbinformation und bilden die meist doppel-strängigen DNS-Moleküle des Bakteriengenoms. Wichtige Enzyme im Nukleinsäurenstoff-wechsel sind die Gyrase und die Topoisomerasen. Chinolone hemmen die Funktion dieser Enzyme und beeinträchtigen damit lebensnotwendige Stoffwechselabläufe, die Bakterien-zelle stirbt ab.

5. Beeinflussung des IntermediärstoffwechselsDer Wirkungsmechanismus der Sulfonamide und Aminopyridine beruht auf einer Beein-trächtigung der bakteriellen Folsäuresynthese im Intermediärstoffwechsel. Die Folsäure bzw. ihre Abkömmlinge (Derivate) spielen als Koenzyme für die Nukleinsäurensynthese eine wichtige Rolle. Aufgrund ihrer großen strukturellen Ähnlichkeit verdrängen die Sulfonamide die p-Aminobenzoesäure aus dem lebensnotwendigen Folsäurestoffwechsel der Bakterien. Die Nukleinsäurensynthese wird dadurch blockiert und das Bakterium an der Vermehrung gehindert (Bakteriostase).

Antiinfektiva haben spezifi-sche Angriffspunkte in denBakterien, wobei entwederdas Wachstum der Bakteriengehemmt wird, Wechselwirkungen mit lebensnot-wendigen Stoffwechsel-veränderungen eintretenoder eine Schädigung der Zellwandstrukturen zumAbsterben der Bakterienführt.

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ANTIINFEKTIVA – WIRKUNGSSPEKTREN

Werden von einem Antiinfektivum sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterienerfasst, so gehört dieses zu den Breitspektrum-Antiinfektiva. Eine sinnvolle Kombination ver-schiedener Antiinfektiva kann das Wirkungsspektrum erweitern. Ein besonderer Vorteil liegtzum Beispiel in der Wirkungssteigerung bei schwer beeinflussbaren Infektionskrankheitenoder der Therapie von Mischinfektionen.

Die Gruppeneinteilung der AntiinfektivaAufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur werden antibakteriell wirksameSubstanzen in folgende Gruppen eingeteilt:

1. Die Beta-LaktameAlle Vertreter dieser Gruppe weisen als gemeinsamen Grundkörper einen Beta-Laktamring auf, hierzu zählen Penicilline und Cephalosporine. Durch die Produktion von Betalaktamasen, d.h. Enzymen, die die Beta-Laktamstruktur aufspalten, können die Wirkstoffe inaktiviert werden. Unter den Penicillinen gibt es Substanzen mit schmalem Wirkungsspektrum, welche vorwiegend gegen grampositive Erreger wirksam sind, so das Benzylpenicillin und die halbsynthetischen, penicillinasefesten Substanzen Oxacillin, Cloxacillin und Dicloxacillin. Das Wirkungsspektrum der beiden Breit-spektrumantibiotika Ampicillin und Amoxicillin umfasst grampositive und -negative Keime. Die Kombination mit dem ß-Laktamase Hemmer Clavulansäure, das selbst nicht antibakteriell wirksam ist, erweitert das Wirkungsspektrum auf Beta-Laktamase bilden-den Bakterien. Die Cephalosporine besitzen je nach Generation unterschiedliche Wirkungsspektren. Ältere Cephalosporine (1. und 2. Generation) wirken hauptsächlich gegen grampositive Bakterien; die Cephalosporine der neueren (3. und 4. Generation) gelten als Breitspektrum-Antiinfektiva.

2. Die TetracyclineDas chemische Grundgerüst aller Tetracycline ist der viergliedrige Naphtacen-Kern. Alle älteren Vertreter dieser Gruppe (Tetracyclin, Chlor- und Oxytraxyclin) besitzen an-nähernd das gleiche breite Wirkungsspektrum, die neueren Präparate (Doxycyclin) haben im Vergleich zur ersten Gruppe eine höhere Wirksamkeit. Neben grampositivenund -negativen Erregern werden von den Tetracyclinen auch Mykoplasmen, Chlamydien und Rickettsien erfasst.

3. Die AminoglykosideIn dieser Gruppe werden eine Reihe von Substanzen mit gemeinsamer Grundstruktur (Aminozucker) zusammengefasst. Dihydrostreptomycin, Kanamycin, Neomycin und Gentamicin besitzen ein vergleichbares, breites Wirkungsspektrum.

4. Die MakrolideDie Substanzen dieser Gruppe haben ihren Wirkungsschwerpunkt bei grampositiven Keimen sowie gegenüber Mykoplasmen. Der Hauptvertreter ist das Erythromycin, da-neben werden Spiramycin, Tylosin und das Tilmicosin verwendet.

5. Die LincosamideDie Grundstruktur der Lincosamide besteht aus einer Aminosäure und einem schwefel-haltigen Zucker. Das Wirkungsspektrum von Lincomycin und Clindamycin umfasst überwiegend grampositive Kokken, Mykoplasmen, Chlamydien und Rickettsien.

6. Die PolypeptidantibiotikaDie wichtigsten Vertreter sind Polymyxine, die aus Aminosäuren mit Ringstruktur aufge-baut sind. Sie haben ein schmales Wirkungsspektrum, wobei Polymyxin B und Colistin gegen gramnegative Erreger sowie Bacitracin und Tyrothricin gegen grampositive Bakterien wirken.

Das Wirkungsspektrum einesAntiinfektivums gibt an, welche Erregerart durch diejeweilige Substanz gehemmtoder abgetötet wird. Es machtaber keine Aussage, bei welchen Infektionskrankheitenes angewendet werden sollte,da für die Wirksamkeit desAntiinfektivums die ver-ursachenden Erreger von Bedeutung sind und nicht das Krankheitsbild.

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I N F O R M A T I O N7. Die Sulfonamide

Diese älteste Gruppe der Antiinfektiva besteht heute aus einer Vielzahl an Derivaten mit breitem Wirkungsspektrum. Neben grampositiven und -negativen Keimen erfasst diese Substanzklasse auch Chlamydien und einige Protozoenarten (Kokzidien, Toxoplasmen). Sulfonamide werden häufig in Kombination mit Trimethoprim wegen der Steigerung der antibakteriellen Aktivität (Synergismus) eingesetzt.

8. Die ChinoloneDie Fluorchinolone zählen unter den Antiinfektiva zu den bedeutendsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte mit sehr breitem Wirkungsspektrum gegenüber fast allen gram-negativen Bakterien und einer guten Wirkung bei grampositiven Bakterien sowie Mykoplasmen. Erster Vertreter dieser Substanzklasse war Enrofloxacin, als weitere Fluorchinolone kamen Danofloxacin, Difloxacin, Marbofloxacin und Orbifloxacin hinzu.

9. Sonstige AntiinfektivaWeitere in der Tiermedizin verwendete Antiinfektiva sind Trimethoprim (in Kombination mit Sulfonamiden) und Florphenicol (breites Spektrum).

ZusammenfassungDas Wirkungsspektrum eines Antiinfektivums kann auf einzelne Bakterienarten beschränktsein (Schmalspektrum-Antiinfektivum) oder grampositive und gramnegative Keime umfassen(Breitspektrum-Antiinfektivum).

Gruppeneinteilung:

1. Beta-LaktameBenzylpenicillin, Ampicillin, Amoxicillin, Oxa-, CloxacillinCefacetril, Cephalexin, Cefoperazon, CeftiofurCefquinomClavulansäure

2. TetracyclineTetracyclin, Chlor-, Oxytetracyclin, Doxycyclin

3. AminoglykosideDihydrostreptomycin, Kanamycin, Neomycin, Gentamicin

4. MakrolideErythromycin, Tylosin, SpiramycinTilmicosin

5. LincosamideLincomycin, Clindamycin

6. PolypeptidePolymyxin B, Colistin, Bacitracin

7. SulfonamideSulfadiazinSulfadoxin

8. FluorchinoloneEnrofloxacin, DanofloxacinDifloxacin, Marbofloxacin, Orbifloxacin

9. SonstigeTrimethoprim, Florphenicol

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GESUNDERHALTUNG VON HAUS- UND NUTZTIEREN

Bakterielle InfektionskrankheitenDurch Bakterien verursachte Krankheiten treten sowohl beim Menschen als auch bei Tierenauf und können zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Sie betreffen praktisch alleOrgansysteme, wie zum Beispiel die Lunge (Bronchitis, Lungenentzündung), Magen undDarm (Durchfallerkrankungen mit und ohne Erbrechen), Harnorgane (Nieren- undBlasenentzündung), den Geschlechtsapparat (Gebärmutter- und Hodenentzündung) sowiedie Haut. Die Übertragung der Infektionserreger ist auf verschiedene Weise möglich. Sokönnen Bakterien auf direktem Weg durch Schmier- und Tröpfcheninfektionen, z. B. durchdirekte Berührung infizierter Menschen oder Tiere oder indirekt durch Mittler (Vektoren),z.B. unsauberes Stallgerät oder Zecken übertragen werden.

Es gibt auch Bakterien, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind und schwer-wiegende Erkrankungen verursachen können. Solche Erkrankungen werden als bakterielleZoonosen bezeichnet. Beispiele hierfür sind die Brucellose, die Tuberkulose, der Rotlaufund die Salmonellose.

Behandlung bakterieller InfektionenAn erster Stelle bei der Behandlung der bakteriellen Krankheiten stehen die Antiinfektiva.Insbesondere bei akuten, fieberhaften Allgemeinerkrankungen ist die rechtzeitige und ziel-gerichtete Behandlung der Tiere mit Antiinfektiva unbedingt erforderlich.

Immer größere Bedeutung gewinnen krankheitsvorbeugende Maßnahmen, wie die Tier-und Stallhygiene, der Impfschutz, die Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte und dieAnwendung des „competitive exclusion-Prinzips“. Entsprechende Produkte enthalten natür-liche tierspezifische Keime, die eine Ansiedlung potentiell krankmachender Erreger be-hindern (competitive exclusion = Ausschluss durch Verdrängung). KrankheitsvorbeugendeMaßnahmen tragen dazu bei, die Infektionsgefahr für Mensch und Tier zu verringern.

Da es eine Vielzahl verschiedener Bakterien mit unterschiedlichem Stoffwechsel gibt, sindzur gezielten Behandlung der einzelnen Infektionskrankheiten Antiinfektiva mit unter-schiedlichem Wirkungsmechanismus und -spektrum erforderlich. Bei sachgemäßerAnwendung wählt der Tierarzt das Antiinfektivum, das gegen den jeweiligen Erreger diebeste Wirkung hat.

Hierzu stehen die Medikamente in geeigneten Darreichungsformen zur Verfügung. In derTiermedizin werden Medikamente vorwiegend über das Maul (oral), durch Injektion(parenteral), in die Vene (intravenös), in den Muskel (intramuskulär) oder unter die Haut(subkutan) verabreicht.

Die orale Gabe über Trinkwasser oder Futter ist oft bei großen Tierbeständen zurBehandlung aller Tiere sinnvoll. Bei bestimmten Erkrankungen besteht die Notwendigkeit,dass das Medikament direkt an den Infektionsort gebracht wird (lokale Anwendung), so zum Beispiel bei Euterentzündungen (intramammär). Die Vielzahl der gewünschten und erforderlichen Darreichungsformen macht eine intensive Forschungs- undEntwicklungsarbeit in der pharmazeutischen Industrie erforderlich, um Antiinfektiva in derjeweils optimalen, d.h. tier- und anwendergerechtesten Form zur Verfügung zu stellen.

In der Tierhaltung muss zwischen Nutzvieh- und Hobbytierhaltung unterschieden werden.Während für die Besitzer von Hunden, Katzen und anderen Hobbytieren der Besuch desTierarztes und die Behandlung von Infektionskrankheiten mit Antiinfektiva zurSelbstverständlichkeit geworden ist, bestehen von Seiten der Verbraucher gegen denEinsatz von Antiinfektiva beim Nutztier Bedenken. Qualitativ hochwertige Lebensmittel können in ausreichenden Mengen jedoch nur durch gesunde Tiere erzeugt werden.

Antiinfektiva leisten einenwertvollen Beitrag zurGesunderhaltung von Haus-und Nutztieren. Sie könnenauf unterschiedlichem Wegverabreicht werden undgarantieren eine erfolgreicheBehandlung der bakteriellenInfektionskrankheiten. Bei kontrollierter Anwendung dienen sie dem Tierschutz und der Gewinnung von hoch-wertigen tierischen Lebens-mitteln.

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I N F O R M A T I O NVeränderte Verbraucheransprüche an das Lebensmittelangebot und die Nahrungsmittel-qualität sowie die Produktionssteigerung bei sinkenden Tierzahlen stellen an die Erzeugertierischer Lebensmittel höchste Anforderungen.

Der Pro-Kopf-Verbrauch an tierischen Lebensmitteln ist in den letzten Jahrzehnten starkangestiegen. Produzierten 1950 noch 5,7 Mio. Kühe rd. 14 Mio. Tonnen Milch, wurde1996 in Gesamtdeutschland mit etwas weniger Tieren (5 Mio. Kühe) eine deutlich höhereMilchmenge von 28 Mio. Tonnen erzeugt. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Milch und Milch-produkten inklusive Käse und Butter betrug 1996 rd. 125 kg in Deutschland (Quelle: ZMP).

Die Landwirtschaft kann die an sie gestellten hohen Anforderungen nur erfüllen, wenn dieTiere optimal gehalten und gefüttert werden und außerdem eine adäquate tierärztlicheÜberwachung und Behandlung erfolgt. Der rechtzeitige und gezielte Einsatz vonAntiinfektiva garantiert die rasche Gesundung des Tieres. Kühe mit infektiösen Euterent-zündungen (Mastitis) liefern z.B. veränderte, als Lebensmittel ungeeignete Milch.

In derartigen Fällen dient die tierärztliche Behandlung nicht nur der Tiergesundheit, sondern ermöglicht die Produktion einwandfreier Milch, wirtschaftliche Verluste werdenhierdurch auf ein Minimum begrenzt. Auch während der Mast sind die Tiere unterschied-lichen Infektions- und Erkrankungsrisiken ausgesetzt. Verzichtet man bei Erkrankungen aufdie notwendige Behandlung, so kann durch den schlechten Allgemeinzustand des Tiereseine Qualitätsminderung des späteren Lebensmittels entstehen oder das produzierte Fleischmuss sogar verworfen werden.

Es ist weder im Sinne des Verbraucherschutzes noch aus der Sicht des Tierschutzes gerecht-fertigt, auf eine gezielte Behandlung erkrankter Tiere zu verzichten. Nur gesunde Tieregarantieren die Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel. Durch die Festlegung vonRückstandshöchstmengen und Wartezeiten nach der letzten Behandlung ist derVerbraucher vor bedenklichen Restmengen von Antiinfektiva in Lebensmitteln geschützt.

Der verantwortungsvolle Einsatz von Antiinfektiva dient der Gesunderhaltung der Nutztiereund trägt den gestiegenen Verbrauchererwartungen Rechnung.

ZusammenfassungTiere können genau wie Menschen an bakteriell bedingten Erkrankungen leiden. DieBehandlung bakterieller Infektionskrankheiten mittels Antiinfektiva bei Tieren ist aus tierärzt-licher Sicht und aus Gründen des Tierschutzes notwendig.

Dank der intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit der veterinärpharmazeutischenIndustrie stehen gegen die jeweiligen Krankheitserreger spezielle Antiinfektiva für jedeTierart und in verschiedenen Darreichungsformen zur Verfügung.

Die hohen Anforderungen an die Erzeugung von Lebensmitteln mit ausgezeichneterQualität kann der Landwirt nur erfüllen, wenn die Tiere optimal gehalten und gefüttert werden und – in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt – ein optimales Gesundheits-management besteht, das durch Vorbeugung und Behandlung die Gesundheit der Tiereschützt.

Der verantwortungsvolle Einsatz von Antiinfektiva durch den Tierarzt ist für dieGesunderhaltung der Nutztiere von großer Bedeutung. Er gewährleistet, dass demVerbraucher gesunde und qualitativ hochwertige Lebensmittel in ausreichender Mengeangeboten werden können.

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SICHERHEITSPRÜFUNG

Jeder Arzneistoff, gleich ob er bei Mensch oder Tier verwendet werden soll, muß vor seiner Markteinführung eine europaweit vorgeschriebene Palette von pharmakologisch-toxikologischen Prüfungen durchlaufen. Je nach Stoffklasse erfolgt sowohl eine Prüfungdurch die Europäische Agentur zur Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) als eineZulassungsprüfung durch die nationale Behörde, das ist in der Bundesrepublik Deutschlanddas Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV).

Spezielle Prüfrichtlinien für Tierarzneimittel (Richtlinien 81/852 EWG u. 92/18/EWG)schreiben für jeden Arzneistoff detailliert vor, wie die toxikologischen Untersuchungen konzipiert und durchgeführt werden müssen. Die Sicherheitsanforderungen für Arzneimittelsind gesetzlich festgelegt und werden ständig nach neuesten wissenschaftlichenErkenntnissen auf ihre Richtigkeit geprüft. Als Voraussetzung, dass für die jeweiligeSubstanz überhaupt ein Zulassungsantrag bei der EMEA oder dem BgVV gestellt werdenkann, müssen zuvor langjährige wissenschaftliche Forschungsarbeiten durch den Herstellerdurchgeführt werden.

Die für alle geforderten Untersuchungen aufzuwendende Zeitspanne kann bis zu 10 Jahrebenötigen und nicht selten müssen von der Forschung bis zur Marktreife eines neuenArzneistoffes bis zu mehrere hundert Millionen DM investiert werden.

Da jedes Arzneimittel bei Überdosierung unerwünschte Wirkungen haben kann, musszuerst dessen Toxizität (Giftigkeit) untersucht werden. Die sogenannte LD50 (letale Dosis 50 %) ist ein allgemeines Maß für die toxische Potenz einer Substanz nach einmaligerGabe (akute Toxizität). Danach wird die Wirkung des Stoffes nach wiederholterAnwendung in unterschiedlichen Dosierungen über einen längeren Zeitraum von 30 bzw.90 aufeinanderfolgenden Tagen (subchronische Toxizität) und auch über 12–24 Monate(chronische Toxizität) beurteilt.

Für die vorgeschriebenen Sicherheitsprüfungen sind zunächst Untersuchungen amLabortier, danach auch an der Tierart, bei der das Medikament angewendet werden soll,erforderlich (Zieltiersicherheit). Versuche am Labor- und Zieltier bleiben notwendig, solan-ge es keine sicheren, auf den Gesamtorganismus übertragbaren Ersatzmethoden zurPrüfung von Arzneimitteln gibt. In Frage kommen könnten Prüfmethoden an Bakterien- oderZellkulturen sowie an isolierten Organen.

Aus den Toxizitätsstudien werden mögliche, ungewollte Nebenwirkungen auf einzelneOrgansysteme abgeleitet. Weiterhin bilden diese Prüfungen die Grundlage für dieFestlegung der Rückstandshöchstmengen, die mit den von den behandelten Tieren produ-zierten Nahrungsmitteln aufgenommen werden können.

Es werden folgende, potenzielle Eigenschaften der Wirkstoffe geprüft und zwar ihreMutagenität (Auslösung von erblichen Veränderungen des genetischen Materials),Kanzerogenität (krebsauslösende Wirkung), Teratogenität (Auslösung von Missbildungen),Foeto- und Embryotoxizität (Beeinflussung der Keimentwicklung) und Einflüsse auf Fertilität(Fruchtbarkeit) sowie Immunotoxizität und das allergene Potenzial (Beeinträchtigung deskörpereigenen Abwehrsystems mit Allergiebegünstigung). Der Einfluss, den Arzneistoffe bei trächtigen Tieren auf die Entwicklung der Embryonen haben (Foetotoxizität), wirdbesonders berücksichtigt.

Um mögliche Einflüsse der Substanz auf die Fortpflanzung und die Nachkommenauszuschließen, ist ein über mindestens zwei Generationen auszudehnender Test(Multigenerationstoxizität), bei dem Fertilität und Kanzerogenität überprüft werden, vor-geschrieben.

Die Mutagenität (Veränderung des Erbgutes) wird sowohl an speziell dafür geeignetenBakterienkulturen (in vitro Tests) als auch an Labortieren überprüft.

An Tierarzneimittel werdendie gleichen hohen Anforde-rungen gestellt wie an Medi-kamente, die zur Anwendungbeim Menschen bestimmt sind.Bei Tierarzneimitteln wird darüber hinaus untersucht,welchen Einfluss die jeweiligeSubstanz auf die Lebensmittel-herstellung hat und inwiefernsie nach der Ausscheidungdurch das Tier die Umwelt beeinflusst.

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I N F O R M A T I O NWenn sich aus den beschriebenen Prüfungen Hinweise auf eine krebsauslösende Wirkungdes Stoffes ergeben, sind weitere Untersuchungen an Labortieren erforderlich, bei denender Wirkstoff täglich über einen Zeitraum von 24 Monaten über das Futter verabreichtwird. Bei bestimmten Substanzen muß auch der Einfluß auf die Immunitätsausbildung oderdas allergische Potenzial beim Konsumenten, der diese Substanzen eventuell mitLebensmitteln aufnimmt, ermittelt werden.

Bei Antiinfektiva sind mögliche Auswirkungen von Rückständen auf die menschlicheDarmflora zu untersuchen. Hierzu werden Sensibilitätsuntersuchungen an repräsentativenDarmbakterien des Menschen durchgeführt.

Tierarzneimittel müssen auch im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Hierzumuss untersucht werden, welchen Einfluss die Substanzen oder ihre Abbauprodukte auf Pflan-zen und tierische Organismen im Boden und im Wasser haben können. Außerdem muß nach-gewiesen werden, auf welche Weise die jeweilige Substanz in der Umwelt abgebaut wird.

Wird ein neues Arzneimittel entwickelt, so muß nicht nur auf Wirksamkeit und Verträglichkeitgeachtet werden. Ein wesentlicher Anteil der Entwicklungsarbeit besteht darin herauszu-finden, welches die günstigste pharmazeutische Darreichungsform eines Medikamentes ist.

Die Entscheidung für eine bestimmte Zubereitungsform hängt von den verschiedenenEigenschaften der jeweiligen Substanz wie Löslichkeit, Bioverfügbarkeit, Verstoffwechse-lung, Ausscheidung und Verträglichkeit, der Art der Infektionskrankheit und der zu behan-delnden Tierart ab.

Außerdem sind Haltungsbedingungen und -techniken im Nutztierbereich (z.B. Löslichkeitund Mischbarkeit der Medikamente bei verschiedenen Fütterungs- und Tränkeverfahren)sowie die Akzeptanz durch das Tier und die Praktikabilität für den Tierhalter imHobbytierbereich (z. B. Tablettengröße, Geschmack und Konsistenz von Pasten undTropfen) von Bedeutung. Um allen Anforderungen gerecht werden zu können, ist es meistnotwendig, für einen Wirkstoff verschiedene Darreichungsformen zu entwickeln.

Auch wenn das Arzneimittel bereits im Handel ist, erfolgen ständig weitere Überprüfungendurch die Behörden. Der Hersteller ist verpflichtet, regelmäßige Erfahrungsberichte überbeobachtete Nebenwirkungen an die Behörden zu melden (Pharmakovigilanz).

Die Zulassungsbehörden beurteilen jedes Tierarzneimittel nach jeweils fünf Jahren erneutauf seine pharmazeutische Qualität, Verträglichkeit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.

ZusammenfassungJeder Arzneistoff muß vor seiner Zulassung durch die Behörden zunächst einer Reihe vontoxikologischen Sicherheitsprüfungen unterzogen und anschließend in klinischen Versuchengeprüft werden. Die Sicherheitsprüfungen sind europaweit vorgeschrieben (Richtlinien81/852 EWG u. 92/18/EWG).

Das toxische Potenzial einer Substanz wird durch die LD50 ermittelt. Außerdem werden inLangzeitversuchen und Multigenerationsstudien Mutagenität, Kanzerogenität, Teratogenitätund die Einflüsse auf Fertilität sowie Foetotoxizität untersucht. Bei bestimmten Tierarzneienist auch das für den Konsumenten wichtige allergene Potenzial in tierischen Lebensmittelnzu überprüfen.

Insbesondere muß bei Tierarzneimitteln auch die Umweltverträglichkeit von mit Harn undKot ausgeschiedenen Substanzen nachgewiesen werden und auf welche Art und Weiseder Substanzabbau geschieht.

Die Darreichungsform des Arzneimittels hängt von den physikalisch-chemischenEigenschaften der Substanz ab, aber auch von der zu behandelnden Tierart und derenHaltungsform (z.B. Geflügel über das Trinkwasser). Deshalb sind nicht selten mehrereZubereitungsformen eines Arzneimittels notwendig.

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WIRKSAMKEIT UND VERTRÄGLICHKEIT

Die Pharmakologie untersucht die Wirkung chemischer Stoffe, die natürlicher oder synthe-tischer Herkunft sind, auf die belebte Materie wie z. B. Mensch und Tier. Ein Teilgebiet der allgemeinen Pharmakologie ist die Pharmakodynamik, welche die Wirkung vonArzneimitteln auf tierische oder menschliche Zellen sowie Organsysteme beschreibt.

Die Pharmakokinetik beschäftigt sich mit der Untersuchung des gesetzmäßigen Schicksalsvon Arzneimitteln im Körper, also mit der Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung undAusscheidung aus dem Organismus.

Jede pharmakologische Wirkung am intakten Organismus beruht auf zwei prinzipiellenAbläufen und zwar zum einen auf den Einflüssen des Pharmakons auf den Organismus(Pharmakodynamik), zum anderen auf den Einflüssen des Organismus auf das Pharmakon(Pharmakokinetik).

PharmakodynamikDie Pharmakodynamik gibt generell Auskunft über den Angriffsort, die Wirkungsweise unddas Wirkungsspektrum von Arzneimitteln, also auch von antimikrobiellen Substanzen.Außerdem beschreibt sie deren Nebenwirkungen sowie die Wechselwirkungen zwischengleichzeitig verabreichten Arzneistoffen. Viele Arzneistoffe zeigen, in Abhängigkeit vonder Höhe der aufgenommenen Dosis und der Verabreichungsdauer, entweder diegewünschte pharmakologische Wirkung oder unerwünschte, den Organismus schädigen-de Nebenwirkungen. Die Konzentrationsspanne von der erforderlichen therapeutischenDosis bis zum Auftreten unerwünschter Wirkungen auf lebenswichtige Körperfunktionen,Organe und Sekretionssysteme, wird als therapeutische Breite eines Arzneistoffes bezeichnet.

Um herauszufinden, welche therapeutische Breite eine Substanz besitzt und welchesZusammenwirken (Interferenz) bzw. welche Wechselwirkungen (Interaktionen) zwischengleichzeitig aufgenommenen Arzneistoffen oder Fremdstoffen (z.B. Futterinhaltsstoffe)bestehen, muß das pharmakologische Verhalten dieses Stoffes im Organismus desPatienten genau überprüft werden.

Die therapeutische Verwendungsmöglichkeit eines Stoffes hängt von seinem Angriffspunktim Organismus ab und bei den Antiinfektiva von der Wirkungsweise gegenüberKrankheitserregern. Hat man diese überprüft, so sind anschließend Untersuchungen zurErmittlung des Wirkungsspektrums sowie zur potentiellen Resistenzentwicklung einesAntiinfektivums notwendig. Hierbei wird die Empfindlichkeit der verschiedenen Erregerbestimmt.

Die „Minimale Hemmkonzentration“ (MHK) gibt an, bei welcher Menge des Wirkstoffesdie Erreger ihr Wachstum und ihre Vermehrung einstellen (bakteriostatische Wirkung) bzw.absterben (bakterizide Wirkung). Für den Arzt oder Tierarzt sind diese Daten Voraus-setzung dafür, Antiinfektiva gezielt einsetzen zu können.

PharmakokinetikDie Pharmakokinetik beschreibt die Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung undAusscheidung von Arzneimitteln. Nur in Einzelfällen bestehen Medikamente allein aus demArzneistoff. Meist ist dieser in Hilfsstoffe „verpackt“, die selbst keine direkte Arzneiwirkunghaben. Hilfsstoffe sind Lösungsvermittler, Stabilisatoren, Emulgatoren, Tablettierstoffe, Farb-oder Geschmacksstoffe sowie Konservierungsstoffe etc.

Die galenischen Hilfsstoffe können einen ganz erheblichen Einfluß auf die Bioverfügbarkeiteiner Arzneisubstanz haben. Sie beeinflussen die Geschwindigkeit und das Ausmaß, indem der therapeutisch wirksame Anteil eines Arzneimittels aus der jeweiligenArzneiformulierung freigesetzt und aufgenommen bzw. am Wirkort verfügbar wird. Die

Sowohl für Tierarzneimittel alsauch Medikamente für denMenschen werden beim Nach-weis der Wirksamkeit undVerträglichkeit hohe Maßstäbeangesetzt. Neben der Biover-fügbarkeit und der Verstoff-wechselung der einzelnenSubstanzen müssen auch dieAusscheidungswege unter-sucht und bei Tierarzneimittelnzusätzlich Rückstandsermitt-lungen durchgeführt werden.

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Resorption (Aufnahme) kann durch die Formulierung verzögert oder beschleunigt und somitdie Arzneistoffkonzentration am Wirkort und die Wirkdauer beeinflußt werden.

Auch die Verteilung des Arzneistoffes in Geweben und Organen nach der Resorption istfür den Behandlungserfolg von Bedeutung. Anhand dieser Einzeldaten kann die Dosisbestimmt sowie das Dosierungsschema und die Behandlungsdauer festgesetzt werden.

Es ist wichtig, dass am Ort der Infektion der MHK-Wert des Erregers mindestens erreichtwird und für eine ausreichend lange Zeit aufrechterhalten bleibt. Dieser Wert wird alsGrenzwert (break-point) bezeichnet. Nur die Überschreitung dieses Grenzwertes sichertden Behandlungserfolg und beugt einer potentiellen Resistenzentwicklung vor.

Auch das weitere Schicksal des Arzneistoffes im Organismus wird lückenlos verfolgt.Interessant sind insbesondere die Verstoffwechselung (Metabolisierung) sowie derAusscheidungsweg (z.B. mit dem Kot oder Harn). Die Dauer der Ausscheidung ist vor allemfür Tierarzneimittel, die an lebensmittelliefernde Tiere verabreicht werden, von Bedeutung.Hier bildet der Ausscheidungszeitraum die Grundlage zur Festsetzung von Wartezeiten(vorgeschriebene Zeit zwischen letzter Behandlung mit einem Arzneimittel und derSchlachtung) für vom Tier gewonnene Lebensmittel.

Außerdem wird festgestellt, ob das Tierarzneimittel für den Anwender unschädlich und fürdas Tier auch bei eventueller Überdosierung gut verträglich ist. Aufgrund lebensmittel-hygienischer Aspekte muß die lokale Verträglichkeit eines Arzneimittels (z.B.Injektionsstelle) und aus tierschützerischen Gesichtspunkten die systemische Verträglich-keit sichergestellt sein.

ZusammenfassungPharmakodynamik und PharmakokinetikFast alle pharmakologisch wirksamen Substanzen können in Abhängigkeit von derDosishöhe unerwünschte Wirkungen zeigen. Deswegen werden Arzneistoffe auf ihre therapeutische Breite und Wechselwirkungen mit anderen Substanzen überprüft. Für einAntiinfektivum sind die Kenntnis des Wirkungsspektrums und der EmpfindlichkeitVoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie bakterieller Infektionen. Ein gezielter Einsatzvon Antiinfektiva ist nur möglich, wenn deren Angriffspunkte, Wirkungsweise undWirksamkeit gegenüber dem Krankheitserreger bekannt sind.

Arzneimittel bestehen fast immer aus einer Kombination von Wirk- und Hilfsstoffen. DieHilfsstoffe haben häufig erhebliche Auswirkungen auf die Bioverfügbarkeit einesArzneistoffes, da sie dessen Resorption und Verteilung in Geweben und Organen beein-flussen. Eine ausreichende Wirkstoffkonzentration in den Geweben und Organen ist fürden Behandlungserfolg erforderlich und beugt einer potentiellen Resistenzentwicklung vor.Außerdem ist die Kenntnis der Verstoffwechselung und Ausscheidung eines Wirkstoffes fürdie Festsetzung von Wartezeiten von Bedeutung. So wird sichergestellt, dass Lebensmitteltierischen Ursprungs keine gesundheitlich bedenklichen Arzneimittelrückstände enthalten.

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RÜCKSTANDSNACHWEIS UND WARTEZEITEN

Bei jedem Einsatz von Arzneimitteln bleiben für einen gewissen Zeitraum Restmengen immenschlichen oder tierischen Organismus zurück. Damit diese Rückstände in Tieren nichtzu einer Gefährdung des Verbrauchers führen, müssen die Hersteller dem BgVV bzw. derEMEA für alle Tierarzneimittel zur Anwendung bei lebensmittelliefernden TierenRückstandsnachweisverfahren vorlegen.

Die Zulassungsbehörden verlangen Auskunft über Art und Menge der Rückstände. Dazuwerden Rückstandsuntersuchungen verlangt mit Angabe einer spezifischen Nachweis-methode, die von jedem Untersuchungsamt routinemäßig durchführbar ist. Zum Rückstands-nachweis werden hochempfindliche, physikalisch-chemische Testmethoden entwickelt, diemögliche Restmengen eines Wirkstoffes in essbaren Geweben, Milch und Eiern aufspüren.

Die Nachweiskonzentrationen befinden sich im ppb-Bereich (parts per billion, d.h. Anzahlder Wirkstoffanteile auf 1 Milliarde Lösungsstoffanteile, also 1/1000 mg/kg).

In der Europäischen Union wird für jeden Arzneistoff, der bei lebensmittelliefernden Tierenverwendet wird, eine maximale Rückstandsmenge („Maximum Residue Limit“, MRL) fest-gelegt. Dies ist in der Verordnung (EWG) 2377/90 bindend vorgeschrieben. Erst nach derFestlegung der MRL-Werte kann eine Zulassung des Tierarzneimittels für die entsprechendeTierart erfolgen.

Der MRL-Wert ist ein Grenzwert, der beim innereuropäischen Lebensmittelverkehr denVerbraucherschutz sicherstellt. Auf internationaler Ebene werden die Rückstandshöchst-mengen von dem Expertengremium JECFA (Joint Expert Committee of Food Additives)des Codex Alimentarius, einem Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) undder Weltlandwirtschaftsorganisation (FAO) festgelegt.

Der MRL-Wert wird aus der „akzeptablen Tagesdosis“ (ATD-Wert = ADI acceptable dailyintake) eines Arzneistoffes abgeleitet. Dieser Wert stellt die Rückstandsmenge dar, die einMensch lebenslang täglich mit der Nahrung ohne Schaden aufnehmen kann.

Der ATD-Wert wird nach folgender Formel berechnet:ATD = NOEL x 60 kg KGW

SF

NOEL („no observed effect level“) ist der Wert, der in den Sicherheitsprüfungen bei derempfindlichsten Tierart nach mehrfacher Verabreichung (meist 90 Tage), keinerlei toxischeWirkung mehr erkennen läßt. Je nach Substanz leitet sich daraus ein toxikologischer, phar-makologischer oder mikrobiologischer NOEL ab. Als KGW (Körpergewicht) werden inDeutschland für einen Erwachsenen durchschnittlich 60 kg veranschlagt.

Ein Sicherheitsfaktor (SF) von zumeist 100 oder 1000 wird zur Berechnung herangezogen,wenn bei den toxikologischen Untersuchungen eines Arzneistoffes ein mehr oder wenigergroßes toxikologisches Potenzial festgestellt wurde. Die MRL-Werte werden nun unterBerücksichtigung der Pharmakokinetik des Arzneistoffes so festgesetzt, dass der ATD-Wertselbst dann nicht überschritten wird, wenn von einem Erwachsenen täglich die nach-folgenden Lebensmittelmengen verzehrt werden:

■ 300 g Fleisch■ 100 g Leber■ 50 g Niere■ 50 g Fett■ 1,5 l Milch■ 100 g Ei■ 20 g Honig

Sollen Tierarzneimittel beiTieren, die der Lebensmittel-gewinnung dienen, eingesetztwerden, so sind Nachweiseüber die Art und Menge möglicher Rückstände zuführen. Von behandeltenTieren dürfen Lebensmittel erst nach Ablauf der amtlichfestgesetzten Wartezeitengewonnen werden.

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Wird ein Tier mit einem Medikament behandelt, so vergeht für jeden Arzneistoff einbestimmter Zeitraum, bis er vom Organismus abgebaut und ausgeschieden wird. Es mußalso bis zur Schlachtung eines Tieres oder dem Genuß von Milch und Eiern solange ge-wartet werden, bis der MRL-Wert unterschritten ist. Diese Frist, die sog. Wartezeit zwischender letzten Verabreichung eines Medikamentes bis zur frühestmöglichen Schlachtung bzw. Milch- oder Eiergewinnung für die menschliche Ernährung, wird von der Zulassungsbehörde anhand der vom Hersteller durchgeführten Rückstandsuntersuchungenfestgesetzt.

Bei regelmäßig durchgeführten amtlichen Rückstandskontrollen wird in Lebensmittel-stichproben auf Basis der MRL-Werte überprüft, ob die gesetzlichen Wartezeiten einge-halten wurden. Verstöße werden streng bestraft. Somit ist der Verbraucher vor bedenklichenRestmengen von Arzneimitteln in Lebensmitteln geschützt.

Rückstände von Antiinfektiva können technologische Prozesse in der industriellenLebensmittelverarbeitung stören. Antibiotikarückstände in der Milch können beispielsweisedie Aktivität milchsäureproduzierender Bakterien hemmen und dadurch die Käseherstellungnegativ beeinflussen. Dieser Aspekt muss bei der Festlegung der Rückstandshöchstmengeebenfalls berücksichtigt werden.

ZusammenfassungDas Arzneimittelgesetz schreibt für Tierarzneimittel die gleiche Qualität, Wirksamkeit undSicherheit vor wie für Arzneimittel, die zur Anwendung am Menschen bestimmt sind.Darüber hinaus müssen Tierarzneimittel auch unbedenklich für den Verbraucher der vomTier stammenden Lebensmittel sein. Deswegen sind vom Gesetzgeber für jedes bei lebens-mittelliefernden Tieren eingesetzte Arzneimittel routinemäßig durchführbare, dem neuestenStand entsprechende Rückstandsnachweisverfahren vorgeschrieben.

Werden Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, medikamentell behandelt, so sindRückstände in den eßbaren Geweben unvermeidlich. Die Verordnung (EWG) 2377/90 hateuropaweit bindend maximale Rückstandsmengen (MRL-Werte) in tierischen Lebensmittelnvorgeschrieben.

Der MRL-Wert ist Voraussetzung für die Anwendung eines Arzneistoffes beim lebensmittel-liefernden Tier. Um eine Verbrauchergefährdung auszuschließen, setzt die Zulassungs-behörde für alle in der Tierproduktion verwendeten Arzneimittel die „Wartezeit“, d.h. eineFrist von der letzten Verabreichung eines Medikamentes bis zur frühestmöglichenSchlachtung bzw. Milch- oder Eiergewinnung amtlich fest.

Bei Antiinfektiva wird ausserdem der Einfluß von Rückständen auf die Lebensmittel-herstellung (z.B. Käse oder Joghurt) untersucht.

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ABGABE UND ANWENDUNG BEI TIERARZNEIMITTELN

Abgabe und Anwendung von Tierarzneimitteln in DeutschlandAls Ausnahme vom Apothekenmonopol besitzen die Tierärzte in Deutschland das Dispen-sierrecht, um eine rasche und effiziente tierärztliche Betreuung, insbesondere mit Blick aufgesunde Nutztierbestände, sicher stellen zu können. Das Dispensierrecht wird jedochrestriktiv gehandhabt und unterliegt, besonders bei Arzneimitteln für Nutztiere, erheblichenEinschränkungen.

Der Tierarzt darf im Grundsatz nur zugelassene, verschreibungs- oder apothekenpflichtigeFertigarzneimittel anwenden. Ausnahmen bestehen für Arzneimittel, die von der Zulassung frei-gestellt sind oder die vom Tierarzt selbst für die von ihm behandelten Tiere hergestellt sind. DieHerstellung von Arzneimitteln kann dabei nicht nur für Einzeltiere, sondern auch für Tiere einesbestimmten Bestandes erfolgen. Bei allen Tieren ist aber aus Gründen der Sicherheit für dasTier zunächst ein zugelassenes Tierarzneimittel anzuwenden. Bei Hobbytieren kann der Tierarztim Notfall auch auf Arzneimittel für den Menschen ausweichen.

Unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes ist die Nutzung von Arzneimitteln für lebens-mittelliefernde Tiere stark eingeschränkt. Bei diesen Tieren dürfen nur Arzneimittel einge-setzt werden, die für mindestens eine Lebensmitteltierart zugelassen sind. Nur imTherapienotstand ist eine Eigenherstellung durch den Tierarzt, die über das reine Umfüllenund Abpacken hinausgeht, zulässig.

Das heißt, Arzneimittel mit verschreibungs- oder apothekenpflichtigen Stoffen dürfen nurdann vom Tierarzt hergestellt werden, wenn kein zugelassenes Arzneimittel für die Tierartzur Behandlung einer bestimmten Krankheit zur Verfügung steht und die Tiere sonst nicht ingeeigneter Weise behandelt werden können. Bei der Herstellung und auch bei derAnwendung dürfen, auch im Therapienotstand, nur Stoffe eingesetzt werden, die in zuge-lassenen Arzneimitteln für lebensmittelliefernde Tiere enthalten sind. Bei der Umwidmungvon Arzneimitteln für eine andere Tierspezies muß die Wartezeit so bemessen sein, dassdie Rückstandshöchstmengen in den Nahrungsmitteln nicht überschritten werden.

Für den Fall, dass auf dem Fertigarzneimittel keine Wartezeit für die betreffende Tierartangegeben ist, sind spezielle – besonders lange – Wartezeiten für die einzelnen tierischenProdukte gesetzlich festgelegt. Verstöße gegen diese Regelungen können mit Freiheits-strafen oder Geldbußen geahndet werden.

Der Tierarzt darf Arzneimittel – auch verschreibungspflichtige – direkt an den Tierhalter zurBehandlung seines Tierbestandes in gerechtfertigter Menge für den zu erwartendenBehandlungsumfang abgeben. Voraussetzung ist allerdings, dass der Bestand dem Tierarztbekannt ist und er die Diagnose, welche die Verabreichung des Medikamentes erforderlichmacht, selbst gestellt hat. Die Anwendung des Medikamentes erfolgt also unter tierärzt-licher Kontrolle.

Weitere Maßnahmen, wie die Dokumentationspflicht schaffen noch mehr Kontrolle. DerTierhalter darf u.a. bei lebensmittelliefernden Tieren Arzneimittel nur nach der Behand-lungsanweisung des Tierarztes, die schriftlich per Abgabebeleg gegeben werden muß,anwenden. Diesen Abgabebeleg müssen Tierarzt und Landwirt drei Jahre aufbewahren.Durch die Angaben, die jeder Beleg beinhalten muß, wird eine ordnungsgemäßeArzneimittelabgabe überschaubar und dadurch besser kontrollierbar.

Gegen die Abgabe auf Vorrat im größeren Umfang wendet sich das Abgabeverbot vonArzneimitteln für Tiere, die noch nicht im Bestand des künftigen Tierhalters sind. EineAusnahme wurde geschaffen für Tiere, die nach Abgabe der Arzneimittel eingestellt werden, sofern die Anwendung der Arzneimittel im Rahmen eines für den ordnungsgemäßbehandelten Bestand festgelegten Hygiene- und Prophylaxeprogrammes am Tag derEinstellung notwendig ist.

Die Verantwortung für dieSorge um die Gesundheit derTiere liegt beim Tierhalter, derdabei vom Tierarzt unterstütztwird. Wirksame Arzneimittelsind dabei ein bedeutendesMittel zur Gesunderhaltungvon Tieren, wozu schon derTierschutzgedanke verpflichtet.Für den Vertrieb, den Erwerbund die Anwendung von Tier-arzneimitteln bestehen strengeVorschriften. Ein besonderesöffentliches Interesse kommthinzu, wenn es sich um Tierehandelt, die der Lebensmittel-gewinnung dienen.

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Im kleinen Grenzverkehr können Tierärzte aus angrenzenden Mitgliedstaaten Arzneimittel,die am Ort ihrer Niederlassung zugelassen sind, für die eigene Anwendung mitführen. AlleArzneimittel dürfen nur in der Originalverpackung und in begrenzter Menge (Tagesbedarf)mitgeführt werden. Das Arzneimittel muß einem in Deutschland zugelassenen Produkt inZusammensetzung und Anwendungsgebiet entsprechen. Außerdem muß der Tierarzt aufdie Wartezeit, die in Deutschland gilt, hinweisen.

Zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln dürfen nur zugelassene Arzneimittelvor-mischungen verwendet werden. Herstellen dürfen nach Auftrag des Tierarztes nur beson-ders qualifizierte Betriebe mit arzneimittelrechtlicher Herstellungserlaubnis oder futtermittel-rechtlicher Anerkennung.

Der Tierarzt darf Fütterungsarzneimittel nur in seiner Hausapotheke herstellen, wenn er diegleichen Anforderungen wie die anerkannten Betriebe erfüllt. Das Einmischen vonTierarzneimitteln in Futtermittel vor Ort beim Tierhalter wird nicht als Inverkehrbringen verstanden, so dass hofeigenes Futter verwendet werden kann.

Fütterungsarzneimittel aus anderen Mitgliedstaaten der EU sind ebenfalls verkehrsfähig,wenn die Arzneimittelvormischung entweder in Deutschland zugelassen ist oder eine vergleichbare Zusammensetzung hat. Um unüberschaubare Wechselwirkungen zwischenverschiedenen Wirkstoffen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber untersagt, mehr als eineArzneimittelvormischung für die Herstellung des Fütterungsarzneimittels einzusetzen.

Eine Ausnahme gilt, wenn für ein bestimmtes Anwendungsgebiet eine zugelasseneArzneimittelvormischung nicht zur Verfügung steht. Allerdings muß der Tierarzt dieNotwendigkeit für die Verwendung von mehr als einer Arzneimittelvormischung begründenkönnen. Außerdem darf das Mischfuttermittel kein Antibiotikum oder Kokzidiostatikum alsZusatzstoff enthalten, das Bestandteil der verwendeten Arzneimittelvormischung ist, alsotherapeutisch eingesetzt werden soll.

Tierarzneimittelverkehr in der Europäischen UnionIn der Europäischen Union bestehen unterschiedliche Vertriebswege, über die Tierarznei-mittel vom Hersteller zum Tier gelangen. Dies sind im wesentlichen die Wege über denTierarzt, die Apotheken und über lizensierte Händler.

Diese Unterschiede in den nationalen Systemen zum Verkehr mit Tierarzneimitteln habensich abhängig von den jeweiligen Traditionen und nationalen Gesetzgebungen entwickelt.Daraus ergeben sich unterschiedliche Verantwortlichkeiten der beteiligten Berufsgruppen.

Die existierenden Vertriebswege für nicht freiverkäufliche Tierarzneimittel lassen sich inzwei Gruppen unterteilen. Restriktive Systeme, wie sie z.B. in Belgien, Dänemark, Deutsch-land, Italien und Luxemburg existieren, erlauben die Abgabe an den Tierhalter nur durchApotheker und /oder Tierärzte. In Deutschland, wo der Tierarzt das Dispensierrecht besitzt,werden rund 90 % der Tierarzneimittel über den Tierarzt vertrieben.

In Dänemark und Belgien ist dagegen der Apotheker Hauptvertreiber. GegenüberDeutschland wird in diesen beiden Ländern mit restriktiven Systemen ohne tierärztlichesDispensierrecht, jedoch die Klassifizierung von Präparaten anders gehandhabt. ÄhnlicheApothekenmonopole wie in Dänemark und Belgien existieren in Italien und Luxemburg.Auch in den skandinavischen Ländern sind Tierarzneimittel vor allem über Apotheken zubeziehen.

In einigen Mitgliedstaaten mit flexibleren Systemen bestehen neben dem Tierarzt oder demApotheker weitere abgabeberechtigte Personenkreise wie lizensierte Händler oder land-wirtschaftliche Genossenschaften.

Großbritannien ist ein typisches Beispiel für ein flexibles System. Tierärzte besitzen dasDispensierrecht. Sie beziehen ihre Arzneimittel vom Hersteller oder über spezialisierteGroßhändler. Verschreibungspflichtige Tierarzneimittel werden weitgehend direkt über den

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Tierarzt vertrieben. Die Abgabe auf Rezept sowie die Abgabe rezeptfreier Arzneimitteldurch die Apotheken ist praktisch bedeutungslos. In Großbritannien beträgt der Anteil ver-schreibungspflichtiger Tierarzneimittel weniger als die Hälfte und ist damit geringer als inden übrigen Mitgliedstaaten. Viele Produkte, z. B. aus der Gruppe der Antiparasitika, aberauch inaktivierte Impfstoffe, werden als Managementprodukte für den Tierhalter verstan-den. Diese in etwa den apothekenpflichtigen Arzneimitteln entsprechende Gruppe, wirdzum großen Teil über landwirtschaftliche Händler abgegeben. Diese Händler sind keinequalifizierten Apotheker, unterliegen aber den gleichen berufsrechtlichen Vorschriften. DerRest der Produkte ist freiverkäuflich.

In Frankreich sind zentralisierte Einkaufsgenossenschaften mit über 90 % Marktanteil diewichtigste Vertriebsstufe. Sie liefern Tierarzneimittel an anerkannte Organisationen, wielandwirtschaftliche Genossenschaften, die Tierärzte beschäftigen. Produkte, die in regionalzugelassenen Gesundheitsprogrammen verwendet werden, werden nahezu vollständig inder sogenannten ‘Liste positive’ geführt und können damit unter der Aufsicht des ange-stellten Tierarztes von den angeschlossenen Betrieben direkt eingesetzt werden.

ZusammenfassungDie Anwendung von Tierarzneimitteln erfordert eine hohe Sachkenntnis, um den Tier- alsauch den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Das notwendige Wissen wird dem Tierarztbei seiner Ausbildung vermittelt. Der Tierhalter kann aufgrund seiner Sachkunde bestimmteTierarzneimittel direkt anwenden.

Vor diesem Hintergrund differenziert das deutsche Arzneimittelgesetz zwischen ver-schreibungspflichtigen, nur über den Tierarzt anzuwendenden Arzneimitteln, apotheken-pflichtigen Arzneimitteln und sonstigen freiverkäuflichen Arzneimitteln, die ohne Über-wachung durch den Tierarzt anwendbar sind.

Ähnliche Klassifikationen finden sich auch in den anderen Mitgliedstaaten derEuropäischen Union. Gemeinsame Basis sind Kriterien für die Verschreibungspflicht, die ineuropäischen Rechtsvorschriften niedergelegt sind. Alle erstmalig zugelassenenTierarzneimittel unterliegen für fünf Jahre der Verschreibungspflicht. Die Möglichkeiten zurvorzeitigen Aufhebung diese Status sind in den Mitgliedsstaaten nicht einheitlich geregelt.Traditionell gewachsene Unterschiede ergeben sich in den einzelnen Ländern in derProduktklassifikation und in der Auffassung über die jeweilige Funktion der am Tier-arzneimittelverkehr beteiligten Gruppen innerhalb des Vertriebssystems.

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EINSATZ VON ANTIINFEKTIVA BEI TIEREN

Resistenz- und EmpfindlichkeitsprüfungMan unterscheidet aufgrund des Empfindlichkeitsverhalten der Bakterien zwischen dernatürlichen (primären, intrinsischen) und der erworbenen (sekundären) Resistenz. Die natür-liche Resistenz ist eine stets vorhandene Unempfindlichkeit einer Erregerart für einenbestimmten Wirkstoff, wie z.B. die beta-Laktam-Resistenz der Mykoplasmen.

Die erworbene Resistenz beruht im wesentlichen auf resistenzvermittelnden Mutationenoder auf dem Erwerb mobiler resistenzmittelnder genetischer Elemente. Dabei kann dieResistenz gegenüber einzelnen Wirkstoffen, Vertretern der gleichen Wirkstoffgruppe oderauch unterschiedlichen Wirkstoffgruppen, sogenannte Mehrfachresistenz, ausgeprägt sein.

ResistenzmechanismenGenerell lassen sich mehrere Resistenzmechanismen unterscheiden, die z.T. gleichzeitig füreine Wirkstoffgruppe Anwendung finden.

1. Enzymatische Inaktivierung (z.B. beta-Laktamase gegen Penicillin).

2. aktiver Transport der Antiinfektiva aus der Bakterienzelle (z.B. Tetracycline und Makrolide).

3. Schutz der Angriffsstelle oder deren chemische Veränderung (Schutzproteine gegen Tetracycline).

4. Ersetzen der empfindlichen Angriffsstruktur durch eine analoge aber nicht empfind-liche (Trimethoprim: resistente Dihydrofolatreduktase).

Für die erworbene Resistenz sind insbesondere resistenzvermittelnde, mobile genetischeElemente und Mutationen von Bedeutung. Bei den mobilen Elementen unterscheidet manzwischen Plasmiden, Transposons und sogenannten Genkassetten. Diese Strukturen unter-scheiden sich hinsichtlich Replikationsfähigkeit, tragen von Ein- oder Mehrfachresistenz-genen und ihrer Lokalisation in der Bakterienzelle.

Zufällige Veränderungen an Bakterienchromosomen, die zu resistenten Keimvarianten(Mutanten) führen, treten bei der Spontanmutation auf. Ein Kontakt mit dem Antiinfektivumist nicht erforderlich. Aufgrund des Selektionsvorteiles können sich die resistenten Bakterienungehindert vermehren und nehmen rasch den Platz der sensiblen, durch dasAntiinfektivum abgetöteten Stämme ein.

EmpfindlichkeitsprüfungDer einfache und schnell durchführbare Blättchentest (Agardiffusionstest) hat sich als semiquantitative Bestimmungsmethode weltweit durchgesetzt, da mit geringem Aufwand,preisgünstig und relativ schnell ein Übersichtsergebnis erzielt werden kann.

Das Prinzip beruht darauf, dass der zu testende antimikrobielle Wirkstoff aus einem Träger-stoff, zumeist Papierblättchen, in den Agar diffundiert, der homogen mit dem Erregerbeimpft ist. Die Größe des nach Bebrütung entstandenen Hemmhofes (gemessen in mm) istAusdruck für die Empfindlichkeit des Bakteriums. Die Durchführung des Agardiffusionstestesist in Vorschriften und Empfehlungen geregelt: Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN58940)

Die Ergebnisse der Diffusionstests liefern schnelle Aussagen über die Empfindlichkeit vonKrankheitserregern. Bei Vorliegen valider Hemmhof-Grenzwerte ist es möglich, auf Basisdieser Ergebnisse Therapieempfehlungen für den Einzelfall abzuleiten. Die semiquantita-tive Technik eignet sich jedoch nicht zur Erarbeitung eines für allgemeine Aussagen überden Resistenzstatus und die Resistenzentwicklung brauchbaren Datenmaterials.

Bei den Dilutionstests (Reihenverdünnungstest) handelt es sich um quantitative Bestim-mungsmethoden. Es wird die Wirkstoffkonzentration ermittelt (minimale Hemmkonzentra-tion, MHK, gemessen in µg/ml), die den Erreger am Wachstum hindert oder abtötet. Die

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Bakterien sind in der Lage,gegen Antiinfektiva eine ver-minderte Empfindlichkeit zuentwickeln, um zu überleben.Dabei gibt es natürliche underworbene Resistenzen. Vor der Verwendung ist eswichtig, zu prüfen, ob dasBakterium empfindlich gegen-über dem Antiinfektivum ist.Außerdem ist die Kenntnis derallgemeinen Resistenzsituationeine entscheidende Hilfe füreine zielgerichtete Therapie.

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Ausführung erfolgt sowohl auf festen wie auch in flüssigen Nährmedien; Modifikationen,vorwiegend als Mikrodilutionsteste, die auch käuflich industriell vorgefertigt und standar-disiert sind, kommen ebenfalls zum Einsatz.

Die Bestimmung der minimalen Hemmkonzentrationen liefert am ehesten einen korrektenWert für die Empfindlichkeit von Mikroorganismen.

Im E-Test ist das Prinzip des Agardiffusionstestes mit der MHK-Wertbestimmung kombiniert.Die Wirkstoffträger bestehen aus Kunststoffstreifen, die einen Wirkstoffgradienten enthalten(Chemotherapeutikakonzentrationen von 0.016-256 µg/ml bzw. von 0.002-32 µg/ml).Analog zum Agardiffusionstest wird der Streifen auf eine beimpfte Agarplatte aufgelegt.Bei den gegenüber dem Wirkstoff sensiblen Keimen kommt es zur Ausbildung eines ellipsoiden Hemmhofes. Am Schnittpunkt des Hemmhofes mit den Streifen kann der MHK-Wert anhand einer aufgedruckten Skala abgelesen werden.

ResistenzmonitoringFür die zielgerichtete Therapie mit Antiinfektiva ist die Kenntnis der aktuellen Resistenz-situation eine entscheidende Hilfestellung.

Hierbei sind zahlreiche Forderungen an die Durchführung und Auswertung solcherUntersuchungen zu stellen. Grundsätzlich muß das für ein Resistenzmonitoring benötigteUntersuchungsmaterial in statistisch repräsentativer Art gesammelt werden. DieCharakterisierung des Probenmaterials muß hinsichtlich Herkunftsbetrieb, Medikamenten-einsatz, Art und Dauer der Erkrankung, der Tierart und der Nutzungsrichtung sowie derProbenart lückenlos dokumentiert sein. Vorselektiertes Probenmaterial oder Material ausProblembeständen eignen sich nicht für ein Resistenzmonitoring.

Die Prüfung der Erregerempfindlichkeit erfolgt quantitativ (Bestimmung der Minimalen Hemm-konzentration, MHK) und muß nach einheitlichen und verbindlichen Vorschriften durchge-führt werden. Die MHK wird zur Zuordnung eines Keimes zu den Gruppen sensibel (s),intermediär (i) oder resistent (r) in Relation gesetzt zu sogenannten Grenzkonzentrationen(break points).

Die Grenzkonzentrationen müssen wirkstoffspezifisch nach nachvollziehbaren Kriterien fürTierpathogene festgelegt werden. Viele Grenzwerte beruhen noch überwiegend aufHumandaten und sind damit nicht anwendbar.

Umgang mit Antiinfektiva (Quelle: Bundesverband für Tiergesundheit e.V., Juli 1999)

1. Antibiotika dürfen nur ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt werden■ Der Einsatz von Antibiotika ist durch gesetzliche Bestimmungen geregelt.

Zugelassene Tierarzneimittel sind hinsichtlich der Tierart und ihres Anwendungs-gebietes geprüft.

■ Die Anwendung von Antibiotika darf nicht als Ersatz für Stallhygiene und vor-beugende Maßnahmen, wie z.B. Schutzimpfungen, angesehen werden.

2. Die sachgemäße Anwendung von Antibiotika garantiert ein Höchstmaßan Schutz für das Tier, den Verbraucher, die Umwelt■ Dosierung, Dosierungsintervalle und Wartezeiten sind wissenschaftlich begründet.

■ Bei der Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen und Anwendungsempfehlungen müssen Behörden, Tierärzte, Tierhalter und die Arzneimittelhersteller eng zusam-menarbeiten.

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3. Therapeutische Antibiotika dürfen nur unter Aufsicht des Tierarztes angewendet werden■ Antibiotikahaltige Tierarzneimittel sind verschreibungspflichtig.

■ Der Tierarzt entscheidet, ob ihre Anwendung notwendig ist.

■ Der Tierarzt klärt den Tierhalter über Nutzen und Risiken des Antibiotika-Einsatzes auf.

4. Antibiotika werden nach sorgfältiger Diagnose zielgerichtet eingesetzt■ Vor der Behandlung stehen Untersuchung und Diagnose. Zur Absicherung der

Diagnose sollten eine Keimisolierung und eine Sensitivitätsprüfung erfolgen.

■ In bestimmten Situationen, wie z.B. der Einstallung von Ferkeln aus unterschiedlichen Beständen, kann zur Verminderung des Erkrankungsrisikos eine Behandlung mit Antibiotika sinnvoll sein.

5. Bei der Auswahl des Präparates ist die Resistenzsituation zu berück-sichtigen■ Die Wahl des Präparates durch den Tierarzt wird durch das Erregerspektrum, den

Wirkmechanismus des Arzneimittels, die Schwere der Erkrankung und die Resistenz-situation bestimmt.

■ Möglichst vor Beginn der Behandlung sollte der Tierarzt prüfen, ob der Erreger auf den Wirkstoff anspricht.

■ Weil die Schwere der Erkrankung oftmals eine Soforttherapie notwendig macht, sind für den Tierarzt zur Auswahl des Präparates Kenntnisse zur allgemeinen Resistenz-situation, zur Resistenzsituation im betroffenen Tierbestand sowie Erfahrungen mit dem Einsatz des Arzneimittels wesentlich.

6. Art und Dauer der Anwendung müssen der Entwicklung resistenter Bakterien entgegenwirken■ Eine möglichst rasche und vollständige Eliminierung der Erreger ist mit der Anfangs-

therapie anzustreben.

■ Die Behandlung muß ausreichend lange mit der empfohlenen Dosierung fortgesetzt werden.

■ Das Antibiotikum soll nicht länger als notwendig eingesetzt werden.

7. Bei größeren Tierbeständen ist die Verabreichung über Trinkwasser oderFutter sinnvoll■ Alle Tiere eines Bestandes können so gleichzeitig und schonend behandelt werden.

■ Auch beim Einsatz über Trinkwasser oder Futter werden Antibiotika stets unter Aufsicht des Tierarztes angewendet.

■ Um Wechselwirkungen zwischen Wirkstoffen zu vermeiden, darf prinzipiell nur eine Arzneimittelvormischung zur Herstellung des Fütterungsarzneimittels eingesetzt werden.

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ZusammenfassungBakterien sind in der Lage, eine Resistenz gegenüber Antiinfektiva auszubilden. Neben dernatürlichen Resistenz spielt vor allem die erworbene Resistenz eine wichtige Rolle. Dieerworbene Resistenz entwickelt sich zufällig oder wird durch den Einsatz von Antiinfektivaselektiert.

Insgesamt lassen sich mehrere Resistenzmechanismen unterscheiden. Sie beruhen entwe-der auf enzymatischer Inaktivierung des Wirkstoffes oder dem aktiven Transport desAntiinfektivums aus der Bakterienzelle. Andere Mechanismen betreffen eine direkte oderindirekte Veränderung an der Angriffsstelle des Antiinfektivums. Für die erworbeneResistenz spielen insbesondere resistenzvermittelnde Mutationen und der Erwerb von mobilen, genetischen Elementen mit Resistenzeigenschaften eine wichtige Rolle.

Für die Empfindlichkeitsprüfung der Bakterien gegenüber Antiinfektiva stehen verschiedeneTestsysteme zur Verfügung. Der einfache und schnell durchführbare Blättchentest(Agardiffusionstest) liefert ein grobes Raster zur Ermittlung der Empfindlichkeit. DerDilutionstest zeigt die minimale Hemmkonzentration (MHK) der einzelnen Stämme und liefert einen korrekten Wert für die Empfindlichkeit von Mikroorganismen.

Für die zielgerichtete Therapie mit Antiinfektiva ist dann die Kenntnis der aktuellenResistenzsituation von großer Bedeutung. Um sichere und repräsentative Aussagen zumResistenzgeschehen machen zu können, sind zahlreiche Forderungen an die Durchführungund Auswertung von Resistenzmonitoringprogrammen zu stellen.

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