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Antimikrobiell wirkende Aufpfropf- schichten - Aufpfropfreaktionen, Wirkung, Anwendungen Klaus J. Huttinger und Heinz Muller* In vorangegangenen Arbeiten wurde dargelegt, daB durch Aufpfrop- fen von Molekiilen rnit grenzflachenaktiven Gruppen auf Feststoffen monomolekulare Schichten erzeugt werden konnen, die eine drasti- sche Veranderung der Benetzbarkeit bewirken [l, 21. In der vorliegenden Arbeit wurde von der Moglichkeit des Aufpfropfens Gebrauch gemacht, um Molekule rnit antimikrobiell wirkenden Gruppen auf Cellulose kovalent zu binden. Cellulose wurde dabei sowohl pulverformig als auch in Form von Filterpapier eingesetzt. Bei der Auswahl der antimikrobiell wirkenden Verbindungen wurde auf bekannte Desinfektionsmittel zuruckgegriffen, die samtlich als Amino-Derivate verwendet wurden. Im einzelnen handelt es sich um 1 .) 4-Aminobutyraldehyddiethylacetal ; 2.) Tetrachloranilin ; 3.) Aminophenylquecksilberacetat. Die Wirksamkeit der Aufpfropf- schichten gegeniiber Mikroorganismen wurde rnit 2 Bakterien- Arten, namlich Escherichia coli (E. coli) und Micrococcus luteus (M. luteus), sowie einem Vertreter der mikroskopischen Pilze, namlich Aspergillus niger (A. niger), unter Verwendung ublicher Nahrboden untersucht. Behandelte Proben mit jeweiligen nichtbehandelten Referenzproben wurden bis zu 14d bebrutet. Ziel der Untersuchungen war, 1 .) Methoden zum Aufpfropfen von antimikrobiell wirkenden Substanzen, im speziellen Fall auf Cellulo- se, zu erarbeiten und 2.) solche Aufpfropfschichten auf ihre antimikrobielle Aktivitat zu untersuchen. Voruntersuchungen dieser Art sind unseres Wissens nicht bekannt. Bei positivem Ausgang der Untersuchungen ergeben sich attraktive Anwendungsmoglichkeiten dieser Technologie, beispielsweise der Schutz von Materialien vor mikrobieller Korrosion oder auch die Verhinderung der Verkeimung von verfahrenstechnischen Anlagenteilen wie Rohren oder Filtern. Hingewiesen sei insbesondere auf die Problematik der Schleimbil- dung im lebensmitteltechnologischen Bereich. Fur die Aufpfropfreaktionen wurden die Cellulose-Materialien auf verschiedene Arten aktiviert, da die verfugbaren Hydroxyl-Oberfla- chengruppen in der Regel fur Aufpfropfreaktionen nicht reaktiv genug sind. Erfolgreich durchgefiihrt wurde : 1. die Oxidation der sekundaren, vicinalen Hydroxyl-Gruppen der Glucose-Bausteine des Polysaccharids Cellulose zu Aldehyd- Gruppen ; 2. die Oxidation der primaren Hydroxyl-Gruppen rnit Distick- stofftetroxid zu Carboxyl-Gruppen ; 3. die Umsetzung der Hydroxyl-Gruppen mit Bromcyan mit der Ausbildung von Imidocarbonat-Oberflachengruppen. Die Aufpfropfung der als Amino-Derivate eingesetzten Desinfek- tionsmittel durch Umsetzung mit den erzeugten Oberflachengruppen der Celluloseerfolgt in allen Fallen ohne Kopplungskomponente und ohne Spacer, obwohl deren Anwendung grundsatzlich moglich ist. Die Umsetzung der Aldehyd-Gruppen rnit der jeweiligen Amino- Gruppe der aufzupfropfenden Substanz fuhrte primar zu einem instabilen Carbinolamin, welches rnit Natriumborhydrid zu einem Alkylamin reduziert wurde [3]. Bei der Umsetzung der Carboxyl- Oberflachengruppen rnit der jeweiligen Amino-Gruppe der auf- zupfropfenden Substanzen bildete sich nach Aktivierung der * Prof. Dr.-Ing. K. J. Hiittingerund Dip1.-Chem. H. Miiller, Institut fur Chemische Technik der Univ. Karlsruhe, KaiserstraRe 12,7500 Karlsruhe. Carboxyl-Gruppen rnit N,N’-Dicyclohexylcarbodiimid ein Amid [4]. Die Aufpfropfreaktion auf die rnit Bromcyan aktivierte Cellulose fuhrte schlieBlich zu einem Isoharnstoff-Derivat, zu einem N- substituierten Imidocarbonat-Derivat und zu einem N-substituierten Carbamat-Derivat [SJ. Die Nachweise der aufgepfropften Verbin- dungen wurden nal3chemisch durch Stickstoff- und Chlor-Bestim- mungen an Pulverproben durchgefuhrt ; zusatzlich wurden an gleichen Proben ESCA-Messungen vorgenommen. Die mikrobiologischen Untersuchungen rnit Hilfe von behandeltem Filterpapier fiihrten zu den in Tab. 1 zusammengefaRten Ergebnis- sen. Es wurde festgestellt, daR die Art der Oberfllchenbindung einer Tabelle 1. Zusammenfassung der Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen. antimikrobiell wirksame Gruppe E. coli M. luteus A. niger oxidativ erzeugte Aldehyd-Gruppen aufgepfropfter Butyraldeh yd aufgepfropftes Tetrachloranilin aufgepfropftes Aminophenylquecksilberacetat ++ + 0 + + 0 0 0 0 ++ ++ +s + + kein Wachstum, + Wachstumshemmung, 0 keine antimikro- bielle Wirkung. antimikrobiell wirkenden Substanz keinen EinfluB auf deren Wirkung zu haben scheint. Bei dem in Reihe 1 aufgefuhrten Aldehyd handelt es sich lediglich um die rnit Perjodat erzeugten Aldehyd- Gruppen auf der Cellulose-Oberflache. Sie wirken in etwa gleicher Weise gegenuber den Bakterien wie der aufgepfropfte Butyraldehyd. Der Wirkungslosigkeit von Tetrachloranilin steht die totale Wirkung der quecksilberorganischen Verbindung gegenuber. Ohne auf die Wirkungsweise der einzelnen aufgepfropften, antimikrobiell wirken- den Substanzen einzugehen, sei doch betont, daO antimikrobiell wirkende Aufpfropfschichten offensichtlich realistisch sind und fur verschiedene technische Anwendungen Interesse erlangen konnen. An der Weiterentwicklung des Verfahrens wird gearbeitet. Fur die finanzielle Unterstiitzung zur Durchfiihrung von Teilen dieser Arbeit sei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gedankt. Fur die Mithilfe bei der Durchfiihrung der mikrobiologischen Untersuchungen und fur die hilfreichefachliche Diskussion gilt unser Dank Herrn Dr. M. T. Bornar, Institut fur Biologie der Bundesfor- schungsanstalt fur Emahrung, Karlsruhe (Leiter : Prof. Dr. H. Frank). Eingegangen am 31. Oktober 1979 [l] Harttig, H.; Hiittinger, K. J.: Chem.-1ng.-Tech. 50 (1978) S. 880. [2] Bauer, F.; Hiittinger, I(. J.: Chem.-1ng.-Tech. 51 (1979) S. 742. [3] Sanderson, C. J.; Wilson, D. V.: Immunology 20 (1971) S. 1061. [4] Mob, F., in Houben/Weyl: Methoden der organischen Chemie, [S] Axen, R.; Porath, J.; Ernback, S.: Nature 216 (1967) S. 1302. Schliisse/worte: Aufpfropfschichten, monomolekulare Schichten, Cellulose, antimikrobiell wirkende Substanzen, Mikroorganismen, mikrobielle Korrosion, Verkeimung. 4. Aufl., Bd. XI/2, S. 3, Verlag Thieme, Stuttgart 1958. Chem.-1ng.-Tech. 52 (1980) Nr. 1 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1980 OOO9-286X/80/0101-0077$02.50/0 77

Antimikrobiell wirkende Aufpfropfschichten – Aufpfropfreaktionen, Wirkung, Anwendungen

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Antimikrobiell wirkende Aufpfropf- schichten - Aufpfropfreaktionen, Wirkung, Anwendungen

Klaus J. Huttinger und Heinz Muller*

In vorangegangenen Arbeiten wurde dargelegt, daB durch Aufpfrop- fen von Molekiilen rnit grenzflachenaktiven Gruppen auf Feststoffen monomolekulare Schichten erzeugt werden konnen, die eine drasti- sche Veranderung der Benetzbarkeit bewirken [ l , 21. In der vorliegenden Arbeit wurde von der Moglichkeit des Aufpfropfens Gebrauch gemacht, um Molekule rnit antimikrobiell wirkenden Gruppen auf Cellulose kovalent zu binden. Cellulose wurde dabei sowohl pulverformig als auch in Form von Filterpapier eingesetzt. Bei der Auswahl der antimikrobiell wirkenden Verbindungen wurde auf bekannte Desinfektionsmittel zuruckgegriffen, die samtlich als Amino-Derivate verwendet wurden. Im einzelnen handelt es sich um 1 .) 4-Aminobutyraldehyddiethylacetal ; 2.) Tetrachloranilin ; 3.) Aminophenylquecksilberacetat. Die Wirksamkeit der Aufpfropf- schichten gegeniiber Mikroorganismen wurde rnit 2 Bakterien- Arten, namlich Escherichia coli (E. coli) und Micrococcus luteus (M. luteus), sowie einem Vertreter der mikroskopischen Pilze, namlich Aspergillus niger (A. niger), unter Verwendung ublicher Nahrboden untersucht. Behandelte Proben mit jeweiligen nichtbehandelten Referenzproben wurden bis zu 14d bebrutet. Ziel der Untersuchungen war, 1 .) Methoden zum Aufpfropfen von antimikrobiell wirkenden Substanzen, im speziellen Fall auf Cellulo- se, zu erarbeiten und 2.) solche Aufpfropfschichten auf ihre antimikrobielle Aktivitat zu untersuchen. Voruntersuchungen dieser Art sind unseres Wissens nicht bekannt. Bei positivem Ausgang der Untersuchungen ergeben sich attraktive Anwendungsmoglichkeiten dieser Technologie, beispielsweise der Schutz von Materialien vor mikrobieller Korrosion oder auch die Verhinderung der Verkeimung von verfahrenstechnischen Anlagenteilen wie Rohren oder Filtern. Hingewiesen sei insbesondere auf die Problematik der Schleimbil- dung im lebensmitteltechnologischen Bereich. Fur die Aufpfropfreaktionen wurden die Cellulose-Materialien auf verschiedene Arten aktiviert, da die verfugbaren Hydroxyl-Oberfla- chengruppen in der Regel fur Aufpfropfreaktionen nicht reaktiv genug sind. Erfolgreich durchgefiihrt wurde : 1. die Oxidation der sekundaren, vicinalen Hydroxyl-Gruppen der

Glucose-Bausteine des Polysaccharids Cellulose zu Aldehyd- Gruppen ;

2. die Oxidation der primaren Hydroxyl-Gruppen rnit Distick- stofftetroxid zu Carboxyl-Gruppen ;

3. die Umsetzung der Hydroxyl-Gruppen mit Bromcyan mit der Ausbildung von Imidocarbonat-Oberflachengruppen.

Die Aufpfropfung der als Amino-Derivate eingesetzten Desinfek- tionsmittel durch Umsetzung mit den erzeugten Oberflachengruppen der Celluloseerfolgt in allen Fallen ohne Kopplungskomponente und ohne Spacer, obwohl deren Anwendung grundsatzlich moglich ist. Die Umsetzung der Aldehyd-Gruppen rnit der jeweiligen Amino- Gruppe der aufzupfropfenden Substanz fuhrte primar zu einem instabilen Carbinolamin, welches rnit Natriumborhydrid zu einem Alkylamin reduziert wurde [3]. Bei der Umsetzung der Carboxyl- Oberflachengruppen rnit der jeweiligen Amino-Gruppe der auf- zupfropfenden Substanzen bildete sich nach Aktivierung der

* Prof. Dr.-Ing. K . J . Hiittingerund Dip1.-Chem. H . Miiller, Institut fur Chemische Technik der Univ. Karlsruhe, KaiserstraRe 12,7500 Karlsruhe.

Carboxyl-Gruppen rnit N,N’-Dicyclohexylcarbodiimid ein Amid [4]. Die Aufpfropfreaktion auf die rnit Bromcyan aktivierte Cellulose fuhrte schlieBlich zu einem Isoharnstoff-Derivat, zu einem N- substituierten Imidocarbonat-Derivat und zu einem N-substituierten Carbamat-Derivat [SJ. Die Nachweise der aufgepfropften Verbin- dungen wurden nal3chemisch durch Stickstoff- und Chlor-Bestim- mungen an Pulverproben durchgefuhrt ; zusatzlich wurden an gleichen Proben ESCA-Messungen vorgenommen. Die mikrobiologischen Untersuchungen rnit Hilfe von behandeltem Filterpapier fiihrten zu den in Tab. 1 zusammengefaRten Ergebnis- sen. Es wurde festgestellt, daR die Art der Oberfllchenbindung einer

Tabelle 1. Zusammenfassung der Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen.

antimikrobiell wirksame Gruppe

E. coli M. luteus A. niger

oxidativ erzeugte Aldehyd-Gruppen aufgepfropfter Butyraldeh yd aufgepfropftes Tetrachloranilin aufgepfropftes Aminophenylquecksilberacetat

+ + + 0

+ + 0

0 0 0

+ + + + + s

+ + kein Wachstum, + Wachstumshemmung, 0 keine antimikro- bielle Wirkung.

antimikrobiell wirkenden Substanz keinen EinfluB auf deren Wirkung zu haben scheint. Bei dem in Reihe 1 aufgefuhrten Aldehyd handelt es sich lediglich um die rnit Perjodat erzeugten Aldehyd- Gruppen auf der Cellulose-Oberflache. Sie wirken in etwa gleicher Weise gegenuber den Bakterien wie der aufgepfropfte Butyraldehyd. Der Wirkungslosigkeit von Tetrachloranilin steht die totale Wirkung der quecksilberorganischen Verbindung gegenuber. Ohne auf die Wirkungsweise der einzelnen aufgepfropften, antimikrobiell wirken- den Substanzen einzugehen, sei doch betont, daO antimikrobiell wirkende Aufpfropfschichten offensichtlich realistisch sind und fur verschiedene technische Anwendungen Interesse erlangen konnen. An der Weiterentwicklung des Verfahrens wird gearbeitet.

Fur die finanzielle Unterstiitzung zur Durchfiihrung von Teilen dieser Arbeit sei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gedankt. Fur die Mithilfe bei der Durchfiihrung der mikrobiologischen Untersuchungen und fur die hilfreichefachliche Diskussion gilt unser Dank Herrn Dr. M . T. Bornar, Institut fur Biologie der Bundesfor- schungsanstalt fur Emahrung, Karlsruhe (Leiter : Prof. Dr. H . Frank). Eingegangen am 31. Oktober 1979

[l] Harttig, H . ; Hiittinger, K . J . : Chem.-1ng.-Tech. 50 (1978) S. 880. [2] Bauer, F . ; Hiittinger, I(. J.: Chem.-1ng.-Tech. 51 (1979) S. 742. [3] Sanderson, C . J . ; Wilson, D. V.: Immunology 20 (1971) S. 1061. [4] M o b , F . , in Houben/Weyl: Methoden der organischen Chemie,

[ S ] Axen, R. ; Porath, J.; Ernback, S.: Nature 216 (1967) S. 1302.

Schliisse/worte: Aufpfropfschichten, monomolekulare Schichten, Cellulose, antimikrobiell wirkende Substanzen, Mikroorganismen, mikrobielle Korrosion, Verkeimung.

4. Aufl., Bd. XI/2, S. 3, Verlag Thieme, Stuttgart 1958.

Chem.-1ng.-Tech. 52 (1980) Nr. 1 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1980 OOO9-286X/80/0101-0077$02.50/0

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