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Anwendungen der Integralrechnung 8.10 Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt ............... 204 8.11 Kurvenlänge ............................. 207 8.12 Rotationskörper ........................... 209 8.13 Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion ....... 213 8.10 Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt Es soll der Flächeninhalt und der Flächenschwerpunkt einer Fläche, die von 2 Funktionen y 1 (x ) Ø y 2 (x ) begrenzt wird, berechnet werden. 204

Anwendungen der Integralrechnung - TU Freiberg...Die Mantelfläche eines Rotationskörpers mit der Kontur y = f(x), a Æ x Æ b, berechnet man dadurch, dass die Mantelfläche dM

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Anwendungen der Integralrechnung

8.10 Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 2048.11 Kurvenlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2078.12 Rotationskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2098.13 Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion . . . . . . . 213

8.10 Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt

Es soll der Flächeninhalt und der Flächenschwerpunkt einer Fläche, die von 2Funktionen y1(x) Ø y2(x) begrenzt wird, berechnet werden.

204

8.10. Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt

Flächeninhalt

-0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

-1

1

2

3

y2(x)

y1(x)

B

Flächeninhalt des Bereichs B

Da man immer eine Konstante C Ø 0 findet, so dass y1(x) + C Ø 0 undy2(x) + C Ø 0 gilt für alle x , berechnet sich der Flächeninhalt als

⁄ b

a

y1(x) ≠ y2(x)dx .

Flächenschwerpunkt

Für n Massenpunkte berechnet sich der Schwerpunkt wie folgt:

xs =

qni=1 mi xiqn

i=1 mi, ys =

qni=1 mi yiqn

i=1 mi.

Diese Formeln nutzen wir aus, indem wir den Bereich B, der die durch dieFunktion f (x) Ø 0 begrenzt wird, in n Teilrechtecke zerlegen

205

8.10. Flächeninhalt und Flächenschwerpunkt

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8

1

2

3

4

5

a=x0 x1 x2 x3 ... xi ξ xi+1 ... b=xn

y = f(x)

Flächenschwerpunkt

Jedes Rechteck hat den Flächeninhalt

Ai = �xi f (›i ) und die Schwerpunktskoordinaten xs =12

(xi +xi+1) = xi +12�xi , ys =

12

f (›i ).

Somit gilt für den Gesamtschwerpunkt

xs =

qni=1 Ai xs,iqn

i=1 Ai=

qni=1 �xi f (›i ) 1

2 (xi + xi+1)qni=1 �xi f (›i )

sowie

ys =

qni=1 Ai ys,iqn

i=1 Ai=

qni=1 �xi f (›i ) 1

212 f (›i )qn

i=1 �xi f (›i ).

Mit Hilfe des Grenzübergangs n æ Œ, also immer feinerer Zerlegung gehenDifferenzen in Differenziale über und man erhält für dieSchwerpunktskoordinaten

xs =

s b

axf (x)dx

s b

af (x)dx

und ys =12

s b

a(f (x))2dx

s b

af (x)dx

Wird der Bereich B von 2 Funktionen y1(x) Ø y2(x) begrenzt,

206

8.11. Kurvenlänge

-1 0 1 2 3 4 5 6 7 8

1

2

3

4

5

a=x0 x1 x2 x3 ... xi ξ xi+1 ... b=xn

Flächenschwerpunkt

y1(x)

y2(x)y2(�)

y1(�)

B

so berechnet sich der Schwerpunkt aus

xs =

s b

ax(y1(x) ≠ y2(x)dx

s b

ay1(x) ≠ y2(x)dx

und ys =12

s b

a(y1(x))2 ≠ (y2(x))2dx

s b

ay1(x) ≠ y2(x)dx

.

8.11 Kurvenlänge

Die Parameterdarstellung x = x(t), y = y (t) (a Æ t Æ b) einer Kurve heißtregulär, wenn die Funktionen t ‘æ x(t), t ‘æ y (t) über [a, b] stetigdifferenzierbar sind und x(t)2 + y (t)2 ”= 0 für a Æ t Æ b gilt, dabei sind x(a) undx(b) als einseitige Ableitungen zu verstehen.

Satz 8.53 (Kurvenlänge)Es gilt

1. Die Länge eines Kurvenbogens mit regulärer Parameterdarstellungbeträgt

L =⁄ b

a

x(t)2 + y (t)2 dt .

207

8.11. Kurvenlänge

2. Der Graph y = f (x) einer stetig differenzierbaren Funktionf : [a, b] æ R hat die Länge

L =⁄ b

a

1 + f Õ(x)2 dx .

Beweis: Wir zerlegen das Parameterintervall [a, b] in (äquidistante)Zwischenpunkte

a = t0 < t1 < ... < tn = b, ti+1 ≠ ti = �t ,

in n Teilintervalle. Über jedem dieser Teilintervalle wird der Kurvenbogen ersetztdurch die Sehne der Länge

Δx

Δy

Δs

�s =

(�x)2 + (�y )2 =

x(›i )2 + y (÷i )2�t

mit ›i , ÷i zwischen ti und ti + �t . Dies ist eine Folgerung aus dem Mittelwertsatz7.5. Summation und der Grenzübergang �t æ 0 (bzw. n æ Œ) ergeben dieBehauptung a). b) ist ein Spezialfall von a), denn es ist x(t) = t und y (t) = f (t)eine stetig differenzierbare Parameterdarstellung der Kurve y = f (x).

208

8.12. Rotationskörper

Beispiel 8.54Kurvenlänge der Kettenlinie f (x) = a cosh

!xa

", a > 0.

-2 -1 0 1 2

1

2

3

4

f(x) =1

2cosh(2x)

f(x) = 2 cosh(12x)

Bogenlänge der Kettenlinie

Es ist für x0 Ø 0 :

L =⁄ x0

0

Ú1 + sinh2

1xa

2dx =

⁄ x0

0

cosh1x

a

2dx = a sinh

1xa

2---x0

0= a sinh

1x0

a

2.

8.12 Rotationskörper

Volumen von Rotationskörpern

Von einem dreidimensionalen Körper sei nach Wahl eines geeignetenkartesischen Koordinatensystems für jedes x œ [a, b] der Flächeninhalt F (x)des Querschnitts bekannt.

ΔX

x

y

z

209

8.12. Rotationskörper

Das Volumen der Scheibe der Dicke �x beträgt näherungsweise F (x)�x . InKurzform: dV = F (x)�x ; die Integration ergibt

V =⁄

dV =⁄ b

a

F (x) dx .

Speziell gilt mit F (x) = fi(f (x))2:

Satz 8.55Ein durch Drehung der Kurve (Kontur) y = f (x), a Æ x Æ b, um diex-Achse erzeugter Rotationskörper hat das Volumen

V = fi

⁄ b

a

(f (x))2 dx .

Beispiel 8.56Volumen eines Torus (Reifen).

Torus

Rr

x

y

210

8.12. Rotationskörper

Der Torus entsteht durch Rotation des oberen Halbkreises

y1 = R +

r 2 ≠ x2

um die x-Achse, wobei der „innere Körper“ entfernt wird. Der „innere Körper“entsteht durch die Rotation des unteren Halbkreises

y2 = R ≠

r 2 ≠ x2

um die x-Achse. Damit ergibt sich das Volumen des Torus zu

V = fi

⁄ r

≠r

y21 dx ≠ fi

⁄ r

≠r

y22 dx = fi

⁄ r

≠r

(y21 ≠ y2

2 ) dx

= fi

⁄ r

≠r

(R2 + 2R

r 2 ≠ x2 + r 2 ≠ x2 ≠ R2 + 2R

r 2 ≠ x2 ≠ r 2 + x2 dx

= 4Rfi

⁄ r

≠r

r 2 ≠ x2 dx

Substitution:x = r sin t , dx = r cos t dt , ≠r = r sin t ≈∆ t = ≠ fi

2 , r = r sin t ≈∆ t = fi2

ergibt

= 4Rfi

⁄ fi2

≠ fi2

r 2 ≠ r 2 sin2 t r cos t dt = 4Rfi

⁄ fi2

≠ fi2

Ôr 2 cos2 t r cos t dt

= 4Rr 2fi

⁄ fi2

≠ fi2

cos2 t dt = 4Rr 2fi

⁄ fi2

≠ fi2

cos2 t dt = 2Rr 2fi

⁄ fi2

≠ fi2

cos 2t + 1 dt

= 2Rr 2fi11

2sin 2t + t

2---fi2

≠ fi2

= 2Rr 2fi2.

Mantelfläche

Die Mantelfläche eines Rotationskörpers mit der Kontur y = f (x), a Æ x Æ b,berechnet man dadurch, dass die Mantelfläche dM einer dünnen Scheibe derDicke dx angenähert wird durch die Mantelfläche eines Zylinders mit dem

211

8.12. Rotationskörper

Radius f (x) und der Mantelhöhe ds =

1 + f Õ(x)2 dx (vgl. Satz 8.53). Folglichgilt

dM = 2fi f (x)

1 + f Õ(x)2 dx

und Integration ergibt

M = 2fi

⁄ b

a

f (x)

1 + f Õ(x)2 dx .

Beispiel 8.57Wir möchten die Matelfläche des in Beispiel 8.56 betrachteten Torus berechnen.Die Mantelfläche setzt sich wieder aus der vom oberen Kreisbogeny1 = R +

Ôr 2 ≠ x2 erzeugten Mantelfläche M1 und aus der vom unteren

Kreisbogen y2 = R ≠Ô

r 2 ≠ x2 erzeugten Mantelfläche M2 zusammen. Es giltwegen (y Õ

1)2 = (y Õ2)2

M = M1 + M2 = 2fi

⁄ r

≠r

(y1 + y2)

1 + (y Õ1)2 dx = 4fiR

⁄ r

≠r

1 + (y Õ

1)2 dx

= 4fiR

⁄ r

≠r

Úr 2

r 2 ≠ x2 dx = 4fiRr

⁄ r

≠r

1Ôr 2 ≠ x2

dx

Substitution:x = r sin t , dx = r cos t dt , ≠r = r sin t ≈∆ t = ≠ fi

2 , r = r sin t ≈∆ t = fi2

ergibt

= 4fiRr

⁄ fi2

≠ fi2

r cos tr cos t

dt = 4fi2 R r .

Die Rechung lässt sich erheblich verkürzen, wenn man berücksichtigt, dass⁄ r

≠r

1 + (y Õ

1)2 dx = fir

die Länge des Halbkreisbogens ist.

212

8.13. Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion

8.13 Wahrscheinlichkeitsverteilungen undGamma-Funktion

Viele uneigentliche Integrale über unbeschränkten Intervallen sind stetigeWahrscheinlichkeitsverteilungen F (x) mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f (x),einer Zufallsgröße X , die dieser Verteilung genügt, d.h. die Wahrscheinlichkeit

P(X < x) = F (x) =⁄ x

≠Œf (t) dt =

⁄ x

≠ŒdF (t).

Weitere uneigentliche Integrale sind dann der Erwartungswert

EX :=⁄ Œ

≠Œ|x |f (x) dx

und die Varianz

VX :=⁄ Œ

≠Œx2f (x) dx ≠ (EX )2.

Beispiel 8.582 parametrige Weibull-Verteilung, die verwandt wird bei

• der Untersuchung von Lebensdauern in der Qualitätssicherung,• Materialprüfung bei spröden Werkstoffen.

Für k < 1 nimmt die Ausfallrate mit wachsende Zeit ab, für k > 1 nimmt sie mitwachsende Zeit zu. Die Dichtefunktion ist

f (t) :=

;k⁄

!t⁄

"k≠1e≠( t

⁄ )k, t Ø 0,

0, x < 0.

213

8.13. Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion

Weibull-Verteilungsdichte f(t) für verschiedene Parameter

Wie man leicht durch Integrieren erhält, ist die Verteilungsfunktion

F (x ; k , ⁄) =⁄ x

0

k⁄

1 t⁄

2k≠1e≠( t

⁄ )k

dt = 1 ≠ e≠( x⁄ )k

.

Der Erwartungswert ist⁄ Œ

0

tk⁄

1 t⁄

2k≠1e≠( t

⁄ )k

dt

Mit der Substitution · :=!

t⁄

"kwird daraus

⁄ Œ

0

· ⁄ e≠· d· = ⁄

⁄ Œ

0

· 1+ 1k ≠1e≠· d· = ⁄ �

11 +

1k

2,

dabei bezeichnet � die Gamma-Funktion.

214

8.13. Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion

Eine weiter Anwendung ist die Existenz uneigentlicher Parameterintegrale, wiez.B. der Gamma-Funktion �(x).

�(x) =⁄ Œ

0

tx≠1 e≠t dt .

Beispiel 8.59Gamma-Funktion.Wir wollen zeigen, dass

• �(x) für alle x > 0 existiert,• �(1) = 1 ist,• �(x + 1) = x�(x) rekursiv berechnet werden kann.

Die Existenz der Gamma-Funktion ergibt sich aus der Abschätzung (für x > 0)

tx e≠t Æ Ce≠ t2 ,

mit einem geeigneten C.Am einfachsten lässt sich �(1) berechnen:

�(1) =⁄ Œ

0

e≠t dt = limAæŒ

⁄ Œ

0

e≠t dt = limAæŒ

≠e≠t--t=A

t=0= lim

AæŒ(≠e≠A + 1) = 1.

Die Rekursionsformel folgt aus der Formel der partiellen Integration

�(x +1) =⁄ Œ

0

tx e≠t dt = ≠e≠t t x--t=Œ

t=0+⁄ Œ

0

xtx≠1e≠t dt = ≠e≠t t x--t=Œ

t=0+x�(x).

Wegen x > 0 ist ≠e≠t t x--

t=0= 0 und

limtæŒ

≠e≠t t x = ≠ limtæŒ

tx

et= ≠ lim

tæŒ

xtx≠1

et= ... = ≠ lim

tæŒ

x(x ≠ 1)(x ≠ 2) ... (x ≠ n + 1)tx≠n

et= 0,

da nach endlicher Anwendung der L’Hospitalschen Regel im Zähler x ≠ n < 0gilt und der Grenzwert deshalb Null ist.

215

8.13. Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Gamma-Funktion

. . ..

.Gamma-Funktion

Γ(x), x>0,

Fakultät n!

Γ(1) = 0! = 1,

Γ(2) = 1! = 1,

Γ(3) = 2! = 2,

Γ(4) = 3! = 6,

Γ(5) = 4! = 24.

Aus der zweiten und der dritten Beziehung folgt dann:

�(n + 1) = n�(n) = n(n ≠ 1)�(n ≠ 1) = n(n ≠ 1)(n ≠ 2)�(n ≠ 2) = ...

= n(n ≠ 1)(n ≠ 2) ... 3�(3) = n(n ≠ 1)(n ≠ 2) ... 3 · 2�(2) = n(n ≠ 1) ... 3 · 2 = n!

216