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12 HOCHSCHULE FULDA DAS WISSEN LIEGT SO NAH Seine Expertise im Bereich Finanzierung und Kosten- rechnung lässt er in den Unterricht einfließen. Einer seiner Schwerpunkte ist das islamische Finanzsystem. Was es damit auf sich hat, erklärt er im Interview. Was ist das Besondere am islami- schen Finanz- und Bankwesen? Abu-Alkheil: Das islamische Finanzwesen ist einer der am schnellsten wachsen- den Sektoren der Finanz- branche. Es basiert auf isla- mischen Rechtsgrundsät- zen – der Scharia. Finanzie- rungen, Investitionen und Versicherungen müssen Scharia-konform sein. Da- mit sind moralische, ethi- sche und soziale Rahmen- bedingungen vorgegeben. Die wichtigsten Prinzipien sind: Gewinn- und Verlust- teilung, das Verbot des Glücksspiels, arabisch „maysir“, das Verbot der Spekulation „gharar“ das Verbot unethischer Ge- schäfte, die z.B. Waffen- und Drogenhandel zum In- halt haben, sowie das allge- meine Zinsverbot „riba“. Sind Darlehen in diesem Sys- tem möglich? Abu-Alkheil: Schulden wer- den nur gewährt, wenn ein realer Vermögenswert da- hintersteht. So gibt es die herkömmliche Hypothek im islamischen Finanzsys- tem nicht. Lassen Sie es mich am konkreten Beispiel erklären: Möchte ein Kun- de ein Haus kaufen, schließt er einen Vertrag mit seiner Bank ab. Diese erwirbt das Haus und verkauft es an den Kunden weiter, der wie- derum den gestundeten Kaufpreis in Raten abzahlt. Vorab wird auf den ur- sprünglichen Kaufpreis ver- traglich ein Aufschlag fest- gelegt, von dem die Bank profitiert. Ein solches Dar- lehensgeschäft nennt man „murabaha“. Wie weit verbreitet ist das is- lamische Finanzwesen? Abu-Alkheil: Es wird zuneh- mend zu einem globalen Phänomen und beschränkt sich nicht nur auf Länder mit muslimischer Mehr- heit. Grob gesprochen ist der islamische Finanzmarkt im Iran, Malaysia und auf der Arabischen Halbinsel am stärksten entwickelt. Doch Großbritannien ist eins der größten und am schnellsten wachsenden Zentren für islamische Fi- nanzprodukte in Europa. In Deutschland scheint das In- teresse an islamischen Finanz- dienstleistungen geringer… Abu-Alkheil: Das stimmt so nicht. Es gibt zwar erst ei- ne Bank in Deutschland, die ausschließlich Scharia- konforme Anlagen anbietet: Die KT Bank mit Niederlas- sungen in Berlin, Frankfurt, Mannheim und Köln wur- de 2015 gegründet. Doch das Bundesland Sachsen- Anhalt war in Europa be- reits im Jahr 2004 der erste nicht-muslimische Emit- tent von Scharia-konfor- men Anleihen ohne Zins- zahlungen, sogenannten Sukuk, im Wert von über 100 Millionen Euro. Statt Zinsen kassierten die Zeich- ner der Papiere Leasingra- ten. Richten sich islamische Fi- nanzprodukte nur an Muslime? Abu-Alkheil: Nein, sie rich- ten sich keinesfalls nur an muslimische Kunden. Sie sind für alle interessant, die ihr Geld ethisch und sozial verantwortlich investieren möchten. Deshalb bevorzu- ge ich statt islamisches Fi- nanzwesen den Begriff des ethischen Finanzwesens. Im Übrigen findet man das Zinsverbot auch im Alten Testament der Bibel und es galt lange Zeit im Christen- tum. Der Islam hat eben als erstes Zinsen durch etwas anderes ersetzt. Ihre Promotion an der Univer- sität Hohenheim beurteilt die Leistungsfähigkeit der in Europa tätigen islamischen Banken im Vergleich zu konventionellen und islamischen Banken in Ländern mit muslimischer Mehrheit. Zu welchen Ergebnissen sind Sie ge- kommen? Abu-Alkheil: Die Analyse umfasste hauptsächlich den Zeitraum von 2005 bis 2008. Dadurch konnten wir die Auswirkungen der Fi- nanzkrise 2007 untersu- chen. Die Ergebnisse zei- gen, dass islamische Banken in Europa vor der Krise re- lativ ineffizient waren. Im Vergleich mit konventio- nellen Banken waren sie je- doch weniger anfällig und zeigten während der Krise einen positiven Trend in Be- zug auf Effizienz, Produkti- vitätsentwicklung und fi- nanzielle Rentabilität. Das kann mehrere Gründe ha- ben: Denkbar wären die re- ligiös bedingten finanziel- len Zwänge oder auch die geringen Größen. Insge- samt sehe ich großes Poten- zial in den noch recht jun- gen und kleinen islami- schen Banken in Europa. Hätte sich die globale Finanz- krise aus Ihrer Sicht mit einem islamischen Finanzsystem ver- hindern lassen? Abu-Alkheil: Ich bin über- zeugt, dass ein ethisches Fi- nanzsystem immun gegen- über jeglicher Art Krise ist. Aus meiner Sicht wäre es möglich, mit der entspre- chenden strategischen Pla- nung innerhalb von 10 bis 15 Jahren unser jetziges Sys- tem zu verändern – natür- lich müssten sämtliche Zentralbanken mitziehen. FULDA. Bereits im Sommerse- mester 2016 unterrichtete Prof. Abu-Alkheil von der Deutsch-Jor- danischen Hochschule, Madaba, Jordanien im Rahmen eines Train-the-Trainer-Stipendiums am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda. Damals ent- stand die Idee für einen weiteren, längeren Aufenthalt. Dank einer Gastdozentur des Deutschen Akademischen Austauschdiens- tes wird Prof. Abu-Alkheil ein Jahr lang in Fulda lehren und for- schen. Interview mit DAAD-Gastdozent Professor Ahmad M. Abu-Alkheil, MBA und Finanzexperte „Ethisches Finanzsystem immun gegen Krisen“ Prof. Abu-Alkheil forscht insbesondere zum Thema Islamisches Finanz- und Bankwesen. Foto: A. Stickel Die Gastdozentur wird gefördert vom DAAD aus Mitteln des Bun- desministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Prof. Dr. Ahmad M. Abu-Alk- heil lehrt im Rahmen einer vom Deutschen Akademi- schen Austauschdienst (DAAD) geförderten Gastdo- zentur am Fachbereich Wirt- schaft der Hochschule Fulda. In seinem Heimatland Jorda- nien ist er an der Deutsch- Jordanischen Hochschule als Assistent-Professor im Be- reich Finanzierung und Kos- tenrechnung tätig. Darüber hinaus ist er zertifizierter Un- ternehmensberater, Vermö- gensmanager und Finanzie- rungsplaner. Zur Person Der Hessische Minister für Soziales und Integration, der Landrat des Landkreises Fulda sowie der Fuldaer Oberbürgermeister haben die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. 9,4 Millionen Euro aus dem Bund-Länder-Programm „Innovative Hochschule“ fließen dafür in den kom- menden fünf Jahren an die Hochschule. Gesundheit und Lebens- qualität sicherzustellen, das ist eine der großen Heraus- forderungen. Nicht nur, weil schon in wenigen Jah- ren jede vierte Person der Generation 60plus angehö- ren wird, weil die chroni- schen Erkrankungen zu- nehmen und sich ein Man- gel beim Pflegepersonal ab- zeichnet. Auch der Trend zur Urbanisierung hat ein- schneidende Folgen. Wo früher familiäre Unterstüt- zung geleistet wurde, tun sich nun Versorgungs- lücken auf, weil viele jün- gere Menschen in die Städ- te ziehen. Unternehmen und Organisationen in ländlichen Räumen bekom- men das ebenso zu spüren. Der Mangel an Nachwuchs deutet sich bereits an. Gleichzeitig sind die Ge- meinden gefordert, ein ge- lingendes Zusammenleben zwischen Alteingesessenen und Zugewanderten zu or- ganisieren und zu gestalten. Fünf Innovationsschwer- punkte setzt das Projekt da- her: Im Fokus stehen nicht nur das Essen und Verbrau- chen sowie die gesundheit- liche Versorgung, sondern auch das Zusammenleben und Integrieren, das Arbei- ten sowie das Bewältigen des Alltags. Hier sind Neu- orientierungen notwendig. Innovationsmotor für die Region Die Hochschule Fulda hat in vielen Projekten er- forscht, was sich ändern muss, um trotz des demo- grafischen Wandels Ge- sundheit und Lebensquali- tät sicherzustellen. In zehn Projekten, die die regiona- len Bedarfe und die Exper- tise der Hochschule wider- spiegeln, sollen die For- schungsergebnisse in den kommenden fünf Jahren nun in die Praxis umgesetzt werden (siehe Kasten). „Das Projekt bietet gute Zukunftsperspektiven für die Region“, sagt Prof. Dr. Steven Lambeck, Vizepräsi- dent für Forschung und Entwicklung an der Hoch- schule Fulda und Gesamt- projektleiter. „Wir können unsere Partnerschaft mit In- stitutionen aus der Region in den Themenfeldern Ge- sundheit und Lebens- qualität festigen und zugleich als Innovati- onsmotor für die Re- gion tätig werden.“ Laut Prof. Lambeck werde sich so nicht nur die Lebensquali- tät vieler Menschen trotz des gesellschaft- lichen Wandels auf ei- nem hohen Niveau halten oder sogar verbessern las- sen: „Das Vorhaben trägt zugleich zur regionalen Wirtschaftsförderung und Standortattraktivität bei.“ Betroffene einbeziehen Damit die einzelnen Um- setzungsprojekte so eng wie möglich an den Bedarfen der Praxispartner ausgerich- tet sind, werden alle rele- vanten Zielgruppen einbe- zogen: Arbeitnehmer*in- nen, Arbeitgeber*innen, re- gionale Verbraucher*innen und Produzenten sowie Be- völkerungsgruppen mit spezifischen Bedürfnissen wie neu zugewanderte und ältere Menschen oder Men- schen mit Behinderungen. „Wir wollen die Menschen in der Region mitnehmen“, erläutert Prof. Lambeck. „Wir planen verschiedene Veranstaltungen, die allen Menschen in der Region of- fen stehen. Jeder, der Inte- resse hat, kann sich also be- teiligen und mitwirken. Die Hochschule rückt so näher an die Menschen in der Re- gion heran und erarbeitet gemeinsam mit ihnen Lö- sungen zur Förderung von Gesundheit und Lebens- qualität.“ An einer ersten Veranstal- tung in der Projektpla- nungsphase beteiligten sich mehr als 100 Teilnehmer aus etwa 40 Institutionen – darunter das Klinikum Ful- da, die IHK Fulda, antoni- us Netzwerk Mensch, Rhön- Energie, tegut, Caritasver- band, Diakonisches Werk, Stadt und Landkreis Fulda sowie die Landkreise Hers- feld-Rotenburg und Vogels- berg. „Das bestätigt das gro- ße Interesse in der Region, die Themenfelder Gesund- heit und Lebensqualität ge- meinsam zu bearbeiten“, unterstreicht Prof. Lam- beck. Gesamtstrategie entwickeln „Wir wollen den Fo- kus auf die Entwick- lung einer Gesamtstra- tegie für die Region le- gen“, betont der Vize- präsident. Die regionalen Akteure seien in vielen Be- reichen gut vernetzt. Eine Priorisierung der Themen von Gesundheit und Le- bensqualität in der Region Fulda habe man jedoch noch nicht vorgenommen, auch seien die Maßnahmen noch nicht ausreichend ab- gestimmt. Durch den Auf- bau eines Regionalen Inno- vationszentrums Gesund- heit und Lebensqualität auf dem Campus der Hoch- schule Fulda soll sich dies nun ändern: Hier sollen die Kompetenzen in der Region gebündelt und wissens- und forschungsbasiert ausge- baut werden. Die Projekter- gebnisse werden der Öffent- lichkeit als Handlungsemp- fehlungen zugänglich ge- macht. Die Region Fulda soll sich zur Modellregion entwickeln. FULDA. Gesundheit und Lebens- qualität fördern – Innovative Mo- dellregion Fulda lautet der Name des Projekts, das am 1. Januar of- fiziell gestartet ist: 70 Unterneh- men und öffentliche Einrichtun- gen aus der Region wollen ge- meinsam mit der Hochschule Ful- da Lösungsansätze erarbeiten, wie sich Gesundheit und Lebens- qualität in der Region sicherstel- len lassen. 70 regionale Praxispartner und die Hochschule Fulda wollen gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten Für Gesundheit und Lebensqualität in der Region Die zehn Umsetzungsprojekte: – Lebensmittel der Zukunft – Versorgungs-, Verpflegungs- & Wohnkonzepte im Alter – Dialogprozesse & Wander- ausstellung für das Zusammen- leben in der Einwanderungsge- sellschaft – Inklusive Bewegungs-, Sport-, Gesundheits- & Frei- zeitangebote – Prävention entlang des Le- benszyklus – Teilhabe & Seeli- sche Gesundheit – Integration internationaler Pflegekräfte – Modellprojekt für die diäteti- sche Versorgung im Raum Fulda – Beratungsstützpunkt Betrieb- liche Gesundheitsförderung – Gesundheitstechnik für die Alltagsbewältigung – Elektrobusse für den ÖPNV Anzeige

Anzeige „Ethisches Finanzsystem immun gegen Krisen“ · tes wird Prof. Abu-Alkheil ein Jahr lang in Fulda lehren und for-schen. Interview mit DAAD-Gastdozent Professor Ahmad M

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Page 1: Anzeige „Ethisches Finanzsystem immun gegen Krisen“ · tes wird Prof. Abu-Alkheil ein Jahr lang in Fulda lehren und for-schen. Interview mit DAAD-Gastdozent Professor Ahmad M

12 HOCHSCHULE FULDA DAS WISSEN LIEGT SO NAH

Seine Expertise im Bereich Finanzierung und Kosten-rechnung lässt er in den Unterricht einfließen. Einer seiner Schwerpunkte ist das islamische Finanzsystem. Was es damit auf sich hat, erklärt er im Interview. Was ist das Besondere am islami-schen Finanz- und Bankwesen?

Abu-Alkheil: Das islamische Finanzwesen ist einer der am schnellsten wachsen-den Sektoren der Finanz-branche. Es basiert auf isla-mischen Rechtsgrundsät-zen – der Scharia. Finanzie-rungen, Investitionen und Versicherungen müssen Scharia-konform sein. Da-mit sind moralische, ethi-sche und soziale Rahmen-bedingungen vorgegeben. Die wichtigsten Prinzipien

sind: Gewinn- und Verlust-teilung, das Verbot des Glücksspiels, arabisch „maysir“, das Verbot der Spekulation „gharar“ das Verbot unethischer Ge-schäfte, die z.B. Waffen- und Drogenhandel zum In-halt haben, sowie das allge-meine Zinsverbot „riba“.

Sind Darlehen in diesem Sys-

tem möglich? Abu-Alkheil: Schulden wer-

den nur gewährt, wenn ein realer Vermögenswert da-hintersteht. So gibt es die herkömmliche Hypothek im islamischen Finanzsys-tem nicht. Lassen Sie es mich am konkreten Beispiel

erklären: Möchte ein Kun-de ein Haus kaufen, schließt er einen Vertrag mit seiner Bank ab. Diese erwirbt das Haus und verkauft es an den Kunden weiter, der wie-derum den gestundeten Kaufpreis in Raten abzahlt. Vorab wird auf den ur-sprünglichen Kaufpreis ver-traglich ein Aufschlag fest-gelegt, von dem die Bank profitiert. Ein solches Dar-lehensgeschäft nennt man „murabaha“.

Wie weit verbreitet ist das is-

lamische Finanzwesen? Abu-Alkheil: Es wird zuneh-

mend zu einem globalen Phänomen und beschränkt

sich nicht nur auf Länder mit muslimischer Mehr-heit. Grob gesprochen ist der islamische Finanzmarkt im Iran, Malaysia und auf der Arabischen Halbinsel am stärksten entwickelt. Doch Großbritannien ist eins der größten und am schnellsten wachsenden Zentren für islamische Fi-nanzprodukte in Europa.

In Deutschland scheint das In-

teresse an islamischen Finanz-dienstleistungen geringer…

Abu-Alkheil: Das stimmt so nicht. Es gibt zwar erst ei-ne Bank in Deutschland, die ausschließlich Scharia-konforme Anlagen anbietet:

Die KT Bank mit Niederlas-sungen in Berlin, Frankfurt, Mannheim und Köln wur-de 2015 gegründet. Doch das Bundesland Sachsen-Anhalt war in Europa be-reits im Jahr 2004 der erste nicht-muslimische Emit-tent von Scharia-konfor-men Anleihen ohne Zins-zahlungen, sogenannten Sukuk, im Wert von über 100 Millionen Euro. Statt Zinsen kassierten die Zeich-ner der Papiere Leasingra-ten.

Richten sich islamische Fi-

nanzprodukte nur an Muslime? Abu-Alkheil: Nein, sie rich-

ten sich keinesfalls nur an muslimische Kunden. Sie sind für alle interessant, die ihr Geld ethisch und sozial verantwortlich investieren möchten. Deshalb bevorzu-ge ich statt islamisches Fi-nanzwesen den Begriff des ethischen Finanzwesens. Im Übrigen findet man das Zinsverbot auch im Alten Testament der Bibel und es galt lange Zeit im Christen-tum. Der Islam hat eben als erstes Zinsen durch etwas anderes ersetzt.

Ihre Promotion an der Univer-

sität Hohenheim beurteilt die Leistungsfähigkeit der in Europa tätigen islamischen Banken im Vergleich zu konventionellen und islamischen Banken in Ländern mit muslimischer Mehrheit. Zu welchen Ergebnissen sind Sie ge-kommen?

Abu-Alkheil: Die Analyse umfasste hauptsächlich den Zeitraum von 2005 bis 2008. Dadurch konnten wir die Auswirkungen der Fi-nanzkrise 2007 untersu-chen. Die Ergebnisse zei-gen, dass islamische Banken in Europa vor der Krise re-lativ ineffizient waren. Im

Vergleich mit konventio-nellen Banken waren sie je-doch weniger anfällig und zeigten während der Krise einen positiven Trend in Be-zug auf Effizienz, Produkti-vitätsentwicklung und fi-nanzielle Rentabilität. Das kann mehrere Gründe ha-ben: Denkbar wären die re-ligiös bedingten finanziel-len Zwänge oder auch die geringen Größen. Insge-samt sehe ich großes Poten-zial in den noch recht jun-gen und kleinen islami-schen Banken in Europa.

Hätte sich die globale Finanz-

krise aus Ihrer Sicht mit einem islamischen Finanzsystem ver-hindern lassen?

Abu-Alkheil: Ich bin über-zeugt, dass ein ethisches Fi-nanzsystem immun gegen-über jeglicher Art Krise ist. Aus meiner Sicht wäre es möglich, mit der entspre-chenden strategischen Pla-nung innerhalb von 10 bis 15 Jahren unser jetziges Sys-tem zu verändern – natür-lich müssten sämtliche Zentralbanken mitziehen.

FULDA. Bereits im Sommerse-mester 2016 unterrichtete Prof. Abu-Alkheil von der Deutsch-Jor-danischen Hochschule, Madaba, Jordanien im Rahmen eines Train-the-Trainer-Stipendiums am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda. Damals ent-stand die Idee für einen weiteren, längeren Aufenthalt. Dank einer Gastdozentur des Deutschen Akademischen Austauschdiens-tes wird Prof. Abu-Alkheil ein Jahr lang in Fulda lehren und for-schen.

Interview mit DAAD-Gastdozent Professor Ahmad M. Abu-Alkheil, MBA und Finanzexperte „Ethisches Finanzsystem immun gegen Krisen“

Prof. Abu-Alkheil forscht insbesondere zum Thema Islamisches Finanz- und Bankwesen. Foto: A. Stickel

Die Gastdozentur wird gefördert vom DAAD aus Mitteln des Bun-desministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Prof. Dr. Ahmad M. Abu-Alk-heil lehrt im Rahmen einer vom Deutschen Akademi-schen Austauschdienst (DAAD) geförderten Gastdo-zentur am Fachbereich Wirt-schaft der Hochschule Fulda. In seinem Heimatland Jorda-nien ist er an der Deutsch-Jordanischen Hochschule als Assistent-Professor im Be-reich Finanzierung und Kos-tenrechnung tätig. Darüber hinaus ist er zertifizierter Un-ternehmensberater, Vermö-gensmanager und Finanzie-rungsplaner.

Zur Person

Der Hessische Minister für Soziales und Integration, der Landrat des Landkreises Fulda sowie der Fuldaer Oberbürgermeister haben die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. 9,4 Millionen Euro aus dem Bund-Länder-Programm „Innovative Hochschule“ fließen dafür in den kom-menden fünf Jahren an die Hochschule.

Gesundheit und Lebens-qualität sicherzustellen, das ist eine der großen Heraus-forderungen. Nicht nur, weil schon in wenigen Jah-ren jede vierte Person der Generation 60plus angehö-ren wird, weil die chroni-schen Erkrankungen zu-nehmen und sich ein Man-gel beim Pflegepersonal ab-zeichnet. Auch der Trend zur Urbanisierung hat ein-schneidende Folgen. Wo früher familiäre Unterstüt-zung geleistet wurde, tun sich nun Versorgungs- lücken auf, weil viele jün-gere Menschen in die Städ-te ziehen. Unternehmen und Organisationen in ländlichen Räumen bekom-men das ebenso zu spüren. Der Mangel an Nachwuchs deutet sich bereits an. Gleichzeitig sind die Ge-

meinden gefordert, ein ge-lingendes Zusammenleben zwischen Alteingesessenen und Zugewanderten zu or-ganisieren und zu gestalten.

Fünf Innovationsschwer-punkte setzt das Projekt da-her: Im Fokus stehen nicht nur das Essen und Verbrau-chen sowie die gesundheit-liche Versorgung, sondern auch das Zusammenleben und Integrieren, das Arbei-ten sowie das Bewältigen des Alltags. Hier sind Neu-orientierungen notwendig.

Innovationsmotor für die Region

Die Hochschule Fulda hat in vielen Projekten er-forscht, was sich ändern muss, um trotz des demo-grafischen Wandels Ge-sundheit und Lebensquali-tät sicherzustellen. In zehn Projekten, die die regiona-len Bedarfe und die Exper-tise der Hochschule wider-spiegeln, sollen die For-schungsergebnisse in den kommenden fünf Jahren nun in die Praxis umgesetzt werden (siehe Kasten).

„Das Projekt bietet gute Zukunftsperspektiven für die Region“, sagt Prof. Dr. Steven Lambeck, Vizepräsi-dent für Forschung und Entwicklung an der Hoch-schule Fulda und Gesamt-projektleiter. „Wir können

unsere Partnerschaft mit In-stitutionen aus der Region in den Themenfeldern Ge-sundheit und Lebens-qualität festigen und zugleich als Innovati-onsmotor für die Re-gion tätig werden.“ Laut Prof. Lambeck werde sich so nicht nur die Lebensquali-tät vieler Menschen trotz des gesellschaft-lichen Wandels auf ei-nem hohen Niveau halten oder sogar verbessern las-sen: „Das Vorhaben trägt zugleich zur regionalen Wirtschaftsförderung und Standortattraktivität bei.“

Betroffene einbeziehen Damit die einzelnen Um-

setzungsprojekte so eng wie möglich an den Bedarfen der Praxispartner ausgerich-tet sind, werden alle rele-vanten Zielgruppen einbe-zogen: Arbeitnehmer*in-nen, Arbeitgeber*innen, re-gionale Verbraucher*innen und Produzenten sowie Be-völkerungsgruppen mit spezifischen Bedürfnissen wie neu zugewanderte und ältere Menschen oder Men-schen mit Behinderungen. „Wir wollen die Menschen in der Region mitnehmen“, erläutert Prof. Lambeck. „Wir planen verschiedene Veranstaltungen, die allen

Menschen in der Region of-fen stehen. Jeder, der Inte-resse hat, kann sich also be-teiligen und mitwirken. Die Hochschule rückt so näher an die Menschen in der Re-gion heran und erarbeitet gemeinsam mit ihnen Lö-sungen zur Förderung von Gesundheit und Lebens-qualität.“

An einer ersten Veranstal-tung in der Projektpla-nungsphase beteiligten sich mehr als 100 Teilnehmer aus etwa 40 Institutionen – darunter das Klinikum Ful-da, die IHK Fulda, antoni-us Netzwerk Mensch, Rhön-Energie, tegut, Caritasver-band, Diakonisches Werk, Stadt und Landkreis Fulda sowie die Landkreise Hers-feld-Rotenburg und Vogels-

berg. „Das bestätigt das gro-ße Interesse in der Region, die Themenfelder Gesund-heit und Lebensqualität ge-meinsam zu bearbeiten“,

unterstreicht Prof. Lam-beck.

Gesamtstrategie entwickeln

„Wir wollen den Fo-kus auf die Entwick-lung einer Gesamtstra-tegie für die Region le-

gen“, betont der Vize-präsident. Die regionalen

Akteure seien in vielen Be-reichen gut vernetzt. Eine Priorisierung der Themen von Gesundheit und Le-bensqualität in der Region Fulda habe man jedoch noch nicht vorgenommen, auch seien die Maßnahmen noch nicht ausreichend ab-gestimmt. Durch den Auf-bau eines Regionalen Inno-vationszentrums Gesund-heit und Lebensqualität auf dem Campus der Hoch-schule Fulda soll sich dies nun ändern: Hier sollen die Kompetenzen in der Region gebündelt und wissens- und forschungsbasiert ausge-baut werden. Die Projekter-gebnisse werden der Öffent-lichkeit als Handlungsemp-fehlungen zugänglich ge-macht. Die Region Fulda soll sich zur Modellregion entwickeln.

FULDA. Gesundheit und Lebens-qualität fördern – Innovative Mo-dellregion Fulda lautet der Name des Projekts, das am 1. Januar of-fiziell gestartet ist: 70 Unterneh-men und öffentliche Einrichtun-gen aus der Region wollen ge-meinsam mit der Hochschule Ful-da Lösungsansätze erarbeiten, wie sich Gesundheit und Lebens-qualität in der Region sicherstel-len lassen.

70 regionale Praxispartner und die Hochschule Fulda wollen gemeinsam Lösungsansätze erarbeitenFür Gesundheit und Lebensqualität in der Region

Die zehn Umsetzungsprojekte:– Lebensmittel der Zukunft – Versorgungs-, Verpflegungs- & Wohnkonzepte im Alter – Dialogprozesse & Wander-ausstellung für das Zusammen-leben in der Einwanderungsge-sellschaft – Inklusive Bewegungs-, Sport-, Gesundheits- & Frei-zeitangebote – Prävention entlang des Le-

benszyklus – Teilhabe & Seeli-sche Gesundheit – Integration internationaler Pflegekräfte – Modellprojekt für die diäteti-sche Versorgung im Raum Fulda – Beratungsstützpunkt Betrieb-liche Gesundheitsförderung – Gesundheitstechnik für die Alltagsbewältigung – Elektrobusse für den ÖPNV

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