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1988 wurde die Partnerschaftsurkunde dann zunächst in Deutschland und ein Jahr später in Japan unterzeichnet. Aus Sicht des derzeitigen Oberbür- germeisters von Matsuyama, Katsuhito Noshi, ist Freiburg ein sehr wichtiger Partner, zumal beide Städte Wert auf Nachhaltigkeit legen. Sichtbares Zei- chen der Verbundenheit ist die „Frei- burg-Burg“ in Matsuyama. Austausche hat es auf verschiedenen Ebenen gege- ben, von Fußballern wie Musikern. Auch hier gibt es wie in Heidelberg einen engagierten Freundeskreis: die Deutsch- Japanische Gesellschaft Freiburg Matsuyama e. V. Am 18. Januar wurde der ersten Vorsitzenden eine hohe Ehre zuteil: Die japanische Regierung verlieh Shigeko Maeda den Verdienstorden des Kaisers von Japan. Der Orden der Aufgehenden Sonne, Silberne Strahlen, wurde ihr von Generalkonsul Tetsuya Kimura im Frei- burger Rathaus überreicht. Die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und der Präfektur Kanagawa sind ebenfalls von großer Intensität. Die Partnerschafts- erklärung wurde 1989 vom damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth und dem Gouverneur von Kanagawa, Kazuji Nagasu, unterzeichnet. Zum 25-jährigen Bestehen der Partnerschaft unterschrie- ben Ministerpräsident Winfried Kretsch- mann und der Gouverneur der japani- schen Präfektur Kanagawa, Yūji Kuroiwa, ein „gemeinsames Memorandum“. Dabei betonten sie, dass es eine Zu- sammenarbeit insbesondere auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz geben soll. Gemein- sam will man auch den Herausforderun- gen des demografischen Wandels begeg- nen. 2019 können das Bundesland und die Präfektur dann ihre 30-jährige Part- nerschaft feiern. Corinna Streng ste Themen bei diesem Besuch – etwa der Neubau des durch das Erdbeben zer- störten Krankenhauses. Doch nicht nur auf medizinischem Gebiet soll die Zusammenarbeit intensi- viert werden: Im August werden 15 Ju- gendliche aus Kumamoto in Heidelber- ger Familien zu Gast sein, für 2019 ist der Gegenbesuch geplant. Würzner bot zudem an, Firmen aus Kumamoto zu helfen, nach Heidelberg zu expandieren. Und die deutschen Schwimmer würden gerne in die Partnerstadt reisen – zur Vorbereitung auf Olympia 2020 in Tokio. Ähnlich rege und ähnlich lang an- haltend ist die Partnerschaft zwischen Freiburg und Matsuyama. Schon in den 1960er Jahren gab es eine erste Anfrage zur Kooperation der Universitätsstädte. Zwar wurde damals noch keine Partner- schaft geschlossen, ständige Kontakte zwischen den Universitäten und gegen- seitige Besuche blieben aber bestehen. L Zwar ist Kumamoto mit 9230 Kilo- metern die am weitesten entfern- te Partnerstadt Heidelbergs, dennoch stehen sich die Städte sehr nah. Seit 1992 sind die Kommunen partnerschaft- lich verbunden, erste Kontakte gab es bereits in den 1960er Jahren. Seitdem besuchen sich regelmäßig Delegationen, der Jugendaustausch wird ebenso ge- pflegt wie derjenige in den Bereichen Wissenschaft, Medizin und Sport. Die Freundeskreise beider Städte organisie- ren zudem immer wieder Bürgerreisen. Ihm sei keine andere deutsch-japanische Städtepartnerschaft bekannt, die schon so lange offiziell und auch mit privaten Beziehungen so gut funktioniere, sagte Kiminori Iwama als Gesandter der japa- nischen Botschaft beim Festakt zum 25- Jahr-Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Heidelberg und Kumamoto. Beispiel für die Verbundenheit: Dem Heidelberger Freundeskreis Kumamoto ist es gelungen, mit nur 23 Mitgliedern 10 000 Euro für die Opfer des Erdbebens 2016 in der Partnerstadt zu sammeln. Der Freundeskreis existiert seit 1991, er richtet sich mit dem Jubiläum nach dem offiziellen Start der Partnerschaft. Vertreter dieses Kreises waren dabei, als im Februar eine 13-köpfige Heidel- berger Delegation Kumamoto fünf Tage lang besuchte. Einer der Höhepunkte war der „Kumamoto Castle Marathon“, an dem auch ein Teil der Deutschen teil- nahm. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner lief beim Drei-Kilome- ter-Spaßlauf mit. Doch es gab auch ern- So weit weg und doch so nah Heidelberg und Freiburg pfle- gen ihre Partnerschaften mit japanischen Städten, eine Delegation aus Heidelberg besuchte nun Kumamoto. L So schwungvoll wie präzise kicken die acht Frauen jeweils ihr rechtes Bein in die Luft, schwingen die Arme im Kreis, in den Händen halten sie Holzklap- pern. Trommelrhythmen und traditionel- le japanische Klänge – unterfüttert mit popartigen Elementen – hallen über den Stuttgarter Marktplatz: Das Ensemble des japanischen Kulturvereins Todoroki Stuttgart führt beim Festival der Kultu- ren Yosakoi vor. Die originäre japanische Form des Tanzes verbindet traditionelle Elemente mit modernen Einflüssen. Die Gruppen können ihre Kostüme, Choreo- grafie, Accessoires und Musik frei wäh- len, doch fließen auch stets Teile des Lie- des „Yosakoi naruko“ in die Musik und Choreografie ein. Viele Universitäten, auch Firmen, Läden und Ortschaften, in Japan besitzen ein eigenes Yosakoi-Team, das regelmäßig an Festen und Wettbe- werben teilnimmt. Auch die Frauen des Kulturvereins Todoroki Stuttgart. Wer in der Landeshauptstadt, in der Menschen aus rund 180 Nationen leben, sucht, der findet viele Spuren Japans. Eine führt zur Deutsch-Japanischen Gesellschaft Baden-Württemberg (DJG BW), in der seit 1957 ehemalige Bewoh- ner Japans zusammenkommen. Anfangs trafen sie sich, um Erinnerungen wachzu- halten. Dann entstand die Idee der Völ- kerverständigung – und am 26. Januar 1962 die DJG BW. Ihr Ziel: die Beziehun- gen zwischen Japan und Deutschland auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens zu fördern. Regelmäßig finden Stammtische, Vorträge oder Informa- tionsveranstaltungen statt, etwa zur Tokaido, der alten Verbindungstrasse von Tokio, einst Edo, nach Kyoto. Die DJG BW kooperiert mit dem Japan Club Stuttgart e. V. (JCS), der vor rund 18 Jahren gegründet wurde. Der JCS will Japanerinnen und Japanern, die in Stuttgart und Region heimisch wur- den, einen Treffpunkt bieten, etwa am Neujahrsfest, dem Sommerfest und zum „Bonenkai“, dem legendären Umtrunk zum Jahresende. Der Club soll aber auch Zugang zur deutschen sowie zur euro- päischen Kultur verschaffen sowie Deut- schen japanische Kultur nahebringen. „In der Hoffnung, hierdurch einen beschei- denen Beitrag zur Verständigung der Kul- turen leisten zu können“, wie Club-Präsi- dent Hiroshi Kozaki sagt. Fernöstliche Spuren finden sich eben- so in der Bildung. Sie reichen von der Ja- panischen Schule Stuttgart bis zum Köni- gin-Charlotte-Gymnasium, wo seit 1987 Japanisch-Kurse für Schülerinnen und Schüler aller Stuttgarter und auch weite- rer umliegender Gymnasien stattfinden, außerdem zwei Austauschprogramme mit Japan angeboten werden. Die Volkshochschule Stuttgart ist – neben Düsseldorf, Köln und Berlin – einer von vier Orten in Deutschland, an denen die Japanisch-Sprachprüfung Ja- panese Language Proficiency Test ab- gelegt werden kann. Diese wird von der Japan Foundation durchgeführt, die Zertifikate werden vom japanischen Außen- und Kultusministerium offiziell anerkannt. Petra Mostbacher-Dix Ein Beitrag zur Völkerverständigung Wer sucht, der findet in der Landeshauptstadt Stuttgart viele Verbindungen nach Japan. Eine Spurensuche in fernöstlicher Kultur. L Martin ist 36 und liebt sie, ebenso die 16-jährige Sara, und auch Martina, eine Mittzwanzigerin: Sailor Moon, Heldin eines Mangas, also japani- schen Comics, den die Zeichnerin Naoko Takeuchi 1991 für Teenager kreierte. Die Geschichte: Die naive, mittelmäßige, 14- jährige Schülerin Usagi Tsukino wächst dank der sprechenden Katze Luna über sich hinaus, kämpft als Sailor Moon mit Weggefährtinnen – den Sailor Senshis – gegen böse Dämonen. Mit Erfolg: 1992 wurde Takeuchis Manga die Grundlage eines Zeichentrickfilms, 1995 lief die ers- te Staffel im ZDF einmal wöchentlich. Kult wurde die Mondmatrosin, als priva- te Sender sie täglich ausstrahlten. Sailor Moon ist nur ein Beispiel für den Erfolg der Anime- und Manga-Kultur in Deutschland. Schon 1982 hatte der Rowohlt Verlag „Barfuß durch Hiroshi- ma“ von Keiji Nakazawa veröffentlicht, mit geringem Zuspruch. Mehr Öffent- lichkeit erhielt „Akira“ des Zeichners und Autors Katsuhiro Otomo: Die Story über den Überlebenskampf von Jugendlichen und Kindern mit teils übermenschlichen Fähigkeiten im postapokalyptischen To- kio publizierte zehn Jahre später der Carlsen Verlag. Richtig startete der Man- ga-Boom 1997. Eben mit Sailor Moon, die heute beim Comic- und Mangaverlag Egmont-Ehapa segelt, und mit Akira Tori- yamas „Dragon Ball“. Carlsen verlegte die Geschichte über Son-Goku und seine Freunde, die sieben Drachenbälle su- chen, Abenteuer inklusive. Ebenso die 1999 in Japan erschienene Story über den Ninja-Schüler Naruto, eine der beliebtesten Manga-Serien weltweit. Was macht Mangas und Animes hier- zulande so erfolgreich? Wissenschaftle- rin Kristina Auer beschreibt in ihrer Ma- gisterarbeit das Vakuum, das Anfang der 90er Jahre eine Comicflaute in Deutsch- land hinterließ, weil Verlage teure Werke für ein Avantgarde-Publikum produzier- ten und so die Verkäufe sanken. Den Lesern wiederum war die Ästhetik japa- nischer Zeichentrickserien vertraut durch Koproduktionen der 70er wie „Biene Maja“ oder „Wickie und die star- ken Männer“, die als Anime in Japan ent- standen. Die höchst erfolgreiche Alpen- geschichte des Waisenmädchens Heidi der Schweizer Jugendbuchautorin Johan- na Spyri drehte Regisseur Isao Takahata dann eigenständig im Studio Zuiyo Enterprise, heute Nippon Animation. „Sowohl jene japanischen Zeichen- trickserien als auch die zugehörigen Mer- chandising-Produkte und Comic-Adap- tionen, die bei großem Erfolg einer Serie auf den Markt kamen, machten Genera- tionen von Kindern mit der Manga- und Anime-Ästhetik vertraut“, analysiert Au- er. So kam es, dass Ende der 90er die Auslandslizenzen und der Verkauf von Mangas manchen Verlag retteten, neue wie Tokyo-Pop gegründet wurden. Bis heute, so dokumentieren die Zahlen der Branche, dominieren ausländische Zeichner und Autoren den deutschen Comicmarkt, vor allem Klassiker und Mangas. Je nach Verlag liegt der Import bei 75 bis gar 100 Prozent. Zwar hat sich die Reputation der Gattung längst ver- bessert, dazu trug auch der Begriff „Gra- phic Novel“ bei. Dennoch, so sind sich Experten einig, sei Deutschland im Ver- gleich zu anderen Nationen wie Frank- reich, Belgien oder eben Japan noch Comic-Entwicklungsland. Zu lange sei hier die Literaturgattung und Kunstform Comic als „trivialer Kinderkram“ abgetan worden. Gerade aus diesem Grund sind Mangas in Österreich, der Schweiz und Deutschland erfolgreich, so fand die Ge- sellschaft für Konsumforschung GfK in einem Fünfjahresvergleich heraus: In Deutschland stiegen die Verkäufe zwi- schen 2010 und 2015 um 58 Prozent. Die Fans schwärmen von der enor- men Vielfalt an Genres für jeden Ge- schmack, für jede Altersgruppe, die Man- gas und Animes wie kein anderes Me- dium böten. Fangirl Laniify beschreibt in ihrem Blog die scheinbar unendlichen Kategorien, darunter Comedy, Mystery, Action, Supernatural, Horror, Sport, Sci- Fi, Drama, Fantasy, Historical, Psychologi- cal und anderes mehr. So richtet sich Shonen mit Action und Abenteuer an ein jugendliches männliches Publikum, Sho- jo mit Themen wie erste Liebe oder Freundschaft an ein junges weibliches. Männer finden in der Kategorie Sei- nen Hobbys und Heldenfiguren aller Art – neben Samurai auch Alltags- und Frauenhelden –, Frauen unter Josei Ge- schichten zu Arbeitsleben oder Bezie- hungen. Studien gehen davon aus, dass ein Drittel der Frauen die Kategorie Sei- nen bevorzugt. „Bei Mangas und Animes gibt es keine Grenzen, man kann in alle Welten eintauchen, entspannen, Proble- me für eine Zeit vergessen“, schreibt ein Fan. Wie andere auch schwärmt er vom Manga- und Anime-Zeichenstil, der Art des Erzählens oder der japanischen Kul- tur, die man kennenlernen könne. Einige gehen denn auch als Cosplayer, also Costume Player, zu Conventions wie der Comic-Con. Die 18-jährige Suzan etwa ließ sich das Kostüm eines Anime- Klassikers von 1988 schneidern: „Mein Nachbar Totoro“. Waldgeist Totoro wird nur von Kindern gesehen. „Der Film ge- fiel mir schon als Kind“, sagt die Abitu- rientin. „Mir macht das Spiel mit Kostü- men Spaß. Das geht nur bei der Comic- Con, ohne angestarrt zu werden. Und man trifft viele andere interessante Leu- te.“ Ein Blick auf die Messeportale zeigt: Bis September finden allein in Deutsch- land von Hamburg bis München mehr als 20 solcher Treffen statt, zu denen Stars der Fantasyfilme anreisen. Apropos Reisen: In Kooperation mit der japanischen Anime Tourism Associa- tion wurden weltweit Fans befragt und auf der Website https://animetou- rism88.com/en/sanctuary eine Liste mit 88 Lieblings-Anime-Orten heraus- gegeben. Petra Mostbacher-Dix Eintauchen in die japanische Kultur Mangas und Animes gehören zu Japan wie Sake oder die Kirschblüte. Und die Fangemeinde dieser außergewöhnlichen Form des Comics und des Zeichentrickfilms wächst auch in Deutschland stetig an. Manch einer spricht davon, dass sie dem klassischen Comic überlegen sind. Eine Bestandsaufnahme. SCHWERPUNKT: ZWISCHEN TRADITION UND HIGHTECH III Anzeige Anzeige Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner (links) und Kumamotos Oberbürgermeister Kazufumi Onishi beim Kumamoto Castle Marathon. Foto: Stadt Heidelberg Der japanische Animationsfilm „Your Name“ aus dem Jahr 2016 (Regie, Buch, Kamera: Makoto Shinkai) erzählt von zwei jungen Menschen, die aus Liebe zueinander die Körper tauschen. Foto: Universum

Anzeige SCHWERPUNKT: ZWISCHEN TRADITION …Geschichte ber Son-Goku und seine Freunde, die sieben Drachenblle su-chen, Abenteuer inklusive. Ebenso die 1999 in Japan erschienene Story

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Page 1: Anzeige SCHWERPUNKT: ZWISCHEN TRADITION …Geschichte ber Son-Goku und seine Freunde, die sieben Drachenblle su-chen, Abenteuer inklusive. Ebenso die 1999 in Japan erschienene Story

1988 wurde die Partnerschaftsurkundedann zunächst in Deutschland und einJahr später in Japan unterzeichnet.

Aus Sicht des derzeitigen Oberbür-germeisters von Matsuyama, KatsuhitoNoshi, ist Freiburg ein sehr wichtigerPartner, zumal beide Städte Wert aufNachhaltigkeit legen. Sichtbares Zei-chen der Verbundenheit ist die „Frei-burg-Burg“ in Matsuyama. Austauschehat es auf verschiedenen Ebenen gege-ben, von Fußballern wie Musikern. Auchhier gibt es wie in Heidelberg einenengagierten Freundeskreis: die Deutsch-Japanische Gesellschaft FreiburgMatsuyama e. V.

Am 18. Januar wurde der erstenVorsitzenden eine hohe Ehre zuteil: Diejapanische Regierung verlieh ShigekoMaeda den Verdienstorden des Kaisersvon Japan. Der Orden der AufgehendenSonne, Silberne Strahlen, wurde ihr vonGeneralkonsul Tetsuya Kimura im Frei-burger Rathaus überreicht.

Die partnerschaftlichen Beziehungenzwischen Baden-Württemberg und derPräfektur Kanagawa sind ebenfalls vongroßer Intensität. Die Partnerschafts-erklärung wurde 1989 vom damaligenMinisterpräsidenten Lothar Späth unddem Gouverneur von Kanagawa, KazujiNagasu, unterzeichnet. Zum 25-jährigenBestehen der Partnerschaft unterschrie-ben Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann und der Gouverneur der japani-schen Präfektur Kanagawa, Yūji Kuroiwa,ein „gemeinsames Memorandum“.

Dabei betonten sie, dass es eine Zu-sammenarbeit insbesondere auch beimAusbau der erneuerbaren Energien undder Energieeffizienz geben soll. Gemein-sam will man auch den Herausforderun-gen des demografischen Wandels begeg-nen. 2019 können das Bundesland unddie Präfektur dann ihre 30-jährige Part-nerschaft feiern. Corinna Streng

ste Themen bei diesem Besuch – etwader Neubau des durch das Erdbeben zer-störten Krankenhauses.

Doch nicht nur auf medizinischemGebiet soll die Zusammenarbeit intensi-viert werden: Im August werden 15 Ju-gendliche aus Kumamoto in Heidelber-ger Familien zu Gast sein, für 2019 istder Gegenbesuch geplant. Würzner botzudem an, Firmen aus Kumamoto zuhelfen, nach Heidelberg zu expandieren.Und die deutschen Schwimmer würdengerne in die Partnerstadt reisen – zurVorbereitung auf Olympia 2020 in Tokio.

Ähnlich rege und ähnlich lang an-haltend ist die Partnerschaft zwischenFreiburg und Matsuyama. Schon in den1960er Jahren gab es eine erste Anfragezur Kooperation der Universitätsstädte.Zwar wurde damals noch keine Partner-schaft geschlossen, ständige Kontaktezwischen den Universitäten und gegen-seitige Besuche blieben aber bestehen.

L Zwar ist Kumamoto mit 9230 Kilo-metern die am weitesten entfern-

te Partnerstadt Heidelbergs, dennochstehen sich die Städte sehr nah. Seit1992 sind die Kommunen partnerschaft-lich verbunden, erste Kontakte gab esbereits in den 1960er Jahren. Seitdembesuchen sich regelmäßig Delegationen,der Jugendaustausch wird ebenso ge-pflegt wie derjenige in den BereichenWissenschaft, Medizin und Sport. DieFreundeskreise beider Städte organisie-ren zudem immer wieder Bürgerreisen.Ihm sei keine andere deutsch-japanischeStädtepartnerschaft bekannt, die schonso lange offiziell und auch mit privatenBeziehungen so gut funktioniere, sagteKiminori Iwama als Gesandter der japa-nischen Botschaft beim Festakt zum 25-Jahr-Jubiläum der Städtepartnerschaftzwischen Heidelberg und Kumamoto.

Beispiel für die Verbundenheit: DemHeidelberger Freundeskreis Kumamotoist es gelungen, mit nur 23 Mitgliedern10 000 Euro für die Opfer des Erdbebens2016 in der Partnerstadt zu sammeln.Der Freundeskreis existiert seit 1991, errichtet sich mit dem Jubiläum nach demoffiziellen Start der Partnerschaft.

Vertreter dieses Kreises waren dabei,als im Februar eine 13-köpfige Heidel-berger Delegation Kumamoto fünf Tagelang besuchte. Einer der Höhepunktewar der „Kumamoto Castle Marathon“,an dem auch ein Teil der Deutschen teil-nahm. Heidelbergs OberbürgermeisterEckart Würzner lief beim Drei-Kilome-ter-Spaßlauf mit. Doch es gab auch ern-

So weit weg und doch so nahHeidelberg und Freiburg pfle-gen ihre Partnerschaften mit japanischen Städten, eine Delegation aus Heidelberg besuchte nun Kumamoto.

L So schwungvoll wie präzise kickendie acht Frauen jeweils ihr rechtes

Bein in die Luft, schwingen die Arme imKreis, in den Händen halten sie Holzklap-pern. Trommelrhythmen und traditionel-le japanische Klänge – unterfüttert mitpopartigen Elementen – hallen über denStuttgarter Marktplatz: Das Ensembledes japanischen Kulturvereins TodorokiStuttgart führt beim Festival der Kultu-ren Yosakoi vor. Die originäre japanischeForm des Tanzes verbindet traditionelleElemente mit modernen Einflüssen. DieGruppen können ihre Kostüme, Choreo-grafie, Accessoires und Musik frei wäh-len, doch fließen auch stets Teile des Lie-des „Yosakoi naruko“ in die Musik undChoreografie ein. Viele Universitäten,auch Firmen, Läden und Ortschaften, inJapan besitzen ein eigenes Yosakoi-Team,das regelmäßig an Festen und Wettbe-werben teilnimmt. Auch die Frauen desKulturvereins Todoroki Stuttgart.

Wer in der Landeshauptstadt, in derMenschen aus rund 180 Nationen leben,sucht, der findet viele Spuren Japans.Eine führt zur Deutsch-JapanischenGesellschaft Baden-Württemberg (DJGBW), in der seit 1957 ehemalige Bewoh-ner Japans zusammenkommen. Anfangstrafen sie sich, um Erinnerungen wachzu-halten. Dann entstand die Idee der Völ-kerverständigung – und am 26. Januar1962 die DJG BW. Ihr Ziel: die Beziehun-

gen zwischen Japan und Deutschland aufallen Gebieten des gesellschaftlichenLebens zu fördern. Regelmäßig findenStammtische, Vorträge oder Informa-tionsveranstaltungen statt, etwa zurTokaido, der alten Verbindungstrasse vonTokio, einst Edo, nach Kyoto.

Die DJG BW kooperiert mit demJapan Club Stuttgart e. V. (JCS), der vorrund 18 Jahren gegründet wurde. DerJCS will Japanerinnen und Japanern, diein Stuttgart und Region heimisch wur-den, einen Treffpunkt bieten, etwa amNeujahrsfest, dem Sommerfest und zum„Bonenkai“, dem legendären Umtrunkzum Jahresende. Der Club soll aber auchZugang zur deutschen sowie zur euro-päischen Kultur verschaffen sowie Deut-schen japanische Kultur nahebringen. „Inder Hoffnung, hierdurch einen beschei-denen Beitrag zur Verständigung der Kul-turen leisten zu können“, wie Club-Präsi-dent Hiroshi Kozaki sagt.

Fernöstliche Spuren finden sich eben-so in der Bildung. Sie reichen von der Ja-panischen Schule Stuttgart bis zum Köni-gin-Charlotte-Gymnasium, wo seit 1987Japanisch-Kurse für Schülerinnen undSchüler aller Stuttgarter und auch weite-rer umliegender Gymnasien stattfinden,außerdem zwei Austauschprogrammemit Japan angeboten werden.

Die Volkshochschule Stuttgart ist –neben Düsseldorf, Köln und Berlin –einer von vier Orten in Deutschland, andenen die Japanisch-Sprachprüfung Ja-panese Language Proficiency Test ab-gelegt werden kann. Diese wird vonder Japan Foundation durchgeführt, dieZertifikate werden vom japanischenAußen- und Kultusministerium offiziellanerkannt. Petra Mostbacher-Dix

Ein Beitrag zurVölkerverständigung

Wer sucht, der findet in der Landeshauptstadt Stuttgart viele Verbindungen nachJapan. Eine Spurensuche in fernöstlicher Kultur.

L Martin ist 36 und liebt sie, ebensodie 16-jährige Sara, und auch

Martina, eine Mittzwanzigerin: SailorMoon, Heldin eines Mangas, also japani-schen Comics, den die Zeichnerin NaokoTakeuchi 1991 für Teenager kreierte. DieGeschichte: Die naive, mittelmäßige, 14-jährige Schülerin Usagi Tsukino wächstdank der sprechenden Katze Luna übersich hinaus, kämpft als Sailor Moon mitWeggefährtinnen – den Sailor Senshis –gegen böse Dämonen. Mit Erfolg: 1992wurde Takeuchis Manga die Grundlageeines Zeichentrickfilms, 1995 lief die ers-te Staffel im ZDF einmal wöchentlich.Kult wurde die Mondmatrosin, als priva-te Sender sie täglich ausstrahlten.

Sailor Moon ist nur ein Beispiel fürden Erfolg der Anime- und Manga-Kulturin Deutschland. Schon 1982 hatte derRowohlt Verlag „Barfuß durch Hiroshi-ma“ von Keiji Nakazawa veröffentlicht,mit geringem Zuspruch. Mehr Öffent-lichkeit erhielt „Akira“ des Zeichners undAutors Katsuhiro Otomo: Die Story überden Überlebenskampf von Jugendlichenund Kindern mit teils übermenschlichenFähigkeiten im postapokalyptischen To-kio publizierte zehn Jahre später derCarlsen Verlag. Richtig startete der Man-ga-Boom 1997. Eben mit Sailor Moon,die heute beim Comic- und MangaverlagEgmont-Ehapa segelt, und mit Akira Tori-yamas „Dragon Ball“. Carlsen verlegte dieGeschichte über Son-Goku und seineFreunde, die sieben Drachenbälle su-chen, Abenteuer inklusive. Ebenso die1999 in Japan erschienene Story überden Ninja-Schüler Naruto, eine derbeliebtesten Manga-Serien weltweit.

Was macht Mangas und Animes hier-zulande so erfolgreich? Wissenschaftle-rin Kristina Auer beschreibt in ihrer Ma-gisterarbeit das Vakuum, das Anfang der90er Jahre eine Comicflaute in Deutsch-land hinterließ, weil Verlage teure Werkefür ein Avantgarde-Publikum produzier-

ten und so die Verkäufe sanken. DenLesern wiederum war die Ästhetik japa-nischer Zeichentrickserien vertraut –durch Koproduktionen der 70er wie„Biene Maja“ oder „Wickie und die star-ken Männer“, die als Anime in Japan ent-standen. Die höchst erfolgreiche Alpen-geschichte des Waisenmädchens Heidider Schweizer Jugendbuchautorin Johan-na Spyri drehte Regisseur Isao Takahatadann eigenständig im Studio ZuiyoEnterprise, heute Nippon Animation.

„Sowohl jene japanischen Zeichen-trickserien als auch die zugehörigen Mer-chandising-Produkte und Comic-Adap-tionen, die bei großem Erfolg einer Serieauf den Markt kamen, machten Genera-

tionen von Kindern mit der Manga- undAnime-Ästhetik vertraut“, analysiert Au-er. So kam es, dass Ende der 90er dieAuslandslizenzen und der Verkauf vonMangas manchen Verlag retteten, neuewie Tokyo-Pop gegründet wurden. Bisheute, so dokumentieren die Zahlender Branche, dominieren ausländischeZeichner und Autoren den deutschenComicmarkt, vor allem Klassiker undMangas. Je nach Verlag liegt der Importbei 75 bis gar 100 Prozent. Zwar hat sichdie Reputation der Gattung längst ver-bessert, dazu trug auch der Begriff „Gra-phic Novel“ bei. Dennoch, so sind sichExperten einig, sei Deutschland im Ver-gleich zu anderen Nationen wie Frank-

reich, Belgien oder eben Japan nochComic-Entwicklungsland. Zu lange seihier die Literaturgattung und KunstformComic als „trivialer Kinderkram“ abgetanworden. Gerade aus diesem Grund sindMangas in Österreich, der Schweiz undDeutschland erfolgreich, so fand die Ge-sellschaft für Konsumforschung GfK ineinem Fünfjahresvergleich heraus: InDeutschland stiegen die Verkäufe zwi-schen 2010 und 2015 um 58 Prozent.

Die Fans schwärmen von der enor-men Vielfalt an Genres für jeden Ge-schmack, für jede Altersgruppe, die Man-gas und Animes wie kein anderes Me-dium böten. Fangirl Laniify beschreibt inihrem Blog die scheinbar unendlichen

Kategorien, darunter Comedy, Mystery,Action, Supernatural, Horror, Sport, Sci-Fi, Drama, Fantasy, Historical, Psychologi-cal und anderes mehr. So richtet sichShonen mit Action und Abenteuer an einjugendliches männliches Publikum, Sho-jo mit Themen wie erste Liebe oderFreundschaft an ein junges weibliches.

Männer finden in der Kategorie Sei-nen Hobbys und Heldenfiguren allerArt – neben Samurai auch Alltags- undFrauenhelden –, Frauen unter Josei Ge-schichten zu Arbeitsleben oder Bezie-hungen. Studien gehen davon aus, dassein Drittel der Frauen die Kategorie Sei-nen bevorzugt. „Bei Mangas und Animesgibt es keine Grenzen, man kann in alleWelten eintauchen, entspannen, Proble-me für eine Zeit vergessen“, schreibt einFan. Wie andere auch schwärmt er vomManga- und Anime-Zeichenstil, der Artdes Erzählens oder der japanischen Kul-tur, die man kennenlernen könne.

Einige gehen denn auch als Cosplayer,also Costume Player, zu Conventions wieder Comic-Con. Die 18-jährige Suzanetwa ließ sich das Kostüm eines Anime-Klassikers von 1988 schneidern: „MeinNachbar Totoro“. Waldgeist Totoro wirdnur von Kindern gesehen. „Der Film ge-fiel mir schon als Kind“, sagt die Abitu-rientin. „Mir macht das Spiel mit Kostü-men Spaß. Das geht nur bei der Comic-Con, ohne angestarrt zu werden. Undman trifft viele andere interessante Leu-te.“ Ein Blick auf die Messeportale zeigt:Bis September finden allein in Deutsch-land von Hamburg bis München mehr als20 solcher Treffen statt, zu denen Starsder Fantasyfilme anreisen.

Apropos Reisen: In Kooperation mitder japanischen Anime Tourism Associa-tion wurden weltweit Fans befragtund auf der Website https://animetou-rism88.com/en/sanctuary eine Listemit 88 Lieblings-Anime-Orten heraus-gegeben. Petra Mostbacher-Dix

Eintauchen in die japanische KulturMangas und Animes gehören zu Japan wie Sake oder die Kirschblüte. Und die Fangemeinde dieser außergewöhnlichen Form des

Comics und des Zeichentrickfilms wächst auch in Deutschland stetig an. Manch einer spricht davon, dass sie dem klassischen Comic überlegen sind. Eine Bestandsaufnahme.

SCHWERPUNKT: ZWISCHEN TRADITION UND HIGHTECH IIIAnzeigeAnzeige

Heidelbergs OberbürgermeisterProf. Dr. Eckart Würzner (links) undKumamotos OberbürgermeisterKazufumi Onishi beim KumamotoCastle Marathon. Foto: Stadt Heidelberg

Der japanische Animationsfilm „Your Name“ aus dem Jahr 2016 (Regie, Buch, Kamera: Makoto Shinkai) erzähltvon zwei jungen Menschen, die aus Liebe zueinander die Körper tauschen. Foto: Universum