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CMS Deutschland CMS Deutschland Branchentreff Zeitarbeit 6. Juli 2017 Hamburg Dr. Alexander Bissels Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht CMS Köln AÜG-Reform: Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Dr. Alexander Bissels | AÜG-Reform: Praktische Hinweise und erste Erfahrungen | 06.07.2017 CMS DeutschlandCMS Deutschland

Branchentreff Zeitarbeit

6. Juli 2017

Hamburg

Dr. Alexander Bissels

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

CMS Köln

AÜG-Reform: Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

Dr. Alexander Bissels | AÜG-Reform: Praktische Hinweise und erste Erfahrungen | 06.07.2017 CMS Deutschland

AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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1. Überblick

2. Überlassungshöchstdauer und Abweichungsmöglichkeiten

3. Equal pay und Abweichungsmöglichkeiten

4. Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht

5. Ausblick

Inhalt

Dr.

Alexander Bissels

Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für

Arbeitsrecht

Dr. Alexander Bissels | AÜG-Reform: Praktische Hinweise und erste Erfahrungen | 06.07.2017 CMS Deutschland

AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Überlassungshöchstdauer (ÜHD) grds. 18 Monate mit Abweichungsoption für TV

der Einsatzbranche.

Zwingendes equal pay (EP) grds. nach 9 Monaten mit Abweichungsoption für TV

der Zeitarbeit.

Offenlegungs-/Konkretisierungs- und Informationspflicht zur Sanktionierung

der "verdeckten" ANÜ (Ausschluss der sog. "Fallschirmlösung").

Verbot der "Kettenüberlassung".

Verbot des Einsatzes von ZAN als "Streikbrecher".

Berücksichtigung von ZAN bei Schwellenwerten des BetrVG und der

Unternehmensmitbestimmung.

Erweiterung der Bereichsausnahme für öffentliche Hand.

1. Überblick

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Grundsätzliche gesetzliche ÜHD von 18 Monaten:

• Arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen.

• Unternehmens- und nicht betriebsbezogene Betrachtung beim Kunden.

• Anrechnung von Voreinsatzzeiten – auch über einen anderes ZAU - bei dem

jeweiligen Kunden.

• Unterbrechung bei mehr als 3 Monaten zwischen den Einsätzen (= 3 Monate

+ 1 Tag).

• Abweichungsmöglichkeiten durch TV der Einsatzbranche oder eine

aufgrund eines solchen TV geschlossene BV.

• Übergangsregelung: relevant sind Zeiten ab dem 01.04.2017.

2.1 Höchstüberlassungsdauer

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Grundsätzliche gesetzliche HÜD von 18 Monaten:

• Bei Überschreitung der HÜD: Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen

ZAN und Kunde.

Festhaltenserklärung des ZAN möglich.

Arbeitsverhältnis fällt zurück an ZAU.

• Weitere Rechtsfolgen bei Verstoß:

Bußgeld für ZAU (bis zu 30.000 €).

Erlaubnisrechtliche Konsequenzen für ZAU.

Zustimmungsverweigerungsrecht des KundenBR (hM).

2.1 Höchstüberlassungsdauer

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Abweichung durch TV LeiZ möglich.

Abgeschlossen im Mai 2017 mit Rückwirkung zum 01.04.2017.

Laufzeit bis 31.12.2020.

Kein "Bundes-LeiZ", sondern TV LeiZ für einzelne Tarifbezirke.

Geltung für Betriebe der M+E-Industrie.

• Keine Anwendung für ZAU.

• Verweis auf Geltungsbereich des EMTV Metall.

• Unmittelbare Anwendung setzt Tarifbindung des Kundenbetriebs voraus,

d.h. Mitglied im Arbeitgeberverband, Firmen- bzw. Anerkennungstarifvertrag.

• Übernahme durch BV im nicht-tarifgebundenen M+E-Betrieb möglich.

• Soweit keine Tarifbindung des Betriebs und auch keine BV abgeschlossen

wurde, bleibt es gesetzlicher Regelung (= 18 Monate).

2.2 Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer

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Wesentlicher Inhalt des TV LeiZ:

• "Herzstück": "die Höchstdauer des Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§§

3, 4 Nr. 1) darf 48 Monate im Betrieb nicht überschreiten" (vgl. § 2 III 1 TV

LeiZ).

• Verlängerung der ÜHD auf über 48 Monte im Einzelfall möglich:

Einsatz erfolgt wegen eines Sachgrundes.

Mitteilung des Sachgrundes und der voraussichtlichen Dauer gegenüber BR im

Rahmen des Verfahrens nach § 99 BetrVG ("Einstellung"): kein Nachschieben!

Dokumentation der Unterrichtung des BR.

• Einsatz von ZAN bedarf Zustimmung des BR.

• Vorläufige Maßnahme nach Widerspruch des BR frühestens 10 Kalender-

tage nach Antragstellung oder drei Kalendertage nach Zustimmungs-

verweigerung.

2.2 Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer

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Wesentlicher Inhalt des TV LeiZ:

• Differenzierung zwischen Betrieben mit/ohne Betriebsvereinbarung.

• § 3 TV LeiZ (mit BV; Öffnungsklausel nach § 1 Ib S. 5 AÜG):

Ausdrückliche Regelung einer ÜHD von bis zu 48 Monaten möglich.

Übernahmeregelungen möglich, aber nicht zwingend.

Einschränkungen nach § 100 BetrVG gelten nicht.

Gestaltungsfreiheit der Betriebsparteien.

• § 4 TV LeiZ (ohne BV; § 1 Ib S. 3 AÜG):

"Automatische" Geltung der ÜHD von 48 Monaten

Aber: grds. Prüfpflicht nach 18 Monaten und Übernahmepflicht nach 24 Monaten.

Ausschöpfung der 48 Monate nur nach vorbehaltloser Ablehnung des

Übernahmeangebotes durch den ZAN (in Praxis wohl die Ausnahme).

2.2 Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer

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Wesentlicher Inhalt des TV LeiZ:

• Besondere Übergangsregelung für BV nach TV LeiZ a.F. (§ 8).

Für BV'en, die vor dem 01.04.2017 abgeschlossen wurden und ÜHD vorsehen:

Bestandsschutz möglich, wenn diese längere ÜHD als 48 Monate vorsieht.

Schriftlicher Fortführungsvermerk mit BR.

Zeiten vor dem 01.04.2017 werden angerechnet.

Für BV'en, die vor dem 01.04.2017 abgeschlossen wurden, aber keine ÜHD

vorsehen:

• Versuch der Betriebspartner, bis zum 31.08.2017 eine ÜHD zu vereinbaren (bis max. 48

Monate) – Dokumentation der Gespräche oder des Angebotes darauf zu empfehlen!

• Gelingt dies nicht: 36 Monate ÜHD ab dem 01.06.2017 ("Rückfalllösung").

• Für ZAN, die am 01.06.2017 im Einsatz sind, werden Voreinsatzzeiten angerechnet.

• Für Neueinsätze: 36 Monate ab dem 01.06.2017.

2.2 Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer

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TV LeiZ bei nicht-tarifgebundenen Kundenbetrieben:

• "Abschreiben" des TV LeiZ nach § 1 Ib S. 4 AÜG?

Problematisch, da TV LeiZ gerade BV verlangt, durch die Betriebspartner ihr

Gestaltungsermessen ausüben.

Was ist mit Prüf-/Übernahmepflicht?

• TV LeiZ sieht Öffnungsklausel nach § 1 Ib S. 6 AÜG vor.

Freiwillige BV: kann nicht über Einigungsstelle erzwungen werden.

Betriebspartner können "Korridor" des TV LeiZ nutzen, d.h. ausdrückliche Regelung

einer ÜHD von bis zu 48 Monate möglich.

Prüf- und Übernahmepflicht gelten dann nicht, es sei denn, diese werden

ausdrücklich in der BV vorgesehen.

Empfehlung:

• Proaktive Ansprache des Kunden bzgl. Abschluss einer BV nach TV LeiZ.

• Ggf. Unterstützung bei Erstellung der BV anbieten.

2.2 Abweichung von der Höchstüberlassungsdauer

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Abweichung von EP durch TV der Zeitarbeit nur in den ersten 9 Monaten der

Überlassung möglich.

Danach: zwingende Gleichstellung hinsichtlich EP mit vergleichbaren

Stammbeschäftigten des Kunden ("gesetzliches EP").

Übergangsregelung: relevant sind Zeiten ab dem 01.04.2017

Ausnahme: Abweichung von EP über 9 Monate hinaus möglich, wenn

• spätestens nach 15 Monaten ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das dem vergleichbarer

AN in der Einsatzbranche gleichwertig ist, und

• nach einer Einarbeitungszeit von längstens 6 Wochen eine stufenweise

Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt ("tarifliches EP").

.

3.1 Zwingendes equal pay

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Prinzip der bisherigen Branchenzuschlagstarifverträge!

• TV BZ a.F. müssen angepasst werden.

• Unterschreitung von 100% EP m.E. möglich ("EP light").

• Inzwischen auf Grundlage der neuen Rechtslage abgeschlossen: TV BZ ME und TV

BZ Chemie.

Unterbrechung bei mehr als 3 Monaten zwischen den Einsätzen (= 3 Monate

+ 1 Tag).

Rechtsfolge bei Verstoß:

• Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bis 500.000 EUR für ZAU.

• Erlaubnisrechtliche Schritte.

• Nachforderungsansprüche der ZAN (Ausschlussfristen beachten!).

• Nachzahlungsansprüche der Sozialversicherungsträger (ACHTUNG: § 266a StGB!).

• Subsidiärhaftung des Kunden für nicht abgeführte SV-Beiträge.

3.1 Zwingendes equal pay

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Abweichung durch TV BZ ME möglich.

Abgeschlossen am 08.05.2017 mit Rückwirkung zum 01.04.2017.

Laufzeit bis zum 31.12.2020 – analog TV LeiZ.

Bundeseinheitlicher Tarifvertrag für gesamte Zeitarbeitsbranche mit Einsätzen

im M+E-Bereich.

Unmittelbare Geltung bei übereinstimmender Tarifbindung des ZAU und des

ZAN oder Bezugnahme in Arbeitsvertrag auf Tarifverträge der Zeitarbeits-

branche (BAP/iGZ und DGB-Tarifgemeinschaft).

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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Aufnahme von Verhandlungen über TV BZ für IT und Kommunikations-

technologie (inkl. IT-Dienstleistungen) mit IG Metall.

• Problem: Abgrenzung zur Tarifzuständigkeit von ver.di.

ACHTUNG: Handwerksbetriebe nach wie vor vom Geltungsbereich des TV BZ

ME nicht erfasst.

• Bisher: Tendenz, Handwerkseigenschaft zu bejahen, um Branchenzuschlagspflicht

auszuschließen.

• Zukünftig: ggf. abweichende Tendenz, um Branchenzuschlagspflicht zur Abwendung

eines gesetzlichen EP zu bejahen.

• KEINE Beliebigkeit: objektive Abgrenzung erforderlich (kein "Wunschkonzert"!).

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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Wesentlicher Inhalt des TV BZ ME:

• Einführung einer 6. Zuschlagsstufe von 65%.

Anpassung an gesetzliche Erfordernisse.

Gilt ab dem 16. Einsatzmonat.

Frühestens ab dem 01.01.2018 anwendbar.

"Diktat" der Metallbranche.

• Klarstellung, dass mit der letzten Zuschlagsstufe ein "gleichwertiges

Arbeitsentgelt" nach § 8 IV AÜG erreicht wird.

• Anpassung der Unterbrechungsregelung:

Neubeginn bei Unterbrechung von 3 Monaten und 1 Tag.

Kürzere Unterbrechungen hemmen grds. Einsatzdauer ("zählen nicht mit").

Wechsel von ZAU: Berücksichtigung von Voreinsatzzeiten.

• Vor dem 01.04.2017 zurückgelegte Einsatzzeiten zählen bei Berechnung

der Einsatzdauer mit.

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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Wesentlicher Inhalt des TV BZ ME:

• Anpassung des Begriffs "Kundenbetrieb" (§ 1, § 2 I bis III TV BZ ME) an das

AÜG.

Nicht mehr Betrieb, sondern Einsatzunternehmen relevant (= keine Unterbrechung

mehr durch Wechsel des Betriebs).

Nicht für die Definition eines "Hilfs-/Nebenbetrieb".

Geltung für Einsatzzeiten ab dem 01.04.2017.

Neuregelung kann zur Neubewertung der Branchenzuschlagspflicht führen!

• Kundenbetrieb ist M+E-Branche zugehörig, Unternehmen hat aber einen anderen Hauptzweck.

Keine Branchenzuschlagspflicht.

Rückforderung bzw. Verrechnung zu viel gezahlter Branchenzuschläge möglich (Ausschluss-

fristen von ZAU zu beachten!).

• Kundenbetrieb zählt nicht zur M+E-Branchen, Unternehmen aber schon.

"Rückwirkende" Branchenzuschlagspflicht.

Korrektur der Abrechnungen erforderlich (ACHTUNG: § 266a StGB).

• Im Zweifel weitere Informationen des Kunden erforderlich!

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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Wesentlicher Inhalt des TV BZ ME:

• Anpassung der Deckelungsregelung (Geltendmachung erforderlich!).

Bis zum 31.12.2017: bisherige Deckelung weiter anwendbar (90% des

Vergleichsentgelts).

Ab dem 31.12.2017:

• Bis zu 15 Monate: Deckelung auf 90% des laufenden regelmäßigen

Stundenentgelts weiter möglich.

• Ab dem 16 Monat: Deckelung auf das Arbeitsentgelt eines vergleichbaren

Arbeitnehmers des Kunden (= "volles Entgelt" unter Einschluss von

Jahressonderzahlungen, Sachbezügen, variable Vergütung etc.) oder (weitere)

Anwendung der 6. Stufe.

• Problem:

Bestimmung des "richtigen" Vergleichsentgelts nach dem 15. Einsatzmonat: Rechts-

unsicherheit!

Ggf. "teurere" 6. Stufe fortführen, da "sichere" Bestimmung des Vergleichsentgelts möglich.

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Wesentlicher Inhalt des TV BZ ME:

• Deckelung auf 90% darf nicht dazu führen, dass nach 6 Wochen kein BZ

gezahlt wird.

• Problem: wie hoch muss dieser "Zwangszuschlag" sein, wenn das

(un/gedeckelte) Vergleichsentgelt unter der Vergütung des ZAN liegt? 0,01

€/h, 1% oder gar 15% (= 1. Stufe des TV BZ ME).

Wortlaut: 0,01 €/h ist mehr als "kein Zuschlag".

Sinn und Zweck: zumindest wenn Entgelt des ZAN über dem ungedeckelten

Vergleichsentgelt des Stammbeschäftigten liegt, ist eine Annäherung an (tarifliches)

EP nicht mehr möglich, da dieses schon erreicht ist.

Contra: TV BZ ME sieht ein eigenes Zuschlagsregime mit einer 1. Stufe von 15%

vor und kein "Gestaltungsermessen" des ZAU, dieses festzulegen.

Contra: ggf. Argument des Rechtsmissbrauchs/Umgehung des TV BZ ME.

Abwägungsfrage, wie viel Risiko ZAU zu gehen bereit ist!

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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Wesentlicher Inhalt des TV BZ Chemie:

• Erstreckung des fachlichen Geltungsbereiches auf Betriebe, die

Fertigungserzeugnisse eines Katalogbetriebs verpacken und verkaufen,

sofern in diesen der TV Chemie angewendet wird (ab dem 01.04.2017).

• Einführung von Branchenzuschlägen für die EG 6 bis 9.

Berücksichtigung der Einsatzzeiten ab dem 01.04.2017.

Übergangsregelung: bis zum 31.12.2017 nur ein Zuschlag von 1% (ab der 6.

Woche), ab dem 01.01.2018 greifen die Zuschlagsstufen unter Berücksichtigung der

Voreinsatzzeiten ab dem 01.04.2017.

• Einführung einer 6. Zuschlagsstufe (je nach EG zwischen 24 und 67 %).

• Letzte Stufe greift erstmals zum 01.07.2018 (auch für EG 6 bis 9).

• Anpassung der Deckelungsregelung:

Bis zum 30.06.2018: Fortgeltung der bisherigen Deckelung.

Ab dem 01.07.2018: wie TV BZ ME.

3.2 Abweichung vom gesetzlich zwingenden equal pay

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AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Erste höchstrichterliche Entscheidungen des BAG zum TV BZ ME:

• Urteile betrafen ausnahmslos Automobil(-zuliefer)industrie.

• Wesentliche Erkenntnisse:

TV BZ ME auf "branchenfremde" Betriebe anwendbar, die nach deren

überwiegender Tätigkeit als Glied in der Fertigungskette unmittelbar auf die

Fertigung des Kfz oder seiner Bestandteile gerichtet sind (Urt. v. 22.02.2017 - 5 AZR 552/14:

sog. "Pony-Pack" = Motor-Getriebe-Einheit).

TV BZ ME auf "branchenfremde" Betriebe anwendbar, die nach ihren

ausschließlichen oder überwiegenden Tätigkeiten den Fertigungsprozess eines

Katalogbetriebs unterstützen (Urt. v. 22.02.2017 – 5 AZR 453/15: Sequenzierung und Anlieferung von

Bauteile für Kfz).

Keine Identität der Inhaber von Haupt- und Nebenbetrieb erforderlich (Urt. v. 22.02.2017

- 5 AZR 252/16: Logistiklager; a.A. die bisher ganz h.M., vgl. Nachweise bei: Bissels, jurisPR-ArbR 10/2016

Anm. 3).

3.3 EXKURS: Fachlicher Anwendungsbereich des TV BZ ME a.F.

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AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Erste höchstrichterliche Entscheidungen des BAG zum TV BZ ME:

• Wesentliche Erkenntnisse:

Erweiterung des Anwendungsbereiches des TV BE ME insbesondere im Bereich der

Kontraktlogistik.

Rückwirkende Neubewertung der Branchenzuschlagspflicht erforderlich.

BAG erkennt Tarifzuständigkeit der IG Metall für "Haupt- und Hilfsbetriebe"

ausdrücklich an (Urt. v. 22.02.2017 - 5 AZR 252/16).

• Bestätigung, dass keine Zweifel an Wirksamkeit des TV BZ ME a.F. bestehen.

• Problem: Satzung der IG Metall ist "betriebsbezogen" ausgerichtet (Einsatz-

/Kundenbetrieb): durch Änderung des TV BZ ME (Unternehmensbezug) Zweifel

an Tarifzuständigkeit der IG Metall und daher an der Wirksamkeit des TV BZ ME

n.F.?

3.3 EXKURS: Fachlicher Anwendungsbereich des TV BZ ME a.F.

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AÜG-Reform 2017| Praktische Hinweise und erste Erfahrungen

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Ausdrückliche Bezeichnung der ANÜ im ANÜ-Vertrag vor Einsatz.

Namentliche Konkretisierung der Person des ZAN vor Einsatz.

Achtung: Formerfordernis bei Konkretisierung?!

• Bei EinzelANÜV: Einhaltung der gesetzlichen Schriftform.

Vertrag muss vor Einsatzbeginn geschlossen sein.

Unterschrift beider Parteien im Original erforderlich sowie Zugang des Vertrags bei

der jeweils anderen Partei.

• Bei RahmenANÜV: Konkretisierung kann in Textform erfolgen (Ansicht der

BA).

Rahmenvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform.

Konkretisierender Abruf des ZAN per Email, Fax möglich.

Streitig, ob unilaterale Erklärung des ZAN ausreicht oder ob Bestätigung des

Kunden erforderlich ist.

4. Offenlegung und Konkretisierung

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Bei Missachtung: Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen ZAN und

Kunde.

• Streitig, ob gegen Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht verstoßen werden muss,

um Fiktion auszulösen (m.E. kumulative Verletzung erforderlich).

• Streitig, ob eine im Zweifel nicht formwirksame Konkretisierung ausreicht, um

Fiktion auszulösen (m.E. nicht hinreichend, da sich Parteien zur ANÜ bekannt haben).

• Festhaltenserklärung des ZAN möglich.

• Arbeitsverhältnis fällt zurück an ZAU.

Weitere Rechtsfolgen bei Verstoß:

• Bußgeld für ZAU und Kunde (bis zu 30.000 €).

• Erlaubnisrechtliche Konsequenzen für ZAU.

4. Offenlegung und Konkretisierung

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AÜG-Reform 2017| Erste Erfahrung in der Praxis

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"Vorratserlaubnis" bei Abschluss eines Scheinwerk-/-dienstvertrages hilft

nicht mehr: keine "Fallschirmlösung" mehr, die die Fiktion eines

Arbeitsverhältnisses zum Kunden verhindert.

Unklare Abgrenzung zwischen Werk-/Dienstvertrag und verdeckter ANÜ

bleibt auch nach Gesetzesreform unverändert erhalten.

Aber: Strafbarkeitsrisiken steigen! Werden Freelancer über Personalvermittler

mit ANÜ-Erlaubnis beim Kunden beschäftigt, kann nicht mehr darauf verwiesen

werden, dass Arbeitgeberpflichten (nur) beim Personalvermittler entstehen.

Handlungspflicht entsteht unmittelbar beim Auftraggeber/Kunden.

4. Offenlegung und Konkretisierung

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AÜG-Reform 2017| Erste Erfahrung in der Praxis

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Weitere Tarifverträge zu Branchenzuschlägen zu erwarten.

• In Anlehnung an den TV BZ ME als "Muster".

• Aber: mit gewissen "Nuancierungen" (s. TV BZ Chemie).

• Wohl anzunehmen in Branchen, in den bislang schon TV BZ galten.

• Weiter Branchen? ver.di hat grds. ablehnende Haltung.

Unklare Situation mit Blick auf Tarifverträge zur Verlängerung der ÜHD; ggf.

über Firmentarifverträge.

Prüfverhalten der BA zu beobachten; bisherige Wahrnehmung: "moderate"

Prüfpraxis mit Blick auf die gesetzlichen Änderungen.

Equal pay ab dem 01.01.2018 als nächste "große Herausforderung".

• Kunden rechtzeitig mit ins Boot holen.

• Ggf. letzte Stufe des TV BZ nutzen, selbst wenn diese teurer ist.

5. Ausblick

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Ihr Ansprechpartner

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Fachanwalt für Arbeitsrecht

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50678 Köln

T +49 221 7716 317

F +49 221 7716 337

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