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F· b tl.t Herausgeber: . ar· . a· a· n en Klaus I-I. Rateitschak . . _ _ . . Herbclt F. Wolf
der Zahnmedizin 12 Funktionsdiagnostik. und Therapieprinz~ien AxeI Bumann · Ulrich Lotzlllann
Farbatlanten der Zahnmedizin Herausgeber: Klaus H. Rateitschak und Herbert F. Wolf
Band 12
Funktions diagnostik und Therapieprinzipien
Axel Bumann Ulrich Lotzmann
858 meist farbige Abbildungen in 1304 Einzeldarstellungen
~ 2000 W Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York
IV
Autoren
Prof. Dr. Axel Bumann Petersburger Straße 93 10247 Berlin http://www.kfo-berlin .de
z. Zt.
Prof. Dr. Ulrich Lotzmann Bahnhofstraße 35 37586 Dassei
z. Zt.
Harvard School of Dental Medicine Department of Growth and Development 188 Longwood Avenue
Medizinisches Zentrum für ZMK-Heilkunde Abteilung für Zahnersatzkunde Philipps-Universität Marburg Georg-Yoigt-Straße 3 Boston, MA 02115 , USA
Boston University School of Medicine Musculoskeletal Research, R-205
35033 Marburg 1 Lahn
715 Albany Street Boston, MA02118, USA
Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme
Farbatlanten der Zahnmedizin / Hrsg .: Kl aus H. Rateitschak und Herbert F. Wolf. - Stuttgart ; New York : Thie me
Eng!. Ausg. u.d .T.: Color atlas of dental med icine
Bumann, Axel: Funktionsdiagnosti k und Therapieprinzipien / Axel Bumann ; Ulrich Lotzmann . Hrsg.: Klaus H. Rateitsc hak und Herbert F. Wolf. -Stuttgart ; New York : Thieme, 2000
(Farbatlanten der Zahnmedi zin ; Bd . 12)
Bd. 12. Bumann , Axel: Funktionsdi agnosti k und Therapieprinzipien. - 2000
Zeichnungen: Design SllIdio Cornford, Reinhe im Joachim Hormann , Stuttgart
Thieme - Farbatlanten der Zahnmedizin
Bereits erschienene Bände (Subskriptionsmöglichkeit) deutsch:
f7\ K. H. & E. M. Rateitschak, H. F. Wolf o Parodontologie
A. H. Geering, M. Kundert CD Total- und Hybridprothetik
G. Graber CD Parti elle Prothetik
fi\ N. P. Lang, B. Siegri st Guldener ~ Kronen- und Brückenprothetik
F. A. Pasler CD Radiologie
P. Riethe ® Kariesprophylaxe und konservierende Therapie
CD R. Beer, M. A. Baumann Endodontologie
T. Rakosi, I. Jonas ® Kieferorthopädie: Diagnostik*
rw H. Spiekermann @; Implantologie
® H. F. Sailer, G. F. Pajarola
11 Orale Chirurgie
A. Bumann, U. Lotzmann @ Funktionsdiagnostik und Therapieprinzipien
@ p. A. Reichart , H. P. Philipsen
14 Oral pathologie
J. Schmidseder @ Ästheti sche Zahnmedizin
In Vorbereitung:
• H. van Waes, P. W. Stöckli Kinderzahnheilkunde
• M. D. W. Lipp, M. Daubländer
Herausgeber
Prof. Dr. Klaus H. Rate itschak Zahnärztliches Institut der Universität Basel , Petersplatz 14 CH-4051 Base l
Dr. med. dent. Herbert F. Wolf Pri vatpraktiker Spezialarzt für Parodontologie SGP Löwenstraße 55/57 CH-800 I Zürich
Wichtiger Hinweis : Wie jede Wi ssenschaft ist die Med izin ständ igen Entwicklungen unterworfe n. Forschung und klinische Erfahrung crweitem unsere Erkennt nisse, insbesondere was Behand lung und medikamentöse Therapie anbe lang!. Soweit in diesem Werk e ine Dosi erung oder eine Appli ka tion erwähnt wi rd , darf der Leser zwar da rauf vcrtrauen, daß Autoren, Herausgeber und Verl ag große Sorg falt darauf verwandt haben, daß diese Angabe n dem Wissensstand bei Fe rti gstellung des Werkes e nt sprich!. Für Angaben übe r Dosierungsan weisun gen und Applik ati onsformcn kann vom Verlag jedoch ke ine Gewähr übe rno mmen werden . .leder Benutzer ist angehalten, d urc h sorgfä lt ige Prüfung der Be ipackzettel der ve rwendete n Präparate und gegebe nenfa ll s nach Konsultation e ines Speziali sten fe stzu ste lle n. ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder di e Beachlllng von Kontraindik ati one n gegenü be r der Angabe in di esem Buch abweich!. Eine solche Prü fu ng ist besonders wichti g bei selten verwendeten Präparate n oder so lche n. die neu auf den Markt gebracht wordc n sind. J ede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellie re n an jede n Ben utzer. ihm etwa auffa ll ende Ungenauig ke itc n de m Verl ag mitzu teile n.
Anästhesie und Zwischenfälle in der zahnärztlichen Prax is
Geschützte Waren namen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemach!. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, daß es sich um e inen freien Warennamen handele.
Umschl aggrafik: Martina Berge, Erbach-Ernsbach
© 2000 Georg Th ieme Verl ag, Rüdigerstraße 14 , D-70469 SllIttgart Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany
Satz: G . Müller, He ilbronn Druck: K. Grammli ch. Pliezhausen
IS B 3- 13-78750 1-3 345
• J. F. Roulet, S. Zimmer Prophylaxe und Präventi vzahnmedizin
• N. N. Kieferorthopädie - Therapie*
• H. F. Kappert, H. G. Schaller Klini sche Werkstoffkunde
* Freiwillige Subskriptionsmöglichkeit
Thieme - Color Atlas of Dental Medicine
Die Bände I, 2, 3, 5, 7, 8, 10 und 11 sind auch in Engli sch li eferbar, di e Bände 14 und 15 sind in Vorbereitung.
Das Werk, e inschließlich aller seiner Te ile, ist urheberrechtlich geschütz!. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrcchtsgesetzes ist ohne Zustimmung dcs Verlages unzu lässig und strafb ar. Das gilt insbesondere fü r Vervie lfälti gungen, Übersetzungen. Mi kroverfilmun gen und die Einspeicherung und Verarbe itung in e lektroni schen Systemen.
Meinen Söhnen Philipp und Sebastian sowie meinen Eltern in Dankbarkeit für ihre Liebe, Geduld, Kraft und ihr Verständnis
Meinen Lehrern Rolf Ewers, Louis C. Gerstenfeid, Asbjörn Hasund, MarceL Korn, Robert M. Ric'ketts und Edwin H. K. Yen, die meinen Weg entscheidend geprägt haben
Axel Bumann
Meinen Eltern, meiner Frau Martina, meinem Sohn Christian Ulrich sowie meinen Geschwistern und Patenkindern, in großer Liebe und Dankbarkeit
Der Apollo XII Crew: Charles Conrad (1930-1999) zum Gedenken, Richard Gordon und Aian Bean in Bewunderung und Freundschaft
Ulrich Lotzmann
v
VI
Vorwort
Medizin und Zahnmedizin haben sich nicht zuletzt unter dem wechselseitigen Einfluß neuer Methoden, Technologien und Materialien weiterentwickelt. Den damit gestiegenen Anforderungen an die patientenorientierte Ausbildung können unsere Studentinnen und Studenten strenggenommen allein schon aufgrund der unzeitgemäßen Approbationsordnung nicht mehr gerecht werden. Gerade die komplexen Zusammenhänge in der zahnärztlichen Funktionsdiagnostik und -therapie können im Verlauf der zahnmedizinischen Ausbildung aufgrund des Zeitmangels und der ungünstigen Betreuungsrelation zwischen Lehrpersonal und Studierenden vielfach nur sporadisch erläutert und demonstriert werden. Die approbierte Zahnärztin und der approbierte Zahnarzt sind folglich aufgefordert, Wissensdefi zite auf allen Teilgebieten der Zahnheilkunde durch gezielte und kontinuierliche Fortbildung zu kompensieren. So ist es die primäre Aufgabe des vorliegenden Atlas, dem geneigten Leser in Bildsequenzen und ergänzenden Textpassagen detaillierte Kenntni sse insbesondere auf dem Gebiet der zahnärztlichen Funktionsdiagnostik zu vermitteln. Die therapeutischen Aspekte werden hier nur prinzipiell abgehandelt. Die diagnosebezogene Therapie wird Inhalt eines gesonderten Buches sein.
Die in diesem Atlas ausführlich beschriebene Methode der klini schen Funktionsanalyse beruht im wesentlichen auf orthopädischen Untersuchungstechniken, die bereits von Cyriax, Maitland, Mennell , Kalternborn , Wolff und Frisch beschrieben wurden. Hansson und Mitarbeiter propagierten diese Techniken Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre erstmals auch für das Kiefergelenk. In Zusammenarbeit mit dem Physiotherapeuten G. Groot Landeweer wurden diese Erkenntnisse Ende der 80er Jahre aufgegriffen und konsequent zu einem praxisgerechten Untersuchungskonzept weiterentwickelt. Da sich das klini sche Vorgehen grundlegend von der klass ischen Funktionsanalyse unterscheidet, wurde der Terminus "manuelle Funktionsanalyse" eingeführt.
Ziel der manue llen Funktionsanalyse ist die Überprüfung des Adaptationsgrades von Gewebestrukturen und der Nachweis möglicher Belastungsvektoren . Dies ist allein durch instrumentelle Methoden nicht möglich. Die sog. in-
strumenteIle Funktionsanalyse (z. B. Okklusionsanalyse an montierten Modellen, Axiographie) ist jedoch hilfre ich, um unterschiedliche Einflüsse wie Malokklusion, Bruxi smus und Dysfunktion aufzudecken . Somit lassen sich klini sche und instrumentelle Teilbereiche der Funktionsdiagnostik zu einem sinnvollen Ganzen ergänzen.
Die gerade in den letzten Jahren hinsichtlich des Ätiologiemodells zunehmend kontrovers geführte Diskuss ion "Okklusion versus Psyche" führte zu einer starken Polarisierung der Lehrmeinungen. Sie erscheint aber gerade aus der Sicht des Praktikers wenig sinnvoll , geht es doch im konkreten Patientenfall um eine individuelle Ursachenfahndung, in der natürlich auch okklusale und psychische Faktoren einbezogen sind. Im Rahmen einer kausalen Funktionstherapie ist zu berücksichtigen, daß die Beseitigung okklusaler Störungen zwar eine Reduktion potentieller Ei nflüsse darstellen kann , aber nicht zwingend zur Beschwerdefreiheit führen muß, da weitere Kausalfaktoren außerhalb unseres Arbeitsbereiches liegen können . Einige Leser mögen kriti sch anmerken, das di e Kapitel "Modell montage und Okklusionsanalyse" sowie " I nstrumentelle Bewegungsanalyse" nicht die Vie lfalt der derzeit beworbenen Artikulator- und Registriersysteme widerspiegeln. Wir hielten es allerdings aus didakti schen Gründen für sinnvoll , die in diesen Kapiteln erläuterten Arbeitsschritte am Beispiel eines seit Jahren auf dem Markt etablierten Artikulator- und Regi striersystems zu dokumentieren. Dies ist nicht als Wertung zu interpretieren. Prinzipiell eignen sich auch andere präzis verarbeitete Systeme zur Aufzeichnung und Simulation von Unterkieferbewegungen.
Auch wenn im Text des vorliegenden Bandes zumeist von dem "Behandler", "dem Untersucher" oder "dem Patienten" die Rede ist, beziehen sich die Aussagen natürlich auch auf das weibliche Geschlecht. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde aber auf Wortkonstruktionen wie "der/die Behandler/Behandlerin" oder "der/di e Pat ient/Patientin" verzichtet.
Boston, im Juli 1999
Axel Bumann Ulrich Lotzmann
Dank
Herrn Phys iotherapeut Gert Groot Landeweer g ilt unser ganz besonderer Dank für di e jahre lange freundschaftli che und fruchtbare Zusammenarbeit. Vor seinem Aussche iden aus dem Autorenteam hat er du rc h zahlre iche instrukti ve Fachdi skuss ionen di esen Atl as inhaltli ch mitgeprägt.
Weiterhin sind wir der Radiolog ischen Gemeinschaftsprax is Prüner Gang, Ki el, und hi er insbesondere Herrn Dr. J . Hezel und Frau Dr. C. Schröder, für di e ausgezeichnete zehnjährige Kooperation und ihre freundli che Unterstützung be i der Anfe rtigung von Sonderaufnahmen außerha lb der klini schen Routine zu Dank verpfli chtet. Nahezu alle in diesem Atl as geze igten MRT-Aufnahmen stammen aus dieser Prax is.
Den Herren Prof. Dr. Dr. B. Hoffmeister, Berlin , und Dr. Dr. B. Fleiner, Augsburg, danken wir für di e j ahrelange enge Zusammenarbe it be i den Narkoseuntersuchungen und allen operati v behandelten Pati enten.
Dem Department of Growth and Development (Head: Prof. Dr. L. Will) der Harvard School of Dental Medicine und dem Department of Orthoped ic Surgery (Head: Prof. Dr. T. Einhorn ) mit dem Laboratory of M usculoskeletal Research (Director: Prof. Dr. L. C. Gerstenfe ld ) der Boston Uni versity School of Medic ine se i für ihre verständni svoll e Unterstützung gedankt.
Herr Diplom-Graphiker Adri an Corn fo rd hat be i der U msetzung unserer, zum Teil vagen Ski zzen in instrukti ve Ze ichnungen sein fac hli ches Können gezeigt. Dafür sei ihm gedankt.
Unser Dank gebührt auch Frau Dr. Sandra Winter-Buerke, die als "Patientin" in der Bilddokumentation zur manuellen Funktionsanalyse ganze "Blitzlichtgewitter" über sich ergehen lassen mußte . Sie hat die zu m Teil sehr langwieri gen Fotoarbeiten mit bewundernswerter Geduld ertragen.
VII
Dank auch an Frau Zahnärztin Kat j a Kraft, Frau Nicole Schaal und Frau Sandra Dersch für ihre Hilfestellung bei den Fotoarbe iten zu den Kapiteln "Instrumentelle Bewegungsanalyse" sowie "Modell montage und Okklusionsana lyse".
Weiterhin möchten wir uns bei Frau Dr. K. Wiemer und Herrn A. Rathj en für ihre Unterstützung bei der Abbildungsarchi vierung und der interkontinentalen Datenübertragung bedanken.
Den Zahntechnikern Frau N. Kirbudak, Herrn U. Schmidt und Herrn G . Böckler danken wir für die zahlreichen zahntechni schen Vorarbe iten.
Den Firmen Elscint (General Electri cs), Girrbach, KaVo und SAM danken wir für d ie materie lle Unterstützung während der Erste llung di eses Buches.
Unseren Studenten und Seminarteilnehmern danken Wlr für ihre kriti schen Kommentare, Anregungen und Di skussionen. Diese konstrukti ven Ause inandersetzungen waren uns für den didakti schen Aufbau dieses Werkes eine wesentli che Hil fe.
Abschließend möchten wir insbesondere den Herren Dr. Chri sti an Urbanowicz, Karl -Heinz Fleischmann und Markus Pohlmann sowie a lle n weiteren an diesem Buchprojekt bete ili gten Mitarbe iterinnen und Mitarbe itern des Georg Thieme Verlages, der Reproanstalt, der Druckerei und Buchbinderei für ihr Engagement und ihre Profess ionalität bei der Gestaltung und Ferti gste llung des vorliegenden Bandes herzli ch danken.
Herrn Dr. Urbanowicz ist es letztli ch ge lungen, die Autoren mit sanftem, aber steti gem Druck zu "überzeugen", den Atl as doch noch in di esem Jahrhundert fertigzustellen.
VIII
Inha Itsverzeichn is
VI Vorwort VII Dank VIII Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 53 Manuelle Funktionsanalyse 2 Das Kausystem als biologisches System 54 Das Kausystem als biologisches System 3 Progressive/regressive Adaptation 55 Spezifische und unspezifische Belastungsvektoren
und Kompensation/Dekompensation 56 Befundbogen zur manuellen Funktionsanalyse 4 Funktionsd iagnostischer Untersuchungsgang ... 58 Anamnese 5 ... und therapeutische Konsequenzen 60 Lagerung des Patienten 6 Aufgabe der Zahnmedizin bei Kopf- 61 Manuelle Fixation des Kopfes
und Gesichtsschmerzen 62 Aktive Bewegungen und passive Mundöffnung mit Endgefühl
67 Differentialdiagnostik der Bewegungseinschränkungen 7 Zahnärztliche Primärdiagnostik 68 Untersuchung der Gelenkflächen 8 Zahn- und Schleimhautbefund 70 Darstellung der Gelenkflächenveränderungen
10 Übersicht zahnärztlicher Untersuchungstechniken 72 Klinische Durchführung der Gelenkflächenüberp rüfung 74 Untersuchung der Gelenkkapsel und Bänder 78 Klinische Bedeutung der Kompress ionen
11 Anatomie des Kausystems in kranialer Richtung 12 Embryologie des Kiefergelenkes und der Kaumuskulatur 84 Untersuchung der Kaumuskulatur 14 Entwicklung der oberen und unteren Gelenkkammer 89 Palpation der Kaumuskulatur bei schmerzhafter 16 Fossa glenoidalis und Protuberantia articularis isometrischer Anspannung 18 Condylus mandibulae 94 Schmerzübertragungsgebiete der Kaumuskulatur 20 Lagebeziehung der knöchernen Strukturen 96 Länge der suprahyoidalen Strukturen 22 Discus articularis 98 Untersuchung der Knackgeräusche 23 Anatomische Diskusposition 102 Aktive Bewegungen und dynamische Kompression 24 Bilaminäre Zone 104 Dynamische Translationen 26 Gelenkkapsel 106 Dynamische Kompression bei inkursiver Bewegung 28 Ligamente des Kausystems 108 Differenzierung der Gruppen 31 Arterielle Versorgung und sensible Innervation 110 Differenzierung innerhalb der Gruppe 1
des Kiefergelenkes 112 Differenzierung innerhalb der Gruppe 2 32 Sympathische Innervation des Kiefergelenkes 114 Differenzierung zwischen instabiler, indifferenter 33 Kaumuskulatur und stabiler Reposition 34 Muscu lus temporalis 116 Differenzierung innerhalb der Gruppe 3 35 Musculus masseter 118 Differenzierung innerhalb der Gruppe 4 36 Musculus pterygoideus medialis 120 Diagnostisches Gesamtkonzept und ... 37 Suprahyoidale Muskulatur 121 ... Therapieentscheidung bei anteriorer Diskus-38 Musculus pterygoideus lateralis verlagerung 40 Makroskopisch-anatomischer und histologischer Ansatz 122 Gewebespezifische Diagnose
der Kaumuskulatur 122 - Prinzip der manuellen Funktionsanalyse 41 Kraftvektoren der Kaumuskulatur 122 - Protokoll bei Schmerzen 42 Zungenmusku latur 123 - Protokoll bei Bewegungseinschränkungen 43 Mimische Muskulatur 123 - Protokoll bei Knackgeräuschen 44 Kiefergelenk und Bewegungsapparat 123 - Routineprotokoll 45 Periphere und zentra le Steuerung des Muskeltonus 123 - Haupt- und Nebendiagnosen 46 Physiologie der Mundöffnungsbewegung 124 Untersuchung der kausalen Faktoren (Einflüsse) 47 Physiologie der Mundschließbewegung 125 Neuromuskuläre Deprogrammierung 48 Bewegungsphysiologie in der Horizontalebene 126 Unterkiefer- und Kondyluspositionen 49 Zähne und parodontale Rezeptoren 128 Statische Okklusion 50 Kondylenpositionen 130 Dynamische Okklusion 51 Statische Okklusion 132 Bruxismus- und Parafunktionsvektor 52 Dynamische Okklusion 134 Dysfunktionelle Bewegungen
135 Einfluß orthopädischer Störungen auf das Kausystem 136 Ergänzende Diagnostik
Inhaltsverzeichnis IX
136 - Montierte Modelle, Axiographie 181 Totale Diskusverlagerung mit partieller Reposition 137 - Panoramaschichtaufnahme 182 Kondylushypermobilität 137 - Seitliches Fernröntgenbild 183 Posteriore Diskusverlagerung 137 - Gelenkvibrationsanalyse (JVA) 184 Diskusverlagerung bei exkursiver Unterkieferbewegung 138 Muskuloskettale Hindernisse in therapeutischer Richtung 185 Regressive Adaptation knöcherner Kiefergelenkstrukturen 140 Manuelle Funktionsanalyse beim anamnestisch 186 Progressive Adaptation knöcherner Kiefergelenk-
symptom losen Patienten strukturen 188 Beurteilung adaptiver Veränderungen: MRT versus CT 189 Avaskuläre Nekrose versus Osteoarthrose
141 Bildgebende Verfahren 190 Metrische (quantitative) MRT-Analyse 142 Panoramaschichtaufnahme 192 Fallbeispiele zur metrischen MRT-Analyse nach Bumann 144 Kiefergelenkdarstellung mit Panoramaschichtaufnahme- 194 MRT für kieferorthopädische Fragestellungen
geräten 195 3D-Darstellung mit MRT-Daten 146 Asymmetrie-Index 196 Dynam ische Mag netresonanztomog raph ie 147 Verzerrungsphänomene 196 - CINE-Technik 148 Transkraniale exzentrische Schädelaufnahme 197 - MOVIE-Technik
(Schüller-Aufnahme) 198 MR-Mikroskopie und MR-Spektroskopie 149 Axiale Schädelaufnahme nach Hirtz und konventionelle 199 Indikation bildgebender Verfahren im Rahmen
Tomographien der Funktionsdiagnostik 150 Okzipitofrontale Schädelaufnahme nach Clementschitsch 200 Zukunftsperspektiven bildgebender Verfahren 151 Seitliches Fernröntgenbild 152 Computertomographie des Kiefergelenkes 153 Computertomographie des Kiefergelenkes 201 Modellmontage und Okklusionsanalyse
und anatomisches Korrelat 202 Abformung und Modellherstellung 154 3D-Darstellung der Kiefergelenke ... 205 Herstellung von Sägeschnittmodellen 155 ... mit Hilfe von Computertomographiedaten 206 Zentrische Kieferrelationsbestimmung (Zentrikregistrat) 156 3D-Rekonstruktion bei Syndromen 207 Registriertechniken zum Einstellen der zentrischen 157 Polyurethanschaum- und Stereolithographiemodelle Kondylenposition 158 Mag netresonanztomog raph ie 208 Transkutane Nervenstimulation zur Muskelrelaxation -159 T1-, T2- und Protonendichtegewichtung "Myozentrik" 160 Wahl der Schichtführung 210 Interokklusale Registriermaterialien 161 Praxisgerechter Ausdruck der MRT-Schichten 211 Zentrikregistrat beim Vollbezahnten 162 Detailwiedergabe anatomischer Strukturen im MRT 212 Okklusionsschiene als Registratträger 164 Visuelle (qualitative) Beurteilung eines MRT 214 Zentrikregistrat bei verkürzter Zahnreihe 165 Stadieneinteilung knöcherner Veränderungen 215 Relationsbestimmung bei Zahnlosen 166 Diskusposition in der Sagittalebene 216 Schädelbezügliche und kiefergelenkgerechte Modell-167 Diskusposition in der Frontalebene montage 168 Fehlinterpretation der Diskusposition 217 Anlegen des anatomischen Transferbogens
in der Sagittalebene 220 Montage des Oberkiefermodells mit anatomischem 169 Morphologie der Pars posterior Transferbogen 170 Progressive Adaptation der bilaminären Zone 222 Montage des Oberkiefermodells mit Transferständer 171 Progressive Adaptation in T1- und T2-Gewichtung 223 Montage des Oberkiefermodells nach Axiographie 172 Diskusadhäsionen im Magnetresonanztomogramm 226 Montage des Unterkiefermodells 173 Diskushypermobi I ität 228 Axiosplit-System 174 Partielle Diskusverlagerung 230 Splitcast-Kontrolle der Modellmontage 175 Totale Diskusverlagerung 231 Checkbisse zur Einstellung der Artikulatorgelenke 175 Arten der Diskusreposition 232 Einfluß von Scharnierachsenlage und Registratdicke 177 Diskusverlagerung ohne Reposition auf die Okklusion 178 Partielle Diskusverlagerung mit totaler Reposition 233 Okklusionsanalyse an Modellen 179 Partielle Diskusverlagerung mit partieller Reposition 236 Okklusionsanalyse mit Hilfe von Sägeschnittmodellen 180 Totale Diskusverlagerung mit totaler Reposition 239 Diagnostisches Einschleifen der Modellokklusion
X Inhaltsverzeichnis
242 Diagnostisches Setup 243 Diagnostisches Aufwachsen 246 Kondylenpositionsanalyse an hand montierter Modelle
248 Instrumentelle Bewegungsanalyse 250 Mechanische Registrierung der Scharnierachsen
bewegungen (Axiographie) 261 Auswerten der Axiographien und Programmieren
der Artiku latorgelenke 262 Scharnierachsenspuren (Axiogramme) als Projektions
phänomene 263 Einfluß einer fehlerhaft bestimmten Scharnierachse
auf die Axiogramme 264 Elektronische, paraokklusale Axiographie
269 Diagnosen und Klassifikationen 270 Klassifikation primärer Gelenkerkrankungen 271 Klassifikation sekundärer Gelenkerkrankungen 272 Hyperplasie, Hypoplasie und Aplasie des Processus
condylaris 273 Hyperplasie des Processus coronoideus 274 Angeborene Fehlbildungen und Syndrome 275 Akute Arthritis 276 Rheumatoide Arthritis 277 Juvenile chronische Arthritis 278 Freie Gelenkkörper 279 Styloid- oder Eagle-Syndrom 280 Kollum- und Kapitulumfrakturen 281 Diskusverlagerungen bei Kollumfrakturen 282 Fibröse und knöcherne Ankylose 283 Tumoren im Bereich der Kiefergelenke 284 Arthrogene Läsionen - Gelenkflächen 286 Arthrogene Läsionen - Discus articularis 287 Arthrogene Läsionen - bilaminäre Zone
und Gelenkkapsel 295 Arthrogene Läsionen - Bänder 297 Myogene Läsionen
301 Therapieprinzipien 302 Spezifische oder unspezifische Therapie 303 Unspezifische Therapie 304 Beseitigung muskuloskelettaler Hindernisse 306 Okklusionsschienen 308 Schienenkorrektur zur vertikalen Disklusion und dorsa len
Protektion 309 Gelenkflächenbelastung in Abhäng igkeit
vom Okklusionskonzept 310 Relaxationssch iene 311 Stabilisationsschiene 312 Dekompressionsschiene 313 Repositionsschiene 314 Vertikalisationsschiene 316 Zur definitiven Veränderung der dynamischen Okklusion 318 Definitive Veränderung der statischen Okklusion 322 Untersuchungsmethoden und therapeutische
Konsequenzen
323 Bildernachweis
324 Literaturverzeichnis
354 Sachverzeichnis
1
Einführung
Die zahnärztliche Funktionsdiagnostik ermittelt den funktionellen Zustand der Strukturen des Kausystems. Bei funktionsgestärten Patienten dient sie der Erhebung einer spezifischen Diagnose, bei j edem (auch bei vermeintlich nicht funktionsgestörten) Patienten, die vor einer zahnärztlichen oder kieferorthopädischen Behandlung stehen, ist sie medizini sch und forensisch erforderlich.
Zwischen konventionell erhobenen klini schen Befunden (Überprüfung akti ver Bewegungen und Muskelpalpation) und vom Patienten angegebenen Beschwerden sind häufig keine Zusammenhänge feststellbar. Deshalb haben sich in den letzten 15 Jahren spezifi sche manuelle Untersuchungsmethoden für das Kausystem durchgesetzt. Im Mittelpunkt stehen der sog. Belastungsvektor sowie anerkannte Kenntni sse der Adaptation und Kompensation biologischer Systeme. Eine kausale Therapie ist nur dann indiziert, wenn der Behandler weiß, welche Strukturen geschädigt sind (Belastungsvektor) und welche Ursache dies hat (Einflüsse).
I Prothetik r-I Zahnerhaltung ~ I Chirurgie ~
~
I KFO r I Parodontologie r I Haltung und Bewegung ~
~ ZMK-Krankheiten und Traumata
H Idiopathische Faktoren r H AligemeinerkrankUngen I
-1 Psychosomatische Erkrankungen I
--1 Psychosoziale Faktoren I
rl Veränderung der Zahnsteilung I
H Abrasionen I
H Parodontale Läsionen I
Veränderung ~ Dyskinesien I der Okklusion .. ~ Tonusveränderungen I
--1 Koordinationsstörungen I Veränderte
I neuromuskuläre f+ H Läsionen der Gelenk-Programmierung flächen
/' H Kapsulitiden I
11 ~ Kapselschrumpfungen I Veränderung endogener und
~ Muskelverkürzungen I exogener Faktoren
~ Myofasziale Schmerzen I
LI Veränderungen der Körperhaltung I
-------- -- ---- ~
1 Mögliche Ursachen und Folgen einer veränderten Okklusion Idiopathische oder iatrogene Veränderungen der statischen oder dynamischen Okklusion können die neuromusku läre Prog rammierung , und auf diesem Weg auch andere Strukturen des Kausystems beein flussen. Die gleichen Mechanismen können jedoch auch über endogene oder andere exogene Faktoren ausgelöst werden. Im Rahmen einer klinischen Untersuchung wi rd in der Regel den in der rechten Spalte aufgeführten Veränderungen besondere Beachtung geschenkt. Für eine kausale Therapie ist es aber auch erforderlich , die spezif ischen Ursachen der ve ränderten neuromuskulären Programmierung zu erfassen. Ein differenziertes Untersuchungsprotoko ll könnte somit die seit langem oberflächlich geführte, philosophische Diskussion über die Ursachen von Funktionsstörungen im Kausystem ("Okklusion versus Psyche") zugunsten einer individuellen Patien tenbetrachtung ablösen.
2 Einführung
Das Kausystem als biologisches System
Jedes biologische System, von der Ze lle bis hin zum Organi smus, unterliegt kontinuierlich zahlreichen Einflü ssen . Es bewältigt diese mittel s zweier Mechanismen: • Adaptation als eine Reaktion des Bindegewebes, • Kompensation al s e ine muskuläre Antwort auf einen
Einfluß (Hinton u. Carl son 1997). Einflüsse einerseits und die progress ive Adaptationskapazität andererseits sorgen für einen physiologischen Gleichgewichtszustand. Überschreitet die Summe der Einflüsse pro Zeiteinheit e in indi viduell vari ables Ausmaß oder ist di e Adaptati onsfähigke it e ines Systems genere ll herab ge-
setzt, gerät das System aus dem Gleichgewicht. Dieser Zustand wird als Dekompensation oder regressive Adaptation bezeichnet (Moffet et al. 1964) und geht mit mehr oder weniger ausgeprägten klini schen Symptomen e inher . Regressive Adaptationen am Knochen lassen sich röntgenologisch darstellen (Bates et a l. 1993) , im Weichgewebe äußern sie sich durch Schmerzen. Da die Adaptationskapazität e ines Systems im wesentli chen geneti sch determiniert ist und mit zunehmendem Alter abnimmt, ist das einzige suffiziente Therapiemittel in der Funktionstherapie di e Reduktion von Einflüssen.
Einflüsse Malokklusion, Parafunktionen,
Dysfunktionen, Trauma
2 Grundlagen der Entstehung von Symptomen im Kausystem Jedes biologische System unterliegt mehr oder minder ausgeprägten Einf lüssen (die hier genannten sind nur eine Auswahl - diejeni gen, die der Zahnarzt einfach und reproduzierbar nachweisen kann). Die Einflüsse werden vom System durch prog ressive Adaptation (bindegewebige Reaktion) oder Kompensation (muskuläre Reaktion) verarbeitet. Solange ein System sich in diesem Stadium befindet, bestehen anamnestisch weder Symptome noch Zeichen einer Funktionsstörung. Erst wenn die Belastung ein bestimmtes Ausmaß überschreitet, kommt es zur regressiven Adaptation oder Dekompensation, die mit destruktiven Formveränderungen oder Schmerzen einhergeht. Erscheint ein Patient mi t Symptomen in einer Praxis, müssen einerse its massive Einflüsse vorliegen und andereseits berei ts alle Adaptations- und Kompensationsmechanismen ausgeschöpft se in.
Adaptation und/oder
Kompensation (anamnestische
Beschwerdefreiheit)
Regressive Adaptation und/oder
Dekompensation (subjektive
Beschwerden)
3 Gleichgewicht von Einflüssen und Adaptation/Kompensation Ein physio logisches bio logisches System kann mit einer Waage im Gleichgewicht verglichen werden. Den Einflüssen auf der einen Seite steht die individuelle Adaptationsund Kompensationsfähigkei t gegenüber. Da Adaptations- und Kompensationsmechanismen abgesehen von altersbedingten Reduktionen genetisch bedingt und daher annähernd konstant sind, kann dieses Gleichgewicht nur einse itig durch eine Veränderung der Einflüsse gestört werden.
Physiologische Strukturen
Individuelle Adaptations/ und \
Kompensations-
~
Symptome
/\ Adaptation
Kompensation
~
Adaptation, Kompensation, Dekompensation 3
Progressive/regressive Adaptation und Kompensation/Dekompensation
Das Patientengut einer zahnärztli chen oder kieferorthopädischen Praxis läßt sich in drei Gruppen eintei len: • "Grüne" Gruppe: Patienten mit physiologi schen oder
vollständig progressiv adaptierten Strukturen wei sen weder anamnestisch noch während einer spezifi schen klini schen Untersuchung Symptome auf.
zifi sche Untersuchungsmethoden reproduzierbar provozierbar sind , le iden an einer dekompensierten oder regress iv adaptierten Funktionsstörung.
• "Gelbe" Gruppe: Patienten mit kompensierten Funktionsstörungen sind anamnesti sch zwar beschwerdefrei ; durch spezifische Untersuchungstechniken lassen sich jedoch reproduzierbar Symptome provozieren.
Bei Jugendlichen basiert die Adaptationskapazität auf Wachstum, Modeling und Remodeling (Hinton u. Carlson 1997). Modeling (= progressive Adaptation) ist die Ausformung des Gewebes und geht mit e inem Nettozuwachs von Masse einher. Remodeling (= regressive Adaptation) geht in der Regel mit einem Nettoverlust von Masse einher. Bei Erwachsenen beruht die Adaptation in erster Linie auf Remodelingprozessen (de Bont et al. 1992). • "Rote" Gruppe: Patienten, deren Symptome durch spe-
Physiologische Strukturen
oder progressive Adaptation
Kompensation
,_.
,-
Dekompensation oder regressive Adaptation
Zahnärztliche Therapie, auch als
funktionsprophylaktische Maßnahme
Keine definitiven, in die Okklusion eingreifenden Maßnahmen, ohne weitere diagnostische Abklärung
Zahnärztliche Therapie unter Wahrung des labilen Gleichgewichtes
Kausale Funktionstherapie vor definitiver zahnärztlicher Therapie
Funktionstherapie vor definitiver zahnärztlicher Therapie
Keine okklusale Funktionstherapie bei fehlenden okklusalen Einflüssen
Symptomatische Funktionstherapie zur Überführung in einen kompensierten Zustand
J
4 Funktionszustände biologischer Systeme Vor einer zahnärztlichen oder kiefero rthopädischen Behandlung muß immer eine Funktionsanalyse erfolgen. Die zwingende Notwendigkeit ergibt sich aus der Zusammensetzung des Patientengutes: Bei Patienten mit Beschwerden (rote Gruppe) läßt sich mittels Funktionsanalyse eine spezifische Diagnose erstellen und festlegen , ob eine kausa le, symptomat ische oder keine zahnärztliche Therapie erforderlich und möglich ist. Alle anderen Patienten (grüne und gelbe Gruppe) sind anamnestisch beschwerdefrei. Erst eine spezifische Funktionsanalyse mit passiven manuellen Untersuchungstechniken führt bei den Patienten der "gelben" Gruppe zur reproduzierbaren Provokation kompensierter Symptome. Die Erkennung der "gelben" Patienten ist wegen der therapeutischen und forensischen Folgen extrem wichtig . In einer kieferorthopädischen Praxis liegt ihr Anteil zwischen 10 und 30%. Patienten mit kompensierten Funktionsstörungen sind auch in der Kieferorthopädie therapeutisch von Interesse, da Zahnbewegungen oder Verlagerungen des Unterkiefers immer mit Belastungen und daher mit zusätzlichen Einflüssen für das System einhergehen. Im Falle einer kompensierten Funktionsstörung hat der Behandler prinzipiell drei Optionen: 1. Überweisung des Patienten aufgrund der komplexen Problematik. 2. Zahnärztliche Behandlung, ohne eine Dekompensation zu provozieren; dazu müßte der Behandler jedoch den Belastungsvektor des Systems kennen. 3. Kausale Therapie mit definitiver zahnärztlicher Versorgung nach eingehender Funktionsanalyse.
4 Einführung
Funktionsdiagnostischer Untersuchungsgang ...
Ein modernes, therapieorientiertes funktionsdiagnostisches Konzept setzt sich aus drei Teilen zusammen: • Neben der Anamnese wird im I. Teil der Untersuchung
das Ausmaß der Destruktion der verschiedenen Strukturen des Kausystems erfaßt. Dieser Teil erlaubt abschließend die Aussage, ob ei n Belastungsvektor (= Überlastung ei ner oder mehrerer Strukturen in einer bestimmten Richtung) vorhanden ist.
• Im 2. Te il der therapeuti sch ausgerichteten Untersuchung geht es um die Erhebung struktureller Anpassungen (= progressiver Adaptationen). Dabei muß ge-
5 Schematische Darstellung der therapeutisch ausgerichteten Untersuchungssequenz
Anamnese
Suche nach strukturellen Läsionen
Fahnden nach den
danklich unbedingt zwischen progress iver Adaptation in belasteten Strukturen und in umgebenden Strukturen getrennt werden . Erstere sind in der Regel erwünscht und erfordern keine Therapie, während Adaptationen in umgebenden Strukturen meistens zur Verstärkung der Belastung und zu Bewegungseinschränkungen führen. Liegen Adaptationen umgebender Strukturen vor, sind diese immer in Richtung des Belastungsvektors orientiert und damit einer Therapie hinderlich. Im Rahmen der interdisziplinären Behandlung ist es Aufgabe des Physiotherapeuten, Adaptationserscheinungen in umge-
Geklagte Beschwerden und Erwartungshaltung Symptome mit Hauptsymptom Allgemeine Anamnese
Knöcherne Strukturen Zahnhartsubstanz
-Parodontien Weichgewebe
Gelenkflächen Discus articularis
'-
Gelenkkapsel Kaumuskeln
Statische und dynamische Okklusion, Parafunktionen
Für die Erstellung eines funktione ll ausgerich teten, problemorientierten Behandlungsplanes ist die Erhebung spezifischer Befunde in einer streng definierten Sequenz unabdingbare Voraussetzung. Kern unseres aktuellen, mittlerweile über 10 Jahre klinisch erprobten und bewährten Konzeptes ist die reproduzierbare Erfassung von Destruktion (= Belastungsvektor), strukturellen Anpassungen (= Adaptat ionen) und kausalen Faktoren (= Einflüssen). Für die ersten beiden Teile sind Untersuchungstechniken der manuellen Funktionsanalyse erforderlich. Derzeit gibt es keine praxisgerechte Alternative, Belastungsvektoren und Adaptationserscheinungen im Kausystem zu überprüfen. Die Einflüsse lassen sich aufgrund ihrer Vielzahl und Herkunft nur zum Teil in einer zahnärztlichen Praxis abklären. Dazu stehen dem Zahnarzt entweder die Techniken der klinischen Okklusionsanalyse oder der inst rumentellen Funktionsanalyse zur Verfügung. Letztere dient in der Funktionsdiagnostik ausschließlich der Überprüfung der Einflüsse und ist ohne die Kenntnis eines eventuell vorhandenen Belastungsvektors nicht aussagekräftig.
möglichen Kausalfaktoren Dysfunktionelle Bewegungen Trauma
Zahnhartsubstanz - Parodontien
Überprüfen struktureller Weichteilfehlfunktionen
Anpassungen Unterkieferkoordination Muskeltonus, -länge
~ und -kraft
Ggf. interdisziplinäre Kapsellänge
Diagnostik Diskuslage
Therapierichtung
Therapieplan Therapierende Disziplinen Therapiemaßnahmen und zeitliche Koordination
------------------
Funktionsdiagnostischer Untersuchungsgang und therapeutische Konsequenzen 5
... und therapeutische Konsequenzen
benden Strukturen durch manuelle Therapie und Mobilisierungsmaßnahmen zu beseitigen. Ohne bleibende Umstellung der habituellen Funktion werden physiotherapeutische Maßnahmen nicht erfolgreich sein.
• Der aus zahnmedizinischer Sicht wichtigste 3. Teil des Untersuchungsganges dient der Klärung möglicher Einflüsse. Hierbei geht es vor all em um den Nachweis kau saler Zusammenhänge zwischen einem vorhandenen Belastungsvektor und der Okklusion. Die Befunde geben Hinweis darauf, ob die stati sche oder dynamische Okklusion an der Überlastung der jewei ligen Struktur
beteiligt ist oder nicht. In der Diskussion um eine isolierte zahnärzt liche oder interdisziplinäre Therapie stehen sich zwei Kernaussagen gegenüber: Einerseits wirkt sich eine isolierte Behandlung im Kausystem auch auf den Bewegungsapparat aus (Lotzmann et al. 1989, Gole 1993), andererseits löst eine Behandlung im Bewegungsapparat auch Probleme im Kausystem (Makofsky u. Sexton 1994, Chinappi u. Getzoff 1996). Chronische Schmerzpatienten profitieren signifikant nur durch eine aufwendige , spez ifi sche interdi sziplinäre Therapie (Bumann et al. 1999).
n 1. Suche nach strukturellen Läsionen
" Was hat der Patient?"
Zahnärztliche Primärdiagnostik
Richtung der Fehlbelastung (Belastungsvektor)
• Manuelle Funktionsanalyse
• Bildgebende Verfahren Lh -
2. Überprüfen struktureller Anpassungen
I
I "Gibt es Therapiehindernisse?"
I Richtung der Hindernisse (Restriktionsvektor): Überprüfen von Innervation, Muskeltonus, Muskelkraft, Muskellänge, Kapselmobilität, Diskusverlagerung ohne Reposition
r 3. Fahnden nach möglichen Kausalfaktoren
" Warum hat der Patient das Symptom?"
Richtung möglicher Einflüsse (Einflußvektoren):
• Anamnese und Inspektion, • Klinische Okklusionsanalyse • Instrumentelle Okklusionsanalyse • Instrumentelle Funktionsanalyse
~
1
,I
1 1
I
j
I
j
6 Abklärung der Destruktion Intraorale Destruktionen werden durch die klassische zahnärztliche Primärdiagnostik erfaßt. Destruktionen der einzelnen Strukturen des Kiefergelenkes und der Kaumuskulatur lassen sich nur durch die manuelle Funktionsanalyse reproduzierbar erheben. In Einzelfällen sind zusätz lich bildgebende Verfahren erforderlich.
Links: Beispielhafte Darstellung einer klinischen Untersuchungstechnik (dorsokraniale Kompression) zur Erfassung destruktiver Veränderungen im Kausystem.
7 Abklärung der Hindernisse Die Abklärung muskuloskelettaler Hindernisse ist für die Therapieplanung sehr bedeutsam: Werden bestehende Hindernisse nicht diagnost iziert, gelangt man später oder gar nicht zum Behandlungsziel ; das Behandlungsresultat bleibt voraussichtlich nicht stabil.
Links: Histologische Darstellung einer anterioren Diskusverlagerung mit Diskusdeformation als Beispiel für ein Hindernis in anteriorer Therapierichtung.
8 Abklärung der Einflüsse Sie dient der Suche nach den Ursachen, warum das Symptom entstanden ist. Aus zahnärztlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die Okklusion in irgendeiner Art und Weise am Symptom bzw. Belastungsvektor beteiligt ist (vgl. S. 124ft). Sollte dies nich t der Fall sein , kann man dem betreffenden Patienten nicht durch okklusale Veränderungen helfen.
Links: Beispielhafte Darstellung für die Diagnostik eines statischen Okklusalvektors (vgl. S. 128) im Mandibu lar-Positions-Indikator.
6 Einführung
Aufgabe der Zahnmedizin bei Kopf- und Gesichtsschmerzen
Die Rolle der Zahnmedizin in der Diagnostik und Therapie von Kopf- und Gesichtsschmerzen ist durch die polarisierende Di skussion in den letzten 10 Jahren statt klarer zunehmend undurchsichtiger geworden. In der akademischen Debatte bezüglich der Ätiologie - überwiegend psychologische versus überwiegend okklusalen Fakto!en - wurde der Praktiker mit seinem Problem der Patientenbehandlung vernachlässigt. Das Argument der multikausalen Genese wurde eher zum Anlaß genommen, dieses Ursachenbündel als undifferenzierbar zu akzeptieren als durch spezifische Prüfung der Einzelfaktoren zumin-
9 Differentialdiagnostik von Kopf- und Gesichtsschmerzen Modifiziertes Schema einer Schmerzklassifikation nach Bell (1990) und nach Okeson (1995). Die farbige Unterlegung der einzelnen Diagnosen deutet an, weiche Erkrankungen sich zahnmedizinisch ausschließen lassen und welche die Einbeziehung anderer Diszip linen zur Diagnostik oder zum definitiven Aussch luß erforderlich machen . Zusätzlich wurde farblieh kodiert, welche Diagnosen durch welche Schritte im zahnärztlichen Untersuchungsgang erhoben werden können. Wie die Übersicht verdeutlicht, deckt die Zahnmedizin einen nicht unbedeutenden Teil der Differentialdiagnostik der Kopf- und Gesichtsschmerzen ab. Im Umkehrschluß bedeutet dies jedoch nicht, daß die Zahnmedizin bei jeder Behandlung von Kopf- und Gesichtsschmerzen die federführende Diszip lin ist. So gibt es beispielsweise Bereiche, in denen der Zahnarzt weder primär kausaltherapeutisch noch sekundär interdisziplinär unterstützend eingreifen kann. Die gewebespezifische Diagnostik und die Erhebung eines Belastungsvektors haben primär zum Zie l, zwischen zahnärztlich therapierbaren und zahnärztlich nicht therapierbaren Diagnosen zu differenzie ren. Ob diese Diagnosen dann durch eine zahnmedizin ische Disziplin allein oder zwingend interdisziplinär zu behandeln sind, wird erst in zweiter Instanz entschieden.
Dauerhafter ~ Schmerz ['-'
Neuropathischer Schmerz
Episodischer Schmerz
Oberflächlicher L------l Schmerz
dest eine gewisse Entwirrung zu bewerkstelligen. Wir meinen, jeder Patient mit Kopf- und Gesichtsschmerzen soll te einem Zahnarzt vorgestellt werden , um abzuk lären , ob • die Symptome von einer Struktur im Kausystem (= Be
lastungsvektor) stammen • der Belastungsvektor okklusal bedingt ist • eine Reduktion des okklusal bedingten Anteils am
Gesamtbelastungsvektor mit einem verhältni smäßigen Aufwand möglich ist
• eine symptomati sche Therapie in der zahnärztlichen Praxi s sinnvoll ist.
Sympathisch unterhaltener Schmerz
Deafferentierungsschmerz
Neuritischer Schmerz
Paroxysmaler neuralgischer Schmerz
Viszeraler Schmerz
Mukogingivaler Schmerz
Kutaner Schmerz
Traumatische Neuralgie
Atypischer Zahnschmerz
Postherpetische Neuralgie
Herpes Zoster
Periphere Neuritis
Neurovaskulärer Schmerz
Vaskulärer Schmerz
Glandulärer, okulärer und aurikulärer Schmerz
Pulpaler Schmerz
Viszeraler Schleimhautschmerz
Parodontaler Schmerz
Bindegewebsschmerz
Ossärer und periostaler Schmerz
Kiefergelenkschmerz
Muskelschmerz
Migräne mit Aura
Migräne ohne Au ra
ClusterKopfschmerz
Paroxysmaler Halbseitenkopfschmerz
Neurovaskuläre Varianten
Arteriitischer Schmerz
Karotidodynie
Gelenkflächenschmerz
Retrodiskaler Schmerz
Kapsulärer Schmerz
Ligamentärer Schmerz
Athritischer Schmerz
Myofaszialer Schmerz
Myositis
D Zahnärztliche Primärdiagnostik
D Manuelle Funktionsanalyse
D Andere Disziplinen
Muskelspasmus
Muskelvel1<Qrzung