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02/2004 b fachbereich 13, besondere dienstleistungen b die besonderen Seiten 2 bis 6 Beiträge zur Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn Arbeit darf nicht arm machen Inhalt Seite 7 Einseitig ausgerichtet EU-Richtlinienentwurf zu Dienstleistungen Charta für Callcenter Weltweite Mindestnormen festgelegt Seite 8 Verbraucherschutz in Not Betriebsräte diskutieren über Arbeitsplätze und tarifliche Standards Einmaliges Tarifwerk Beim Technischen Überwachungsverein Nord Seite 9 Beschäftigte sollen das Risiko tragen Arbeitgeber der Touristikbranche gehen auf Konfrontation Seite 10 Türen auf nach Polen und Tschechien Wach- und Sicherheitsunternehmen im Grenzgebiet Seite 11 Lernen mit ver.di macht Spaß Interview mit Olaf Dierker, Geschäftsführer der Fachschule ver.di in Bremen

Arbeit darf nicht arm machen - bawue.verdi.de · Die Bürger/inneninitiative gegen Billiglohn – für Gleichbehandlung wurde im Oktober 2002 in Erfurt gegründet und hat das Ziel,

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Seiten 2 bis 6€

Beiträge zur Diskuss ion um einen gesetzl ichen Mindest lohn

Arbeit darf nichtarm machen

■ Inhalt

Seite 7Einseitig ausgerichtetEU-Richtlinienentwurf zu Dienstleistungen

Charta für CallcenterWeltweite Mindestnormen festgelegt

Seite 8Verbraucherschutz in NotBetriebsräte diskutieren über Arbeitsplätze und tarifliche Standards

Einmaliges TarifwerkBeim Technischen Überwachungsverein Nord

Seite 9Beschäftigte sollen das Risiko tragenArbeitgeber der Touristikbranche gehen auf Konfrontation

Seite 10Türen auf nach Polen und TschechienWach- und Sicherheitsunternehmen im Grenzgebiet

Seite 11Lernen mit ver.di macht SpaßInterview mit Olaf Dierker, Geschäftsführer der Fachschule ver.di in Bremen

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Mehr als vier Millionen Menschen sind ar-beitslos. Mehr als 500000 Jugendliche fin-

den keinen Einsteig in das Berufsleben. VieleKindergärten, Schulen und Hochschulen sind in einem miserablen Zustand. Die Wirtschaftkommt nicht in Schwung. Knapp ein Prozentder Haushalte verfügt insgesamt über mehr als 25 Prozent des Geldvermögens. Mehr als 50 Prozent der Haushalte dagegen kaum übermehr als fünf Prozent. Die unsozialen Gräben in der Gesellschaft werden tiefer. ver.di sagt derBundesregierung und der Opposition: So kannes nicht weitergehen. Wir müssen gegensteu-ern. ver.di ruft auf zu einer Initiative für eine so-ziale Reformpolitik und fordert alle auf, dieseInitiative zu unterstützen.Wir brauchen mehr umweltverträgliches Wachs-tum, mehr Beschäftigung, mehr Chancen-gleichheit und mehr sozialen Zusammenhalt.Sozialabbau und Abbau von Arbeitnehmer-rechten sind der falsche Weg. Sie führen zumehr sozialer Ungerechtigkeit und verschärfendie wirtschaftlichen Probleme, statt sie zu lösen. Alternativen zur Politik von Rot-Grün, aber auchzu den Kahlschlagkonzepten von Schwarz-Gelbsind machbar und überfällig. Deshalb unterstützt die ver.di-Initiative für einesoziale Reformpolitik.

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Unsoziale Gräben werden tieferVER.DI-INITIATIVE FÜR EINE BESSERE REFORMPOLITIK

Wir fordern:

Ein gerechtes, einfaches und ergiebigeres Steuer-system mit einer Vermögen- und Erbschaft-steuer, das große Vermögen angemessen an derFinanzierung unseres Gemeinwesens insbeson-dere der Bildungsinvestitionen beteiligt.

■ Eine soziale Bürgerversicherung statt Praxisge-bühr und Zuzahlungen: Wer mehr verdient, sollhöhere Beiträge zahlen. Der Arbeitgeber betei-ligt sich und zahlt die Hälfte.

■ Einkommen, die zum Leben reichen stattNiedriglöhne, verschärfte Zumutbarkeitsregelun-gen und Leistungskürzungen für Arbeitslose!

■ Auskömmliche Renten in einer solidarischen ge-setzlichen Alterssicherung statt Rentenkürzungen.

■ Mehr Investitionen und soziale Chancen-gleichheit bei Bildung und Ausbildung.

■ Mehr Arbeitsplätze durch öffentliche Investi-tionsprogramme statt immer weniger Arbeits-plätze wegen längerer Arbeitszeiten. Unterschriftenlisten erhaltet Ihr in den Bezirks-geschäftsstellen. Elektronisch könnt Ihr unterwww.soziale-reformpolitik.de unterschreiben.

NETZWERK GEGEN BILLIGLOHN IN ERFURT

Das Bürger/innen-Netzwerk „Gegen Bil-liglohn – für Gleichbehandlung“ in Erfurt,an dem ver.di maßgeblich beteiligt ist,wollte im Juni die „Goldene Nase“ anUnternehmen überreichen, die sich „aus-zeichnen“ durch miserable Arbeitsbedin-gungen und ausbeuterische Verhältnisse,die eher im vorletzten Jahrhundert gangund gäbe waren.Während ein Unternehmen nach Bekanntwer-den der ersten Auswahl der Initiative zusagte,die Missstände abzuschaffen, wurde die ande-re ausgewählte Firma aufgrund krasser undmenschenverachtender Behandlung der Be-schäftigten zwar bekannt gegeben, aber nichtmit der „Goldenen Nase“ beehrt.

„Goldene Nase“ für anrüchige Firmen

Nähere Informationen unter: http://gegenbilliglohn.deDie Bürger/inneninitiative gegen Billiglohn – fürGleichbehandlung wurde im Oktober 2002 inErfurt gegründet und hat das Ziel, zu verhin-dern, dass ■ immer mehr Menschen trotz Arbeit in Armutgeraten, ■ Erwerbslose diskriminiert werden, ■ der Rassismus, Antisemitismus und Rechts-extremismus wächst ■ und wollen durchzusetzen, dass eine Arbeit-nehmerin/ein Arbeitnehmer mindestens 1500Euro Monatseinkommen (8,67 Euro Stunden-lohn) hat und die soziale Demontage gestopptwird.

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Starkes Interessean Betriebs-räten

Im ersten Halbjahr 2004wurden in Bremen so vie-le Betriebsräte gewähltwie im gesamten vergan-genen Jahr nicht. Be-sonders groß war dieNachfrage im ver.di-Fach-bereich Besondere Dienst-leistungen, in neugegrün-deten Betrieben der Bran-chen Wach- und Sicher-heitsgewerbe, Callcenterund anderen Dienstleis-tern. Nach Auskunft derzuständigen Fachsekretä-rin Karin Peetz fragenmittlerweile Beschäftigteselbst bei ver.di nach, wiesie in ihrem Betrieb einenBetriebsrat wählen kön-nen. Nach Informations-gesprächen und Diskus-sionen mit den Beschäf-tigten übernimmt esver.di, die Arbeitgeberüber die Einleitung derBetriebsratswahlen zu in-formieren. Besonders indiesen Branchen ist esnotwendig, Beschäftigte,die einen Betriebsratwählen wollen, vor Kün-digung und weiterenMaßnahmen des Arbeit-gebers zu schützen.

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Die niedrigsten Löhne in Deutschland

■ Beruf: Angestellter Garten-bau (ohne Ausbildung)Stundenlohn: 2,74 EuroBundesland: Sachsen■ Beruf: FrisörStundenlohn: 3,18 EuroBundesland: Thüringen■ Beruf: ErntehelferStundenlohn: 3,27 Euro (Angabe für unter 18-Jährige)Bundesland: Sachsen■ Beruf: Gartenarbeiter (ohne Ausbildung)Stundenlohn: 3,33 EuroBundesland: Thüringen■ Beruf: WachmannStundenlohn: 3,91 EuroBundesland: Sachsen-Anhalt■ Beruf: Wachmann (Nachtarbeit)Stundenlohn: 4 EuroBundesland: Mecklenburg-Vorpommern■ Beruf: Gebäude-ReinigerStundenlohn: 4,09 EuroBundesland: Sachsen■ Beruf: KosmetikerinStundenlohn: 4,22 EuroBundesland: Berlin■ Beruf: Arbeitnehmer Blumen-handel (ungelernt)Stundenlohn: 4,28 EuroBundesland: Sachsen■ Beruf: TürsteherStundenlohn: 4,66 EuroBundesland: Brandenburg■ Beruf: Kaufmännischer Ange-stellter Lederwaren (ohne Ausbil-dung)Stundenlohn: 4,91 Euro (Anga-be für unter 18-Jährige)Bundesland: Bremen, Hamburg■ Beruf: Bäckerei-Verkäuferin(ohne Ausbildung)Stundenlohn: 4,98 EuroBundesland: Brandenburg■ Beruf: Putzkraft FleischereiStundenlohn: 4,99 EuroBundesland: Sachsen-Anhalt

Zahlen aus dem Bundesministerium fürWirtschaft und Arbeit, Stand 31. Dezember2003, zusammengestellt vom DGB

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Arbeit darf nicht arm machen STELLUNGNAHME ZUR FORDERUNG NACH EINEM GESETZLICHEN MINDESTLOHN

Branchen und Unternehmen sind in denmeisten Fällen gewerkschaftsfrei undwenden keine Tarifverträge an. DieAushandlung des Arbeitsentgelts istden einzelnen Beschäftigten überlas-sen. Eine Untersuchung der Hans-Böck-ler-Stiftung fand kürzlich heraus, dass

45 Prozent der Beschäftigten in Ost-deutschland und 30 Prozent der Be-schäftigten in Westdeutschland oh-ne tarifvertraglichen Schutz sind.Weiterer Druck, um untere undmittlere Einkommen zu senken,entsteht durch die drastisch vermin-derten Einnahmen der öffentlichenHand, die als Folge weniger Mittel

für Personal in öffentlichen und mittelbar öf-fentlichen Bereichen zur Verfügung hat. Indirektwirken die verminderten Einnahmen auch aufdie öffentlichen Aufträge, die den Kostendruckweitergeben, was wiederum Auswirkungen aufdie dort gezahlten Entgelte hat.Selbst Tarifverträge bieten nicht immer Schutzvor Armutslöhnen. Bundesweit existieren 130Tarifverträge mit Vergütungen unter sechs Europro Stunde, oder unter 1000 Euro im Monat. Zu den Tarifbranchen mit diesen untersten Ver-gütungen werden besonders die der Dienst-leistungen gezählt, wie Bewachungsgewerbe,Einzelhandel, Reinigung (Gebäude- wie auchTextilreinigung). Besonders Frauen stehen vorder Armutsfalle und sind in der Regel auf einweiteres Einkommen angewiesen.Die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung,hier besonders Hartz IV haben mit den neuenZumutbarkeitsregeln den Druck auf die Löhneund Gehälter noch verschärft. Danach müssenErwerbslose nicht nur jede Arbeit annehmen,die ihnen angeboten wird, sondern auch jede,die 30 Prozent unter dem durchschnittlichenortsüblichen Entgelt liegt. Wenn zum Beispielein Angestellter im Bewachungsgewerbe in Thü-ringen einen Lohn von etwa 750 Euro (40 proStunden/Woche) erhält, bekommt ein Erwerbs-loser für die gleiche Arbeit nur noch 525 Euro.Die Frage, wie mit diesem Geld eine Familie er-

In vielen Zeitungen, Fernsehsendungenund öffentlichen Debatten wird dis-

kutiert, dass das Einführen und Aus-weiten des Niedriglohnsektors derdeutschen Wirtschaft den erhofftenAufschwung und Entspannung auf demArbeitsmarkt bringen sollen. Erfahrungenaus unserem Fachbereich BesondereDienstleistungen beweisen dagegen, dass derNiedriglohnsektor in keiner Weise dazubeiträgt, die Zahl der Arbeitslosen zu re-duzieren. Niedriglöhne führen nicht zumehr Beschäftigung. In den neuenBundesländern sinkt trotz eines gro-ßen Niedriglohnsektors die Gesamt-beschäftigung. Es gilt, den Niedrig-lohnbereich zu überwinden, nicht ihn zu etablie-ren. Bezahlte Arbeit muss für jeden Menschen,ob Frau oder Mann, gleich welcher Herkunft,die Existenz sichern. Im Tarifgeschäft fällt es uns Gewerkschaften im-mer schwerer, sinkende Löhne aufzuhalten. So-gar bisher besser zahlende, gut dastehendeBranchen wie das Reisebürogewerbe versuchen,Arbeitsbedingungen zu verschlechtern und Ge-haltsreduzierungen durchzusetzen, mit Forde-rungen nach längeren Arbeitszeiten, Urlaubsein-bußen und vielem mehr.Die zunehmende Internationalisierung der Wirt-schaft hat die Situation auf dem Arbeitsmarktund in den Unternehmen verändert. Der Druckauf Löhne und Gehälter wächst durch die Kon-kurrenz aus anderen Ländern und wird sichdurch die EU-Osterweiterung noch weiter ver-stärken. In der Bundesrepublik Deutschland wächst derDruck zur Absenkung der unteren und mittlerenEinkommen durch eine anhaltend hohe Arbeits-losigkeit und dem damit verbundenen Druck aufBeschäftigte. Aber auch die zunehmenden Unternehmens-und Betriebsveränderungen nutzen die Ausglie-derungen einzelner Geschäftsbereiche für dieTarifflucht. Dieses wiederum führt zu niedrige-ren Einkommen und zu schlechteren Arbeitsbe-dingungen. Neu entstehende Geschäftsfelder,

Dorothea Müller, Leiterindes Fachbereichs 13

Der ver.di-Report · die Besonderen Nr. 2, September 2004 Impressum

Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Fachbereich 13, Besondere Dienstleistungen,Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, v. i. S. d. P.: Frank Bsirske, Dorothea MüllerVerantwortlicher Redakteur: Dietmar Rothwange · Internet: www.verdi.de

Herstellung+Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt

Graphisches Konzept: Hansen Kommunikation GmbH · Marspfortengasse 6 · 50668 KölnLayout: Sabrina Stamm (apm AG)

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GesetzlicheMindestlöhnein den „alten“ EU-Ländern

Land Euro

Luxemburg 1369

Niederlande 1249

Belgien 1163

Frankreich 1154

Großbritannien 1105

Irland 1073

Griechenland 605

Spanien 526

Portugal 416(Quelle: Eurostat, Stand: Januar 2003)

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Entscheidend ist bei Einführung eines Mindest-lohns allerdings, wie hoch er sein wird. Eine ge-setzliche Festlegung eines allgemeinen Mindest-lohns auf der Höhe des Sozialhilfesatzes oderkurz darüber ist zu verhindern, da hier von exis-tenzsichernden Löhnen keine Rede sein kann.Ganz zu schweigen davon, dass zu einem späte-ren Zeitpunkt auch die Armut bei der Rente pro-grammiert wäre. Daher soll, nach ver.di-Mei-nung, die Höhe des Mindesteinkommens durchVollzeit-Erwerbsarbeit mindestens 1250 Euro bei einer 40-Stunden-Woche betragen.Erfahrungen unserer europäischen Nachbarn mitder gesetzlichen Einführung eines Mindestlohnssollten uns ermutigen, uns für einen solchenMindestlohn einzusetzen. Das Einführen des ge-setzlichen Mindestlohns vernichtet keine Arbeits-plätze, wie die Erfahrungen in europäischen Län-dern zeigen. Er würde im Gegenteil dazu beitra-gen, dass der Billiglohnwettbewerb unterbundenwird. ver.di könnte wieder dafür kämpfen, Löhneund die Arbeitsbedingungen in den sogenann-ten Niedriglohnbereichen zu verbessern. Der Nie-driglohnbereich würde dann endlich nach seinerwichtigen gesellschaftlichen Bedeutung bewer-tet. Sicherheits- und Haushaltsdienstleistungenbeispielsweise sind gutes Geld wert. Denn guteArbeit will nicht nur gut bezahlt werden, son-dern gute Arbeit braucht auch gute Bedingun-gen. Dafür wird sich ver.di einsetzen.

Dorothea Müller Leiterin des Fachbereichs

Besondere Dienstleistungen

nährt werden kann, ist dabei völlig offen. Diesich immer weiter drehende Spirale wird dafürsorgen, dass die Löhne bald in den Keller rut-schen werden.Dadurch geraten sogar die bisherigen Niedrig-lohnbereiche unter weiteren Druck. ver.di befürch-tet, dass so Arbeit immer billiger wird und immermehr Menschen, Familien und Kindern verarmen.

Viele Probleme erfordern viele LösungenWir brauchen, um unseren tarifvertraglichenAnspruch auf Schaffung von Wohlstand und ge-rechter Verteilung der Gewinne auch durchzu-setzen, eine Grenze nach unten. Wir brauchendie Sicherung eines ausreichenden Mindestein-kommens oberhalb des Sozialhilfesatzes. Dabeigibt es keine für alle Probleme gültige Lösung,sondern wir müssen unterschiedliche Wege ge-hen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeitser-klärung (AVE) auf weitere Branchen, würde dazuführen, dass von uns verhandelte Tarifverträgebranchenweit gelten. Behinderungen durch dieBundesvereinigung der Arbeitgeberverbände imTarifausschuss müssten ausgeschlossen werden. Eine weitere Lösung ist die Einführung eines ge-setzlichen Mindestlohns, der alle Arbeitgeberzwingt, Arbeit nicht unterhalb dieses Mindest-lohns zu bezahlen. Dieser Mindestlohn würdebesonders für noch nicht tarifgebundene Bran-chen und Bereiche wie Callcenter, aber auch fürHaushaltsdienstleistungen die unterste Grenzeeinziehen und so Dumpinglöhne verhindern.

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Fortsetzung von Seite 3

Von den 15 bisherigen Mitgliedsstaaten derEU haben neun Länder (alle außer Däne-

mark, Deutschland, Finnland, Italien, Österreichund Schweden) und von den zehn neuen Mit-gliedern ebenfalls neun einen gesetzlichen Min-destlohn. In Großbritannien und Irland sind ge-setzliche Mindestlöhne in den vergangenen fünfJahren eingeführt worden, in den anderen Län-dern besteht der Mindestlohn seit mehrerenJahrzehnten. Aus der Grafik wird deutlich, dassdie Unterschiede zwischen den einzelnen Län-dern sehr groß sind.Keinen Mindestlohn gibt es in Schweden, Däne-mark, Deutschland, Italien, Finnland und Öster-reich. Hier werden allerdings Mindeststandardsweitestgehend durch Gewerkschaften, Tarifbin-dung und Allgemeinverbindlichkeitserklärungengewährleistet.

Neun Länder mit MindestlohnGROßE UNTERSCHIEDE IN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT

So sind in Italien 90 Prozent aller Unternehmenbei einem Organisationsgrad von 35 Prozent ta-riflich gebunden, in Dänemark liegt die Tarifbin-dung bei 83 Prozent bei einem Organisations-grad von 80 bis 85 Prozent der Beschäftigten.Im viel zitierten Schweden sind ebenfalls 90 Pro-zent der Betriebe tarifgebunden und 80 Prozentder Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Die Debatte um die Einführung eines gesetz-lichen Mindestlohns in England wurde bis Mitteder 90er-Jahre sehr ideologisch geführt. DieKonservativen prognostizierten 2,5 Millionen Arbeitslose in Großbritannien, aber auch die Ge-werkschaften waren zunächst gespalten. Nachlängeren Diskussionen im gewerkschaftlichenDachverband TUC, dem die meisten der Einzel-gewerkschaften angehören, beschlossen TUCund die Labour-Regierung 1999 die Einführung

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Definition des Begriffs

■ Niedriglohn wird weitgehendunterschiedlich definiert. So wer-den die Effektiv-Verdienste beiVollzeit-Beschäftigten zwischen50 Prozent bis unter 75 Prozenteines Bruttodurchschnittsver-dienstes als prekäre Löhne; dieunter 50 Prozent liegenden alsArmutslöhne bezeichnet. Bezogenauf die Bundesrepublik Deutsch-land ergibt sich nach den Berech-nungen des WSI, dass 1997 12,1 Prozent aller Vollzeitbe-schäftigten in Westdeutschlandso genannte Armutslöhne und 23 Prozent so genannte prekäreLöhne erhalten. In Ostdeutsch-land fallen 9,5 Prozent unter dieArmutslöhne, aber 26 Prozentunter die prekären Löhne. Die sogenannt mittleren Löhne von 75bis 125 Prozent des durchschnitt-lichen Arbeitsentgelts lagen in1997 dabei in beiden Untersu-chungsgebieten bei 47 ProzentDie Entwicklung bis hin zu diesenZahlen in 1997 lässt aber vermu-ten, dass es einen weiteren Ab-stieg der mittleren Einkommen indie prekären und weiter in dieArmutslöhne geben wird (bezo-gen auf die so genannte allge-meine Lohnhierarchie)Zusammenfassend lässt sich fest-stellen, dass ein erheblicher Teil,nämlich ein Drittel aller Vollzeit-beschäftigten und ein Viertel allerganzjährig VollzeitbeschäftigtenArmuts- und prekäre Löhne er-halten. Insgesamt sind nach Be-rechnungen des WSI etwa fünfMillionen ganzjährig Vollzeit-beschäftigte in Ost- und West-deutschland dem Niedriglohn-bereich zuzurechnen. Nimmt manbefristet Vollzeitbeschäftigte mitNiedrigeinkommen noch hinzu,so steigt die Zahl auf fast achtMillionen Menschen.

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Das Thema „Mindestlohn“ ist gerade in derBranche Zeitarbeit ein großes Thema. Die

dort Beschäftigten erhalten etwa 40 Prozentweniger Lohn, als die Beschäftigten in dem Be-trieb, der sie entliehen hat. Die Gefahr besteht,dass sich immer mehr Unternehmen und Betrie-be aus dem Pool der Zeitarbeit bedienen undihre Stammbelegschaft dezimieren. Der Druck auf die Stammbelegschaft wächst.Die jüngsten Entwicklungen bei Großunterneh-men wie Siemens und Daimler sind nur die Spit-ze des Eisbergs. Die Sozial- und Arbeitsmarkt-reform veranlassen viele Arbeitgeber, den Kos-tendruck direkt an die Beschäftigten durchzu-reichen. Dies belegen einige Beispiele, wie dieDeutsche Bank in Frankfurt am Main, die ihrStammpersonal reduziert und sich Leiharbeit-nehmer/innen ins Unternehmen holt. Auch derBereich der Krankenhäuser bleibt davon nichtverschont, wie Disponenten bei Zeitarbeits-unternehmen berichten. Vermehrt kommen An-fragen nach Krankenschwestern und Kranken-pflegern. In Nordrhein-Westfalen steigt die Anzahl derLeiharbeitnehmer/innen in den Bereichen derAutomobilindustrie und bei den Automobilzulie-ferern. Anfang des Jahres wurden zum Beispielbei Ford in Köln zusätzlich 400 Leiharbeitneh-mer beschäftigt. Dies ist ein lukratives Geschäftfür Ent- und Verleiher, aber nicht für den Entlie-henen. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass nicht nurder Fachbereich Besondere Dienstleistungengefordert ist, sondern eigentlich alle ver.di-

Wenn Arbeit nicht zum Leben reicht ...MINDESTLÖHNE IN DER ZEITARBEITS-BRANCHE

Fachbereiche. Es muss uns gelingen, die Be-triebs- und Personalräte für die Leiharbeit zusensibilisieren. Es kann und darf nicht sein, dassunsere Betriebsräte Leiharbeitsunternehmen insHaus lassen, die den Dumpingtarifvertrag desChristlichen Gewerkschaftsbundes anwenden.Die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnenund Kollegen in der Zeitarbeit, in dem der Ar-beitgeber den Tarifvertrag des Christlichen Ge-werkschaftsbundes anwendet, sind katastro-phal. Helferlöhne von unter fünf Euro sind lei-der nicht die Ausnahme. Ich kann nur hoffen,dass ver.di mit der DGB-Tarifabteilung denRechtsstreit führen wird gegen den ChristlichenGewerkschaftsbund, denn dieser Tarifvertrag istdas Papier nicht wert, auf das er geschriebenworden ist. Der Mindeststandard muss der DGB-Tarifvertragsein. Allerdings werden die beiden Tarifverträgevon IGZ (Interessengemeinschaft Zeitarbeit) undBZA (Bundesverband Zeitarbeit) gerade mal von25 Prozent der Mitgliedsunternehmen eingehal-ten. Bemühungen, Betriebsräte in dieser Bran-che zu installieren, stoßen auf große Gegen-wehr der Arbeitgeber. Sobald wir Kolleginnenund Kollegen gewonnen haben, die einenWahlvorstand gründen wollen, werden diesemit Abfindung aus dem Unternehmen und ausdem Betrieb „hinausgelobt“. Die vereinbartesoziale Partnerschaft, die wir mit den DGB-Tarif-verträgen vereinbart haben, findet de factonicht statt. Die Ausnahmen sind zurzeit nur dieFirmen Randstad und START.

Thomas Wenzel

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des gesetzlichen Mindestlohns. In einer Kom-mission, in der der Arbeitgeberspitzenverband(CBI), der gewerkschaftliche Dachverband (TUC)und Wissenschaftler/innen vertreten sind, wirdseitdem über die jeweilige Höhe des Mindest-einkommens verhandelt. Können sich dieseKommissionsmitglieder nicht einigen, entschei-det die Regierung.Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnsbeendete die Unterbietungskonkurrenz bei denLöhnen und erhielt dadurch auch die Unterstüt-zung der Arbeitgeber besonders im Bereich derDienstleitungen.Inzwischen ist der gesetzliche Mindestlohn alswichtiges Mittel zum Schutz von Niedrigverdie-nern, vor allem bei fehlenden Tarifverträgen, derAusweitung eines Dienstleistungssektors und

angesichts der Migrationsprobleme anerkannt.Für die Gewerkschaften ist die jährliche Anpas-sung des gesetzlichen Mindestlohns eine He-rausforderung für weitere tarifpolitische An-strengungen. Das Angebot der Labour-Partei, einen gesetz-lichen Mindestlohn einzuführen, auf dessen Hö-he auch die Gewerkschaften Einfluss nehmenkönnen, wurde als Erfüllung eines Wahlkampf-Versprechens der Labour-Partei verstanden. Seitdem Einführen des gesetzlichen Mindestlohns inHöhe von Umgerechnet etwa 1100 Euro wurdein England aus diesem Grund nicht ein einzigerArbeitsplatz vernichtet. Der gesetzliche Mindest-lohn gilt seitdem als geeignetes Mittel zumSchutz von Geringverdienenden.

Antje Schumacher

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Allgemeinverbindlich-keitserklärung

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) eines Tarifvertrages stellt sicher, dass die vonden Gewerkschaften ausgehandelten Tarifver-träge für eine gesamte Branche gelten. Seit1991 wurden die für allgemeinverbindlich er-klärten Tarifverträge immer weniger. Sieschrumpften von 5,4 Prozent im Jahr 1991 auf2,5 Prozent im Jahr 2002. Derzeit sind nur nochwenige Tarifverträge allgemeinverbindlich. Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarif-löhnen und -gehältern sind■ Friseurhandwerk■ Wach- und Sicherheitsgewerbe■ Wäschereigewerbe■ GebäudereinigerhandwerkDie Allgemeinverbindlichkeitserklärung wird ge-meinsam mit den Arbeitgebern vereinbart undmuss von den jeweiligen Regierungen beschlos-sen werden. AVE können regional und bundes-weit für Branchen gelten.

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Warum 1250Euro Mindest-lohn?

Der ver.di-Bundeskon-gress 2003 hat als Min-desteinkommen 1500 Eu-ro als Ziel der Verhand-lungen gefordert. Dassind etwa 50 Prozent derdurchschnittlichen Ein-kommen in Deutschland.Diese Summe betrifftallerdings nur Vollzeitein-kommen mit einer 40-Stunden-Woche. Daherschätzt der ver.di-Bundes-vorstand das tatsächlichedurchschnittliche Er-werbseinkommen ein-schließlich der auf Voll-zeit umgerechneten Teil-zeit-Einkommen niedrigerein: Die so geschätzteSumme liegt bei 1250 Eu-ro. Sind aller Steuern undSozialabgaben abgezo-gen, kommt ein voraus-sichtliches Netto-Einkom-men von etwa 940 Euroheraus. Bis zu dieser Hö-he können Einkommennicht gepfändet werden.

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Untersuchungen:Vorurteile widerlegt

Die Vorurteile über Bezieher/innen von Niedrig-lohn werden von wissenschaftlichen Untersu-chungen widerlegt:■ „...die haben nichts gelernt!“Aber: 62 Prozent der Niedriglohnbezieher/innenhaben eine abgeschlossene Berufsausbildung■ ...die sind doch alt!“Aber: 65 Prozent sind unter 50 Jahre alt■ „...die sind doch nur Handlanger!“Aber: 67 Prozent üben keine einfachen Tätig-keiten ausAndere, so genannte strukturelle Faktoren sindverantwortlich für den niedrigen Lohn:■ 81 Prozent der Niedriglohnbezieher/innen ar-beiten in Kleinbetrieben mit bis zu 99 Beschäf-tigten■ 71 Prozent sind Frauen■ 63 Prozent kommen aus Dienstleistungsberei-chen und darin aus den ausgesprochenen Nied-riglohn-Berufen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Ar-beit hat herausgefunden, dass bereits in 670Berufen in Deutschland tarifvertragliche Nied-riglöhne von unter sechs Euro pro Stunde ge-zahlt werden. Eine Analyse der Tariflandschaft in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2001 hat ergeben,dass in der untersten Vergütungsgruppe dieSpanne der Tarifentgelte von monatlich 966Euro für Arbeiter in der Landwirtschaft bis zu

1827 Euro im Versicherungsgewerbe reicht. Nach bisherigen Erfahrungen und Untersu-chungen zählen erfahrungsgemäß die Land-wirtschaft, das Friseurhandwerk, das Hotel-und Gaststättengewerbe, das Bewachungs-gewerbe oder das Gebäudereinigerhandwerkzu Branchen mit Niedriglöhnen.

(Siehe Beitrag „Die niedrigsten Löhne inDeutschland“, Seite 3)

Bereits in 670 Berufen:Tarifliche Niedriglöhne

CartoonZe ichnung: F re imut Woessner

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Charta fürCallcenter

Weltweite Mindestnormenfestgelegt

Das internationale gewerkschaft-liche Netzwerk UNI hat eine Call-center-Charta ausgearbeitet, mitder Mindestnormen für die Bran-che festgelegt wird und die Call-center dazu auffordern wird, sichfür diese Prinzipien zu engagie-ren.Callcenter, die sich an die Bestim-mungen dieser Charta halten,werden namentlich auf der UNI-Website erwähnt und von UNI-Mitgliedsorganisationen wiever.di als Vorbild anerkannt. Da-mit werden sie für Kunden, Ge-schäftspartner, potenzielle Be-schäftigte, Arbeitsvermittlungs-agenturen attraktiv.Die wichtigsten Mindestnormensind:■ Sicherheitsnetz von Mindest-löhnen, -bedingungen und -leis-tungen■ Intensive Ausbildung undKompetenzerweiterung zum För-dern der Aufstiegsmöglichkeitenund der Beschäftigungsfähigkeit■ Ausreichende Personalbeset-zung und vieles mehr.Die von der internationalen Ar-beitsorganisation festgelegtenKernarbeitsnormen sind darüberhinaus einzuhalten. Sie verlangenweltweit die Vereinigungsfreiheit,das Recht zu Kollektivverhand-lungen (Tarifverhandlungen) unddas Diskriminierungsverbot.UNI ist der Auffassung, dass dieWettbewerbsvorteile der Callcen-ter, die die UNI-Callcenter-Chartaunterzeichnen, aus den Kompe-tenzen ihres Personals und ausdem professionellen Charakterihrer Tätigkeit resultieren. Dasnutzt allen und sichert Arbeits-plätze.Informationen im Internet:www.union-network.org/callcentres Antje Schumacher

gen die EU-Kommission auf, ihre einseitige Aus-richtung auf den Wettbewerb in der Dienstleis-tungsrichtlinie zu korrigieren. Die in Artikel 2und 136 des EG-Vertrages genannten sozialenZiele sind zu berücksichtigen und dementspre-chend Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ver-bessern, die Qualität der Dienstleistungen unddie Versorgung der Verbraucher/innen zu si-chern, damit die Arbeitslosigkeit verringert undder soziale Zusammenhalt in der EU gestärktwird. Der vorgelegte Entwurf der Dienstleistungsricht-linie berücksichtigt bestehende Regelungen undRichtlinien nicht, teilweise sind die Vorschlägesogar widersprüchlich. So will die EU mit einerRichtlinie zur Anerkennung beruflicher Qualifi-kationen eine EU-weite Harmonisierung anstre-ben. Die Dienstleistungsrichtlinie müsste daraufeingehen, da die gegenseitige Anerkennungvon Berufsqualifikationen weit mehr umfasst,als die grenzüberschreitende Dienstleistungs-erbringung. Oder das Thema Leiharbeit: Zum ei-nen ist die Leiharbeit von der Entsenderichtlinieerfasst. Es ist jedoch klar, dass die Entsendericht-linie Leiharbeit nicht in dem nötigen Maß regelt.Eine eigenständige europaweite Regelung istdaher nötig und sollte nicht im Dienstleistungs-entwurf mit einseitiger Ausrichtung auf Marktund Wettbewerb aufgehen.ver.di sieht also die Notwendigkeit einer voll-kommenen Überarbeitung der gesamten Richt-linie und fordert die EU-Kommission auf, ihrenbisherigen Vorschlag zurückzunehmen. Erstnach ausführlicher Konsultation der europäi-schen Sozialpartner, den Gewerkschaften, solltesie einen neuen Richtlinienvorschlag vorlegen.

Antje Schumacher

Mit einer Richtlinie möchte die EU-Kom-mission Verbesserungen für den EU-Binnenmarkt erreichen, der die EU einer-seits zu einem starken wirtschaftlichenWachstum verhelfen, andererseits auchBeschäftigung schaffen soll.

Zahlreiche Vorschläge, insbesondere zur Be-schäftigungsstrategie, wurden innerhalb der

EU bisher schon umgesetzt. Mit einer europa-weiten Richtlinie zur Regelung von Dienstleis-tungen soll deutlich gemacht werden, dass indiesem Bereich ein erhebliches Beschäftigungs-potenzial liegt, dass hier weitere Arbeitsplätzeentstehen können. Mit der so genannten „Lissabon-Strategie“ hatdie EU sich vorgenommen, Europa bis zum Jahr2010 zum „wettbewerbsfähigen, dynamischen,wissensbasierten Wirtschaftsraum“ in der Weltmit mehr und besseren Arbeitsplätzen und grö-ßerem sozialen Zusammenhalt zu entwickeln.Die Forderung nach „besseren Arbeitsplätzen“ist Teil eines zentralen Versuchs, ein neues „Eu-ropäisches Sozialmodell“ zu entwickeln. Dieses Ziel ist als Messlatte auch an die vorgeleg-te Dienstleistungsrichtlinie anzulegen. Im wesent-lichen beinhaltet der Entwurf aber lediglich steu-erliche und anmeldungsrechtliche Erleichterungenfür Unternehmen und Betriebe, die europaweitDienstleistungen anbieten wollen. Darüber hinauswird der Versuch gemacht, Geschäftsvorgängetransparent zu machen, damit die Kunden einenqualitativen Vergleich ziehen können. Kurz, es wird deutlich, dass die Kommissionwieder nur den Wettbewerbsgedanken als we-sentlich zur Vollendung des Binnenmarktes imDienstleistungsbereich sieht. ver.di fordert dage-

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Einseitig ausgerichtetEU-RICHTLINIENENTWURF ZU DIENSTLEISTUNGEN

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Die Ausgangsposition ist klar: Finanzielle Eng-pässe beim Bund, in den Ländern und

Kommunen führen oft dazu, dass die Zuschüssefür die Arbeit des Verbraucherschutzes erheb-lich gekürzt oder ganz gestrichen werden. Da die Verbraucherzentralen versuchen, ihre Be-ratungskapazitäten und ihre Vor-Ort-Präsenzaufrecht zu halten, sind die Folgen vor allemvon den Beschäftigten zu tragen: Leistungsver-dichtung durch Mehrbelastung, Arbeitsplatzab-bau durch Streichung von Teilzeitstellen und

Auslaufen von Befristun-gen, Wegfall von tarif-lichen Leistungen wie Ur-laubs- und Weihnachts-geld sowie Verlängerungder wöchentlichen Ar-beitszeit.Um diese Probleme zu er-örtern, lud ver.di die Be-triebsräte aller Verbrau-cherzentralen zu einer

Tagung am 5. und 6. Mai 2004 nach Göttingenein. 21 Betriebsräte aus 14 Verbraucherzentralendiskutierten darüber mit Walter Keppler aus demTarifsekretariat Öffentlicher Dienst und UlrichBeiderwieden, Fachgruppenleiter Parteien/Ver-bände. Außerdem war ein Diskussionspapiervon dem Arbeitskreis Betriebsräte Verbraucher-

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Verbraucherschutz in NotBETRIEBSRÄTE DISKUTIEREN ÜBER ARBEITSPLÄTZE UND TARIFLICHE STANDARDS

zentralen vorgelegt worden, das die Zukunft derVerbraucherzentralen beschreibt und Denkmo-delle einer zukünftigen Arbeit darlegt.Dazu Ulrich Beiderwieden: „Eine wichtige Säuleist die Verlässlichkeit der öffentlichen Zuschüssemit perspektivischen Planungszeiträumen undnicht mit jährlichen Hiobsbotschaften“. Darüberhinaus müssten die Verantwortlichen in den Ver-braucherzentralen überlegen, wie sie die Ein-nahmesituation verbessern können. „Nur ver-walten reicht in Zeiten der Veränderung nichtmehr aus!“Gleichzeitig sollte auf die veränderten Aus-gangssituationen in den Regionen mit neuenVorschlägen zur Zusammenarbeit oder zur Sach-arbeit reagiert werden. Die Betriebsräte mach-ten viele Vorschläge zu dem Diskussionspapier,das in den nächsten Monaten in den regionalenMitbestimmungsgremien diskutiert wird.Alle Vorschläge werden in das Papier eingear-beitet, das dann mit den Vorständen und Ge-schäftsführungen, also der Arbeitgeberseite, so-wie mit den politisch Verantwortlichen in Bundund Ländern diskutiert werden soll.Das Ziel von ver.di und den Betriebsräten istklar: Erhalt der Verbraucherschutzarbeit auf ho-hem Niveau mit gleichzeitig verbundener Ar-beitsplatzsicherheit für die Beschäftigten und tariflich abgesicherten Standards. ub

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Zuhören und diskutieren

Mit einem Überleitungstarifvertrag konntendie vielfältigen Veränderungen, die durch

die Entstehung der TÜV Nord AG auf die Be-schäftigten zukommen, in ihrem Interesse regu-liert und kontrolliert werden.Besitzstände wurdenweitestgehend gesichert, teilweise konnten Ver-besserungen erreicht werden. Mit diesem Überlei-tungstarifvertrag kann aus der Sicht von ver.di diegeplante Fusion zur TÜV Nord AG stattfinden. Im Wesentlichen wurde vereinbart, dass keinebetriebsbedingten Kündigungen erfolgen, alleArbeitsverhältnisse unverändert übernommenund alle Beschäftigungszeiten vom neuen Ar-beitgeber anerkannt werden. Versetzungenbzw. Umsetzungen bedürfen der Zustimmungder Betroffenen und müssen zumutbar sein. So sind der Erhalt der Funktion, Absicherung derVergütung, Beibehaltung der Arbeitszeit, Aus-gleich bei geänderter räumlicher Entfernung und

die Vermeidung sozialer Härten abgesichert. Be-schäftigte nach Vollendung des 55. Lebensjahresund 20jähriger Beschäftigungsdauer sind beson-ders geschützt. Zuvor vereinbarte Tarifregelungenbleiben komplett erhalten, ebenso wie Betriebs-vereinbarungen weiter gelten. Die Tarifparteienverpflichten sich zu Verhandlungen darüber, wiespezifische Tarifregelungen, besonders aus demBereich des RWTÜV, künftig eingearbeitet werdenkönnen. Dadurch sind Verbesserungen im Bereichder Tarifverträge auf Bundesebene zu erwarten,beispielsweise Regelungen zur Altersteilzeit.Dieses Ergebnis konnte gemeinsam erreicht wer-den, weil die ver.di-Tarifkommission, Mitgliedereiner starken Gewerkschaft, begleitet durchkompetente Betriebsräte und unterstützt durcheine selbstbewusste Belegschaft, gegenüber denArbeitgebern durchsetzungfähig verhandelnkonnte. Dietrich Schallehn

Einmaliges Tarifwerk BEIM TECHNISCHEN ÜBERWACHUNGSVEREIN NORD

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■ Mehr als 100 Beschäftigteaus der Touristikbranche de-monstrierten am 31. August2004 in ihrer Mittagspause inFrankfurt am Main. Dort fandenTarifverhandlungen statt. HenrySieb, der Verhandlungsführervon ver.di, informierte über denStand der Dinge (Foto rechtsoben). Die Plakate der Demon-strantinnen und Demonstrantensprachen deutlich aus, worumes ihnen ging. Viele nahmenzum ersten Mal an einer derar-tigen Veranstaltung teil undhatten dabei Spaß – auch wennes um eine ernste Sache ging.

Beschäftigte sollendas Risiko tragenARBEITGEBER DER TOURISTIKBRANCHE GEHEN AUF KONFRONTATION

Öffnungsklauseln. Würde das Forderungspaketder Arbeitgeber umgesetzt, käme es für deneinzelnen Beschäftigten im „Worst Case Fall“ zueinem Gehaltsverlust von bis zu 30 Prozent.Das Ziel der Arbeitgeber ist eindeutig: Die Arbeit-nehmer/innen sollen künftig Unternehmerrisikenmittragen. Konkret wird dies an der Abschaffungdes automatischen Durchstiegs in die Gehalts-

Die Tarifrunde 2002/2003 für die 80 200Arbeitnehmer/innen in Reisebüros sowiebei Geschäftsreise- und Reiseveranstal-tern endete am 25. Februar 2003 mit ei-nem Schlichterspruch.

Im Ergebnis war unter anderem vereinbart wor-den, dass die Gehälter und Ausbildungsvergü-

tungen in drei Stufen um insgesamt vier Prozenterhöht werden. Die letzte Erhöhung in Höhevon einem Prozent fand am 1. Juli 2004 statt.

Die Tarifver-träge habeneine Laufzeitbis zum 31. Dezember2004 undkönnen miteiner Frist vonzwei bzw. dreiMonaten zumJahresende2004 gekün-digt werden.Vor diesemHintergrunderreichte uns

Ende April ein Kündigungsschreiben der Tarifge-meinschaft der Arbeitgebervereinigung im Deut-schen Reisebüro- und Reiseveranstalterverbandvom 26. April 2004. Mit diesem Schreiben wer-den der Manteltarifvertrag, der Gehaltstarifver-

trag und dieVereinbarungüber die Ver-gütung fürAuszubilden-de bereitsacht Monatevor Ende derLaufzeit ge-kündigt. DieArbeitgeberstellen Forde-rungen auf,die im We-sentlichen die

Regelungen zur Arbeitszeit, zur Variabilität derSonderzahlungen und zur Veränderung der Stu-fensystematik in der Gehaltstabelle betreffen.Verbunden sind diese Forderungen mit dem Ein-schränken der Tarifautonomie durch betriebliche

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stufen 4 und 5 in den Beschäftigungsgruppen Cbis H des Branchentarifvertrages deutlich. Aus-gezahlt wird nur aufgrund einer jährlichen Beur-teilung, die abhängig von den Leistungen und

dem Erreichen der Vorgabenfür den Arbeitnehmer ist. Diebetrieblichen Sonderzahlun-gen (13. Gehalt) und das Ur-laubsgeld sollen keine garan-tierten automatischen Aus-zahlungen mehr sein. Auchhier soll die Auszahlung ab-hängig gemacht werden vomErfolg des Unternehmens.Zusätzlich, so der Wunschder Arbeitgeber, soll die wö-

chentliche Arbeitszeit ohne Lohnausgleich biszum gesetzlichen Höchstmaß von 48 Stundenerhöht werden (zu regeln über betriebliche Ver-

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einbarungen). Ferner fordern die Arbeitgeber,befristet Beschäftigte, Aushilfen, Praktikantenund geringfügig Beschäftigte aus dem Gel-tungsbereich des Tarifvertrages auszugrenzen.Das Umsetzen dieser Forderung wäre ein großerNachteil für alle Kolleginnen und Kollegen inder Touristikbranche, machen sie doch mehr als80 Prozent der Beschäftigten in der Brancheaus.Um den Kreis der „Nutznießer“ dieses Tarifver-trages weiterhin einzuengen, fordern die Arbeit-geber auch das Senken der AT-Grenze von der-zeit 62432 auf 50 000 Euro. Mit diesen Forde-rungen wird die Schutzfunktion des Tarifvertra-ges ad absurdum geführt.In drei Verhandlungsrunden, zuletzt am 31. Au-gust, kam es zu keinen Annäherungen derhöchst unterschiedlichen Positionen der beidenSozialpartner. Henry Sieb

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Fortsetzung von Seite 9

Dank der EU-Förderung hat das Projekt„Dienstleistungszukunft“ die Türen zu den

Nachbarn im Osten aufgestoßen und europäi-sche Arbeitsbeziehungen entstehen lassen. Diegroß dimensionierte Projektstruktur ermöglichteinen vielfältigen Umfang von Aktivitäten inQualität und Breite, die vom Antragsteller kaumvorhersehbar war. Die so entfaltete Eigendynamik hat in vielen Fäl-len auch positiven Druck auf Beteiligte ausge-übt, sich der EU-Thematik zu öffnen. Die Kon-zernstrukturen deutschland- und europaweitmachen Aussicht auf grenzübergreifende Bezie-hungen. Erste Kontakte haben sächsische Be-triebsräte zu den Firmen Securitas und PeterDussmann (Pedus) in der Tschechischen Republikund der Firma Impel in Polen aufgenommen.Angegangen werden die Kontakte zu Securitasund Pedus in Warschau. Auch zum weltweit tä-tigen Unternehmen Group 4 werden Beziehun-gen aufgebaut.Einschätzung:■ Beschäftigungsbedeutung geprägt von inter-nationalen Großunternehmen; Sachsen undtschechische Republik quantitativ ähnlich groß;■ Besonderheit der Bewachungsunternehmen:Tätigkeit in weiteren Branchen (Catering undReinigung) und deshalb Interessenvertretungdurch drei Gewerkschaften (Nahrung-Genuss-Gaststätten, Bauen-Agrar-Umwelt und ver.di);■ Bewachungsunternehmen haben sich frühzei-tig in die neuen EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt,

um neue Märkte zu erschließen und günstigeLohnbedingungen nutzen zu können. Ihnen ge-meinsam ist, dass sie keine betriebliche Gewerk-schaftsstruktur haben;■ Eine mit Deutschland vergleichbare Gesetz-lichkeit des Bewachungsgewerbes ist zum Bei-spiel in Tschechien nicht vorhanden;■ Arbeitnehmer/innen aus Tschechien werdenvermutlich in Sachsen eingesetzt;■ Österreich scheint eine Plattform für dieMarkterschließung in den größeren neuen EU-Mitgliedstaaten zu sein (Standort Linz);■ Bereits jetzt arbeiten internationale Unterneh-men in Tschechien und Polen mit Arbeitskräftender osteuropäischen Nachbarstaaten; Handlungsbedarf:■ Vervollständigen der Kontakte mit internatio-nal positionierten Branchenunternehmen undmit zuständigen Gewerkschaften;■ Informations- und Erfahrungsaustausch inden DLZ-Projektregionen und von Branchen-akteuren in Tschechien und Polen;Perspektive:■ Gründung von betrieblichen Interessenvertre-tungen in Tschechien und Polen;■ Gründung bzw. Erweiterung von Europäi-schen Betriebsräten unter Einbeziehen der zu-ständigen Gewerkschaften in Tschechien undPolen;■ Flankieren der Bemühungen um Gründung/Stärkung von Sozialpartner-Organisationen inTschechien und Polen. Roland Ehrhardt

Türen auf nach Polen und TschechienWACH- UND SICHERHEITSUNTERNEHMEN IM GRENZGEBIET

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Tarifbindungbesteht weiter

Für Beschäftigte der Wohnungswirtschaft

Das LAG Sachsen-Anhalt hat einUrteil zu Ansprüchen aus demManteltarifvertrag Wohnungs-wirtschaft gefällt. Der Fachbe-reich des ver.di-Bezirks Sachsen-Anhalt Süd hatte im August2002 für 23 Mitglieder der MIGMerseburger Immobilienverwal-tungsgesellschaft mbH Urlaubs-geld nach MTV Wohnungswirt-schaft vom 3. Juni 1997 geltendgemacht.Die Rechtsvorgängerin der Firma,die Gebäudewirtschafts-GmbHMerseburg, war tarifgebunden.Zum 31. Dezember 2000 trat dasUnternehmen aus dem Arbeit-geberverband aus. Vom 1. Juni2002 an galt nach Auffassungdes Arbeitgebers der BAT-Owegen der Zugehörigkeit zumKommunalen Arbeitgeberver-band. Die Beschäftigten erhielten2002 Urlaubsgeld nach BAT-O inHöhe von 255,65 Euro.Nach Rechtsauffassung desver.di-Fachbereichs endete jedochdie Tarifbindung nicht mit Austrittaus dem Arbeitgeberverband. DesWeiteren galt nicht der Tatbe-stand der Nachwirkung des MTV,denn dieser wurde bis zum An-spruchszeitraum nicht gekündigt.Nach erfolgloser Geltendma-chung hat ver.di die betroffenenKolleginnen und Kollegen ermun-tert, mit Leistungsklagen ihre For-derungen geltend zu machen.Nach Auffassung von ver.di hat-ten sie Anspruch auf ein bis zumehr als 2000 Euro höheres Ur-laubsgeld.Das erstinstanzliche Urteil vom 9. April 2003 und das Urteil desLAG vom 22. April 2004 habendie Rechtsauffassung des Fach-bereiches bestätigt. Das Urteil warbei Redaktionsschluss noch nichtrechtskräftig. Barbara Tulke

shing. Im Bereich der Software-Schulungen bie-ten wir neben den Office-Programmen auchSchulungen für den Medienbereich an. DieLern-CDs sind nicht nur für die berufliche Wei-terbildung interessant, wie das Internetrecht,sondern können, wie die Grundlagen der Bild-bearbeitung in Photoshop, auch für den Hobby-Digitalfotografen spannend sein.Wir entwickeln aber auch weiterhin selbst Kurseim Bereich der beruflichen Bildung. Hier vermit-teln wir zum Beispiel mit dem Vorbereitungskurszum „Europäischen Wirtschaftsführerschein“Grundlagen der Betriebswirtschaft. Mit Be-stehen der Prüfung verfügt man über einen eu-ropaweit anerkannten Abschluss.

ver.di-report: Braucht ver.di eine Fachschule?Die eben angesprochenen beruflichen Weiterbil-dungen, die man bei uns über das Internet imFernunterricht machen kann, gibt es in der Re-gion teilweise nicht im Präsenzunterricht. Manmüsste viele Kilometer fahren, was Kosten undZeitverlust für die Kolleginnen und Kollegen be-deutet. Solche komplexen Kurse im Fernunter-richt, wie der Medienfachwirt-Online, der Profisder Medienbranche an einen IHK-Abschluss aufder Ebene des Meisters heranführt, sind nicht ko-stendeckend zu entwickeln. Würden wir sie nichtanbieten, gäbe es sie nicht. Sofern wir es finan-zieren können, wollen wir ähnliche Angeboteauch für andere Fachbereiche entwickeln undder ver.di-Jugend unterstützende Prüfungsvor-bereitungen in den Ausbildungsberufen bieten.

ver.di-report: Fachschule klingt so nach Pau-ken, Lernen, nach Lehrerinnen und Lehrern,nach Schülerinnen und Schülern. Was lerneneure Schüler denn so Fachliches? Lernen soll Spaß machen! Da die meisten unse-rer Kurse über Lern-CD oder über das Internetzuhause stattfinden, geht es auch nicht anders.Man muss den „inneren Schweinehund“ über-winden und sich eigenverantwortlich an denRechner oder die Unterrichtsmaterialien setzen.Ohne Freude am Lernen ginge das nicht. In denselbst entwickelten umfangreichen beruflichenFortbildungen begleiten einen kompetente Tuto-ren, die man wie den Lehrer im Klassenraumansprechen kann und die in der Regel binnen24 Stunden die Fragen der Lernenden beant-

INTERVIEW MIT OLAF DIERKER, GESCHÄFTSFÜH-RER DER FACHSCHULE VER.DI IN BREMEN

ver.di-report: Olaf, wie wird man Geschäfts-führer der Fachschule ver.di?Zum Geschäftsführer wird man nach der neuenSatzung durch die Mitgliederversammlung ge-wählt. Sie ist mit Vertretern aus verschiedenenBereichen und Gliederungen von ver.di und eh-renamtlich mit der Fachschule verbundenenKolleginnen und Kollegen besetzt. Überhauptzur Fachschule bin ich als Berater für das Pro-jekt Medienfachwirt-Online gekommen. In derPartnerorganisation DAA (Deutsche Angestell-ten-Akademie) koordinierte ich damals in Ost-westfalen-Lippe die Kurse im Medienbereich.Wir waren die ersten Anbieter des Medienfach-wirts nach der jetzt gültigen Ausbildungsver-ordnung.

ver.di-report: Fachschule ver.di - was ist das ei-gentlich?Die Fachschule ver.di war früher die Fachschuleder Deutschen Postgewerkschaft. Kurz nachdem Krieg gegründet, diente sie Anfangs der„Demokratisierung der Beamtenschaft“ und derQualifizierung der Mitarbeiter. Im staatlichenPostwesen übernahm der gewerkschaftliche Bil-dungsträger weite Teile der beruflichen Fortbil-dung im Postdienst und Fernmeldewesen eben-so wie die freiwillige Weiterbildung der Kollegenin Fremdsprachen und später zu EDV-Themen.In den 60er und 70er Jahren war die Fachschulezeitweilig der größte Träger beruflicher Weiter-bildung Europas. Bereits seit 1952 hat man neben Seminarenauch Kurse im Fernunterricht als Lehrbrief ange-boten. Ebenfalls als Pionier hat man in Koopera-tion mit der Telekom bereits vor etlichen JahrenUnterrichtsformen via Internet entwickelt. Damitwar man Vorbild für den heutigen Fernunter-richt in seinen verschiedenen Ausprägungen.

ver.di-report: Habt ihr heute auch noch so einbreites Angebot?Zunächst kann man heute nicht mehr allesselbst entwickeln. Wir greifen im Bereich derSprach- und EDV-Kurse via Internet oder alsLern-CD auf Produkte von namhaften Herstel-lern zurück. Ein Teil davon wurde von der Stif-tung Warentest als Testsieger oder mit diversenBildungspreisen ausgezeichnet, wie die hervor-ragende Sprachlernsoftware von Digital Publi-

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Lernen mit ver.di macht Spaß

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Rückseite per Telefax an 0 30/ 69 65 - 3500 oder per Post in einen frankierten Sichtfensterumschlag an:

Vereinte Dienst le is tungsgewerkschaftFachbere ich 13 Besondere Dienst le is tungenPaula-Thiede-Ufer 10

10179 Berl in

worten. Ihnen schickt man auch die Lösungenvon Aufgaben. Oft lernt man sie auf begleiten-den Wochenendseminaren persönlich kennen.Daneben gibt es den wichtigen Austausch mitanderen Lernenden in der Lernplattform überdas Internet, vergleichbar einem Chat oder demAustausch von E-Mail. Man sitzt heute beimFernunterricht nicht mehr einsam über den Bü-chern, sondern lernt zum Teil in der Kommuni-kation mit Anderen.Auf den Lern-CDs oder in den einfacheren On-line-Angeboten wird man vom Hersteller gezieltdurch den Unterrichtsstoff geführt. Man kannAufgaben beliebig wiederholen und bekommtvon der Software eine Rückmeldung, ob sierichtig gelöst sind, oder in einer Fremdspracheein Wort richtig ausgesprochen wurde.

verdi-report: Wer sind eure Schüler/innen?Kann jede/jeder mitmachen?Im Grunde kann jede und jeder mitmachen. DasProgramm bietet eigentlich für jede und jedenetwas. Sprachkurse für Kolleginnen und Kolle-gen im Tourismus oder im Bewachungsgewerbe.Grundlagen am PC kann heute jede und jedergebrauchen. Andere wollen lernen, Meetingsbesser zu leiten und zu gestalten, oder möchtenselbst Internetforen kompetent moderieren ler-nen. Für berufliche Weiterbildungen mit Ab-schluss muss man allerdings über die entspre-chende Branchenkenntnis verfügen. Für die On-

line-Kurse und Lern-CD benötigt man einen ei-nigermaßen zeitgemäßen Computer. Wir habenaber auch weiterhin Sprachkurse in gedruckterForm als Lehrbrief im Angebot.

ver.di-report: Kostet der "Besuch" eurer Schuleetwas?Ja, leider ist die Erwachsenenbildung und beruf-liche Fortbildung nicht kostenlos. Wir räumenver.di-Mitgliedern jedoch im Rahmen der Mög-lichkeiten einen Rabatt auf den empfohlenenVerkaufspreis ein und liefern im Gegensatz zueinzelnen anderen Anbietern im Internet trotz-dem die Originalprodukte.

ver.di-report: Was würdest du unseren Mitglie-dern empfehlen? Ja, das kommt auf die persönlichen Interessenan. Schaut einfach in unseren Online-Shop un-ter www.fachschule-verdi.de oder fordert in un-serem Bremer Büro das gedruckte Programman.

ver.di-report: Ist die ver.di-Fachschule span-nend? Was hast du Spannendes erlebt?Sicher ist es spannend, Kurse zu entwickeln, dienoch niemand zuvor entwickelt hat oder neueLernsoftware frühzeitig zu testen. Daneben darfman sich mit sehr vielen verschiedenen Themenund interessanten Menschen innerhalb undaußerhalb ver.di auseinandersetzen.

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