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Arbeitgeber verletzt Mitbestimmungsrechtnach § 99 BetrVG

So kann sich der Betriebsrat erfolgreich zur Wehr setzen

Der Arbeitgeber hat eine personelle Einzelmaßnahme nach

§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu unterlassen, solange er das

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet. Dies

kann der Betriebsrat nach den Regeln des § 101 BetrVG er-

zwingen. Bei groben Verstößen kommt in der Praxis neben

dem Unterlassungsanspruch nach § 101 BetrVG auch ein

Vorgehen nach § 23 Abs. 3 BetrVG in Betracht.

Voraussetzungen fur die Inanspruchnahmevon § 101 BetrVG

Es muss um eine personelle Einzelmaßnahme im Sinne des§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gehen, also eine Einstellung, Ver-setzung, Ein- oder Umgruppierung. Wenn der Arbeitgeberden Betriebsrat nicht informiert hatte, weiß der Betriebsratnicht, ob die im Betrieb neu beschäftigte Person als Arbeit-nehmer oder als Subunternehmer eingestellt wurde. DerBetriebsrat sollte kurz beobachten, ob der Arbeitgeberüber die beschäftigte Person wenigstens teilweise die Per-sonalhoheit hat und auch über Ort und Zeit der Tätigkeitentscheidet, denn dann kann der Betriebsrat die Rechteaus §§ 99, 101 BetrVG beanspruchen.1 Zusätzlich bestehtder Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 Sätze 1 und 2BetrVG über die Beschäftigung von Personen, die nicht ineinem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen.Bei Ein-/Umgruppierungen ist eine Aufhebung mitbestim-mungswidrig vorgenommener Maßnahmen weniger pas-send, denn es geht um eine richtige Beurteilung und derBetroffene soll nicht ohne Vergütung bleiben.2 Der Be-triebsrat kann aber die Eingruppierung in die für richtiggehaltene (höhere) Vergütungsgruppe nicht direkt klärenlassen, sondern muss das Verfahren nach § 101 BetrVG mitdem Antrag führen, dass dem Arbeitgeber aufgeben wird,die Zustimmung zur Ein-/Umgruppierung beim Betriebsratnachträglich einzuholen, und im Verweigerungsfall seiner-seits das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.3

Dieser Weg mag zwar umständlich erscheinen, sollte vom

Betriebsrat aber eingehalten werden, um die Erfolgsaus-sichten zu wahren.Die Maßnahme muss noch durchgeführt bzw. aufrecht-erhalten sein.Wird sie im Laufe des Prozesses beendet, erledigt sichauch der Unterlassungsanspruch, ohne dass noch eineinhaltliche Entscheidung ergeht. Eine Umstellung des An-trags auf Feststellung, die bereits durchgeführte Maß-nahme sei mitbestimmungspflichtig gewesen, wird alsunzulässig angesehen; auch für einen in die Zukunft ge-richteten Antrag wird ein Feststellungsinteresse gefordert.4

Nach § 101 Satz 1 BetrVG ist eine weitere Voraussetzungerforderlich. Sie hängt davon ab, ob nach § 100 BetrVG vor-gegangen wurde oder nicht.Wenn es um keine vorläufige, sondern eine reguläre perso-nelle Maßnahme geht, kommt es auf die (fehlende) Zustim-mung des Betriebsrats an.Wurde er gar nicht informiert, kann keine Zustimmung vor-liegen. Wurde er aber angehört und hat die Zustimmungverweigert, zählt dies nur, wenn die Zustimmungsverweige-rung rechtzeitig und schriftlich erfolgte und ausreichend aufeinen der Gründe des § 99 Abs. 2 BetrVG gestützt ist – nurdann ist ein Vorgehen nach § 101 BetrVG aussichtsreich!Wenn es um eine Maßnahme nach § 100 BetrVG geht,kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber gegen die Regelndes § 100 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG verstoßen hat. Ein solcherRegelverstoß liegt zum einen vor, wenn ein Zustimmungs-ersetzungsverfahren erforderlich wurde und der Arbeit-geber das Arbeitsgericht nicht oder nicht rechtzeitig ange-rufen hat. Dafür kommt es darauf an, ob der Betriebsratunverzüglich bestritten hatte, dass die Maßnahme aussachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Wenn der

Hier lesen Sie

– ob der Betriebsrat dem Arbeitgeber eine personelle Maßnahme untersagen kann

– wann der Betriebsrat Verstoße gegen die Mitbestimmungsrechte abmahnen kann

– welche Folgen es hat, wenn der Arbeitgeber nach einer Abmahnung »ruckfallig« wird

1 BAG v. 13.12.2005, AiB 2007, 52 m. Anm. Müller.2 BAG v. 12.12.2006, AiB 2007, 431 m. Anm. Rudolph.3 DKK-Kittner/Bachner, Kommentar zum BetrVG, 11. Aufl. § 101 Rdnr. 5, Fitting,

Kommentar zum BetrVG, 23. Aufl., § 101 Rdnr. 8.4 BAG v. 15.4.2008, 1 ABR 14/07.

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Personelle Einzelmassnahmen Arbeitgeber verletzt Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG

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Arbeitgeber dann die vorläufige Maßnahme aufrechterhält,ohne das Arbeitsgericht anzurufen, kann der Betriebsratnach § 101 BetrVG vorgehen. Ebenso kann er vorgehen,wenn der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahmenach einer entgegenstehenden rechtskräftigen Entschei-dung aufrechterhalten sollte.

Verfahren auf Unterlassung

Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Ar-beitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, diepersonelle Maßnahme aufzuheben. Bevor ein Antrag beiGericht eingereicht wird, ist ein entsprechender Beschlussdes Betriebsrats erforderlich.5 Im Hinblick auf den Grund-satz der vertrauensvollen Zusammenarbeit setzt ein Be-schluss zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens wiederumvoraus, dass der Betriebsrat vorher erfolglos den Arbeitge-ber zur Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens aufge-fordert hatte.

§ 101 Zwangsgeld

Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne des§ 99 Abs. 1 Satz 1 ohne Zustimmung des Betriebsrats durch oderhält er eine vorläufige personelle Maßnahme entgegen § 100Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 aufrecht, so kann der Betriebsrat beimArbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die per-sonelle Maßnahme aufzuheben. Hebt der Arbeitgeber entgegeneiner rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die personelleMaßnahme nicht auf, so ist auf Antrag des Betriebsrats vomArbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Aufhebungder Maßnahme durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchst-maß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhand-lung 250 e.

In der Praxis könnte dies etwa wie folgt ablaufen. Der Be-triebsrat erfährt von Kolleginnen und Kollegen aus der Be-legschaft, dass eine Person im Betrieb neu beschäftigtwird.Der Arbeitgeber hatte nicht informiert. Der/die Betriebs-ratsvorsitzende fragt beim Arbeitgeber kurz telefonischund dann auch schriftlich nach, ob dort die Einleitung desAnhörungsverfahrens eventuell übersehen wurde. Gleich-zeitig bekommt die Tagesordnung für die nächste Betriebs-rats-Sitzung einen Punkt: »Mitbestimmungsrecht bei Ein-stellung/Versetzung/Ein-/Umgruppierung von Herrn/FrauXYZ, Arbeitsplatz Abteilung A«. In der Betriebsratssitzungstellt der Betriebsrat fest, dass der Arbeitgeber auf die An-frage des Betriebsratsvorsitzenden nicht geantwortet oderabweisend reagiert hat, und dass kein Anhörungsschreibennach § 99 BetrVG eingegangen ist. Er fasst einen Be-schluss.

Beispiel:

Der könnte so lauten:»Der Betriebsrat fordert den Arbeitgeber auf, das Zustimmungs-verfahren betreffend Einstellung/Versetzung/Ein-/Umgruppie-rung von Herrn/Frau XYZ einzuleiten und die Maßnahme zuunterlassen, bis die Zustimmung des Betriebsrats eingeholtoder ersetzt ist. Der Betriebsrat behält sich vor, vom Recht des§ 101 BetrVG Gebrauch zu machen«.

Der Betriebsrat schreibt den Arbeitgeber an. Der Kontaktzur Gewerkschaft und zum vorgesehenen Prozessvertretersollte spätestens jetzt hergestellt werden. Die nächste Be-triebsrats-Sitzung findet dann beispielsweise eine Wochespäter statt, mit dem Tagesordnungspunkt »Einleitungeines Beschlussverfahrens, Beauftragung eines Prozessver-treters wegen Einstellung/Versetzung/Ein-/Umgruppierungvon Herrn/Frau XYZ, Arbeitsplatz Abteilung A«. In dieserSitzung stellt der Betriebsrat fest, dass der Arbeitgeberauch weiterhin nicht oder abweisend reagiert hat.

Beispiel:

Er beschliesst:»1. Es wird ein Beschlussverfahren nach § 101 BetrVG auf Auf-hebung der Einstellung/Versetzung/Ein-/Umgruppierung vonHerrn/Frau XYZ, Arbeitsplatz Abteilung A, beim Arbeitsgerichteingeleitet.2. Mit der Vertretung wird beauftragt DGB Rechtsschutz GmbH/Rechtsanwälte (genauer angeben). Die Kosten trägt der Arbeit-geber«.

Der/die Betriebsrats-Vorsitzende erteilt den Auftrag an denProzessvertreter. Der Prozessvertreter kann jetzt das gutvorbereitete Verfahren übernehmen und das Beschlussver-fahren beim Arbeitsgericht einleiten.Das eigentliche Gerichtsverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVGbeginnt mit dem Einreichen der Antragsschrift beim Ar-beitsgericht. Darin wird der Antrag gestellt, dem Arbeit-geber aufzugeben, die personelle Maßnahme (Einstellungvon Herrn/Frau XYZ) aufzuheben. Zusätzlich kann bean-

§ 100 Vorlaufige personelle Maßnahmen

(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründendringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des§ 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsratsich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. DerArbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslageaufzuklären.(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vor-läufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet derBetriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen drin-gend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglichmitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige per-sonelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb vondrei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung desBetriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahmeaus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Er-setzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt esrechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sach-lichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vor-läufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nachRechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf diepersonelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.

5 DKK-Kittner/Bachner § 101 Rdnr. 7.

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Personelle Einzelmassnahmen Arbeitgeber verletzt Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG

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tragt werden, ein Zwangsgeld anzudrohen.6 Zur Begrün-dung ist der Sachverhalt im Einzelnen dem Gericht zu er-klären. Das Gericht wird einen Termin anberaumen und denArbeitgeber zur Stellungnahme auffordern. Im Termin ent-scheidet das Arbeitsgericht über den Antrag des Betriebs-rats durch Beschluss. Gegen den Beschluss ist Beschwerdezum Landesarbeitsgericht zulässig. Das Gericht kann demArbeitgeber im Beschluss aufgeben, die personelle Maß-nahme aufzuheben.Anschließend kann der Betriebsrat, falls der Arbeitgeberdem Beschluss des Gerichts nicht nachkommt, dasZwangsgeldverfahren nach § 101 Satz 2 BetrVG einleiten.Sollte also der Arbeitgeber den Beschluss des Gerichtsignorieren und die personelle Maßnahme fortsetzen, hältdas Arbeitsgericht den Arbeitgeber auf Antrag des Be-triebsrats nach § 101 Satz 2 BetrVG zur Aufhebung derMaßnahme durch Zwangsgeld an. Das Zwangsgeld ist vomArbeitgeber an die Gerichtskasse zu bezahlen; die Höhebeträgt bis zu 250 e für jeden Tag der Zuwiderhandlung.Den festgesetzten Betrag treibt der Gerichtsvollzieher not-falls zwangsweise bei.

Einstweilige Verfugung

Bis zur Aufhebung der Maßnahme kann es unter Umstän-den einige Zeit dauern.7 Im Allgemeinen hat sich die Er-kenntnis durchgesetzt, dass sich Mitbestimmungsrechtedurch Zeitablauf erledigen können und deswegen die Mög-lichkeit einer schnellen vorläufigen Regelung durch einst-weilige Verfügung gegeben sein muss; für das Mitbestim-mungsrecht nach § 99 BetrVG wird das teilweise nochbezweifelt.8

Zumeist dürften die Arbeitsgerichte auch bemüht sein, dasBeschlussverfahren zeitnah zu terminieren. Gelingt diesnicht, sollte der Betriebsrat die Diskussion über die Not-wendigkeit einer einstweiligen Verfügung nicht scheuen.Denn das Mitbestimmungsrecht wird bei einer Einstellung,auch wenn sie gar nicht eilbedürftig ist, für die Dauer desProzesses und des anschließenden Zwangsmaßnahmenver-fahrens erst einmal wirkungslos bleiben. Der Arbeitgeberbeschäftigt einfach, solange der Prozess dauert, und dieskann sich schon einige Monate hinziehen. In einer solchenSituation wird die Möglichkeit einer einstweiligen Verfü-gung benötigt.Nach überzeugender Ansicht liegt daher eine »Schutzlük-ke« vor, und in dringenden Fällen kann der Betriebsrat da-her wegen eines groben Verstoßes des Arbeitgebers gegenseine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten eine einst-weilige Verfügung erlangen.9

Vorgehen nach § 23 Abs. 3 BetrVG

Liegt ein grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtli-che Regelungen vor, so hat der Betriebsrat, aber auch eineim Betrieb vertretene Gewerkschaft, das Recht vom Arbeit-

geber die Unterlassung, Vornahme oder Duldung der Vor-nahme einer Handlung zu verlangen. Ferner kann gegenden Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG für denFall, dass er sich der ihm durch gerichtliche Entscheidungauferlegten Verpflichtung zuwider verhält, auf Antrag vomArbeitsgericht wegen jeder Zuwiderhandlung nach vor-heriger Androhung ein Ordnungsgeld verhängt werden. Da-mit besteht das Vorgehen nach § 23 Abs. 3 BetrVG ausdem Antrag auf Feststellung und zum anderen aus derMöglichkeit, den Arbeitgeber bei zukünftigen Wiederholun-gen zu sanktionieren, ohne dass ein erneutes Verfahrennotwendig wäre.Mit dieser Vorschrift soll ein Verhalten des Arbeitgebers si-chergestellt werden, das der betriebsverfassungsrecht-lichen Ordnung entspricht. Das Verfahren nach § 23 Abs. 3BetrVG ist auf ein künftiges Verhalten gerichtet und dientder Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes und derVerhinderung rechtswidriger Handlungen oder der Unter-lassung, nicht der Sanktionierung zurückliegender Ver-stöße.Insoweit besteht ein Unterschied zu § 101 BetrVG, der aneinem konkreten Verstoß gegen das BetrVG anknüpft undprimär diesen Verstoß ausräumen will. Damit haben dieRegelungen verschiedene Zielrichtungen, ohne sich auszu-schließen.

§ 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer,der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaftkönnen beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds ausdem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegengrober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. DerAusschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragtwerden.(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgerichtunverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16Abs. 2 gilt entsprechend.(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaftkönnen bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Ver-pflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen,dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, dieVornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzu-nehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftigegerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider,eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlungzu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einerjeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einemOrdnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihmdurch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegteHandlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu er-kennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeldanzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eineim Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ord-nungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 e.

6 DKK-Kittner/Bachner § 101 Rdnr. 14.7 Kritisch dazu DKK-Kittner/Bachner § 101 Rdnr. 2.8 ErfK-Kania § 101 Rdnr. 3.9 Fitting, § 99 Rdnr. 297, 298; DKK-Kittner/Bachner § 101 Rdnr. 19, 24 ff.

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Personelle Einzelmassnahmen Arbeitgeber verletzt Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG

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Voraussetzung für den Anspruch des Betriebsrats istgrundsätzlich das Vorliegen eines groben Verstoßes gegengesetzliche Verpflichtungen.

Anspruchsvoraussetzungen

Dabei muss die Grenze der Erheblichkeit des Verstoßes er-reicht sein. Dies kann bei einem einmaligen schweren Ver-stoß, aber auch bei Vorliegen der Wiederholung leichterVerstöße möglich sein. Da es bei dem Verfahren nach § 23Abs. 3 BetrVG hinsichtlich der Feststellung um ein zukünfti-ges Verhalten geht, kommt es auch nicht darauf an, ob derArbeitgeber den groben Verstoß verschuldet hat. Dazu ge-nügt es, dass objektiv ein Pflichtverstoß vorliegt. Umstrit-ten ist die Frage, ob auch der Umstand, dass ein Verstoßzu befürchten sein wird, bereits ausreichend ist.10 Nichtnotwendig ist ebenso, dass konkret eine Wiederholungsge-fahr bestehen muss.Bei der Nichtbeachtung der betriebsverfassungsrechtlichenRechte des Betriebsrats im Rahmen einer personellen Maß-nahme nach § 99 Abs. 1 BetrVG wird jedoch bereits grund-sätzlich das Vorliegen eines groben Verstoßes anzunehmensein. Dies wird zumindest für die Fälle gelten müssen, indenen bereits gleich geartete Verstöße in der Vergangen-heit vorliegen oder für Fälle, die erstmalig auftreten, beidenen es aber bereits eine klare Rechtslage bezüglich desVorliegens eines Verstoßes gegen § 99 Abs. 1 BetrVG gibt.11

Sollte das Arbeitsgericht jedoch das Nichtvorliegen einesgroben Verstoßes feststellen können, wird der Antrag alsunbegründet zurückzuweisen sein.

Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung

Neben der gerichtlichen Vorgehensweise besteht auch dieMöglichkeit, eine gerichtliche Auseinandersetzung durchein Abmahnschreiben zu vermeiden. Dieses Vorgehen bie-tet sich jedoch grundsätzlich nur in den Fällen an, in denenzu erwarten ist, dass Einigkeit zwischen den Parteien be-steht, dass das Verhalten einen groben Verstoß gegen be-triebsverfassungsrechtliche Normen darstellt und sich derArbeitgeber verpflichten will, dies in Zukunft zu unterlas-sen. In den anderen Fällen ist daher regelmäßig ein Be-schlussverfahren durchzuführen. Dies gilt insbesondere, dader Betriebsrat nicht zunächst gezwungen ist, den Arbeit-geber erfolglos abzumahnen, bevor ein Beschlussverfahrenzulässig wäre. Grundsätzlich ist ein Abmahnungsschreibenin der Form abzufassen, indem der Verstoß konkret be-zeichnet und der Arbeitgeber aufgefordert wird, den Ver-stoß künftig zu unterlassen und zur Vermeidung einer ar-beitsgerichtlichen Auseinandersetzung eine vorgefertigteUnterlassungserklärung zu unterzeichnen. In der Unterlas-

sungserklärung verpflichtet sich der Arbeitgeber, den kon-kreten Verstoß künftig zu unterlassen und das betroffeneRecht des Betriebsrats zu beachten.

Gerichtliches Verfahren

Der Anspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG ist ebenfalls im We-ge des Beschlussverfahrens durchzuführen. Antragsberech-tigt ist neben dem Betriebsrat auch eine im Betrieb vertre-tene Gewerkschaft, unabhängig davon, ob eigene Rechteseitens des Arbeitgebers verletzt sind. Somit kann alsoauch eine vertretene Gewerkschaft die Nichteinhaltung vonMitbestimmungsrechten des Betriebsrats geltend machen.Grundsätzlich setzt die Antragsstellung durch den Betriebs-rat ebenfalls eine ordnungsgemäße Beschlussfassung nach§ 33 BetrVG voraus. Zudem dürfte nach dem Gebot der ver-trauensvollen Zusammenarbeit zu erwarten sein, dass der

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10 DKK-Trittin § 23 Rdnr.78.11 DKK-Kittner/Bachner, § 101 Rdnr. 21ff, DKK-Trittin § 23 Rdnr. 114 ff.; Richardi,

§ 23 Rdnr. 93.

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Personelle Einzelmassnahmen

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Betriebsrat den Arbeitgeber zunächst zu rechtmäßigemVerhalten auffordert. Wie bereits dargestellt, ist auch einVorgehen im Wege einer einstweiligen Verfügung möglich.Hinsichtlich des konkreten Vorgehens gilt: Ein Antrag aufAndrohung eines Ordnungsgeldes kann mit dem Feststel-lungsantrag nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verbunden wer-den, dann ist hierüber auch zeitgleich zu entscheiden. EinAndrohungsantrag kann jedoch auch später gestellt wer-den. Erwähnt werden soll insoweit auch, dass es ebenfallsohne Durchführung eines Beschlussverfahrens möglich ist,dass der Betriebsrat vor künftigen Verstößen geschütztwird, wenn der Arbeitgeber und der Betriebsrat einen Ver-gleich abschließen, der vorsieht, dass eine Vollstreckunggemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG bei entsprechenden Ver-stößen des Arbeitgebers durchzuführen ist.

Fazit

Das in § 101 BetrVG geregelte Zwangsgeldverfahrenschließt einen Anspruch des Betriebsrats auf künftigeBeachtung der Mitbestimmungsrechte nach § 23 Abs. 3BetrVG nicht aus12 und dieser kann daher grundsätzlichneben einem Antrag nach § 101 BetrVG geltend gemachtwerden.Zudem kann der Regelungslücke des § 101 BetrVG entge-gen gewirkt werden, dass der Arbeitgeber personelle Maß-nahmen so kurzfristig durchführt, dass sich der Antragnach § 101 BetrVG im Laufe des Verfahrens erledigt habenwird. Dann bleibt dem Betriebsrat die Möglichkeit nach§ 23 Abs. 3 BetrVG gegen das Verhalten des Arbeitgebersvorgehen.13

Zum anderen besteht über § 23 Abs. 3 BetrVG die Möglich-keit, ein ordnungsgemäßes Verhalten des Arbeitgebers fürdie Zukunft sicherzustellen. Konkret für personelle Maß-nahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG bedeutet dies, dass derArbeitgeber dazu verpflichtet werden kann, auch zukünftigund nicht nur in einem bestimmten Fall sich in einer be-

stimmten Art zu verhalten. Diese Dauerwirkung, die über§ 23 Abs. 3 BetrVG erreicht werden kann, macht daseigentliche Drohpotential gegenüber dem Arbeitgeber aus,da dieser für die Zukunft gebunden werden kann. Gegebe-nenfalls ist es gerade bei personellen Maßnahmen wie Ein-stellungen oftmals kein Anliegen des Betriebsrats, diegetroffene Maßnahme des Arbeitgebers zu beseitigen, son-dern ausschließlich feststellen zu lassen, dass der Arbeit-geber künftig die Rechte des Betriebsrats zu beachten hat.Ansonsten kann seitens des Arbeitgebers der Eindruck inder Belegschaft erweckt werden, der Betriebsrat sprechesich gegen Einstellungen aus, wenn sich der Betriebsratgegen vorgenommene Einstellungen ohne Beachtung sei-ner Rechte zur Wehr setzt. In diesen Fällen kann es sinnvollsein, über § 23 Abs. 3 BetrVG unter Aufrechterhaltung derpersonellen Maßnahme ausschließlich gegen zukünftigeVerstöße vorzugehen. Daneben besteht über das Antrags-recht der Gewerkschaft unter Umständen die Möglichkeit,zu erwartenden Druck auf den Betriebsrat über eine An-tragstellung der Gewerkschaft zu minimieren. Neben demVorgehen nach §§ 101, 23 BetrVG besteht noch die Mög-lichkeit einer Sanktionierung des Verhaltens des Arbeit-geber als Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach den§§ 121, 119 BetrVG. Im Hinblick auf personelle Maßnahmenach § 99 BetrVG haben diese Vorschriften keine großepraktische Bedeutung, da diese Regelungen keine Abhilfe,sondern lediglich eine Sanktionierung vorsehen.

Dr. Reinold Mittag ist Leiter des GewerkschaftlichenCentrums für Revision und Europäisches Recht undNamensgeber der Dr. Mittag Rechtsanwalts GmbH.Tino Junghans ist Rechtsanwalt und Rechtssekretärbeim DGB Rechtsschutz Büro Oldenburg.

Die Kundigung

Ein Überblick über ihre unterschiedlichen Arten und die Voraussetzungen

Die Finanzkrise lässt grüßen: Nach einer kurzen Phase des

Wirtschaftsaufschwungs werden sich Betriebsräte in Zu-

kunft wahrscheinlich wieder mehr mit den Möglichkeiten,

Arbeitsverhältnisse zu kündigen, auseinandersetzen müs-

sen. Trotzdem ist es in der großen Koalition (noch?) still in

Fragen um eine mögliche Reform des Kündigungsschutzge-

setzes.

Seit der letzten Reform des Kündigungsschutzgesetzes giltdieses nur noch in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitneh-mer/inne/n (§ 23 Kündigungsschutzgesetz). Hierfür wer-den Teilzeitbeschäftigte mit 20 und weniger Wochenstun-den mit 0,5 und solche mit 20 bis 30 Wochenstunden mit0,75 gezählt. In solchen Kleinbetrieben muss der Arbeitge-ber lediglich die gesetzlich, tariflich oder arbeitsvertraglich

12 BAG, AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG.13 DKK-Trittin, § 23 Rdnr. 82, Fitting § 101 Rdnr. 12 m.w.N.

34 AiB 2009 � Heft 1 aib-web.de Passwort für Januar: Uckermark

Personelle Einzelmassnahmen Die Kündigung