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Gold/Jersak/Rubik - 1 - Holz aus Verbrauchersicht Arbeitsbericht 14 Strategische Unternehmenskooperation in der Forst-Holzkette Ein Fallstudienvergleich vertikaler und horizontaler Unternehmenskooperation in der Region Allgäu AutorInnen Dr. Martin Birke, Dr. Chantal Ruppert-Winkel Dortmund, Freiburg, November 2008 ZUFO – Zukunftsmärkte der Forst-Holz-Kette Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit am Beispiel des Holzbaus in der Region www.zufo.de

Arbeitsbericht 14 Strategische Unternehmenskooperation in ... · Das transdisziplinäre Konzept der Verzahnung von Wissenschaft, Beratung und Praxis erfordert sowohl die professionelle

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Gold/Jersak/Rubik - 1 - Holz aus Verbrauchersicht

Arbeitsbericht 14

Strategische Unternehmenskooperation in der Forst-Holzkette

Ein Fallstudienvergleich

vertikaler und horizontaler Unternehmenskooperation in der Region Allgäu

AutorInnen

Dr. Martin Birke, Dr. Chantal Ruppert-Winkel

Dortmund, Freiburg, November 2008

ZUFO – Zukunftsmärkte der Forst-Holz-Kette

Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit am Beispiel des Holzbaus in der Region

www.zufo.de

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Zukunftsmärkte der Forst-Holz-Kette

Die Forst- und Holzwirtschaft steht vor einem Wandel: Im Zuge der Globalisierung verändern sich die Wettbewerbsbedingungen, der Staat wird sich mehr und mehr aus der Forstwirtschaft zurückziehen, die unterschiedlichen Marktakteure stellen neue Anforderungen. Gefragt sind innovative Produkte und Dienstleistungen, aber auch moderne Kooperations- und Managementformen. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette steht die Branche vor der Herausforderung, ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern und zu verbessern.

Ziel des ZUFO-Projekts ist es, Entwicklungsmöglichkeiten für Unternehmen und Verbände in der Forst-Holz-Kette aufzuzeigen und gemeinsam mit ihnen umzusetzen. Hierzu untersucht das Projekt ZUkunftsmärkte der FOrst-Holz-Kette (ZUFO) beispielhaft zwei ausgewählte Bauholz-Ketten, nämlich Holzhäuser und Fenster. Von Mai 2005 bis April 2008 bearbeiten Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam mit Praxispartnern diese Aufgabe in fünf Modulen:

Modul 1 befasst sich mit der Frage, wie das Holzangebot für den Bauholz-Sektor flexibler und nachfrageorientierter gestaltet werden kann. Bearbeitung durch: Institut für Forstökonomie (IFE) der Universität Freiburg i.Br..

Modul 2 untersucht die Anforderungen und Wünsche der Endkunden wie auch der Baumärkte, Architekten und Handwerker. Bearbeitung durch: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gGmbH (IÖW).

Modul 3 nimmt Kooperationen innerhalb der Kette in den Blick. Bearbeitung durch: Institut für Forstökonomie (IFE) der Universität Freiburg i.Br..

Modul 4 betrachtet die Unternehmen selbst, also deren Ressourcen und Fähigkeiten. Bearbeitung durch: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gGmbH (IÖW).

Modul 5 entwickelt Beratungskonzepte für die Forst-Holz-Kette und baut dabei auf den Erkenntnissen der anderen Module auf. Bearbeitung durch: Sozialforschungsstelle (sfs) Dortmund.

Die im Projekt vorgesehene Integration der einzelnen Modulergebnisse bietet einen ganzheitlichen Blick auf Innovationspotentiale und Veränderungsmöglichkeiten. Die „Praxistauglichkeit“ der Lösungsvorschläge wird durch die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen und Verbänden gewährleistet, insbesondere dem Holzforum Allgäu.

Aktuelle Informationen und Ergebnisse finden sich auf der Projekt-Homepage www.zufo.de.

www.zufo.de

Förderkennzeichen: 033 055 6

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Der Autor

Dr. Martin Birke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Sozialforschungsstelle Dortmund (Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dortmund) und arbeitet im ZUFO-Modul 5. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Analyse und Beratung von Organisationen, Netzwerken und Bildungseinrichtungen, nachhaltiges Wirtschaften und Wissensmanagement

Die Autorin

Dr. Chantal Ruppert-Winkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Forstökonomie der Universität Freiburg und arbeitet im ZUFO-Modul 3. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Analyse von Organisationsstrukturen und Institutionen, Kooperationsmanagement und nachhaltige Ressourcennutzung.

www.zufo.de

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Brauchen Sie denn andere Unternehmen für Ihre eigene Innovationsfähigkeit?

„Also ich würde nie ablehnen, mit anderen Unternehmen da drüber zu reden, aber ich traue uns selber auch viel zu. Aber ich halte es einfach für dumm oder arrogant zu

sagen, nur wir können was. Jeder kann was beitragen, und wenn man es schafft, mit einem anderen zusammen eine Idee zu verwirklichen, dann sollte man's machen.“

(Geschäftsführer eines fokalen Unternehmens in der Forst-Holz-Kette)

„A cooperative strategy can offer significant advantages for companies which are lacking in particular competences or resources to secure these through links with others possessing

complementary skills or assets; it may also offer easier access to new markets, and opportu-nities for mutual synergy and learning.“

(Child/Faulkner 1998: 1)

„Es ist kaum möglich, qualitative Angelegenheiten wie Innovations- und Experimentierfreude, einen besonderen Produktionsstil oder –ansatz, technologische Kapazität, Know-how oder eine Null-Fehler-Philosophie mit einem Preisschild zu versehen. Sie können weder einfach

im Markt gehandelt noch innerhalb der Unternehmenshierarchie kommuniziert werden.“ (Powell 1990: 225)

„Unternehmen haben gute Gründe, ihren Rivalen nicht zu vertrauen, untereinander nicht zu kooperieren und auch keine Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen einzugehen.

In der Wirtschaft ist Wissen nun mal kein öffentliches, sondern ein privates Gut und interorganisatorische Kooperationen implizieren immer die Gefahr von ‚leakages‘, also des

‚Durchsickerns‘ von Wissen und Know-how und damit des Verlusts von Wettbewerbsvorteilen.“ (Hohn 1997: 34)

„Do ut des“ versus „do et des“ „In inter-organisationalen Netzwerken .. dominiert oft ganz gewiss nicht Vertrauen, wohl aber

ein - moralisch sehr viel abstinenteres - Sich-Verlassen-Auf-Netzwerkpartner.“ (Ortmann 2005: 12 ff. )

„Netzwerkerei“ – „Ja, man könnte (uns) anrüchig als „Seilschaft“ bezeichnen und wir hätten

nichts dagegen, muss sich in einer Seilschaft doch jeder unbedingt auf den anderen verlassen können, wenn der gemeinsame Aufstieg am Berg gelingen soll. Der Erfolg ..

beruht darauf, dass wir in der Branche und kritisch bei uns selber in den zwanzig Jahren viel bewegt haben und weiter bewegen und keine geschlossene Gesellschaft sind, die auf

Kosten anderer ihren Nutzen zieht.“ (Geschäftsführer eines Holzhausherstellers

und Mitgründer der Dienstleistungsnetzwerks)

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorbemerkung zu Zielsetzung, Methodensetting und Theorierahmen des Fallstudienvergleichs......................................................................................................7

2 Fallstudie 1: Vertikale Integration und kooperative innovative Geschäftsbeziehungen – eine sehr spezielle Strategie.............................................13

2.1 Die Rahmenbedingungen ........................................................................................13

2.2 Schnittstelle Akteure der biologischen Produktion und fokaler Akteur – Holzverfügbarkeit ein spezifisches Gut?..................................................................15

2.3 Weitere Zulieferer: Kooperative Geschäftsbeziehung trotz Abhängigkeit?..............26

2.4 Schlussfolgerung .....................................................................................................28

3 Fallstudie 2: Erschließung eines Zukunftsmarkts durch horizontale Kooperation – eine voraussetzungsreiche Strategie..........................................................................30

3.1 Rahmenbedingungen der horizontalen Kooperation im Dienstleistungsnetzwerk...31

3.2 Netzwerklernen am Geschäftsmodell – eine erfolgskritische Prämisse horizontaler Unternehmenskooperation.......................................................................................33

3.3 Netzwerkmanagement in strategischen Unternehmenskooperationen – eine Frage der Professionalisierung? ........................................................................................38

4 Schlussbemerkung: Strategische Unternehmenskooperation in der Forst-Holzwirtschaft auf Königs- und Holzwegen................................................................42

5 Literaturverzeichnis ......................................................................................................44

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Beispiele für Kontrollstrukturen in Anlehnung an Picot (1991: 340) aus

Ruppert 2006 ________________________________________________ 9 Abbildung 2: Netzwerkmanagement als Management von Spannungsverhältnissen ___ 11 Abbildung 3: Betrachtete Unternehmen der Wertschöpfungskette in der Fallstudie 1; grau:

fokaler Akteur _______________________________________________ 13 Abbildung 4: Schaubild: „Kommunikationsstruktur der PHG“ _____________________ 33 Abbildung 5: Zentrale Aufgaben eines integrierten Netzwerkmanagements __________ 40

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1 Vorbemerkung zu Zielsetzung, Methodensetting und Theorierahmen des Fallstudienvergleichs

In diesem Arbeitsbericht werden zwei Beispiele für strategische Varianten der Zusammenarbeit von Unternehmen der Forst-Holz-Kette anhand von Fallstudien mit Ausgangspunkt in der Region Allgäu dargestellt und miteinander verglichen, um Rückschlüsse darüber zu gewinnen, wie Ressourcenpotenziale, Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit in dieser Branche durch inter-organisationale Kooperation und Koordination zu steigern sind. Aus den empirischer Studien in Modul 3 und 5 wurden die Fallstudien ausgewählt, die sich in Hinblick auf die vertikalen und horizontalen Kooperationsbedingungen innerhalb der Forst-Holz-Wertschöpfungskette als besonders interessant herausgestellt haben: (1) Ein fokales Unternehmen1, das eine hohe Integration von verschiedenen Kettenstufen aufweißt aber dennoch kooperative Geschäftsbeziehungen entlang der Wertschöpfungsketten anstrebt und (2) ein Netzwerk von Unternehmen mit Akteuren der selben Branche, das wirtschaftliche Ziele verfolgt.

Die Fallstudienempirie basiert zum einen auf qualitativen, teilstandardisierten Interviews, auf Tiefeninterviews und Kleingruppendiskussionen, zum anderen auf teilnehmender Beobachtung, Prozessbegleitung und -beratung, die sich teilweise über zwei Jahre erstreckte. Die transdisziplinäre Erschließung und Beratung von netzwerkförmiger Zusammenarbeit gehört zu expliziten ZUFO-Projektzielen, die arbeitsteilig im Zufo-Modul 5 verfolgt wurden.2 Erhebung wie Auswertung der Empirie orientierten sich an dem nachfolgend beschriebenen theoretischen Bezugsrahmen, der Bezug nimmt die sozialwissenschaftlich interdisziplinäre Diskussion der Institutionenökonomik auf. Die – auch im ZUFO-Arbeitsbericht 3 dargestellten – Ansätze der Transaktionskostentheorie werden ergänzt um neuere Ansätze der soziologischen Institutionendiskussion zu Steuerung in und von inter-organisationaler Kooperation. In der Transaktionskostenökonomik werden unter Transaktionen sowohl die Übertragung eines Gutes oder einer Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg (Williamson 1990: 1), als auch die Übertragung von Verfügungsrechten zwischen Tauschpartnern (Richter/Furubotn 2003: 56, 592) verstanden. Es stehen dabei also nicht das Gut bzw. Verfügungsrechte im Focus der Betrachtung, sondern die Transaktion, die in verschiedener Weise organisiert werden kann. Transaktionen kommen durch vertragliche Vereinbarungen über den Markt innerhalb von Unternehmen oder durch Kooperationen zustande. Die dadurch geschaffenen unterschiedlichen Kontrollstrukturen bilden den organisatorischen Rahmen für das Handeln von Wirtschaftssubjekten und sollen mehr Sicherheit vor opportunistischem Verhalten eines Tauschpartners schaffen. Sie finden ihre Ausgestaltung in verschiedenen Organisationsformen, die jedoch unterschiedliche Kosten, die sogenannten Transaktionskosten, verursachen. Nach der Transaktionskostentheorie ist

1 Ein fokales Unternehmen bestimmet mehr als andere Geschäftspartner die Strategie sowie Form und Inhalt der

Interorganisationsbeziehungen (vgl. Sydow 1992: 81 sowie Wirth 2006b). 2 Besonderes Augenmerk gilt dabei auch der Wissensarbeit in Netzwerken und der Neubestimmung des Verhältnisses von

Wissenschaft, Beratung und Praxis in innovativen Forschungs- und Beratungskonzepten (vgl. z.B. Howaldt 2004 und 2006). Das transdisziplinäre Konzept der Verzahnung von Wissenschaft, Beratung und Praxis erfordert sowohl die professionelle Unterstützung von Organisationen beim Aufbau organisationaler und organisationsüberschreitender, also netzwerkförmiger Strukturen zur Erhöhung ihrer Selbstreflexions- und Selbststeuerungsfähigkeit als auch die Rückbindung der Netzwerkerträge an das Wissenschaftssystem.

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die Organisationsstruktur zu wählen, die im Vergleich zu anderen Alternativen mit den geringsten Transaktionskosten verbunden ist. Williamson (1990) bezieht in seinen Ansatz zur Beschreibung und Erklärung von Kontrollstrukturen vertragstheoretische Überlegungen in Anlehnung an Macneil (1974 und 1978) ein:

• Durch „klassische Verträge“ wird versucht möglichst alle denkbaren Fälle zu erfassen, explizit zu formulieren und formal zu fixieren (z.B. einfache Kaufverträge). Dies kann bei langfristigen Verträgen zu hohen Vertragsvereinbarungskosten führen. Die Umsetzung dieser Verträge wird durch das Vertragsrecht und die Gerichte gewährleistet.

• „Neoklassische Verträge“ beinhalten meist längerfristige vertragliche Bindungen und lassen den Akteuren einen gewissen Freiraum, da nicht alles aufgrund der Unsicherheit der Zukunft geregelt werden kann. Sie beruhen aber auch auf formalen Regelungen und expliziten Vereinbarungen. Oft wird bei diesen Verträgen auch die Möglichkeit der Nutzung von Schiedsmechanismen erwogen.

• „Relationale Verträge“ sind langfristige Vertragsvereinbarungen mit hoher Umsetzungsflexibilität. Sie beruhen meist auf impliziten Vereinbarungen, sind nicht rechtsverbindlich, und es spielen vergangene, gegenwärtige und zukünftige persönliche Beziehungen zwischen den Vertragsparteien eine Rolle (Richter/Furubotn 2003: 185). Es handelt sich von der Betrachtungsweise her also weniger um juristische Verträge, als vielmehr um ökonomische Verträge. Williamson (1990: 15) spricht von der „Verwendung von Nichtstandard-Vertragsverhandlungen zum Zwecke der Erreichung glaubhafter Vertragstreue. ... Viele Nichtstandard-Vertragspraktiken dienen dem legitimen Zweck der Einsparung von Transaktionskosten.“

Eine weitere Art von Kontrollstruktur besteht durch vereinheitlichte Systeme. Die Transaktion wird vollständig „dem Markt entzogen und unternehmensintern so organisiert ..., dass sich eine Autoritätsbeziehung ergibt (vertikale Integration)“ (Williamson 1990: 85). Es entsteht mithin eine Hierarchie d.h. eine Unternehmung. Williamson (1990) unterscheidet bei der vertikalen Integration zwischen der „naheliegenden“ Integration von aufeinander folgenden Produktionsstufen und der „ausgefallenen“ Art der Integration: vorwärts (mit dem Vertrieb), rückwärts (mit der Rohstoffquelle) und lateral (mit den Lieferanten von Komponenten).

Insgesamt werden damit die Überkategorien Markt (z.B. der Holzhaushersteller kauft das zugeschnittene Holz vom günstigsten Anbieter), Hierarchie (z.B. der Holzhaushersteller schneidet das Holz selbst) und Kooperation (z.B. der Holzhaushersteller kauft das zugeschnittene Holz bei einem bestimmten Anbieter mit dem seit Jahren eine gute Geschäftsbeziehung besteht, auch wenn er etwas mehr bezahlen muss, ohne dass dies schriftlich fixiert ist) unterschieden. Die nachfolgende Abbildung soll den Zusammenhang zwischen vertragstheoretische Überlegungen, Kontrollstrukturen und Integrationsgrad noch einmal verdeutlichen.

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Markt

Einfacher Vertrag (Einkauf im Supermarkt)

Dienstleistungsvertrag (zweiseitig: Verkauf mit schriftlichem Vertrag,

dreiseitig: neoklassischer Vertrag)

Kooperation

Einfach (Lieferungsverträge, Kapitalbeteiligung an Lieferan-

ten/Abnehmern,

Joint Venture)

Komplex (dynamische Netzwerke, Genossenschaften)

Hierarchie

Private Firma/Unternehmung (Stiftung, Gesellschaften)

Öffentliche Verwaltung/Unternehmen (klassische Verwaltung,

Eigenbetrieb,

Aktiengesellschaft der öffentlichen Hand)

Abbildung 1: Beispiele für Kontrollstrukturen in Anlehnung an Picot (1991: 340) aus Ruppert 2006

Dabei beeinflussen drei Faktoren die Transaktionskosten und damit die Wahl der Organisation: die Spezifität einer Investition (z.B. in produktspezifische Anlagen), die Unsicherheit der Transaktion (durch Umwelteinflüsse oder durch unsicheres Verhalten des Transaktionspartners) und die Häufigkeit der Transaktion. Williamson betont insbesondere die Bedeutung von der Spezifität.

„Somit wird der Bezug über den Markt als Beschaffungsmodus dort vorgezogen, wo die Faktorspezifität gering ist – wegen der Anreiz- und Bürokratiemängel interner Organisation im Hinblick auf die Produktionskostenkontrolle. Hingegen wird der internen Organisation dort der Vorzug gegeben, wo die Faktorspezifität groß ist, weil unter solchen Umständen die bilaterale Abhängigkeit sehr erheblich ist und stark ausgeprägte Anreize den Vollzug adaptiver, sequentieller Anpassungen an Störungen weniger leicht machen.“ (Williamson 1990: 103 f.).3

Die erste Fallstudie demonstriert – zumindest für die Forst-Holz-Branche – exemplarisch, wie kreativ und erfolgreich diese Spezifität für eine Strategie der vertikalen Kooperation in der Forst-Holz-Wertschöpfungskette genutzt werden kann und wie dabei die beiden anderen Faktoren zu berücksichtigen sind. Auch wenn der dem zugrunde liegende „klassische Vertragstypus“ keine unbegrenzten Gestaltungs- und Interpretationsspielräume lässt, zeigt dieses Beispiel eines funktionierenden Wertschöpfungsketten-Netzwerkes, dass sein Erfolg nicht allein auf ökonomisch-rationalem Kostenkalkül beruht. Hinreichend zu erklären ist er nur, wenn die transaktionskostenökonomische Betrachtung nicht auf isolierte Input-Output-Relationen begrenzt bleibt und stattdessen den Transaktionsprozess möglichst vollständig mit dem gesamten Leistungsaustausch und Interaktionsspektrum der beteiligte Akteuren erfasst.

Neuere institutionenökonomische Ansätzen fokussieren deshalb auf das Wechselspiel von Preis, (Anweisungs-, Regelungs- und Normsetzungs-) Macht und Vertauen, das in jeder

3 Bei Faktorspezifität handelt es sich um die Spezifität einer Investition in einen bestimmten Faktor.

Zu-

nehmen-

der Grad

an

vertikaler

Integratio

n

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Kooperationsbeziehung spezifische Steuerungs- und Herrschaftsbeziehungen – Governance – hervorbringt. Für Wertschöpfungsketten sind vier Governance-Prozesse als erfolgsrelevant identifiziert worden: das Setzen von Regeln, das Unterstützen von Akteuren in der Kette zwecks Befähigung zur Regeleinhaltung, Monitoring und Sanktionieren der Regeleinhaltung.4 Offensichtlich sind diese Prozesse hochgradig interessenbeladen, machtbestimmt und politikhaltig, also nicht nur von Kostenkalkülen bestimmt: „Es ist kaum möglich, qualitative Angelegenheiten wie Innovations- und Experimentierfreude, einen besonderen Produktionsstil oder -ansatz, technologische Kapazität, Know-How oder eine Null-Fehler-Philosophie mit einem Preisschild zu versehen“ (Powell 1996: 225). Verstärkt wird die Sozialhaltigkeit der Netzwerkentwicklung noch dadurch, dass Wertschöpfungsketten meist aus einem Geflecht unterschiedlich intensiv kooperierender Unternehmen bestehen, die zudem noch in mehreren, sich teilweise überschneidenden Geschäftsfeldern in unterschiedlichen Funktionen zusammenarbeiten und eingebettet sind in unterschiedliche regionale, kulturelle und Branchen-Kontexte. Wertschöpfungsnetzwerke entstehen deshalb auch nicht am Reißbrett. Die Interaktionen ihrer Akteure verlaufen ungeachtet ihrer Marktorientierung und Gewinnziele keineswegs nur ökonomisch-rational und unidirektional, sonder entwicklungsoffen und ergebnisunsicher. Dies impliziert viel Kommunikation, nicht zu kalkulierendes Konfliktrisiko, einen kaum zu steuernden Aushandlungsaufwand, ermöglicht aber auch Lernprozesse.

Zu diesen wenig erforschten Lernprozessen in Wertschöpfungsnetzwerken gehören sogenannte Upgrading-Prozesse, in denen kooperierende Unternehmen sich gegenseitig oder einseitig unterstützen mit/in Entwicklungspartnerschaften, Projektbörsen, Technologie- oder Wissenstransfers.,5 Insbesondere in Wertschöpfungsketten mit hoher KMU-Beteiligung sind sie bisher empirisch kaum erforscht. Die zweite Fallstudie liefert ein – wiederum mindestens für die Forst-Holz-Branche – exemplarisches Beispiel für dieses Netzwerklernen, das in Verlauf und Ergebnis aufwendig wie unsicher ist. Es zeigt, wie eine Gruppe innovativer mittelständischer Holzhaushersteller auf Grundlage eines – nach der Williamson´chen Typologie – eher neoklassischen Vertrages in einem horizontal kooperierenden Dienstleistungs- und Kompetenznetzwerk markt- und gewinnorientiert zusammenarbeiten, um ihre Innovationspotenziale zu optimieren und ihre individuellen wie kollektiven Spezialisierungskompetenzen zu entwickeln, ohne die der aktuell sich entwickelnde Zukunftsmarkt des „Niedrigenergiehausbaus“ nicht zu erschließen ist.

Die Empirie dieses Fallbeispiels demonstriert auch, warum die Entstehung und Steuerung von Netzwerken hinlänglich nur zu erklären sind, wenn ihre sogenannten harten und weichen (Erfolgs-) Faktoren – die Entwicklung von Geschäftsmodellen und ihre Orientierung an Kennzahlen einerseits, die Beachtung und Gestaltung von Vertrauen und Reziprozität andererseits – in ihrem Zusammenwirken analysiert und verstanden werden. Insbesondere die strukturationstheoretische Netzwerkforschung6 fokussiert auf diesen wechselseitigen Wirkungszusammenhang. In der letzten Dekade hat sie in unterschiedlichen Industrie- und

4 Eine zusammenfassende Darstellung findet sich in Kappel, Brach 2008. 5 Unterschieden wird dabei zwischen firm, process, product, chain upgrading. 6 Theoretische Einordnung wie empirischen Überblick zur strukturationstheoretischen Netzwerkforschung bietet J. Sydow

2006 (Hrsg.): Management von Netzwerkorganisationen, Wiesbaden; zur theoretischen Verknüpfung der (neo-) institutionalistischen Organisation und der Strukturationstheorie vgl. P. Walgenbach, R. Meyer 2008 Neoinstitutionalistische Organisationstheorie, Stuttgart

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Dienstleistungsbranchen Entwicklungspfade und Steuerungsprozesse von Netzwerken miteinander verglichen. Ihre Studien zeigen im deutlichen Unterschied zur Erfolgsfaktorenforschung, die je nach disziplinärem Fokus entweder harte oder weiche Netzwerkfaktoren zum erfolgskritischen Parameter des Netzwerkmanagements erklären, dass gerade deren Zusammenspiel Managementregeln und Netzwerkressourcen entstehen lässt, die jedoch steuerungsambivalent sind: Sie ermöglichen Kooperation, Innovation und Verständigung der Netzwerkpartner und engen sie gleichzeitig ein.7 In strukturationstheoretischer Netzwerkperspektive sind deshalb Governance-Prozesse von Netzwerken in rekursiv wirkenden Spannungsverhältnisse und Dualitäten eingebettet, die insbesondere auch die vier grundlegenden Funktionen des Netzwerkmanagements prägen: die Selektion der Netzwerkpartner, die Allokation ihrer Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten, die Regulation der Netzwerk-Kooperationsbeziehungen, die Evaluation der Netzwerk- und der Partnerorganisation (Sydow 2006: 62).

Abbildung 2: Netzwerkmanagement als Management von Spannungsverhältnissen

Quelle: Sydow 2006: 63

7 Sydow, Windeler (1998): Organizing and evaluationg interfirm networks – a structurationist perspective on network proc-ess and effektiveness. In: Organization Science 9.Jg 1998, H 3 S. 265-284.

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Auch wenn diese Funktionsübersicht dem Netzwerkmanagement als Orientierung dient und in jeder seiner Entwicklungsphasen neu zu operationalisieren ist, kommt es nicht darauf an, sie vollständig „umzusetzen“. Sie soll im Unterschied zu Managementleitfäden und Checklisten vielmehr Orientierungs- und Zusammenhangwissen ermöglichen, wie die Netzwerkmanagementfunktionen unter Berücksichtigung der jeweiligen Spannungsverhältnisse praktisch zu gestalten sind und zu gelebten Managementpraktiken werden können.

„Managementfunktionen spiegeln sich also in Managementpraktiken wider .., die sich, in Anlehnung an das strukturationstheoretische Konzept der „sozialen Praktiken (Giddens 1984) durch wiederkehrende, häufig routinehafte Anwendung über die Zeit entwickeln und eine Wirkung entfalten, die beteiligte Akteure nie ganz durchschauen. Oft etwas vorschnell werden solche Praktiken zu Best Practices ausgerufen; vorschnell, weil sie vielleicht nur akzeptable, allenfalls gute Praktiken darstellen, die zudem kontextuell eingebettet und nicht ohne weiteres verallgemeinerbar .. sind“ (Sydow 2006: 62).

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2 Fallstudie 1: Vertikale Integration und kooperative innovative Geschäftsbeziehungen – eine sehr spezielle Strategie

2.1 Die Rahmenbedingungen

„Da ist X tatsächlich wohl ein Sonderfall. Denn die Innovations- oder Verbesserungsvorschläge an einen theoretisch anderen Betrieb, die bleiben bei uns. (…) Wir haben schon viele Dimensionen, aber sägen dann eben doch relativ große Einheiten, verleimen die im eigenen Hobelwerk und schicken es ans Fertighaus. Also, da ist wirklich der Rationalisierungsprozess von oben nach unten und unten nach oben im gleichen Betrieb.“ Y 159

Abbildung 3: Betrachtete Unternehmen der Wertschöpfungskette in der Fallstudie 1; grau:

fokaler Akteur

In der Fallstudie wird der fokalen Akteur und seine Transaktionen mit anderen Geschäftspartnern in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Dieser steht trotz seiner spezifischen Strategie der Integration vieler Fertigungsstufen auch direkt mit den verschiedenen Stufen der Wettschöpfungskette in Kontakt steht.

Beschreibung des fokalen Unternehmen

Das Unternehmen wurde vor mehr als 50 Jahren gegründet und ist seit dem familiengeführt. Zuerst wurden Baustoffe, dann Montagedecken und schließlich Fertigteile für die Industrie produzierten. Ende der sechziger Jahre wurde mit dem Bau von Einfamilienhäusern in Holzständerbauweise begonnen. Heute untergliedert sich das Unternehmen in verschiedene Gruppen, bei denen ca. 1.700 Mitarbeiter in 8 Werken beschäftigt sind. Neben Holz baut das Unternehmen auch mit Beton und Stahl. Die Besonderheit des fokalen Akteurs ist, dass in seinem Unternehmen fast alle Kettenstufen integriert sind: Waldbesitz, Sägewerk, Hobelwerk (Verleimung, Veredlung), Holzbau (Architekten und Zimmerer). Zudem gibt es ein Heizkraftwerk und auch Bauen mit anderen Materialien - Stahl und Beton. Verschiedene Einzelteil eines Hauses werden zugeliefert wie die Fenster und Treppen. Zudem werden auf den verschiedenen Kettenstufen ebenfalls Materialien zugeliefert. So muss das Unternehmen in jedem Fall Holz zukaufen, kauft aber je nach Marktlage auch Schnittholz und andere Sägeprodukte zu bzw. verkauft auch selbst produzierte Ware. Nicht integriert ist die Holzernte und Logistik – hier werden aber Überlegungen dazu angestellt.

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„Vom Sägewerk geht, sagen wir mal, 90 % oder 80 % via Trockenkammer ins Hobelwerk, vom Hobelwerk geht wiederum ein grosser Prozentsatz ins Fertighaus bzw. in den Verkauf, also in den Vertrieb (…). Also, ich denke mal, der Sägewerksaustoss geht sicherlich zu 40 % letztendlich ins Fertighaus. Es werden dann ja noch Dreischichtplatten hergestellt, also die schwachen Rundhölzer gehen zum wesentlichen Teil in die Dreischichtplatte, dann aber auch zeitweilig, wenn der Markt passt, als gehobeltes Sortiment in den Export. (…) Also wir haben ja zwei eigene Kraftwerksblöcke, wo dann Resthölzer hineinlaufen. Und wenn der Markt es hergibt, werden die Hackschnitzel verkauft an die Zellstoffindustrie, und wenn es der Markt nicht hergibt, bleiben sie bei uns und werden verheizt. Das einzige, was das Werk verlässt, ist Rauchgas und ein Haus. Da ist die Wertschöpfungskette eben an einem Ort.(…) Das Sägewerk soll im Prinzip wie ein Profitcenter betrachtet werden. (…). Er kann sagen, jetzt verdiene ich im Sägewerk im Export mehr oder leichter oder besser, als wenn ich innerbetrieblich weiterverkaufe. Und das ist dann immer so dieses Spielen auf dem Markt, dass man sagen könnte, jetzt kaufen wir was zu, jetzt brauchen wir es nicht, jetzt sägen wir selbst, jetzt sägen wir selber nicht so viel, weil das Rundholz teurer wird und kaufen lieber zu.“ (Y 43-57)

Die Zusammenarbeit entlang der Kette mit Ausgangspunkt im Allgäu wird von unterschiedlichen Rahmenbedingungen geprägt. Im Folgenden werden die von den Akteuren besonders betonen Rahmenbedingungen genannt:

• Rückläufiger Markt genehmigter Einfamilienhäuser, d.h. Verdrängungswettbewerb in der Hausbaubranche; Druck auch aus dem Ausland durch billigere Arbeitskräfte und Betriebsspionage

• Starke Holzpreisschwankungen in den letzten Jahrzehnten

• Nachfrage nach Holz steigt und ist größer als das Angebot an Holz: Verkäufermarkt mit starkem Preisdruck; Großsäger haben mit Staatsforstbetrieben langfristige Verträge abgeschlossen, wodurch der verfügbare Umfang an Holz für andere Annehmer wiederum eingeschränkt wird. Holz ist zudem weltweit knapp. Weiter steigende Preise werden erwartet. Es wird z.T. erwartet, dass die großen Sägewerke in Deutschland in Zukunft den Markt diktieren können, wenn der Verdrängungswettbewerb zwischen den Sägewerkern abgeschlossen ist.

• Es wird davon ausgegangen, dass die Nutzung von Holz für Bioenergie (EU gefördert) in Zukunft als konkurrierende Nutzung stärker zunimmt.

• Die entstehenden/entstandenen großen Sägewerke suchen nach Kunden: Abnehmer von großen Mengen sind begehrt.

• Unter den Forstakteuren haben sich verschiedene Netzwerke gebildet, deren Akteure sich untereinander informieren und die zum Teil Kartellcharakter haben: Preise werden deutschlandweit mitgeteilt. Die Forstbetriebe haben ihre Organisationsstrukturen verbessert und flexibler gestaltet. Preisabsprachen werden auch zwischen den Sägewerkern gesehen.

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2.2 Schnittstelle Akteure der biologischen Produktion und fokaler Akteur – Holzverfügbarkeit ein spezifisches Gut?

Im Folgenden wird zunächst die Verbindung des fokalen Akteurs mit seinen Holzzulieferern charakterisiert. Dabei werden zwei unterschiedliche Arten von Geschäftsbeziehungen aufgezeigt: eher durch kompetititves oder kooperatives Verhalten geprägt.

Kompetitive Geschäftsbeziehungen mit Akteuren der biologischen Produktion – marktliche Steuerung

„Der sagt, ich geb Dir nichts. Also ganz einfach. Bezahl mir den Preis, oder ich geb Dir nichts. Und das wird möglicherweise noch schlimmer werden, wenn das nächste Großsägewerk auch noch entsteht.“ Z 163-165

Die Geschäftsbeziehung mit einem Großteil der Akteure der biologischen Produktion wird von dem fokalen Akteur als wenig kooperativ, sondern eher rein preis- und marktbezogen beschrieben. Dabei wird von einem Ausnutzen der momentanen Marktmachtstellung im Rahmen der zur Zeit herrschenden Verkäufermarktes gesprochen. In Zeiten des Käufermarktes, wie in Sturm- und in Käferjahren und dem damit oft einhergehenden Überangebotes an Holz, wäre hingegen von vielen Akteuren der biologischen Produktion eine kooperative Geschäftsbeziehung angestrebt gewesen.

„Man muss natürlich sagen, der Markt hat sich ja ganz stark geändert im Holz. Es ist so, vor ein paar Jahren hatten wir das Thema starke Stürme, Riesenmengen an Holz, was nicht aufgenommen worden ist am Markt, dann Käferprobleme mit dem Holz, und die Zulieferindustrie, also die Forstwirtschaft in der Hinsicht hat lange Zeit natürlich großen Wert auf gute Partnerschaft gelegt. Und hat auch immer alle möglichen Schwüre abgegeben, (…) wie toll sie das finden würde, dass die Firma X so ein zuverlässiger Abnehmer ist etc. etc.; jetzt, wo der Markt sich dreht, also wo die Nachfrage auf Holz größer ist wie das Angebot, oder anfängt, sich dahingehend zu verändern, da merkt man, was die Schwüre wert sind: Nämlich genau das, was ich da schon vorher gewusst hab, nämlich gar nichts. Denn die verkaufen's halt jetzt an den, der am meisten zahlt, fertig aus.“ Z 75

Eine moralbasierte Gegenseitigkeitsorientierung im Verhalten der Akteuren der biologischen Produktion scheint somit weniger eine treibende Kraft des Verhaltens zu sein, als vielmehr eine Eigennutzenorientierung.8

„Sehr einseitig, ja. Gut, aber ich mein, ich hab das, also das hört sich jetzt nach einer Enttäuschung an, ich bin nicht enttäuscht. Weil enttäuscht kann ich nur sein, wenn ich mich vorher hab täuschen lassen. Da ich mich aber hab nicht täuschen lassen, sondern immer gewusst hab, in dem Augenblick, wo die höhere Preise für ihr Holz durchsetzen können, werden sie's gnadenlos machen, und da wird denen das vollkommen wurst sein, wer bisher langer Partner von denen war oder nicht. Das war mir klar.“ Z 83

8 Vergleiche hierzu ZUFO-Arbeitsbericht 13.

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Es werden oligopole Strukturen beschrieben, in Bezug auf Staatswald zum Teil auch monopolartige Strukturen. Zudem wird eine starke Vernetzung der Waldbesitzer konstatiert, die die Peisvariabilität einschränkt.

„(Er) möchte seinen örtlichen Markt nicht durcheinander bringen, er sagt, das erfahren die Waldbesitzer dann wieder, wenn ihr jetzt da einen hohen Preis bietet und das Holz mir liefert, das kriegt er dann letztendlich doch vielleicht mit, dann rechnet da jemand zurück und sagt, das kann gar nicht sein, du, X, du bist böse, du (bietest dem …) einem viel besseren Preis wie mir, und wenn er viele Mengen vor seiner Haustür kauft, dann ist die Gefahr, dass er sich mit einer solchen Aktion den gesamten Markt (durcheinander bringt). Der Forst (funktioniert) schon sehr stark wie ein Kartell (...) Es gibt auch verschiedene Zirkel und die informieren sich. Ich habe einen neuen Preis, Cc an alle, e-mail macht es möglich, (…) in Schwarzwald ein Angebot macht, kriegt es unserer Gebietsleiter im tiefsten Bayern, vor die Nase gehoben. Es ist wirklich so, diese Kartelle auf verschiedenen Ebenen funktionieren relativ gut, also um den X herum die ganzen Forsthändler, die haben sich zusammengetan, wenn der eine was erfährt, da steht die Alb auf.“ M 42

Zusätzlich schränkt die Entstehung von Großsägewerke und deren z.T. langfristige vertragliche Verbindung mit dem Staatswald den Markt ein, der meist aufgrund hoher Transportkosten von Rundholz räumlich begrenzt ist. So gibt es häufig eine räumliche „Aufteilung“ der potentiellen Zulieferer, was auf eine gewisse Standortspezifität von Holz und dessen Verfügbarkeit hinweist. In Kombination mit einer Rohstoffknappheit im Umkreis der holzabnehmenden Unternehmungen wird von dem fokalen Akteur eine gewisse Abhängigkeit von den entsprechenden Akteuren der biologischen konstatiert.

„Wir sind vom Waldbesitz abhängig, im Moment, und der nicht von uns. Also wir sind extrem von den drei Landkreisen abhängig, in denen wir schon immer Holz gekauft haben, weil die anderen Landkreise von den anderen Sägeindustrien im Prinzip genauso besetzt sind wie unsere Landkreise.“ Y 60 - 161

Der fokale Akteur bezieht sein Holz von allen Waldbesitzarten und z.T. – vor allem durch die spezifische Strategie eines Holzbündlers – auch über die Region hinaus. Nichtsdestotrotz wird eine Abhängigkeit von den Akteuren der biologischen Produktion gesehen, denen z.T. auch eine Gleichlosigkeit in Bezug auf die Weiterverarbeitung des Holzes zugeschrieben und eine reine Preisorientierung zugeschrieben wird. Neben der Problematik der eigenen Ressourcensicherung wird von Seiten des fokalen Akteurs hier auch ein Einbussen von organisatorischem und technischem Innovationspotential gesehen.

„Da ist es natürlich so, zunächst mal ist der Holzlieferant, wenn nicht da ein Kopf dahinter steht, der sich sehr viel Gedanken drüber macht, rein daran interessiert, sein Holz zu verkaufen. Was dann damit passiert, da gibt's nur ganz wenige, die das wirklich interessiert. Wenn da mehr Gedanken sich dahingehend von der Seite gemacht würden, dann könnte man da sicher auch noch einiges verbessern. Aber das sehe ich noch ganz am Anfang einer verbesserten Ideenkette. Augenblicklich geht's darum, wer kann wo sein Holz am besten und zum teuersten Preis verkaufen. Das ist natürlich eher kontraproduktiv für Entwicklungspartnerschaften.“ Z 37

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„Weil das Hauptproblem liegt einfach da dran: Ein Staatsbetrieb, – und ich mein, die Forstwirtschaft ist ja noch groß in Staatsbetrieben organisiert – den Ministerialdirigent oder den was weiß ich für Beamten, dem ist das doch vollkommen wurst, der kriegt jeden Monat seine Alimentierung, und ob der jetzt viel Holz an uns verkauft oder wenig Holz an uns verkauft, das interessiert den natürlich schon ein bisschen im gewissen Grad, aber so ganz wichtig ist ihm das nicht.“ Z 87

Den Akteuren der biologischen Produktion wird zudem eine mangelnde Kundenorientierung vorgeworfen – vor allem in Bezug auf die Lieferkontinuität. Da aus ökologischen Gründen der Holzeinschlag nicht im Sommer erfolgen soll, wird im Frühjahr sehr viel Holz im Sommer sehr wenig Holz angeboten. Eine Möglichkeit dies auszugleichen ist es, Holz auf Nasslagerplätzen zu lagern und bei Bedarf die Lager sukzessive aufzulösen. Dies wird meist nicht von den Waldbesitzern gemacht, sondern vom Holzhaushersteller. Auch hier wird die Marktmacht der Akteure der biologischen Produktion deutlich.

„Wir als Kunde werden von den Forstbetrieben, in der Regel muss man fast sagen, nicht als Kunde betrachtet, sondern die betrachten sich als Kunde von uns, was schwer zu verstehen ist. Wenn wir sagen, Leute, wir nehmen Euch das Holz im Januar ab, wenn es auch viel zu viel ist, aber dann müssen wir es auf einen Wasserlagerplatz bringen und zwischenlagern, damit wir es im Sommer oder im Herbst sägen können. (…) Sie müssten ein Interesse daran haben, uns monatlich gleichmässig zu beliefern, also sie tun das Holz auf einen Wasserlagerplatz. Das machen die nicht. Da sagen die, das ist uns doch egal. Ihr wollt das Holz, also tut ihr es auf den Wasserlagerplatz. Das heisst, wir kaufen mutwillig zu viel Holz im Januar, fahren es auf eigene Kosten in den Nasslagerplatz, pachten den selbst, um es dann später zu holen. (…)Das ist frustrierend. Ehrlich. Also die Notwendigkeit, einen potenten Kunden zu halten, wird von den Waldbesitzern nur in großer Not erkannt. Und die große Not ist ein Sturm oder ein Käferjahr. Und sonst ist der Waldbesitz in der Regel sehr vergesslich.“ Y 71

„An der Schnittstelle zu den Forstbetrieben gibt es häufig Probleme. Häufig sind die Forstleute nicht an Kooperationen interessiert oder verhalten sich wenig loyal gegenüber Ihren Kunden. Es werden auch teilweise zu hohe Ansprüche an die Holzabnehmer gestellt was die Schnelligkeit der Holzabfuhr und der Abrechnung, sowie die entnommenen Holzmengen betrifft. Dazu sind viele Forstleute nicht bereit Kompromisse einzugehen, sondern unterbrechen im Falle von Meinungsverschiedenheiten rasch die Zusammenarbeit. Dieses einzelgängerische Verhalten ist in der Branche besonders bei den Forstleuten zu beobachten.“ M 62

Die voranstehenden Ausführungen machen die momentane rohstoffbezogenen Abhängigkeit des fokalen Akteurs von den Akteuren der biologischen Produktion deutlich.

Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, das der Holzpreis unter anderem durch Kalamitäten starken Schwankungen unterworfen sein kann, wodurch es bei einer reinen Ausrichtung am Preis und dem stetigen Wechsel der Geschäftspartnern zu hohen

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Neuverhandlungskosten kommt kann.9 Zudem wird von verschiedenen Akteuren die Entwicklung erwartet, dass nach „Abschluss“ des Verdrängungswettbewerbes bei den Sägern, hauptsächlich die Großsägewerke überdauern, neben sehr spezialisierten Kleinwerken, die dann die Möglichkeit haben, einen starken Einfluss auf den Holzpreis zu nehmen.

Dies würde eher für eine kooperative Ausrichtung der Waldbesitzer als langfristige Strategie sprechen. Da entsprechende Bemühungen seitens des fokalen Akteurs jedoch oft gescheitert sind, hat dieser verschiedene alternativ Strategien entwickelt.

Strategische Reaktionen des fokalen Unternehmens im Abhängigkeitsverhältnis

Es lassen sich von allem drei Strategien identifizieren, mit denen der fokale Akteur versucht auf das beschriebene Marktmachtverhältnisse zu reagieren, um sich seine Rohstoffversorgung zu sichern.

(1) Es wird versucht, sich mit einen „mächtigen“ Partner zusammenzuschließen und eine Regelung zur „Aufteilung“ der Ressourcen zu bewirken.

„Wir haben neulich ein Gespräch gehabt, das haben wir auch versucht, mit einer großen Papierindustrie und haben gesagt, hört mal, wir tun uns zusammen. Wir sägen, ihr Papier, wir haben keine gemeinsamen Interessen in Sachen, wo wir uns streiten müssten. Wir wollen aber das Holz. Tun wir uns doch zusammen, wir nehmen einen Einschlagunternehmer, den ihr auch akzeptiert, dann lasten wir die Lastfahrzeuge aus, (…), und wir bieten konzentriert in einem Gebiet zwischen uns zweien das Holz, dass kein anderer mehr reinkommt. Dann sagte dieser Papiermensch, mache ich nicht, kein Interesse dran, mit seinem Konzern im Rücken. Wir sind für den Peanuts. Dann sagte ich, ja, aber warum denn, Mensch, das Holz wird doch knapp, Ihr müsst Euch doch so einen Partner suchen. Was macht Ihr denn, wenn das Papierholz richtig teuer wird? Dann müsst Ihr doch rauf im Preis, sagt er, nein, wir halten unseren Preis und decken dann eine Bedarfspitze mit überteuertem Holz aus dem Ausland. Das machen die. Die sagen dann, der Waldbesitz der Württemberg kriegt seine 35 Euro, mehr nicht, und wenn wir 50 zahlen müssten, zahlen wir die 50 lieber in Frankreich oder in Schweden, als dass wir denen die 50 geben, denn wenn wir dem ersten hier 50 geben, dann haben wir es flächendeckend zementiert.“ Y 102

9 „Ja. Also, ich denke, das ist halt die Frage des guten Willens und mit Goodwill gewinnen Sie heute keinen, bestimmt nicht.

Entweder es wird bezahlt oder nicht. Das, glaube ich, ist knallhart. Vielleicht ist das in dieser rohstofforientierten Branche

so. Die Preise sind ja immer extremen Schwankungen unterworfen und nie ist eine Seite bereit zu sagen, so, und jetzt

machen wir dieses Schwankung mal nicht mit, sondern vor Lothar hatten wir, jetzt in Euro umgerechnet, nahezu 100 Euro

für den Festmeter. Im Sturm hatten wir 20 Euro oder vielleicht ein Jahr später für die schlechtesten Sortimente. Und jetzt

sind wir wieder bei 70 Euro. Jetzt sagt der Waldbesitz, wir müssen auf die 100 wieder ran. Und ist knallhart. Und ich sage

Ihnen eines, beim nächsten Sturm werden wir sagen, zack, runter, runter, an die Wand. Und das ist, also, ja,

frühkapitalistisches Verhalten.“ Y 175

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(2) Es wird versucht über längerfristige formale vertragliche Regelungen („neoklassische Verträge“) bis hin zu detailliert ausformulierten Verträgen (in Richtung „klassische Verträge“), die Waldbesitzer an sich zu binden.

„Wir haben nach Lothar mit diesen Betrieben oder im Lotharsturm sozusagen, ja, würde ich aus heutiger Sicht sogar sagen, richtig Knebelverträge aufgesetzt. Wir haben gesagt, wir nehmen Euch das Sturmholz ab, wenn Ihr uns in Zukunft regelmässig beliefert und zwar richtig mit großen Mengen. Und das hat funktioniert, gut durch die Käferjahre war es denen sowieso ganz recht, aber jetzt läuft es aus. Jetzt wird es immer schwieriger für uns diese alte Vereinbarung einzufordern. Es weicht einfach auf und zwar wegen, wegen ganz geringer Beträge nur. Wenn also ein anderer Holzbetrieb 50 Cent mehr bietet, dann kriegt er das Holz oder wir kriegen es erst mal nicht. Und das, ja, das ist jetzt sieben Jahre nach Lothar so. Also, die Halbwertszeit von vertraglichen Bindungen oder diesen Gegenseitigkeitsbindungen ist sehr gering. Ist nichts von Dauer, bestimmt nicht.“ Y 163

„Und wir versuchen uns schon mit Jahresvertragsmengen wenigstens auf die Menge abzusichern, dass die wenigstens das Holz machen und wir dann im September über den Preis reden. Jetzt haben wir es geschafft, den Preis bis Ende September zu binden, aber jetzt überholt uns gerade die Marktsituation, dass die Nachfrage so stark ist, dass wir unter Umständen einen Bonus zahlen müssen, damit die Septembermenge möglichst früh kommt. Das ist also, selbst Verträge, wo die Preise fest sind, sind in Gefahr überholt zu werden.“ Y. 69

(3) Es wird über die Möglichkeit nachgedacht, durch eine weitere vertikale Integration die Wettbewerbsvorteile von anderen Unternehmen auszugleichen und so eine Möglichkeit zu haben, sich Holzressourcen zu sichern.

„Wissen Sie, die [Staatswald] haben ihre kameralistische Struktur im Hintergrund. Die haben ein Budget. Die haben zum Beispiel auf den Landratsämtern kein Geld, um Einschlagunternehmer zu bezahlen. Dabei könnte man sagen, zahlt sie doch, ihr kriegt das Geld doch wieder. Ihr kriegt ja unser Protokoll, unsere Abrechnung, dann habt ihr die Kohle. Geht nicht. Das geht nicht. (…). Nein, die können es nicht vorfinanzieren. (…) Wenn die eine Haushaltssperre haben und dafür keinen Titel, dann geht’s nicht. (…) Das führt dann dazu, dass die dann den Unternehmern das Holz auf dem Stock verkaufen. Und das ist dann die grosse Stunde dieser riesigen Servicegesellschaften, die wiederum in der Kette von Großindustrien sind. Und die machen dann das Rennen. Das hat Klenk erkannt mit seiner TTW. Oder geben StoraEnso oder eben UPM jetzt mit der Versorgung für Binder. (…) Wir müssten dann eigentlich jetzt auch einen Selbstwerber kaufen oder integrieren zu uns und sagen, jetzt bebietet X das Holz auf dem Stock, weil wir genau wissen, die auf dem Landratsamt (..) haben einfach nicht das Geld, um den Einschlag vorzufinanzieren. Und wir überlegen es wirklich, ob wir es machen sollen. Das wir einen Unternehmer nehmen und sagen, hier komm, Firma B. oder wie auch immer, wir beide bedienen jetzt das Holz. Diese Überlegung machen wir uns gerade, auch heute wieder haben wir oben gesessen und gegrübelt, was können wir tun. (…) Mittlerweile haben wir ja oligopolistische Strukturen, im Grunde bleibt

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den Leuten gar nichts anderes mehr übrig, als sich irgendwo zu binden, denn sonst werden sie vernichtet. Und, das ist gerade so im Umbruch. Wir haben da keinen freien Markt eigentlich, nicht mehr.“ Y 96-98

Innerhalb der betrachteten Fallstudie bestehen zwischen dem fokalen Akteur und einigen Waldbesitzern jedoch vereinzelt auch kooperative Beziehungen, die im Folgenden beschrieben werden.

Kooperative Geschäftsbeziehungen mit Waldbesitzern

Wie würden sie die Geschäftsbeziehung mit der Firma X beschreiben? (…) „Das ist nur Vertrauen, in Guten wie in schlechten Zeiten (...). Die feststehenden Grundsätze, die muss man halt einhalten, einfach der Anstand. Wenn man sich gegenseitig respektiert und akzeptiert, versucht dem anderen zu helfen, wenn er ein Problem hat, dann gewinnen beide überdurchschnittlich.“. Z 22, 23

Neben der kompetitive Geschäftsbeziehungen mit Waldbesitzern bestehen auch kooperative Geschäftsbeziehung beispielsweise zu vier Holzzulieferern, von denen alle größere Mengen an den fokalen Akteur liefern.

• Privater Waldbesitzer mit eigenem Einschlagsunternehmen (vertikal integriert)

• Holzbündler (v.a. Großprivatwald)

• Zwei kommunale Forstbetriebe

Diesen Holzzulieferern ist die momentane Marktsituation bewusst, dennoch werden verschiedene Aspekte gesehen, die eine kooperative Beziehung vorteilhaft scheinen lassen.

„Der Waldbesitz kommt eindeutig am längeren Hebel. Das zeigt sich in den Preissteigerungen, die schon nicht nachvollziehbare Preissprünge sind. Im Moment ist die Macht bei uns. Der Bedarf ist höher als die Liefermöglichkeit, nach Angebot und Nachfrage, vor fünf Jahre, nach Lothar war es anders, jetzt ist es wieder so rum. Das ändert sich aber wieder, da bin ich fest davon überzeugt. Spätestens dann, wenn die geplanten Investitionen in Süddeutschland alle vollzogen sind, und das führt dann dazu, dass irgendwann am Markt große, dicke Scharke sind (…) und vielleicht noch ein oder zwei kleinere, die durch nachgeschaltete, andere Produktionsmöglichkeiten sich am Markt behaupten können, und die diktieren dann.“ B 25

Als Anreize für die Holzzulieferer eine kooperative Geschäftsbeziehung anzustreben, können insgesamt von allem folgende Aspekte identifiziert werden: Zum einen die Absatzsicherheit bei Auftreten von Kalamitäten und verbunden mit der Annahme, dass sich die Marktmacht aufgrund sich ändernder Abnehmerstrukturen wieder ändern wird; zum anderen die Möglichkeit Kosten durch einen stetigen Geschäftspartner einzusparen, der größere Mengen

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abnimmt10 und dessen Kontaktperson in ihrem Verhalten bekannt ist.

Dieses kooperative Verhalten kommt zum einen zum Ausdruck durch eine langjährige Zusammenarbeit, bei der die Preise in einem bestimmten Preiskorridor gehalten werden.

„Ich bin der einzige, der bei ihnen einen Halbjahresvertrag hat mit dem Holzverkauf. Und trotzdem kann man den Preis nochmal nachverhandeln, wenn der Preis anzieht, da kommt die Firma X dann von sich aus und sagt: ‚da kriegt ihr nochmal was, weil ihr seid unser zuverlässigster Lieferant’, die wollen uns ja nicht verlieren, im Gegenteil.“ Z 25

Zum anderen kommen sich die Geschäftspartner in verschiedenen Aspekten entgegen. Interessant ist dabei, dass beispielsweise auch Leistungen erbracht werden, die der fokale Akteur bei den eher kompetitiv ausgerichteten Akteuren bemängelt hat.

„Das ist Wertschöpfung. Umsägen, nachladen (…) und dann geht es direkt ins Werk oder es wird ins Nasslager reingefahren und das heißt, dass wir da auch extra kosten haben, aber das ist viel billiger, als wenn die Qualität im Wald kaputt geht. Und die Firma X schätzt, dass sie eine ganzjährige Belieferung hat. Da können wir dann bis zu 20.000 fm reinlegen [ins Nasslager]. Zur Zeit haben wir 5.000 fm drinnen liegen und die Firma X holt es sich dann, wenn sie es braucht.“ Z 21

„In einer guten Partnerschaft muss man nicht nur die momentane Geschäftslage im Auge behalten, in der man eventuell mit einem anderen Geschäftspartner bessere Preise erzielen könnte, sondern eine langfristige Konstanz aufrechterhalten, weil man in schlechteren Zeiten wieder Vorteile durch die Partnerschaft haben wird. Dabei ist es wichtig, dass eine solche partnerschaftliche Geschäftsbeziehung auf gegenseitigem Vertrauen basiert und nachvollziehbar und offen bleibt.“ K 24, 25

Interessant ist zudem eine weitere vertikale Verbindung zwischen zwei Holzzulieferern und dem fokalen Akteur über ein Holzeinschlags- und Holztransportunternehmen, die allen beteiligten Vorteile bringt. Diese Verbindung ist aber nur möglich, da zwischen dem fokalen Akteur und den Holzzulieferern, sowie zwischen den Holzzulieferern und dem Holzeinschlagsunternehmen einen vertrauensvolle kooperative Beziehung besteht. Diese Verbindung ist von informeller Art auf der Grundlage von mündlichen Absprachen. Die Waldbesitzer vertrauen dem Holzeinschlagsunternehmen und verlassen sich auf dessen Entscheidungen.

Da kommt noch was anderes dazu, da ist eine dritte Firma. Steht nicht im Vertrag, aber ist mündlich (…) und gehört dazu. (..). Also, die Firma X nimmt unser Holz ab. (…) Da ist jetzt aber eine dritte Firma beteiligt (…). Diese dritte Firma arbeitet das Holz auf, und liefert es an die Firma X. Das heißt, die Firma X weiß, was der

10 „Wir haben auch andere Vorteile, wenn wir nur mit einem oder fast nur mit einem kooperieren. Das ist einfach

der kurze Weg, zu einer Person uns nicht zu vielen. Wenn man mit vielen so viele kleine Unstimmigkeiten

ausbügeln müsste, ist es wieder Reibung. Wir sehen schon in dieser Abnahme unsere Hauptmaß eine relativ

schlanke Angelegenheit. Man kennt sich, man kennt auch den Kaufmann, der dieses bearbeitet. (…) Es ist

leichter und eleganter. Und das ist für uns auch wichtig.“ K 21

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aufarbeitet, muss auch an die Firma X gehen, er weiß, dass er bei uns Arbeit kriegt und den Preis, den wir aushandeln mit Firma X, den Preis bekommt er abzüglich der Aufarbeitung. (…) Der Unternehmer ist ein sehr gewissenhafter, verlässlicher Unternehmer, der uns Protokolle aus der Maschine bringt bzw. (…), auf den wir uns 100%-ig verlassen können. Der verlässt seinen Arbeitsplatz so, wie man es erwartet, da braucht man nicht, auf jede Kleinigkeit zu achten, die man sonst mit im Vertrag mit aufnehmen müsste (…). Und der hat es logistisch so weit drauf, dass Firma X da wirklich zufrieden ist. Der kriegt von mir, deswegen kommt er auch gerne hierher, gut vorbereitete Bestände, der kann Tag und Nacht fahren (…) mit so viel Erfahrung, und ich denke, dass haben wir in den letzten fünfzehn Jahren bewiesen, (…) da brauche ich nicht, jeden Tag zu kommen und kontrollieren, da ist ein Vertrauensverhältnis, das sich über viele, viele Jahre ergeben hat und gefestigt hat. Er kommt zu uns zwei, drei Mal im Jahr, so blockweise, aber auch nicht bloß wegen uns, er tut es in der Runde einarbeiten, (…) die er dann macht im Zusammenhang mit F. [angrenzender Waldbesitzer, ebenfalls Zulieferer von X], ohne dass wir uns jetzt groß absprechen, funktioniert es. Sie sind eine Verwaltung für sich, und wir sind eine Verwaltung für sich. Er ist derjenige, der in Abstimmung mit unseren Zielen dann Mitte Januar kommt, oder Anfang Februar, das ist eine Kleinigkeit, eine Woche hin oder her. Mal habe ich Glück, mal hat F. Glück.“ K 13

Auch mit einem anderen Holzzulieferer besteht eine kooperative informelle Verbindung über einen Holzunternehmer mit dem fokalen Akteur. Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig das persönliche Kennen der beteiligten Personen zu sein scheint:

„Dazu gehört auch der Versuch, mit den Sägewerken Beifuhren zu optimieren, dass man Frächter findet hier in der Nähe, wo man das Holz herbringt, das funktioniert bei Firma X ganz gut. Da gibt es auch einen Frächter, der fährt zum Y (…), und nimmt auf dem Rückweg bei mir Kurzholz mit. Der versucht, die Leerfahrten zu minimieren.“ …“Ich bemühe mich, zu den Frächtern gute Verbindungen zu haben. (…). Wenn der Fuhrmann anruft, was schon vorgekommen ist in den Käferzeiten, und sagt, er hat Rückfracht vom B. und (kann) bei mir Holz laden, da sage ich, kein Problem. (...) Und es ist entscheidend, dass ich weiß, wo er war, wo kommt er her. Weil ich dann weiß, der kommt im Regelfall von der Firma B. (…). Dann rufe ich beim X an und sage, die und die Spedition kommt beim B., (….), schwätz doch mal mit dem, ob er bei dir Kurzholz bringt. Er hat dann eine Leerfahrt weniger oder zumindest einen Teil einer Leerfahrt weniger, und die Fracht ist um einen Euro günstiger. Und die machen es dann im Regelfall so. Also ich versuche es zum Teil übers Werk und zum Teil über Frächter. Mir persönlich ist es wichtig, dass ich die Fuhrleute kenne. Dass die mich kennen, dass sie gerne zu uns kommen.“ B 17,76

Nun stellt sich die Frage, weshalb die Akteure der biologischen Produktion z.T. kompetitve und z.T. kooperative Ausrichtungen haben, und ihre Vorteile so unterschiedlich einschätzen. Auffällig bei den kooperativen Akteuren ist, dass sie ein entsprechendes Verhalten auch bei anderen Geschäftsbeziehungen beschreiben und hier die Qualität der Leistungen der Partner betonen. Auch der Umgang innerhalb des Unternehmens mit Mitarbeitern wird oft entsprechend beschrieben.

„Egal ob mit der Firma X, mit den Fuhrleuten, mit den Rückern, mit den eigenen

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Leuten, es entwickelt sich eine wahnsinnig positive Energie und die ist meist sehr effizient, ich weiß aber teils nicht einmal warum. Aber irgendwie funktioniert es dann, also Sachen wo man denkt das geht nicht, das geht dann trotzdem. Partnerschaft ist wichtig (...).“ Arbeiten Sie mit externen Dienstleistern? „Ja klar, eine ganz feste Firma, also keine Ausschreibungen, sondern ganz feste Unternehmer, auch wieder langfristige Partnerschaften. Wo für uns ganz gute Sätze sind, aber auch für die, weil die keine großen Reisekosten haben, die wohnen direkt um's Haus. Von daher sind wir da perfekt abgedeckt. Wir haben nach der Reform auch sehr viele ausgesiebt. Da wollten wir nur noch die Guten haben, die sollen da anständiges Geld verdienen und dafür hochwertige Arbeit bringen (...). Wir binden die Unternehmer langfristig, eine win-win Situation für beide Seiten. Einen (speziellen) Lohn haben wir eingeführt (und eine) Schnittstellenanpassung mit X das haben wir jetzt hingekriegt, das ist z.B. so etwas was ich meine mit ,Kooperation.’“ Z 9 - 12

Betrachtet man die Geschäftsbeziehungen im Hinblick auf ihre vertragliche Gestaltung, so sind unterschiedliche Ausprägungen zu erkennen. Während mit Holzunternehmen im Einschlags- und Logistikbereichs nicht selten eher informelle Absprachen getroffen werden, legt das fokale Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit den Holzzulieferern wert auf eine formale langfristige vertragliche Regelung. Die scheint allerdings mit den kooperativen Akteuren eher die Funktion von Rahmenverträgen, z.T. mit symbolischer Wirkung zu haben, die auch dazu genutzt wird, Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern aufzubauen. Diese Verträge haben somit eher relationalen Charakter.

„Und diese Zusammenarbeit, die hat sich vor zwei Jahren dann dahingehend gefestigt, dass wir eine Art Kooperationsvertrag abgeschlossen haben, und der sieht so aus, wir legen offen unseren Betriebsplan, die Firma kann sehen, was wir an Stammholz produzieren. (…) Das darf er sehen, hat er bisher noch nie verlangt, er glaubt uns das. Kriegt er alles, wenn er sagt, er ist gerade ziemlich voll, ob es auch noch andere Möglichkeiten gibt, das Holz runter zu bringen, versuchen wir das, im Gegenzug brauchen wir die Zusage, dass wenn uns etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommt, und von dem haben wir in letzter Zeit einiges gehabt, 1996, 1997, 2000, dann (ist…) die Firma redlich, das Holz abzunehmen.“ K 11

„Also, wir haben zwar einen Kooperationsvertrag, aber das ist keine Ehe. Wenn irgendwas passiert, sind genug andere Interessenten in der Umgebung, die unser Holz auch gerne (nehmen…). Also wen die Firma X (…) sagt, nur wir kriegen Holz oder wir hören auf zu produzieren (oder) wir kaufen alles (..) zu, dann geht für uns die Welt nicht unter. Wir sind in einem Gebiet, wo man relativ gut versorgt ist mit Werken, die auch schon in der Planungsphase mit uns (…), um eventuell auch kleine Massen (…) noch zu kriegen. Ich sehe da nicht so große Abhängigkeit. Insofern ist es zwar ein Vertrag, aber irgendwo ist es doch ein lockeres Verhältnis. (…) Inzwischen hat sich das [die Marktlage] ein bisschen verschoben, aber das können wir jetzt nicht ausnutzen, das kann in ein paar Jahren wieder anders sein, wenn der Verdrängungswettbewerb funktioniert, dann könnte es wieder anders kommen. Eine gewisse Konstanz muss man einfach bringen. Da muss man auch bereit sein, mal zwei Euro weniger zu kriegen für diese Leistungen, im anderen Fall kriege ich dafür (drei) Euro mehr. Und wenn das alles nach dem Rahmen abgeht,

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der nachvollziehbar ist und offen, und irgendwo auch recht vertrauensvoll (…). Wir haben uns gebunden, Firma X mit dem Interesse versorgt zu sein, und wir mit dem Interesse in schlechten Zeiten Absicherung zu haben.“ K 22 – 27

Kooperationen können somit durch Formalisierung der Spielregel eine gewisse Festigkeit erhalten, durch die z.T. Transaktionskosten gespart werden können. Dabei unterscheiden sich die Geschäftsbeziehungen hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung von Spielregeln, d.h. der Häufigkeit von Kontakten, Liefergewohnheiten u.ä..

Trotzdem die Holzzulieferer z.T. sehr große Mengen an den fokalen Akteur liefern sehen sie sich aufgrund der hohen Nachfrage nach Holz längerfristig betrachtet jedoch in keinem direkten ökonomischen Abhängigkeitsverhältnis zu dem fokalen Akteur. Kurzfristige Abhängigkeiten werden oft akzeptiert, da verschiedene Vorteile sich kooperativ zu Verhalten gesehen werden, die immer wieder mit der Unsicherheit der biologischen Produktion und Kostenersparnisse durch ausbleiben von Neuverhandlungen in Verbindung gebracht werden.11

„Das ist keine Abhängigkeit. Klar, wenn X morgen nicht mehr Säger sein würde, dann müsste ich mich umschauen, aber dann tun sich wieder neue Wege auf. Das sind für mich keine Engstellen, im Gegenteil. Das sagt bei uns intern der Beirat auch manchmal 'man muss aufpassen, dass man sich nicht zu stark an jemanden bindet' aber auf der anderen Seite, wenn morgen Sturm kommt, da kriege ich so oder so weniger Geld, aber da wird mir auch die Firma K. nicht mehr bezahlen oder eine österreichische Firma, im Gegenteil, die will mich dann noch mehr übers Ohr hauen, da fahr ich mit einer festen Beziehung am besten.“ Z 31 - 32

Ein Geschäftspartner der qualitativ eine gute Leistung erbringt, motiviert damit zu einer langfristigen Festigung der Geschäftsbeziehung. Besteht ein gewisses Vertrauen zu dem Geschäftspartner, so scheinen Bedenken, wegen Abhängigkeiten in den Hintergrund zu treten. Relationale Beziehungen gewinnen an Bedeutung, dabei spielt das persönliche Untereinanderkennen, gute Erfahrungen und der zwischenmenschlichen Beziehung, scheinbar eine besondere Rolle.

„Das liegt aber immer an den Leuten, nicht an der Firma, immer der Einkäufer und der Verkäufer, das sind die Leute, die maßgebend sind. Wenn die wieder in ihrer Firma den Rest "zwingen" [im sinne von: einen guten Einfluss auf die Mitarbeiter ausüben]. Wir haben das mit mehreren.(…) Mit der Firma E. schaffen wir auch sehr gut zusammen, aber das liegt auch nur am Einkäufer, das ist ein topp Einkäufer, sehr ehrlich, grundanständig, das passt. Hier waren wir mit D. nicht so einig, weil es ein anderer Einkäufer ist. Grundsätzlich liegt es immer an den paar Leuten die sich treffen: ‚kann ich mit dem oder nicht’?“ Z 25

11 Ein weiterer spezifischer Vorteil durch den fokalen Akteur scheint eine termingerechte Bezahlung zu sein. „Und

dem Waldbesitzer eine ganzjährige Holzabnahme und vor allem eine gesicherte Bezahlung [zu garantieren].

Denn die Eigenkapitalquote der Sägeindustrie ist eine äusserst geringe. Aber die Eigenkapitalquote bei X

insbesondere ist eine sehr hohe. Das heisst, vom Finanziellen oder von der Sicherheit her betrachtet, ist X

sicherlich einer der besten Kunden, den die Waldbesitzer haben können.“ Y 159

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Nichtsdestotrotz scheint ein Kosten-Nutzen-Denken für ein entsprechendes Verhalten entscheidend zu sein, oft wird von Win-Win Situationen gesprochen.

„Ja, also die beste Geschäftsbeziehung ist immer die Win-Win-Situation. Also das ist für mich eigentlich eines der Maxime, nach denen ich selber denke. Also es muss für alle, die in der Kette mit dabei sind, muss was Vernünftiges dabei rauskommen.“ Z 93

Zwischenfazit – Ist Holzverfügbarkeit ein spezifisches Gut?

Betrachtet man die voranstehenden Ausführungen, so scheint mit der Holzverfügbarkeit aufgrund der Standortgebundenheit und der hohen Transportkosten eine gewisse Standortspezifität verbunden zu sein, die in Verbindung mit einer Rohstoffknappheit im Umkreis des holzabnehmenden Unternehmens zu einem Abhängigkeitsverhältnis des fokalen Unternehmens von den Akteuren der biologischen Produktion führt.12 Vergleicht man das Verhalten der eher kompetitiven Akteure mit dem der eher kooperativen Akteuren, so zeigt sich, dass erstere diese Situation ausnutzen um über ihre Marktmacht höhere Preise zu erzielen, während letztere aufgrund der mit dem Wirtschaften mit der Ressource Wald verbunden besondere Unsicherheit, der erwarteten Marktentwicklung (Dominanz von Großsägern) und Kostenüberlegungen (Verhandlungskosten) eher eine kooperative Organisation der Transaktion mit dem fokalen Akteur anstreben. Nun stellt sich die Frage, weshalb die Anreize der Akteure der biologischen Produktion so unterschiedlich ausgeprägt sind. Hier kann spekuliert werden, dass es zum einen an der persönlichen Prägung der Verantwortlichen liegt („Also die Notwendigkeit, einen potenten Kunden zu halten, wird von den Waldbesitzern nur in großer Not erkannt. Und die große Not ist ein Sturm oder ein Käferjahr. Und sonst ist der Waldbesitz in der Regel sehr vergesslich.“ Trifft das denn auf alle Waldbesitzarten zu? „Es ist personenabhängig.“ Y 71-74), und der dadurch geprägten Präferenzen im Umgang mit Geschäftspartnern. Betrachtet man die Rahmenbedingungen, könnte man zum anderen auch annehmen, dass die Akteure der biologischen Produktion aufgrund der erwarteten immer größer werdenden Nachfrage nach Holz auch auf dem globalen Markt und der Tatsache, dass die Preisschwankungen von Holz nach dem Sturm Kyrill nicht die Ausmaße hatten wie beispielsweise bei dem noch weiter zurückliegenden Sturm Lothar, annehmen, dass ihre Marktmachtposition ein langfristiger Zustand ist. Diese Ausführungen gehen von einer stark nutzenorientierten Motivation des Verhaltens der Akteure aus. Betrachtet man verschiedene Aussagen der kooperativen Akteure und geht von einem stakt personenabhängigen Verhalten aus, so scheinen aber auch moralische Aspekte eine wichtige Rolle zu spielen (siehe Eingangszitat).

Insgesamt lässt sich sagen, dass der fokale Akteur aufgrund der Spezifität der Holzverfügbarkeit gezwungen ist, die Geschäftsbeziehung mit den Akteuren der Holzproduktion auf unterschiedliche Weise zu organisieren. Dabei strebt er kooperative Beziehungen an, die sich aber oft nicht umsetzen lassen. Als Ausweichstrategie wird die vertikale Integration mit Holzunternehmern gesehen, um den Waldbesitzern ein „auf den Stock Kauf“ anbieten zu können. Ein Kauf von Wald ist aufgrund der geringen Verfügbarkeit am Markt eher keine Option.

12 Vergleiche hierzu auch die Ergebnisse des ZUFO-Arbeitsberichtes 13.

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Im Folgenden werden nun Geschäftsbeziehungen mit anderen Akteuren der Wertschöpfungskette betrachtet.

2.3 Weitere Zulieferer: Kooperative Geschäftsbeziehung trotz Abhängigkeit?

Würden Sie denn sagen, dass das auf der Seite mit dem Treppenbauer oder Fensterbauer Abhängigkeiten gibt? „Ach, ich mein, wir sind ein Großabnehmer bei denen. Und wenn wir nicht so viel abnehmen, dann ist das, dann spüren die das. Also insofern gibt's Abhängigkeiten. Aber die Abhängigkeiten sind nicht so, dass das für die jetzt existenzbedrohend ist – aber natürlich, abhängig sind wir alle irgendwo.“ Z 54-55

Die Zusammenarbeit mit Zulieferern aus anderen Bereichen wird zum Teil auch sehr unterschiedlich beschrieben, allerdings wird ein eher kooperatives Verhalten von Seiten des fokalen Akteurs geschildert. Betrachtet man die angespannte Konkurrenzsituation beispielsweise unter den Sägewerken und Holzfensterbauern, so kann dies auf eine gewisse Abhängigkeit der Zulieferer vom fokalen Akteur zurückgeführt werden. Es scheinen ökonomische Abhängigkeiten von dem fokalen Akteur zu bestehen, allerdings zu unterschiedlichem Ausmaß. Bei den Unternehmen, die in der Fallstudie untersucht wurden, kann dabei von einer mittleren Abhängigkeit gesprochen werden; wenn das fokale Unternehmen als Abnehmer ausscheidet, würde dies für einen gewissen Zeitraum geschäftsschädigend für die Zulieferer sein, jedoch auf längere Sicht eher nicht existenzbedrohend. Sucht man nach den Gründen, warum das fokale Unternehmen ein längerfristige kooperative Geschäftsbeziehungen anstrebt, so kann hier ebenfalls die hohe Konkurrenz am Holzhausmarkt angeführt werden und die damit verbundene Notwendigkeit stets an den Kundenwünschen orientiert Innovationen verbunden mit dem Holzhaus anzubieten. Das fokale Unternehmen verfügt über eigene Mitarbeiterkapazitäten im Entwicklungsbereich, jedoch ist das Heranziehen des Know-Hows von Partnerunternehmen eine weitere wichtige Strategie des fokalen Unternehmens.

Mit einem Zulieferer wie W (…) da kuckt man sich Produktionsanlagen an und überlegt sich, wie kann man das, was in den Produktionsanlagen der eine schon gemacht hat, wie kann man das verbessern, um das Produkt noch interessanter zu gestalten. Z 33

Eine gewisse Abhängigkeit kann dabei als förderlich eingestuft werden, da dies eine gewisse Steuerung der Zusammenarbeit und Anstoßen der Entwicklung von Innovationen ermöglicht.

„Ernst nehmen tut man immer denjenigen, der einem wehtun kann oder von dem man abhängig ist, dann schaffen sie's natürlich im Lauf der Zeit, ihr Produkt zu verbessern. Wenn Sie das wirklich wollen. Wenn nicht, dann ist diese Abhängigkeit natürlich sehr nachteilig, weil Sie dann irgendwann mal nichts mehr verkaufen werden. Wenn Sie's als Vorteil sehen, also als Hinweis dahingehend, das muss ich jetzt aber einfach besser machen, dann werden Sie natürlich von der Produktinnovation und von der Produktverbesserung her vielen Konkurrenten überlegen.“ Z 61

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Ein hoher Grad von Abhängigkeit wird hingegen von der Geschäftsführung des fokalen Unternehmens im Hinblick auf einen innovativen Austausch meist negativ beurteilt, da kein konstruktives Arbeiten möglich sei. Dabei wird bemängelt, dass solche Geschäftspartner z.T. nicht sagen, was sie denken, sondern nur das, was sie denken, was von ihnen erwartet würde. Dieses ungleiche Verhältnis wird versucht durch aktives Entgegenkommen zu beeinflussen, um durch gemeinsames Arbeiten an Innovationen die Produkte zu verbessern und so auch die Wettbewerbposition des Geschäftspartners zu verbessern. Dabei wird von den Zulieferern auch mit Hochschulen zusammengearbeitet.

„Die [Gegenseitigkeit] schätze ich positiv ein, die schätze ich deshalb positiv ein, weil sie von uns so gepflegt wird. Also ich hab's ja vorhin schon mal gehabt, gesagt, dass ich die Abhängigkeit nicht schätze, sondern dass mir's lieber ist, wenn man auf gleicher Augenhöhe ist, und dass ich immer sag, wenn wir zufrieden sind, dann soll auch unser Treppenlieferant zufrieden sein und unser Haustürlieferant zufrieden sein, also diese Gegenseitigkeit wird von uns stark gepflegt. Die ist übrigens auch mit dem Forst stark gepflegt worden, denn in den Zeiten, wo Riesenmengen waren, haben wir nicht gesagt, wir nehmen nix.“ Z 80-81

Dabei scheint zudem wieder der persönliche Kontakt zwischen den Unternehmen ausschlaggebend zu sein. Beispielsweise schätzt ein Zulieferer, der eine gewisse Abhängigkeit von fokale Unternehmen sieht, da er seine Produktion und Menge stark auf dieses Unternehmen konzentriert hat, die Abhängigkeit im Prinzip als nicht unkritisch ein, relativiert diese Aussage jedoch durch Schilderungen der offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den guten persönlichen Kontakt der Geschäftsführer. Es wird eine enge Verbundenheit und Gegenseitigkeit gesehen.

„Wir liefern seit 25 Jahren an die Firma X, es gibt auf allen Ebenen gute und offene Kontakte, und immer wenn sich was Besonderes ergibt, habe ich den direkten (Kontakt) zum (Geschäftsführer) und informiere ihn vorab (…). Also das ist mir wichtig, dass die Offenheit da ist und die wird auch (bezweckt). G 7

Die Geschäftsbeziehung wird bei konkreten Aufträgen formal über Verträge geregelt, jedoch bestehen auch informelle Absprachen und Regelung, die im Laufe der langen Zusammenarbeit der Unternehmen gewachsen sind, beispielsweise zieht der Zulieferer die Produktion der Lieferung für den fokalen Akteur in bestimmte Situationen zeitlich vor. Der Geschäftsbeziehung kann insgesamt der Charakter einer relationalen Beziehung zugeschrieben werden. Durch diese Zusammenarbeit kann das fokale Unternehmen das Kow-How und die Produktionskapazitäten seiner Zulieferer gezielt nutzen und sieht darin Vorteile für alle beteiligten.

„Ja, da ist eine Verbundenheit da, man sitzt in einem Boot. Also ich meine, wenn wir erfolgreich sind, dann können wir beim Zulieferer viele Waren abnehmen, und wenn wir viele Waren abnehmen können, dann profitiert der Zulieferer natürlich auch wiederum. - Das heißt, da sehe ich auch viel Innovationspotential, indem man sich gegenseitig mit neuen Produkten hilft.“ Z 33

Das Produkt Fenster wäre zwar über eine rein marktliche Beziehung zu erwerbe, zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen ist jedoch die Nutzung von einem gewissen Know-How, einer gewissen Humankapitalspezifität notwendig, das heißt Investitionen des

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Transaktionspartners in spezifische Fähigkeiten, die sein Unternehmen auszeichnen. Eine Abhängigkeit entsteht für das fokale Unternehmen daraus zwar nicht, allerdings können Kosten für eine Integration dieses Wissens in das eigene Unternehmen gespart werden.

Der Fensterzulieferer sieht zudem zu einem gewissen Grade eine Abhängigkeit von seinen Zulieferern, die vor allem auf die Zuverlässigkeit der Zulieferer beruht.

„Gegenseitigkeit finde ich, zum Beispiel die Ehrlichkeit. Wenn ich was bestelle, (…), erwarte ich dann, dass (…das) auch steht, und der Kunde darf auch erwarten oder der Lieferant, dass ich auch (…) pünktlich (bin), letztlich ganz banale Sachen, (…), zu dem stehen, was man vereinbart hat. Man wird in gewisser Weise abhängig von Lieferanten, wenn die Maschine steht, aufgrund irgendeines Grundes, dafür sorgen dass der Stillstand schnell behoben wird, und da erwarte ich dass der Lieferant sehr schnell reagiert (…). L 39

Die Notwendigkeit einer bestimmten Qualität und Zuverlässigkeit der Zulieferungen kennzeichnet eine gewisse Spezifität (Humankapitalspezifität) der erwarteten Leistung.13 Auch hier spielen wieder guten Erfahrungen und langfristige meist relational gestaltete Geschäftsbeziehungen eine wichtige Rolle, um die Kosten des „Neubegründens“ und „Testens“ von neuen Geschäftsbeziehungen zusparen.

2.4 Schlussfolgerung

Die Fallstudie zeigt eine sehr spezifische Strategie eines Hausbauunternehmens, das fast aller Stufen der Wertschöpfungskette integriert hat, aber dennoch, dort wo es keine Vollversorgung hat und je nach Marktsituation, die eigene Produktion in den entsprechenden Profitcenter aussetzt und die Produkte über die Markt erwirbt. In Bereichen, in denen eine Zulieferung notwendig ist, versucht das Unternehmen langjährige kooperative Geschäftsbeziehungen aufzubauen, die es dann auch nutzt, um gemeinsame Innovationen zu schaffen. Hierbei scheinen gewisse Abhängigkeiten hilfreich zu sein, um eine gewisse Beeinflussung und Steuerung der Innovationen, dass heißt auch der entsprechenden Unternehmen und ihre strategische Ausrichtung in der Wertschöpfungskette, zu ermöglichen. Dabei ist es notwendig, dass diese Abhängigkeit nicht zu groß ist und das Unternehmen das Vertrauen der beteiligten Akteure genießt. Durch die Tatsache, dass das fokale Unternehmen eigene Kapazitäten auf fast allen Produktionsstufen hat, hat es die Wertschöpfungskette weitgehend im Blick. Auch die kooperativen Geschäftspartner versuchen beispielsweise organisatorische Verbesserungen über ihre direkten Abnehmer hinaus zu bewirken. Vorteile, die durch langfristige kooperative Geschäftsbeziehungen erzielt werden können sind im konkreten Fall beispielsweise eine Kapazitäts- und Know-How- Erweiterung; eine Versorgungs- und Abnahmesicherheit, die eine Reduktion von Risiko und Unsicherheiten bewirkt (Kalamitäten, Preisentwicklungen); Kostenersparnis bei der Knüpfung neuer Verbindungen oder der Durchsetzung von formalen Verträgen; eine gemeinsam Optimierung von Abläufe. Damit geht letztendlich eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Erschließung von Innovationspotenzialen einher. Dabei ist zu beachten, dass soziale Präferenzen durch persönliche Kontakte (Sympathie, „die Chemie stimmt“) einen hoher

13 Vergleiche hierzu auch die Ergebnisse des ZUFO-Arbeitsberichtes 13.

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Stellenwert einnimmt, der nicht zuletzt darüber entscheidet, ob Vertrauen gebildet und damit Transaktionskosten durch das Überflüssigmachen von Kontrollstrukturen einspart. Man könnte in diesem Sinne das Einsparen von Transaktionskosten als organisatorisch innovativ bezeichnen. Es hat sich gezeigt, dass Spezifität – Standortspezifität und Humankapitalspezifität – und damit einhergehende Abhängigkeiten eine Erklärungshilfe für Organisationsentscheidungen von Unternehmen sein können. Allerdings scheint für den forstlichen Bereich auch die Unsicherheit ein wesentlichen Entscheidungskriterium für kooperativ ausgerichtete Akteure zu sein.

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3 Fallstudie 2: Erschließung eines Zukunftsmarkts durch horizontale Kooperation – eine voraussetzungsreiche Strategie

Als „Netz im Netz“ aus dem Holzforum Allgäu hervorgegangen, aber von diesem im Netzwerktyp und Netzwerkzweck deutlich zu unterscheiden, ist das Dienstleistungsnetzwerk, das seit fünf Jahren als Passivhaus-Gemeinschaft (PHG) versucht, sich mit einem Patent und Qualitätszertifikat der „Niedrigenergiebauweise“ im neuen Marktsegment des Niedrigenergiehausbaus zu positionieren. Aufgrund seines neu entwickelten nachhaltigen Produkts versteht sich dieser Zusammenschluss regionaler Architekten, Ingenieurbetriebe und mittelständischer Holzhaushersteller zwar auch als Innovations- und Beratungsnetzwerk, agiert aber vornehmlich als marktorientiertes Netzwerk, das sich mit seinem selbstentwickelten integrierten Produkt-Service-Paket auf dem Zukunftsmarkt für energieeffizientes Bauen und Sanieren zu profilieren hat. Mit diesem Ziel wird auf Grundlage eines Gesellschaftervertrages und eines Partnerschaftsvertrages ein Kooperations- und Geschäftsmodell entwickelt, das sich im Außen- wie im Binnenverhältnis als Geschäftsverbund, strategische Allianz und Leistungsgemeinschaft zu bewähren hat.

Die PHG ist

- eine wirtschaftlich orientierte Arbeitsgemeinschaft mit bisher fünf Gesellschaftern

- Dienstleister für Partner und Kunden (Schulungen, Marketing, Baukostenrechner, Gesamtkoordination, Bauabnahme)

- eine eingetragene Marke

- ein mit Partnerunternehmen kooperierendes, marktbasiertes Netzwerk

Die PHG und ihre Partner kooperieren

- als Geschäftsverbund, strategische Allianz und Leistungsgemeinschaft

- zur gemeinsamen Erschließung eines Zukunftsmarktes mit einer „nachhaltigen“ Systeminnovation14

- auf der Grundlage eines gemeinsamen Vertrages über die wechselseitig zu erbringenden Leistungen und KooperationsregelnIntern steht die PHG nach einer

ersten Aufbau- und Stabilisierungsphase vor der Herausforderung, sukzessiv ein Netzwerkmanagement zu etablieren, das einerseits so professionell wie nötig ist, um die intensiver werdende Netzwerkarbeit und Geschäftsmodellentwicklung zu gewährleisten, und anderseits so praktikabel und viabel wie möglich ist, damit das bisherige, handwerklich geprägte Partnerspektrum – ohne überfordert zu werden – konsolidiert und ausgeweitet wird. Ob dabei die PHG als „Spin-Off“ des Holzforums Allgäu auch zukünftig von dessen Netzwerkentwicklung so profitieren können wird wie in ihrer Entstehungsphase, ist ungewiss.

14 Systeminnovationen beruhen auf der „Zusammenarbeit unterschiedlicher Leistungsanbieter. Dies setzt voraus, dass Unternehmen gemeinsame Visionen entwickeln, Allianzen schließen, Vereinbarungen treffen und komplexe Beziehungsnetzwerke managen“ (Bierter 2001: 12).

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Nicht auszuschließen ist, dass die in der Passivhaus-Gemeinschaft zu erlernenden marktorientierten Netzwerkkompetenzen als Lern- und Innovationsanreiz auf die intermediäre Netzwerkarbeit im Holz Forum Allgäu zurück wirken.

3.1 Rahmenbedingungen der horizontalen Kooperation im Dienstleistungsnetzwerk

Gegründet wurde die PHG im Jahr 2005 von vier „holzbauverrückten“ Zimmerern, Bauingenieuren und Architekten, die sich seit den 90er Jahren mit Patenten, Musterhäusern und einer Vielzahl von privaten und gewerblichen Bau- und Sanierungsprojekten zuerst im Holzhausbau und dann im Niedrigenergiehausbau profilieren konnten. Es waren jedoch nicht nur einzelunternehmerische Markterfolge im Allgäuer und bayrischen Holzhausbau und technische Innovationen bei der Entwicklung des inzwischen zertifizierten Niedrigenergiehausstandards, die diesen Netzwerkzusammenschluss ermöglichten, sondern – aufbauend auf dieser ökonomischen und technischen Basis – eine mindestens ebenso innovative „Netzwerkerei“:

• eine seit den 80er Jahren bestehende Kooperationserfahrung in einem Innungsarbeitskreis, in dem Handwerksmeister und Firmengründer ihre technische Weiterbildung ergänzen konnten, um das Erlernen moderner Betriebsführung, Marketing- und Vertriebskenntnisse, was sukzessiv ihre betriebsspezifischen Innovationsstandards, ihren gemeinsamen Einfluss in regionalen Branchen und mittlerweile auch die Holzbau betreffenden Branchenstandards erhöhte;

• eine 1991 gegründete „Hand-in-Hand-GmbH“, die alle Produktions- und Dienstleistungen im Hausbau kooperativ koordinieren und als Komplettangebot vermarkten wollten, aber an damals auf dem Markt nicht realisierbaren kurzfristigen Gewinnerwartungen ihrer Gründerfirmen scheiterte;

• das seit 2002 halbstaatliche, beratende und inzwischen (auch ökonomisch) konsolidierte Energie- und Umweltzentrum Allgäu (EZA), in dem sich ca. 100 Allgäuer Bau- und Sanierungsfirmen zusammengeschlossen und zur Einhaltung eines eigens entwickelten Energiekodex verpflichtet haben;

• vielfältige, kontinuierlich aufgebaute und gepflegte Kooperationsbeziehungen zu branchenrelevanten Forschungs- und Beratungseinrichtungen, Universitäten und Fachhochschulen.

Dass dieses Kooperationsgeflecht, in das die PHG eingebettet ist, hochgradig personenabhängig ist, wird von ihren Initiatoren als Chance, aber auch als Risiko gesehen. Ihnen ist bewusst, dass die PHG nur dann Erfolg hat, wenn sie sich auch über den bisherigen Partnerkreis hinaus als Wissensplattform für energieeffizientes Bauen bewährt, was eine effiziente wie kooperative Vernetzung der bisherigen Partner voraussetzt.. Dabei setzen sie nicht allein auf das neuentwickelte Produkt Passivhaus, sondern ebenso auf die „Ressource Vertrauen“. Die Fähigkeit und Gewissheit, sich - wie „am Berg“ - als „Innovationsseilschaft“ wechselseitig aufeinander zu verlassen und zu ergänzen, wird nicht moralisch überhöht, sondern erfahrungsgeleitet als Garant für nachhaltigen ökonomischen Erfolg im Netzwerk wie im eigenen Unternehmen angesehen und als „stille“ Handlungsorientierung geachtet.

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Dieses erfahrungsgeleitete Netzwerkverständnis wird – wie der Gründungsverlauf der PHG illustriert - intensiv selbstreflektiert und kontinuierlich weiterentwickelt. Nach dem ersten visionären Ideenschmieden im Jahre 2001 („Wir bauen den Bentley unter den Niedrigenergiehäusern“), intensiver Konzept- und Patentarbeit mit einer regionalen Technischen Universität und der erfolgreichen Realisierung zahlreicher privater wie gewerblicher Niedrigenergiehaus-Projekte durch zwei Gründungsunternehmen, brauchte es die Krise und Neuerfindung der Netzwerkarbeit im o.g. Innungsarbeitskreis, um die Vision vom Premiumprodukt Passivhaus praktisch werden zu lassen. Ausschlaggebend waren dabei die wissenschaftlich wie beraterisch unterstützte Rückbesinnung auf den gemeinsamen Wissensfundus sowie seine netzwerkförmige Weiterentwicklung und Vermarktung, zu der sich zunächst vier Holzhaushersteller und Ingenieurunternehmen in einem selbstentwickelten Gesellschaftervertrag vertraglich verpflichteten. Der erfolgreiche Abschluss eines ersten großen Passivhaus-Vorzeigeprojektes und die einsetzende Diskussion zu Klimawandel und Klimaanpassung waren der Initiatorengruppe dann Beweis genug für die Praxisfähigkeit ihrer Idee15, die für die Netzwerkinitiierung als ausreichend angesehen wurde – wenngleich in ihrer Zukunftshaltigkeit als keineswegs ausgelotet.

Inzwischen ist die Produktidee in bis zu 50 Referenzprojekten weiterentwickelt und sowohl technisch als auch ökonomisch erfolgreich realisiert worden auf Grundlage eines Komplettangebotes, das schrittweise zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell ausgebaut wird. Kern dieses Geschäftsmodells ist ein mit ingenieurwissenschaftlicher Unterstützung entwickeltes und patentiertes Niedrigenergiehausprinzip, das auf Basis bau- und energietechnischer Innovationen bisherige Niedrigenergiehaus-Standards optimiert und weiterentwickelt. Das auf dieser Grundlage selbstentwickelte Produkt-Service-Paket – mit integrierter individueller Beratung und Betreuung, transparenter und flexible Planung, Ausführung und Qualitätskontrolle des Gesamtangebotes – ist neben seinen expliziten kommerziellen Zielen konsequent an ökologischen und sozialen Zielen orientiert. Nach seiner erfolgreichen Markteinführung konzipierten die inzwischen vertraglich verbundenen vier Gründungsgesellschafter ein Geschäfts- und Vertragsmodell, auf dessen Grundlage kompetente Partner gesucht und ausgewählt wurden, mit dem Ziel,

• die PHG als Geschäftsverbund, strategische Allianz und Leistungsgemeinschaft auf dem regionalen wie überregionalen Hausbaumarkt besser zu positionieren,

• als „Spezialist“ in Sachen Niedrigenergie-Bauweise zu etablieren

• und dabei mit dem erhöhten Synergiepotenzial der neugewonnenen Partnerunternehmen die auf private Einfamilienhäuser konzentrierte Angebotspalette zu ergänzen um private Mehrfamilienhäuser, gewerbliche Gebäude, öffentliche Gewerbeparks und Ansiedlungsprojekte.

Mit der Einrichtung einer Geschäftsstelle und der Einigung auf einen Geschäftsführer war die Gründungsphase der PHG abgeschlossen, nachdem alle Netzwerk typischen Anfangsstationen zwar länger als geplant, aber erfolgreich durchlaufen waren: Ein

15 „Ich hatte (…) gelernt, dass eine Idee noch so gut sein kann, aber nichts bewegt, wenn sich kein Feld für die Praxis auftut, keine praktische Notwendigkeit da ist“ (Gründungsmitglied und Geschäftsführer der PHG)

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vergleichsweise kleiner Kreis innovativer und engagierter Gründungsmitglieder (und Erstgesellschafter der AG) hatten eine Vision, entwickelten ein Leitbild („der AG-Standard als Baustandard der Zukunft“), definierten Ziele („ein Angebot und Bauprojekt pro Jahr und Partner“, „Spezialist für energieeffizientes und hochwertiges Bauen in Süddeutschland“) und installierten klare Kooperationsstrukturen (Gründung einer AG, Einstellung eines Geschäftführers, Konzipierung und vertraglich Fixierung von Gesellschafter- und Partnerschaftsleistungen).

Abbildung 4: Schaubild : „Kommunikationsstruktur der PHG“

Quelle: PHG 2007

3.2 Netzwerklernen am Geschäftsmodell – eine erfolgskritische Prämisse horizontaler Unternehmenskooperation

Die weitere Entwicklung der PHG führte ebenfalls über die für diese Phase typischen Stationen der Netzwerkstabilisierung (Hausberg 2006, 135): Gewinnung und Auswahl der Partner, Kommunikation und Vermittlung der Netzwerkziele, Etablierung einer Organisationsstruktur und Kompetenzentwicklung der Netzwerkpartner, Nach anfänglich erfolgreicher Partnergewinnung verliefen diese Stationen als von den Initiatoren komplikations- und konfliktreicher als von Gründern und den neugewonnen Partnern des Dienstleistungsnetzwerks erwartet:

Zwar hatte sich bis Mitte 2008 der Wirkungskreis regionübergreifend ausgedehnt, die Zahl der Partnerunternehmen zwischenzeitlich auf neun erhöht, allerdings nach zwei Jahren um zwei reduziert.

Die Zahl der Referenzprojekte ist mittlerweile auf 50 angestiegen, gleichwohl jedoch unter den Partnern ungleich verteilt und auf die Initiatoren konzentriert, insbesondere aber noch nicht aufgearbeitet zu einem nachhaltigen, marktrobusten Geschäftsmodell, mit dem die PHG sich positionieren und die kritische Phase bis zur (für das Jahr 2012 erwarteten) Markteinführung des Passivhausstandards erfolgreich überbrücken kann.

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Obwohl die Ziele der PHG, ihr Leistungs- und Kooperationsprofil, vertraglich fixiert, auf mehreren Workshops vermittelt und einvernehmlich akzeptiert waren, gelang es nicht, das Geschäftsmodell durch eigeninitiative Auftragsakquisition in den Partnerunternehmen erfolgreich anzuwenden und gemeinsam weiterzuentwickeln und flankierend eine kooperative Netzwerkorganisation aufzubauen, mit der alle Partner aktiv in die Produktvermarktung und Produktinnovation einzubeziehen sind.

Nach seiner erfolgreichen Institutionalisierung steht die Passivhaus-Gemeinschaft damit vor der Herausforderung, ihre Netzwerkarbeit zu intensivieren und zu professionalisieren. Dass dies mit noch so sorgfältig vorbereitetem Contracting und Wissenstransfer alleine nicht zu gewährleisten war und eine intensive Moderation der mehr oder minder absehbaren Interessendifferenzen voraussetzte, war die für alle Beteiligten überraschende Anfangserfahrung. Zwischen den Initiatoren und Gründungsgesellschaftern der PHG und ihren neugewonnenen Partnern bestand ein erst latenter, dann im Zuge ausbleibender Aufträge virulent werdender Interessenkonflikt, der sich entzündete an unterschiedlichen Interpretationen der vertraglich fixierten Niedrighausziele, wechselseitigen Leistungen und gegenseitigen Pflichten. Er basiert im Kern auf unterschiedlichen Partnerinteressen an zu erwartenden Erträgen, eigenverantwortlicher Innovation und arbeitsteiliger Kooperation. Schon ein Jahr nach Vertragsunterzeichnung reklamierten beide Seite für sich, ihre vertraglichen Pflichten „einseitig“ erfüllt zu haben und eine entsprechende „Gegenleistung“ erwarten zu können. Von Seiten der Gesellschafter, die den Partnerschaftsvertrag konzipiert hatten und auf Grundlage der darin fixierten Qualitätskriterien eine erste Partnerauswahl getroffen hatten, wurde (und wird) erwartet, dass neugewonnene Partner zu einer eigenständigen Auftragsakquise befähigt sind aufgrund des ihnen zur Verfügung gestellten Schulungs- und Servicepakets (mit Energiekostenrechner, kontinuierlicher individueller Partnerbetreuung inklusive Grundschulung für das Führungs- und Einkaufspersonal der Partnerunternehmen, mit Projektierung, Einheitsbauvertrag, Qualitätshandbuch, Vermittlung von Kundenadressen, Internetauftritt und jährlich zwei obligatorischen Weiterbildungsveranstaltungen). Primärer Erfolgsmaßstab seitens der Partner – auch bei der Bewertung dieses Leistungspakets – ist die Gewährleistung und nicht nur Vermittlung von Bauaufträgen, obwohl die vertraglich definierte Zielsetzung akzeptiert wird, dass die AG Passivhaus („Dienstleister und Marke im Niedrigenergiehausbau“) nur als Arbeitsgemeinschaft und nicht als Vertriebsgesellschaft fungieren kann. Dessen ungeachtet wurde von den neugewonnenen Partnern in einer Mischung aus Kalkül, Unwissenheit oder schierer (Akquise-)Not als Gegenwert für Monatsbeiträge und Lizenzgebühren ein fertiges, mehr oder minder marktfähiges Produkt mit einem flexiblen, erweiterbaren Unterstützungsnetz erwartet, welches die unternehmerischen Risiken der Markterschließung auf mehrere Partner verteilt und kontinuierliche Akquiseerfolge gewährleistet. Akut wurde dieses Franchising-Missverständnis in dem Maß, wie eigenakquirierte Aufträge ausblieben bzw. nicht realisiert werden konnten. Aus Unmut über den „100-prozentigen Stillstand“ in den auf „Kontobewegungen“ reduzierten Kooperationsbeziehungen kam ein Treffen unzufriedener Partner zustande (mit immerhin 6 von 8 neuen Partnern), deren Ergebnis von der Gruppe der Gesellschafter und der Geschäftsführung konstruktiv aufgegriffen und zum Anlass genommen wurde, auf dem nächsten regulären Partnertag-Treffen unter Beteiligung der externen (sozialwissenschaftlichen) Moderation (seitens des ZUFO-Projektes) Probleme, Schwachstellen und Erwartungen der Netzwerkkooperation intensiv und gemeinsam zu diskutieren und zu bearbeiten: Im Vorfeld wurden alle Partner anonym befragt zu ihrer Kooperationsqualität und -zufriedenheit; die überwiegend negativen

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Befragungsergebnisse wurden auf dem Partnertag präsentiert und „schonungslos“ diskutiert, und verknüpft mit einem selbstevaluativen Partnerrating, in dem alle Partner ihre eigenen Netzwerkleistungen – in Hinblick auf Potenziale, Verbindlichkeiten und Prioritäten der Passivhaus-Kooperation – nach einem Punktesystem zuerst selbst bewerteten, dann in wechselseitiger Begutachtung gemeinsam diskutierten und auf Optimierungspotenziale der bisherigen Netzwerkarbeit prüften. Diese neue Qualität der Netzwerkdiskussion wurde einhellig begrüßt. Ihr allgemeiner Konsens war, dass

• „die Kooperation unter den Partnern noch immer in den Kinderschuhen steckt“,

• inzwischen „genug Technik-Know-How eingebläut ist, sich aber kaum in barer Münze auszahlt“ und, dass

• mehr zu investieren ist in Marketing-Kompetenzen und das gemeinsame Erlernen von Marketing-Tools, weil die Marktfähigkeit des Passivhausstandards bislang die erhoffte Eigendynamik nicht entfalten konnte.

Das Problem der „einseitigen Leistungserwartung“ und der unverzichtbaren Eigeninitiative aller Partner konnte zumindest vorübergehend entschärft werden mit dem Geschäftführungsmotto: „Wir melden uns ja auch nicht im Fitnesscenter an, trainieren nicht und hoffen durch den Monatsbeitrag sind wir fit wie einmal Arnold Schwarzenegger“.

Unzufriedenheiten und Komplikationen im operativen Netzwerkgeschäft zwischen Partnern, Gesellschaftern und Geschäftführung (Terminbindung, Qualitätssicherung, Management und Controlling der Zertifizierung, Wissensteilung, Werbeauftritte und Vorträge) wurden erstmals systematisch gesammelt und auf die Agenda der Geschäftsführung bzw. der nächsten Partnertreffen gesetzt. Dass diese gemeinsame Lernerfahrung nachgewirkt hat, zeigte das nächste reguläre Partnertreffen: Alle Partner – inklusive des inzwischen ausgetretenen Partnerunternehmens – beteiligten sich aktiv an der Verbesserung des Marketingkonzepts und der Marketingpraxis und ermöglichten, dass erstmals intensiv und gemeinsam über das Geschäftsmodell der PHG diskutiert wurde. Ob dieser Lernimpuls anhalten wird, hängt davon ab, ob zukünftig

auf und zwischen den zweimal jährlich stattfindenden Partnertagen die Netzwerkarbeit intensiviert wird und Selbstevaluation, Interessenmoderation und gemeinsame Weiterbildung mithin ihren Ausnahmecharakter verlieren,

die Diskussion der „Partnerprobleme“ genutzt werden kann für die sukzessive Weiterentwicklung des Netzwerk-Geschäftsmodells und dabei

die wechselseitigen Bring- und Holschulden aller Partner sowie die grundlegenden Interessensdifferenzen zwischen Gesellschaftern und Partnern geklärt werden können.

Wie nachhaltig und tiefgreifend der Lernprozess im Dienstleistungsnetzwerk wirkt, wird sich – insbesondere bei weiter ausbleibenden oder zäh bleibenden Akquiseerfolgen – an der Veränderung der bisherigen Interaktionsmuster und Interessenkonstellation zwischen Gesellschaftern und Partnern zeigen: Bedingt durch AG-Konstruktion und als Gegenleistung für Aufbau und Ausbau der ihrer Niedighausbau-Kompetenz zahlen die neugewonnenen Partner Umlagen und Lizenzgebühren an die Gesellschafter, ohne dafür eine – aus ihrer Sicht – ausreichende Transparenz von Gewinn, Ertrag, Aufwand und Kosten der

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Passivhaus-Gemeinschaft zu erhalten. Die Gesellschafter ihrerseits treten im Netzwerk mit „zwei Hüten“ auf: Als Eigentümer der PHG und als gleichberechtigter Partner. Das auf dieser vertraglichen Grundlage eingespielte Geben und Nehmen zwischen gleichberechtigten, aber am Gewinnertrag der Netzwerkarbeit unterschiedlich beteiligten Partner hat eine Konstellation herausgebildet, in der die Initiatoren- und Gesellschaftergruppe gegenüber den neugewonnenen Partnern als „primi inter pares“ agieren und damit „nolens volens“ nicht nur als Innovationstreiber, sondern auch als Geschäfts(haupt-)verantwortliche fungieren, da die Geschäftsführung des Netzwerks vornehmlich auf Servicefunktionen beschränkt ist.

Verstärkt wurde diese Netzwerkkonstellation durch die nicht nur in der Anfangsphase notwendige Qualitätssicherung des Niedrigenergiestandards, der ohne kontinuierliches Controlling der Zertifizierungskompetenz und des Projektmanagements in den Partnerunternehmen nicht zu gewährleisten ist. Aufgrund des Erfahrungsvorlaufs der „Allgäuer Vorreitergruppe“ wird dies von allem als unvermeidliches Durchgangsstadium angesehen und einvernehmlich akzeptiert, hat jedoch für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells durchaus ambivalente Folgen: Bei der Erschließung des sich entwickelnden Niedrigenergiehausmarkts setzen Netzwerkgründer wie neugewonnene Partner gleichermaßen auf die ökologischen, technischen und ökonomischen „Alleinstellungsvorteile“ ihres integrierten Passivhaus-Angebots, dem in einer Vielzahl von Marktanalysen angesichts steigender Energiekosten und Klimaanpassungsakzeptanz auch als Premiumprodukt ein hohes Zukunfts- und Vermarktungspotenzial bescheinigt wird16.

Das selbstentwickelte Premiumprodukt als „investiven Vertrauensvorschuss in die Zukunft“ zu verstehen und zu nutzen, um den sich entwickelnden Markt der Niedrigenergiehäuser zu „reiten“, wird deshalb von den Initiatoren favorisierten als strategische Orientierung favorisiert. Ihre operative Umsetzung ist allerdings von den Partnern in „Eigenregie“ zu leisten. Diese teilen zwar die Begeisterung für das Produkt, setzen aufgrund anhaltend steigenden Energiekosten ebenfalls hohe Erwartung in seine Vermarktungsfähigkeit und nehmen an allen bisherigen Schulungen aktiv teil. Dies geschieht allerdings in dem mehr oder minder deutlichen Kalkül, dass nicht nur mittelfristige Auftragszuwächse, sondern auch kurzfristige Ertragssteigerungen möglich und mit der „Hilfe zur Selbsthilfe“ des Dienstleistungsnetzwerks auch zu realisieren sind. Kein Thema der bisherigen Netzwerkkommunikation waren jedoch sich daran anschließende Fragen wie z.B.: Wie ist das Premiumprodukt als innovatives Produkt strategisch, operativ und personalpolitisch in die bisherige Produktions- und Geschäftspraxis der Partnerunternehmen zu integrieren? Welche Innovationen sind dafür partnerspezifisch erforderlich und wie realisierbar? Wie ist der dazu erforderliche Wissenstransfer und Qualifizierungsaufwand zu bewältigen?

Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und Projektpräsentationen waren bisher, weil das technisch-wissenschaftliche Wissen der Niedrigenergiebauweise, die Sicherung und Kontrolle seiner Qualitätsstandards unter allen Partnern zu gewährleisten war, produkt- und technikdominiert. Dass und warum dies zukünftig für die Erschließung des Zukunftsmarks Passivhaus nicht ausreichte, offenbarte der erst durch den Partnerkonflikt über ausbleibende Aufträge ermöglichte intensive Erfahrungsaustausch. der einen genaueren Blick auf die Stärken und Schwächen der bisherigen Geschäftsmodell-Konstruktion der Passivhaus-

16 Eine der wenigen verlässlichen Prognosen sind in einer Marktstudie des Fraunhofer ISE zu finden (vgl. Bühring 2004).

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Gemeinschaft ermöglichte:

Auch exzellente Produktqualitäten der Niedrigenergiebauweise und ihr verbessertes Marketing können die erhoffte Selbstläuferdynamik auf dem neu zu erschließenden Markt nicht garantieren.

Die erfolgreichen Referenzprojekte der Niedrigenergiebauweise sind nicht umstandsfrei oder als Masterplan auf die Standorte anderer Partnerunternehmen zu übertragen und setzen als Benchmark eine Auswertung ihrer regionalpolitischen und netzwerkpolitischen Erfolgsimplikationen sowie ihrer lokalen Marktgegebenheiten voraus.

Partnerunternehmen ohne netzwerkpolitische Erfahrungen und Ressourcen bleiben mit dem Vor-Ort-Marketing, mit der dafür zu erlernenden regionalpolitischen Multiplikatoren- und Lobbyarbeit ebenso überfordert wie mit der (insbesondere für Großstädte erforderlichen) standortspezifischen Marktanalyse.

Die Niedrigenergiebauweise in die bestehende Produktions- und Geschäftspraxis der Partnerunternehmen zu integrieren, setzt mehr voraus als Technik- und Marketing-Innovationen; sie ist angewiesen auf ein längerfristig anzulegendes Lernen, bei dem Marktpflege und Kundenbetreuung, Personalentwicklung und -weiterbildung an Bedeutung gewinnen und verändert sukzessiv die internen Innovationsmuster der handwerklich geprägten Partnerbetriebe.

Die bisherigen Innovationserfahrungen der Partnerunternehmen mit erfolgreichen wie gescheiterten Projekten sind ein wertvolles, bislang ungenutztes Material , das nicht nur für die Stärken-Schwächen-Analyse des Dienstleistungsnetzwerks und seine Managementreviews in den Partnerunternehmen zu nutzen ist, sondern auch für effizientere Kooperationsbeziehungen zwischen „Vorreitern und Nachzüglern“ im Netzwerk mittels Mitarbeitertausch, Akquise-Partnerschaften, gemeinsames Projektmanagement, kollegiales Mentoring, Co- oder Interim-Management.

Diese Intensivierung der bi- und multilateralen Netzwerkarbeit in Workshops und Weiterbildungsveranstaltungen vorzubereiten, zu begleiten und auszuwerten, ist originäre Aufgabe des Netzwerkmanagements, das dafür jedoch auch Ressourcen, Kompetenzen und Vollmachten benötigt, die der Geschäftsführung der AG bisher nicht zur Verfügung stehen. Dass zu seinen Aufgaben auch die Weiterentwicklung des bisherigen Netzwerk-Geschäftsmodells und die Optimierung der Geschäftsmodelle in seinen Partnerunternehmen zählt, offenbarten die anhaltenden Ertragsprobleme der neugewonnenen Partner aufgrund fehlender oder gescheiterter Passivhaus-Aufträge: Sie sind nicht nur ein Problem für das betroffene Partnerunternehmen, sondern - früher oder später - ein Entwicklungshemmnis für das gesamte Netzwerk, da sie perspektivisch das für Produktinnovation und Standortvermehrung nötige kollektive Investitionspotenzial gefährden. Insofern ist eine nachhaltige Ertragssicherung und Verbesserung der Gewinnsituation im Netzwerk und in seinen Partnerunternehmen nicht nur, aber auch eine Aufgabe des Netzwerkmanagements, das effektiver und strategischer als die einzelnen Netzwerkpartner neue Investitionsmodelle und Finanzierungskonzepte erschließen kann, die von den Partnerunternehmen dann eigenständig anzuwenden sind.

Quintessenz dieser dreijährigen Erfahrungen beim Netzwerkaufbau ist die Erkenntnis, dass

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die zukünftige Entwicklung und Aufgabenverteilung in der PHG stringenter als bisher an den drei Anforderungen einer Geschäftsmodells17 zu orientieren ist: Nicht nur Unternehmen, sondern auch Netzwerke - und insbesondere Netzwerke, die ein nachhaltiges Produkt auf einem sich entwickelnden Markt anbieten - sind angewiesen auf eine Konstruktion und Synchronisation von Produktmodell, Wertschöpfungsarchitektur und Ertragsmodell, die in gleicher Intensität und abgestimmter Weise zu elaborieren und in den Aufbau und Ausbau des Netzwerkmanagements zu integrieren sind.

3.3 Netzwerkmanagement in strategischen Unternehmenskooperationen – eine Frage der Professionalisierung?

Bei der Bilanzierung ihrer Netzwerkerfahrungen stehen Initiatoren wie neue Partner der AG im dritten Jahr ihres Netzwerkaufbaus trotz jeweils unterschiedlicher Interessen und Erwartungen vor der gemeinsamen Lernerfahrung, dass

die Passivhaus-Gemeinschaft wie alle marktorientierten Netzwerke in ihrer Entwicklungsperspektive abhängig ist von der Qualität ihres Geschäftsmodells,

das Geschäftsmodell ihres Netzwerks mehr verlangt als die Initiierung, Begleitung und Addition der um das Premiumprodukt Passivhaus erweiterten Geschäftsmodelle der Partnerunternehmen;

Geschäftsmodelle von Netzwerken zwar angewiesen sind auf eine gute Ausarbeitung der technischen, ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Nutzenfunktionen ihres Produktes, in ihrem Erfolg aber gleichermaßen abhängig von ebenso elaborierten Wertschöpfungs- und Ertragskonzepten, die insbesondere für nachhaltige Geschäftsmodelle und auf neu zu erschließenden Märkten erfolgskritisch sind;

diese Entwicklung des Netzwerk-Geschäftsmodells verquickt und deshalb zu synchronisieren ist mit einer Netzwerkarbeit, die auf die Entwicklung der unterschiedlichen Innovations- und Synergiepotenziale aller Partner orientiert ist und die Klärung der Ziele, Strategie und operativen Maßnahmen des Netzwerks verknüpft mit der Klärung wechselseitiger, arbeitsteiliger Hol- und Bringschulden.

Um bis zum Jahr 2012 das erfolgskritische Zeitfenster für eine gute Positionierung auf dem Markt der Niedrigenergiehäuser nutzen zu können, werden Gesellschafter und Partner der PHG beim Ausbau ihres Dienstleistungsnetzwerks absehbar unter einen höheren Erfolgsdruck geraten. Anspruchsvoller wird die Gewinnung neuer Partner, da zwar mehr Partner für die überregionale Ausdehnung der bisherigen Standorte mit Niedrigenergiehaus-Angeboten nötig sind, diese aber gleichzeitig intensiver als bisher zu beteiligen sind an der Weiterentwicklung und Innovation des Niedrigeineregiehaus-Standards in gewerblichen und großstädtischen Immobilien sowie im kommunalem und genossenschaftlichen

17 „Ein Geschäftsmodell bildet in vereinfachter und aggregierter Form das Wertschöpfungssystem eines Unternehmens oder Unternehmensnetzwerkes ab. Es beschreibt, welchen Nutzen Kunden, andere Wertschöpfungspartner und die Gesellschaft aus der Geschäftstätigkeit ziehen können, wie der Prozess der Leistungserstellung organisiert ist (Architektur der Wertschöpfung) und aus welchen Quellen welche Erlöse und Erträge generiert werden sollen. (Es rückt - MB) die Frage in den Mittelpunkt, wie die verschiedenen Leistungspotenziale und Akteure („Puzzleteile“) unternehmerisch zu einem Ganzen gebündelt werden können ... (Bierter et al. 2005: 5).

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Wohnungsbau. Wird sich - früher oder später – die Partnergemeinde quantitativ und qualitativ verändern, bleibt dies perspektivisch nicht ohne Wirkung auf das prekäre Zusammenspiel von Zielen, Regeln und Interessen im Passivhaus-Netzwerk, was das bisherige Contracting beeinflussen kann, es gegebenenfalls flexibler und gestaltungsoffener werden lässt und um neue Formen der Ertragsbeteiligung und Investitionsentscheidung ergänzt.

Weiterhin wird das gewünschte Wachstum des Dienstleistungsnetzwerks einhergehen mit einer erhöhten Komplexität nicht nur im operativen Geschäft. Die Menge und Tragweite strategischer Entscheidungen nimmt zu; das fachliche Leistungsspektrum wird vielfältiger und breiter. Intensiver und anspruchvoller wird nicht zuletzt auch die Personal- und Sozialentwicklung im Netzwerk. Eine darauf vorbereitete Netzwerkorganisation wird ohne eine Aufwertung der Geschäftsführung und ohne den Aufbau eines Netzwerkmanagements nicht auskommen. Die bisherige Übereinkunft, der Geschäftsführung mehr Finanz-, Personal- und Know-How-Ressourcen zur Verfügung zu stellen, schafft nur die dafür nötige Basis, die unter Einbeziehung der Partner in den zentralen Funktionsbereichen des Netzwerkmanagements weiter zu entwickeln, nicht zuletzt auch vertraglich zu fixieren ist18.

Eine kontinuierliche Institutionalisierung des Netzwerkmanagements wiederum wird die bisherige Arbeitsteilung zwischen Gesellschaftern, Geschäftsführung und Partner grundlegend verändern, die dezentrale Netzwerkarbeit der Partner jedoch nicht abwerten, sondern an Bedeutung und Funktion aufwerten: z.B. bei der anstehenden Etablierung der PHG als Marke, bei der schon angelaufenen Weiterentwicklung des Produktangebots, beim noch defizitären lokalen Marketing und Networking und beim gänzlich ausgebliebenem Wissensmanagement. Sie ist neben der Ressourcenstärkung die zweite Basis für die in der PHG geforderte „Professionalisierung“ des Netzwerksmanagement, die sich am Aufgabenprofil des in der empirischen Netzwerkforschung entwickelten „integrierten Netzwerkmanagements“ orientieren kann.

18 Ergänzend zu den eingangs skizzierten vier Funktionen des Netzwerkmanagements werden in der Netzwerkforschung fünf Aufgabenbereiche eines „integrierten“ Netzwerkmanagements unterschieden: Strategie, operatives Management, fachliche Leistung, Informationssystem und Wissensmanagement sowie Sozial- und Organisationsentwicklung (vgl. BfU – Beratungsbüro für Umwelt- und Unternehmensentwicklung 2005

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Abbildung 5: Zentrale Aufgaben eines integrierten Netzwerkmanagements

Quelle: BfU 2005, S. 211

Für jedes der (abgebildeten) Funktionsbereiche sind in der PHG Managementaufgaben andiskutiert; Projektideen gesammelt, einzelne Maßnahmepakete definiert und nach erfolgslosen Erstversuchen „versandet“. Sie zu reaktivieren, integriert zu konzipieren und zu operationalisieren ist eine anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe, die mehr verlangt als das, was - auch in der Passivhaus-Gemeinschaft - unter „Professionalisierung“ der Führungs- und Managementarbeit im Netzwerk verstanden wird: ein mehr oder minder klar umrissenes Netzwerk-Handwerk routiniert beherrschen und dank langjähriger Branchenerfahrung effizient und „zielführend“ einsetzen. Unstrittig ist unter den Netzwerkpartnern, dass die Netzwerkorganisation entlang der (oben dargestellten) Managementaufgaben auszubauen und an den Erfordernissen eines eigenen Netzwerk-Geschäftsmodells zu orientieren ist. Unstrittig ist ebenfalls, dass dies weder ehrenamtlich und „nebenbei“ noch alleine vom Netzwerkmanagement-„Profi“ zu bewerkstelligen und zu verantworten ist. Einvernehmen besteht auch darüber, dass die erfolgreiche Marktpositionierung bis zum Jahr 2012 im gesamten Netzwerk mehr Technikwissen, mehr Management-Know-How, mehr Projektmanagement-Erfahrung, nicht zuletzt auch mehr Sozialkompetenz sowie gezielt einzusetzende externe Moderation und Beratung voraussetzen.

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Unter den Netzwerkpartnern kaum diskutiert ist hingegen, wie jenseits dieser harten und weichen Netzwerkkompetenzen19 mit dem Kernproblem ihrer Kooperationsbeziehungen umzugehen ist: dem spannungs- wie mißverständnisreichen Verhältnis von „Können und Haben, Geben und Nehmen“ (Ortmann 2005), das mit Management-Tools alleine kaum auszubalancieren ist. Der sensible wie kluge Umgang mit diesem Kernproblem jeder Netzwerkkooperation ist seinerseits angewiesen auf die wechselseitige Befähigung zu „guter Kooperation“ (BeNN 2008: 89) und auf ihre handlungsorientierenden Werte Integrität, Konstruktivität, Transparenz, Verantwortlichkeit, Gemeinschaftlichkeit und Vertrauen. Ihnen wird, wie die regelmäßig durchgeführte Selbstevaluation der Netzwerkpartner zeigt, eine hohe Priorität eingeräumt. Gleichwohl ist ihre Einhaltung in der bisherigen Netzwerkarbeit - wie generell in Netzwerken - gekennzeichnet von einer deutlichen Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, weswegen sie als zukunftskritische Netzwerkkompetenz und Netzwerkressource jedoch nicht diskreditiert sein müssen: Da sie nicht erlernbar, schon gar nicht zu verordnen oder sozialtechnisch zu trainieren sind, entwickeln sie sich eher langsam und als „kulturelle Nebenwirkung“ erfolgreich kooperierender Partnerbeziehungen und erfolgreich verarbeiteter Basiskonflikte in Netzwerken: Insbesondere, aber nicht nur im Anfangsstadium sind Netzwerkpartner erst dann zu „Vertrauensvorschuss“ und Reziprozität bereit und fähig, wenn sie aufgrund positiver Erfahrungen Vertrauen in die Funktions- und Erfolgsfähigkeit des Netzwerks entwickeln haben (vgl. BfU 2005: 211). Im Dienstleistungsnetzwerk scheinen deshalb aufgrund der gemeinsamen Lernerfahrungen gute Aussichten zu bestehen, diese für weitere Netzwerkerfolge unverzichtbaren kulturellen Netzwerkkompetenzen zu entwickeln: Das gegenseitige Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Netzwerks konnte deutlich verbessert werden; auch informell wird ein achtsamer, fairer Umgang mit den inzwischen nicht mehr unbekannten Interessen- und Handlungspräferenzen der anderen Partner und ein offenes streitfähiges Diskussionsklima gepflegt, was den Zusammenhalt unter den Partnern gefestigt und belastbarer gemacht hat.

19 Auch in der eher rezeptorientierten Managementforschung wird Netzwerkkompetenz nicht verkürzt auf sozialtechnische Fertigkeiten und wohlweißlich abstrakt definiert als die Fähigkeit zur „dynamischen Rekonfiguration“ (vgl. Telehaus Wetter 2001).

4 Schlussbemerkung: Strategische Unternehmenskooperation in der Forst-Holzwirtschaft auf Königs- und Holzwegen

Die beiden Fallstudien präsentieren zwei unterschiedliche Formen der Unternehmenskooperation, auf die Unternehmen und Akteure der Forst-Holzwirtschaft aufgrund des anhaltenden Strukturwandels auch in Zukunft verwiesen sein werden: die vertikale Kooperation entlang der Wertschöpfungskette in sogenannten „reifen“ Märkten, die hochentwickelt und konsolidiert sind, sich aber im Umbruch befinden, und die horizontale Kooperation auf einer – regional begrenzten – Wertschöpfungsstufe, die zur Realisierung von Produktinnovationen und zur Erschließung von neuen, sich entwickelnden Märkten eingegangen werden. Auch wenn die Strukturen, die Organisation und der bisherige Entwicklungspfad ihrer Kooperationsbeziehungen sich deutlich voneinander unterscheiden hinsichtlich der Produktbeschaffenheit, der Prozessbesonderheiten und vor allem der Marktgegebenheiten, so weisen beide ebenso deutliche Gemeinsamkeiten auf:

- Das fokale Unternehmen und seine Partner im vertikalen Kooperationsnetzwerk werden ebenso wie die Partner im horizontalen Dienstleistungsnetzwerk dem systematischen Auf- und Ausbau eines Netzwerkmanagements mehr Beachtung, mehr Ressourcen und mehr Zeit als bisher widmen müssen.

- Weiter-Entwicklung und Abstimmung der in und zwischen Partnerunternehmen bestehenden Geschäftsmodelle sind nicht mehr nur ein Problem vertikaler Wertschöpfungskooperation, da sie auch für horizontale Kooperationsbeziehungen zunehmend zukunfts- und erfolgskritisch werden.

In beiden Kooperationsvarianten scheint zwischen der Entwicklung von Netzwerkmanagement und Geschäftsmodell ein Wirkungszusammenhang zu bestehen, der Fragen der pfadabhängigen Entwicklung, der Pfadkreation und der Steuerung netzwerkförmiger Kooperationen aufwirft, die zumindest für die Forst-Holzwirtschaft kaum erforscht sind (vgl. Schlüter 2006, Ruppert 2006). Das bislang mehr in der Regionalwirtschaft diskutierte Thema „governance of and through networks“ wird forstökonomische Relevanz absehbar noch hinzugewinnen.

Da deshalb auch Netzwerkmanagement für die zukünftige Entwicklung der Forst-Holzwirtschaft eine gewisse Schlüsselrolle einnehmen kann, sind die Vorläufererfahrungen anderer Branchen mit der „schönen heilen Netzwerkwelt“ (Gaitanides 1998) zu berücksichtigen. Diesen Erfahrungen zufolge sind Netzwerke „leistungsstark, wenn es darum geht, Informationen auszutauschen, technische Koordinationen zu regeln, neue Ideen zu erzeugen. Sie sind leistungsschwach, wenn die Themen konflikthaltig sind, von den Beteiligten hohe Verlässlichkeit ihrer Inputs verlangt wird und wenn die kurzfristige Kosten-Nutzen-Analyse der Akteure deutlich ungünstiger als die langfristige ausfällt“ (Fürst 2005: 93). Genau diese Stolpersteine der Netzwerkkooperation sind in beiden Fallbeispielen präsent: Die Innovations- und Synergiepotenziale beider Netzwerkvarianten bleiben unausgeschöpft, ihre längerfristige Konsolidierung deswegen mehr oder minder instabil und unsicher, weil

- einseitig auf potentielle, erwartete Kooperationserträge geachtet wird, Kooperationsrisiken aber ignoriert und nicht ausgeglichen werden,

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- infolgedessen die Kooperationsqualität und -verbindlichkeit eingeschränkt, die Ressourcenausstattung ungenügend und das Netzwerkmanagement in der alltäglichen Netzwerkpraxis unterentwickelt bleibt,

- das für die „Gemeinsamkeit der gemeinsamen Sache“ (Ortmann 2006) nötige wechselseitige Vertrauen unterschätzt wird und das Geben und Nehmen zwischen heterogenen Netzwerkpartnern unausgeglichen bleibt.

Auch mit diesen manifesten Defizite bleiben Netzwerke als Kooperationsform auch für die zwischenbetrieblichen Forst-Holz-Beziehungen alternativlos. Sie sind jedoch alles andere als ein einfacher, gradliniger Königsweg und scheinen besonders auf das angewiesen zu sein, was den gerade in der Allgäuer Region oft reklamierten innovativen „Holzweg“ der einheimischen Holzbauwirtschaft auszeichnet: gegenseitiges Verständnis und Vertrauen, regionales Identitätsbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl. Trotz dieser besonderen Reziprozitätsbasis, die sich in den letzten Dekaden im Allgäu aufgrund seiner regionalspezifischen Mischung aus Traditions- und Innovationskultur entwickeln konnte, ist Vertrauen erstaunlicherweise auch in der dortigen Forst-Holzwirtschaft ein knappes Gut.

Dass und wie sie als regionale Innovationsressource zu re-aktivieren ist, zeigen langjährige regionalpolitische Erfahrungen und insbesondere die Befunde der auf Vertrauen fokussierten institutionenökonomischen Diskussion.20 Begründet wird die besondere Bedeutung von Vertrauen mit Fakten, die auch in unseren beiden Fallbeispielen bestätigt werden: dass Netzwerke ungeachtet eines noch so sorgfältigen Netzwerkmanagements auf eine Vertrauensbasis angewiesen sind, dass auch ein elaboriertes Netzwerkmanagement nicht ohne eine „Vorleistungsbereitschaft“ der Netzwerkpartner auskommt, also ihre Fähigkeit, Leistungen zu erbringen ohne direkte Gegenleistung bzw. in mehr oder weniger sicherer Erwartung auf spätere Gegenleistung. Vertrauen reduziert deshalb Unsicherheit und „ .. komplexe Realitäten sehr viel schneller und ökonomischer als Voraussage, Autorität oder Verhandlung“ (Powell 1996: 226). Vertrauen ist mithin unverzichtbar, um den in Netzwerken immer virulenten Risiken und Ungewissheitszonen entgegen wirken zu können.

„Vertrauensbildende“ Entwicklungspfade werden im o.g. Diskurs unterschieden nach „characteristic-based trust“ mit regional-kulturellen, gemeinsam geteilten Werten und Traditionen, nach „institutionally based trust“ aufgrund staatlicher, intermediär oder regional geschaffener Institutionen und nach „process-based trust“ als Ergebnis nachhaltig positiver Kooperationserfahrungen (Lane, Bachmann 1996, Zucker 1986). Um ihre Vertrauensbasis zu erhöhen, sind Netzwerke also zum einen auf ihr endogenes Innovationspotenzial verwiesen und zum anderen auf ihre regional-kulturelle Einbettung und ihr politisch-institutionelles Umfeld - ersteres für den sukzessiven wie nachhaltigen Aufbau von „process-based trust“, letztere für die Aktivierung von „characteristic-based trust“ oder die Nutzung von „institutionally based trust“. „Vertrauensbildende Maßnahmen“ stehen der Allgäuer Forst-Holzwirtschaft in allen drei Optionen offen, da sie – wie die Fallbeispiele zeigen – in ihren Forst-Holzunternehmen, in ihren vielfältigen zwischenbetrieblich Kooperationsverbünden und ihrem regional-institutionellem Gefüge über genügend und neu zu nutzendes Innovationspotenzial verfügen.

20 Vgl. Zucker 1986, Powell 1996, Lane, Bachmann 1996

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5 Literaturverzeichnis

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Wirth, S. (2006b): Strategische Kooperationen in der Forst-Holz-Wirtschaft - Reziprozität im Holzforum Allgäu ZUFO-Arbeitsbericht 7

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Der vorliegende Text ist ein Arbeitsbericht aus dem ZUFO-Verbundvorhaben. Alle weiteren Berichte stehen Ihnen auf der Projekthomepage www.zufo.de kostenlos zum Download zur Verfügung:

Arbeitsbericht 1 Koch, M. Die ideologiegeprägte Bargaining-Theorie als Faktor des institutionellen Wandels in der Forstwirtschaft

Arbeitsbericht 2 Rubik, F. Verbraucher und Holz – eine Übersicht zum Stand der Literatur

Arbeitsbericht 3 Wirth, S. Abhängigkeiten und Potenziale in der Forst-Holz-Wertschöpfungskette – Ressourcenorientierte Analyse von Organisationsalternativen zur Erschließung kettenweiter Innovationspotenziale

Arbeitsbericht 4 Arnold, M.; Ankele, K.

Organisationale Voraussetzungen zur Erschließung von Zukunftsmärkten

Arbeitsbericht 5 Birke, M.; Schwarz, M.

Die Prozessbegleitende Beratung und das Beratungskonzept für die Forst-Holz-Kette

Arbeitsbericht 6 Hoppenbrock, C.; Scheer, D.

Stoffstrombilanzen Holz – Beispiel „Holzfenster“ und „Holzfertighäuser“

Arbeitsbericht 7 Wirth, S. Strategische Kooperationen in der Forst-Holz-Kette

Arbeitsbericht 8 Scheer, D. Nachhaltigkeit im Bereich Bauen und Wohnen - ökologische Bewertung der Bauholz-Kette

Arbeitsbericht 9 Arnold, M.; Hoffmann, E.; Jahnke, K.

Ergebnisse der Breitenbefragung Holzhäuser

Arbeitsbericht 10

Gold, S. Kaufentscheidung des Bauherrn

Arbeitsbericht 11

Gold, S.; Jersak, H.; Dr. Rubik, F.

Holz aus Verbrauchersicht – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung

Arbeitsbericht 12

Hahn, S.; Hoffmann, E.;

Mohaupt, F.

Dokumentation des Szenario- und Strategieworkshops zum Thema „Zukunftsmärkte der Forst-Holz-Kette“ am 30./31. Oktober in Reimlingen

Arbeitsbericht 13

Ruppert, C.; Ebinger, F.

Innovative Zusammenarbeit in der Forst-Holz-Kette – Motivationen und Strategien am Beispiel der Region Allgäu

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Im ZUFO arbeiten die folgenden Institute und Institutionen zusammen:

• Institut für Forstökonomie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

(www.ife.uni-freiburg.de)

• Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

(www.ioew.de)

• Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund (sfs)

(www.sfs-dortmund.de)

• Holzforum Allgäu

(www.holzforum-allgaeu.de)

www.zufo.de