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321 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 59. Jahrgang · November 2006 · Heft 4 INHALT Digitalisierung von archivischem Sammlungsgut. Empfehlung der Bundeskonferenz der Kommunalar- chive beim deutschen Städtetag. Von Ulrich Nieß, Michael Wettengel und Robert Zink ............................. 323 DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Find- mittel“. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts. Von Ulrich Fischer und Wilfried Reininghaus .................. 329 Vorschläge zur Bewertung der Unterlagen der Land- ratsämter in Baden-Württemberg in einem geschlos- senen Internetforum. Ein Bewertungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Kreisarchive Baden-Württem- berg. Von Andreas Zekorn .................................................. 334 „Ran an die Quellen!“: Das archivdidaktische Modell inWolfsburgvonBirgitSchneider-Bönninger ......... 342 Archivpädagogik ohne Archivpädagogen? – Neue Wege der kulturellen Jugendbildung im Staatsarchiv Ludwigsburg. Von Peter Müller und Elke Koch ......... 348 Archivtheorie und -praxis Archive und Bestände: Deutsches Adelsarchiv. Ge- schichte – Bestände – Aufgaben (C. Franke): 355. – Archivpädagoge im Landesarchiv NRW Staatsarchiv Münster (M. Black-Veldtrup): 357. – Bestände des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main im Internet zugänglich (S. Kämpfer): 357. – Wechsel in der Leitung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart (R. Kretzschmar): 358. – Das Ende einer Archivära: Pro- fessor Reimer Witt feierlich verabschiedet (S. Schoen): 358. – Einweihung des Erweiterungsbaus des Archivs des Bistums Passau (H. W. Wurster): 359. EDV und Neue Medien: Digitalisierung im Landesar- chiv Nordrhein-Westfalen Personenstandsarchiv Brühl – Die Edition Brühl wird „100“ (C. Reinicke): 359. – Drei Jahre nestor – Projektergebnisse aus Sicht der Archive (K. Huth): 360. – „Kommunale Wappenrolle Schleswig- Holstein“ jetzt im Internet (E. Strang): 362. Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung: Aktions- tag Geschichte in der Region Schwarzwald-Baar-Heu- berg (H. Maulhardt): 362. – „Der Ball ist rund!“ Fußball und andere Bälle im Archiv (I. Pache/P. Rückert): 363. – 200 Jahre Religionsfreiheit in Württemberg – Der Weg zur ersten katholischen Stadtpfarrkirche von Stuttgart. Archivale des Monats September 2006 im Hauptstaats- archiv Stuttgart (B. Theil): 364. Aus- und Fortbildung, berufsständische Angelegenheiten: Bibliotheks- und Archiv-Management. Weiterbil- dungsprogramme mit Zertifikat (R. Busch): 364. Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen: Geschichte im Netz – Archive im Netz? Bericht über die Tagung „hist2006 Geschichte im Netz: Praxis, Chancen, Visio- nen“ (B. Joergens): 365. – Projektarbeit, Archivpäda- gogik und Bildungsreform 2004. Karlsruher Konfe- renz zeigt neue Schwerpunkte für die historisch-poli- tische Bildungsarbeit in Archiven (D. Klose): 366. – Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unter- lagen aus digitalen Systemen“ (H. Stockert): 368. – 58. Westfälischer Archivtag 2006 in Bad Oeynhausen (W. Bockhorst): 370. – 7. Arbeitstagung des Verbandes Schleswig-Holsteinischer Kommunalarchivarinnen und -archivare e.V. (A. Ueck): 371. – 14. Allgäuer Archivtag in Kaufbeuren (F. Böck): 371. – Urkunden, Doppik, digitales Desaster – das Kommunalarchiv im Spannungsfeld seiner Aufgaben. 44. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Niedersächsischen Kommunalarchivare (ANKA e.V.) in Wolfsburg (H. Schüpp): 372. – 52. Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württem- berg in Wertheim-Bronnbach (M. Baudisch): 374. – Geschichtswissenschaft und Archive auf dem Weg zur E-History? (A. Schaser): 374. – 10. Jahrestagung der AGOA in Erfurt 2. bis 4. Mai 2006 (W. Schaffer): 375. – „Lernort Archiv“ – eine archivpädagogische Tagung des Stadtarchivs Hof zum „Tag der Archive“ am 6. Mai 2006 (K. Kühnel): 376. – Jahrestagung 2006 des Bestandserhaltungsausschusses der ARK in Des- sau (W. Klare): 376. – 29. Hessischer Archivtag in Lim- burg (B. Streich): 377. – 20. Archivpädagogenkonfe- renz in Bremen. „Veränderte Strukturen – neue Chan- cen?“ – Strukturveränderungen im Bildungsbereich und in der Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf die Benutzung im Archiv (B. Schneider-Bönninger/T. Lange): 378. – Fundraising und Sponsoring in Archi- ven. Bericht zur Tagung „Erschließung von Finanzie- rungsmöglichkeiten für Bibliotheken und Archive“ (N. Schachner/N. Weiß): 379. Auslandsberichterstattung Internationales: Stage Technique International d'Archi- ves im Wandel (S. Dumschat/R. Göbel): 381. Österreich: 4. Österreichische Ordensarchivtagung 2006 (H. Penz): 383. Literaturbericht Archive in Thüringen. Sonderheft 2004: Nachlässe in Archi- ven. Hrsg. im Auftrag des Thüringer Kultusministeriums. Red.: K. Beger und B. Fischer (G. Wiemers): 385. – Archive und Gedächtnis. Festschrift für Botho Brachmann. Hrsg. von F. Beck, E. Henning, J.-F. Leonhard, S. Paulukat und O. B. Rader (F. P. Kahlenberg): 386. – Aufbewahrung von Archivgut. Einsatz von Papier und Schreibmaterialien. Empfehlungen des Verbandes kirchlicher Archivare. Erarb.

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Zeitschrift für Archivwesen

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321Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

59. Jahrgang · November 2006 · Heft 4INHALT

Digitalisierung von archivischem Sammlungsgut.Empfehlung der Bundeskonferenz der Kommunalar-chive beim deutschen Städtetag. Von Ulrich Nieß,Michael Wettengel und Robert Zink ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Find-mittel“. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts. VonUlrich Fischer und Wilfried Reininghaus ... . . . . . . . . . . . . . . . 329Vorschläge zur Bewertung der Unterlagen der Land-ratsämter in Baden-Württemberg in einem geschlos-senen Internetforum. Ein Bewertungsprojekt derArbeitsgemeinschaft Kreisarchive Baden-Württem-berg. Von Andreas Zekorn ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334„Ran an die Quellen!“: Das archivdidaktische Modellin Wolfsburg von Birgit Schneider-Bönninger ... . . . . . . 342Archivpädagogik ohne Archivpädagogen? – NeueWege der kulturellen Jugendbildung im StaatsarchivLudwigsburg. Von Peter Müller und Elke Koch ... . . . . . . 348

Archivtheorie und -praxisArchive und Bestände: Deutsches Adelsarchiv. Ge-schichte – Bestände – Aufgaben (C. Franke): 355. –Archivpädagoge im Landesarchiv NRW StaatsarchivMünster (M. Black-Veldtrup): 357. – Bestände desInstituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main imInternet zugänglich (S. Kämpfer): 357. – Wechsel inder Leitung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart (R.Kretzschmar): 358. – Das Ende einer Archivära: Pro-fessor Reimer Witt feierlich verabschiedet (S. Schoen):358. – Einweihung des Erweiterungsbaus des Archivsdes Bistums Passau (H. W. Wurster): 359.EDV und Neue Medien: Digitalisierung im Landesar-chiv Nordrhein-Westfalen Personenstandsarchiv Brühl– Die Edition Brühl wird „100“ (C. Reinicke): 359. – DreiJahre nestor – Projektergebnisse aus Sicht der Archive(K. Huth): 360. – „Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein“ jetzt im Internet (E. Strang): 362.Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung: Aktions-tag Geschichte in der Region Schwarzwald-Baar-Heu-berg (H. Maulhardt): 362. – „Der Ball ist rund!“ Fußballund andere Bälle im Archiv (I. Pache/P. Rückert): 363. –200 Jahre Religionsfreiheit in Württemberg – Der Wegzur ersten katholischen Stadtpfarrkirche von Stuttgart.Archivale des Monats September 2006 im Hauptstaats-archiv Stuttgart (B. Theil): 364.Aus- und Fortbildung, berufsständische Angelegenheiten:Bibliotheks- und Archiv-Management. Weiterbil-dungsprogramme mit Zertifikat (R. Busch): 364.Fachverbände, Ausschüsse, Tagungen: Geschichte imNetz – Archive im Netz? Bericht über die Tagung

„hist2006 Geschichte im Netz: Praxis, Chancen, Visio-nen“ (B. Joergens): 365. – Projektarbeit, Archivpäda-gogik und Bildungsreform 2004. Karlsruher Konfe-renz zeigt neue Schwerpunkte für die historisch-poli-tische Bildungsarbeit in Archiven (D. Klose): 366. –Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unter-lagen aus digitalen Systemen“ (H. Stockert): 368. – 58.Westfälischer Archivtag 2006 in Bad Oeynhausen (W.Bockhorst): 370. – 7. Arbeitstagung des VerbandesSchleswig-Holsteinischer Kommunalarchivarinnenund -archivare e.V. (A. Ueck): 371. – 14. AllgäuerArchivtag in Kaufbeuren (F. Böck): 371. – Urkunden,Doppik, digitales Desaster – das Kommunalarchiv imSpannungsfeld seiner Aufgaben. 44. Arbeitstagungder Arbeitsgemeinschaft der NiedersächsischenKommunalarchivare (ANKA e.V.) in Wolfsburg (H.Schüpp): 372. – 52. Sitzung der Arbeitsgemeinschaftder Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württem-berg in Wertheim-Bronnbach (M. Baudisch): 374. –Geschichtswissenschaft und Archive auf dem Wegzur E-History? (A. Schaser): 374. – 10. Jahrestagungder AGOA in Erfurt 2. bis 4. Mai 2006 (W. Schaffer):375. – „Lernort Archiv“ – eine archivpädagogischeTagung des Stadtarchivs Hof zum „Tag der Archive“am 6. Mai 2006 (K. Kühnel): 376. – Jahrestagung 2006des Bestandserhaltungsausschusses der ARK in Des-sau (W. Klare): 376. – 29. Hessischer Archivtag in Lim-burg (B. Streich): 377. – 20. Archivpädagogenkonfe-renz in Bremen. „Veränderte Strukturen – neue Chan-cen?“ – Strukturveränderungen im Bildungsbereichund in der Gesellschaft und ihre Auswirkungen aufdie Benutzung im Archiv (B. Schneider-Bönninger/T.Lange): 378. – Fundraising und Sponsoring in Archi-ven. Bericht zur Tagung „Erschließung von Finanzie-rungsmöglichkeiten für Bibliotheken und Archive“(N. Schachner/N. Weiß): 379.

AuslandsberichterstattungInternationales: Stage Technique International d'Archi-ves im Wandel (S. Dumschat/R. Göbel): 381.Österreich: 4. Österreichische Ordensarchivtagung2006 (H. Penz): 383.

LiteraturberichtArchive in Thüringen. Sonderheft 2004: Nachlässe in Archi-ven. Hrsg. im Auftrag des Thüringer Kultusministeriums.Red.: K. Beger und B. Fischer (G. Wiemers): 385. – Archiveund Gedächtnis. Festschrift für Botho Brachmann. Hrsg. vonF. Beck, E. Henning, J.-F. Leonhard, S. Paulukat undO. B. Rader (F. P. Kahlenberg): 386. – Aufbewahrung vonArchivgut. Einsatz von Papier und Schreibmaterialien.Empfehlungen des Verbandes kirchlicher Archivare. Erarb.

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DER ARCHIVAR. Mitteilungsblatt für das deutsche ArchivwesenHerausgegeben vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf und vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen undArchivare e.V., Sitz: Frankfurt a.M., Geschäftsstelle: Wörthstr. 3, 36037 Fulda. Redaktion: Martina Wiech in Verbindung mit Barbara Hoen, Robert Kretz-schmar, Wilfried Reininghaus, Ulrich Soénius und Klaus Wisotzky. Mitarbeiter: Meinolf Woste, Petra Daub. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf, Tel. 02 11 / 15 92 38-800 (Redaktion), -202 (Martina Wiech), -802 (Meinolf Woste), -803 (Petra Daub), Fax 02 11 / 15 92 38-888, E-Mail: [email protected]. Druck und Vertrieb: Franz Schmitt, Kaiserstraße 99–101, 53721 Siegburg, Tel. 0 22 41 / 6 29 25, Fax 0 22 41 / 5 38 91, E-Mail: [email protected], Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto. 7058-500. Die Verlagsrechte liegen beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. AmtlicheBekanntmachungen sowie Manuskripte, Mitteilungen und Besprechungsexemplare bitten wir an die Redaktion zu senden. Zum Abdruck angenommeneArbeiten gehen in das unbeschränkte Verfügungsrecht des Herausgebers über. Dies schließt auch die Veröffentlichung im Internet ein. Die Beiträge gebendie Meinungen ihrer Verfasser, nicht die der Redaktion wieder. Bestellungen und Anzeigenverwaltung (Preisliste 20, gültig ab 1. Januar 2006) beim Verlag F.Schmitt, Kaiserstraße 99–101, 53721 Siegburg, Tel. 0 22 41 / 6 29 25, Fax 0 22 41 / 5 38 91, E-Mail: [email protected]. Zuständig für den Anzeigenteil:Sabine Prediger im Verlag F. Schmitt. „Der Archivar“ erscheint viermal jährlich. Die Beihefte werden in zwangloser Reihenfolge herausgegeben. DerBezugspreis beträgt für das Einzelheft einschl. Porto und Versand 8,– EUR im Inland, 9,– EUR im Ausland, für das Jahresabonnement im Inland einschl.Porto und Versand 32,– EUR, im Ausland 36,– EUR. ISSN 0003-9500

Hinweise für VdA-Mitglieder: Geänderte Anschriften und Bankdaten sind ausschließlich an folgende Adresse zu melden: VdA-Geschäftsstelle, Wörthstraße 3,36037 Fulda, Tel. +49 661 / 29 109 72, Fax +49 661 / 29 109 74; e-mail: [email protected]. Internet: www.vda.archiv.net – Bankverbin-dungen: Konto für Mitgliedsbeiträge des VdA: Sparkasse Regensburg (BLZ 750 500 00), Konto-Nr. 16675; Konto für Spenden an den VdA: Sparkasse Regens-burg (BLZ 750 500 00), Konto-Nr. 17475.

im Auftrag des Verbandes kirchlicher Archive von M.Scholz, H. Sander, G. Stüber und B. Wischhöfer (E.Böhme): 387. – Bergbaufilme. Inventar zur Überlieferung inArchiven, Museen und anderen Dokumentationsstellen inder Bundesrepublik Deutschland. Bearb. von S. Przigodaunter Mitarbeit von H. Menne (R. Köhne-Lindenlaub): 387.– Die Bestände des sächsischen Bergarchivs Freiberg. Hrsg.vom Sächsischen Staatsministerium des Innern. Bearb. vonA. Erb (P. Langhof): 388. – Die Bestände des StaatsarchivsWolfenbüttel. Bearb. von H.-R. Jarck (S. Brüdermann): 389.– R. Braun, Die älteste Rechnung des Bürgerspitals von 1495(R. Meier): 390. – Erzbischöfliches Archiv München, JuliusKardinal Döpfner. Archivinventar der Dokumente zumZweiten Vatikanischen Konzil. Bearb. von G. Treffler und P.Pfister (P. Mai): 390. – Das Gedächtnis der HansestadtLübeck. Festschrift für Antjekathrin Graßmann zum 65.Geburtstag. In Verbindung mit dem Verein für LübeckischeGeschichte und Altertumskunde und dem HansischenGeschichtsverein hrsg. von R. Hammel-Kiesow und M.Hundt (U. Reinhardt): 390. – Geschichte „in die Handgenommen“: Die Geschichtlichen Hilfswissenschaften zwi-schen historischer Grundlagenforschung und methodischenHerausforderungen. Hrsg. von G. Vogeler (P. Sahle): 391. –E. Henning, Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte Dah-lems (G. Wiemers): 391. – 100 Jahre Staatsarchiv Bamberg imHain. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Bamberg. Konzep-tion und Bearbeitung: A. Paulus in Zusammenarbeit mit R.Hambrecht, J. Pörnbacher und K. Rupprecht (R. Zink):392. – A. Lisse, Handlungsspielräume deutscher Verwal-tungsstellen bei den Konfiskationen in der SBZ 1945-1949.Zum Verhältnis zwischen deutschen Verwaltungsstellenund der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland(SMAD) (H. Schreyer): 392. – J. Lotterer, Gegenreformationals Kampf um die Landesherrschaft. Studien zur territorial-staatlichen Entwicklung des Hochstifts Paderborn im Zeital-ter Dietrichs von Fürstenberg (1585-1618) (V. Henn): 393. –Nachlässe im Bayerischen Hauptstaatsarchiv 1800 bis heute.Bearb. von S. Krauss ( W. Buchmann). 393. – Eine neueGründungsurkunde für die Universität Heidelberg. Hrsg.von W. Moritz (R. Brüning): 394. – Die Protokolle des Baye-rischen Ministerrats 1945–1954. Das Kabinett Ehard II.20. September 1947 bis 18. Dezember 1950. Band 2: 5. 1. 1949– 29. 12. 1949. Bearb. von K.-U. Gelberg (R. Jedlitschka):394. – Übersicht über die Bestände des NiedersächsischenStaatsarchivs in Bückeburg. Bearb. von H. Höing (C. Mül-ler-Boysen): 395. – Die Überlieferung der Diktaturen. Bei-träge zum Umgang mit Archiven der Geheimpolizeien inPolen und Deutschland nach 1989. Hrsg. von A. Bensus-san, D. Dakowska und N. Beaupré (H. Schreyer): 395. –Die Überlieferung der preußischen Bergverwaltung. Erfah-rungen und Perspektiven zur Bearbeitung des sachthemati-schen Inventars der preußischen Berg-, Hütten- und Salinen-verwaltung, 1763–1865. Hrsg. von M. Black-Veldtrup, M.Farrenkopf und W. Reininghaus (K. Wisotzky): 396. – D.Unverhau, Das „NS-Archiv“ des Ministeriums für Staatssi-cherheit. Stationen einer Entwicklung (H. Schreyer): 397.

PersonalnachrichtenZusammengestellt von Meinolf Woste und ThomasGebauer ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

NachrufeJohannes Piotrowski † (G. Klein): 400. – IngeloreBuchholz † (M. Ballerstedt): 402.

Kurzinformationen, VerschiedenesAdressen, Ruf–und Faxnummern: 403. – Veranstal-tungstermine: 403.

Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvor-schriften für das staatliche Archivwesen und zurArchivpflege in der Bundesrepublik DeutschlandZusammengestellt mit Unterstützung der Landesar-chivverwaltungen von Meinolf Woste und ThomasGebauer ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

Mitteilungen des VdA – Verband deutscher Archivarin-nen und Archivare e. V.Protokoll der Mitgliederversammlung des VdA – Verbanddeutscher Archivarinnen und Archivare e. V. am 27. Sep-tember 2006 in Essen (R. Kretzschmar): 410. – Neuwahl desVorstandes des VdA-Landesverbandes Brandenburg (W.Krogel): 417.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 323

1 Einleitung

1.1 VorbemerkungSchnelligkeit der Informationsverbreitung und räumlichwie zeitlich unbeschränkter Zugriff lassen das World WideWeb für eine wachsende Zahl von Anbietern und Benut-zern weltweit interessant und attraktiv werden. Damit ver-bindet sich auch für lokale Archive eine bisher kaum wahr-genommene Entwicklungsmöglichkeit: als riesige Informa-tionsspeicher können sie Beachtung weit über Stadtgren-zen hinaus finden und somit örtliche oder regionale Infor-mationen ohne Beschränkung zugänglich machen.

Aber auch als Dienstleister – gegenüber den eigenenVerwaltungen in einem Intranet wie auch der Öffentlich-keit – können sich damit die Archive als zukunftsorientiertund offen gegenüber technischen Neuerungen und Forde-rungen ihrer Nutzer positionieren.

Voraussetzung dafür ist das Vorliegen der Informatio-nen in digitaler Form. Archive verfügen traditionell überumfangreiche Daten, die in der Regel aber nur analog –also auf Papier, Pergament oder als Fotos – vorhandensind. Die Nutzung neuer Medien zwingt daher zurUmwandlung solcher analoger in digitale Formen; diesestellt freilich erhebliche Anforderungen. Dafür müssenVoraussetzungen organisatorischer und technischer Artgeschaffen werden.

In Abhängigkeit von den jeweiligen Ordnungsstruktu-ren eines Archivs hat ein solcher Medienwechsel für dieunterschiedlichen Archivbestände unterschiedliche Bedin-gungen an rechtlichen und technischen Vorgaben zurFolge, die im Rahmen einer allgemeine Gültigkeit bean-spruchenden Empfehlung nur bedingt erfasst werden kön-nen. Die nachfolgenden Überlegungen beschäftigen sichdeshalb ausschließlich mit archivischem Sammlungsgut,dessen innere Strukturen in der Regel einfacher gestaltetsind, als die durch ihren Entstehungs- und Aussagekontextkomplexen Beziehungen von Aktenbeständen und Daten-banken. Da Sammlungsgut in der vorgestellten Form aberin nahezu allen kommunalen Archiven vorhanden ist underkennbar zu den meist benutzten und daher in seinerErhaltung besonders gefährdeten Archivaliengruppenzählt, kommt den nachfolgend genannten Problemstellun-gen, Überlegungen und Lösungsansätzen dennoch grund-sätzliche Bedeutung zu.

Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei Fragen derorganisatorischen und technischen Voraussetzungen fürDigitalisierungsprojekte. Unberücksichtigt bleibt hinge-

gen der Komplex der Übernahme bereits in digitaler Formentstandenen Archivguts und von Archivgut, das aus dernachträglichen Digitalisierung von analogem Verwal-tungsschriftgut entstand sowie der daraus häufig resultie-rende „Medienbruch“.

Bei bereits mikroverfilmten Beständen ist zu prüfen, oban Stelle der Digitalisierung von Originalen die Herstel-lung eines Scans vom Mikrofilm vorteilhafter ist, wie diesin der Regel mit Blick auf die Bestandserhaltung sowie ausRessourcen- und Kostengründen meist der Fall sein dürf-te.2

1.2 BegriffsbestimmungAls „archivisches Sammlungsgut” werden aktiv von Archi-ven erworbene oder gesammelte, körperlich vorhandeneUnterlagen verstanden, die nicht ausschließlich aus öffent-lichen Verwaltungsverfahren stammen, aber relevant fürdie Geschichte einer Kommune oder Region sind und dieaus Verwaltungsschriftgut erwachsenen Archivbestände inihren Dokumentationsmöglichkeiten ergänzen. Ihr unmit-telbarer Aussagewert besteht in ihrem jeweiligen Inhalt,nicht dagegen in ihrer Position innerhalb eines Entste-hungskontextes. Beispiele sind Ansichtskarten-, Bild,- Zei-tungsausschnitt-, Siegel-, Grafik-, Münz-, Autografen- u. ä.Sammlungen. Nicht eingeschlossen sind hier in digitalerForm vorliegende Ton- und Filmaufzeichnungen, für dietechnische Standards derzeit noch nicht abschließendbewertet werden können.

Unter „Digitalisierung” wird nachfolgend die Abbil-dung von analog vorliegendem Archivgut in digitalen For-men und deren Ablage in vorhandenen DV-Strukturen ver-standen.

1.3 LiteraturhinweiseZum Problemkreis der Digitalisierung von Archivgut exi-stieren bereits Richtlinien und Empfehlungen3 und es lie-

1 Die nachfolgenden Überlegungen basieren weitgehend auf Erfahrungenin den Stadtarchiven Mannheim und Ulm. Ein erster Entwurf von AnjaGillen, Ulrich Nieß, Harald Stockert (Mannheim) sowie WolfgangAdler und Michael Wettengel (Ulm) wurde in mehreren Redaktions-sitzungen und abschließend im EDV-Ausschuss der Bundeskonferenzder Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK) überarbeitetund von der BKK am 18./19. April 2005 als Empfehlung angenommen.

2 Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die geschilderten Vor-gehensweisen nicht die Verfilmung zu Sicherungszwecken ersetzenkönnen. Dieses Ziel ist derzeit nicht anders als über das analoge Medi-um erreichbar, welches aber dann zu Arbeitszwecken in digitale Formgebracht werden kann.

3 Anne R. Kenney/Stephen Chapman: An Introduction to Digital Ima-ging for Archives, Imaging Technology Committee, ICA, Paris August1996.– Marianne Dörr/Hartmut Weber: Abschlußbericht der Arbeits-gruppe „Digitalisierung“ des Unterausschusses Bestandserhaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (7. Oktober 1996) unter:www.lad-bw.de/lad/dfgdigh1.htm. – Guidelines for Digital Imaging.Papers given at the Joint National Preservation Office and ResearchLibraries Group Preservation Conference in Warwick, 28-30. September1998, National Preservation Office (British Library) 1998. – GeraldMaier: Neues DFG-Forschungsprojekt der LandesarchivdirektionBaden-Württemberg. Workflow und Werkzeuge zur digitalen Bereitstel-lung größerer Mengen von Archivgut. In: Der Archivar 53 (2000), S. 241.– Digitale Archive und Bibliotheken. Neue Zugangsmöglichkeiten undNutzungsqualitäten, hg. von Hartmut Weber und Gerald Maier. Stutt-gart 2000 (Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württem-berg, Serie A/15). – Kathryn Pfenninger: Bildarchiv digital. Stuttgart2001 (Museumsmagazin 8). – Kulturgut aus Archiven, Bibliotheken undMuseen im Internet, hg. von Gerald Maier und Thomas Fricke. Stutt-gart 2004 (Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-

Digitalisierung von archivischem Sammlungsgut1

Empfehlung der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim deutschen Städtetag

Von Ulrich Nieß, Michael Wettengel und Robert Zink

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gen verschiedene Erfahrungsberichte aus konkreten Pro-jekten4 vor.

2 Vorbereitung von Digitalisierungsprojekten

2.1 BestandsanalyseDie Entwicklung eines Konzepts zur Digitalisierung

setzt zunächst eine genaue Analyse des gegenwärtigenZustandes der betroffenen Sammlung sowie deren Rah-menbedingungen voraus. Hierunter fällt der Ressourcen-einsatz in personeller, organisatorischer, technischer undfinanzieller Hinsicht.

Sie bestimmen im Wesentlichen Organisation undAblauf der Digitalisierung, so dass über sie bereits im Vor-feld eines Projekts zu entscheiden ist. Dadurch werdenlangfristige Strukturen festgelegt, die nur unter großemAufwand korrigierbar sind.

Im Mittelpunkt der Analyse steht zunächst der Samm-lungs-Bestand selbst und seine Stellung innerhalb derArchiv-Tektonik. Lässt sich der Umfang in der Regel nochrecht einfach feststellen, so ist die Analyse des inneren Auf-baus meist schwieriger, jedoch unumgänglich. Die innereOrdnung sowie vor allem die Ablagestruktur eines Bestan-des (beides kann voneinander differieren, z. B. bei Bild-sammlungen, wenn nach unterschiedlichen Formaten derAbzüge und verschiedenen Trägermaterialien bei glei-chem Dokumentationsinhalt und Provenienz getrenntwurde) können wesentliche Vorgaben für die Ablauforga-nisation des Digitalisierungsprojektes liefern. Gegebenen-falls gilt es auch die Frage zu klären, ob mit der Digitali-sierung eine Neuordnung des Bestandes in Angriff genom-men werden soll.

Überdies gilt es, den Verzeichnungsstand zu berücksich-tigen. Es ist unabdingbar, dass vor Beginn der Digitalisie-rung sämtliche in Frage kommenden Archivalien verzeich-net und über eine Datenbank recherchierbar vorzuliegenhaben.

Zusätzlich muss festgestellt werden, welche unter-schiedlichen Größenformate oder Bildträgertypen in derSammlung vorhanden sind, die gegebenenfalls unter-schiedliche Arbeitsabläufe der Digitalisierung – eventuellauch mit verschiedenem technischen Equipment – notwen-dig machen können.

Ein weiteres beachtenswertes Moment ist der Erhal-tungszustand der Archivalien, der möglicherweise eineDigitalisierung nicht gestattet, wenn z. B. die Gefahrmechanischer Schäden durch den Scanvorgang besteht.Unter Umständen muss eine restauratorische Behandlungvorweg gehen.

Darüber hinaus sollte noch festgestellt werden, wie dieRechtslage (Urheber- bzw. Nutzungsrecht) bei den einzel-nen Archivalien zu beurteilen ist (s. auch Ziff. 5). Die recht-lichen Möglichkeiten zur Verwertung und Verbreitung vonunterschiedlichem archivischem Sammlungsgut bedürfeneiner jeweils eigenen Prüfung.5

Ein weiteres Kriterium, das im Vorfeld der Digitalisie-rung zu beachten ist, ist die Nutzungshäufigkeit (externoder auch intern, z. B. bei anstehenden Veröffentlichun-gen) der einzelnen Archivalien, die wesentlich überAblaufprioritäten bestimmen kann. Hierbei sollte berück-sichtigt werden, ob die Erwartungsschwerpunkte eher ineiner Erhöhung der Nutzungshäufigkeit oder der Vermei-dung konservatorischer Risiken liegt.

Die einzelnen Punkte dieses Kriterienkatalogs –Umfang, Aufbau, Formate, Verzeichnungsstand, konserva-torischer Zustand, Mikroverfilmung, Rechte und Nut-zungshäufigkeit – bilden die Grundlage zur Erstellungeiner Prioritätenliste hinsichtlich der Frage, was und inwelcher Reihenfolge digitalisiert werden soll.

2.2 Zustands- und ZielanalyseDigitalisierung macht einen hohen Einsatz von Finanz-und Personalressourcen erforderlich. Voraussetzung istdaher die genaue Analyse des ökonomischen Umgangs mitsolchen Ressourcen und die Definition von Zielen.

Als Vorteile der Digitalisierung sind zu sehen:– die jederzeitige und ubiquitäre Nutzung des Samm-

lungsguts unabhängig von Verwahr-Ort, Öffnungszei-ten etc.

– die Eröffnung eines direkten visuellen Zugangs zumObjekt,

– die kostengünstige Ermöglichung der Herstellungunzähliger Kopien in gleicher Qualität,

– die Beschleunigung des Zugriffs auf Informationen,– die Beschleunigung der Informationsweitergabe,– die Vorbereitung einer leichten und kostengünstigen

Weiterverarbeitung in konventionellen und elektroni-schen Medien,

– der Schutz der Originale. Mit einem breit gefächerten digitalen Angebot erweitert

sich das Profil des Archivs in einer Dienstleistungsgesell-schaft und erschließt neue Benutzerschichten.Damit verbinden sich nicht unerhebliche Herausforderun-gen. Als solche sind insbesondere anzusprechen:– die Bindung erheblicher finanzieller und/oder perso-

neller Mittel

Württemberg, Serie A/17). – Managing the Digitisation of Library,Archive and Museum Material, hg. von der British Library, NationalPreservation Office (www.bl.uk/npo/). – Minerva eEurope: Good Prac-tice Handbuch: Ein praktischer Leitfaden für die Digitalisierung vonBildmaterial, Version 1.3. 2004 (www.minervaeurope.org/structure/workinggroups/htm).

4 Stefan Aumann/Hans-Heinrich Ebeling/Hans Reinhard Frick/Man-fred Thaller: Innovative Forschung in Duderstadt: Das digitale Archiv.Begleitheft zur Ausstellung in der Sparkasse Duderstadt im Mai 1997.Duderstadt 1997. – Bernd Raschke/Barbara Richter: In der digitalenHexenküche werden die neuartigen Anforderungen an die archivischenDienstleistungen geköchelt. Das Archiv der Sozialen Demokratie imWandel. In: Der Archivar 50 (1997), S. 576–584. – Gerald Maier: Interna-tionales Kolloquium zur Digitalisierung von Archiv- und Bibliotheks-gut in Ludwigsburg. In: Der Archivar 52 (1999), S. 140–141. – Ulf Rath-je/Michael Wettengel: Digitalisierte Teile des Nachlasses Joseph Wirthim Bundesarchiv. In: Der Archivar 52 (1999), S. 245–246. – HarryScholz/Jutta Spoden: Erschließung und Digitalisierung der Flugblatt-Flugschriftensammlung im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD).Bericht über ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)unterstütztes Pilotprojekt. In: Der Archivar 52 (1999), S. 327–329. – Ebe-ling, Hans-Heinrich/Thaller, Manfred (Hrsg.): Digitale Archive. DieErschließung und Digitalisierung des Stadtarchivs Duderstadt. Göttin-gen 1999. – Bettina Wischhöfer: Digitale Archivierung von Fotosamm-lungen im Low-Budget-Bereich. Projekterfahrung im LandeskirchlichenArchiv Kassel. In: Der Archivar 54 (2001), S. 311-314. – Bettina Schleier:Digitalisierung eines größeren Bildbestandes. Ein Erfahrungsbericht. In:Der Archivar 56 (2003), S. 44-47. – C. Garbetz/K. Winkelmann/W.Spyra: Vom historischen Bildflug zum ersten digitalen Luftbildplan derStadt Cottbus aus dem Jahr 1928. In: Der Archivar 56 (2003), S. 325–327.

5 Z. B. remus.jura.uni-sb.de/urheberrecht/index.html. –www.mswf.nrw.de/service/Multime-diarecht.pdf.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 325

– die erforderliche Vorhaltung von Hard- und Softwarezur Nutzung des digital vorliegenden Sammlungsguts,

– die geregelte Migration auf neue Datenträger und Spei-cherformate,

– die Notwendigkeit zur regelmäßigen technischen Auf-bereitung der Daten („refreshment”).

3 Organisatorische Konzepte

Die Digitalisierung von archivischem Sammlungsgut kannunterschiedlichen organisatorischen Konzepten folgen,deren jeweilige Eignung sowohl von den dem Archiv zurVerfügung stehenden Ressourcen, aber auch von den zudigitalisierenden Beständen und den angestrebten Zielenabhängig ist.

Unabhängig von dem verfolgten Konzept ist zunächstder Einsatz von ausreichend qualifiziertem Personal imArchiv (v. a. in den Bereichen Scannen, Bildbearbeitung,Datenmanagement) unbedingte Voraussetzung, sowohlum alle erforderlichen Digitalisierungsarbeiten archivin-tern abwickeln, wie auch um Qualitätsmerkmale festlegen,beurteilen und kontrollieren zu können.

Darüber hinaus ist eine technische Mindestausstattungerforderlich: – PC mit ausreichender Verarbeitungs- und Speicherkapa-

zität, – CD- bzw. DVD-R-Schreib-/Lesegerät, – geeignete Software (Viewer),– Scanner mit entsprechender Software.

Die wenigsten Archive verfügen dabei bereits im Vor-feld der Planungen über alle Voraussetzungen, um einDigitalisierungsprojekt anzugehen. Häufig müssen techni-sche Gerätschaften oder Software angeschafft, Personalakquiriert oder aber Fremdaufträge („outsourcing“) verge-ben werden. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittelstellen eine unumgängliche Voraussetzung dar. Die Höheder Finanzmittel wird jedoch wesentlich vom jeweiligenDigitalisierungskonzept (mit-)bestimmt.

In der Folge sollen drei grundsätzliche Verfahrenswei-sen, die sich aus dem ermittelten Ist-Zustand und den dar-auf basierenden Grundsatzentscheidungen ergeben kön-nen, vorgestellt und verglichen werden. Häufig kommensie parallel für unterschiedliche (Teil-)Bestände zum Ein-satz.

3.1 Digitalisierung im Archiv3.1.1 Digitalisierung mit Hilfe von Standard-Software6 des

Archivs (s. Anhang 1)Eine Digitalisierung vor Ort unter Nutzung der in der

IT-Architektur des Archivs integrierten Standard-Softwareerfordert vor allem einen erheblichen logistischen Auf-wand. Sie bedingt die komplette Bereitstellung – technischer, – personeller und – finanzieller Kapazitäten und die konkrete Bewältigung der Aufgaben von den

– konzeptionellen Überlegungen über die – Digitalisierungsarbeiten bis hin zur – Endarchivierung durch das jeweilige Archiv.

Die Umsetzung ist durch vorhandene bzw. neu einzu-stellende Mitarbeiter zu realisieren, entsprechende „Scan-Arbeitsplätze” sind bereitzustellen. Personalschulungenmüssen über allgemein verbreitete PC-Kenntnisse hinausSpezialwissen vom Scan-Vorgang über die Fotobearbei-tung bis hin zur elektronischen Ablage vermitteln. Über dietechnische Mindestausstattung hinaus sind Scanner mitentsprechender Software (je nach Vorlagen mit Durchlicht-einheit oder Spezialscanner), CD-/DVD-Brenner underhebliche Speicherkapazitäten (zumindest zur Zwischen-speicherung) vonnöten.

Die archivinterne Digitalisierung bietet den Vorteil, dassdie Originale nicht außer Haus gegeben werden müssen.So kann die Gefahr einer physischen Beeinträchtigung,aber auch der organisatorische Aufwand mit erheblichemErhaltungsrisiko minimiert werden, zudem stehen dieArchivalien im Bedarfsfall weiterhin für die Benutzung zurVerfügung. Außerdem wird Know-how vor Ort aufgebaut,auf das man auch für spätere Bearbeitungsschritte, zumBeispiel für Korrekturen u. ä., zurückgreifen kann. Zeit-und Personalplanung verbleiben in der Verfügung desArchivs.

Sind die entsprechenden Kapazitäten im Archiv vorhan-den, bietet sich eine interne Digitalisierung insbesonderefür überschaubare (Teil-)Bestände an, deren häufige Nut-zung und Beschaffenheit eine längere Auslagerung zurexternen Digitalisierung nicht empfehlenswert machen.

3.1.2 Digitalisierung mit Hilfe von Spezialsoftware (s. Anhang 2)

Umfangreiche Sammlungen mit einer speziellen Ver-zeichnungs- und hierarchischen Ablagestruktur könnenden Einsatz einer Fremdsoftware- und -hardware-Umge-bung überlegenswert machen. Hiervon sind vor allem diein zahlreichen Archiven vorhandenen Zeitungsausschnitt-Sammlungen betroffen, die meist durch besonderen Um-fang und spezifische Erschließungsformen gekennzeichnetsind. Denn die Zeitungsausschnitte mit ihren Angabenüber Autor, Artikelüberschriften, Erscheinungsdatum usw.(1. Metadatenebene) werden zu größeren Einheiten untereinem Stich- bzw. Schlagwort entweder auf dem Papier(Karteikarte) oder auch physikalisch in Mappen zusam-mengefasst (2. Metadatenebene). Derartige Sammlungenwerden sehr oft nachgefragt, so dass der schnelle undgezielte Zugriff von zentraler Bedeutung ist. Dieser kannangesichts der dabei zu bewältigenden Menge am ehestenmit einer Spezialsoftware erreicht werden, welche dieüberformatigen Zeitungen bzw. Zeitungsartikel scannen,erschließen, bereitstellen und über die Metadaten bis hinzum kompletten OCR-Modus recherchierbar halten kann.

Ein schwieriges Unterfangen ist dabei die Einbindungder Fremdsoftware in bereits im Archiv vorhandene Daten-bankstrukturen. Dies erfordert entsprechende Schnittstel-len sowie einen Abgleich der Datenfelder (Tabellen), umeine Anbindung sowie einen Datenaustausch zu ermögli-chen.

Die Durchführung wird – wie bei Ziff. 3.1.1 – am gün-stigsten im Archiv bewältigt, da der regelmäßige Zuwachsderartiger Sammlungen eine Daueraufgabe darstellt, de-ren Bewältigung vor allem Kontinuität erfordert.

6 Als Standard-Software werden Anwendungen angesehen, die markt-gängig und weit verbreitet sind, so dass ausreichende Gewähr für lang-fristige Beibehaltung und Pflege besteht.

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Nachteilig an dieser Lösungsform sind meist hoheBeschaffungs- sowie Anpassungskosten infolge von War-tung und Aktualisierung der Soft- und Hardware. Eben-falls zu berücksichtigen ist die Abhängigkeit von proprie-tären Formaten in der Hand der Software-Firma. Sie wirddadurch vermieden, dass alle Metadaten in die Archiv-datenbank exportiert und die gescannten Ausschnitte ineinem marktgängigen Speicherformat (s. 4.1) abgelegt wer-den.

3.2 Vergabe an Dritte („Outsourcing“; s. Anhang 3)

Bei Vergabe von Digitalisierungsaufträgen an externeDienstleister werden in der Regel nur Teile des gesamtenDigitalisierungsvorgangs in Auftrag gegeben, in der Regelder Scan- und der Brennvorgang sowie gegebenenfalls dieBildbearbeitung. Dagegen verbleiben sowohl die vorberei-tenden organisatorischen Aufgaben wie die Konzeption(Formate, Auflösung, Dateinamen, Verpackung/Versen-dung) sowie die letzte Qualitätskontrolle und die Endar-chivierung weiterhin dem Archiv vorbehalten, so dassauch dort entsprechend geschultes Personal unabdingbarist. Allein die zusätzliche EDV-Ausstattung des Archivskann sich – neben dem Rechner – auf ein Bildbetrachtungs-programm und – je nach Nutzungszielen – einen Foto-drucker beschränken.

Von den durch manche Firmen dabei zusätzlich ange-botenen speziellen Verzeichnungssystemen ist wegen derentstehenden Abhängigkeit von solchen Insellösungenabzuraten, sofern nicht die Möglichkeit der sukzessivenEinbindung weiterer Bestände geboten ist.

Die Digitalisierung per Outsourcing hat den Vorteil,dass man auf das Know-how des Dienstleisters, seinemateriellen sowie personellen Kapazitäten zurückgreifenkann. Sie erspart gegebenenfalls unbezahlbare Anschaffun-gen und ist in überschaubarem Zeitrahmen durchführbar.

Andererseits zieht eine solche Lösung eine oft monate-lange Auslagerung der Archivalien mit allen damit ver-bundenen Risiken nach sich. In-Haus-Lösungen vermei-den diese Probleme.

Eine Vergabe dieser Dienstleistung an Dritte ist deshalbbesonders bedenkenswert für mikroverfilmte Beständesowie für große Mengen von – im besten Fall gleichforma-tigen – Archivalien, deren Digitalisierung wegen desbesonderen technischen Equipments phasenweise nichtoder nur mit sehr hohen Kosten vor Ort realisiert werdenkann, aber auch für kleinere Archive, die nicht über die fürdie Digitalisierung notwendigen personellen und techni-schen Grundressourcen verfügen.

3.3 Reihenfolge der DigitalisierungGemeinsam mit den verschiedenen Organisationsformenkönnen auch unterschiedliche Vorgehensweisen bei derDigitalisierung erhebliche Auswirkungen zur Folge haben.Die Digitalisierung „on-demand“ oder bestands- bzw. pro-jektbezogene Digitalisierung stellen dabei die grundsätz-lich bestehenden Möglichkeiten dar.

Die Entscheidungsfindung für die eine oder die andereLösung kann von verschiedenen Überlegungen abhängiggemacht werden:– von den verfügbaren finanziellen, personellen und tech-

nischen Ressourcen,

– von Zeitpunkt oder Häufigkeit der Benutzung desBestandes,

– vom gewünschten oder geforderten Zeitpunkt desAbschlusses der Digitalisierung.Überlegenswert können dabei auch Kombinationslö-

sungen sein, wonach etwa bei nachgefragten digitalen Ein-zelobjekten („on demand“) gleichzeitig alle Objekte derzugehörigen Gruppe(n) oder systematisch kleinere unddeshalb mit geringerem Aufwand zu bearbeitende undschrittweise zu vervollständigende Einheiten digitalisiertwerden können.

4 Technische Aspekte

Zwischen der Bereitstellung von digitalen Bildern im Inter-bzw. Intranet und deren Archivierung ist grundsätzlich zuunterscheiden. Beides erfordert unterschiedliche Wege,aber aufeinander bezogene Konzepte.

4.1 SpeicherformateDie digitalen Farb- und Graustufen-Master7 sollten ineinem unkomprimierten TIF-Format mit einer Auflösungvon 300-400 dpi vorgehalten werden; für Plakate kannbereits eine Auflösung von 150 dpi ausreichend sein. Daszwar speicherintensive, jedoch plattformübergreifendeStandard-Dateiformat bietet sich zur Langzeitspeicherungan, die Auflösung deckt das Gros der konventionellen Nut-zungsformen ab. Darüber hinaus dienen diese Master alsAusgangsdateien für die verschiedenen digitalen Nut-zungsformen (elektronisches Findmittel, Internet), die ineinem weniger speicherintensiven Format (z. B. JPEG) mitschnellen Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung gestelltwerden müssen. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei dieSicherung gegen unbefugte Nutzung im Netz (vgl.Abschnitt 5 Präsentation und Nutzung).

Gängige Bildformate sind derzeit: 8

– Joint Photographic Experts Group (JPEG – korrekt:JFIF=JPEG File Interchange Format): Das Bitmap-For-mat ermöglicht eine komprimierte Bilddarstellung,wobei ein Bild pro Datei abgespeichert werden kann.9

Der Name JPEG bezeichnet landläufig sowohl dasDateiformat als auch den darin beinhalteten (De-)Kom-primierungsalgorithmus. Das Format unterstützt eineFarbtiefe von bis zu 24 Bit und ist zur Präsentation imInternet geeignet. Eine Speicherung in JPEG ist verlust-behaftet, wobei mit jedem Öffnen und Speichern einerDatei die Verluste vermehrt werden.

– Portable Network Graphics (PNG): Das erweiterbareBitmap-Format zur komprimierten Bilddarstellung (nurein Bild pro Datei) ist als Nachfolgeformat von GIF

7 Für den Sonderfall der 1-Bit-Master ist das komprimierte TIFF-G4-For-mat am geeignetsten.

8 Überblick über Formate: Raphael Ostermann: Potentielle Dateiforma-te zur Langzeitarchivierung von Dokumenten unter Berücksichtigungvon Primär- und Metainformationen. In: Michael Wettengel (Hrsg.):Digitale Herausforderungen für Archive. Koblenz 1999, S. 25-35.

9 Entwickler/Initiator: C-Cube Microsystems, das Patent beanspruchtForgent. JPEG ist normiert nach ISO 10918; allerdings würde diese Normzurückgezogen, falls sich der Patentanspruch als gültig erweist.

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anzusehen.10 Die Farbtiefe beträgt bis zu 16 Bit für Grau-stufen und 48 Bit für Truecolor-Bilder; das Format unter-stützt auch Farbpaletten. PNG enthält eine verlustfreieKomprimierung mit dem LZ77-Algorithmus und istnicht lizenzpflichtig. Zu den Bildern können bei PNGbeliebig Texte abgespeichert werden.

– JPEG 2000: Dieses Format soll JPEG ablösen; im Gegen-satz zu seinem Vorläufer ermöglicht JPEG 2000 eine sehrverlustarme Komprimierung (Wavelet) und bietet eineverbesserte Bildqualität.11 Es ist zur Präsentation imInternet geeignet und normiert nach ISO/IEC 15 444.12

Allerdings ist diese Norm noch im Entstehen begriffen;die Verbreitung des neuen Formats auf dem Marktbleibt daher abzuwarten.

– Tagged Image File Format (TIFF): Das weit verbreiteteBildformat ist als plattformübergreifender Standard fürdie dauerhafte Speicherung und den Austausch vondigitalen Bildern geeignet.13 Die Datei-Informationensind dabei im Header gespeichert. Eine verlustfreie –allerdings schwache – Komprimierung ist möglich nachCCITT Gruppe 4 (abgekürzt: G4). Eine Farbtiefe von 1 bis 24 Bit wird unterstützt, und es sind mehrere Bilderpro Datei speicherbar (Multi-Page). Allerdings erfordernTIFF-Dateien einen hohen Speicherbedarf und eignensich für Internet-Präsentationen nicht, da sie zu großsind und nicht durch www-Browser unterstützt wer-den.

4.2 FarbenEin noch weitgehend ungelöstes Problem stellt bei derDigitalisierung von Farbvorlagen die exakte Farbwieder-gabe dar. Wichtig für ein entsprechendes Farbmanagementist die korrekte Kalibrierung der Geräte (Scanner, Bild-schirm, Drucker) sowie die Speicherung der digitalenMaster im geräteunabhängigen, nicht proprietären CIE-LAB (L*a*b*)-Farbraum.14 Gegebenenfalls ist ein Vergleichmit dem Original erforderlich.

4.3 SpeichermedienVon zentraler Bedeutung für den gesicherten Einsatz derDigitalisierung ist die Archivierung der anfallenden Daten.Hier ist zunächst das Speichermedium selbst vorrangig.Bei der Auswahl sollte aus archivischen Erwägungen fürein verbreitetes Standardprodukt entschieden werden, dasdie – schnelle Verfügbarkeit, – sichere Datenhaltung und eine – möglichst langfristige Konsistenz der Daten (Migrati-

onsstrategie)gewährleistet.

Dabei sollte jedes Sicherungskonzept im engen Beneh-men mit der zuständigen DV-Organisation erstellt werden.Wichtig ist die mindestens zweifache Sicherung der Da-teien im Hauptspeicherformat auf räumlich und physika-lisch getrennten Speichermedien. Deren dynamische Ent-wicklung dürfte in den nächsten Jahren dazu führen, dassimmer leistungsfähigere Speichereinheiten angeboten wer-den. Eine Migrationsstrategie ist dabei unverzichtbar. Auf-grund des enormen Datenaufkommens sind PC-Festplat-ten allenfalls als temporäre Lösung oder parallel zureigentlichen Sicherung auf Datenträgern oder im Netz-werk geeignet. Sinnvoller – auch im Hinblick auf dieDatensicherheit – ist dagegen der Einsatz von marktgängi-gen Wechseldatenträgern wie CDs oder DVDs sowie intel-ligenten Bandsicherungsverfahren im städtischen Netz-werk.

Parallel zum Archivierungskonzept sollte bereits einZeitplan für die Migration der Daten erstellt werden, dadie gegenwärtigen Datenträger nicht länger als zehn Jahreverwendet werden sollten.15

Für die Speicherung der Dateien empfiehlt es sich, einOrdnungsschema zu entwickeln, das sich an dem Ablage-system der Archivalien selbst orientiert. Gruppen undUntergruppen lassen sich mit Hilfe eines entsprechendenOrdnerschemas oder der Hinterlegung eines Dokumenta-tionsplans meist detailgenau abbilden, so dass die Recher-che in den digitalen Beständen wie in den analogen ver-läuft.

5 Präsentation und Nutzung

Digitalisierte Daten lassen sich in vielfältiger Weise präsen-tieren und nutzen. Die einfachste Nutzung ist dabei dieAnsicht mittels eines Viewers als Thumbnails, wie sie füreine Online-Nutzung innerhalb eines Intranets möglich ist.Hier kann eine Übersicht über die vorhandenen Abbildun-gen geboten werden, wodurch bereits eine erheblicheSchnelligkeit des Zugriffs und die Schonung der Origina-le erreicht werden kann, jedoch nicht mehr als ein optischerEindruck vermittelbar ist. Voraussetzung für eine bessereNutzung der Abbildungen ist schließlich die Verbindungder digitalen Bildinformationen mit den zugehörigen Ver-zeichnungsinformationen. Diese Anforderung wird bereitsvon einigen Datenbanken erfüllt, die Datensätze meist zu-sammen mit den zugehörigen Bildern als Thumbnailsanzeigen.

Eine optimale Nutzung der digitalisierten Bilder istjedoch erst gegeben, wenn der Verbreitungsgrad der Infor-mationen über den Lesesaal eines Archivs hinaus wesent-lich erhöht wird. Die Einstellung ins Internet ist demzufol-ge eine geeignete Präsentationsform, welche die Vorzügeder Digitalisierung ausnutzt und eine weite Verbreitungermöglicht.

Unbedingte Voraussetzung ist, dass die entsprechendenNutzungsrechte im Besitz des Archivs sind. Dabei sollenlediglich Bilder mit niedriger Auflösung (72 dpi; max. Pi-xelgröße 800x800) und möglichst mit einem digitalen Stem-

10 Entwickler: PNG Development Group des W3C (World Wide Web Con-sortium).

11 Entwickler/Initiator: ITU.12 Teil 1 (Core Coding System): Ende 2001 publiziert, Teil 2 (Erweiterun-

gen): Mai 2004 publiziert, Teile 3 bis 6 als Normentwürfe in Vorberei-tung oder bereits verabschiedet.

13 Entwickler: Aldus (von Adobe übernommen). Es gibt derzeit folgendeVersionen: 4.0 (1987), 5.0 (1988), 6.0 (1992), 7.0 (2002), die jedoch kom-patibel sind.

14 Vgl. z. B. Gerald Maier: Colormanagement bei der Farbdigitalisierungvon Archivgut. Grundlagen, Hintergründe und Ausblick. In: DigitaleArchive (wie Anm. 3), S. 179–199. – Pfenninger, Bildarchiv (wie Anm. 3).

15 Vgl. Handreichung zur Archivierung und Nutzung digitaler Daten. In:Der Archivar 55 (2002), S. 16–18, als Download: www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de.

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pel bzw. Wasserzeichen des Archivs versehen, einsehbargemacht werden, um illegale Verwertung oder Weitergabeund damit die Verletzung von Urheberrechten zu erschwe-ren und nachweisbar zu machen. Entsprechende Verfahrenziehen jedoch Folgekosten nach sich. Daher können imInternet alternativ oder zusätzlich niedrige Auflösungenund Formate mit hoher Komprimierung (z.B. JPEG)gewählt werden, die eine gewerbliche Nutzung stark ein-schränken oder unmöglich machen, für Bildrecherchenjedoch ausreichend sind; dadurch wäre die Bildnutzung aneinen Kontakt mit dem die Bildrechte besitzenden Archivgebunden.

6 Fazit

Ohne Frage zählt die Digitalisierung zu den Schlüsseltech-nologien des 21. Jahrhunderts. Der zu beobachtende Trendist ebenso eindeutig wie unübersehbar: Allenthalben wer-den mit erheblichem Aufwand Digitalisierungsmaßnah-men ergriffen und die Ergebnisse zumeist im Internet prä-sentiert. Was oftmals mehr der digitalen Zimelienschauvon Einzelobjekten dient, hat für die Archive eine erheb-lich höhere strategische Bedeutung: Wert und Vollständig-keit der eigenen Bestände lassen sich anschaulicher vermit-teln, die damit verbundenen Informationsdienstleistungenkönnen qualitativ höherwertiger und schneller angebotenwerden. Nicht allein den bildungs- und forschungspoliti-schen Bedürfnissen wird hierbei entsprochen, sondern vorallem auch dem eigenen Anspruch, als „Gedächtnis derVerwaltung“ zu dienen. Dank der Digitalisierung könnenletztlich auch interne Arbeitsabläufe trotz stagnierenderfinanzieller Ressourcen optimiert werden. Dies kommt ins-besondere schon bei der Erstellung von Reproduktionenzum Tragen, wo ein Fotodrucker künftig fast ein ganzesFotolabor ersetzen kann. Die ständige Verfügbarkeit derDateien ermöglicht etwa ein rasches Ausplotten und somitauch eine zügige Nachfragebefriedigung. Doch auch dieDateien selbst eignen sich zur schnellen Verbreitung derdigitalisierten Objekte, können sie doch rasch per E-Mailversandt oder im Intranet für die Verwaltung in einemDatenbanksystem vorgehalten werden.

Nicht allein die digitalen Bild- und Sammlungsbestän-de rücken damit mehr und mehr in den Mittelpunkt archi-vischer Dienstleistungen, mit deren Hilfe nicht nur inter-ne Arbeitsabläufe optimiert, sondern auch neue Kunden-kreise und Einnahmequellen erschlossen werden können.Durch sie eröffnet sich aus einer traditionellen archivischenDomäne heraus ein wichtiges Feld für die Positionsbestim-mung von Archiven in der Informationsgesellschaft. Digi-talisierung sollte somit als eine Chance auch und geradefür die archivische Arbeit begriffen werden.

Anhang 1 Praxisbeispiel zu 3.1.1: Digitalisierung mit Hilfe von Standard-Software des Archivs

Im Stadtarchiv Mannheim wurde im Jahre 2002 mit derDigitalisierung von Teilen der Bildsammlung begonnen.Format und Nutzungshäufigkeit haben zu einer Priorisie-rung der Digitalisierung der Kleinformate geführt, dietechnische Ausstattung wurde jedoch bereits im Hinblick

auf die spätere Bearbeitung von Dias und Glasplattenne-gativen ausgesucht. Das Scannen erfolgt sowohl systema-tisch im Hinblick auf ausgewählte Altbestände und Neu-zugänge sowie zusätzlich im Rahmen der Benutzung bzw.der Fotobestellungen. Neben der PC-Ausstattung (miteinem Arbeitsspeicher von 512 MB) wurden – 2 Microtek-Scanner mit Durchlichteinheit (ScanMaker

8700; bis A 4 mit Scan-Programm SilverFast Ai5), alter-nativ: partieller oder ersatzweiser Einsatz einer Digital-kamera,

– 2 Fotodrucker (bis A 3), – CD-Brenner sowie zur Bearbeitung und Qualitätskon-

trolle, – diverse Software (Fotobearbeitungsprogramm Adobe

Photoshop 6.0, Bildbetrachtungsprogramme ACDSee4.0 und IrfanView 3.33) angeschafft.16 Die Aufnahmen erfolgten in der Regel mit

einer Auflösung von 300 dpi (bei Vorlagen im Format 13 x 18 cm) im TIF-Format ohne Komprimierung, bei leich-ter Nachbearbeitung (Tonwert- und Schärfekorrektur).

Bereits seit 2001 wurde im Stadtarchiv Ulm bei entspre-chenden Benutzerwünschen „on demand“ digitalisiertund eine Kopie dieser digitalen Bilder als TIFF-Dateien aufCD archiviert. Neben der PC-Ausstattung und einem CD-Brenner kamen folgende Geräte zum Einsatz:– Scanner SMA 1 + (für Vorlagen bis A 1),– Kamerascanner Kaiser Scando dyn A 4+ (für Vorlagen

bis 40/60),– Scanner Agfa Duo Scan T 2500 mit Durchlichteinheit

(für Negative und Dias bis A 4),– Scanner Epson Expression 1680 Pro mit Durchlichtein-

heit (bis A 4).Parallel dazu wurde die Umstellung der Bilddokumen-

tation wichtiger Ereignisse der Stadtgeschichte und derVeränderungen des Stadtbilds von analoger auf digitaleFotografie vorgenommen. Derzeit kommen zwei Digital-kameras zum Einsatz (Nikon D1x sowie Nikon D100 mitjeweils knapp 6 Millionen Pixel), und die Bilder werden imJPEG-Format abgelegt (unbearbeitet, wegen der Verlustedurch erneutes Öffnen und Schließen der Dateien).

Von März 2003 bis März 2004 wurde ein Projekt zursystematischen Digitalisierung der grafischen Sammlungdes Stadtarchivs Ulm begonnen, das mit einer, zeitweiseauch zwei Hilfskräften, unterstützt durch einen Archivarsowie einen Fotografen, durchgeführt wurde. Zum Einsatzkamen dabei ein A 1-Scanner SMA 1+ (ProServ), mit demin Hybridtechnik parallel auch mikroverfilmt wird, sowieein HP Scanjet 6100 C/T.

Im Rahmen des Projektes wurden der Bestand F 5„Chronik Zeitbild“, der 450 überwiegend grafische Blätterzur bildlichen Dokumentation bedeutender Ereignisse ent-hält, sowie der Bestand F 4 „Bildnisse“ mit 1 210 Personen-porträts (v. a. Stiche, Radierungen, Drucke und Zeichnun-gen) sowie der Bestand F 3 „Ulmer Ansichten“, bestehendaus mehr als 1 000 Stichen, Radierungen und Zeichnungenvon Ulmer Stadtansichten, vollständig digitalisiert. Zusätz-lich wurden 150 Stadtpläne und Karten aus den BeständenF 1 „Pläne" und F 2 „Karten“ im Rahmen des Digitalisie-

16 Indes ist gerade auf diesem Sektor die technische Entwicklung auffal-lend rasant und im Bereich der Handschriftendigitalisierung erprobt.Vgl. z. B. Torsten Schaßan: Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis.Ein bibliothekarisches Digitalisierungsprojekt. In: Der Archivar 56 (2003), S. 33-37.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 329

rungsprojektes gescannt und erfasst. Die Digitalisierungdes Bestandes F 3 „Ulmer Ansichten“, der vor allem Stiche,Radierungen und Zeichnungen von Ulmer Stadtansichtenenthält, wurde mit etwa 800 Scans und die der Bestände F1 „Pläne“ und F 2 „Karten“ mit etwa 120 Scans begonnen.Die Entscheidung für die Digitalisierung der GrafischenSammlung war darauf zurückzuführen, dass es sich hierum besonders benutzungsintensive Bestände handelt, dieaufgrund ihres häufig großen Formates konservatorischeProbleme aufwerfen. Die Digitalisierung dient somit derVerbesserung der Benutzungsmöglichkeiten und der Scho-nung der Bestände.

Die gescannten Bilder wurden bis DIN A 4 mit einerAuflösung von 300 dpi, darüber bis DIN A 1 mit einer Auf-lösung von 150 dpi als TIF-Dateien auf CDs gebrannt. Pa-rallel dazu wurden die Bilder zu Recherchezwecken imJPEG-Format in AUGIAS 7.3 abgelegt.

Zur Bearbeitung und Qualitätskontrolle wurden unter-schiedliche Programme eingesetzt (Fotobearbeitungspro-gramm Adobe Photoshop 7.0 sowie Bildbetrachtungspro-gramm ACDSee 4.0).

Anhang 2Praxisbeispiel zu Ziff. 3.1.2: Digitalisierung mit Hilfe von Spezialsoftware

Seit 2002 wird im Stadtarchiv Mannheim die Zeitge-schichtliche Sammlung (ZGS), bestehend aus über 420 000Zeitungsartikeln, Reden, Programmen und ähnlichenDruckwerken, digitalisiert. Hierfür wurde eine eigeneHard- und Softwareumgebung eingekauft, deren Herz-stück ein DIN A 2-Scanner ist. Mit Hilfe dieses Systemswerden die Zeitungsseiten gescannt, die gewünschtenArtikel virtuell ausgeschnitten, verzeichnet und online fürdie Benutzer vorgehalten.

Im Stadtarchiv Ulm wird seit 2001 die Südwest-Presseim Rahmen der- Zeitgeschichtlichen Dokumentation mitHilfe des DIN A 1-Scanners SMA 1+ (ProServ) täglich ver-filmt und digitalisiert. Die Zeitungsseiten werden dabeigescannt, die gewünschten Artikel virtuell ausgeschnitten,verzeichnet und als JPEG-Bilder in AUGIAS 7.3 online fürdie Benutzer vorgehalten. Bislang wurden in diesem Rah-men insgesamt 25 000 Scans und Digitalaufnahmenerstellt.

Anhang 3Praxisbeispiel zu Ziff. 3.2: Vergabe an Dritte („Outsourcing”)

Im Stadtarchiv Mannheim hat man sich bei der Digita-lisierung der Plakatsammlung für eine solche externeLösung entschieden. Von den ca. 12 000 Exemplaren derSammlung mit einer Größe bis DIN A 0 wurden seitBeginn der Maßnahme – Anfang 2002 – binnen zwei Jah-ren über die Hälfte digitalisiert. Die Bilddateien werdenvon einem Dienstleister in einer Auflösung von 150 bis 300dpi auf DVD in TIFF bzw. JPG geliefert, sodann in diestadteigene Datensicherung eingebunden bzw. im städti-schen Netzwerk bereitgestellt. Die Plakate können imBedarfsfall bei städtischen Dienststellen (Fachbereich Geo-information und Vermessung) in Originalgröße und -farbeausgedruckt werden. Bereits bei mehreren Ausstellungenwurde mit derartigen Nachdrucken gearbeitet. Zudemwird eine beschränkte Auswahl vom archiveigenen För-derverein auf eigene Kosten nachgedruckt und mit großemErfolg zum Verkauf angeboten.17

Beim Stadtarchiv Münster wurden – neben der Foto-sammlung 2003 mit ca. 25 000 Aufnahmen – 2004 rund 2000historische Karten und Pläne durch eine beauftragte Fach-firma digital erfasst. Dabei stand vor allem die Zeiterspar-nis bei einer Komplettdigitalisierung durch eine fachlichversierte Firma im Vordergrund. Bedingung war dieAbwicklung des Auftrages im Stadtarchiv Münster, um diewertvolle Sammlung mit unterschiedlichen Format bisDIN A 0 nicht unnötig bewegen und damit gefährden zumüssen. Die gesamte Sammlung konnte unter den gefor-derten Voraussetzungen Ende November 2004 innerhalbvon drei Tagen gescannt werden. Da immer ein Mitarbei-ter des Stadtarchivs beim Scanvorgang anwesend war,fand ständig eine Kontrolle bei der Digitalisierung statt.

17 Näheres bei Ulrich Nieß: Sesam öffne dich oder Mannheims Kultur-güter in den digitalen Welten: Das Beispiel der Plakatsammlung desStadtarchivs, in: Badische Heimat 83 (2003), S. 412-416.

DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Findmittel“Die wichtigsten Ergebnisse des ProjektsVon Ulrich Fischer und Wilfried Reininghaus

Die Ausgangslage seit 1997

Spätestens seit dem 68. Deutschen Archivtag in Ulm 1997,der unter dem Motto „Vom Findbuch zum Internet“ stand,sind die deutschen Archive mit der Frage konfrontiertgewesen, wie aus analogen Findmitteln digitale Daten ent-stehen, die im Internet abrufbar sind. Damals galt als

Faustformel, dass in einer voraussehbaren Zukunft 100 %der Beständeübersichten, 10 % der Findmittel und 1 % desArchivguts digital vorzuhalten seien und sie damit fürBenutzer ort- und zeitunabhängig über das Internet such-bar zu machen. Der Siegeszug des Internet hat die Online-Verfügbarkeit von Findmittel in größeren Quantitäten wei-ter in den Vordergrund gerückt. Die Deutsche Forschungs-gemeinschaft (DFG) förderte die Entwicklung des Softwa-re-Tools DocWorks-Findbuch im Hauptstaatsarchiv Düssel-

330 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

dorf unter Beteiligung anderer Archive. Dieses Tool wirdmittlerweile in mehreren Archivverwaltungen verwendet.Das Bundesarchiv setzt seit 2003 bei der Digitalisierungvon Findmitteln, vor allem von Karteikarten zu denBeständen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenor-ganisationen, auf die Kooperation mit externen Dienstlei-stern. Seit 2005 hat das Bundesarchiv dieses Programmauch auf seine übrigen Abteilungen und weitere Formenvon Findmitteln ausgedehnt. Vielerorts laufen Eigenvorha-ben der Archive, um Findmittel durch manuelle Erfassungzu digitalisieren.

Auf Wunsch der DFG hat das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (LAV NRW) 2004 Überlegungen angestellt, wieflächendeckend in Deutschland die Digitalisierung vonFindmitteln und ihre Onlinenutzung vorangetrieben wer-den können. Das LAV NRW hat in Abstimmung mit derARK und BKK Informationen über den Stand der Findmit-teldigitalisierung bei den Archiven und Archivverwaltun-gen im gesamten Bundesgebiet gebündelt und bei der DFGden Antrag zur Durchführung der nun abgeschlossenenStudie gestellt. Ziel war es, die Machbarkeit einer flächen-deckenden „Retrokonversion archivischer Findmittel“ zuprüfen. Die wichtigsten Aufgaben wurden in vier Arbeits-bereiche aufgeteilt: 1) Die Auswahl von Kriterien für eine Auswahl von Find-

mitteln für eine Förderung durch die DFG; 2) Die Organisation eines Workflows einer DFG-unter-

stützten Retrokonversion; 3) technische Aspekte; 4) eine Kostenabschätzung.

Das Wort „Retrokonversion“ selbst stammt aus ver-gleichbaren Projekten zur Digitalisierung von Katalogisa-ten, vor allem im Bibliotheksbereich. Es erwies sich imLaufe des Projekts für Außenstehende missverständlichund sollte besser durch „Digitalisierung analoger archivi-scher Findmittel“ ersetzt werden.

Das antragstellende Landesarchiv NRW als Projektneh-mer schloss in den veranschlagten neun Monaten zwischenAugust 2005 und April 2006 die Vorstudie ab. Die Schluss-fassung wurde noch im Juni 2006 der DFG, der ARK, derBKK und den Vorsitzenden der Fachgruppen der übrigenArchivsparten im VdA zugeleitet. Gleichzeitig wurde sieim Internet unter www.archive.nrw.de/findbuch-digitalveröffentlicht. Der vorliegende Artikel präsentiert diewichtigsten Ergebnisse als erweiterten Abstract.

Projektverlauf

Die wichtigsten Aufgaben wurden aufgrund des Projekt-antrags und der Vorgespräche mit der DFG in vier Arbeits-bereiche aufgeteilt: 1) Die Auswahl von Kriterien für eine Auswahl von Find-

mitteln für eine Förderung durch die DFG; 2) Die Organisation eines Workflows einer DFG-unter-

stützten Retrokonversion; 3) technische Aspekte; 4) eine Kostenabschätzung.

Zugrundegelegt wurde nach einer Erhebung durch dasLAV NRW im Januar 2005 ein Mengengerüst von vorhan-denen konversionswürdigen Findmitteln. Die Hochrech-nung ergab ein Volumen von insgesamt ca. 55 bis 60 Mil-

lionen analogen Verzeichnungseinheiten in allen deut-schen Archiven, die in ein digitales Format zu konvertie-ren sind.

Im ersten Abschnitt der Arbeit an der Vorstudie standenKonsultationen mit in- und ausländischen Archiven, dieKonversionsprojekte betreiben, im Vordergrund. Desglei-chen wurden Gespräche mit Anbietern von Archivsoftwa-re geführt sowie die vier Regionalkonferenzen vorbereitet,die dann in November und Dezember 2005 in Hamburg,Düsseldorf, Leipzig und Stuttgart mit mehr als 90 Teilneh-mern stattfanden. Durch die Einladung von Repräsentan-ten aller Archivsparten konnte dabei die gesamte deutscheArchivlandschaft angesprochen werden. In Stuttgart wur-den auch Teilnehmer aus Österreich und der Schweizbegrüßt. Den Regionalkonferenzen konnten Positionspa-piere zu den vier Arbeitsbereichen vorgestellt werden.Zentrale Punkte der Diskussion waren die Organisationdes Workflows, die Auswahl forschungsrelevanter Find-mittel sowie die Erbringung der Eigenleistung. Da durchdie DFG nur ein Anschub zu erwarten ist, musste ein prag-matischer Weg gefunden werden, um DFG-Finanzierungund Eigenleistungen antragstellender Archive in ein reali-sierbares Verhältnis zu setzen. In der abschließenden Pro-jektphase Anfang 2006 stand schließlich der Austausch mitden National Archives in Kew wegen der weit fortgeschrit-tenen englischen Konversionsmethoden und mit der For-schung im DFG-Fachkollegium 102 „Geschichtswissen-schaften“ im Vordergrund. Gleichzeitig wurde die Grund-lage für den Austausch der zu schaffenden XML-Dateienauf den in Anwendung befindlichen Softwareproduktenund mit dem internationalen Austausch- und Präsentati-onsformat EAD geschaffen.

Kriterien für eine Auswahl von besonders forschungs-relevanten Findmitteln für die Retrokonversion

Zu Beginn des Projekts schien sich ein unaufhebbarerWiderspruch aufzutun zwischen der Forderung der DFG,Findmittel aufgrund der Forschungsrelevanz zu gewich-ten, und der Ansicht der Archive, die von ihnen nach derBewertung übernommenen Bestände seien sämtlich for-schungsrelevant. Fakt ist, dass die Geschichts- und diehistorisch ausgerichteten Kulturwissenschaften wechseln-de Fragestellungen an das Archivmaterial richten, für diedie Archive offen sein müssen. Fakt ist weiterhin, dasswegen der Spezialisierung der Forschung viele verschiede-ne Fachrichtungen aus den Archiven – und zwar epochen-übergreifend – bedient werden müssen. Auch ist eine zeit-liche Festlegung nicht möglich. Gerade auch kleine Archi-ve der Kommunen sind für bestimmte Forschungsfragenvon Wichtigkeit. Deshalb kommt die Studie zu dem Ergeb-nis, dass sich alle Archive öffentlicher Träger an der Bean-tragung von Mitteln zur Konversion bei der DFG beteili-gen können sollten.

Der Diskussionsprozess zeigte, dass es möglich ist, trotzdieser Bandbreite von Forschungsinteressen Schwerpunk-te zu setzen. Wichtigste Kriterien sind die Nutzungsinten-sität und die Existenz einer Verdichtungsüberlieferung.Darunter werden Bestände zu Behörden mit gebündeltenKompetenzen verstanden, die es in allen Archivsparten

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 331

gibt (Ministerien, Regierungspräsidien, Ratskanzleien,Diözesanverwaltungen, Landeskirchliche Behörden).

Zwei fachliche Aspekte können bei der Auswahl der zukonvertierenden Findbücher weiterhelfen: (1.) In den Dis-kussionsrunden bestand ein breiter Konsens darüber, dasProjekt auf maschinenschriftliche Findmittel zu konzen-trieren. Die Problematik handschriftlicher Findbücher wirdnicht aus den Augen verloren. Ihre Konversion ist jedocherheblich teurer als die maschinenschriftlicher Findmittel.Nur über die letzteren kann schnell eine erwünschte kriti-sche Masse online verfügbarer Findmittel erreicht werden.(2.) Zur Konversion müssen Mindeststandards bei derErschließung erfüllt sein. Dazu gehören beschreibendeInformationen, Signaturen, Laufzeiten sowie die klassifika-torische Ordnung bei Akten. Die Forderung nach Mindest-standards sollte aber nicht dazu führen, vor einer Online-Stellung die Perfektionierung von Findmitteln zu betrei-ben. Selbst notwendige Korrekturen können besser andigitalen Findbüchern vorgenommen werden.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien empfiehlt dieVorstudie der DFG, die Kosten für die Konversion von10 % aller Findmittel eines Archivs zu fördern, wenngleichzeitig das antragstellende Archiv die Kosten fürKonversion weiterer 5 % übernimmt.

Workflow

Verschiedene Modelle zur Einrichtung einer Projektinfra-struktur für ein endliches, maximal auf 10 Jahre zu kalku-lierendes Projekt wurden im Rahmen der Vorstudie unter-sucht. Eine kürzere Laufzeit als zehn Jahre wurde mehr-fach diskutiert. Angesichts der komplexen Ausgangslagein der deutschen Archivlandschaft und der Kapazitäten beiarchivischen Dienstleistern erschien eine längere Laufzeitals fünf bis acht Jahre sinnvoll. Der Workflow umfasst folgende Elemente: 1. Findbuchvorbereitung2. Bereitstellung von digitalen oder analogen Arbeitsko-

pien der Findmittel3. Konvertierung der Findmittel4. Ergebniskontrolle und Einpflegung in Archivsoftware

und online-Angebote5. Projektmanagement6. Entscheidung über Anträge und Taktung des Digitalisie-

rungsablaufs Beteiligte beim Workflow sind die DFG, die antragstel-

lenden Archive, ein oder mehrere beauftragte Dienstleistersowie eine Geschäftsstelle für das Projektmanagement. DieVorstudie hat eine Variante ohne Geschäftsstelle durchge-spielt, um dem Projekt nicht zusätzliche Overhead-Kostenaufzubürden. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine dezen-trale Projektinfrastruktur schwerwiegende Risiken birgt.Eine solche Struktur bedeutete den Verzicht auf Skalener-trägen bei den Dienstleistern sowie auf Standardisierungs-effekte und eine Erschwerung des Controlling. Bei mehr als4000 antragsberechtigten Archiven in Deutschland ist eineberatende Steuerung des Prozesses nötig, die aus Eigenlei-stung beteiligter Archivverwaltungen nicht zu finanzierenist.

Die von der Vorstudie favorisierte Infrastruktur setztbeim antragstellenden Archiv ein, das aufgrund hinterleg-

ter Kriterien die förderungswürdigen 10 % seiner Findmit-tel feststellt. Zugleich muss die Bereitschaft, die erforderli-che Eigenleistung aufzubringen, nachgewiesen werden.Der Antragsteller weist zu diesem Zeitpunkt den Gesamt-umfang seiner Findmittel nach und erläutert schonerbrachte Digitalisierungen. Archivverwaltungen, die wieRheinland-Pfalz und Hessen dabei schon weit fortgeschrit-ten sind, sind trotzdem antragsberechtigt. Da Findmittel inDeutschland nicht standardisiert sind, müssen die bei derDigitalisierung zu berücksichtigen Konventionen von denAntragstellern dargestellt werden. In einem weiteren Pro-zessstadium werden die mit DFG-Mitteln zu konvertieren-den Findmittel durch externe Dienstleister gescannt. DerDienstleister bearbeitet die Scans nach einem selbst ausge-wählten Verfahren. Die Verfahren und ihre Kosten jeDatensatz gelten für eine längere Vertragslaufzeit; aucheine mittlere Durchlaufzeit sowie zulässige Abweichungensind vertraglich festgelegt und sanktioniert. Der Dienstlei-ster garantiert die Vollständigkeit der Konversion und dieErhaltung der ursprünglichen Ordnung und ist auf Grundder eigenen Dokumentationspflichten jederzeit in derLage, über den „Aufenthaltsort“ eines jeden FindmittelsAuskunft zu erteilen. An die Dienstleister wird die Anfor-derung gestellt, wie beim Bundesarchiv eine Quote von99,8 % korrekt erkannter Zeichen und 100 % korrekterSignatur zu sichern. Nach Abschluss der Arbeiten über-prüft die Geschäftsstelle die Vollständigkeit der Konversi-on und die Validität der entstandenen XML-Instanzanhand der vorgegebenen DTD. Anschließend kann dasArchiv die erhaltenen Daten auf Wunsch nochmals kon-trollieren, importiert sie in sein System und stellt in seinemPortal oder auf seiner Homepage ein.

Technische Ziele

Der hier verkürzt wiederzugebende Workflow hat erklär-te technische Ziele. Die durch Konversionen gewonnenendigitalen Daten müssen mit den originär digitalen Erschlie-ßungsdaten aus den beteiligten Archiven zu vereinen sein.Gesonderte Datenbestände müssen vermieden werden.Um keine Insellösungen zu schaffen, wurde im Rahmender Vorstudie Kontakt zu neun Anbietern kommerziellbetriebener Archivsoftware gesucht, damit sichergestelltist, dass die konvertierten Findbuchdaten verlustfrei in dievorhandene Archivsoftware überführt werden. Hierfür istein XML-basierter Standard vorgesehen. Bereits jetzt arbei-ten die meisten Anbieter von Archivsoftware – nichtzuletzt aufgrund des Drucks aus den öffentlichen Verwal-tungen – an Exportschnittstellen in XML-Formate.

Der eigentliche Konversionsvorgang, also die Überfüh-rung der Information aus dem digitalen Bild in digitaleCoded Information, soll als Ziel ein XML-Format haben, dasdie vorhandenen Informationen und die Verzeichnungstra-ditionen der deutschen Archive verlustfrei abbildet. Einsolches steht mit dem im DFG-Projekt „Entwicklung vonWerkzeugen zur Retrokonversion archivischer Findmittel“entwickelten sog. Standard-Austauschformat (SAFT-XML)zur Verfügung. Dieses bietet zusätzlich den Vorteil, dass esdas Zielformat für die Arbeit mit dem KonversionstoolDocWorks-Findbuch darstellt, welches wiederum in Archiv-verwaltungen und bei einem privaten Dienstleister ver-

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wendet wird. Der Rückgriff auf SAFT-XML als Austausch-format bietet also den Dienstleistern die Möglichkeit derVerwendung eines automatisierten Verfahrens, währendgleichzeitig die Nutzung händischer Varianten in keinerWeise eingeschränkt ist.

Darüber hinaus ist SAFT-XML selbst eine möglicheBasis für online-Präsentationen von Erschließungsinforma-tionen. Als solche wird es für die neue Ausbaustufe desNRW-Archivportals www.archive.nrw.de genutzt. Das imRahmen dieser Vorstudie in Zusammenarbeit mit demBundesarchiv entwickelte Mapping zu EAD ermöglichtzudem eine direkte Nutzung der in der Konversionerzeugten Daten für übergreifende und internationale Por-talprojekte („Archivportal Deutschland“ oder „Archive-Grid“ bei der Research Library Group). Es kann ebenfalls imFalle einer dezentralen Datenhaltung für die stukturierteIndizierung von Erschließungsinformationen im Sinne desMetadata-Harvesting gemäß OAIS-PMH gebraucht werden.In dieser Rolle findet SAFT-XML gerade Verwendung imRahmen des DFG-geförderten Greifswalder Projekts „uni-matrix“ (Metadata Harvesting: Modell eines Integrations-werkzeuges für ein koordiniertes bundesweites Angebot).

Als wichtigstes Ziel aber sind, wie oben bereits bespro-chen, die verschiedenen Archivsoftwaresysteme der deut-schen Archive anzusehen. Im Rahmen der Vorstudie wur-den die beiden zu SAFT gehörenden DTDs sowie Beispie-le von mit dem Konversionstool DocWorks-Findbuch kon-vertierten Findmitteln den in deutschen Archiven vertre-tenen Herstellern von Archivsoftware zur Verfügunggestellt.1 Alle beteiligten Unternehmen erklärten ihre prin-zipielle Bereitschaft, eine Importschnittstelle für SAFT-XML einzurichten. Fast alle bearbeiteten die zur Verfügunggestellten Beispieldaten und konnten sie erfolgreich in ihreSysteme übernehmen.

Kosten des Verfahrens

Aufgrund des vorhandenen Mengengerüsts wurden vonmehreren Anbietern unverbindliche Kostenschätzungenfür Konversionsdienstleistungen eingeholt. Zugrunde-gelegt wurden 6 Millionen Datensätze aus unterschied-lichen Findmitteltypen (das sind ca. 10 % der Verzeich-nungseinheiten in deutschen Archiven) und freie Wahl derKonversionsverfahren durch den Dienstleister. Der Mittel-wert aus den vorliegenden Angeboten beläuft sich auf 9,7Millionen Euro.

Findbuchkonversion in Deutschland im internationalen Vergleich

Die Vorstudie zeigt, dass ein bundesweites und archivspar-tenübergreifendes Konversionsprojekt der DFG alsAnschub für eine durchgreifende Digitalisierung der archi-vischen Arbeits- und Nutzungsprozesse sinnvoll undmachbar ist. Archive wie wissenschaftliche Nutzer verbin-

den die Aussicht auf eine solche zu fördernde Digitalisie-rung mit der begründeten Hoffnung auf Effizienzsteige-rungen, Standardisierungen, verbesserte Nutzungsbedin-gungen, vernetzteres Arbeiten und die Einbindung inregionale, überregionale und internationale Forschungs-verbünde.

Es ist allerdings zu konstatieren, dass die Organisationeines solchen Projekts umfangreiche Vorüberlegungennötig machte und noch machen wird. Die Vielgestaltigkeitder vorliegenden Findmittel, die heterogenen Ansprücheaus der Wissenschaft, die Zersplitterung der deutschenArchivlandschaft: diese Gegebenheiten tragen insgesamtdazu bei, dass sich die Suche nach Lösungen für einGesamtprojekt nicht immer einfach gestaltet hat. Aller-dings kann in allen Bereichen auf bereits gesicherte Kennt-nisse und Erfahrungen aufgebaut werden. Technik derKonversion, Workflow und auch die Umsetzung der DFG-Förderungskriterien können dank mannigfacher Erfahrun-gen aus dem In- und Ausland mit Sicherheit als beherrsch-bar für das Projekt angesehen werden. Die notwendigenVorsichtsmaßnahmen und die „Klippen“ bei einem sol-chen Projekt sind identifiziert, und im Rahmen der obenangegebenen „Empfehlungen“ für die Konversionspraxiskontrollierbar. Auch die Mengen, die zunächst eherabschreckend groß wirken mögen, sind bei einer zentralenBearbeitung der veranschlagten 10 % im Rahmen eineszentralen Projekts durchaus zu bewältigen, ja, sie gehennicht wesentlich über das hinaus, was Dienstleister schonheute in Einzelprojekten etwa für das Bundesarchiv oderfür verschiedene Archive leisten.

Wenn aber viele deutsche Archive bereits die Konversi-on von Findmitteln betreiben, warum ist dann überhaupteine generelle Förderung, ein Anschub durch die DFGnoch notwendig? Dazu sind zunächst die Perspektivengerade zu rücken: Nach Ablauf des Jahres 2006 ist damitzu rechnen, dass bei optimistischer Schätzung bundesweit15% aller Archivbestände digital verzeichnet vorliegen. DieQuote der davon online zugänglichen Datensätze liegtnoch weit darunter. Es bestand also bislang für die For-schung kaum ein sinnvoller Anreiz, die online-Angeboteder Archive zu nutzen: zu disparat ist der verfügbareErschließungsstand, zu gering die Gesamtquote.

Gleichzeitig machen die Fachwissenschaften selbstgewaltige Fortschritte auf dem Weg in eine digitaleZukunft. Hinzuweisen wäre hier auf elektronische Editi-onsprojekte, den Aufbau von Fachportalen wie Clio-Online, die Entwicklung von Anforderungen an Erschlie-ßungsstandards für historische Quellen und ein zuneh-mend vernetztes und standortunabhängiges Arbeiten. Ineinem solchen Umfeld drohen die Archive mit ihrer bislangkleinräumigen und nicht koordinierten Konversionspolitikzum „Hemmschuh“ für die Weiterentwicklung der histo-rischen Wissenschaft zu werden. Mehr noch, die mangeln-de Sichtbarkeit der Archive und insbesondere des dort vor-gehaltenen wichtigen Quellenmaterials im weltweitenNetz bedeutet zunehmend die Gefahr des „Übersehens“von wichtigen Grundlagen historisch wissenschaftlicherArbeit. Es ist ein wichtiges Ergebnis der Vorstudie, dass diedeutschen Archive ohne eine gemeinsame, koordinierteund umfassende Initiative für die Wissenschaft, Bürger,Bürgerinnen und Verwaltungen auf unabsehbare Zeit„weiße Flecken in einer weltweiten Informationsland-schaft“ bleiben werden.

1 Vgl. auch zu den Arbeitswegen genauer: www.archive.nrw.de/findbuch-digital: Menupunkt: Aufgabenbereiche=>Technik

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 333

Aber nicht nur gegenüber den Arbeitsweisen undMethoden der Forschung sowie gegenüber anderen Infor-mationsanbietern (insbesondere den wissenschaftlichenBibliotheken mit ihren seit langem online verfügbarenKatalogen sowie den beginnenden Volltextdigitalisierun-gen) sind die deutschen Archive weit zurück gefallen.Auch im internationalen Vergleich ist der Konversions-stand niedrig und die Verfügbarkeit von Erschließungsin-formationen im Netz denkbar gering. In den angelsächsi-schen Ländern, aber auch etwa in den Niederlanden oderSkandinavien kann der Wissenschaftler auf Erschließungs-informationen zu großen Teilen der archivischen Überlie-ferung bereits online zugreifen. Hier gibt es Programmeund Konzepte, oft zentral gesteuert und über Forschungs-förderungsprogramme oder -institutionen finanziert, dieden Archiven bei der Erledigung der Aufgabe helfen. Dadiese Programme mit Standards und Standardverfahrenoperieren, dienen sie etwa in England auch dazu, überArchivsparten hinweg ISAD(G) als Verzeichnungsstan-dard und EAD als Präsentationsstandard zu verbreiten.

Gerade die Vorbilder auf internationaler Ebene (Groß-britannien, Niederlande) machen deutlich, dass die Kon-version der Findmittel ein, allerdings grundlegender Steinim Gesamtgefüge einer „nationalen Digitalisierungsstrate-gie“ für die Archive sein kann. Die Findbuchkonversiontrifft auf vielfache Weise mit anderen Fragen des „goingdigital“ in den deutschen Archiven des frühen 21. Jahrhun-derts zusammen: mit der Langzeitarchivierung, der Suchenach flachen, nicht proprietären Standard- und Austausch-formaten, der Bereitstellung archivübergreifender Recher-chemittel, der Einbindung einzelner Archive in übergrei-fende Portale (regional, national, international, objektbezo-gen übergreifend) oder der Digitalisierung von Archivgut.Diese Aspekte wurden deshalb im Rahmen der Vorstudiemit berücksichtigt und der Workflow sowie die technischeAusrichtung des Projekts auf die Vermeidung von Konflik-ten zu den anderen hier genannten Problemfeldern ausge-legt. Die ausgesprochenen Empfehlungen geben dabei dieSicht der mit der Vorstudie Betrauten zum Zeitpunkt derAbfassung dieses Berichts wieder. Es kann im Lichte dertechnischen Entwicklung nicht ausgeschlossen werden,dass Revisionen von einzelnen Einschätzungen notwendigwerden. Eine Anschubfinanzierung eines Konversionspro-jektes durch die DFG ist notwendig, um den deutlichenRückstand der deutschen Archive als Informationsspeicherfür die nationale und internationale Fachwissenschaft nichtweiter anwachsen zu lassen. Aber auch darüber hinaus hatdie Vorstudie weitere Ergebnisse gebracht, die eineAnschubförderung durch die DFG notwendig machen:Eine Anschubförderung durch die DFG kann sicherstellen,dass die „kritische Masse“ an Findbuchinformationen imInternet verfügbar wird. Erst die Tatsache, dass zu einemgesicherten Zeitpunkt eine signifikante Menge derErschließungsinformationen aus deutschen Archiven onli-ne verfügbar sein wird, kann – wie im Falle der Bibliothe-

ken – die notwendige Druck- und Sogwirkung hervorbrin-gen, um den Prozess der Digitalisierung in den deutschenArchiven wirksam voran zu bringen. Im Einzelnen geschä-he dies durch– eine weitere Erhöhung der Priorität der Konversion bei

den Archiven über die Förderung hinaus– eine Veränderung des Benutzerverhaltens hin zu

Recherchen vom Arbeitsplatz und kürzeren, gut vorbe-reiteten Archivbenutzungen

– die verstärkte Präsenz elektronischer Erschließungsin-formation (dann örtlich und zeitlich ungebunden abruf-bar) im Forschungsdiskurs

– die Bereitstellung einer wirksamen Argumentationshil-fe gegenüber den Archivträgern, da eine Förderungdurch die DFG die nationale Wichtigkeit des VorhabensunterstreichtEine Anschubfinanzierung der DFG für ein zentrales

Konversionsvorhaben für Erschließungsinformationschafft weiterhin die Möglichkeit, Strategien der Zukunfts-sicherung in der digitalen Welt flächendeckend in dendeutschen Archiven umzusetzen. Dies schließt ein– das Aufholen eines fühlbaren und von der Forschung

kritisierten technologischen Rückstands der deutschenArchive

– die Vernetzbarkeit und mittelbar die Vernetzung derArchivangebote durch Standardisierung

– die Möglichkeit zur Einbindung der deutschen Archivein regionale, nationale und internationale Portale durchMappings des Standardaustauschformats auf EAD unddie Kooperation mit dem OAIS-PMH-Projekt unimatrixan der Universität Greifswald

– die Sicherung der digitalen Informationen durch Bereit-stellung eines von allen Archivsoftwareherstellernunterstützten Austauschformats (SAFT-XML)

– die Bereitstellung einer einheitlichen und tragfähigenBasis für umfassendere Objektdigitalisierung.Schließlich bietet ein DFG-gefördertes Konversionspro-

jekt mit einer in absehbarer Zeit effizienten online-Recher-che die Aussicht auf zeitnahe Arbeitserleichterung undRationalisierung in den Archiven wie bei den wissenschaft-lichen Nutzern. Dies wird erreicht durch– eine Kostenreduzierung bei gleichzeitig verbesserter

Treffgenauigkeit und verbessertem Gesamtüberblick fürdie Recherchen der Forschung

– die Einbindung auch sonst nicht wahrgenommener,weil „entlegener“ Archivbestände in Forschungsfrage-stellungen

– bessere Beratung durch die Archivare bei geringeremArbeitsaufwand für die Benutzerbetreuung und mithinmehr Arbeitszeit für die Erschließung von Archivgut

– die Möglichkeit des sekundenschnellen Zugriffs auf dieVerzeichnungsinformationen durch Archive und Nut-zer, so dass notwendige Korrekturen direkt vorgenom-men und neue Erkenntnisse tagesaktuell eingepflegtund recherchiert werden können.

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1. Einleitung

Die Zusammenarbeit der Kreisarchive mit der staatlichenArchivverwaltung in Baden-Württemberg bei der Erarbei-tung von Bewertungs- oder Archivierungmodellen1 imRahmen der „vertikalen und horizontalen Bewertung“und die Erkenntnis dabei, dass die Ende 1997 publizierteBewertungsdokumentation für die Unterlagen der allge-meinen Verwaltung2 der weiteren Konkretisierung undKommentierung bedarf, gaben den Anstoß, detaillierteModelle für die Landratsämter in Baden-Württemberg zuerarbeiten.3 Die Notwendigkeit dazu lag und liegt auch

angesichts neuer Aufgaben für die Kreisarchive, insbeson-dere in Anbetracht der aktuellen Verwaltungsreform inBaden-Württemberg zum 1. Januar 2005, auf der Hand. Dadie Landratsämter ähnlich aufgebaut und gleichartige Auf-gaben zu erfüllen haben, fallen bei ihnen auch gleichartigeUnterlagen an, die zudem nach dem einheitlichen Boor-berg-Aktenplan abgelegt werden.4 Es widerspricht derarchivischen Pflicht zur rationellen Bewertung, wenn injedem Kreisarchiv gleiche Akten und Aktengruppenjeweils individuell und aufs Neue bewertet werden, wenn-gleich sich auch für ein derartiges Vorgehen Argumentefinden lassen.5 Insgesamt erscheinen Bewertungsmodellejedoch sehr sinnvoll. Ihre Zielsetzungen sind, die Bewer-tungsentscheidungen nachvollziehbar und transparent zugestalten, die Bewertungsarbeit zu rationalisieren sowieDoppel- und Mehrfachüberlieferungen zu vermeiden.6

Vieles spricht dafür, „Überlieferung im Verbund“ und inKooperation mit unterschiedlichen Registraturbildnernund Archiven zu gestalten. Die grundsätzlichen Zielset-zungen der Überlieferungsbildung erscheinen dabei aus-reichend definiert, unter anderem im „Positionspapier derBundeskonferenz der Kommunalarchive beim DeutschenStädtetag“.7

Auf der Tagung „Methoden und Ergebnisse archivüber-greifender Bewertung“ am 20. März 2001 rief der Verfasserdes vorliegenden Beitrags in Zusammenhang mit der Aus-einandersetzung mit staatlichen Bewertungsmodellendazu auf, zum einen die Bewertungsmodelle für staatlicheAkten in Zusammenarbeit mit den Kommunalarchiven

* Der vorliegende Beitrag stellt eine um Anmerkungen erweiterte Fas-sung des Vortrags beim 75. Deutschen Archivtag, Stuttgart 2005, am 28.September 2005 bei der Fachgruppe 2, Archivare an Stadtarchiven undArchiven sonstiger Gebietskörperschaften dar.

1 Bewertungsmodelle finden sich in: Historische Überlieferung aus Ver-waltungsunterlagen, hg. v. Robert Kretzschmar, Stuttgart 1997 (Werk-hefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 7); Publi-kation der Bewertungsmodelle auch im Internet (Stand: Juli 2005:http://www.landesarchivbw.de/sixcms/detail.php?template=hp_arti-kel&id=6510&sprache=de; Menüpunkt: Fachinformationen – Bewer-tung und Überlieferungsbildung bzw. unter: Behördenbetreuung –Historischer Wert). – Zur Begrifflichkeit auch: Martina Wiech, Steue-rung der Überlieferungsbildung mit Archvierungsmodellen. Ein archiv-fachliches Konzept des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, in: DerArchivar 58 (2005), S. 94–100, S. 95, Anm. 1.

2 Vertikale und horizontale Bewertung der Unterlagen der allgemeinenVerwaltung in Baden-Württemberg. Dokumentation. Stand: 16. Oktober1997. Fortschreibung: Staatsarchiv Freiburg. Im vertikalen Sinne erfasstdiese Dokumentation Unterlagen, die in Ministerien, Regierungspräsi-dien und den Unteren Verwaltungsbehörden anfallen. Untere Verwal-tungsbehörden sind vielfach die Landratsämter, für deren Überlieferungdie Kreisarchive zuständig sind. Für diese Archive erwies sich dasModell für die Bewertung der Unterlagen der allgemeinen Verwaltungals wenig tauglich, da in diesem Modell für die Unterlagen, welche aufder Ebene der Unteren Verwaltungsbehörde anfallen, in den meistenFällen nur ein „B“ für „bewerten“ vermerkt ist, ohne nähere Hinweiseetwa auf die Wertigkeit der Unterlagen, auf Aktenarten, Auswahlver-fahren oder gar eine Begründung für die Bewertung. Vgl.: AndreasZekorn, Das Projekt zur vertikalen und horizontalen Bewertung vonUnterlagen der allgemeinen Verwaltung aus der Sicht eines Kreisar-chivs. Vorschläge zu einer Weiterentwicklung, in: Methoden und Ergeb-nisse archivübergreifender Bewertung, hg. v. Robert Kretzschmar,Tübingen 2002, S. 32–41. Vgl. auch Robert Kretzschmar, Archivüber-greifende Bewertung. Zum Ertrag einer Tagung, in: Der Archivar 54(2001), S. 284–290; Clemens Rehm, Verwaltungsreform und Bewertung.Ein gesellschaftliches Spannungsverhältnis, in: Archive im gesellschaft-lichen Reformprozess. Referate des 74. Deutschen Archivtags 2003 inChemnitz. Redaktion Robert Kretzschmar (Der Archivar, Beiband 9).Siegburg 2004, S. 117–128.

3 Auf umfangreiche Literaturangaben wird im vorliegenden Beitrag ver-zichtet, denn eine nützliche Bibliographie zur Bewertung liegt im Inter-net vor: Archivische Überlieferungsbildung bei konventionellen Unter-lagen im deutschsprachigen Raum – Eine Auswahlbibliographie.Zusammengestellt von Jürgen Treffeisen. Stand: November 2004(http://www.landesarchiv-bw.de, Menüpunkt: Fachinformationen,Bewertung und Überlieferungsbildung, Bibliographie). An grundsätz-lichen Publikationen zur Bewertung sei hier, neben den in Anm. 1 und2 genannten, von Robert Kretzschmar herausgegebenen Publikationen,aufgeführt: Andrea Wettmann (Hg.), Bilanz und Perspektiven archivi-scher Bewertung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 21),Marburg 1994; Matthias Buchholz, Überlieferungsbildung bei massen-haft gleichförmigen Einzelfallakten im Spannungsverhältnis von Bewer-tungsdiskussion, Repräsentativität und Nutzungsperspektive. Eine Fall-studie am Beispiel von Sozialhilfeakten der oberbergischen GemeindeLindlar (Archivhefte 35), Köln 2001.

4 Ähnlich verhält es sich – um ein Beispiel aufzuführen - bei den Bezirks-regierungen in Nordrhein-Westfalen. Hier wurden in Nordrhein-Westfalen entsprechende Bewertungsmodelle erarbeitet: IngeborgSchnelling-Reinicke unter Mitarbeit von Annette Hennigs undGisela Fleckenstein, Bewertungsmodell für das Schriftgut der nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen – Abschlussbericht derArbeitsgruppe, in: Der Archivar Jg. 55 (2002), S. 19–24. Im Internet: www.archive.nrw.de/dok/bewertungsmodell/bewertungskatalog.html(Menüpunkt: Ältere Dokumente, Nachrichten vor dem 12.4.2003, Nach-richt 13.05.2002 Staatsarchiv Münster). – Vgl. auch: Wiech, Überliefe-rungsbildung mit Archivierungsmodellen (wie Anm. 1).

5 Z. B. könnte eine größere Vielfalt bei der Überlieferungsbildung für einindividuelles Bewerten sprechen.

6 Jürgen Treffeisen, Perspektiven der archivübergreifenden Überliefe-rungsbildung in Baden-Württemberg, in: Historische Überlieferung ausVerwaltungsunterlagen (wie Anm. 1), S. 42–68, S. 44 ff.

7 Irmgard Christa Becker, „Das historische Erbe sichern! Was ist auskommunaler Sicht Überlieferungsbildung?“ Positionspapier der Bun-deskonferenz der Kommunalarchive im Deutschen Städtetag, in: DerArchivar 58 (2005), S. 87 ff. – Robert Kretzschmar, Positionen desArbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscherArchivarinnen und Archivare zur archivischen Überlieferungsbildung.Einführung und Textabdruck, in: Der Archivar 58 (2005), S. 88–94, S. 89ff. - Zusammenfassend auch: Hans-Jürgen Höötmann, Katharina Tie-mann, Archivische Bewertung – Versuch eines praktischen Leitfadenszur Vorgehensweise bei Aussonderungen im Sachaktenbereich, in:Archivpflege in Westfalen und Lippe 52 (2000), S. 1–11, S. 2, 8 (mit weiterenLiteraturhinweisen). Zur Überlieferung im Verbund: Robert Kretz-schmar, Die „neue archivische Bewertungsdiskussion“ und ihre Fuß-noten. Zur Standortbestimmung einer fast zehnjährigen Kontroverse, in:Archivalische Zeitschrift 82. Bd. (1999), S. 7–40, S. 38. – Vgl. auch Peter K.Weber, Archivische Bewertung aus kommunalarchivischer Sicht. EinPlädoyer für mehr Transparenz und mehr Effizienz, in: Unsere Archive45 (2000), S. 23–30.

Vorschläge zur Bewertung der Unterlagen der Landratsämter in Baden-Württemberg ineinem geschlossenen Internetforum Ein Bewertungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Kreisarchive Baden-Württemberg

Von Andreas Zekorn*

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 335

fortzuentwickeln und zum anderen Modelle für kommu-nale Akten durch die Kommunalarchive zu entwickeln.8

Bei der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchiveam 10. Oktober 2001 wurde der Vorschlag von WolfgangSannwald vor diesem Gremium formuliert und anschlie-ßend diskutiert.9

Aus den Erkenntnissen und Überlegungen heraus, Syn-ergieeffekte zu nutzen und Doppelarbeit zu vermeiden,um eine rationelle und zeitsparende Aktenbewertungdurchzuführen, konstituierte sich bei den baden-württem-bergischen Kreisarchiven eine Arbeitsgruppe Bewertung,die sich im September 2003 auf bestimmte Grundlagen fürdie Bewertung einigte und in der Folgezeit „Bewertungs-vorschläge“ für die Überlieferung in den Landratsämternerarbeitete. Die Kreisarchive in Baden-Württemberg ent-wickelten damit erstmals ein umfassendes, nicht allein aufMassenschriftgut bezogenes Archivierungsmodell fürKommunalarchive. Arbeitsteilig organisiert und die Lastauf viele Schultern verteilt, konnte eine „alte Forderungder Kommunalarchive“ nach einem „Schriftgutkatalogsamt Empfehlungen zur Bewertung“ innerhalb eines Zeit-raums von knapp drei Jahren realisiert werden.10 Wenn-gleich die Bewertung sämtlicher Aktengruppen im Wesent-lichen im Sommer 2006 abgeschlossen wurde, muss mandoch von einem weiterhin offenen Bewertungsprozessausgehen, wie noch auszuführen sein wird.

Das Projekt der baden-württembergischen Kreisarchivesoll im Folgenden vorgestellt werden, um Anregungen zugeben, auch wenn die konkreten Arbeitsergebnisse derzeitnur einem begrenzten Nutzerkreis über ein Internetforumzur Verfügung stehen.

2. Die Grundlagen

2.1. Bewertung nach dem AktenplanEine Orientierung an den einzelnen Ämtern, Sachgebietenoder Fachbereichen und deren Aufgaben, analog denBewertungsmodellen für staatliche Behörden in Baden-Württemberg, erschien für eine systematische, arbeitsteili-ge Bewertung der Unterlagen der Landratsämter nichtsinnvoll, da die Organisationsstrukturen innerhalb derLandratsämter zum Teil stark divergieren und sich relativ

häufig wandeln. Dagegen lässt der einheitlich gültigeAktenplan eine systematische Bewertung der einzelnenAktenplangruppen beim vorhandenen Aktenbestand inden Registraturen zu. Die Bewertung wird damit zu einemwesentlichen Teil ganz traditionell anhand der Akten vor-genommen. Auch spiegelt der Aktenplan die Aufgaben derKreise und Kommunen wider, so dass letztlich auch eineAufgabenbewertung stattfindet. Da die unterschiedlichenDienststellen der Landratsämter ihre Unterlagen einheit-lich nach dem Aktenplan ablegen, können relativ leichtDoppel- oder gar Mehrfachüberlieferungen festgestelltwerden. Ebenfalls sind künftig Ergänzungen möglich,etwa wenn neue Aufgaben auf die Landratsämter zukom-men und der Aktenplan deswegen zu erweitern ist. Fallssich keine grundlegenden Änderungen ergeben, kann eineBewertung neuer Aktenplangruppen problemlos in diebestehende Bewertung integriert werden.11

Für die alltägliche Bewertungspraxis erscheint dieseOrientierung am Aktenplan ebenfalls tauglicher, da dieBewertungsvorschläge unmittelbar bei der Bewertung aufdie jeweiligen, konkret zur Bewertung anstehenden undnach Aktenplan geordneten Unterlagen umgesetzt werdenkönnen.

2.2. Alleinige Bewertung vorhandener Akten Es klingt nach einer Binsenweisheit: Nur vorhandeneAkten werden bewertet. Die Regel erwies sich jedoch alsnotwendig, da im Aktenplan viele Aktengruppen aufge-führt sind, unter denen bei Landratsämtern keine Aktenanfallen. Bewertungsentscheidungen hier zu treffen wärerein hypothetisch. Obendrein hätte die Aufführung allerAktenplangruppen zu einer unnötigen Aufblähung und zueiner Unübersichtlichkeit geführt. Deshalb wurde verein-bart, nur solche Aktenplangruppen zu bewerten und auf-zulisten, unter denen Akten abgelegt sind.

2.3. Horizontale und vertikale BewertungDie Bewertungsebene ist primär der Landkreis, und dieUnterlagen der Landratsämter stehen vorrangig im Blick-feld der Bewertung. Im Sinne einer horizontalen Bewer-tung werden dabei Doppel- oder gar Mehrfachüberliefe-rungen innerhalb der Landratsämter berücksichtigt.12 ImSinne einer vertikalen Bewertung sollen nach Möglichkeitüber- und nachgeordnete Ebenen einbezogen werden, ins-besondere die Ebenen der Regierungspräsidien sowie dieder Städte und Gemeinden, um auch hier auf Doppel- undMehrfachüberlieferungen aufmerksam zu machen unddiese gegebenenfalls zu vermeiden. Dabei werden die vor-handenen Bewertungsmodelle der staatlichen Archivver-waltung, welche die den Landratsämtern übergeordnetenEbenen (Regierungspräsidien, Sonderbehörden, Ministe-rien) betreffen, berücksichtigt und eingearbeitet.13

8 Zekorn, Projekt zur vertikalen und horizontalen Bewertung (wie Anm.2), S. 40.

9 Protokoll der 43. Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Kreisarchive am10.10.2001 in Mosbach, TOP 5.

10 Im Wesentlichen stellten bisher die „Empfehlungen ... zur Bewertungvon Massenschriftgut in Kommunalarchiven“ eine wichtige Bewer-tungsgrundlage für Kommunalarchive dar, aber eben nur für Massen-akten: Hans Eugen Specker, Empfehlungen der ArbeitsgemeinschaftKommunalarchivare im Städtetag Baden-Württemberg zur Bewertungvon Massenschriftgut in Kommunalverwaltungen. Einführung undTextabdruck. In: Der Archivar 43 (1990) Sp. 375-388. – Peter K. Weberhob etwa 2000 hervor, dass „derzeit diskutierte Bewertungsmodelle ...sich entweder auf den kommunalen Bereich nicht ohne weiteres über-tragen (lassen) oder ... noch nicht auf ihre Praxistauglichkeit überprüft“wurden. Er verweist zugleich auf die „Aktualität“ der „alte(n) Forde-rung nach einem Schriftgutkatalog samt Empfehlungen zur Bewertungmit Angabe der Gründe“ (Weber, Archivische Bewertung [wie Anm. 7],S. 26, 29 f. Anm. 61). – Vgl. auch: Matthias Buchholz, ArchivischeBewertung – eine Kernaufgabe als Krisenmanagement? Bestandsauf-nahme zur Bewertungspraxis in rheinischen Kommunalarchiven, in:Der Archivar 51 (1998), Sp. 399–408, Sp. 403 ff.; ders., Überlieferungsbil-dung (wie Anm. 3), S. 260 ff.

11 Zum Bewertungsverfahren und zur Bewertung anhand des Aktenplansauch: Höötmann, Tiemann, Archivische Bewertung (wie Anm. 7), S. 4 f. – Anzumerken ist, dass sich grundsätzliche Veränderungen beiden Aufgaben einer Dienststelle in der Regel auch im Aktenplan nie-derschlagen, z. B. bei Gesetzesänderungen bzw. nach dem Erlass neuerGesetze. Auch sollten alte Bewertungsentscheidungen stets bei aktuel-len Aktenübernahmen wenigstens kurz reflektiert werden.

12 Doppelüberlieferungen gibt es z. B. bei den Kommunal- und den Stra-ßenbauämtern.

13 Vgl. Vertikale und horizontale Bewertung der Unterlagen der allgemei-nen Verwaltung (wie Anm. 2); Vertikale und horizontale Bewertung derUnterlagen der Wasserwirtschaftsverwaltung in Baden-Württemberg,von Udo Schäfer, Stand: 18. September 1997; Vertikale und horizontale

336 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Auch die Unterlagen der Städte und Gemeinde sindzum Teil von der Bewertung betroffen. Dies ist schon des-wegen erforderlich, weil die baden-württembergischenKreisarchive häufig die nicht hauptamtlich besetztenArchive kleinerer Kommunen mitbetreuen. Auch bei Kreis-archiven einerseits und Stadt-/Gemeindearchiven an-dererseits ist daran zu denken, Doppel- und Mehrfach-überlieferungen auszuschließen. Unterlagen auf Land-kreisebene können dabei zur Kassation vorgeschlagen wer-den, wenn auf kommunaler Ebene die aussagekräftigereÜberlieferung anzunehmen ist, z. B. bei Verwaltungsbe-richten, Haushaltsplänen etc. Andererseits kann sich aufKreisebene eine komprimierte, für den gesamten Land-kreis übergreifende, aussagekräftige Überlieferung befin-den, die dann hier aufbewahrt werden sollte.

2.4. Bewertungskriterien/PrüfschritteAls Arbeitsgrundlage für die praktische Bewertung einig-te man sich auf Prüfschritte bei der Bewertung, die sich anden Vorschlägen von Robert Kretzschmar orientieren.14

Diese Prüfschritte sollten bei der Bewertung der einzelnenAktenplangruppen berücksichtigt werden. Insbesonderesollten dabei folgende Kriterien beachtet werden (Vollstän-dige Wiedergabe im Anhang):– Rechtssicherung;15

– Evidenzwert (Dokumentation der Behördentätigkeit;Dokumentation der Aufgabenwahrnehmung einerBehörde);

– Informationswert (Quellenwert, Aussagewert der Quel-len);16

– Doppelüberlieferung (innerhalb und außerhalb derBehörde); Federführung;

– Dokumentationsprofil des Archivs: Unter diesem Begriff sollen nicht nur „Dokumentations-

ziele“ verstanden werden, sondern auch das „Profil“ einesArchivs selbst, das sich aus seiner Zuständigkeit und ausseinem Sprengel heraus ergibt. Aufgrund ihrer Zuständig-keit und ihres Sprengels haben die unterschiedlichenArchive unterschiedliche Dokumentationspflichten aberauch -interessen. Ebenso tragen die Nutzer bestimmteErwartungen an die Archive heran.17 Dies sei anhand einesBeispiels illustriert: Die Archive im Landesarchiv Baden-

Württemberg übernehmen die Unterlagen einiger wenigerausgewählter Schulen in ihrem Sprengel. Ein Kommunal-archiv hat hier ganz andere Interessen. Es wird gegebenen-falls versuchen – sofern es mit dem Landesarchiv verein-bart ist – die Schulen in seinem Sprengel sehr viel dichterzu dokumentieren. Derartige Unterlagen zu den Schulenim Sprengel des Kommunalarchivs erwartet bei einer ent-sprechenden Fragestellung auch ein ortsgeschichtlichinteressierter Nutzer in dem betreffenden Archiv.18

3. Die Bewertungstabelle

Zur praktischen Durchführung wurde eine Bewertungsta-belle mit folgenden Rubriken erarbeitet (vgl. die Abbil-dung):

3.1. Aktenzeichen und „Aktentitel“Unter der verkürzten Bezeichnung „Aktentitel“ wird dieBezeichnung einer Aktengruppe oder -stufe nach demAktenplan verstanden, unter welcher Akten abgelegt sind.

Um eine einheitliche Bewertungsgrundlage zu gewähr-leisten, wurde der zu diesem Zeitpunkt aktuelle kommu-nale Aktenplan (Boorberg-Aktenplan 1981 inkl. 5. Ergän-zungslieferung 2002 und Teilaktenplänen) mit allen bisdahin erfolgten Ergänzungen als Basis gewählt. Nicht ein-bezogen wurden alte Aktenpläne und –zeichen, da z. T.Synopsen vorliegen und die Bewertungsvorschläge auf dienach älteren Aktenplänen geordneten Akten übertragenwerden können. Notwendig war es zu betonen, dass falschausgezeichnete oder gar nicht mit Aktenzeichen versehe-ne Akten der vom Aktenplan her vorgesehenen richtigenAktenplangruppe zugeordnet werden.

Zur Orientierung werden stets die der Aktenplangrup-pe oder -stufe übergeordneten Aktenplan(haupt-)gruppenangegeben.

3.2. Dienststellen / Behörden (Abteilung)Im Internetforum zur Bewertung (s.u.) ist diese Rubrik mit„Abteilung“ tituliert. Hier sollen Provenienzen und Regi-straturbildner dokumentiert werden:

Bewertung der Unterlagen der Straßenbauverwaltung in Baden-Würt-temberg, Stand: August 2004 (alle Bewertungsmodelle, auch für ande-re Behörden, unter der in Anm. 1 angegebenen Internetadresse).

14 Vgl. die Liste der Prüfschritte im Anhang. – Grundlage: Kretzschmar,Bewertungsdiskussion (wie Anm. 7), S. 36 f. – Diese Checkliste, ergänztdurch diejenige von Höötmann, Tiemann, Archivische Bewertung(wie Anm. 7), wird aktuell auch in den „Positionen des ArbeitskreisesArchivische Bewertung im VdA“ (wie Anm. 7), S. 92 empfohlen. - DieBewertungskriterien und Prüfschritte, welche die Arbeitsgruppe Bewer-tung der Kreisarchive als Grundlage wählte, sind also auf dem aktuel-len Stand.

15 Zur Rechtssicherung als wichtigem Bewertungskriterium auch: Hööt-mann,Tiemann, Archivische Bewertung (wie Anm. 7), S. 2, 7.

16 Die Bewertungskriterien Evidenz- und Informationswert werden alssich ergänzend begriffen und die in den 1990er-Jahren entstandeneBewertungsdiskussion als überholt angesehen: Kretzschmar, Positio-nen des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA (wie Anm. 7), S. 89 f.; ders., Bewertungsdiskussion (wie Anm. 7), S. 22 ff.; Buchholz,Überlieferungsbildung (wie Anm. 3), S. 81 ff.

17 Der Begriff Dokumentationsprofil kann hier nicht ausführlich diskutiertwerden. Aktuell stellen das „Positionspapier der Bundeskonferenz derKommunalarchive im Deutschen Städtetag“ und die Positionen desArbeitskreises Archivische Bewertung im VdA das „Dokumentations-profil als Instrument archivischer Überlieferungsbildung“ in den Vor-dergrund: Becker, „Das historische Erbe sichern!“ (wie Anm. 7), S. 87 ff.; Kretzschmar, Positionen des Arbeitskreises ArchivischeBewertung im VdA (wie Anm. 7), S. 91 f. – Einbezogen werden sollte

beim Begriff „Dokumentationsprofil“ auch der Gesichtspunkt: WelcheÜberlieferung kann beim betreffenden Archiv entsprechend seinerZuständigkeiten bzw. seines Sprengels erwartet werden? Der Begriffwird also in dem Sinne wie bei Kretzschmar, Bewertungsdiskussion(wie Anm. 7), S. 14, 30 ff. umrissen, verstanden. – Vgl. zur Diskussionum Dokumentationsprofile auch: Buchholz, Überlieferungsbildung(wie Anm. 3), S. 82 f.; Treffeisen, Perspektiven (wie Anm. 6), S. 51;Peter K. Weber, Dokumentationsziele lokaler Überlieferungsbildung,in: Der Archivar 54 (2001), S. 206–212. Robert Kretzschmar, Tabu oderRettungsanker? Dokumentationspläne als Instrument archivischerÜberlieferungsbildung, in: Der Archivar 55 (2002), S. 301–306.

18 Zur Archivierung der Unterlagen der Schulen: Ernst Otto Bräunche,Kurt Hochstuhl, Archivierung von Unterlagen der öffentlichen Schu-len. Empfehlungen der Arbeitsgruppe Bewertung von Schulakten, in:Kretzschmar (Hrsg.), Historische Überlieferung (wie Anm. 1), S. 305 -309. - Sowie: Liste der vom Landesarchiv zu übernehmenden Schulenunter: www.landesarchiv-bw.de (Menüpunkt: Behördenbetreuung –Historischer Wert – Schulen). – Ein bekanntes Kriterium bei der Bewer-tung ist auch die Aussonderung allgemeiner Akten, die etwa nur Geset-zestexte enthalten. Die Aufbewahrung von Unterlagen zu Bundes- oderLandesgesetzgebung entspricht nur dem Dokumentationsprofilbestimmter Archive. Auf der Ebene der Kreisarchive etwa können dieUnterlagen kassiert werden.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 337

1. Dienststellen des Landratsamts (z. B. Ämter oder Sach-gebiete), bei denen auf der Ebene des LandratsamtesAkten zu dem betreffenden Aktenzeichen anfallen. ImSinne einer horizontalen Bewertung soll damit auf mög-liche Doppelüberlieferungen aufmerksam gemacht wer-den. Aufgrund der unterschiedlichen Organisations-strukturen der einzelnen Landkreise treffen die Nen-nungen nicht jedesmal auf alle Landkreise zu, doch bie-ten sie eine Orientierung.

2. Dienststellen / Behörden außerhalb des Landratsamts,bei denen Akten zu der betreffenden Aufgabe anfallenim Sinne einer vertikalen Bewertung (vor-/nachgeord-nete Dienststellen/Behörden).Wichtig für die Bewertung ist dabei die Ermittlung der

federführenden Stelle.

3.3. Inhalt und Bemerkungen (Entstehungs-zweck):

Allgemeines Beschreibungsfeld:– Zum Entstehungszweck als Ausgangspunkt für die ana-

lytische Bewertung19 („Warum fielen die Akten beimLandratsamt an?“); Aufgabenbeschreibung;

– zum Inhalt der Akten;– zu den gesetzlichen Grundlagen;– mit Angaben zu Aktenarten (Einzelfallakten oder mas-

senhaft gleichförmige Einzelfallakten, kurz: Massenak-ten);

– mit Hinweisen auf eingesetzte EDV-Verfahren;– mit Hinweisen auf nicht zu erwartende Akten.

3.4. FristenSofern möglich werden hier gesetzliche Aufbewahrungs-fristen mit dem Nachweis der entsprechenden Rechts-grundlage aufgeführt, z. B. Aufbewahrungsfristen, die sichaus dem Gemeindekassenverordnung ergeben.20 Nebenbeibemerkt dürfte künftig der Angabe von Aufbewahrungs-fristen eine ganz wesentliche Rolle zukommen, dann näm-lich wenn Dokumentenmanagementsystemen (DMS) ein-gesetzt werden.21

3.5. BewertungsvorschlagKurzer Bewertungsvorschlag mit den Hinweisen:A: archivwürdigB: bewertenV: vernichten

3.6. BegründungIn diesem Feld ist die Bewertungsentscheidung zu begrün-den, nicht kompliziert verschlüsselt,22 sondern stichwort-artig oder, falls erforderlich, mit ausführlichem Text.23

3.7. KommentareIn dieser, in der Publikation im Internet hinzugefügtenRubrik werden Diskussionsbeiträge und Kommentare auf-genommen. Es können und sollen dabei auch durchaus kri-tische Anmerkungen und konträre Bewertungsvorschlägeeingebracht werden, die entsprechend begründet werdensollen.24

4. Die praktische Durchführung der Bewertung

Zur praktischen Durchführung der Bewertung teilte sichdas Plenum der Kreisarchivarinnen und –archivare, diesich zur Mitarbeit zusammenfanden, in Arbeitsgruppen zueinzelnen Aktenplanhauptgruppen auf. In den Arbeits-gruppen wurden die Aktenplanuntergruppen wiederumauf die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ver-teilt, da sich aus arbeitsökonomischen Gründen ein derar-tiges Vorgehen empfahl, denn eine Bewertung sämtlicherAkten durch alle Mitglieder einer Arbeitsgruppe erschienwenig sinnvoll. Die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter erarbeiteten Bewertungsvorschläge für die ihnenzugeteilten Aktenplanuntergruppen. Die Bewertung wurdedabei auf der Grundlage der genannten „Prüfschritte“ undanhand des Aktenbestands in den jeweiligen Landratsäm-tern vorgenommen, wobei vom Grundsatz her die Sachge-biete oder Ämter einbezogen wurden, bei denen die Aktenanfielen, d. h. die Bewertung sollte „im Benehmen mit“ denaktenführenden Stellen erfolgen. Die Bewertungsvorschlä-ge wurden dann der gesamten Arbeitsgruppe zugestellt,von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer durchgear-beitet und gegebenenfalls kommentiert. Abschließend dis-kutierte man die Vorschläge im Plenum zur jeweiligenAktenplanhauptgruppe, korrigierte sie gegebenenfalls undverabschiedete die Bewertungsvorschläge schließlich. ProArbeitsgruppe gab es einen Hauptverantwortlichen für dieKoordination.25 Dieser Hauptverantwortliche soll auchkünftig für die Betreuung der Aktenplanhauptgruppezuständig bleiben, wenn sich dies als notwendig erweisensollte. Mittlerweile fand sich für jede Aktenplanhauptgrup-pe eine Arbeitsgruppe zusammen und alle Aktenplan-hauptgruppen konnten bewertet werden.26

19 Kretzschmar, Bewertungsdiskussion (wie Anm. 7), S. 29.20 Verordnung des Innenministeriums über die Kassenführung der

Gemeinden (Gemeindekassenverordnung – GemKVO) vom 26.8.1991,in: Gesetzblatt für Baden-Württemberg S. 598, ber. 1992, S. 111, geändertdurch Verordnung vom 15.4.1994 (GBl. S. 238), vom 23.8.2001 (GBl.S. 532), §§ 33 f.

21 „Die Aussonderung von Unterlagen aus einem digitalen System kann– mit vertretbarem Aufwand – nur dann erfolgen, wenn schon beimSystementwurf entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden. Unver-zichtbare Grundlage hierfür ist ein elektronischer Aktenplan, der z.B.die Aufbewahrungsfristen für bestimmte Aktengruppen enthält. Dennes kann nicht angehen, dass der Registrator durch Augenschein am Bild-schirm die anzubietenden Akten mühsam heraussucht; das Systemmuss ihm vielmehr auf Anfrage automatisch jene Akten ermitteln, derenAufbewahrungsfrist abgelaufen ist, aber auch jene, die von Sachbear-beitern als archivwürdig vorgeschlagen wurden.“ Digitale Unterlagen.Nr. 2: Metadaten für die Aussonderung und Archivierung digitalerSachakten. Empfehlungen für die Behörden des Freistaates Bayern, her-ausgegeben von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns,München 2004, S. 9 (Internet: www.gda.bayern.de).

22 Der „Bewertungskatalog für das Schriftgut der nordrhein-westfälischenBezirksregierungen“ arbeitet z. B. mit Verschlüsselungen, vgl. Schnel-ling-Reinicke u. a., Bewertungsmodell (wie Anm. 4).

23 Vgl. etwa als Muster: Albrecht Ernst, Von der Ackerbauschule zur EU-Agrarpolitik. Systematische Erfassung des Schriftguts der Landwirt-schaftsämter in Südwürttemberg-Hohenzollern, in: Kretzschmar(Hg.), Historische Überlieferung (wie Anm. 1), S. 235–248, S. 240 ff., S. 244 ff.

24 Vgl. das Beispiel in Anm. 33.25 Diesem Hauptverantwortlichen fiel neben allgemeinen Koordinierungs-

arbeiten z. B. auch die Aufgabe zu, die Bewertungsvorschläge in einerDatei zusammenzutragen.

26 Zum Vorgehen bei der Bewertung selbst vgl. den sehr nützlichen Leit-faden von Höötmann, Tiemann, Archivische Bewertung (wie Anm.7), S. 3 ff.; sodann: Kretzschmar, Positionen des Arbeitskreises Archi-vische Bewertung (wie Anm. 7), S. 91 ff.; ders., Spuren zukünftiger Ver-gangenheit. Archivische Überlieferungsbildung im Jahr 2000 und dieMöglichkeit einer Beteiligung der Forschung, in: Der Archivar 53 (2000),S. 215–222.

338 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

5. Die Publikation der Ergebnisse in Internet

Nach Vorliegen der ersten Arbeitsergebnisse war raschklar, dass eine Publikation der Bewertungsvorschläge inherkömmlicher Papierform nicht in Frage kam. Erstenswaren trotz einheitlicher Vorgaben rasch individuelleUnterschiede erkennbar. Bei der Masse an Bewertungsvor-schlägen und der beschränkten Arbeitskapazität eines ein-zelnen Archivars oder einer Archivarin bzw. eines Redak-tionsteams, welchem die Redaktion zugekommen wäre,war der Gedanke an eine einheitliche Redigierung müßig.Zweitens wäre eine herkömmliche Publikation aufgrundihres Umfangs vermutlich an den Kosten gescheitert. Drit-tens erschien die Veröffentlichung in Papierform als zuwenig flexibel und veränderbar. Deshalb sprach alles füreine Publikation im Internet:27

– In diesem Medium sind die Bewertungsvorschläge nachder Erarbeitung für alle Kreisarchive rasch zugänglichund nutzbar zu machen.

– Die Bewertungsvorschläge sind nicht statisch, sondernbleiben in einem Internet-Diskussionsforum in der Ent-wicklung. Sie können im Diskurs fortgeschrieben,ergänzt und auf einem aktuellen Stand gehalten wer-den.Neue bzw. abweichende Meinungen und Erkenntnisse

können einfließen. Das Internet bietet also ideale Möglich-keiten für eine kontinuierliche fachliche Bewertungsdis-kussion.28

– Jedes Archiv kann sich bei aktuellem Bedarf diejenigenAktengruppen heraussuchen, die gerade zur Bewertunganstehen.

– Insgesamt ergibt sich ein flexibles Instrument im Rah-men des Mach- und Leistbaren, dadurch dass ein dere-gulierter Prozess entsteht, ohne einheitliche und arbeits-aufwendige Schriftleitung und ohne aufwendige Pflegeder Website durch einzelne Beauftragte. Jede/jederkann seine Arbeitsergebnisse einstellen und mitdisku-tieren.

– Das Forum kann bislang von allen Kreisarchiven inBaden-Württemberg genutzt und weiterentwickelt wer-den.

6. Ziele und Grenzen

Ganz bewusst ist nicht die Rede von Bewertungsempfeh-lungen oder gar von Bewertungsvorgaben, sondern eswerden den Kreisarchiven schlicht Vorschläge unterbreitet,die Orientierung bei der alltäglichen Bewertungsarbeitbieten sollen. Die Bewertungsvorschläge sollen als Arbeits-instrument und als Hilfestellung bei der Bewertung ver-standen werden. Die Bewertungsvorschläge verstehen sichkeineswegs als endgültig und perfekt.

Das Ziel ist letztlich eine Bewertung als offener Prozess.Sicherlich werden Verfeinerungen, Verbesserungen undErgänzungen erforderlich werden. Zu betonen ist dabeinochmals, dass es sich um Vorschläge handelt, die in derRegel zunächst auf der Grundlage der Akten eines Land-ratsamtes erarbeitet wurden. Dies bedeutet beispielsweise,dass sich in einem anderen Landratsamt unter demselbenAktenzeichen ganz anders geartete Akten befinden kön-nen. Abgesehen davon ändert sich der Aktenplan ständig.Schon aus diesem Grund muss immer mit Verschiebungenund Veränderungen bei den Bewertungsvorschlägengerechnet werden.

Dennoch werden die Kreisarchive ihrer Pflicht zur ratio-nellen Bewertung mit Hilfe der Bewertungsvorschlägebesser nachkommen können. Die Bewertungsvorschlägeentheben die Archive jedoch unter keinen Umständeneiner eigenständigen Prüfung und Bewertung der Akten.Ein Automatismus soll nicht zugelassen sein und ist damit– wie bei den staatlichen Bewertungsmodellen – auch nichtvorgegeben. Dazu ist die Bewertung ein zu komplexer Vor-gang, der bei jeder Aussonderung in der Regel eine neueReflexion benötigt.29

7. Publikation der Bewertungsvorschläge in einemgeschlossenem Bewertungsforum

Die Bewertungsvorschläge stehen den Kreisarchiven inBaden-Württemberg nur in einem geschlossenen Bewer-tungsforum zur Verfügung. Dies ist darauf zurückzufüh-ren, dass mehrere Kolleginnen und Kollegen der Arbeits-gemeinschaft der Kreisarchive beim Landkreistag Baden-Württemberg die Gefahr eines Missbrauchs der Bewer-tungsvorschläge betonten. Es wurde argumentiert, dassbeispielsweise Registratoren, Amtsleiter oder Bürgermei-ster die Bewertungsvorschläge als Grundlage dafür anse-hen könnten, Akten „eigenmächtig“ auszusondern. Letzt-lich könnten sich die Archivare sogar durch die Bewer-tungsvorschläge überflüssig machen.

Man kann nun dagegen argumentieren, dass Landesar-chivgesetz, Archivordnungen und Registraturdienstanwei-sungen, die in den Landkreisen und Kommunen vorhan-den sein sollten, gegen ein solches eigenmächtiges Vorge-hen sprechen und den Archiven im Grundsatz die Bewer-tungshoheit sichern. Auf diesen rechtlichen Grundlagenhaben nur die Archivarinnen und Archivare das Recht unddie Pflicht zur Bewertung und Freigabe der Unterlagen zurVernichtung. Auch besitzen nur Archivarinnen und Archi-vare die fachliche Kompetenz zur Bewertung, die durchdie Bewertungsvorschläge nicht zu ersetzen ist, denn eswerden eben „nur“ Vorschläge gemacht, die keinen Auto-matismus bei der Aktenaussonderung zulassen. Die Archi-ve werden dadurch nicht einer eigenständigen Bewer-tungsentscheidung enthoben. Anfügen kann man, dasstrotz bereits bestehender Bewertungsmodelle bisher nochkein Archiv geschlossen wurde. Schließlich ist die Bewer-tung bekanntlich auch nicht die einzige Aufgabe einerArchivarin oder eines Archivars.

27 Nur hingewiesen sei an dieser Stelle auf das „Projekt forum-bewertung“im Internet mit aktuellen Informationen und Diskussionsmöglichkeiten:Kathrin und Andreas Pilger, Archivische Überlieferung im Internet, in: Der Archivar 55 (2002), S. 37–39. Im Internet: www.forum-bewer-tung.de/.

28 Zur Bedeutung des fachlichen Austausches und der Diskussion bei derBewertung: Höötmann, Tiemann, Archivische Bewertung (wie Anm.7), S. 9.

29 Zu dieser Problematik bei Bewertungsmodellen auch: Schnelling-Rei-nicke u. a., Bewertungsmodell (wie Anm. 4), S. 21; Treffeisen,Perspektiven (wie Anm. 6), S. 44; Höötmann, Tiemann, ArchivischeBewertung (wie Anm. 7), S. 9.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 339

Trotz allem kann ein Missbrauch nicht ausgeschlossenwerden. Auch ist bereits tatsächlich ein kommerziellesInteresse spürbar. Deshalb wurde auf die BefürchtungenRücksicht genommen, und man sollte wohl tatsächlich einegewisse Vorsicht walten lassen. Als Kompromiss und umüberhaupt die Bewertungsvorschläge sinnvoll zu veröf-fentlichen, werden diese in einem nur beschränkt zugäng-lichen Bewertungs- und Diskussionsforum im Internetpräsentiert. Dadurch stehen die Arbeitsergebnisse allenKreisarchiven in Baden-Württemberg zur Verfügung.

Eine – begrenzte – Öffnung und Einbeziehung andererArchive sollte nach Auffassung des Verfassers dieses Bei-trags nochmals diskutiert werden, denn die Bewertungs-vorschläge sind sicherlich nicht nur für die baden-würt-tembergischen Kreisarchive, sondern auch für Stadt- undgegebenenfalls auch Staatsarchive relevant und von Inter-esse. Dabei wurden von Seiten der Kreisarchive im eigenenInteresse gewisse Arbeitsleistungen erbracht, die jedochauch die staatliche Seite bei der Erarbeitung von Bewer-tungsmodellen erbrachte.

8. Erfahrungen im Umgang mit dem Bewertungs-vorschlägen

Abschließend seien einige Erfahrungen aus der Arbeit mitden bisher vorliegenden Bewertungsvorschlägen mitge-teilt:

Die Vorschläge gaben im Kreisarchiv ZollernalbkreisAnlass, bisherige Bewertungsentscheidungen zu überden-ken. So wurden z.B. im Sozialhilfebereich30 oder bei denRechnungsbelegen31 deutlich weniger bzw. gar keineAkten mehr übernommen. Die Vorschläge bieten einegrundsätzliche Hilfe bei Aktengruppen, die bisher imKreisarchiv Zollernalbkreis noch nicht zur Bewertunganstanden.32 In einigen Fällen wurde auch anhand desAktenbestands zu einer anderen als der vorgeschlagenenBewertungsentscheidung gelangt; derartige Ergebnissekönnen in das Diskussionsforum im Internet einfließen.33

Insgesamt wurden die eigenen Bewertungen durch dieBewertungsvorschläge gestützt. Die Bewertung selbstkonnte erheblich rationeller und zeitsparender vorgenom-men werden. Durch eine noch geringere Übernahmequo-te konnte für die Erschließung der Akten notwendigeArbeitszeit eingespart werden und letztlich Magazinraumfür die Lagerung der übernommenen Akten.

9. Fazit

Die Bewertungsvorschläge bilden einen Ansatzpunkt, umÜberlieferung im Verbund zu gestalten. Sie regen zu wei-terführenden Überlegungen an, etwa zur Bestimmung von„Vor-Ort-Archiven“ für Unterlagen bestimmter zentralerEinrichtungen, wie diejenigen der Regionalen Rechenzen-tren oder auch des Landkreistags, für deren Überlieferungzunächst kein Archiv zuständig ist, deren Unterlagen sichaber in der Regel in jedem Kreisarchiv befinden – eine klas-sische Mehrfachüberlieferung, der man durch die Bildungvon Vor-Ort-Archiven begegnen könnte.

Die Bewertungsvorschläge sind praktikabel, wenn auchnicht unfehlbar und nicht abgeschlossen. Die Bewertungs-entscheidungen in den einzelnen Archiven werden jedochtransparenter und effizienter.34 Von einem Automatismusbei Bewertung und Übernahme von Unterlagen kann keineRede sein, wohl aber von einer rationelleren und zeit- undmagazinraumsparenden Bewertung aufgrund der Bewer-tungsvorschläge. Insgesamt tragen sie dazu bei, die ein-gangs genannten Zielsetzungen - Bewertungsentscheidun-gen nachvollziehbar und transparent zu gestalten, dieBewertungsarbeit zu rationalisieren sowie Doppel- undMehrfachüberlieferungen zu vermeiden – zu erfüllen.Schon jetzt kann in dem vorliegenden Beitrag mit Fußno-ten auf bewertete Bestände im Kreisarchiv Zollernalbkreisund nicht nur auf Sekundärliteratur zur Bewertung ver-wiesen werden. Nach Kretzschmar ist dies ein wesentli-ches Indiz für die Tauglichkeit von Bewertungsmodellen.35

AnhangPrüfschritte bei der Bewertung (nach Kretz-schmar36)1. Stellung und Aufgaben der Stelle/Organisationseinheit,

bei der die Unterlagen entstehen und ihre Wertung imgesellschaftlichen Kontext

2. Funktion der zu bewertenden Stelle im Kontext derGesamtüberlieferung einer Unterlagen produzierendenStelle

3. Strukturprinzip und Ordnungszustand der Unterlagen,insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aussage-kraft und des Konzentrationsgrades

4. Mögliche Zeitgrenzen / Zeitschichten, die besonders zuberücksichtigen sind (z. B. „Wende“)

5. Aussagekraft der Unterlagen über die Aufgaben und dieArbeitsweise der sie erzeugenden Stelle (Evidenzwert)

6. Aussagekraft und Konzentrationsgrad der Unterlagenüber Personen, Orte, Objekte, gesellschaftliche Struktu-ren, Phänomene, Entwicklungen, Mentalitäten etc. –Herausfiltern von Besonderheiten, z. B. Unglücksfälle,Prozesse o.ä. (Informationswert)

7. Federführung bzw. Mitwirkungsgrad der die Unterla-gen erzeugenden Stelle beim jeweiligen Vorgang

8. Korrespondierende Unterlagen innerhalb der Stelle9. Korrespondierende Unterlagen an anderer Stelle (auch

in anderer Überlieferungsform z.B. Fotos, Film etc.)

30 Vgl. die Bestände KrArchivBL, ZAK 3/42, bes. Bd. 15. - Die aktuellenBewertungsvorschläge der Kreisarchive korrigieren die Bewertung derMassenakten bei Specker, Massenschriftgut (wie Anm. 10) zum Teil,da, wenn man diesen Empfehlungen folgt, auf Dauer zu viele Aktenübernommen werden.

31 Vgl. die Bestände KrArchivBL, ZAK 3/90, Bd. 12 f.32 Z. B.: KrArchivBL, ZAK 3/092, Bd. 1 (Abwasserzweckverbände,

Gemeindeverwaltungsverband Oberes Schlichemtal).33 Z. B. KrArchivBL, ZAK 3/42, Bd. 15:, Nr. 124 ff. Nichsesshafte/Obdach-

lose. Hinsichtlich des Aktenzeichens „423.733 Obdachlose“ hieß derBewertungsvorschlag „V“, da sich offenbar beim bewertenden Archivunter diesem Aktenzeichen nur Rundschreiben befanden. Im Zollern-albkreis fanden sich dagegen Einzelfallakten zu Obdachlosen, einer Personengruppe, die ansonsten kaum durch Akten dokumentiert ist. Eswurde also eine Auswahl an Akten übernommen.

34 Weber, Archivische Bewertung (wie Anm. 7), bes. S. 29 f.; Kretz-schmar, Bewertungsdiskussion (wie Anm. 7), S. 34 f.

35 Zu dieser Forderung: Kretzschmar, Bewertungsdiskussion (wie Anm.7), S. 40.

36 Kretzschmar, Bewertungsdiskussion (wie Anm. 7), S. 36 f.

340 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

10. Eignung der Unterlagen, Überlieferungslücken subsi-diär zu schließen

11. Besondere Formen der Überlieferung (Informations-träger, Beschreibstoff = intrinsischer Wert)

12. Mögliche Auswahlkriterien mit dem Ziel der Verdich-tung

13. Bedingungen und Folgen der Übernahme für dasArchiv in betriebswirtschaftlicher Hinsicht (Folgeko-sten).

Zudem:14. Rechtssicherung15. Dokumentationsprofil des Archivs

Weitere ergänzendeBewertungskriterien/Checklisten:– Archivfähigkeit.37

– Entstehungskontext.– Wertung der Aufgaben.– Berücksichtigung potentieller Fragestellungen der For-

schung.38

– Umfang.– Ordnungs- und Erhaltungszustand.– Häufigkeit des Rückgriffs der abliefernden Stelle.39

– Welche Schriftstücke befinden sich typischerweise inden spezifischen Akten?

– Welchen Aussage- und Informationswert besitzen dieeinzelnen Schriftstücke?

– Welchen Aussage- und Informationswert besitzt dieAkte bzw. besitzen die Unterlagen insgesamt?

– Liegen singuläre, individuelle Informationen vor, dienur hier und/oder nur hier in dieser komprimiertenForm vorhanden sind?

– Deckt sich der zu erwartende Akteninhalt mit demErgebnis der Aufgaben- und Kompetenzanalyse?

– Wie sind die konservatorischen Bedingungen der Akte?Wurden ausschließlich oder im überwiegenden Maßenicht alterungsbeständige Papiere verwendet?

– Besondere Fälle (in der Presse dokumentiert, berühmt,berüchtigt), Beispiele des Zeittypischen in einerbegrenzten Auswahl.40

37 Archivfähigkeit besteht, wenn die Verwaltung nicht mehr auf die Unter-lagen zurückgreifen muss und diese nach Ablauf der Aufbewahrungs-frist zur Aussonderung anstehen.

38 Höötmann, Tiemann, Archivische Bewertung (wie Anm. 7), S. 7, 9,11.

39 Kretzschmar, Spuren zukünftiger Vergangenheit (wie Anm. 26), S. 219:Grundstruktur einer Checkliste.

40 Treffeisen, Perspektiven (wie Anm. 6), S. 51 f., 64.

Aktenplanhauptgruppe Teilnehmer(fett: Leitung)

0 Allgemeine Verwaltung a) Dargel (FN), Martina) 0 – 6 (UL), Weber (SIG),b) 7 - 9 Zekorn (BL)

b) Gorka (OG),Graf (FR), Walter (RA)

1 Öffentliche Sicherheit Betz-Wischnath (RT),und Ordnung Kramer (KN),

Waßner (ES)

2 Schulen Winkelbach (WN),Zekorn (BL)

3 Wissenschaft und Kultur Winkelbach (WN),Zekorn (BL)

4 Soziale Sicherung Betz-Wischnath (RT),Röschl (RT), Braun (RW),Hager (BB), Martin (UL),Swierczyna (CW), Zekorn (BL)

5 Gesundheit, Sport, Wieland (TBB), Erholung Rantasa (MOS)

6 Bau- und Wohnungs- Hirth (WT), Martin (UL),wesen, Straßen, Gewässer Sannwald (TÜ)

7 Öffentliche Einrichungen, Adler (FDS), Hirth (WT),Wirtschaftsförderung Pelters (FDS),

Sannwald (TÜ)

8 Wirtschaftliche Unter- Breitkopf (KA),nehmen, allg. Grund- Kreutz (HD)und Sondervermögen

9 Finanzen und Steuern Braun (RW),Kramer (KN), Schuster (TUT), Zekorn (BL)

Einteilung der Arbeitsgruppen der AG KreisarchiveBaden-Württemberg

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 341

Bewertungsdiskussion – ErfassungsbogenBemerkungen zu den Feldern: 1. Az. des Komm. Aktenplans i. d. Fassung 2002. Frühere Az. unter 4 nennen; 3. Ämter,die mit der Aufgabe betraut sind; 4. Allgemeines Beschreibungsfeld, in das sowohl gesetzliche Bestimmungen, Angabenüber Einzel- oder Massenakten, Hinweise auf eingesetzte EDV-Verfahren und auf nicht zu erwartende Akten Aufnahmefinden; 5. v. a. gesetzliche Aufbewahrungsfristen, wenn möglich bitte mit Nachweis der Rechtsgrundlage; 6. Vorschlagund evtl. Hinweis auf Auswahlverfahren bei Massenakten

1 2 3 4 5 6 7

Aktenzeichen Aktentitel: Dienststellen/ Inhalt und Bemerkungen Fristen: Bewertungs- BegründungBehörden (Entstehungszweck) vorschlag:

459 Jugend-schutz/Jugend-gerichtshilfe

459 7 Jugend- Jugendamtgerichtshilfe Amtsgericht

(= feder-führend)

Einzelfallakten „Jugendgerichtshilfe“

Reichsjugendwohlfahrtsgesetzvon 1922

Jugendgerichtsgesetz von 1953,in der Fassung der Bekannt-machung vom 11.12.1974(BGBI. I, S. 3427)

– § 38 Jugendgerichtshilfe

(1) Die Jugendgerichtshilfe wirdvon den Jugendämtern im Zu-sammenwirken mit den Vereini-gungen für Jugendhilfe ausgeübt.

(2) Die Vertreter der Jugendge-richtshilfe bringen die erzieheri-schen, sozialen und fürsorgeri-schen Gesichtspunke im Verfah-ren von den Jugendgerichten zurGeltung. … sie wachen darüber,dass der Jugendliche Weisungenund Auflagen nachkommt.

Jugendwohlfahrtsgesetz von 1961

Kinder- und Jugendhilfegesetzvon 1990

Inhalt der Akten: u. a. Situations-bericht des Jugendamtes überden Jugendlichen.

Das Jugendamt tritt nur nachge-ordnet in Erscheinung, indem esauf Anweisung des Amtsgerichtsdem Jugendlichen Arbeitsdienstanordnet und dessen Vollziehungüberwacht. Der Situationsberichtdes Jugendamtes enthält inhalts-reiche Aussagen.

Beiheft zumBoorberg-Aktenplan:10 Jahre nachVolljährigkeit

Auswahl-Archivierung

Jedes 3. Jahr:5 – 10 %(angepasstan Archivie-rung Erzie-hungshilfe)

Informationswertdurch den Situationsbe-richt des Jugendamtesüber die familiäre Lageund Entwicklung desJugendlichen – Ergänzung zu denErziehungshilfe-Akten

342 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Vorbemerkung

Das Stadtarchiv Wolfsburg wurde Ende der 1970er Jahre zueinem funktionsfähigen Kommunalarchiv ausgebaut.Heute umfasst es über 1,2 laufende Kilometer Archivgut,darunter ca. 12.000 historische Akten und umfangreicheSammlungen. Den Kern der Bestände umfasst die Schrift-gutüberlieferung der Stadtverwaltung nach 1945.

Die junge und zugleich besondere Geschichte Wolfs-burgs als „NS-Musterstadt“ sowie die Dynamik, mit derdie Volkswagenstadt in die Zukunft prescht, intendierenbesondere Anforderungen an die archivarische Arbeit underöffnen gleichzeitig neue Perspektiven.

Vor diesem Hintergrund steht im Wolfsburger Stadtar-chiv seit sieben Jahren die Vermittlungsarbeit an erster Stel-le. Das „Wolfsburger Modell“ liefert einen Ansatz für diearchivdidaktische Theoriebildung und bietet ein innovati-ves Bildungskonzept, das in seiner Komplexität, Qualitätund Nachhaltigkeit Schrittmacherfunktion und Signalwir-kung hat.

Rahmenbedingungen

Das „didaktische Primat“ in Wolfsburg hat seinenUrsprung und Planungsrahmen in der Aufarbeitung derNS-Geschichte. 1985 beschloss der Rat der Stadt Wolfsburg,die Lebensbedingungen von Zwangsarbeitern erforschenzu lassen. Aus den Forschungsergebnissen des damaligenStadtarchivars Dr. Klaus-Jörg Siegfried gingen eine stän-dige Ausstellung über die Opfer der nationalsozialisti-schen Gewaltherrschaft und eine Geschichtswerkstatt her-vor, die das dritte Aufgabenfeld neben dem Stadtarchivund den Historischen Museen im 1995 gegründeten Insti-tut für Museen und Stadtgeschichte bildete.

Die Einrichtung einer Geschichtswerkstatt sollte denProzess der historischen Aufarbeitung in Wolfsburg ver-sachlichen und Stadtgeschichte pädagogisch nutzbarmachen. Die Betreuung von Schulklassen im Archiv standdabei von Anfang an im Mittelpunkt. Für die Leitungwurde 1999 die Planstelle einer Geschichtspädagogin ein-gerichtet.

Im archivischen Umfeld implementierte die Geschichts-werkstatt in kürzester Zeit eine Netzwerkstruktur, dieKooperation und Koordination zwischen den Akteurensicherstellte. Die neuen Lernangebote füllten eine Lückeund motivierten in den ersten fünf Jahren über 10.000 Kin-der und Jugendliche für die Spurensuche im Archiv. Nachdem Ruhestand des Institutsleiters im Oktober 2005 wurde

das Institut für Museen und Stadtgeschichte aufgelöst unddas Stadtarchiv mit angeschlossener Geschichtswerkstattverselbstständigt.2

Die institutionelle Einheit von Stadtarchiv undGeschichtswerkstatt sowie moderne räumliche und techni-sche Gegebenheiten in einem zentral gelegenen Kulturbau,der auch die Musikschule beheimatet, haben für die archiv-didaktische Arbeit einen erstklassigen Rahmen gesetzt. FürSchulklassen und größere Gruppen stehen spezielle Projek-träume mit OVP, Diaprojektoren, Beamern, Fernsehen undInternetarbeitsplätzen zur Verfügung. Für größere Veran-staltungen und Events kann das räumliche Equipment derMusikschule (Konzertsaal, KulturTurnhalle usw.) mitge-nutzt werden. Im Besucherraum befinden sich Präsenzbi-bliothek (mit Leihverkehr), Pressedokumentation und dasMF-Lesegerät. Die Gruppenarbeitsräume sind ferner mitgeschichtsdidaktischer Literatur und Unterrichtsmedienausgestattet.

Für die Vermittlungsarbeit stehen eigene Sachmittelund Haushaltstitel zur Verfügung.

Benutzerorientierung als Leitmotiv

Die nach außen gerichtete archivdidaktische Arbeit istSignum für eine konsequent betriebene Benutzerorientie-rung, die auch für die klassischen Kernaufgaben – Bewer-tung und Verzeichnung – Maßstäbe setzt. HausinternesLeitbild ist die Prämisse, die Eric Ketelaar 1992 für dieFunktion der Archive in der demokratischen Gesellschaftvorgegeben hat: „Making our Archives into Archives of thepeople, by the people, for the people is only possible, whenwe know our people, listen to our people and serve ourpeople“.3

Um eine solche Orientierung und Offenheit in RichtungPublikum zu erreichen, wird der schriftgutfixierten Bewer-tung die Idee einer „public participation“ entgegengestellt,welche historisch interessierte Bürger, Schüler, Heimatfor-scher, Verwaltung, Politik und Wissenschaft aktiv anBewertungs- und Erschließungsprozessen beteiligt, denErwerb von privaten Dokumenten mit Nachdruck betreibtund einen selbstständigen Zugang zu Archivgut etabliert.4

Ein ständiger Austausch über Bedürfnisse und Trendsinnerhalb und außerhalb der „Archivmauern“ bildet dieBasis für eine bewegliche, prospektive Bestandsbildung,

1 Der Beitrag beruht auf der Publikation Birgit Schneider-Bönninger:„Ran an die Quellen“: Theorie und Praxis der Archivdidaktik – DasWolfsburger Modell, Wolfsburg 2005. Koautorin ist Anita Placenti, dieals freie pädagogische Mitarbeiterin seit 5 Jahren für die Schulklassen-betreuung zuständig ist.

2 Die Verfasserin, bislang Leiterin der Geschichtswerkstatt, übernahm dieLeitung des Stadtarchivs. Das Archivteam rekrutiert sich aus zwei Voll-zeitkräften (Leitung/Historische Dokumentation), drei Halbtagskräftenund zwei Magazinern. Der pädagogische Apparat wird fortgesetzt vonAnita Placenti – auf Honorarbasis – bespielt.

3 Eric Ketelaar, Archives of the people, by the people, for the people, in:ders., The Archival Image, Collected essays, 1997, S. 26.

4 Inzwischen liefert auch die Fachwelt immer mehr Handhabungen fürfortschrittliche – kundenorientierte – Ansätze in Theorie und Praxis.Wege dazu hat u. a. Clemens Rehm aufgezeigt. Vgl. Clemens Rehm:„Kundenorientierung“ – Modewort oder Wesensmerkmal der Archive?Anmerkungen zu Transparenz und Partizipation bei archivischenBewertungen, Vortrag beim Südwestdeutschen Archivtag, Schaffhau-sen, Mai 2001.

„Ran an die Quellen!“: Das archivdidaktische Modell in Wolfsburg1

Von Birgit Schneider–Bönninger

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 343

die insbesondere auch die Gegenwartsphänomene für diespätere Forschung berücksichtigt und aktuelles Dokumen-tationsgut sichert. Die jüngste Sachdokumentation rekon-struiert z. B. den Strukturwandel seit 1990. Dafür korre-spondiert das Stadtarchiv mit allen wichtigen „Zukunfts-institutionen“ (Kunstmuseum, Wolfsburg AG, Auto-Uni,Autostadt usw.), die laufend Material abliefern.5 In diesemKontext bietet das Archiv auch Supportleistungen in Formeiner Beratung bzw. Prozessbegleitung in den ausgeglie-derten Gesellschaften und Anstalten des „Konzerns Stadt“an. Diese Kontakte eröffnen die große Chance, Wünscheund Notwendigkeiten für die kommunale Überlieferungs-bildung auszuloten und bereiten gleichzeitig die Verhand-lungsbasis für einzelvertragliche Vereinbarungen (Über-nahme von Archivgut).

Im Bereich der Verzeichnung ergänzen themenspezifi-sche Sammlungen die provenienzbezogenen Findmittel.Auch hier geben die Besucher die Nachfrage vor und wer-den z. T. in Erschließungsprojekte eingebunden. Die kun-denorientierte Ausrichtung des Stadtarchivs – mit demo-kratischem Impetus - ist Basis und Rahmen für das Wolfs-burger Modell einer reflexiv-konstruktiven Archivdidak-tik.

Reflexiv und konstruktiv: Das didaktische Konzept desStadtarchivs

In der Geschichtsdidaktik fehlt es bis heute an geeignetenVerfahren für den Unterricht im Archiv. Diese etwas stief-mütterliche Behandlung steht im Missverhältnis zu dersteigenden Nachfrage im archivpädagogischen Segmentund der inzwischen breiten Akzeptanz historischer Bil-dungsarbeit.6

Damit der Unterricht im Stadtarchiv nicht planlosabläuft, wurde für die Arbeit mit Schulklassen im Stadtar-chiv Wolfsburg eine Konzeption entwickelt, die auf dreiKlassiker zurückgreift und sich als praktikabel erwiesenhat. Diese Konzeption könnte einer künftigen Theoriemöglicherweise die Richtung weisen.

Die geistigen Väter kommen aus den 1970er Jahren undheißen Karl-Ernst Jeismann, Wolfgang Klafki und UweUffelmann. Ich habe für diese „hauseigene“ didaktischeKonzeption den Begriff der „reflexiv-konstruktivenArchivdidaktik“ geprägt. Die wissenschaftsorientierte

Geschichtsdidaktik nach Karl-Ernst Jeismann bildet dabeiden theoretischen Überbau. Diese in den 70er Jahren ent-wickelte Konzeption erhebt den Begriff des Geschichtsbe-wusstseins zur Schlüsselkategorie.7

Jeismann definiert die Überführung von unreflektiertenin reflektiertes Geschichtsbewusstsein als Tätigkeit derhistorischen Vernunft, wonach der Unterricht im Archivgeradezu ein „Garten Eden“ für die Umsetzung wissen-schaftstheoretischer Prozesse wäre. Nirgendwo sonst lie-gen die authentischen Zeugnisse so ungeschminkt vor; nir-gendwo sonst sind solche Freiräume gegeben. Als prakti-sches Handlungsmaxime empfiehlt Jeismann, die „Ambi-valenz, besser die Multivalenz historischer Erkenntnis alsErkenntnischance zu nützen“.8 Der Archivar ist demnachaufgefordert, „controversial issues“, d.h. kontroverseMaterialien zur Diskussion zu stellen: „Werden unter-schiedliche Geschichtsdeutungen...diskutierbar gemacht,wächst die Chance, auch differenzierende Gegenwarts-positionen miteinander ins Verhältnis zu setzen in Abgren-zung und prüfender Distanz“.9

Hier eröffnet sich dem Unterricht im Archiv ein breitesSpektrum für die Einübung in den Umgang mit geschicht-lichen Aussagen vom einfachen Bezug bis zu komplexenZusammenhängen. Multiperspektive und kontroverseMaterialien als Übungsgegenstände sind in den Beständenebenso zugänglich wie Wertungen zu historischen Themenin der Presse.10 Jeismann schreibt über diesen Denkprozess:„Der archimedische Punkt, an dem solcher Unterrichtansetzen kann, ist ... das Sachurteil – also die mittlereDimension, die zwischen der gegenwartsbestimmten Stel-lungnahme und Wertung einerseits, zwischen der rationa-len Analyse der Zeugnisse der Vergangenheit andererseitsvermittelt“.11 Entscheidend ist, dass die unterschiedlichenPositionen sich mit Hilfe eines diskursfähigen Geschichts-bewusstseins in einem wechselseitig aufklärendenGespräch halten. Dialog und Diskurs blieben aber illuso-risch, solange Unterricht nicht die gesellschaftlichen Vor-aussetzungen hat, Mündigkeit zu praktizieren.12 Hierinschon angedeutet ist der Archivdidaktik neben der reflexi-ven Komponente auch ein Veränderungsinteresse konsti-tutiv. Wolfgang Klafki hat in seiner kritisch-konstruktivenDidaktik die Dimension des Gesellschaftlichen einge-bracht.13 Die Zielbestimmung dieses Ansatzes liegt in der

5 Die Sammlungsergebnisse wurden kürzlich resümiert und publiziert:Werner Strauß: Wolfsburg – Aufbruch in die Zukunft, Kleine Stadtge-schichte, Teil 2, 1990-2005, Wolfsburg 2005.

6 Die Archivpädagogik kann heute auf eine über 20jährige Erfolgsge-schichte zurückblicken. Dem wegweisenden Plädoyer von Hans Boomsfür eine aktive Öffentlichkeitsarbeit folgten in den 70er und 80er JahrenAusstellungen, Unterrichtsmappen, die Einstellung der ersten Archiv-pädagogen sowie der Run von Schülern auf die Archive im Rahmen desSchülerwettbewerbs um den Preis des Bundespräsidenten. Nach fran-zösischen Vorbild („service éducatif“) boten immer mehr Archive einepädagogische Basisversorgung. Die Etablierung ist nicht zuletzt auchdem Engagement des „Arbeitskreises Archivpädagogik und historischeBildungsarbeit im VdA“ zu verdanken, der seine Arbeit seit 1999 regel-mäßig auf dem bundesdeutschen Archivtag vorstellt. Das Positionspa-pier der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städ-tetag weist Historische Bildungsarbeit heute ausdrücklich als integra-len Bestandteil der Aufgaben des Kommunalarchivs aus. Einen Über-blick über den archivpädagogischen Status Quo geben Lange und Lux.Vgl. Thomas Lange/Thomas Lux: Historisches Lernen im Archiv,Schwalbach/Ts. 2004.

7 Karl-Ernst Jeismann: „Geschichtsbewusstsein“ als zentrale Kategorieder Didaktik der Geschichtsunterrichts, in: ders.: Geschichte und Bil-dung, Paderborn 2000, S. 46-72.

8 Ebenda, S. 66.9 Ebenda.

10 Für die Wolfsburger Stadtgeschichte bietet sich z. B. in diesem Sinne diekontroverse öffentliche „Porsche-Diskussion“ als Übungsgegenstandan. Ratsprotokolle, Presseberichte, Broschüren und Leserbriefe gebenEinblick in Argumente und Wertungen und stecken breite Bereiche vonKonsens und Dissens ab.

11 Ebenda, S. 70.12 Mit diesem Hinweis spielt Jeismann auf die normative Rückbindung

einer Didaktik an, die sich um die Entwicklung von Geschichtsbewusst-sein bemüht, nämlich „Sie bedarf eines rechtsstaatlichen, demokratisch-pluralistischen Systems, das mit seinen Sicherungen gerade einen kon-troversen Umgang mit Geschichte verträgt oder geradezu verlangt unddie dogmatische Monopolisierung der Geschichtsdeutung... bereitsinstitutionell verhindert“. Ebenda, S. 72.

13 Nach Klafki muss Didaktik einerseits ideologiekritisch verfahren, umFormen falschen Bewusstseins aufzudecken. Didaktik darf anderseitsnicht bei der bloßen Kritik stehen bleiben, sondern muss als Wissen-schaft aus der Praxis für die Praxis durch konstruktive Entwürfe Wirk-lichkeit verändern. Wolfgang Klafki: Neue Studien zur Bildungstheo-rie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruk-tive Didaktik, Weinheim/Basel 1996, 5. Auflage.

344 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Förderung von Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs-und Solidaritätsfähigkeit. Fundament des Bildungsbegriffsist das klassische Aufklärungspostulat, das fordert, demunmündigen Menschen zur Mündigkeit zu verhelfen. AmEnde steht dann im Idealfall ein gesellschaftsverändernderEffekt – Einmischung also ausdrücklich erwünscht.14 ImArchivunterricht erfolgt die Umsetzung des reflexiv-kon-struktiven Didaktikanspruches mit Hilfe der Unterrichts-konzeption des „problemorientierten Unterrichts“ nachUwe Uffelmann.15 Diese Unterrichtskonzeption lehnt esgrundsätzlich ab, Fertigkost zu verabreichen; sie will dieLernenden historische Einsichten gewinnen lassen, zudenen sie durch eigenes Suchen und Forschen, durch pro-blembewusstes Erkennen gelangen. Entdeckendes Lernenist Unterrichtsprinzip.16 Der problemorientierte Unterrichtunterstreicht die Aufgabe des Archivs, die Handlungsfä-higkeit junger Menschen bewusst zu fördern, damit sieGeschichte selber denken können. Die Leitlinien der ein-gangs entfalteten Archivdidaktik streifen damit auch dasTerrain der Politikdidaktik. Eine neuere politikdidaktischeKonzeption liefert mit der „Didaktik der Selbstorganisati-on“ ein schlüssiges anwendbares Konzept auch für Lern-einheiten im Archiv, das an den problemorientiertenAnsatz anknüpft.17 Im Zentrum stehen das implizite Ler-nen und ein hoher Aktivitätsgrad der Lernenden. Lernenwird als weitgehend selbstorganisierter Prozess verstan-den, womit Fragestellungen zum methodischen Settingrelevant werden. Das historische Lernen im Archiv fordertvon der Findbuchrecherche bis zur Präsentation genaudiese selbstständige Suchbewegungen der Lernenden her-aus und transformiert die Initiative im Lernprozess auf dieLernenden. Exakt dies dient dem Leitziel politischer Bil-dung: „Wer die Verantwortung für sein Lernen und Nicht-Lernen übernimmt, handelt verantwortungsvoll gegen-über sich und anderen Menschen. Wer sich entscheidenlernt, ist auf dem Weg zur Mündigkeit“.18

Die Rolle des Archivars ist damit klar definiert: Er istImpulsgeber und Ermöglicher von Lernprozessen. DieSelbstorganisation der Lernenden lässt sich somit auchzum didaktischen Grundprinzip der Archivdidaktik erklä-ren.19

Das didaktische Primat in Wolfsburg

In Wolfsburg genießt der archivdidaktische Service einenhohen Stellenwert: Er ist Schwerpunktbereich und Kern-aufgabe. Das Archiv versteht sich demnach in erster Linieals Bildungszentrum und erfüllt von diesem Selbstver-ständnis her die traditionellen Aufgaben.

Die Erfolge dieses offensiven didaktischen Konzeptessprechen für sich: Besucherzahlen in Rekordhöhe, einZugangsboom im Bereich der Sammlungen und Nachläs-se, hohe Akzeptanz im Bildungsbereich (zeigt sich z. B. beider direkten Beteiligung an der Ausgestaltung des gymna-sialen Wahlpflichtbereichs „Kulturelle Bildung“), hoherBekanntheits- und Beliebtheitsgrad in der Öffentlichkeit(Profilierung als bürgernahe Kultur- und Bildungseinrich-tung; Publikumsmagnet), verwaltungsinterne (Sondermit-tel) und externe Fördermaßnahmen und Projektunterstüt-zung (Sponsoring, Stiftungen).

Als Ergebnis kann also ein enormer Imagegewinn kon-statiert werden, der vor dem Hintergrund immer knapperwerdender Ressourcen für die Daseinsberechtigung ganzfundamental ist. Kurzum: Das „didaktische Archiv“ ist inWolfsburg der Königsweg, der neben den Lernerfolgenauch Marketingeffekte mit sich bringt und die Attraktivi-tät der Kommune steigert. Die Arbeit des Stadtarchivs reihtsich so längst in die Oberziele der Stadt Wolfsburg ein(Wohlfühlstadt, Stadt der Bildung, familienfreundlicheStadt u.a.) und leistet einen gewichtigen Beitrag zur Stär-kung der Standortqualität. Nicht zu unterschätzen ist auchdie identitätsstiftende Wirkung. Insofern wurden in Wolfs-burg die Eckwerte des Positionspapiers der Bundeskonfe-renz (Historische Bildungsarbeit) bereits in Reinformat ver-wirklicht.

Der archivdidaktische Service

Das archivdidaktische Programm des Wolfsburger Stadtar-chivs umfasst zum einen den archivpädagogischen Serviceals Daueraufgabenbereich, zum anderen temporäre Projek-te und Veranstaltungen. Die Angebote gelten für alle Jahr-gangsstufen (d. h. von der ersten Grundschulklasse biszum Abi-Jahrgang) und für alle Schulformen. Dankens-werterweise wird das Angebot auch in dieser Breite ange-nommen. So betreuen wir im Durchschnitt ca. 2000 Schü-ler jährlich aus Grund-, Haupt-, Real-, Gesamtschulen undGymnasien. Derzeit sind alle Bildungsangebote für dieWolfsburger Schulen kostenlos. Die Workshops des Stadt-archivs können übrigens nicht nur von den lokalen Bil-dungsträgern, sondern darüber hinaus auch von auswär-tigen Schulklassen und damit bundesweit gebucht wer-den.20

14 Demokratische „Nebenwirkungen“ stellten sich z. B. nach einer Zeitzeu-genveranstaltung im Jahr 2000 mit ehemaligen Wolfsburger Jugendpar-lamentariern aus den 60er Jahren und aktiven Jugendparlamentariernaus Hessen ein. Unmittelbar nach der Veranstaltung riefen engagierteJugendliche das Wolfsburger Jugendparlament wieder ins Leben – nachdem historischen Vorbild und dem Input der Veranstaltung. Es ist bisheute aktiv.

15 Vgl. Uwe Uffelmann: Problemorientierter Unterricht. Grundlegungund Konzeption, Villingen-Schwenningen, 1990.

16 Ein detailliertes – zeitgeschichtliches – Unterrichtsbeispiel, das sich andem dreistufigen Problemlöseverfahren des problemorientierten Unter-richts orientiert, finden sich in der Publikation: „Ran an die Quellen“,siehe oben, Anmerkung 1, S.15–19.

17 Vater dieser neuen Konzeption ist Rolf Arnold. Vgl. dazu v. a. RolfArnold: Lebendiges Lernen – Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur,in: Michelle Neuland (Hg.): Schüler wollen lernen, Eichenzell 1995, S. 1–30.

18 Elmar Osswald: Gestalten statt verwalten. Die lebendige Schule undihre Schulleitung, in: Ruth Cohn und Christina Terfurth (Hg.): Leben-diges Lehren und Lernen, TZI macht Schule, Stuttgart 1993, S. 214–247, S. 222.

19 Vgl. auch Rolf Arnold und Thilo Harth: „Ermöglichung“ als Leitpa-radigma einer Didaktik der Selbstorganisation – zur impliziten Parado-xie und zum Bildungs- und Aufklärungspotenzial modernisierter beruf-licher Bildung, in: Harald Geißler, André Lehnhoff, Jendrik Petersen(Hg.): Organisationslernen im interdisziplinären Dialog, Weinheim1998, S. 305–321.

20 Im Rahmen des Reiseprogramms „Wolfsburg bildet! Angebote fürSchulgruppen“ (Initiative der Wolfsburg AG) haben alle deutschenGymnasien die Möglichkeit, das Wolfsburger Stadtarchiv auf einer Bil-dungsexkursion zu erleben. Auf diese Weise hatten wir im letzten JahrBesuch aus Bayern, NRW und Sachsen-Anhalt. Nähere Infos finden sichauf den Internetseiten der Wolfsburg AG, die auch den Download desKatalogs anbieten (www.wolfsburg-ag.de) oder auf der Homepage desBildungspartners b2edu (www.b2edu.de).

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 345

Der archivdidaktische Service umfasst verschiedeneModule und Cluster:

Basisangebot: „Abenteuer Archiv“ – Erlebnis-führung für Erstbesucher Bei diesem Basisprogramm gehen die Klassen auf Ent-deckungsreise und lernen sowohl die Tätigkeitsfelder desArchivs als auch die historischen Schatzkammern (Maga-zine) spielerisch – im Rahmen einer interaktiven Archivral-lye – kennen.

„Zeitreise Wolfsburg“ - Die Themen-WorkshopsDie Workshops sind das Herzstück der archivdidaktischenArbeit. Der zeitliche Rahmen reicht von einer Schulstundebis zu ganzen Projektdekaden. Neben zeithistorischen The-men steht die Geschichte des Schlosses Wolfsburg und derRegion zur Wahl.

In Abstimmung mit den Lehrkräften wird eine Unter-richtseinheit festgelegt, die sich sinnvoll mit den curricu-laren Inhalten und den vorhandenen Beständen in Bezie-hung setzen lässt. Neben inhaltlichen Komponenten wer-den in diesen Vorgesprächen auch bedingungsanalytischeFaktoren abgeklärt, wie z. B. altersspezifische Vorgaben,Lernvoraussetzungen usw. Der Ablauf der Workshops ori-entiert sich an dem oben aufgezeigten Schema des pro-blemorientierten Unterrichts. Abgestimmt auf die Jahrgän-ge werden ergänzend zur Arbeit mit den historischen Ori-ginalen auch kreative Handlings eingebaut. Am Ende jedesWorkshops steht eine Präsentation (Collage, Bericht, Sze-nische Darstellung, Videoclip, CD-ROM u.a.).21

„A casa a Wolfsburg“ – Interkulturelle Inter-viewprojekte In Wolfsburg gelten – auf Grund der jungen Historie –Interviews mit Zeitzeugen als eine der bevorzugten Metho-den der lokalen Geschichtsdokumentation.

Im didaktischen Programmbereich stehen vor alleminterkulturelle und intergenerative Zeitzeugenprojektehoch im Kurs. Rund um die Frage „Was bedeutet Heimat?“befragten etwa in den vergangenen zwei Jahren rund 200Schüler ihre Eltern, Großeltern und Bekannte, um die sub-jektiven Erfahrungen der Migration und die eigenen Fami-liengeschichten aufzuzeichnen. Interviewt wurden italieni-sche Gastarbeiter (mit rund 5.500 Einwohnern heute diegrößte Ausländergruppe) und Spätaussiedler. Die Ergeb-nisse mündeten in Ausstellungen (Hörporträts) undErzählcafés, die gemeinsam mit dem Stadtteilbüro Westha-gen veranstaltet wurden. Darüber hinaus werdenGeschichtskurse direkt in archivische Dokumentations-projekte mit eingespannt, so aktuell in das Projekt „Wolfs-burger Wegbereiter“, das bedeutende Persönlichkeiten derZeitgeschichte mit Schülern des Ratsgymnasiums zusam-menbringt. Ziel dieses Vorhabens ist es, stadthistorischeEtappen als erinnerte Geschichte zu rekonstruieren undspäter in multimedialen Montagen aus Erzählungen, Tex-ten und Bildern auf CD-ROM darzustellen.

Facharbeiten, Referate, Hausarbeiten, Hausauf-gabenbetreuungErgänzend zu der Einzelbetreuung von Schülern bei Refe-raten, Hausarbeiten und Hausaufgaben hat das Archiv inKorrespondenz mit den Wolfsburger Gymnasien einbesonderes Programmangebot entwickelt: Einmal im Jahrhat ein Leistungskurs die Möglichkeit, das Leistungspaket„Facharbeit exklusiv“ zu buchen, das lokales Forschungs-desiderat aufgreift und mit speziellen Serviceleistungenverbunden ist (z. B. flexible Öffnungszeiten, „Zitierschule“).

21 Auf Anfrage werden Workshops auch für erwachsene Besuchergruppenkonzipiert. Von dieser Möglichkeit machen vor allem gewerkschaftlicheBildungsträger (Arbeit & Leben), der Seniorenring (AG Kultur) und dieregionalen Heimatpfleger (Braunschweiger Landschaft e.V.) Gebrauch.

Videoclip:Zeitreise durch die Schlossgeschichte

346 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Arbeitskreis „Archiv und Schule“Im Arbeitskreis „Archiv und Schule“ steht die Erarbeitungvon Materialmappen im Mittelpunkt. Methodisch-didak-tisch aufbereitete Quellen, Aufgaben, Arbeitsaufträge undInfotexte sollen die Nutzung verschiedener Themen – z. B.Alltag in der „Stadt des KdF-Wagens“ (1938-1945),Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion (1939-1945),Wolfsburg in der britischen Besatzungszeit (1945-1949) – inden Workshops sowie im Geschichtsunterricht erleichtern.Mitglieder des Arbeitskreises sind Lehrer und Studienre-ferendare.

Fortbildungen Das Stadtarchiv bietet regelmäßig Lehrerfortbildungen an,in denen die Verwendbarkeit von Archivalien sowie allge-mein die Bedeutung des Archivs als außerschulischer Lern-ort aufgezeigt wird. Die Lehrerfortbildung ist keinesfallsauf das Klientel der Geschichtslehrer beschränkt, sondernspricht immer auch gezielt andere Fachrichtungen mit an(Geographie, Kunst, Deutsch, Fremdsprachen, Biologie).Die fächerübergreifende Fortbildung soll deutlich machen,dass das Archiv „Inhalte satt“ bietet und eben viel mehr istals nur eine Geschichtsfundgrube. Um die Möglichkeitender Archivarbeit zu verbreitern, ist das Stadtarchiv einedauerhafte Verbindung mit dem Studienseminar Wolfs-burg eingegangen, das in den Archivräumen regelmäßigFachseminare sowie auch die pädagogischen Seminareabhält und die Studienreferendare als Multiplikatorenpositioniert.

„Geschichte in Bewegung“: Kreativangeboteund Ferienspiele Einen weiteren zentralen Baustein im archivdidaktischenService bilden die Kreativprogramme, die insbesondere diejüngeren Jahrgängen ansprechen und auf Indoor- undOutdoor-Mitmachangebote setzen (Grundschule und Sek.I). Dieser Programmteil umfasst drei Module:1. „Archiv mobil“ umfasst vor allem Aktivitäten, die im

Stadtgebiet durchgeführt werden und die Stadt alsGeschichtsraum erfahrbar machen. Auf dem Programmstehen z. B. stadthistorische Rallyes, Gedenkstätten-Exkursionen, Fotoexpeditionen oder auch trendigeStadtführungen auf Inlinern.

2. Wappenmalerei, Siegeldruck, Rollenspiele, Kostümie-rungen, Scriptorium und Videoproduktionen sind unter„Archiv kreativ“ zusammengefasst. Inhaltlich gruppie-ren sich die Kreativangebote meist um ein konkreteshistorisches Ereignis, an dem lokale und allgemeineGeschichte lebendig werden kann: z. B. um den Wolfs-burger Toleranzvertrag aus dem Jahr 1555, der als Vor-läufer für den Augsburger Religionsfrieden gilt.

3. „Archiv online“ bietet Internetprojekte, Unterstützungbei multimedialen Wettbewerben (n-21), Recherchemög-lichkeiten/Referatshilfen, Schulungen und Fortbildun-gen.Darüber hinaus haben Schulen die Möglichkeit, das

„Rollende Archiv“ zu buchen. Hier besuchen wir miteinem „Archivkoffer“ die Schulen und präsentieren imRahmen einer Schulstunde Schätze aus dem Archiv (Ori-ginale oder faksimilierte Archivalien, Fotos, Pläne).

In den Sommerferien bietet das Archiv spezielle Ferien-spiele für Kids im Alter von 7 bis 17 Jahren an, die entwe-der im Archiv, im Schloss oder in der Stadt stattfinden. 2006

stehen Zeichenworkshops auf dem Klieversberg,Geschichts-Picknicks im Goethepark, Fahrradtouren amMittellandkanal, historische Schnitzeljagden in den„Höfen“ (Wolfsburger Altstadt) auf der Tagesordnung.

Insbesondere der Kreativbereich macht den Spielraumfür unkonventionelle Vermittlungsformen im Archiv deut-lich. Er macht vielleicht auch den eher pädagogischzurückhaltenden Kollegen Mut und Lust, mal den ein oderanderen unkonventionellen Schritt zu wagen, didaktischeMöglichkeiten zu entdecken und neue Partnerschafteneinzugehen. Andere Geschäftsbereiche, Gruppen und Ver-einigungen sind erfahrungsgemäß nahezu immer zumMitmachen zu bewegen.22 Nirgendwo ist der Spielraum fürVernetzung und Öffentlichkeitsarbeit so groß wie imArchiv und „nichts ist unmöglich“!.

Projekte und Veranstaltungen

Der zweite große Bereich der Bildungsarbeit bezieht sichauf öffentlichkeitswirksame Groß-Projekte, Events undVeranstaltungen, die sich auch wieder an alle Schulklassenund -formen richten, aber nur temporär, sozusagen alsHighlights durchgeführt werden.

Sechs Beispiele sollen die thematische und methodischeVielfalt dieses Bereichs erläutern, der mit wechselndenPartnern und Sponsoren aus Kultur, Sport und Wirtschaftausgestaltet wird:

„Geschichte entdecken“: Schülerwettbewerb zurStadtgeschichteNach dem Vorbild des bundesdeutschen Geschichtswett-bewerbs der Körber-Stiftung schreibt das Stadtarchiv bien-nal einen lokalhistorischen Schülerwettbewerb aus. The-men wie „Wilde Zeiten?: Wolfsburgs Jugend in den Sixties“oder „Schlossgeschichte(n)“ motivierten bisher über 1000Schüler zur Teilnahme. Die Spurensucher präsentieren ihreErgebnisse in Collagen, Hörspielen, CD-ROMs, Filmen,Broschüren, Objekten u. v. m. Höhepunkt ist die feierlichePreisverleihung im Schloss Wolfsburg und Prämierungdurch den Oberbürgermeister.

Ost-West-BegegnungsprojekteFest verankert sind Ost-West-Begegnungsprojekte, die imRahmen der offiziellen Festveranstaltungen der Stadt prä-sentiert werden. Anlässlich des zehnten Jahrestages desMauerfalls boten Schüler aus Halberstadt und Wolfsburgam „Tag der deutschen Einheit“ eine multimediale Präsen-tation auf zwei Großleinwänden, in der die jeweiligen Ein-drücke vor- und gegenübergestellt wurden. Dargebotenwurden Momentaufnahmen deutscher Geschichte: Zitatevon Prominenten zur deutschen Einheit, Texte zurGeschichte der Einheit und Filmporträts mit den Stimmenvon Bürgern. Gemeinsam, nicht nach „Ost“ und „West“getrennt standen die Schüler schließlich auf der Bühne undfragten laut ins Publikum: „Sehen Sie einen Unterschied?“.

22 Vor zwei Jahren führte das Fanprojekt Wolfsburg z. B. ein mehrmonati-ges Rechercheprojekt im Stadtarchiv durch. Die jugendlichen Fußball-fans arbeiteten sich mit Elan in die Bestände ein, durchforsteten amLesegerät die Pressedokumentation und erstellten eine Vereinschronikfür den Internetauftritt des VfL.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 347

Am 3. Oktober 2005 inszenierten 80 Jugendliche ausStendal und Wolfsburg unter der Regie des Stadtarchivseine lebendige Geschichtsrevue, die unter dem Titel „Wur-zeln und Visionen“ Highlights aus der Stadtgeschichte bei-der Städte nach 1945 szenisch gegenüberstellte.

Kindermusical zur SchlossgeschichteEin außergewöhnliches Geschichtsprojekt gab es 2002. EinJahr lang übte die Geschichtswerkstatt mit einer drittenGrundschulklasse ein Musical zur Schlossgeschichte ein.Die Eigenproduktion, die sich auf Episoden aus derSchlossvergangenheit bezog, bot ein geschichtliches Lehr-stück der anderen Art – leicht, lebendig, mit originellenDialogen und jungen Darstellern, die Spaß an der Reise indie Schlossvergangenheit hatten.

Werkstattausstellungen und DiskussionsforenDas Stadtarchiv Wolfsburg realisiert in Zusammenarbeitmit Schulen, Institutionen und Initiativen Werkstattausstel-lungen, in denen die Besucher gefordert sind, mitzugestal-ten, zu verändern, mitzumachen. Ausstellungsbegleitendwerden Diskussionsforen, Lesungen und Symposien ver-anstaltet.

Fotowettbewerb „Visions of Kids“Einen Schritt in die Zukunft ging das Stadtarchiv Wolfs-burg – gesponsert von der Wolfsburg AG, der AutostadtGmbH und dem VfL Wolfsburg - mit dem Schülerfotowett-bewerb „Visions of Kids“ 2004, der Kinder und Jugendli-che aufforderte, das neue Wolfsburg zu erkunden und denStrukturwandel der Stadt fotografisch einzufangen. Einefachkundige Jury wählte aus über 1000 eingereichten Fotosdie 12 besten Aufnahmen aus, die in einem Schuljahreska-lender veröffentlicht wurden.

2006 geht der Fotowettbewerb mit dem Motto „I ❤WOB“ in die zweite Runde.

Geschichtsfeste und „Action-Tage“Mehrfach jährlich finden Action-Tage statt, die mit denübrigen „Hausbewohnern“ der Goetheschule aktiv gestal-tet werden (u.a. am „Tag der Archive“). In Kooperation mitder Städtischen Musikschule, den Pfadfindern und demHeilpädagogischen Kindergarten werden „Geschichtsfe-ste“ mit zahlreichen Mitmachaktionen gefeiert (z. B.Archivkino mit Popcorn, historische Hochsteckfrisuren,Fotoshoots in historischen Kostümen, Tast- und Sinnes-spiele – „Archiv im Dunkeln“).

Sonderaufgabenbereich: Dokumentation über die Opfer der nationalsozialisti-schen Gewaltherrschaft

Auf Grund der besonderen Entstehungsgeschichte ist die„Dokumentation über die Opfer der nationalsozialisti-schen Gewaltherrschaft“, die im Stadtmuseum SchlossWolfsburg integriert ist, dem Aufgabenbereich des Stadt-archivs zugeordnet.

Die Dokumentation definiert sich als Lernort, an demsich Erinnerungs-, Forschungs- und politische Bildungsar-beit miteinander verbinden. Bei der Bildungsarbeit stehendialogorientierte Führungen und offene Lernformen imMittelpunkt. Hierfür hat das Stadtarchiv Materialien fürdie Schulen erarbeitet, so unter anderem einen pädagogi-schen Ausstellungskatalog, der die handlungsorientierteAneignung der Dauerausstellung ermöglicht. Künftig wirddie Dokumentation um künstlerische Aspekte erweitert,was neue Wege in der Gedenkstättenpädagogik eröffnet.Die geplante dauerhafte Installation der Frottagen desKünstlers Prof. Andreas von Weizsäcker ermöglicht dieAuseinandersetzung mit dem Thema „Geschichte undihre Gestalt“ und soll von gestalterischen Workshops undSommerakademien begleitet werden.

Kostümanprobe:Szenisches Spiel in derSchlossremise

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Schlussbemerkung

Das Wolfsburger Beispiel zeigt, dass der „didaktischeWeg“ zum Benutzer bisher ungenutztes Potenzial fördernund das Image des Archivs nachhaltig positiv beeinflussenkann.

Archivdidaktik dieser Art ist kein oberflächliches Spek-takel, sondern fördert mit theoretischer Fundierung reflek-tiertes Geschichtsbewusstsein, Handlungskompetenz undMündigkeit.

Hemmschwellen zum Betreten des Archivs gibt es keinemehr, ganz im Gegenteil: das Wolfsburger Archiv ist einbeliebter Treffpunkt, der täglich aufs Neue ein breitesPublikum für Geschichte begeistert und „Lust an Ent-deckungen“ macht.

1 Gegen eine Ausweitung pädagogischer Angebote und eine Orientierungan den sog. archivischen Kernaufgaben sprachen sich u. a. WilfriedSchöntag und Hans-Wilhelm Eckardt aus; vgl. Wilfried Schöntag,Der Auswertungsauftrag der Archive – Fragen aus staatlicher Sicht, in:Der Archivar 47 (1994) Sp. 45-53; Hans-Wilhelm Eckardt, Kern undSchale. Überlegungen zu den Aufgaben eines zeitgemäßen Archivs, in:Hans-Wilhelm Eckardt, Klaus Richter (Hrsg.), Bewahren und Berich-ten. Festschrift für Hans-Dieter Loose zum 60. Geburtstag, Hamburg1997, S. 27-52; gegenläufige Äußerungen bei Norbert Reimann, Pflichtund Kür? Zum Verhältnis von archivischen Kernaufgaben und Auswer-tungsauftrag der Kommunalarchive, in: Archivpflege in Westfalen undLippe 39 (1994) S. 1-6; Ernst Otto Bräunche u. a., Auf dem Weg insAbseits? Zum Selbstverständnis archivarischer Tätigkeit, in: Der Archi-var 48 (1995), Sp. 433-446; Volker Schockenhoff, Historische Bildungs-arbeit – Aperçu oder „archivische Kernaufgabe“. Die gegenwärtige Dis-kussion um die zukünftige Rolle öffentlicher Archive, in : Günther Roh-denburg (Hrsg.), Öffentlichkeit herstellen – Forschen erleichtern, Ham-burg 1998, S. 15-26.

2 Aus der umfangreichen Literatur seien hier stellvertretend genannt:Thomas Lange, Geschichte – selbst erforschen: was Archive undGeschichtsunterricht miteinander zu tun haben (können), in: ThomasLange (Hrsg.), Geschichte – selbst erforschen. Schülerarbeit im Archiv,Weinheim, Basel 1993; Maria Würfel, Erlebniswelt Archiv. Eine archiv-pädagogische Handreichung, Stuttgart 2000, insbes. S. 17-23; BirgitSchneider-Bönninger, „Ran an die Quellen“: Theorie und Praxis derArchivdidaktik – Das Wolfsburger Modell, Wolfsburg 2005 (betont vorallem die emanzipatorischen Ziele der Archivdidaktik).

Archivpädagogik ohne Archivpädagogen? – Neue Wege der kulturellen Jugendbildungim Staatsarchiv LudwigsburgVon Peter Müller und Elke Koch

Seit nunmehr über zwanzig Jahren zählen Schulen zu denZielgruppen, die Archive im Rahmen ihrer Vermittlungs-arbeit anzusprechen versuchen. Das Spektrum archivpäd-agogischer Aktivitäten reicht dabei – je nach Größe undPhilosophie der Archive – von der Publikation regional-und lokalgeschichtlicher Quellensammlungen für Unter-richtszwecke und der Erarbeitung von Unterrichtsmodel-len über Führungen durch das Archiv und Archivausstel-lungen bis hin zur Begleitung von schulischen Projektenund der Unterstützung von Teilnehmern an Geschichts-wettbewerben. In der letzten Zeit ist unter den Vorzeichenknapper finanzieller Ressourcen zwar über Art undUmfang der historischen Bildungsarbeit in den Archivenverschiedentlich kontrovers diskutiert worden1, generell inFrage gestellt wird aber heute nicht mehr, dass Schülerin-nen und Schüler durch archivische Vermittlungsangeboteangesprochen werden sollten.

Weitgehend Konsens herrscht unter den Archiven, diesolche Angebote offerieren, auch über die methodischenund inhaltlichen Ziele, die mit der archivpädagogischenArbeit verfolgt werden. So gehen praktisch alle Archivpäd-agogen davon aus, dass Schüler über das Archiv an regio-nal- und lokalgeschichtliche Themen herangeführt werdenkönnen und damit mit Unterrichtsstoffen in Berührungkommen, denen man einen engeren Bezug zu Alltagserfah-rungen und Lebenswelt der Kinder und Jugendlichenunterstellt. Durch den engeren lebensweltlichen Bezugsowie über die unmittelbare Begegnung mit authentischenGeschichtszeugnissen an einem Lernort außerhalb der

Schule glaubt man überdies eine Motivationssteigerungerreichen zu können. Durch Unterrichtseinheiten imArchiv können die Schülerinnen und Schüler schließlichErfahrungen im Umgang mit Primärquellen machen,Methoden und Fragestellungen der wissenschaftlichenForschung wie Quelleninterpretation und Quellenkritikkennen lernen und so leichter ein Bewusstsein von derRelativität und Unabgeschlossenheit historischer Erkennt-nisse entwickeln. In idealer Weise lassen sich an einemaußerschulischen Lernort wie dem Archiv gerade im FachGeschichte moderne handlungsorientierte und selbstorga-nisierende Lernformen wie das entdeckende und forschen-de Lernen praktizieren, von denen sich die Pädagogennicht nur eine bessere Vermittlung kognitiver Inhalte ver-sprechen, sondern die sie zudem für geeignet halten, umfachübergreifende Kompetenzen wie Dialog- und Diskurs-fähigkeit, die Fähigkeit zu Teamarbeit und Selbstorganisa-tion und Selbstverantwortung zu entwickeln.2

Hing die Einbeziehung außerschulischer Lernorte inden Unterricht bislang weitgehend vom Engagement deseinzelnen Lehrers oder – bei Geschichtswettbewerben –auch vom Interesse der Schüler ab, so findet diese Lern-form im Zuge der Umgestaltung der Curricula in der letz-ten Zeit immer häufiger Eingang in Bildungs- und Lehrplä-ne und erhält damit eine neue Verbindlichkeit als schuli-sches Lehrangebot. Im Kontext der allgemeinen Diskussi-on über die Einführung von Ganztagsschulen wird eben-falls eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulen undaußerschulischen Einrichtungen gefordert. Von der Einbe-ziehung von Aktivitäten außerhalb der Schule versprichtman sich einen Beitrag zur Entwicklung der Kinder undJugendlichen zu umfassenden, nicht zuletzt kulturell gebil-

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deten Persönlichkeiten.3 Angesichts sich ständig beschleu-nigender Veränderungsprozesse in der Lebenswirklichkeitgeht es dabei auch darum, Grundsteine für einen lebens-langen Lernprozess zu legen, in dem Orten sekundärenLernens, wie Museen und kulturelle Einrichtungen, wach-sende Bedeutung zukommt.4 Es ist deshalb konsequent,wenn auch in den Studienplänen der Lehramtsstudiengän-ge der Besuch von Einführungen in die pädagogischeArbeit an Lernorten außerhalb der Schule für angehendeLehrer zunehmend verbindlich gemacht wird.

Für das Anliegen der Archivpädagogik sind von diesenEntwicklungen positive Impulse zu erwarten. Allerdingswerden diese durch gegenläufige Tendenzen teilweise kon-terkariert. So ist angesichts der angespannten Haushalts-lage derzeit eine nachlassende Bereitschaft der Kultusver-waltungen zu konstatieren, Lehrer für eine pädagogischeTätigkeit an außerschulischen Lernorten abzustellen; teil-weise werden bestehende Deputate etwa von Archivpäd-agogen gekürzt.5 Da auch die öffentlichen Archive mehroder weniger starken Mittelkürzungen ausgesetzt sind,bleibt zu fragen, ob und gegebenenfalls wie archivpäda-gogische Aktivitäten ohne – haupt- oder nebenamtlichabgeordnete – Archivpädagogen organisiert werden kön-nen und wie solche archivpädagogischen Angebote ausse-hen sollten.

Bevor – aufbauend auf Erfahrungen im LandesarchivBaden-Württemberg (Abteilung Staatsarchiv Ludwigs-burg) – mögliche archivpädagogische Angebote unter denbeschriebenen Rahmenbedingungen vorgestellt werden,gilt es zunächst eine Bestandsaufnahme der derzeitigenPraxis zu versuchen.

Zum Stand der Archivpädagogik

Wenn Archivare oder Archivpädagogen sich Gedankenmachen über Sinn und Zweck von archivischen Angebo-ten für Kinder und Jugendliche, so geschieht dies nahezuausschließlich aus dem Blickwinkel des SchulfachsGeschichte. Nun wird niemand bezweifeln, dass Archive

als außerschulische Lernorte in den Schulunterricht inte-griert werden können. Dass derzeit bei vielen Kulturein-richtungen insgesamt verstärkt darüber nachgedacht wird,wie die kulturelle Jugendbildung intensiviert werden kannund welchen Beitrag die eigene Einrichtung auch außer-halb des engeren schulischen Kontexts dazu leisten kann,wird unter Archivaren bislang freilich nur am Rande,wenn überhaupt wahrgenommen. Erinnert sei nur in die-sem Zusammenhang an die Ausweitung der Angebote fürKinder in Museen und anderen Kultureinrichtungen, wiesie in den letzten Jahren zu beobachten ist.6 Unabhängigvon den Rahmenbedingungen, die durch die Schul- undBildungspläne gesetzt werden, sollten Archivare daherverstärkt deutlich zu machen versuchen, welche – durch-aus fächerübergreifenden – Lernziele durch den Besuch ineinem Archiv vermittelt werden können.

Im Mittelpunkt der archivpädagogischen Arbeit stehtzumindest in den Archiven, die über einen eigenen Archiv-pädagogen verfügen, die Betreuung von lokal- und regio-nalhistorischen Projekten, also Formen historischen Ler-nens, in deren Zentrum das Einüben in die Arbeit mitGeschichtsquellen steht.7 Gefördert werden sollen durchsolche Angebote vor allem kognitive und methodischeFähigkeiten. Die in den einschlägigen archivpädago-gischen Veröffentlichungen immer wieder als Charakteri-stikum eines Archivbesuchs ins Feld geführte sinnlicheKomponente in Form des unmittelbaren Kontakts mitauthentischen Geschichtszeugnissen spielt dabei eher amRande eine Rolle und gerät bei der mit größeren Gruppenvielfach praktizierten Arbeit mit Kopien allzu leicht in Ver-gessenheit. Vom normalen Geschichtsunterricht unter-scheidet sich die Arbeit im Archiv dann oft nur durch denInhalt der herangezogenen Quellen.

Die archivpädagogischen Angebote haben überwiegendeinen wissenschaftspropädeutischen Charakter und rich-ten sich deshalb in erster Linie an Schüler der gymnasia-len Oberstufe (Sekundarstufe II), teilweise auch an Studie-rende. Andere Altersgruppen und Schularten werden eherselten betreut8; auch in der Fachdiskussionen kommen sienur am Rande vor. Hier unterscheiden sich die Angeboteder Archive deutlich von denen der Museen, die – wennsie museumspädagogische Veranstaltungen anbieten – inder Regel zumindest auch Schülerinnen und Schüler derSekundarstufe I ansprechen; zunehmend zu beobachten istin diesen Einrichtungen in jüngster Zeit aber auch eineAusweitung der Angebote für die Primarstufe.

Der wissenschaftspropädeutische Charakter bereitet inerster Linie auf eine Nutzung der Archive für Zwecke vonWissenschaft und Forschung vor. Dass Archive, zumindestseit es Archivgesetze gibt, von jedem Bürger, der einberechtigtes Interesse hat, als Informationsquelle genutztwerden können, dass ein Rechtsanspruch auf den Zugang

3 Vgl. etwa Ina Bielenberg, Schule und Jugendkulturarbeit in Koopera-tion – „Checkliste“ für die gelingende Zusammenarbeit, Vortrag gehal-ten auf der BKJ Werkstatt-Tagung „Ganztagsschulen – zukunftsfähigmit Kunst und Kultur“ am 27. Mai 2002 in Remscheid, www.bkj-rem-scheid.de. In größerem Zusammenhang Max Fuchs, Kulturpädagogikund Schule im gesellschaftlichen Wandel. Alte und neue Herausforde-rungen für die Theorie und Praxis von Bildung und Erziehung – Ein Ver-such (Remscheider Arbeitshilfen und Texte – Schriftenreihe der Akade-mie Remscheid), Remscheid 2005, insbes. S. 117 ff.

4 Vgl. dazu zusammenfassend Hartmut John, Jutta Thinesse-Demel(Hrsg.), Lernort Museum – neu verortet! Ressourcen für soziale Integra-tion und individuelle Entwicklung. Ein europäisches Praxishandbuch,Bielefeld 2004 sowie Peter Faulstich (Hrsg.), Öffentliche Wissenschaft.Neue Perspektiven der Vermittlung in der wissenschaftlichen Weiterbil-dung, Bielefeld 2004; auch David Anderson, Participation attracts: par-ticipation binds, in: Beatrix Commandeur, Dorothee Denner (Hrsg.),Event zieht – Inhalt bindet. Besucherorientierung von Museen auf neuenWegen, Bielefeld 2004, S. 19-27, insbes. S. 22; Wolfgang Nahrstedt,Interesse wecken – Kompetenz entwickeln: Lernen in Erlebniswelten, in:Commandeur, Dennert (wie oben), S. 29-38, insbes. S. 32 f.; um-fassend Heide Behrens, Paul Ciupke, Norbert Reichling, Neue Lernarrangements in Kultureinrichtungen, Essen 2002.

5 Zu den problematischen Rahmenbedingungen archivpädagogischerArbeit u. a. Günther Rohdenburg: „... sowohl historisch als auch päd-agogisch, didaktisch und archivarisch qualifiziert...“ Zur Geschichte derArchivpädagogen als Mitarbeiter der historischen Bildungsarbeit anArchiven, in: Der Archivar 53 (2000), S. 229.

6 Einige dieser Initiativen werden vorgestellt in Karin von Welck, Mar-garete Schweizer (Hrsg.), Kinder zum Olymp! Wege zur Kultur fürKinder und Jugendliche, Köln 2004.

7 Dies belegt auch die zwischenzeitlich außerordentlich ansehnliche Zahlvon Veröffentlichungen über Unterrichtsmodelle; vgl. dazu die Biblio-graphie von Günther Rohdenburg, Literaturübersicht zur Archivpäd-agogik und zur archivbezogenen historischen Bildungsarbeit in derBundesrepublik Deutschland (Stand: November 2005), veröffentlichtauf http://www.archivpaedagogen.de.

8 Zu einigen der wenigen Ausnahmen vgl. Stefan Schröder, Grundschul-kinder im Archiv am Beispiel des Stadtarchivs Greven. Überlegungenzu einem vernachlässigten Bereich historischen Lernens, in: GrevenerGeschichtsblätter 3 (2005) S. 33-39; Birgit Schneider-Bönninger (wieAnm. 2), S. 21-27.

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zu Archivgut besteht, gerät dabei leicht außer Blick. Demvon Archivpädagogen allerdings bislang nur vereinzeltgeforderten Ziel, durch archivpädagogische Angebote einbreites Publikum mit den „archivischen Menschenrech-ten“, wie das in der Französischen Revolution erstmals derAllgemeinheit gewährte Aktenzugangsrecht gernebezeichnet wird, vertraut zu machen9, kommt man damitschwerlich näher. Durch die starke Fokussierung derArchivpädagogik auf die gymnasiale Oberstufe bestehtsogar die Gefahr, dass traditionell bestehende Zugangsbar-rieren zementiert werden und damit bestimmte Bevölke-rungsschichten von dem Wissen um die ihnen rechtlichzustehenden Informationsmöglichkeiten ausgeschlossenbleiben. Dabei müsste es in einer Informationsgesellschaft,in der als ein wesentliches Lernziel die Fähigkeit angese-hen wird, sich Informationen beschaffen und diese hin-sichtlich ihrer Qualität bewerten zu können, ein Anliegensein, solche Barrieren abzubauen. Darüber hinaus wird miteiner solch elitären Haltung weniger gebildeten sozialenSchichten auch die Möglichkeit genommen, mit einer fürdas kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft überaus wich-tigen Art von Kulturgut in Kontakt zu kommen und einGefühl dafür zu entwickeln, dass die Pflege des histori-schen Erbes in Gestalt von Schriftzeugnissen zu den ele-mentaren Anliegen eines jeden Gemeinwesens gehört.10

Es überrascht angesichts des Gesagten wenig, wenn dieReichweite der archivpädagogischen Angebote – trotz derin der Literatur immer wieder beschworenen Bedeutung,die der Begegnung mit authentischen Geschichtszeugnis-sen im Rahmen des Geschichtsunterrichts zukommen soll-te – bis heute vergleichsweise gering geblieben ist. Zwarnimmt sich die Anzahl der Schüler, die sich am Geschichts-wettbewerb des Bundespräsidenten beteiligt und in die-sem Zusammenhang vielfach auch Archive konsultierthaben, auf den ersten Blick beachtlich aus.11 Trotzdem han-delt es sich dabei selbstverständlich nur um einen kleinenAusschnitt derjenigen Schülerinnen und Schüler, dieGeschichtsunterricht genossen haben. Das Gros der Kinderund Jugendlichen wird im Laufe seiner Schulzeit nie –auch nur im Rahmen einer Führung – in Kontakt mit einemArchiv getreten sein. So werden selbst in Archiven, dieüber einen Archivpädagogen verfügen, pro Jahr allerhöch-stens einige Hundert Schüler betreut.12 Im Vergleich mit

den Besucherzahlen der Museen ist dies wenig. So hat dasHaus der Geschichte Baden-Württemberg in den erstendrei Jahren seines Bestehens fast 400.000 Besucher undmehr als 5.500 Führungen gezählt; davon entfiel etwa einDrittel auf Schülergruppen.13 Der museumspädagogischeDienst der Stadt Stuttgart, der Projekte in verschiedenenStuttgarter Museen anbietet, hat im Jahr 2005 immerhin25.000 Kinder und Jugendliche betreut.14 Nun wäre essicherlich vermessen, der Reichweite der pädagogischenAngebote der Museen, die traditionell einen sehr viel grö-ßeren Publikumszuspruch erfahren als die meisten Archi-ve, nacheifern zu wollen. Konstatiert werden muss aller-dings, dass der vielfach beschworenen Bedeutung desArchivs als außerschulischem Lernort derzeit offensicht-lich noch keine adäquate Nachfrage gegenüber steht.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Dass Archive wieaußerschulische Lernorte in den Lehrplänen lange Zeitkeine Erwähnung fanden, erklärt sicherlich das Unwissenund die Zurückhaltung vieler Lehrer.15 Allerdings bleibt zufragen, wieso andere außerschulische Lernorte wie histo-rische Museen schon seit längerem sehr viel mehrZuspruch erfahren als Archive. Vermutlich gelten sie ebendoch eher als Orte, an denen Lernerfahrungen gemachtwerden können, als Archive. Immerhin zeichnen sich beider Lehrplangestaltung seit einiger Zeit Veränderungen ab.In den neu konzipierten Bildungsplänen des LandesBaden-Württemberg wird zwischenzeitlich in allen Klas-senstufen die Vermittlung lokal- und regionalhistorischerThemen verlangt.16 In der Sekundarstufe I ist sogar voneiner Einbeziehung des Archivs als außerschulischemLernort ausdrücklich die Rede.17

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass sich Projektar-beit, wie sie im Mittelpunkt der Archivpädagogik steht,nur sehr schwer mit dem starren Korsett einer Unterrichts-organisation im 45-Minutentakt vereinbaren lässt. Ent-sprechend sind archivpädagogische Aktivitäten häufig nurim Rahmen von Projekttagen zu realisieren. Besondersengagierte Lehrkräfte widmen für Archivbesuche manch-mal sogar Wandertage um. Auch hier gilt es allerdings fest-zuhalten, dass sich die Situation bei Museumsbesuchen inder Regel nicht viel anders darstellt.

Als Begründung für fehlende archivpädagogischeAngebote wird von vielen kleineren Archiven auch diemangelnde räumliche Infrastruktur ins Feld geführt. Wokaum Platz für Archivbenutzer zur Verfügung steht, wirdsich nur schwer eine ganze Schulklasse unterbringen las-sen. Freilich fehlt es auch in besser ausgestatteten Archiven

9 So zum Beispiel Stefan Hofbauer, Archive und Schule aus der Sichteines Geschichtslehrers, in: Archive in Bayern 1 (2003), S. 319-330.

10 Zur sinkenden Teilhabe niedrig gebildeter Schichten an kulturellenAngeboten insgesamt und den sich daraus ergebenden Anforderungenan die Kulturvermittlung vgl. Birgit Mandel: Kulturvermittlung. Zwi-schen kultureller Bildung und Kulturmarketing, in: dies. (Hrsg.), Kul-turvermittlung zwischen kultureller Bildung und Kulturmarketing.Eine Profession mit Zukunft, Bielefeld 2005, S. 12-21.

11 Zu den Erfahrungen von Wettbewerbsteilnehmern vgl. WolfgangJacobmeyer, Schülererfahrungen bei der Spurensuche im Archiv, in:Archive und Forschung. Referate des 73. Deutschen Archivtages 2002 inTrier (Beiband 8 der Zeitschrift Der Archivar), Siegburg 2003, S. 365-376.

12 Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt liegt die Zahl der jährlich betreu-ten Schüler – nach den im Internet publizierten Jahresberichten – zwi-schen 300 und 450 (ca. 20 bis 30 Gruppen). Eine ähnlich hohe Besucher-frequenz weist das Staatsarchiv Bremen auf; vgl. Günther Rohden-burg, „...sowohl historisch als auch pädagogisch, didaktisch und archi-varisch qualifiziert...“ Zur Geschichte der „Archivpädagogen“ als Mit-arbeiter der historischen Bildungsarbeit an Archiven, in: Der Archivar 53(2000) S. 225. Eine vergleichsweise beachtliche Reichweite erzielen diearchivpädagogischen Angebote des Stadtarchivs Wolfsburg, das jährlichca. 2000 Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen und Schulartenbetreut. Allerdings gehören zum Repertoire dieses Archivs auch stadt-geschichtliche Veranstaltungen, die keinen unmittelbaren Bezug zumArchiv bzw. Archivalien beinhalten; vgl. dazu Birgit Schneider-Bön-ninger (wie Anm. 2), S. 21.

13 Die Angaben sind der Homepage des Hauses der Geschichte entnom-men; www.hdg-bw.de.

14 Zu dem Angebot zuletzt Tobias Beck, Lebendiges Lernen vor großenWerken. Wie der Museumspädagogische Dienst Kindern Kunst vermit-telt, in: Stuttgarter Zeitung vom 03.01.2006.

15 Vgl. dazu zusammenfassend Dieter Klose, Archive in den schulischenCurricula der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Archive am Beginndes 3. Jahrtausends – Archivarbeit zwischen Rationalisierungsdruckund Serviceerwartungen. Referate des 71. Deutschen Archivtags 10.-13.September 2000 in Nürnberg (Der Archivar Beiband 6), Siegburg 2002, S. 393-401.

16 Vgl. Bildungsstandard für den Fächerverbund Mensch, Natur und Kul-tur. Grundschule – Klassen 2, 4, in: Bildungsplan 2004, Stuttgart 2004, S. 99, 101 u. 106; Bildungsstandard für den Fächerverbund Welt – Zeit– Gesellschaft, Hauptschule und Werkrealschule – Klassen 8, 9, 10, in:Bildungsplan 2004. Hauptschule – Werkrealschule, Stuttgart 2004, S. 135; Bildungsstandard für Geschichte, Realschule – Klassen 6, 8, 10,in: Bildungsplan 2004. Realschule, Stuttgart 2004, S. 105.

17 Vgl. Bildungsstandards für Geschichte – Gymnasien – Klassen 6, 8, 10,Kursstufe, in: Bildungsplan 2004. Gymnasien, Stuttgart 2004, S. 217.

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an entsprechenden Angeboten. Und in kleineren Archivenmag der Mangel an Räumlichkeiten möglicherweise auchdarauf zurückzuführen sein, dass zu deren Selbstverständ-nis eine intensive Zusammenarbeit mit Schulen gar nichtgehört.

Viel problematischer ist aber wohl vor allem die großeDiskrepanz zwischen den Ansprüchen, die Lehrer undArchivare an archivpädagogische Angebote stellen, undden personellen Rahmenbedingungen. Die zusätzlich zuanderen auch mit archivpädagogischen Aufgaben betrau-ten Archivare – und das ist der Regelfall – kennen die Aus-gangssituation zur Genüge: Endlich meldet sich diebegehrte Zielgruppe in Form eines anrufenden Lehrers,der mit möglichst geringem zeitlichem Vorlauf („am lieb-sten noch in dieser Woche“) mit seiner Klasse das Archivaufsuchen will. Gewünscht wird in der Regel eine thema-tische Einführung (etwa zur Industrialisierung, zum Natio-nalsozialismus oder über die Nachkriegszeit), ergänztdurch eine eigenständige Quellenarbeit – und das Ganzesollte dann auch noch in höchstens zwei Stunden bewäl-tigt werden können. Auf solche individuellen Wünscheeinzugehen, erfordert einen erheblichen Aufwand bei derVor- und Nachbereitung, den sowohl die Lehrer als auchdie Archivare nur im Ausnahmefall leisten können; dieFrustration aller Beteiligten, Lehrer, Archivare und Schü-ler, ist nahezu vorprogrammiert. Etwas besser sieht es nurin den Archiven aus, die einen Archivpädagogen beschäf-tigen und damit interessierten Lehrern einen Teil des Vor-bereitungsaufwands abnehmen können, was sich im deut-lich höheren Zuspruch dieser Einrichtungen niederschlägt.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnten fertig konzi-pierte Unterrichtseinheiten sein.18 Sie haben allerdings denNachteil der Konfektionsware: Der zu Recht gerade für dieArchivarbeit von Schülern geforderte Bezug zur Geschich-te des eigenen Orts ist zumindest bei den staatlichen Archi-varen mit ihren großen Sprengeln bei festgefügten Unter-richtseinheiten nicht gegeben. Zudem laufen thematischearchivische Unterrichtseinheiten Gefahr, vor den Fortent-wicklungen der Lehrpläne und erst recht vor den sich wan-delnden Schülerinteressen rasch zu veralten und damit dasKlischee vom verstaubten Archiv in sich zu bestätigen. DieNachnutzung solcher Unterrichtsmodule fällt daherzumindest in den großen staatlichen Archiven relativgering aus.19 Wo lehrplanbezogene Bausteine existieren,müssten diese letztlich so flexibel gestaltet werden, dass siesich auf die Bedürfnisse der einzelnen Schule bzw. des ein-zelnen Orts anpassen lassen. Um den Aufwand für solcheAnpassungen überschaubar zu halten, bedarf es allerdingseines entsprechend gleichförmigen und flächendeckendenQuellenbestands. Lehrer, die solche Angebote in Anspruchnehmen, müssen also in jedem Fall bereit sein, Einschrän-kungen bei der Themenauswahl hinzunehmen.

Mehr als solche Gesichtspunkte ist für die mangelndeNachfrage nach archivpädagogischen Angeboten wohlimmer noch die weit verbreitete Schwellenangst vor der

Institution Archiv insgesamt verantwortlich zu machen.20

Die Schwellenangst hängt zum einen damit zusammen,dass Archive als wissenschaftsnahe Einrichtungen unddamit als außerordentlich anspruchsvolle außerschulischeLernorte gelten, vielfach auch als solche wahrgenommenwerden wollen. Anders als manche Archivpädagogenglauben, besteht in weiten Teilen der Bevölkerung unddamit auch in der Lehrerschaft aber immer noch eine rela-tiv große Unkenntnis über das, was an Quellen in einemArchiv erwartet werden kann und wie diese Quellen ermit-telt und benutzt werden können. Dies muss als Ursache fürdie Schwellenangst bei allen Aktivitäten immer in Rech-nung gestellt werden. Wie auch soll jemand, der selbst imLaufe seiner schulischen und universitären Ausbildungweder ein Archiv betreten noch irgendetwas von Archiv-gesetzen und dem darin fixierten Aktenzugangsrecht einesjeden Bürgers gehört hat, also allenfalls vage, möglicher-weise von den üblichen Stereotypen und Vorurteilengeprägte Vorstellungen von Funktion, Arbeitsweise undNutzungsmöglichkeiten einer solchen Einrichtung mit-bringt, realistisch einschätzen können, welchen Beitrag einArchiv als außerschulischer Lernort für den Geschichtsun-terricht leisten kann. An diesem Zustand haben auch diver-se Fortbildungsangebote sowie eine Reihe einschlägigerVeröffentlichungen bislang offenbar nur wenig ändernkönnen.21 Die eher zurückhaltende Öffentlichkeitsarbeitvieler Archive verhindert ihrerseits, dass bestehende Wis-sensdefizite und Vorurteile bei den Lehrern abgebaut wer-den. Zwar haben viele Archive in den letzten Jahrzehnteneine Öffnung vollzogen und bemühen sich über Ausstel-lungen und Publikationen ein breiteres Publikum anzu-sprechen. Professionalität und Reichweite der archivischenAktivitäten können sich freilich noch längst nicht mitdenen anderer Einrichtungen messen; insbesondereÖffentlichkeitsarbeit und Marketing sind ohne Zweifel ver-besserungswürdig.22

Möglicherweise hängt die mangelnde Resonanz auf diearchivischen Angebote schließlich auch damit zusammen,dass man sich auf Seiten der Archive zu wenig Gedankendarüber macht, welche Angebote für welche Schulart undAltersgruppe geeignet sein könnten. Einseitig wird – aus-gehend vom Selbstverständnis als wissenschaftsnaher Ein-

18 Dieses Ziel verfolgt zum Beispiel das vom bayerischen Kultusministe-rium initiierte Projekt „Archiv und Schule“, in dem seit dem Schuljahr1999/2000 mehrere Unterrichtssequenzen zu regionalgeschichtlichenThemen erarbeitet wurden; vgl. dazu Michael Stephan, Das Koopera-tionsprojekt „Archiv und Schule“ zwischen Kultusministerium undArchivverwaltung, in: Archive in Bayern 1 (2003), S. 303- 317. Die Modu-le können über das Internet abgerufen werden: www.schule.bayern.de.

19 Bezeichnenderweise finden sich etwa zum bayerischen Projekt „Archivund Schule“ keine Angaben über solche Nachnutzungen.

20 Feststellungen, nicht zuletzt von archivpädagogischer Seite (so etwaJoachim Pieper, Die Archivpädagogik im Nordrhein-WestfälischenHauptstaatsarchiv Düsseldorf zwischen Tradition, Kontinuität undInnovation, in: Der Archivar 53 (2000) S. 305), wonach von einer Schwel-lenangst vor einem Archivbesuch heute keine Rede mehr sein könne,halten den Beobachtungen in der Praxis kaum stand. Die Hemmungen,eine Institution aufzusuchen, die den meisten Lehrern mangels eigenerErfahrung völlig unbekannt ist und die gemeinhin immer noch als wis-senschaftlich und elitär gilt, sollten zumindest im Falle der großen staat-lichen Archive nicht unterschätzt werden.

21 Fortbildungsveranstaltungen führen vor allem die Archive durch, dieüber einen Archivpädagogen verfügen. Aber auch das Generallandes-archiv Karlsruhe hat in den letzten Jahren eine Reihe von gut besuch-ten Seminaren zu regionalgeschichtlichen Themen veranstaltet. Anarchivpädagogischer Literatur, die als Einführung für Pädagogengedacht ist, seien hier vor allem erwähnt: Lange (wie Anm. 2); Würfel(wie Anm. 2); Thomas Lange u. Thomas Lux, Historisches Lernen imArchiv. Methoden historischen Lernens, Schwalbach 2004; Lothar Ditt-mer, Detlef Siegfried (Hrsg.), Spurensucher. Ein Praxisbuch für histo-rische Projektarbeit, Hamburg 2005. Auch in älteren fachdidaktischenPublikationen wurde immer wieder auf das Archiv als außerschulischenLernort hingewiesen.

22 Vgl. die Beobachtungen von Jens Murken, Vom Nutzen und Nachteildes TAGES DER ARCHIVE für die Archive. Eine Evaluation, Diplom-arbeit an der FH Potsdam, Fachbereich Informationswissenschaften2005, S. 6 ff.

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richtung – primär über Aktivitäten nachgedacht, die sichan Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II richten,obwohl gerade bei diesem Adressatenkreis aufgrund dergeschilderten organisatorischen Rahmenbedingungen dieNachfrage bislang eher bescheiden ist. Die Frage, welcheAngebote möglicherweise für andere Schularten undAltersgruppen interessant sein könnten, wird allenfalls amRande diskutiert. Dabei sind die organisatorischen undinhaltlichen, also lehrplanbezogenen Rahmenbedingun-gen für Besuche außerschulischer Lernorte beispielsweisein der Primarstufe durchaus günstig; überdies ist bei denLehrenden die Bereitschaft sehr viel größer, fertig konfek-tionierte Angebote in Anspruch zu nehmen. Und zudembestätigen empirische Untersuchungen, dass bei dieserAltersgruppe generell mit einem größeren Interesse angeschichtlichen Themen als bei Jugendlichen zu rechnenist.23

Das Ludwigsburger Konzept

Die Beobachtungen haben das Staatsarchiv Ludwigsburgveranlasst, bei der Konzeption seines archivpädagogischenAngebots neue Wege zu gehen. Als überaus förderlicherwies sich dabei der Umstand, dass sich das Archiv seit2004 als Einsatzstelle am sog. freiwilligen kulturellen Jahrbeteiligt24, was die Verpflichtung einschließt, mit den Frei-willigen zusammen Bildungsangebote für Kinder undJugendliche zu erarbeiten. Bei der Ausgestaltung desAngebots standen dabei folgende Überlegungen im Vor-dergrund:

Ausgangspunkt war der vielfach gerne überseheneUmstand, dass an die Archivpädagogik von drei SeitenErwartungen herangetragen werden: von den Lehrern, vonden Archivaren, aber auch von den Schülern. Zu denErwartungshaltungen vieler Lehrer gehört es nach wie vor,bestimmte Inhalte des Geschichts-, Politik- oder bei der Pri-marstufe, des „Sachkunde“-Unterrichts (in Baden-Würt-temberg: MeNuK – Mensch, Natur und Kultur) durcheinen Archivbesuch zu vertiefen. Mit erfreulicherweisezunehmender Tendenz wird dieser Wunsch noch erweitertdurch Vorstellungen, den Schülern einen Einstieg in for-schendes Lernen, auf jeden Fall aber das Kennenlerneneines außerschulischen Lernorts zu eröffnen. Diese Öff-nung bietet dem Archiv ungeheure Chancen. Es hat jetztdie Möglichkeit, seine Angebote weiter zu entwickeln undsich nicht nur auf die klassische hilfsweise Vermittlung vonUnterrichtsinhalten zu beschränken, sondern das Archivals Archiv vorzustellen, als Einrichtung, die als „Schaufen-ster in die Vergangenheit“ dient und Grundlage jederBeschäftigung mit Geschichte ist. Erfolgreich wird dieseVermittlung aber nur sein, wenn auch die Schüler sie als

sinnvoll, interessant und angenehm empfinden – eine, wiees scheint, zu häufig ignorierte Selbstverständlichkeit.

Daher war es in Ludwigsburg zunächst das Hauptziel,attraktive Angebote für Schüler und Schülerinnen zu ent-wickeln, die zum ersten Mal in ein Archiv kommen. DieBetonung liegt auf „attraktiv“ und „zum ersten Mal“. DieAngebote sind bewusst niedrigschwellig gehalten, dieLernziele nicht allzu anspruchsvoll. Jede Einheit ist grund-sätzlich so konzipiert, dass sie ohne Vorkenntnisse besuchtwerden kann. Zeigt sich, dass eine Klasse tiefere Kenntnis-se mitbringt, kann der Archivar jedoch mühelos intensivereinsteigen. Das Lernziel ist dabei ein doppeltes – und wirderfahrungsgemäß gerade in seiner Einfachheit immererreicht: Die Schüler (und Lehrer) haben einen Zugewinnan historischer Information (über Ritter und das Mittelal-ter, über Märchen und die Zeit der Gebrüder Grimm, überden Nationalsozialismus und die Entnazifizierung – umdie derzeit angebotenen Module zu nennen), sie habenaber vor allem auch die Einrichtung Archiv kennengelernt,und zwar als positives Erlebnis.25

Wesentlich für einen ersten Archivbesuch ist es, Hemm-schwellen abzubauen, die einer späteren Kontaktaufnah-me – etwa im Rahmen einer Projekt- oder Facharbeit – imWeg stehen könnten. Aus diesem Grund wird bewusstversucht, alles zu vermeiden, was den Eindruck er-wecken könnte, bei dem Archivbesuch handele es sich umeine Fortsetzung des Schulunterrichts an einem anderenOrt.26 Alle Einführungsangebote enthalten deshalb hand-lungsorientierte und spielerische Elemente. Bei Grund-schülern können dies neben Leseübungen etwa kleinereBastelarbeiten sein, die einen thematischen Bezug zu dengezeigten Archivalien haben27; das Einführungsangebot fürJugendliche umfasst eine Quizrunde, mit der die im Rah-men einer Archivführung vermittelten Kenntnisse in spie-lerischer Form aktualisiert werden können. Betont wirdmit solchen Angeboten in jedem Fall der Erlebnischarakterdes Archivbesuchs. Dabei wird durchaus bewusst eine Ver-einfachung und inhaltliche „Verflachung“ in Kauf genom-men. Der Sache der Archivpädagogik ist beim derzeitigenStellenwert, den Archive als Kultureinrichtungen imöffentlichen Bewusstsein genießen, viel eher damit gedient,wenn ein weniger anspruchsvolles Angebot überhaupt

23 Vgl. Andreas Michler, Museum und Ausstellung, in: Waltraud Schrei-ber (Hrsg.), Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen histori-schen Lernens (Bayerische Studien zur Geschichtsdidaktik 1), Bd. 1,Neuwied 1999, S. 561-575, hier S. 575. Michler hält es aber auch für denk-bar, dass das nachlassende Interesse eben auch mit der stark verschul-ten Qualität der museumspädagogischen Angebote zu tun haben könn-te (S. 575). Differenzierter und weniger skeptisch jüngst Carlos Kölbl,Geschichtsbewusstsein im Jugendalter. Grundzüge einer Entwicklungs-psychologie historischer Sinnbildung, Bielefeld 2004.

24 Vgl. Das freiwillige soziale Jahr in der Kultur, hrsg. von der Bundesver-einigung kulturelle Jugendbildung e V., Leipzig 2002.

25 Dass kulturelle Angebote niedrigschwellig sein müssen, dass sie Bezü-ge zur Alltagswelt der Rezipienten herstellen, aber außeralltäglicheErlebnisse vermitteln sollen, gehört zu den zentralen Erkenntnissen derKulturvermittlung und des Kulturmarketings; vgl. Mandel (wie Anm.10), S. 17.

26 Ähnlich zum Teil verschiedene Museumspädagogen (vgl. Michler (wieAnm. 23), S. 575), wenn sie fordern, das Museum solle sich „als ein Ortder sinnlichen Anschauung ... stärker auf seine wirkliche Leistungs-fähigkeit und Besonderheit besinnen“; ähnlich Carol Schneider, Theaudience-centered museum, in: Commandeur, Dennert (wie Anm4), S. 61-69, hier S. 69: „A museum experience should be like a theaterperformance, not like a school lecture.“ Das nachlassende Interesse älte-rer Schüler an Besuchen insbesondere in Geschichtsmuseen wird vonMuseumspädagogen ebenfalls auf eine zu starke „Verschulung“ zurück-geführt; vgl. Andreas Urban, Lust und Frust. Kinder und Jugendlicheim Geschichtsmuseum, in: Spielbein – Standbein 67 (2003), S. 25-29. Die Beobachtungen lassen sich ohne weiteres auf den Archiv-bereich übertragen.

27 Bei Führungen zur „Zeit der Ritter“ können zum Beispiel Wappengemalt werden, bei solchen zur Theaterüberlieferung ein Bühnenmodellhergestellt werden; zu Spielformen im Geschichtsunterricht jüngstHorst Gies, Geschichtsunterricht. Ein Handbuch zur Unterrichtspla-nung, Köln – Weimar – Wien 2004, S. 194-196.

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angenommen wird, als wenn mit großem Aufwand hoch-karätige, aber nur wenig genutzte Projekte des forschen-den Lernens erarbeitet werden, die zudem nur für einenTeil des Adressatenkreises geeignet sind.28

Im Vordergrund steht bei diesen Angeboten statt eineskognitiv-wissenschaftlichen ein ästhetischer und sinnlicherZugang zur Welt der Archivalien, der durchaus auch einefiktionale, phantastische und abenteuerliche Komponenteenthalten kann.29 Wenn der in allen archivpädagogischenPublikationen beschworene Reiz des authentischenGeschichtsdokuments zum Tragen kommen soll, dannsollte gerade bei einem erstmaligen Besuch der unmittel-bare, auch sinnlich erfahrbare Kontakt mit diesen Doku-menten im Mittelpunkt stehen. Solche Begegnungen lassensich am leichtesten bei einem Gang durch das Magazin her-stellen; Besuche im Magazin vermitteln anders als die Lek-türe einzelner Dokumente im Lesesaal zudem einen Ein-druck von der Fülle des Quellenmaterials, das in einemArchiv verwahrt wird, und lassen erahnen, wie umfang-reich der Rohstoff ist, aus dem Geschichte „gemacht“wird. Am Regal ist überdies eine unmittelbare Begegnungmit authentischen Geschichtszeugnissen möglich, wie siekeine andere Einrichtung mit landeskundlichen Bildungs-angeboten offerieren kann. Die von ambitionierten Archiv-pädagogen schon einmal als „liebenswürdig-altmodisch“bezeichnete Archivführung30 besitzt bei einer entsprechendabwechslungsreichen Gestaltung unter Einbeziehungmoderner Medien (Powerpointpräsentation zur Einfüh-rung), einer Fokussierung auf den direkten Kontakt mitdem Archivale und in Kombination mit anderen hand-lungsorientierten und spielerischen Elementen Qualitäten,die allen in erster Linie auf die Arbeit mit Texten ausgerich-teten archivpädagogischen Angeboten zunächst einmalabgehen.

Das archivpädagogische Angebot richtet sich grund-sätzlich an alle Schularten und Altersgruppen, also nichtnur an Schüler aus Realschulen und Gymnasien. Da Schü-lerinnen und Schüler der Sekundarstufe II bereits regelmä-ßig, wenn auch nicht allzu zahlreich, ins Haus kamen,wurde zunächst ein Angebot für die bislang vernachlässig-

te Zielgruppe der Primarstufe I in Gestalt mehrerer thema-tischer Kinderführungen erarbeitet. Diese wird sowohl fürEinzelbesucher zu festen Terminen am Nachmittag ange-boten, kann aber auch von Schulklassen und anderengeschlossenen Gruppen „gebucht“ werden. Mit demneuen Angebot sollte ermittelt werden, ob bei Grundschu-len überhaupt eine Nachfrage nach archivpädagogischenAngeboten besteht. Darüber hinaus erhofft sich das Archivdurch die Einführung von Veranstaltungen für eine Ziel-gruppe, die nicht zur traditionellen Klientel der Archivegehörte, eine Imagekorrektur, die zum Abbau von Hemm-schwellen beitragen kann. Immerhin werden damitbewusst Veranstaltungen, die keinen wissenschaftspropä-deutischen Charakter haben, ins Programm des Archivsaufgenommen. Damit soll dem Eindruck entgegengetretenwerden, bei Archiven handele es sich um „elitäre“ Einrich-tungen für ein vorwiegend wissenschaftliches Publikum.

Die Angebote wurden in Zusammenarbeit mit anderenaußerschulischen Initiativen der kulturellen Jugendbil-dung aufgebaut. Die Integration in ein bundesweites Pro-gramm erhöht deren Akzeptanz und kann der Imageför-derung dienen. Immerhin war das Archiv die erste Einrich-tung in der näheren Umgebung, die überhaupt als Einsatz-stelle für ein freiwilliges kulturelles Jahr in Erscheinungtrat. Die Kooperation bot aber auch von der Sache her Vor-teile. Die Einbeziehung von Jugendlichen in die Vorberei-tung ermöglicht zunächst eine starke Ausrichtung derAngebote an der Lebenswelt der Altersgruppe. Selbstver-ständlich können mit dem Freiwilligeneinsatz auch relativkostengünstig Personalressourcen erschlossen werden, dieinsbesondere der Vorbereitung und Begleitung der Veran-staltungen zugute kommen. Im optimalen Fall können dieFreiwilligen sogar selbst die Betreuung von Gruppen über-nehmen.

Wesentliches Anliegen war von Anfang an, solche Ange-bote zu erarbeiten, die kurzfristig abgerufen werden kön-nen. Zur Verfügung steht jeweils eine multimediale Prä-sentation zur Einführung in das Thema, eine festgelegtePalette von Archivalien, die vorgeführt werden, sowie einebenfalls vorbereitetes handlungsorientiertes Element.Natürlich stehen diese Module den oben kritisierten kon-fektionierten Veranstaltungen nahe. Abgesehen von dentatsächlich relativ fertigen Angeboten für die Grundschul-stufe (die – wie oben erwähnt – dennoch immer noch fle-xibel genug sind, um auf unterschiedliches Vorwissenmühelos einzugehen), enthalten die Ludwigsburger Ange-bote aber Schnittstellen, von denen individuelle Vertiefun-gen ausgehen können, wenn auch nicht müssen. Wenn z. B.zum Thema Entnazifizierung ein Lehrer oder eine Gruppeim Vorfeld die Berücksichtigung eines bestimmten lokalenBezugs wünscht, kann dies im Rahmen des Modulsberücksichtigt werden, vorausgesetzt, der in der Vorberei-tung notwendige Mehraufwand wird von der Lehrkraftmitgetragen. Die Vorbereitung einer solchen fertig konfek-tionierten Veranstaltung sollte ansonsten in der Regel vonHilfskräften übernommen werden können, so dass derArchivar oder Archivpädagoge lediglich die etwa andert-halbstündige Durchführung der Veranstaltung zu gestal-ten hat. Mittelfristig wird angestrebt, dass einzelne Modu-le auch von externen Kräften durchgeführt werden kön-nen. Zu denken ist hier etwa an Pädagogikstudenten, anehrenamtliche Kräfte mit pädagogischer Vorbildung oderauch an freiberuflich tätige Historiker.

28 Auch unter Museumspädagogen mehren sich die Stimmen, die fürerlebnisorientiertere Vermittlungsformen plädieren und die Überintel-lektualisierung und Faktenorientierung vieler Angebote beklagen; vgl.etwa Joachim Kallinich, Das Museum als Ort der Unterhaltung, in:Commandeur, Dennert (wie Anm. 4), S. 75 f.; ähnlich in einem allge-meineren Zusammenhang Carol Schneider, The audience-centeredmuseum, in: Commandeur, Dennert (wie Anm. 4), S. 61-69; Hans Jürgen Pandel, Geschichtskultur und Geschichtsdidaktik. Begleitmate-rial für Besucher in historischen Museen, in: Spielbein – Standbein 67(2003) S. 16 f.; für „Einstiegsdrogen“ durch Kombination belehrenderund unterhaltender Elemente plädiert auch Bernd Günter, JungesPublikum gewinnen und binden. Zentrale Herausforderung für dasKulturmarketing, in: von Welck, Schweizer (wie Anm. 6) S. 54.

29 Für ein Akzeptieren solcher alternativer Zugänge zur Geschichte alsErgänzung zu kognitiven Formen der Geschichtsvermittlung hat sichjüngst erst Bodo von Borries ausgesprochen; vgl. Bodo von Borries,Geschichtslernen in offenen Lernformen und an außerschulischen Lern-orten, in: Günther Rohdenburg (Hrsg.), Öffentlichkeit herstellen – For-schen erleichtern! 10 Jahre Archivpädagogik und historische Bildungs-arbeit – Vorträge zur Didaktik (Kleine Schriften des Staatsarchivs Bre-men 24), Bremen 1996, S. 103 f. Zur generellen Bedeutung von sinnlicherfahrbaren Tätigkeiten im Rahmen der kulturellen Jugendbildung MaxFuchs, Kulturelle Bildung und Kulturpolitik. Historische und systema-tische Anmerkungen, in: von Welck, Schweizer (wie Anm. 6) S. 33.Zu Formen des emotionalen Lernens generell Wolfgang Nahrstedt,Interesse wecken – Kompetenz entwickeln, in: Commandeur, Den-nert (wie Anm. 4), S. 29-38.

30 So etwa Thomas Lange, Geschichte – selbst erforschen: was Archiveund Geschichtsunterricht miteinander zu tun haben (können), in:Lange (wie Anm. 2), S. 14.

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Um auch Schülergruppen, die eine Projektarbeit imArchiv durchführen sollen, bessere Arbeitsmöglichkeitenanbieten zu können, wurden die Öffnungszeiten desArchivs verändert. An einem Wochentag ist der Lesesaalfür Gruppen reserviert; für Individualbesucher wurden alsErsatz die Öffnungszeiten an den restlichen Tagen derWochen verlängert.

Auf Initiative der örtlichen Pädagogischen Hochschulefinden überdies seit einiger Zeit Seminare für angehendeGrund- und Hauptschullehrer im Archiv statt. Entspre-chend den Vorgaben der novellierten Studienordnungensollen bereits im Studium Kenntnisse über außerschulischeLernorte und Formen des projektbezogenen Arbeitens mitSchülern erworben werden. An einem Standort wie Lud-wigsburg, an dem mit dem Bundesarchiv und dem Lan-desarchiv Baden-Württemberg zwei größere ArchiveDependancen unterhalten, liegt eine solche Zusammenar-beit nahe.

Ergänzt wurden diese Initiativen durch die Bereitstel-lung regional- und lokalhistorischer Quellen für den „nor-malen“ Schulunterricht über das Internet. Im Rahmen desfreiwilligen kulturellen Jahrs wurden verschiedene virtu-elle Ausstellungen erarbeitet, die über die Homepage desArchivs abgerufen werden können. Abgerufen werdenkönnen bislang unter anderem Materialien zur Geschichtedes Schulwesens in der NS-Zeit sowie eine Einführung inden Umgang mit Spruchkammerakten.

Die Archivführungen selbst wurden durch Rundbriefean die Schulen der Region und Presseankündigungenbeworben. Darüber hinaus wurde im selben Zeitraumauch die Zusammenarbeit mit den Medien insgesamt aus-geweitet. In mehreren Zeitungsserien wurden in der regio-nalen Presse Geschichten aus den Akten des Archivs abge-druckt, die inhaltlich zunächst zwar nichts mit den neuenarchivpädagogischen Angeboten zu tun hatten, sich wiediese aber auch an ein breites, nicht primär wissenschaft-lich interessiertes Publikum richteten. Diese „Marketing-aktivitäten“ haben – insbesondere soweit es um zeitge-schichtliche Themen ging – offenbar eine ganze Reihe vonLehrern erst auf die Bestände des Archivs aufmerksamgemacht und unabhängig von den Angeboten für Grund-schulen einige Gruppen ins Archiv gelockt. Ganz offen-sichtlich kann man Lehrkräfte mindestens ebenso gut überaußerschulische Medien auf das Archiv als Lernort auf-merksam machen als durch fachpädagogische Veranstal-tungen. Darüber hinaus sind öffentliches Ansehen undBekanntheitsgrad, die wesentlich durch mediale Einflüssebestimmt sind, aber offensichtlich eine wichtige Voraus-setzung dafür, dass eine kulturelle Einrichtung überhauptals möglicher Lernort wahrgenommen wird.31

Ein Jahr nach Einführung der neuen archivpädagogi-schen Angebote sieht die Bilanz überraschend positiv aus.Mit knapp 1000 Schülerinnen und Schülern in mehr als 40 Gruppen haben deutlich mehr Kinder und Jugendlicheeinen Besuch im Archiv absolviert, als man nach den Erfah-rungen andernorts erwartet hätte. Dabei sind die Schul-

klassen, die an Führungen durch die im gleichen Zeitraumstattfindenden Archivausstellungen teilgenommen haben,noch gar nicht berücksichtigt. Von den Angeboten fandendie für Grundschüler den größten Anklang. Auch wennder Ertrag archivpädagogischer Arbeit sicher nicht alleinan der Zahl der Schulklassen, die das Archiv besuchthaben, festgemacht werden kann, so bleibt es doch bemer-kenswert, in welchem Maße gerade die Angebote für Kin-der nachgefragt wurden. Offensichtlich ist die Bereitschaft,fertig konfektionierte Angebote abzurufen, hier größer alsbei Gymnasialklassen. Vorteilhaft wirkt sich auch aus,dass der Unterricht in Grundschulen vom Zeitablauf herwesentlich flexibler gestaltet werden kann. Dass das Ange-bot angenommen wurde, zeigt aber auch, dass Archive alsaußerschulischer Lernort ganz offensichtlich einen interes-santen Beitrag zur Grundschulausbildung zu leisten ver-mögen. Eine Rolle spielt dabei wohl auch, dass in dieserAltersklasse generell ein starkes Interesse an geschichtli-chen Themen besteht.32 Dass die Veranstaltungsangebotefür die Primarstufe, obwohl ohne Pädagogen konzipiert,durchaus didaktischen und pädagogischen Anforderun-gen genügen, hat eine Evaluation durch Lehrkräfte derPädagogischen Hochschule Ludwigsburg bestätigt. Aller-dings war die Resonanz bei den einzelnen Veranstaltungs-angeboten unterschiedlich. Attraktiv für Grundschülerwaren – was Beobachtungen von pädagogischer Seitebestätigt – Veranstaltungen, die sich mit dem Mittelalter –der „Ritterzeit“ – beschäftigen oder in denen Anklänge anEntdeckungen und Abenteuer enthalten waren.

In den nächsten Jahren sollen ähnliche thematischeAngebote auch für Schülerinnen und Schüler andererSchularten aufgebaut werden. Für die Sekundarstufen istetwa eine Unterrichtseinheit zur Entnazifizierung in Vor-bereitung. Dieses Thema scheint für ein „konfektioniertes“Modul besonders geeignet zu sein, weil es in den Bildungs-und Lehrplänen aller Schularten vorkommt, eine persona-lisierte Betrachtung von Einzelschicksalen zulässt undüberdies auf einen flächendeckenden Fundus gleichartigerQuellen aufbauen kann.33 Damit sollte es möglich sein,Lehrern der Sekundarstufen über eine reine Einführungs-veranstaltung hinaus ein Angebot zu unterbreiten, das For-men des forschenden und entdeckenden Lernens enthält,einen lokal- oder regionalhistorischen Bezug hat und den-noch mit einem überschaubaren Vorbereitungsaufwandauf beiden Seiten realisiert werden kann. Wenn die Lehrerbereit sind, sich auf solche „Fertigprodukte“ einzulassen,dann sollten sich die den Lernerfolg letztlich beeinträchti-gende Frustrationen vermeiden lassen, wie sie regelmäßigaufzutreten pflegen, wenn sich Pädagogen in Unkenntnis

31 Zu entsprechenden Beobachtungen aus dem Museumsbereich: JoachimKallinich, Das Museum als Ort der Unterhaltung, in: Commandeur,Dennert (wie Anm. 4), S. 71-81, insbes. S. 74. Im Grunde bestätigen dieBeobachtungen für den Archivbereich nur Feststellungen, die HansBooms bereits vor über 30 Jahren gemacht hatte; Hans Booms, Öffent-lichkeitsarbeit der Archive – Voraussetzungen und Möglichkeiten, in:Der Archivar 23 (1970) Sp. 15-31.

32 Vgl. dazu Michler (wie Anm. 23), S. 573-575; Andreas Urban, Lust undFrust. Kinder und Jugendliche im Geschichtsmuseum, in: Spielbein –Standbein 67 (2003) S. 25 f.;

33 Dieser Quellenfundus ist im Staatsarchiv Ludwigsburg überdies bereitsvollständig über eine Datenbank recherchierbar, was die Ermittlung ein-schlägiger Fälle für jeden beliebigen Ort des Sprengels außerordentlicherleichtert; zur Erschließung des Bestands vgl. Stephan Molitor,Spruchkammerverfahrensakten. Überlieferung zur Entnazifizierung alsQuelle für die NS-Zeit, in: Nicole Bickhoff (Hrsg.), Unterlagen derNachkriegszeit als Quellen zur Geschichte des Dritten Reichs. Vorträgeeines quellenkundlichen Kolloquiums im Rahmen der HeimattageBaden-Württemberg am 13. Oktober 2001 in Bad Rappenau, Stuttgart2004, S. 7-14.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 355

des Vorbereitungsaufwands, den historische Projektarbeitund die Arbeit mit Primärquellen an außerschulischenLernorten verursacht, ohne Unterstützung eines Archiv-pädagogen mit ihrer Klasse in ein Archiv begeben wollen.34

Dem Anliegen der Archivpädagogik wäre damit sicherlicham meisten gedient.

34 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von Bodo vonBorries, der in jüngster Zeit mehrfach vor einer Überschätzung vonProjektarbeit als Lernform gewarnt und auf die Gefahr einer Überfor-derung gerade schwächerer Schüler hingewiesen hat; Borries plädiertnachdrücklich dafür, die Ansprüche, insbesondere bei Gruppen aus derSekundarstufe I, herunterzuschrauben: „Bibliotheken und Expertenaufzusuchen ist an sich schon ein Erfolg“ (S. 340). „Es genügt durchaus,sich eine Ausstellung, eine Gedenkstätte, ein Denkmal, eine Stadtfüh-

1 Christina von Flotow, Flüchtlingslisten – Deutsches Adelsarchiv –Deutsches Adelsblatt, Rückblick auf 60 Jahre, in: Deutsches Adelsblatt44. Jg. (2005), S. 229 f., hier S. 229.

rung oder ein Museum zu erschließen“ (S. 344); vgl. Bodo von Borries,Historische Projektarbeit – „Größenwahn" oder "Königsweg“, in: LotharDittmer, Detlef Siegfried (Hrsg.), Spurensucher. Ein Praxisbuch fürhistorische Projektarbeit, Hamburg 2005, S. 333-350, insbes. S. 336, 340u. 343; warnend auch Gerhard Tausche, Archivalien im Unterricht –Möglichkeiten und Grenzen der „originalen Begegnung“, in: Archive inBayern 1 (2003) S. 331-335.

Archivtheorie und -praxis

Archive und Bestände

Deutsches Adelsarchiv

Geschichte – Bestände – AufgabenDie vor über sechzig Jahren erfolgte Gründung des Deut-schen Adelsarchivs ging auf eine private Initiative des ausBreslau geflüchteten Oberregierungsrates Hans Friedrichvon Ehrenkrook und des aus Mecklenburg vertriebenenRechtsanwalts Jürgen von Flotow zurück. Die erstenAnsätze hatten weniger die Gründung eines Archivs zurSammlung von Archivgut zum Ziel, sondern die Familien-zusammenführung war das wesentliche Motiv, welchesEhrenkrook und Flotow bewegte. Durch Flucht und Ver-treibung hatten viele Angehörige des Adels ihren ange-stammten Besitz verlassen müssen. Darüber hinaus warendie familiären Kontakte unterbrochen, das Wissen überden Verbleib von Familienangehörigen, Freunden undBekannten war nicht mehr vorhanden, so dass Nachrich-ten über den Verbleib dieses Personenkreises gefragtwaren. In dieser Situation ergriffen fünf Monate nach demKriegsende Ehrenkrook und Flotow die Initiative und eserschien die „Flüchtlingsliste Nr. 1“ mit Adressen undFamiliennachrichten (Angaben zu Verlobungen, Eheschlie-ßungen, Geburten und Todesfällen). Jürgen v. Flotow woll-te schon bald den bisherigen Rahmen der Publikationerweitern und dazu suchte er den nach Wrisbergholzen beiAlfeld an der Leine geflohenen Ehrenkrook auf. Bei diesemBesuch wurde zum ersten Mal das Wiederaufleben dertraditionsreichen Gothaischen Genealogischen Taschen-bücher angesprochen. Hans Friedrich v. Ehrenkrook standder Idee der Neubearbeitung adeliger Familiengenealo-gien zu diesem Zeitpunkt skeptisch gegenüber, da er eineWiederanstellung als Regierungsrat anstrebte.1

Diese erste Initiative zur Wiederbelebung der Gotha-ischen Taschenbücher war noch nicht erfolgreich, aber dieFlüchtlingslisten wurden fortentwickelt. Die im Dezember1945 erschienene zweite Ausgabe der Flüchtlingsliste ent-hält erstmals einen so genannten „Suchdienst“. Unter die-ser Rubrik wurden Anschriften und Nachrichten von ver-missten Personen gesucht. Und der Gedanke zum Wieder-aufbau einer genealogischen Abteilung war auch zu die-

sem Zeitpunkt nicht aufgegeben, denn es erschien folgen-der Aufruf: „Zum Wiederaufbau der genealogischenSammlung werden dringend käuflich, leihweise odergeschenkweise genealogische und heraldische Werke,besonders alte und neue Gothaer Taschenbücher zurErgänzung der inzwischen glücklicherweise schon wiederin erheblichem Umfang beschafften Fachbücherei gesucht,ebenso auch Abschriften von Ahnentafeln, Stammtafelnusw. zur Aufbewahrung im Archiv.“ Dieser Aufruf hatteeinen durchschlagenden Erfolg – die Gothas trafen inerheblichem Umfang in Westerbrak ein.2

Der Auf- und Ausbau einer genealogischen Arbeitsbi-bliothek wurde auch in den folgenden Monaten vorange-trieben und die Aufrufe zur Übersendung von Büchernwurden regelmäßig wiederholt. Aus diesen Zusendungenentstand das bibliothekarische Fundament des Adelsar-chivs. Insgesamt erschienen elf Ausgaben der „Flüchtlings-listen“, die Nummer 12 vom August 1948 trug erstmalsden Titel „Deutsches Adelsarchiv“.3 Der Ausbau diesesNachrichtenblattes wurde dann im folgenden Jahr vollzo-gen: Ein redaktioneller Teil wurde aufgebaut und seitJanuar 1949 wurde ein Schloss oder ein Herrenhaus aufdem Titelbild abgedruckt und in dem jeweiligen Heft fandsich ein Artikel zu dieser Abbildung. Mit dem Ausbau desNachrichtenblattes zu einer Zeitschrift ergab sich auch eineDifferenzierung im Mitarbeiterkreis: Hans Friedrich v.Ehrenkrook übernahm die Bearbeitung der Familienanzei-gen, Jürgen v. Flotow verantwortete den redaktionellen Teilder Monatsschrift.4

Mit der Trennung der Aufgabenbereiche wurden auchdie Überlegungen zur Wiederbegründung der Gotha-ischen Genealogischen Taschenbücher intensiviert. DasInteresse Ehrenkrooks an der Wiederbelebung der Adels-genealogie hatte sich seit dem Kriegsende verstärkt unddies führte im August 1948 zu einer ersten Ankündigung

2 Flüchtlingsliste Nr. 2, zusammengestellt durch das Deutsche Adelsar-chiv von Reg.-Rat v. Ehrenkrook u. Rechtsanwalt v. Flotow, Nov.1945. Zitat S. 2.

3 Zum veränderten Titel siehe Deutsches Adelsarchiv Nr. 12, hrsg. vonRechtsanwalt v. Flotow-Westerbrak und Reg.-Rat v. Ehrenkrook-Wrisbergholzen, August 1948.

4 Christina von Flotow, Das Deutsche Adelsblatt, in: Nachrichtenblatt desVerbandes „Der Sächsische Adel“, Nr. 63, März 2004, S. 17.

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zur Fortsetzung dieses genealogischen Reihenwerkes.Zugleich trafen Hans Friedrich v. Ehrenkrook und der 1946enteignete Verleger Hans Kretschmer, Inhaber des C. A.Starke Verlages (Fachverlag für Genealogie und Heraldik),zusammen und die Überlegungen zur Neuauflage wurdenkonkretisiert. Aufgrund der politischen Lage wurde jedochsehr schnell klar, dass an eine Wiederauflage der Gotha-ischen Genealogischen Taschenbücher nicht zu denkenwar. Um die zu dieser Zeit noch in Gotha lebende FamiliePerthes nicht zu gefährden, wurde der Reihentitel verän-dert und 1951 erschien der erste Band des GenealogischenHandbuchs des Adels (GHdA). Inhaltlich knüpften dieseGenealogischen Handbücher an den so genannten Gothaan und bis heute erschienen 138 Bände des GenealogischenHandbuchs, welche in fünf Abteilungen (fürstliche Häuser,gräfliche Häuser, freiherrliche Häuser, [ur]adelige Häuserund [brief]adelige Häuser) unterteilt sind.5

Im Jahr des Erscheinens des ersten Bandes des Genea-logischen Handbuchs des Adels zog Ehrenkrook von Wris-bergholzen nach Schönstadt bei Marburg. Das „DeutscheAdelsarchiv“, wie zu dieser Zeit immer noch der Name derMonatszeitschrift des Adels war, bestand nun im wesent-lichen aus drei Stellen: Jürgen v. Flotow war in Westerbrakfür den redaktionellen Teil der Zeitschrift zuständig, HansFriedrich v. Ehrenkrook leitete in Schönstadt die genealo-gische Abteilung und seit 1946 betreute Detlev Freiherrv. Hammerstein-Retzow in Melle den Suchdienst. 1956wurden diese Institutionen durch die Vereinigung derDeutschen Adelsverbände (VdDA) ergänzt. Und mit die-ser Gründung kam auch Bewegung in die bisherigenStrukturen, denn Ehrenkrook verkaufte 1957 seine genea-logische und geschichtliche Sammlung an die VdDA,behielt aber das lebenslängliche Nutzungsrecht an dengesammelten Unterlagen. Ein Jahr später zog Ehrenkrookin sein neu erbautes Haus nach Marburg und er nahm dieBibliothek und die Akten dorthin mit. Zur langfristigenSicherung der Finanzierung des Archivs gründete dieVdDA 1961 den Verein Deutsches Adelsarchiv e.V. Spen-den an diesen gemeinnützigen Verein, welche die finan-zielle Basis des Adelsarchivs bildeten und bilden, sindsteuerlich abzugsfähig und tragen auch heute nochwesentlich zur Arbeitsfähigkeit des Archivs bei. Damitsind die Bestände des Archivs, vor allem historische undgenealogische Werke und die Akten, welche im Zuge derBearbeitung der Handbücher entstehen, gesichert. MitBeginn des Jahres 1962 wurden die institutionellen Verän-derungen auch nach außen hin dokumentiert: Die Zeit-schrift Deutsches Adelsarchiv änderte ihren Namen in Deut-sches Adelsblatt, Mitteilungsblatt der Vereinigung der Deut-schen Adelsverbände, und der Name Deutsches Adelsarchivbezeichnet seither die Stelle, welche die GenealogischenHandbücher des Adels bearbeitet und Informationen zuden Angehörigen des Adels bereitstellt. Zu Beginn des Jah-

res 1968 kam es in zweifacher Hinsicht zu wesentlichenVeränderungen innerhalb des Adelsarchivs: Am 1. Febru-ar diesen Jahres starb Hans Friedrich v. Ehrenkrook imAlter von 79 Jahren.6 Darüber hinaus war schon seit län-gerem der Umzug des Archivs aus dem Ehrenkrook’schenPrivathaus in die Räume des Hessischen Staatsarchivs inMarburg geplant, der noch im gleichen Monat abgeschlos-sen wurde.7 Nun standen dem Adelsarchiv erstmals eingroßer Magazinraum und ein Büro zur Verfügung, welchedie Arbeitsmöglichkeiten wesentlich verbesserten. Im Juni1984 musste das Adelsarchiv wieder umziehen, dennumfangreiche Aktenablieferungen an das Hessische Staats-archiv infolge der Gebietsreformen zwischen 1972 und1977 sowie die Erweiterung der Archivschule ließen demStaatsarchiv keine andere Wahl als den Mietvertrag mitdem Adelsarchiv zu kündigen. In dieser Situation sprangdie Stadt Marburg ein und stellte dem Archiv mehrere Eta-gen eines älteren Wohnhauses in der Schwanallee 21, indem zwischen 1923 und 1926 der Philosoph Martin Hei-degger wohnte, zur Verfügung. Der Keller dieses Gebäu-des musste im Jahre 2003 wegen zu hoher Luftfeuchtigkeiteiner umfangreichen Sanierungsmaßnahme unterzogenwerden. Im Anschluss an diese Sanierung konnte mit Hilfeeiner Spende der Vereinigung der Deutschen Standesher-ren eine Rollregalanlage installiert werden, so dass dieKapazitäten zur Unterbringung der Bestände für die näch-sten Jahre gesichert erscheinen.

Mit der Institutionalisierung des Adelsarchivs fand auchein bescheidener Ausbau der personellen Ressourcen statt.Der Historiker Walter von Hueck nahm zwischen 1961und 1996 die Position des Archivleiters ein. Er wurde vonseiner Frau unterstützt. Nach dem Umzug in das HessischeStaatsarchiv in Marburg wurde das Personal um eine Voll-zeit-Sekretärin ergänzt. Darüber hinaus konnte man zurErledigung besonderer Aufgaben auf externe Mitarbeiterzurückgreifen. Dieser Personalbestand bildet im Wesentli-chen auch heute noch den Grundstock für das Adelsarchiv.Mitte 1996 trat das Ehepaar v. Hueck in den Ruhestand undzum Nachfolger des Leiters des Adelsarchivs wurde derSozial- und Wirtschaftshistoriker Christoph Frankeernannt. Ergänzt wird die Belegschaft des Archivs durchden Historiker Moritz Graf Strachwitz, Dorothee de laMotte und die Kunsthistorikerin Marion Stein. Finan-ziert wird der Jahresetat in Höhe von etwa 250.000 Eurodurch eine Bearbeitungsgebühr der Familien für die Erstel-lung der Genealogien zur Veröffentlichung im Genealogi-schen Handbuchs des Adels, ein Honorar des C. A. StarkeVerlages für den Druck der Handbücher, einer geringenjährlichen Umlage der Mitglieder der Landesverbände desAdels und durch ein Entgelt für Auskünfte. Diese Einnah-men decken aber nicht einmal 50 % des Jahresbudgets, sodass die Angehörigen des Adels regelmäßig um Spendenangeschrieben werden. Zur langfristigen finanziellenSicherung des Archivs ist 1994 die Rechtsform von einemeingetragenen Verein in eine Stiftung des öffentlichenRechts verändert worden, da eine Stiftung Kapital ansam-meln kann, wohingegen ein Verein am Jahresende einenausgeglichen Haushalt vorlegen muss.8

5 Zum Gotha und seinem Nachfolger dem Genealogischen Handbuch desAdels siehe den Art. „Gotha“ von Eckhart Conze in: ders. (Hrsg.), Klei-nes deutsches Adelslexikon, Titel, Throne, Traditionen, München 2005,S. 101. Thomas Freiherr v. Fritsch, Die Gothaischen Taschenbücher,Hofkalender und Almanache, Limburg 1968 und neuerdings Wolf Diet-loff v. Bernuth, Das Genealogische Handbuch des Adels (GHdA), in:Deutsches Adelsblatt 44. Jg. (2005), S. 234-241. Zur Geschichte des Perthes-Verlages siehe auch Stephan Perthes, Justus Perthes: Kurzer Abrissder Verlagsgeschichte 1785 bis 2006 unter www.perthes.de/geschichte_justus_perthes/index.html und die Geschichte des StarkeVerlages unter www.starkeverlag.de/stocks/History/Geschichte/Geschichte.html.

6 Siehe die Nachrufe auf Hans Friedrich v. Ehrenkrook im DeutschenAdelsblatt 24. Jg. (1968), Nr. 2, S. 27 f. u. S. 43.

7 Auf den Umzug des Adelsarchivs wird nur in einer kleinen Notiz imDeutschen Adelsblatt, 24. Jg. (1968), S. 71, hingewiesen.

8 Wolf Dietloff von Bernuth, 60 Jahre Deutsches Adelsarchiv, in: Archivfür Familiengeschichtsforschung, Jg. 9 (2005), S. 63-70, hier S. 66, 68 f.

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Das Deutsche Adelsarchiv ist kein Archiv im eigentli-chen Sinne, denn es erhält keine regelmäßigen Aktenablie-ferungen aufgrund bestimmter Zuständigkeiten. DasAdelsarchiv dokumentiert vielmehr die Geschichte desdeutschen Adels. Einen Bestandsschwerpunkt bildet dieBibliothek mit etwa 20.000 Bänden, wobei vor allem adeli-ge Familiengeschichten (etwa 4.000 Bände), genealogischeSammelwerke, militärhistorische Abhandlungen, 49 lau-fende Zeitschriften, über 150 Nachrichtenblätter adeligerFamilienverbände sowie orts- und landesgeschichtlicheArbeiten hervorzuheben sind. Ergänzt wird die dokumen-tarische Sammlung durch etwa 150 laufende Meter Akten,darunter Nachlässe, Deposita und Unterlagen verschiede-ner Adelsvereinigungen, u.a. den Bestand der Vereinigungdes Adels in Bayern aus der Zeit der Weimarer Republik,die Akten der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände(1956 bis heute)9, die Akten der Vereinigung des Adels inHessen (1952 bis heute)10, die Akten der Vereinigung der„Sächsische Adel“ und die Unterlagen der EDDA (EisernesBuch Deutschen Adels Deutscher Art)11. 1996 wurde einegrundlegende Bestandsneuordnung und eine systemati-sche Erschließung der in fünf Jahrzehnten angewachsenenBibliothek eingeleitet, die 2004 abgeschlossen werdenkonnte. Seither ist die Bibliothek elektronisch katalogisiertund einige Archivbestände durch Findhilfsmittel erschlos-sen.

Die Aufgaben des Deutschen Adelsarchivs haben sichim Laufe der Zeit stark gewandelt. Nach dem ZweitenWeltkrieg war die Familienzusammenführung und dieWiederaufnahme binnen-adeliger Kommunikation diezentrale Aufgabe des Archivs. Eine wesentliche Ergänzungder Aufgaben des Adelsarchivs wurde mit der Bearbeitungder Genealogischen Handbücher des Adels seit 1951 ein-geleitet. Seither werden planmäßig personenbezogeneDaten zur Erstellung der Genealogischen Handbücher desAdels gesammelt, ausgewertet und in genealogischer Formpubliziert. Zeitweise wurde ein Zeitungsausschnittsdienstgenutzt, um Informationen über Angehörige des Adels zuerlangen und auszuwerten. Zugleich wird die Bibliothekzielstrebig durch familienhistorische und genealogischeWerke ergänzt.12 Das in den letzten Jahren verstärkte Inter-esse an adelshistorischen Themen ist auch im DeutschenAdelsarchiv registrierbar. Insbesondere zu kulturhistori-schen Fragestellungen können die Archivbestände nutz-bringend herangezogen werden und die Archivmitarbeitersind in den wissenschaftlichen Diskurs einbezogen wor-den.

Marburg Christoph Franke

Archivpädagoge im Landesarchiv NRW StaatsarchivMünster

Zum 8. 8. 2006 konnte das Landesarchiv NRW StaatsarchivMünster einen Archivpädagogen einstellen, nachdem dasLandesarchiv NRW Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und dasLandesarchiv NRW Staats- und Personenstandsarchiv Det-mold bereits seit Jahren über einen archivpädagogischenDienst verfügten: Herr Dr. Wolfhart Beck, Geschichtsleh-rer an einem Gymnasium in Münster, wird im ersten Schul-halbjahr 2006/7 mit 5 Zeitstunden, ab dem 2. Schulhalbjahrmit einem Arbeitstag in der Woche für Schülerinnen undSchüler tätig sein. Da die Schulen in der Stadt Münsterselbst durch die Archivpädagogin des Stadtarchivs Mün-ster betreut werden, richtet sich der Tätigkeitsbereich desneuen Archivpädagogen am Staatsarchiv an dessen größe-rem Sprengel aus. Herr Dr. Beck wird in erster Linie Gym-nasien in den Münster umgebenden Kreisen Steinfurt,Warendorf und Coesfeld sowie an mindestens einem gutzu erreichenden Standort im Regierungsbezirk Arnsbergbetreuen. Er wird allgemeine und themenspezifische Füh-rungen für Schulklassen insbesondere der gymnasialenOberstufe durchführen, themenspezifische Workshops fürSchulklassen anbieten und darüber hinaus Facharbeiteneinzelner Schülerinnen und Schüler sowie Schülerarbeitenfür den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidentenbetreuen.

Münster Mechthild Black-Veldtrup

Bestände des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt amMain im Internet zugänglich

Das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main hat imAugust 2006 seine Datenbanken ins Internet gestellt. Hierzu wurden das Programm FAUST und der dazu ge-hörige iServer der Firma Land-Software angewendet. DieDokumentation „ISG“ (Akten, Druckschriften, Urkunden,Sammlungen) umfaßt ca. 246.000 Titelaufnahmen, dieDokumentation „ISGBild“ (Fotos, Pläne, Plakate, AV-Medien) ca. 48.000. Die Bestände sind überwww.ifaust.de/isg oder einen Link auf der Homepage desInstituts www.stadtgeschichte-ffm.de erreichbar.

Seit Mai 1998 wird im ISG mit FAUST verzeichnet.Dabei werden neben Neuaufnahmen auch geeignete Find-bücher und Karteien eingegeben. Durch Eintragung vonSperrfristen werden die noch nicht freigegebenen Titelauf-nahmen im Internet nicht angezeigt. In den Beständeüber-sichten sind durch den Feldtyp „Feld für digitale Doku-mente“ auch Abgabelisten recherchierbar, die als pdf-Dateivorliegen. Zwei komplett eingescannte oft verlangte Per-sonalakten können, ebenfalls als pdf-Datei, online durch-gelesen werden. Sehr gefragt ist auch die umfangreicheFotosammlung. Bei vielen Objekten ist hierbei die Betrach-tung als Kleinbild möglich.

Auf der Homepage wählt der Benutzer zunächst zwi-schen den beiden genannten Dokumentationen. Die dannerscheinende Hauptseite bietet eine Übersicht über die vor-handenen Recherchemöglichkeiten und Listen sowieWechsel zwischen den Dokumentationen. Es stehen eineVolltextsuche nach Stichworten und eine Suchmaske mitFeldauswahl zur Verfügung. Daneben kann der Benutzerin der systematischen Beständeübersicht (Klassifikation)oder in den alphabetischen Indexlisten (Beständeüber-sicht, Personen, Sachbegriffe, Körperschaften, Orte) blät-

9 Zur Geschichte der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände sieheWalter von Hueck, Organisationen des deutschen Adels seit derReichsgründung und das Deutsche Adelsarchiv, in: Adel und Staatsver-waltung in Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert. Ein historischerVergleich, hrsg. von Kurt Adamy und Kristina Hübener, Berlin 1996,S. 19-37. Hierzu siehe auch Christoph Franke, Art. „Vereinigung derDeutschen Adelsverbände“, in: Eckhart Conze (Hrsg.), Kleines deut-sches Adelslexikon, Titel, Throne, Traditionen, München 2005, S. 233.

10 Zur Geschichte der Vereinigung des Adels in Hessen und dem Archiv-bestand siehe das Findbuch zu den Akten der Vereinigung des Adels inHessen bearb. von Tessa Neumann, Berlin 1997, S. 5-11.

11 Die EDDA ist zwischen 1925 und 1942 in vier Bänden im Druck erschie-nen. Siehe Ausgewählte Ahnentafeln der EDDA (Eisernes Buch Deut-schen Adels deutscher Art), hrsg. von der Buchungshauptstelle Deut-schen Adels (Arbeitsabteilung VI der Deutschen Adelsgenossenschaft),Gotha 1925-1942.

12 Hierzu Walter von Hueck, 50 Jahre Deutsches Adelsarchiv, in: Deut-sches Adelsblatt 34. Jg. (1995), S. 205-208, hier 206.

358 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

tern. Bei der Anzeige der Recherche-Ergebnsse kann derAnwender zwischen drei Listenformaten (Liste, Standard-liste und Kleinbildliste) und zwei Sortierungen (nach Lauf-zeit und nach Bestand/Signatur) wählen.

Als zusätzlicher Dienst besteht die Möglichkeit, Objektein einen Korb zu notieren und anschließend in den Lese-saal zu bestellen. Die Lesesaalaufsicht erhält dazu eine ent-sprechende E-Mail.

Die Mitarbeiter des Instituts für Stadtgeschichte hoffenauf zahlreiche Nutzung des neuen Angebots. Fragen,Kritik und Anregungen sind herzlich willkommen!

Frankfurt am Main Sigrid Kämpfer

Wechsel in der Leitung des Hauptstaatsarchivs StuttgartAm 27. März hat Frau Ltd. Archivdirektorin Dr. NicoleBickhoff die Leitung des Hauptstaatsarchivs übernom-men, die mit der Ernennung von Dr. Robert Kretzschmarzum Präsidenten des Landesarchivs Baden-Württembergam 28. Dezember 2005 vakant geworden war.

In einer Personalversammlung führte der Präsidentseine Nachfolgerin ein, um sie der Belegschaft des Hausesvorzustellen und ihr alles Gute, eine glückliche Hand undviel Erfolg zu wünschen.

Dr. Nicole Bickhoff wurde 1956 in Bochum geboren, wosie Geschichte und katholische Theologie studierte. Nachder Promotion im Fach „Alte Geschichte“ absolvierte sieals Archivreferendarin des Landes Rheinland-Pfalz dieAusbildung für den höheren Archivdienst am Landes-hauptarchiv Koblenz und an der Archivschule Marburg –Institut für Archivwissenschaft. 1986 trat sie in den Archiv-dienst des Landes Baden-Württemberg ein. Nach kurzenTätigkeiten am Generallandesarchiv Karlsruhe und amStaatsarchiv Sigmaringen war sie von 1987 bis 1998 amStaatsarchiv Ludwigsburg beschäftigt. Schwerpunkte ihrerArbeit waren dort die Überlieferungsbildung aus Behör-denschriftgut und die Erschließung neuerer Unterlagen.Danach wechselte Dr. Bickhoff an die Landesarchivdirek-tion Baden-Württemberg, um die Leitung der Abteilung„Archivfachliche Grundsatzangelegenheiten“ zu überneh-men. 2001 wurde ihr außerdem die Ständige Stellvertre-tung des Präsidenten der staatlichen Archivverwaltungübertragen. Beide Funktionen führte sie auch im Landes-archiv Baden-Württemberg fort, das im Zuge der Verwal-tungsreform zum 1. Januar 2005 aus der Zusammenlegungder Landesarchivdirektion und der ihr nachgeordnetensechs Staatsarchive entstanden ist.

Frau Dr. Bickhoff möchte die herausgehobene Positiondes Hauptstaatsarchivs als Kulturinstitution an der Stutt-garter Kulturmeile mit vielfältigen Angeboten für die inter-essierte Öffentlichkeit und bestimmte Zielgruppen weiterausbauen. Intensiviert werden soll dabei die Zusammen-arbeit mit den Schulen. Ein Schwerpunkt der Arbeit desHauptstaatsarchivs soll auch weiterhin die Digitalisierungder Inventare zu den Beständen sowie ausgewählter Archi-valien sein. Bei der Archivierung von digitalen Unterlagen,die das Landesarchiv Baden-Württemberg vor kurzem inAngriff genommen hat, möchte die Archivleiterin ihr Hauseinbringen.

Aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen in der Archiv-arbeit und der langjährigen Leitung der Grundsatzabtei-lung sei Frau Dr. Bickhoff, wie der Präsident bei ihrer Vor-stellung auf der Personalversammlung ausführte, fachlichbestens auf die Leitung des Hauptstaatsarchivs vorberei-tet. Nach der Arbeit in der Grundsatzabteilung, so die neueLeiterin in ihrer Antrittsrede, freue sie sich auf die Chan-cen und Gestaltungsspielräume, die das Hauptstaatsarchivbiete, auf die nunmehr wiederum stärkere archivprakti-sche Arbeit und nicht zuletzt auf die interessanten Bestän-de des Hauses.

Stuttgart Robert Kretzschmar

Das Ende einer Archivära: Professor Reimer Witt feier-lich verabschiedet

„Solch einen Beamten verabschiede ich nicht gern“ erklär-te der Ministerpräsident des Landes Schleswig-HolsteinPeter Harry Carstensen und übergab am Ende danndoch die Urkunde über den Eintritt in den Ruhestand: Am25. Juli 2006 wurde der Chef des Landesarchivs Schleswig-Holstein, der Leitende Archivdirektor Prof. Dr. ReimerWitt , durch den Ministerpräsidenten in Anwesenheitzahlreicher Gäste verabschiedet.

Prof. Witt war seit 1970 im Landesarchiv tätig, davon dieletzten 22 Jahre, seit 1984, als Leiter. Darüber hinaus gehör-te Prof. Witt zahlreichen nationalen und internationalenGremien an. In einem feierlichen Rahmen mit knapp 250Gästen würdigten neben dem Ministerpräsidenten zahlrei-che Redner die Leistungen von Prof. Witt und seine Bedeu-tung für das landesweite, bundesweite, ja weltweiteArchivwesen: Der Generaldirektor des ÖsterreichischenStaatsarchivs Prof. Lorenz Mikoletzky als Präsident desInternationalen Archivrats, Prof. Wilfried Reininghausfür die Archivreferentenkonferenz des Bundes und derLänder, Prof. Hans Ammerich als Vorstandsmitglied desVerbandes deutscher Archivarinnen und Archivare undProf. Manfred Jessen-Klingenberg als Vorsitzender desKuratoriums des Instituts für Zeit- und Regionalgeschich-te Schleswig-Holstein sowie aus der Sicht des Hauses Dr. Elke Imberger, stellvertretende Leiterin des Landes-archivs, und Sven Schoen als Vorsitzender des örtlichenPersonalrats. Begleitet wurde die Feier musikalisch mitQuerflöte, Violoncello und Cembalo durch die FamilieMcKenna. Die Abschlussworte im eigens für die Feierbestuhlten Lesesaal des Landesarchivs sprach Prof. Wittselbst. Die Verabschiedung endete an einem heißen Som-mertag mit einem Stehempfang im Prinzenpalais.

Vom Kollegium des Landesarchivs seit einiger Zeitschon mit Spannung erwartet, lüftete der Ministerpräsi-dent auf der Veranstaltung auch das Geheimnis um die

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 359

Nachfolge von Prof. Witt. Er stellte Privatdozent Dr. Rai-ner Hering als neuen Leiter des Landesarchivs vor. Dr. Hering, bisher stellvertretender Dienststellenleiter desHamburger Staatsarchivs, wird sein neues Amt wohl vor-aussichtlich am 16. Oktober antreten.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesar-chivs wünschen Herrn Prof. Witt nach 36 Jahren als Kolle-ge und 22 Jahren als Kollege und Chef für den wohl ver-dienten Ruhestand alles Gute.

Schleswig Sven Schoen

Einweihung des Erweiterungsbaus des Archivs des Bis-tums Passau

Am 6. Mai 2006 wurde der Magazin-Erweiterungsbau desArchivs des Bistums Passau durch Generalvikar Dr. KlausMetzl eingeweiht und gleichzeitig die renovierten Ver-waltungsräume offiziell wieder ihrer Bestimmung überge-ben. Durch die neuen Magazinräume mit ca. 1.000 Regal-meter Lagerfläche wird der schon länger drückend gewor-denen Raumnot des Archivs für die nächste Zeit abgehol-fen; die Gesamtlagerfläche beträgt nun ca. 7.500 Regalme-ter. An die neuen Räume schließt sich eine kleine, per Lkwerreichbare Anlieferungszone an. Die Magazine sindsoweit möglich mit Compactus-Anlagen ausgestattet, dazuStandregale; die moderne Sicherheitstechnik ist ebensovorhanden wie eine computergesteuerte Lüftung, diekonservatorisch einwandfreie Überlieferungsbedingungengewährleisten soll.

Im Festakt verwies Eva Gilch M. A., Leiterin von Stadt-archiv und Stadtmuseum Burghausen, Obb., auf die guteKooperation zwischen Kommunal- und Kirchenarchiv.Archivdirektor Prof. Dr. Hans Ammerich, Archiv des Bis-tums Speyer, umriss in seinem Festvortrag „Stand undAufgaben des kirchlichen Archivwesens heute“ mit nüch-ternem Blick die Breite der kirchenarchivarischen Aufga-ben und arbeitete heraus, dass es keinen Sinn macht,modischen Schwerpunktsetzungen nachzulaufen. Viel-mehr unterstrich er, dass jede der archivischen Aufgabengemäß den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten undBedürfnissen zur gebotenen Zeit zu ihrem spezifischenRecht kommen muss. Diese Mahnung zur Rückbesinnungauf die Breite und Vielfalt archivarischer Aufgaben ist einwichtiger Beitrag zur Fachdiskussion, erweist sie sich dochals Forderung zur Korrektur von Fehlentwicklungen undDefiziten, die in der jüngeren Vergangenheit im Zuge dersogenannten Konzentration auf die Kernaufgaben man-cherorts offensichtlich aufgetreten sind. Als Standortbe-stimmung mit dem Ziel der Sicherung erreichter, aber nichtungefährdeter professioneller Qualitätsstandards wird die-ser Beitrag über das Fest hinaus seinen Wert behalten. Miteinem gut besuchten Programm an Hausführungen schlossder „Tag der Archive“ in Passau.

Passau Herbert W. Wurster

EDV und Neue Medien

Vgl. auch die Beiträge „Bestände des Instituts für Stadtgeschich-te …“ (oben unter der Rubrik „Archive und Bestände“) und„Geschichte im Netz …“ (unten unter der Rubrik „Fachver-bände, Ausschüsse Tagungen“).

Digitalisierung im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Per-sonenstandsarchiv Brühl – Die Edition Brühl wird „100“

Seit Ende 2003 erscheinen im Verlag Patrimonium Tran-scriptum Bonn in lockerer Folge CDs mit den digitalisier-ten Aufnahmen von Kirchenbüchern aus der Zeit von 1571bis 1809, deren Originale das Personenstandsarchiv Brühlaufbewahrt1. Jede CD enthält neben den vom Original hererstellten und farbigen Digitalisaten eine inhaltlicheBeschreibung der Kirchenbücher, gegebenenfalls einezugehörige Verkartung (bisher in drei Fällen), ein Gesamt-verzeichnis der zu digitalisierenden rd. 4.200 Originalbän-de und den Text des Booklets. Bisher sind in dieser Reihein 100 Titeln (je Titel 1 – 3 CDs) auf 98 CDs und 18 DVDs407 Kirchenbücher erschienen; weitere 260 Bände sindbeschrieben und stehen zur Veröffentlichung an.

Die erste Reihe beschränkte sich auf die Kirchenbüchervon 11 ausgewählten Gemeinden aus dem Zuständigkeits-gebiet des Personenstandsarchivs, den RegierungsbezirkenDüsseldorf und Köln. Schon bald erwies es sich als metho-disch sinnvoll, diese Praxis etwas zu ändern: Es erscheinendeshalb immer die Kirchenbücher eines Ortes komplett,ohne Rücksicht auf verschiedene Pfarrgemeinden oderKonfessionen. Dies erleichtert wesentlich die genealogi-sche Erforschung einzelner Familien und ganzer Orte. Ent-sprechend der methodischen Neuorientierung wurdenverschiedene regionale Schwerpunkte gebildet: Begonnenwurde zunächst im ehemaligen Regierungsbezirk Aachen,dessen Kirchenbücher inzwischen vollständig digitalisiertund fast vollständig auf CD erschienen sind; die Reiheführte dann über den Bonner Raum in den Rhein-Sieg-Kreis, es folgte das Bergische Land und Kleve, was zur Zeitnoch ausgebaut wird; die Stadt Köln ist bisher mit sämtli-chen Kirchenbüchern aller protestantischen Kirchenge-meinden beteiligt. Im nächsten Jahr soll verstärkt dasGebiet zwischen Duisburg, Düsseldorf, Krefeld undNeuss/Mönchengladbach sowie vor allem Köln folgen(aktuelle Gesamtübersicht: www.patrimonium-transcrip-tum.org).

CDs wie DVDs werden von den Interessenten, dieinzwischen auch häufiger aus dem nahen Ausland stam-men, gern angenommen und haben sich als Verkaufserfolgherausgestellt. Zahlreiche Interessenten beteiligen sichauch in direkten Gesprächen mit dem Verlag mit techni-schen Verbesserungsvorschlägen an der Weiterentwick-lung der Reihe, die seit ihrem Beginn zu vielen Verbesse-rungen in technischem Erscheinungsbild und Performanceder CDs geführt haben. Damit ist eine völlig neue Kontakt-ebene zwischen dem Personenstandsarchiv und seinenBenutzern entstanden.

Der Lesesaal des Personenstandsarchivs verfügt übersieben Arbeitsplätze mit Bildschirmen; er wird noch in die-sem Jahr auf 24 PC-Arbeitsplätze erweitert und ausgebaut.Schon jetzt kann jeder Besucher vom Lesesaal aus in direk-

1 Vgl. Christian Reinicke/Gisela Fleckenstein, Kirchenbücher im Lan-desarchiv Nordrhein-Westfalen Personenstandsarchiv Brühl, in: DerArchivar 57 (2004), S. 142-144.

360 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

tem Zugriff ein sehr umfangreiches Bildarchiv an Digitali-saten nutzen: 1. die Digitalisate von zur Zeit insgesamt1.675 Kirchenbüchern; 2. die inhaltlichen Beschreibungender Kirchenbücher, sie werden nach ihrer Veröffentlichungauf CD/DVD ergänzt; 3. Namensverzeichnisse allerKölner Kirchenbücher.

Noch in diesem Jahr wird mit einem weiteren großenDigitalisierungsprojekt begonnen: die Digitalisierung derwie die Kirchenbücher stark benutzten und häufig sehrbeschädigten Zivilstandsregister der französischen Zeitvon ca. 1796/98 bis einschließlich 1814. Es handelt sichdabei um 26.330 von insgesamt 106.473 Bänden; von diesen sollen zunächst 500.000 Aufnahmen (d. h. ca. dieHälfte der französischen Zeit) in diesem Jahr erstellt werden. Die Digitalisate werden dann wie die der Kirchen-bücher auf den Bildschirmen präsentiert werden. Ihre Ver-öffentlichung auf CD/DVD ist nicht geplant. Parallel dazuwerden die bereits digitalisierten zugehörigen Dezennal-tabellen zur Verfügung gestellt werden. Das Projekt wirdim nächsten Jahr fortgesetzt.

Brühl Christian Reinicke

Drei Jahre nestor – Projektergebnisse aus Sicht der Archive

Das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung undForschung geförderte Projekt nestor – Kompetenznetz-werk Langzeitarchivierung – wurde am 30. Juni nach einerdreijährigen Projektphase beendet. Am 19. Juni wurden aufder Veranstaltung „Den Fortschritt bewahren – 3 Jahrenestor“1 in der Deutschen Nationalbibliothek die Projekt-ergebnisse vorgestellt. Unter den 124 Besuchern waren ca. 20 Teilnehmer aus dem Archivbereich anwesend.

Im Rahmen des Projekts sollten die Fachkompetenzenaus verschiedenen Organisationen und Institutionen imBereich der Langzeitarchivierung gebündelt und durcheine Informationsplattform für die interessierte Öffentlich-keit sichtbar gemacht werden2. Das Bundesarchiv hat sichab 2005 als Vertreter des Archivbereichs in die Gruppe dernestor-Partner bestehend aus der Deutschen National-bibliothek, der SUB-Göttingen, der Bayerischen Staats-bibliothek, dem Institut für Museumskunde und demComputer- und Medienservice der UB der Humboldt-Uni-versität eingereiht. Die Generaldirektion der StaatlichenArchive Bayerns war von Anfang an Projektpartner.

Welche Projektergebnisse sind für das Archivwesen von Bedeu-tung?Ein wichtiges nestor-Ziel war die Veröffentlichung einer„Policy“ für die Erhaltung digitalen Archivguts in deut-schen Gedächtnisorganisationen. Das Bundesarchiv hattehierzu die Fachöffentlichkeit zu einem Workshop am Bun-desarchiv im Februar 2006 eingeladen.3 Dort wurde einerster Entwurf zur Diskussion gestellt. Die Beiträge ausdem Workshop flossen in das „Memorandum zur Lang-zeitverfügbarkeit digitaler Informationen in Deutschland“ein. Das Memorandum weist in der Einleitung auf daswachsende Problem der „akuten Gefährdung der langfri-stigen Nutzbarkeit digitaler Objekte, die als Quellen fürWissenschaft und Forschung dienen“, hin. Ursache ist dertechnische Wandel, der zu einer immer schnelleren Veral-tung von Datenträgern und Datenformaten führt. Nachhal-tige Anstrengungen seitens der politischen Entscheidungs-träger, Urheber, Verleger und der Gedächtnisorganisatio-nen sind deshalb notwendig. Aus diesem Grund empfiehlt

Umschlagseite einer CD-ROMder Edition Brühl

1 www.langzeitarchivierung.de/modules.php?op=modload&name =Downloads&file=index&req=viewsdownload&sid=20.

2 www.langzeitarchivierung.de.3 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 2 S.188-189.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 361

das Memorandum die Schaffung einer Langzeitarchivie-rungs-Policy, in der Strategien, Rahmenbedingungen undMaßnahmen für die langfristige Sicherung des digitalenErbes verankert sind.

Das Papier enthält achtzehn Empfehlungen. Die Punk-te 1-6 befassen sich mit der „Verantwortung für die Lang-zeiterhaltung digitaler Information“. Hier wird festgestellt,dass die Erhaltung digitaler Objekte eine „Aufgabe vonnationaler Bedeutung innerhalb eines internationalen Kon-textes“ ist. Bund, Länder und Kommunen müssen finan-zielle Ressourcen bereitstellen und die Langzeiterhaltungdigitaler Informationen als dauerhafte Aufgabe anerken-nen. Diese Aufgabe muss sich auch in entsprechendengesetzlichen Regelungen niederschlagen. Des Weiterenwird die Schaffung einer nachhaltigen Koordinationsstruk-tur empfohlen, in der sich die aktiven Institutionen zusam-menschließen.

Die folgenden Punkte 7-12 widmen sich der Auswahl,Verfügbarkeit und dem Zugriff auf digitale Informationen.Maßnahmen und Strategien sollen das gesamte Spektrumder digitalen Landschaft mit einbeziehen. Ausdrücklicherwähnt werden das elektronische Verwaltungsschriftgut,Datenbanken sowie Digitalisate. Die Auswahl der Objektesoll auf der Grundlage von transparenten Endscheidungs-kriterien getroffen werden. Im Bereich „technische Vorkeh-rungen“, die Punkte 13-15, empfiehlt das Memorandumden Einsatz von offenen und gut dokumentierten Daten-formaten. Zur Vernetzung und Professionalisierung desGebiets der Langzeiterhaltung wird empfohlen, die Nut-zerbedürfnisse und Interessen beim Aufbau der digitalenArchive mit einzubeziehen, nationale und internationaleDiskussionsforen zu fördern sowie neue Schwerpunkte inder Aus- und Fortbildung zu setzen.

Das Memorandum4 wurde nach seiner Veröffentlichungan die entsprechenden Fachgremien und politischen Ent-scheidungsträger geschickt.

Ein weiteres nestor-Ergebnis, das mit archivischer Betei-ligung entstand, ist der „Kriterienkatalog vertrauenswür-dige digitale Langzeitarchive“5. An dem kürzlich veröffent-lichten ersten Entwurf haben Archivare des Bundesarchivs,der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns unddes Landesarchivs Baden-Württemberg innerhalb dernestor-AG „Vertrauenswürdige Archive – Zertifizierung“mitgearbeitet. Der Kriterienkatalog kann öffentlich kom-mentiert werden. Ein erster Entwurf des Katalogs wurdebereits am 29. März 2006 in der Deutschen Nationalbiblio-thek im Rahmen eines Expertengesprächs vorgestellt. Beidieser Veranstaltung diskutierten die Fachleute, darunterzahlreiche Vertreter des Archivwesens, mit den Autorendes Kriterienkatalogs. Die Vorschläge aus der Tagung wur-den in die jetzige Version eingearbeitet. Der Katalog formu-liert Kriterien, anhand derer sich die Vertrauenswürdigkeiteines digitalen Archivs in organisatorischer und techni-scher Hinsicht überprüfen lässt. Die Kriterien sollen fürlängere Zeit gültig sein und ein breites Spektrum an digi-talen Langzeitarchiven ansprechen. Da sich digitale Lang-zeitarchive in Größe, Auftrag, Nutzergruppen und den zurVerfügung stehenden Mitteln erheblich unterscheiden,werden keine absoluten Maßstäbe angesetzt, sondern dieErfüllung eines Kriteriums hängt vom Kontext der jewei-ligen Archivierungsaufgabe ab. Somit kann der jeweilige

notwendige Erfüllungsgrad eines Kriteriums unterschied-lich hoch ausfallen. Weitere Grundprinzipien des Katalogssind die Notwendigkeit zur Dokumentation der Ziele,Konzeptionen und Spezifikationen eines digitalen Lang-zeitarchivs sowie die transparente Darstellung der Doku-mentation nach außen.

Jedes Kriterium wird benannt und allgemein erläutert.Durch die Angabe von Beispielen aus der digitalen Weltwird der Bezug zur Praxis hergestellt. Literaturangabendienen einer tiefergehenden Betrachtung eines Kriteriums.Die Kriterien sind in drei Kapitel aufgeteilt. Teil A enthältKriterien zur Organisation eines digitalen Archivs. Es gehtunter anderem um die Zielsetzungen eines Archivs, dieAuswahl der archivierten Objekte, gesetzliche Regelungen,die Finanzierung und das Personal. Teil B befasst sich mitden digitalen Objekten. Es geht um die Integrität/Authen-tizität der Objekte bei der Übernahme, Ablage und Nut-zung. Teil C enthält die Kriterien zur IT-Infrastruktur undIT-Sicherheit. Jedes Kriterium wird benannt und allgemeinerläutert. Durch die Angabe von Beispielen aus der digita-len Welt wird der Bezug zur Praxis hergestellt. Literatur-angaben dienen einer tiefergehenden Betrachtung einesKriteriums. Alle Kriterien finden sich in einer beigefügtenCheckliste wieder. Zudem enthält der Katalog ein Glossar,in dem alle grundlegenden Begriffe beschrieben werden.Eine weite Verbreitung des Kriterienkatalogs könnte füreine Vereinheitlichung der Fachterminologie dienlich sein.Die Arbeit am Kriterienkatalog soll auch künftig weiterge-führt werden. Dazu ist die Einrichtung eines DIN-Nor-mungsausschusses beabsichtigt, der langfristig auch eineZertifizierungsmöglichkeit für vertrauenswürdige digitaleArchive erarbeiten soll.

Da nestor auch den Ausbau von Fortbildungsangebotenzum Ziel hatte, fand am 13. Januar 2006 an der SUB Göt-tingen ein Seminar mit dem speziellen Focus auf die Lang-zeiterhaltung von digitalem Archivgut statt. ChristophPopp vom Stadtarchiv Mannheim, Andrea Wettmannvom Sächsischen Staatsarchiv und Andrea Hänger vomBundesarchiv sprachen über die Themen „Behördenbe-treuung“, „Aussonderung“ sowie „technische und archivi-sche Anforderungen“. Die Videomaterialen und Präsen-tationen des Seminars sind auf der nestor-Webseite6 abruf-bar.

Speziell am Bundesarchiv wurde im Rahmen von nestornach Möglichkeiten zur Erschließung von archivischenLangzeiterhaltungsmetadaten geforscht. Dabei stand vorallem die Suche nach einem geeigneten Metadatenschemafür die technischen Metadaten im Vordergrund. Dazu wur-den bereits veröffentlichte Metadatenstandards evaluiertund auf ihre Archivtauglichkeit hin überprüft. Zur Aus-wahl standen das Modell der Neuseeländischen Staatsbi-bliothek und das daraus abgeleitete deutsche ModellLMER7 sowie das im Mai 2005 veröffentlichte Metadaten-schema PREMIS. Anhand eines typischen digitalen Objektsaus den Beständen des Bundesarchivs wurden die Mög-lichkeiten der einzelnen Metadatenschemata ermittelt.Dabei stellte sich PREMIS als der Kandidat mit dem aus-gefeiltesten Datenmodell und dem weitesten Anwen-dungsspektrum heraus. Mit Hilfe des veröffentlichtenPREMIS-Data Dictionaries8 und den veröffentlichten PRE-

4 www.langzeitarchivierung.de/downloads/memo2006.pdf.5 edoc.hu-berlin.de/series/nestor-materialien/2006-8/PDF/8.pdf.

6 www.medien.uni-goettingen.de/nestor/seminar_130106.htm.7 www.ddb.de/standards/lmer/lmer.htm.8 www.oclc.org/research/projects/pmwg/premis-final.pdf.

362 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

MIS XML-Schema Dateien wurden gültige XML-Doku-mente zur Erfassung von Langzeitarchivierungsmetadatenfür die DDR-Datenbankbestände des Bundesarchivs herge-stellt. Außerdem wurde das Metadatenschema PREMISum einige wichtige Elemente erweitert, die nun auch dieinhaltliche Erschließung der Datenbanken ermöglichen.Diese Elemente wurden bereits in das bestehende XML-Schema implementiert. Im ersten Halbjahr 2006 standendie Veröffentlichungen der gewonnenen Erkenntnisse imVordergrund. Ein erster Vortrag, auf dem die Nutzung vonPREMIS einem breiteren Fachpublikum vorgestellt wurde,fand auf der Tagung hist.06 im Februar statt. Danach wur-den die Möglichkeiten des Standards auf der 10. Tagungdes Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digi-talen Systemen“ vorgetragen9. Zu beiden Vorträgen wer-den Aufsätze in den entsprechenden Tagungsbänden ver-öffentlicht. Auf der nestor-Abschlussveranstaltung wur-den die Ergebnisse und die kommenden Anwendungsge-biete abschließend präsentiert10.

Der Antrag zur Förderung des Projekts nestorII beimBundesministerium für Bildung und Forschung wurdebewilligt. Bei diesem Projekt ist das Bundesarchiv für wei-tere drei Jahre Partner im Kompetenznetzwerk Langzeit-archivierung. Neben der Fortführung der AG „Vertrauens-würdige Archive, Zertifizierung“ stehen auch neue The-men wie „Grid-Computing“ im Projektplan. Hinzu kom-men weitere Arbeitsgruppen. Für die AG „Standards inden Bereichen Metadaten, Transfer von Objekten in digita-le Langzeitarchive und Objektzugriff“ wird das Bundesar-chiv gemeinsam mit der Staats- und UniversitätsbibliothekGöttingen verantwortlich sein.

Koblenz Karsten Huth

ein farbiges Muster von Wappen und Flagge ebenso wiedie Genehmigungs- bzw. Annahmeurkunde hinterlegt. Soist auch die Rechtsqualität der Wappen und Flaggen alsHoheitszeichen jederzeit überprüfbar und gesichert.

Als Zeugnis der vielfältigen und lebendigen Wappen-landschaft Schleswig-Holsteins präsentiert sich seit Januar2006 die kommunale Wappenrolle im Internet unterwww.landesarchiv.schleswig-holstein.de. Damit sindsämtliche schleswig-holsteinische Kommunalwappen on-line verfügbar und über ein Recherchemodul gezieltabfragbar. Zu den Suchkriterien, die sich beliebig kombi-nieren lassen, zählen neben der Kommune unter anderemauch die verwendeten Wappenfiguren, Genehmigungs-und Löschdaten, Entwurfsautoren, Kreiszugehörigkeitund Elemente der historischen Begründung.

Sämtliche Suchergebnisse sind illustriert: Sowohl dieErgebnisliste als auch das für jede Kommune angelegteDatenblatt verfügen über farbige Wappen- und Flaggen-muster, die sich durch Anklicken auf Bildschirmgröße ver-größern lassen. Die Datenbank wird nach Bedarf aktuali-siert, so dass jederzeit der aktuelle „Status quo“ verfügbarist.

Ergänzt wird die Datenbank durch einen Leitfaden, indem sowohl grundlegende und allgemein gültige Informa-tionen über die Gestaltung von Wappen und Flaggen, alsauch Schleswig-Holstein spezifische Informationen überrechtliche Aspekte und Wappenannahmeverfahren erläu-tert werden.

Die Resonanz auf die Wappenrolle ist bisher durchwegpositiv. Die überraschend hohe Zahl von durchschnittlich1000 Zugriffen im Monat belegt, dass die Wappenrolleeinen breiten Nutzer- und Interessentenkreis gefunden hat.

Schleswig Elke Strang

Benutzung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung

Aktionstag Geschichte in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg

Am 19. März 2006 veranstalteten das Stadtarchiv Villingen-Schwenningen und der Verein für Geschichte und Natur-geschichte der Baar im Kulturzentrum Franziskaner in Vil-lingen-Schwenningen einen Aktionstag Geschichte in derRegion Schwarzwald-Baar-Heuberg. Ziel der öffentlichenVeranstaltung war es, das vorhandene Defizit in der Kom-munikation unter den Geschichtsvereinen und Geschichts-initiativen der Region aufzuheben sowie dem zunehmen-den Verlust an kultureller Identität, der in den letzten Jah-ren durch den Verkauf von wertvollem Bibliotheks-,Archiv- und Museumsgut entstanden ist, zu begegnen.Ganz wichtig war das persönliche Kennenlernen vonGeschichtsvereinen untereinander und Archiven. Darüberhinaus ging es darum, der Öffentlichkeit zu zeigen, wasGeschichtsvereine, Initiativen und Archive leisten unddass beide, professionell geführte Archive und andereGeschichtshäuser einerseits und Vereine und Initiativenandererseits aufeinander angewiesen sind in ihrer Absicht,seriös fundierte Geschichtsarbeit zu leisten. Ein weitererSchwerpunkt war die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsför-derern und Marketingstrategen, vor allem war es dasBemühen, den eigenen historischen Standpunkt zu definie-ren und im Auge zu behalten und nicht in Nostalgiebestre-bungen abzudriften. Die Veranstaltung sollte das histori-

9 www.archive.nrw.de/dok/ak-du/tagung-03-2006-ppt-huth.pdf.10 www.langzeitarchivierung.de/downloads/nestor_2006_06_19_huth.pdf.

„Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein“ jetzt imInternet

Bis zum heutigen Tag haben weit über 800 Kommunen inSchleswig-Holstein ein Wappen angenommen, ohne dasssich ein Ende dieser Entwicklung abzeichnet. Gerade auchdie in Schleswig-Holstein anstehende Kommunalreformfördert die Wappenannahme, sei es durch die Zusammen-legung von Ämtern oder Gemeinden, sei es durch denWunsch, mit einem Wappen die Eigenständigkeit einerKommune zu betonen.

Die kommunale Wappenlandschaft in Schleswig-Hol-stein reicht bis ins Mittelalter zurück, als die Städte, die alsmilitärische Verteidigungsplätze oder als Hafenplätze anNord- oder Ostsee dienten, Wappen annahmen. Bis 1918blieb die Wappenführung jedoch auf Städte beschränkt,erst danach wurden auch die anderen Kommunalkörper-schaften, also Kreise, Ämter und Gemeinden, wappen-fähig.

Seit diesem Zeitpunkt ist das Landesarchiv bzw. seineVorgängerinstitution durch Beratung und Begutachtung ander Wappengestaltung beteiligt. Insbesondere die für Laiennicht immer einfache Blasonierung wird durch das Landes-archiv gefertigt. Von Beginn an führt das Landesarchivauch die kommunale Wappenrolle des Landes: Dabei han-delt es sich um das offizielle Verzeichnis aller in Schleswig-Holstein geführten kommunalen Wappen und Flaggen. Inihr sind die Blasonierung, die historische Begründung und

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sche Bewusstsein über den jeweiligen Kirchturm hinausintensivieren und Initiativen im regionalen Raum anregen.

An mehr als 20 Ständen stellten sich Geschichtsvereine,Initiativen, Archive und andere Geschichtshäuser mit ihrenAktivitäten und Programmen der Öffentlichkeit vor. Nachdem Diskussionsforum „Regionalgeschichte und Wirt-schaftsförderung“ am Vormittag präsentierten am Nach-mittag 10 Vereine und Initiativen ihre Projekte zur Erhal-tung historischer Gebäude und zur Erinnerung an ehe-malige Bürger.

Der Aktionstag war ein voller Erfolg. Mit 35 teilnehmen-den Archiven, Vereinen, Initiativen und rd. 600 Besuchernübertraf er die Prognosen der Veranstalter. Am Schluss der

Veranstaltung bekundeten die teilnehmenden Institutio-nen den Wunsch, dass der Aktionstag entweder in Villin-gen-Schwenningen oder in einer anderen Stadt der Regionwiederholt werden sollte. Sie waren erfreut, dass sie durchdiesen Tag mit vielen Menschen ins Gespräch gekommensind und andere Gruppen und Archive kennen gelernthaben. Es ist ein geschichtliches Netzwerk der Region ent-standen, an dem es gilt, weiter zu knüpfen. Kreisarchivund Stadtarchiv Rottweil bekundeten wenige Tage nachder Veranstaltung, den Aktionstag im Jahre 2008 wieder-holen zu wollen.

Villingen-Schwenningen Heinrich Maulhardt

„Der Ball ist rund!“

Fußball und andere Bälle im ArchivAls besonderen Beitrag zum kulturellen Rahmenpro-gramm der Fußball-Weltmeisterschaft zeigte das Haupt-staatsarchiv vom 13. Juni bis zum 28. Juli 2006 eine Aus-stellung zum Ball in der Geschichte. Stuttgart als promi-nenter Austragungsort von Gruppen- und Finalspielensteckt im WM-Fieber: Die Welt war jetzt auch hier zu Gastund entsprechend breit streute sich das kulturelle Angebotrund um den Ball.

Ausgehend von dem Motto des bundesweiten Tags derArchive „Der Ball ist rund“ stellte die Ausstellung dieGeschichte des Fußballs in den Mittelpunkt. Von den – neuentdeckten – Anfängen des europäischen Fußballspiels biszur aktuellen Fußball-WM 2006 wurde seine Entwicklunganhand zeitgenössischer Texte, Zeichnungen und Bilderpräsentiert. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die Stutt-garter Fußballvereine, allen voran der VfB. Eine audiovi-suelle Station ließ an große Fußballereignisse erinnern, undeine „historische“ Torwand lud zum Schießen mitSchweinsblasen ein. Damit wurde wiederum der Bogen zuden mittelalterlichen Formen des Spiels geschlagen, wie siejetzt schon für das frühe 11. Jahrhundert in Nordfrankreich

nachweisbar sind. Mehrere Prominententurniere unterBeteiligung der Generalkonsule von Italien, Frankreichund der Schweiz, die damit quasi die Vorspiele zu denLänderspielen ihrer Mannschaften gestalteten, boten atmo-sphärische und mediale Höhepunkte. Das Ende der Aus-stellung wurde dann mit einer Preisverleihung an dieerfolgreichsten Schützen des Schweinsblasenschießensinszeniert.

Neben dem Fußball wurden in der Ausstellung auchandere historische Bälle vorgestellt: Tanzbälle bei Hofe undBallett, fliegende Ballons oder die Erde als „Weltball“.Auch dabei wurde die Bezeichnung und die runde Formdes Balls assoziiert und eine begriffs- und formenge-schichtliche Verknüpfung der verschiedenen Bälle vermit-telt. Hier fanden sich Zeichnungen des berühmten Archi-tekten Heinrich Schickhardt zu Stuttgarter Ballhäusern ausdem 17. Jahrhundert neben barocken Veduten von höfi-schen Tanzbällen, Berichte von den ersten Ballonfahrtenneben frühen Weltkarten, die die Erde als Kugel zeigen.Die Erde als „Ball der Nationen“ schloss dann den Kreiszur aktuellen Fußball-WM, zum „Fußball der Nationen“.

Stuttgart Immanuel Pache/Peter Rückert

Eine mit Wildleder umhüllte Schweinsblaseals „historischer“ Fußball

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200 Jahre Religionsfreiheit in Württemberg – Der Wegzur ersten katholischen Stadtpfarrkirche von Stuttgart

Archivale des Monats September 2006 im Hauptstaatsarchiv StuttgartWar Württemberg gemäß den Bestimmungen des Augs-burger Religionsfriedens und des Westfälischen Friedensein geschlossenes evangelisches Territorium, so kamendurch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803, denPressburger Frieden von 1805 und die Rheinbundakte von1806 Angehörige anderer Konfessionen in größerer Anzahl,vor allem Katholiken, unter die Souveränität des neuenKönigreichs. Daher war es nur konsequent, dass der neueKönig diesen Verhältnissen Rechnung trug und im Religi-onsedikt vom 15. Oktober 1806 die drei wichtigsten christ-lichen Konfessionen – Lutheraner, Reformierte und Katho-liken – gleichstellte. Dieses Religionsedikt ist aber auchAusdruck jenes gewandelten Herrschaftsverständnisses,das als Ausdruck des souveränen Einheitsstaats denmodernen Staat vorbereitete und alle Bereiche des mensch-lichen Lebens zu erfassen suchte. Im Bereich der Religionbedeutete dies ein verstärktes Staatskirchentum, durch dasder Landesherr alle Bereiche des kirchlichen Lebens imEinzelnen regeln wollte.

Dementsprechend wurde den Stuttgarter Katholiken,die vorher auf die Hofkapelle im Alten Schloss angewie-sen waren, später dann Privatgottesdienste abhalten durf-ten, als Folge des Religionsedikts die Erlaubnis erteilt, eige-ne Pfarrgemeinden zu gründen. Dies führte in Stuttgartschließlich zur Errichtung der ersten katholischen Pfarrge-meinde, der zunächst die alte Garnisonkirche zur Ver-fügung gestellt wurde. Mit Dekret vom 30. Oktober 1807ordnete der König schließlich an, die 1775 beim SchlossSolitude westlich von Stuttgart erbaute evangelische Kirche abzubrechen und auf einem besonderen Platz ander unteren Königstraße wiederaufzubauen. Die Grund-steinlegung erfolgte am 7. September 1808, die Weihe aufden Namen des heiligen Erzbischofs Eberhard I. von Salz-burg im Jahre 1811.

Zur Erinnerung an den Erlass des Religionsedikts vor200 Jahren und die damit in Gang gesetzte Errichtung einereigenen Stuttgarter Stadtpfarrei veranstaltet das Haupt-staatsarchiv Stuttgart in Kooperation mit der heutigenDomkirche St. Eberhard im Rahmen seiner Ausstellungs-reihe „Das Archivale des Monats“ im September eine Kabi-nettsausstellung, in der dieser Weg von der privaten katho-lischen Religionsausübung in Stuttgart über den Erlass desReligionsedikts bis hin zur Weihe von St. Eberhard anhandvon Originaldokumenten und Exponaten aus dem Haupt-staatsarchiv Stuttgart, dem Staatsarchiv Ludwigsburg undder Dompfarrei verfolgt werden soll.

Stuttgart Bernhard Theil

Aus- und Fortbildung, berufsständische Angelegen-heiten

Vgl. auch den Beitrag „Stage Technique International d’Archives imWandel“ unten unter der Rubrik „Auslandsberichterstattung –Internationales“.

Bibliotheks- und Archiv-ManagementWeiterbildungsprogramme mit ZertifikatNach fünf Durchgängen des modularisierten Programms„Bibliotheks-Management“ und drei Durchgängen desProgramms „Archiv-Management“ hat das Weiterbil-dungszentrum der Freien Universität Berlin die beidenWeiterbildungsprogramme zusammengeführt und bietetnun ein integriertes Bausteinprogramm „Bibliotheks- undArchiv-Management“ an. Das Qualifizierungsprogrammrichtet sich an Führungskräfte in kleineren und größerenöffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken undArchiven bzw. an Mitarbeiter/innen, die solche Führungs-positionen anstreben. Es umfasst insgesamt neun Modulesowie zwei zusätzliche Seminare für „Alumni“. Drei derModule sind gemeinsame Pflichtseminare, vier gemeinsa-me Spezial- oder Wahlseminare, zwei spartenspezifischeWahlmodule entweder für Bibliotheks- oder für Archivmit-arbeiter/innen. Voraussetzung für den Erwerb des Zerti-fikats ist die erfolgreiche Teilnahme an den drei Pflichtmo-dulen und an mindestens drei Wahlmodulen. Das Start-seminar fand vom 23. bis 25. 10. 2006 statt, bei einem Semi-nar pro Monat endet die Reihe im Oktober 2007.

Ebenfalls vor allem an Führungskräfte richtet sich einweiteres dreiteiliges Weiterbildungsprogramm des Weiter-bildungszentrums der Freien Universität Berlin in Zusam-menarbeit mit dem Landesarchiv Berlin: „Bibliothekenund Archive bauen und ausstatten“ will die erforderlichenBasisqualifikationen für die unterschiedlichen Anforde-rungen – öffentliche Bibliotheken, wissenschaftliche Biblio-theken, kleine und große Bibliotheken, kleine und großeArchive – vermitteln und Bibliothekar/innen und Archi-var/innen befähigen, die immer schwierigen und auchkonfliktreichen Prozesse rund um das Bauen, Aus- undUmbauen und das Ausstatten von Bibliotheken und Archi-ven mitgestalten zu können. Begleitet werden die Semina-re von Exkursionen zu markanten Berliner Bibliothekenund Archiven, die in jüngster Zeit entsprechende Proble-me rund ums Bauen bewältigen mussten. Die dreitägigenSeminare (Beginn und Ende jeweils mittags) finden vom27. bis 29. 11. 2006 (Von der Idee zur Ausschreibung), vom 29. bis 31. 1. 2007 (Planung und Durchführung) und vom 12. bis 14. 3. 2007 (Ausstatten von Bibliotheken und Archi-ven) statt.

Die ausführlichen Programme finden Sie auf derHomepage des FU-Weiterbildungszentrums unterwww.fu-berlin.de/weiterbildung. Sie können auch als Broschüren im Weiterbildungszentrum telefonisch (030-8385 1458) oder per E-Mail ([email protected]) angefordert werden.

Berlin Rolf Busch

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 365

Fachverbände, Ausschüsse Tagungen

Geschichte im Netz – Archive im Netz?Bericht über die Tagung „.hist2006 Geschichte im Netz: Praxis,Chancen, Visionen“ Die Tagung „.hist2006“ wurde vom KooperationsverbundClio-Online veranstaltet und insbesondere von der DFGunterstützt. Beteiligt waren acht Partnereinrichtungen ausdem Bereich der Fachwissenschaft sowie Archive undBibliotheken. Die diesjährige Tagung knüpfte an die Dis-kussionen seit der Tagung „.hist2003: Geschichte und neueMedien“ an.

An der Tagung 22. bis 24. Februar 2006 an der Hum-boldt-Universität Berlin nahmen ca. 500 Personen ausWissenschaft, Archiven und Bibliotheken teil, wobei dieArchive in der Minderheit waren. Darüber hinaus beteilig-ten sich Verlage, Betreiber von Geschichtsportalen vonLaien (Heimatvereinen usw.) u.v.m., so dass das Spektrumbreit gefächert war. Ähnlich divergent war das Programm.An zwei Tagen fanden 12 Foren mit je bis zu acht Vor-trägen statt, jeweils drei parallel, dazu Einführungsvor-träge und Abschlussdiskussion. Die Themen reichten vonE-Learning bis zu Digitalisierungsprojekten von Archiven(s. zum Programm www.clio-online.de/hist2006).

Der Titel „Geschichte im Netz“ ist mehrdeutig zu ver-stehen. Insofern ging es um Vernetzung von geschichtswis-senschaftlichen Forschungsarbeiten und -diskussionensowie um die Nutzung des World Wide Web für die histo-rische Arbeit, Debatte und Lehre sowie als Medium zurBereitstellung von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut.

Prof. Dr. Wolfgang Schmale (Wien) hob in seinem Ein-führungsvortrag besonders die Veränderung von Wissens-strukturen, der Generierung und Aneignung von Wissendurch die Internetkultur hervor. Er sprach in diesemZusammenhang von der „Granularisierung“ und „Mo-dularisierung“ von Inhalten und deren Verknüpfung mitanderen Texten, wobei der „user“ die Verknüpfungenselbst vornimmt. Dies bedeute das endgültige Ende derautoritativen Meistererzählung und rufe mehr Offenheithervor. Letzteres ergibt sich auch durch die zahlreichenLaien und Lernenden, die Texte ins Netz stellen und überGeschichte diskutieren. Geschichte ist laut Schmale einesder beliebtesten Themenfelder im Internet. Allerdingsseien hierzu auch die von „Faktographie“ geprägten Sei-ten anlässlich von offiziellen Feierlichkeiten und Jubiläensowie Computerspiele z. B. zum Themenkomplex „2. Welt-krieg“ zu rechnen – eine Geschichtskultur, die Gegenstandvon kulturwissenschaftlichen Untersuchungen sein sollte.Die Geschichtswissenschaft sei hier gefragt, sich differen-zierend zu Wort zu melden. Schmale stellte in seinem Vor-trag eine Systemtransformation fest und diskutierte diesunter folgenden Aspekten: 1) Verflüssigung und Beschleu-nigung von Kommunikation, 2) Zielgruppen und Rolle derGeschichtswissenschaft, 3) Multimedialität, 4) Multidis-ziplinarität, 5) E-Learning mit der Folge einer erhöhten Ver-antwortung für den Einzelnen und 6) Geschichtswissen-schaft als Kollektiv, wobei er auf die zunehmende Bedeu-tung von Content Management Systemen verwies. SeinerMeinung nach werden künftig Kohärenzen durch Volati-vität, Fluidität und Hypertextualität erzielt. Schmales Analysen und Visionen erscheinen fast durchweg optimis-tisch, bisweilen euphorisch und daher streckenweise zuwenig kritisch.1

Im Allgemeinen war eine verbreiterte Kompetenz hin-sichtlich der Datenbanktechniken und ein gestiegenes Pro-blembewusstsein für die Notwendigkeit von Metadatenund Metadatenstandards festzustellen. Insofern gab eseine passable Verständigungsgrundlage zwischen derForschung auf der einen Seite und den Anbietern vonArchiv-, Bibliotheks- und Museumsgut auf der anderenSeite. Nicht zu verschweigen sind nach wie vor bestehen-de Verständigungsschwierigkeiten, die sich in der teil-weisen Ausblendung archivischer Belange bemerkbar ma-chen. Weniger problematisch, jedoch zunächst irritierendist die Subsumtion der Begriffe „Archiv-, Bibliotheks- undMuseumsgut“ sowie Online-Publikationen unter den ausdem Museumsbereich kommenden Terminus „Objekt“.Der Begriff „Objekt“ unterscheidet außerdem nicht zwi-schen Original oder Publikation, zwischen Findmittel, Voll-texten und Bildern. Diese begriffliche Zusammenfassungrührt u. a. aus dem bisweilen offensiven Bestreben, in„One-Stop-Shop“-Angeboten und mit Portallösungenzahlreiche divergente Informationen gleichzeitig anzubie-ten, was die Angleichungen der Metadatenstandards z. B.in Content Management Systemen (z. B. regionalgeschich-te.net, landesgeschichtliches Projekt an der UniversitätMainz) erforderlich macht. Dies ist aus Sicht der Archiveprinzipiell begrüßenswert, wenn die zugrunde gelegtenMetadatenstandards die fachgerechte Darstellung vonarchivspezifischen Informationen gewährleisten. Leiderwerden nach wie vor Internetprojekte gefördert, dieArchivgut entweder gar nicht berücksichtigen (z. B. vorge-stellte Wörterbuchprojekte in Werkstattgespräche 2, s. www.clio-online.de/hist2006/) oder in denen Archivgutzwar einbezogen wird, aber in den Datenmasken keineAngaben zu Metadaten über Archivalien (Signatur,Bestand usw.) vorgesehen sind (außer im Feld „Bemer-kung“) (s. z. B. die Wörterbuchprojekte der Berlin-Branden-burgischen Akademie der Wissenschaften „Preußen alsKulturstaat“, die strukturierte Informationserfassung mitdem „Archiv-Editor“ darstellen).

Besonders solche Vorhaben unterstreichen das notwen-dige Engagement von Archiven bei der digitalen Bereitstel-lung von historischen Informationen und die Präsenz vonArchiven im Internet sowie darüber hinaus in Geschichts-portalen. Auf das notwendige Engagement von Archivenauf diesem Feld verwies der Präsident des BundesarchivsProf. Dr. Hartmut Weber in seinem Grußwort. Laut Weberstellte die Tagung für Archivare einen Aspekt archivischer„Marktforschung“ dar. Er betonte, dass die Archive – auchim internationalen Verbund – viele Ressourcen darauf ver-wenden, insbesondere Findbücher zu digitalisieren undkündigte an, dass 500 Findbücher des Bundesarchivs imInternet verfügbar sein werden. Umso bedauerlicher ist es,dass keine Archivarin oder kein Archivar auf demAbschlusspodium mitdiskutierte.

Ansonsten war das Engagement des Bundesarchivs beidieser Tagung überdurchschnittlich. Vom Bundesarchivwurden z. B. das Projekt „nestor – Kooperative Strukturenfür die Überlieferungsbildung und ihr Nutzen für dieGeschichtswissenschaft“ (Dr. Andrea Hänger und Kar-sten Huth) und das Konzept eines archivsparten- undsprengelunabhängigen Findmittelkatalogs vom Bundesar-

1 Vgl. Epple, Angelika/Haber, Peter (Hg.), Vom Nutzen und Nachteildes Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0 (= Geschichte undInformatik/Histoire et Informatique 15), Zürich 2005.

366 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

chiv (Dr. Sebastian Barteleit) und der Staatsbibliothek zuBerlin – Preußischer Kulturbesitz (Robert Zepf, M.St.)unter dem bezeichnenden Titel „Struktur meets Schlag-wort – der Clio-online Findmittelkatalog“ vorgestellt.

Wie auch in den Vorträgen der Tagung „Forschung inder digitalen Welt“ im Staatsarchiv Hamburg, veranstaltetam 10./11. April 2006 vom Staatsarchiv und der Universi-tät Hamburg, unterstrichen wurde, besteht zurzeit ein gro-ßer Diskussionsbedarf sowohl seitens der Forschung alsauch der Archive über die Präsentation von „Wissen“ imInternet – vielleicht mehr noch als über Fragen der Bewer-

tung und Erschließung.2 Nun kommt es darauf an, dassArchivare und Forscher miteinander diskutieren, und dassv. a. Archive archivspezifische Anforderungen an Online-Findmittel auch im Portal-Verbund mit anderen Institutio-nen verstärkt in die Entwicklungen einbringen und ein-bringen können.

Detmold Bettina Joergens

2 S. a. Konferenz „Sinn und Nutzen von Datenbanken in den Geisteswis-senschaften“ an der Universität Leipzig, Institut für Theaterwissenschaf-ten, am 24./25.3.2006.

Projektarbeit, Archivpädagogik und Bildungsreform 2004

Karlsruher Konferenz zeigt neue Schwerpunkte für die histo-risch-politische Bildungsarbeit in Archiven

Die 7. Karlsruher Konferenz für Archivpädagogik am 10. März 2006 mit dem Thema „Nichtstaatliche Archive –Nutzen und Grenzen für Projektarbeit“ erreichte mit 146Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet einen neuenTeilnehmerrekord, der ihre inzwischen überregionaleBedeutung eindrucksvoll unterstreicht. Archivare, Lehrerund Wissenschaftler, Schüler aller Schulformen sowieStudenten bildeten ein anspruchsvolles und lebendigesPublikum, das den Organisatoren vom LandesarchivBaden-Württemberg, Abteilung GenerallandesarchivKarlsruhe, einiges an Organisationstalent abverlangte.

Das Problem unterschiedlicher Ausbildungsstände undInteressenlagen wurde überzeugend dadurch gelöst, dassman den jugendlichen Teilnehmern für die Zeit der wissen-schaftlichen Vorträge eine Führung durch Magazine undRäumlichkeiten des Generallandesarchivs an der Nördli-

chen Hildburgpromenade anbot, die, wie Schüler amNachmittag spontan äußerten, einem faszinierenden Ein-blick in eine geheimnisvolle Welt jenseits von Benutzersaalund Foyer gewährte. Für die übrigen Teilnehmer stand derVormittag im Zeichen zweier anspruchsvoller, von derThematik her grundverschiedener und sich trotzdem sinn-voll ergänzender Vorträge.

Nach der Begrüßung durch Professor Dr. Volker Rödelerläuterte Dr. Robert Kretzschmar, der Vorsitzende desVerbands deutscher Archivare, als erster Referent die Mög-lichkeiten der Nutzung von Beständen in nichtstaatlichenArchiven. Er legte den Schwerpunkt seiner Ausführungenauf die Auswertung eines Fotos, an dessen Details er dieBedeutung und die Möglichkeiten einzelner Archive, ein-zelner Bestands- und Quellengattungen für die bildungs-politische Arbeit in und mit Archiven erläuterte – gestütztauf eine Beamerpräsentation, die graphisch wesentlicheElemente seiner Ausführungen sofort auch für den Nicht-fachmann erkennbar machte. Die Vielzahl der Archive, dieMaterialien für die Arbeit von Bildungsinstitutionen bereit-

Beginn der Tagung im Vortragssaal des Landesmedienzentrums (Foto: LMZ BW)

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 367

halten, war für die anwesenden Nichtarchivare erstaun-lich, erfuhren sie doch, dass in den Archiven Stuttgarts (dieKretzschmar in den Mittelpunkt seiner Ausführungengestellt hatte) wahre Schätze lagern, die keineswegs immerklassischen Bestandsdefinitionen entsprechen. Dass dabeiauch Hörfunk- und Fernsehproduktionen, Dokumentarfil-me und dreidimensionale Objekte auftauchen können undArchivgut durchaus auch in Bibliotheken zu finden seinkann, war für viele Zuhörer neu. Dr. Kretzschmar ergänz-te seine Ausführungen durch Hinweise auf entsprechendeInternetportale und die Homepages größerer Archive undwies auf die Möglichkeit der vernetzenden Recherche imInternet hin, bevor er abschließend eine Übersicht überArchivtypen und die in ihnen zu erwartenden Dokumen-ten- bzw. Quellenarten gab, die für die Arbeit im bildungs-politischen Sektor wichtig sein können, und sie mit weni-gen Worten anschaulich charakterisierte. In seinen Schluss-sätzen betonte Dr. Kretzschmar, dass die historisch-politi-sche Bildungsarbeit sich nicht scheuen dürfe, auch Schütterzonen wie die so genannte graue Literatur, Doku-mentationen und Bibliotheksgut für ihre Arbeit zu nutzenund dass die Recherche im Archiv für alle Beteiligten –Archivare wie Pädagogen – einen besonderen Reiz habe,da sie viele Perspektiven ermögliche und durch sie auchimmer wieder neue Perspektiven entstehen – eine Aussa-ge, die in der von Prof. Dr. Rödel geleiteten anschließen-den Diskussion durch das Schlagwort von der Komplexi-tät und dem Reichtum des Vorgangs der Recherche aufge-griffen, vertieft und gleichzeitig auch kritisch hinterfragtwurde.

Im zweiten Vortrag des Vormittags mit dem Titel„Archivpädagogik und Bildungsreform 2004“ setzte sichDr. Thomas Hölz vom Kompetenzzentrum für Geschicht-liche Landeskunde im Unterricht am Haus der GeschichteBaden-Württembergs als Vertreter des Kultusministeriumsintensiv und sehr grundsätzlich mit den Konsequenzender Bildungsreform 2004 für die Zusammenarbeit vonSchule und Archiv auseinander. Nach seinen Ausführun-gen markiert das Jahr 2004 eine grundlegende Weichenstel-lung für eine neue Lernkultur in Baden-Württemberg, einefundamentale Reform des Bildungswesens, den Beginneiner Entwicklung hin zu einer zukunftsorientierten,modernen Schule, in der der Lernort Archiv ein größeresGewicht haben werde als bisher. Ein fundamentaler Per-spektivenwechsel lasse Schülerinnen und Schüler vonLernobjekten, die mit Wissen und Erkenntnissen konfron-tiert werden, zu Lernsubjekten mit Handlungs-, Entschei-dungs-, Verantwortungs- und Teamkompetenz werden.Dieser Perspektivenwechsel bringe eine noch nicht über-schaubare Veränderung der Lernkultur mit sich, derenZielperspektive die Ausbildung einer ganzheitlichen Per-sönlichkeit sein müsse. Bei dieser Zielperspektive könnenArchive mit ihren im vorangehenden Vortrag dargestell-ten Möglichkeiten eine Schrittmacherfunktion überneh-men, da in ihnen politisch verantwortliches Handeln undhistorisches Bewusstsein geradezu paradigmatisch vermit-telt werden können. Mit seinen unterschiedlichen Quellen-arten und Beständen bediene das Archiv die verschieden-sten geschichtswissenschaftlichen Disziplinen in hervorra-gender Weise und ermögliche fächerübergreifenden, ver-netzenden Unterricht wie kein zweiter Lernort. Ein weite-res Postulat verantwortungsbewusster Bildungspolitikwerde durch das Archiv genauso erfüllt: Lokal- und Regio-

nalgeschichte müsse im Unterricht einen größeren Platzeinnehmen, und das erzeuge eine erhöhte Nachfrage nachQuellen aus diesem Bereich, den nur Archive befriedigenkönnen. Dieses Postulat stehe nicht in Konkurrenz zu Ver-mittlung von Grundzügen nationaler, europäischer oderuniversaler Geschichte, sondern sei eine notwendige,unverzichtbare Ergänzung zu ihr. Aus diesen Überlegun-gen heraus werde es für Lehrer aller Schulformen inZukunft verbindlich, lokal- und regionalgeschichtlicheBeispiele in den Unterricht einzubringen. Ausdrücklichgenannt werde der Lernort Archiv in den neuen Kernlehr-plänen für die Realschule und das Gymnasium, für alleanderen Schulformen sei er im Sammelbegriff der außer-schulischen Lernorte enthalten. Es sei also mit einer ver-stärkten Nachfrage nach Unterrichtsangeboten aus demBereich Archiv zu rechnen, neue Formen der Unterrichts-organisation wie z. B. der Fortfall strikter Zeitraster für denUnterrichtsablauf kämen den Eigenheiten dieses Lernortesentgegen. Da bei kleineren Archiven häufig keine Möglich-keit zur Betreuung größerer Besuchergruppen besteht, for-dert Dr. Hölz: „Das Archiv muss gegebenenfalls mit seinenAngeboten in die Schule gehen“, die „Erlebniswelt Archiv“müsse die Schule in Form des konkreten Archivale errei-chen. Aus diesen Ausführungen ergebe sich zwingend eineenge Zusammenarbeit zwischen den Institutionen überbisher bestehende Kooperationsprojekte hinaus. Um dieskizzierten Ziele zu erreichen, sei ein Netzwerk vonArchivpädagogen aufzubauen, es müsse einen regelmäßi-gen Informationsaustausch zwischen Schule und Ministe-rium geben. Beide Institutionen sollten gemeinsam ent-sprechende Flyer und Informationsbroschüren herausge-ben, über gelungene Projekte im Internet berichten unddort auch entsprechende Angebote einstellen, gegebenen-falls auch Internetportale schaffen, in denen geeigneteAchivalien, Materialsammlungen einsehbar und Diskussi-onsforen für den Meinungsaustausch vorhanden seinmüssten. Für weiter wünschenswert hielt der Referent diesystematische Einbeziehung der Archive in die Angeboteder Lehrerfortbildung und forderte ferner einen Ausbil-dungsabschnitt „Archivnutzung“ während des Studiumsund eine Einheit „Archivpädagogik“ in der Phase derpraktischen Lehramtsausbildung.

Die sich an dieses Referat anschließende, erneut vonProf. Dr. Rödel geleitete Diskussion zeigte allerdings, dassder skizzierte Weg lang werden wird: Zurückgehende Mit-telzuweisungen zwingen die Schulverwaltungen in derRealität zur Kürzung bisher bestehender Abordnungenund zur Streichung von Fortbildungsangeboten, die Haus-haltssituation lässt keine Änderung dieser Tendenz erwar-ten. Die vom Referenten immer wieder angemahnte Not-wendigkeit einer Bewusstseinsänderung der Lehrer undeiner Sensibilisierung für die großen Möglichkeiten derneuen Lehrpläne wurde von den Anwesenden zurückhal-tend aufgenommen und kontrovers beurteilt, da vorgese-hene Freiräume der Lehrpläne in der Realität nicht vor-handen seien. Von Seiten der Archive wurde ein intensive-rer Informationsaustausch mit der Schulverwaltung unddem Ministerium angeregt, da es auf Dauer unbefriedi-gend sei, von Veränderungen im Bildungswesen immernur aus der Tageszeitung zu erfahren. Konsequenterweisewaren sich alle Anwesenden darin einig, dass ein intensi-verer Informationsaustausch zwischen beiden Institutio-nen eine absolut notwendige Voraussetzung für eine

368 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

erfolgreiche Zusammenarbeit sei. Die von Dr. Hölz ange-kündigten Internetangebote des Kompetenzzentrums fürgeschichtliche Landeskunde im Unterricht können einerster Schritt in diese Richtung sein.

Der von Dr. Clemens Rehm in gewohnt souveräner Artvorbereitete Markt der Möglichkeiten am Nachmittagergänzte die Vorträge des Vormittags optimal. Er zeigte ineinem anschaulichen, beeindruckenden Querschnitt vieleErgebnisse archivpädagogischer Arbeit. Von Beiträgen fürden Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten bis zuarchiv- und museumspädagogische Bereiche vernetzendenProjekten des Jüdischen Museums in Berlin, von spieleri-scher Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheitbis zur perfekten Powerpointpräsentation, von den Hand-zeichnungen einer Grundschulklasse bis zum professionellinszenierten Angebot des Landesmedienzentrums warenalle Schul- und Bildungsbereiche, alle Altersstufen undverschiedenste Gruppen und Institutionen beteiligt.

Eine große Zahl von Projekten zeigte auch die erfri-schende Unbekümmertheit, mit der junge Menschen sichan Themen aus vergangenen Lebenswelten heranarbeiten– und sich teilweise plötzlich in ihrer Gegenwart wiederfinden und sich Gedanken über die Zukunft machen. Fürdiese Teilnehmer der Tagung war die Anwesenheit vonProfis der historisch-politischen Bildungsarbeit eine inter-essante Erfahrung, da sie in Gesprächen mit FachleutenAnregungen erhielten, wie sie ihre Arbeit fortsetzen undweiterentwickeln können.

Am Ende der als rundum gelungen zu bezeichnendenTagung, bei deren Vorträgen richtungsweisende Impulsefür die weitere archivpädagogische Arbeit in Baden-Wür-temberg formuliert, aber auch kontrovers diskutiert wur-den, dankte Dr. Rehm allen Anwesenden und kündigteeine Fortsetzung der Karlsruher Konferenz für Archivpäd-agogik im Jahre 2007 an. Es ist erneut ein spannendesThema zu erwarten.

Detmold Dieter Klose

Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagenaus digitalen Systemen“ am 14./15. März 2006 in Düsseldorf„Planungen, Projekte, Perspektiven – Zum Stand derArchivierung elektronischer Unterlagen“ lautete dasThema der 10. Tagung des Arbeitskreises „Archivierungvon Unterlagen aus digitalen Systemen“. Der Einladungdes Landesarchivs Nordrhein-Westfalen waren rund 60Teilnehmer(innen) gefolgt, die sich vom 14. bis 15. März2006 in der Düsseldorfer Staatskanzlei trafen. In seinerBegrüßungsrede wies der Präsident des LandesarchivsNRW, Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, darauf hin, dassder nunmehr seit 10 Jahren bestehende Arbeitskreis seinenAusgang ebenfalls in Nordrhein-Westfalen genommen hatund 1997 auf einer Tagung in Münster ins Leben gerufenworden war. Seither habe sich zwar die Technik enormgewandelt, wichtige Problemlagen für den eigenen Berufs-stand im Umgang mit elektronischer Archivierung wieRechtsfragen, Kosten sowie die Zusammenarbeit mitBehörden seien jedoch aktueller denn je.

In der ersten, von der Tagungsorganisatorin Dr. Barba-ra Hoen (Landesarchiv NRW) geleiteten Sektion standendie IT-gestützte Vorgangsbearbeitung und elektronischeAkten im Mittelpunkt. Thomas Schärli (Fachstelle Daten-logistik des Kantons Basel-Stadt) berichtete über die Er-fahrungen der schweizerischen Organisation eCH(www.ech.ch), die mit Standardisierungsempfehlungendie Einführung von E-Government- und digitalen Vor-gangsbearbeitungssystemen auf Bundes-, Kantons- undGemeindeebene sowie in privaten Unternehmen zu för-dern versucht. So gelang es, die ISO 15489 (RecordsManagement) als eCH-Standard zu verabschieden. Proble-matisch sei jedoch nach wie vor die praktische Umsetzungdieser Normen, die durch die föderale Struktur zusätzlicherschwert werde. In Vertretung von Dr. Margit Ksoll-Marcon (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München)berichtete Dr. Karl-Ernst Lupprian (Generaldirektion derStaatlichen Archive Bayerns) über die Einführung eines

Markt der Möglichkeiten aufder Ausstellungsebene desLandesmedienzentrums(Foto: LMZ BW)

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Dokumentenmanagementsystems in der bayerischenStaatsverwaltung (Projekt „ELDORA“). Ein „Competence-Center“ (CC DMS) begleite den Prozess, an dem auch dieStaatliche Archivverwaltung beteiligt sei. So wurde einBayern-Standard für die gesamt Vorgangsbearbeitung ein-schließlich Schriftgutverwaltung festgelegt, der sich mitkleineren Abweichungen am DOMEA-Standard orientiere,sowie ein Projektleitfaden als Handbuch für die Benutzerentwickelt. Als Langzeitspeicherformat würden PDF/Afür die Images sowie XML für die Metadaten verwendet.Im Anschluss hielt Rainer Ullrich (Infora GmbH, Köln)ein Plädoyer für eine geordnete Schriftgutverwaltung imPapierbereich als Erfolgsfaktor für die Einführung elektro-nischer Akten. Angesichts der zunehmenden Nachlässig-keit in diesem Bereich, die durch den meist ungeregeltenEinsatz der Möglichkeiten moderner E-Mail-Systemezusätzlich gefördert würden, seien intensive Schulungenim Vorfeld von DMS-Einführungen unumgänglich. Diesbestätigte auch Dr. Andrea Wettmann (SächsischesStaatsarchiv Dresden) in ihrem Praxisbericht am BeispielSachsens. Das Staatsarchiv fungiert bei der Einführung derelektronischen Vorgangsbearbeitung als Berater in denThemenbereichen Schriftgutverwaltung und Archivierungund stieß hierbei auch auf das Problem, dass beispielswei-se die veralteten Aktenpläne den Anforderungen der Wirk-lichkeit kaum noch entsprechen. Im Zusammenhang miteinzelnen Pilotprojekten wurden daher Standards undEmpfehlungen sowie ein Leitfaden als Handbuch für dieAnwender entwickelt. Hinsichtlich der Archivierung müs-sen zusätzlich noch organisatorische Rahmenregelungengetroffen werden.

Die zweite Sektion beschäftigte sich mit der Archivie-rung von Webseiten sowie elektronischen Publikationen.Angela Ullmann (Parlamentsarchiv des Deutschen Bun-destags, Berlin) stellte das 2005 begonnene Projekt zur dau-erhaften Archivierung des Internetangebots des DeutschenBundestags vor. Ein Workflow wurde hierzu entwickelt,der unter anderem die Stufen Bewertung, Umleitung vonLinks, Konvertierung und auch die Erschließung umfasst.Die bislang archivierten Snapshots der Domain www.bun-destag.de werden in Kürze in einem Internetarchiv auchfür den externen Benutzer online zur Verfügung gestellt.Im Anschluss referierte Hans Liegmann (Die DeutscheBibliothek, Frankfurt) über das inzwischen von mehrerenNationalbibliotheken eingesetzte Web-Harvesting zurErmittlung und Erfassung elektronischer Publikationen imInternet. Sein Überblick über die möglichen Methoden (flä-chige Auswahl versus fokussierte Auswahl von Internet-ressourcen) mündete im Hinweis auf die auch für Archivenützlichen Tools des International Internet PreservationConsortium (www.openarchives.org). Mit dem ProjektKopal (Kooperativer Aufbau eines Langzeitarchivs digita-ler Informationen) stand die Archivierung digitaler amtli-cher Druckschriften im Mittelpunkt der AusführungenReinhard Altenhöners (Die Deutsche Bibliothek, Frank-furt). Die bevorstehende Ausweitung des Sammelauftragsder Deutschen Bibliothek auf digitale Veröffentlichungenerfordere den Aufbau einer technischen Infrastruktur zurLangzeitarchivierung, was derzeit in Zusammenarbeit mitKooperationspartnern (u .a. Library of Congress) geschehe.Auf die verstärkte Zusammenarbeit von Archiven undBibliotheken hob schließlich Dr. Michael Häusler (Archivdes Diakonischen Werks des EKD, Berlin) ab, der den in

Gründung befindlichen Arbeitskreis „Archive/Bibliothe-ken des DBV und VdA“ vorstellte. Er wird künftig einInformationsforum bieten für Fragen und Probleme wiebeispielsweise in der Ausbildung, Bestandserhaltung oderLangzeitarchivierung, die Archive und Bibliotheken glei-chermaßen betreffen. Der Arbeitskreis wird für Interessier-te aus beiden Berufssparten offen sein (weitere Hinweiseunter http://staatsbibliothek-berlin.de/deutsch/verei-ne/arbeitskreis_bibliothek.html).

Mit der „Archivierung elektronischer Unterlagen“ standin der dritten und letzten Sektion ein weiteres Kernthemades Arbeitskreises im Mittelpunkt. Georg Büchler von der„Koordinierungsstelle für dauerhafte Archivierung elek-tronischer Unterlagen“ (KOST) stellte diese 2004 gegrün-dete Institution als Gemeinschaftsunternehmen vonSchweizer Archiven vor (www.kost-ceco.ch). Auf derGrundlage einer Verwaltungsvereinbarung der Schweize-rischen Eidgenossenschaft, des Fürstentums Liechtensteinssowie der meisten Kantone verfolgt sie das Ziel, die teil-nehmenden Archive in Fragen der digitalen Archivierungzu beraten. Einerseits fungiert die KOST als Informations-gremium, anderseits begleitet sie in mehreren Pilotprojek-ten (z. B. Archivierung des digitalen Handelsregisters) ein-zelne Archive beim Aufbau modellhafter Workflows undInfrastrukturen. Dr. Karl Ernst Lupprian (Generaldirek-tion der Staatlichen Archive Bayerns) berichtete über Ver-lauf und Ergebnisse eines DFG-Projekts in Bayern, dasunter anderem die Frage klären sollte, ob das MediumMikrofilm für die Langzeitarchivierung von digitalemAktenschriftgut in organisatorischer, technischer wiefinanzieller Hinsicht geeignet ist. In Zusammenarbeit mitdem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gab es bereitskonkrete Verfahrenstests; auch hinsichtlich der Ausbelich-tung der Mikrofilme konnten erste Ergebnisse erzielt wer-den. Derzeit werde an der Realisierung eines Online-Find-mittels gearbeitet und die Redigitalisierung der Mikrofil-me geprüft. Die Suche nach einem geeigneten technischenMetadatenschema für die digitale Langzeitarchivierungstand im Mittelpunkt der Ausführungen von KarstenHuth (Bundesarchiv Koblenz). Verschiedene Modellewurden hinsichtlich ihrer allgemeinen Verwendbarkeit(international, für sämtliche Datentypen geeignet, frei ver-fügbar) analysiert. Vielversprechend sei in diesem Zusam-menhang PREMIS, ein internationales Schema, das aufdem OAIS-Standard basiert.

Anlässlich seiner nunmehr zehnten Tagung stand auchder Arbeitskreis selbst im Mittelpunkt eines Vortrags. Dr.Barbara Hoen zog rückblickend eine erste Bilanz. In Ana-lyse der bisherigen Tagungen stellte sie eine Dominanz derStaatsarchive (v. a. Bundesarchiv, Sachsen, Bayern) fest,wobei in letzter Zeit zunehmend auch Unternehmen ausder Software- und Beratungsbranche referiert hätten. Auchsei versucht worden, über den nationalen Tellerrand hin-auszuschauen, wobei vor allem Referenten aus derSchweiz gewonnen werden konnten. Mit Blick auf dieursprünglich gesetzten Schwerpunkte um Strategien zurLangzeitarchivierung, die Einführung elektronischer Vor-gangsbearbeitungssysteme wie auch die Archivierung vonDaten aus Fachverfahren stellte sie kritisch fest, dass ins-besondere der letzte Punkt kaum noch eine Rolle gespielthabe. Problematisch sei nach wie vor die starke Abhängig-keit des Arbeitskreises von persönlichen Faktoren, wasauch auf die unzureichende institutionelle Anbindung der

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elektronischen Archivierung in den Archiven zurückgehe.Dennoch sei im letzten Jahrzehnt die Kompetenz derArchive in diesem Themenbereich enorm gewachsen.

Das letztlich positive Resümee wurde auch von den Teil-nehmern der Tagung übernommen, so dass an der Fortfüh-rung des Arbeitskreises festgehalten wird. Im weiteren Ver-lauf der Diskussion gab es zahlreiche Anregungen fürkünftige Themen etwa hinsichtlich einer eindeutigen Ter-minologie im Umgang mit digitalen Daten oder der Archi-vierung von Fachverfahren sowie von Datentypen, dienicht der klassischen Vorgangsbearbeitung entsprechen(z. B. Datenbanken, Internetauftritte). Auch sollen künftigüber die Systemeinführung hinaus der gesamte Lebens-zyklus digitaler Unterlagen betrachtet und auf Bereichewie Bewertung, Aufbereitung, Erschließung und auchBenutzung besonders eingegangen werden.

Mannheim Harald Stockert

58. Westfälischer Archivtag 2006 in Bad Oeynhausen

Am 14. und 15. März 2006 fand auf Einladung der StadtBad Oeynhausen der 58. Westfälische Archivtag im Thea-ter im Kurpark statt. Im Mittelpunkt der Tagung standendie Themen „Kooperation zwischen den Archivsparten“und „Bau und Einrichtung von Archiven – aktuelle Bei-spiele aus Westfalen-Lippe“.

Zur Eröffnung des Archivtages konnte der Leiter desWestfälischen Archivamtes, Prof. Dr. Norbert Reimann,den Bürgermeister von Bad Oeynhausen, Klaus Mueller-Zahlmann, den stellvertretenden Landrat des KreisesMinden-Lübbecke, Alfred Raschke, den Vorsitzenden desVerbandes deutscher Archivarinnen und Archivare, Dr.Robert Kretzschmar, und den Direktor des GeldersArchief in Arnhem, Prof. Dr. Frank Keverling Buisman,sowie mehr als 180 Archivarinnen und Archivare ausWestfalen und benachbarten Regionen begrüßen.

Der Eröffnungsvortrag von Dr. Hansjörg Riechert,dem Leiter des Kreisarchivs Lippe, befasste sich mit derGeschichte der Luftfahrt in Ostwestfalen und Lippe undinsbesondere mit der Erarbeitung einer Ausstellung zu die-sem Thema, die unter dem Titel „Ikarus-Maschinen“ abMitte Mai 2006 im Freilichtmuseum Detmold zu sehen ist.Nähere Informationen sind zu finden unter: www.luft-fahrt-owl.de.

In der 1. Arbeitssitzung, die sich unter Moderation vonDr. Gunnar Teske mit der „Kooperation zwischen denArchivsparten“ befasste, zog Prof. Dr. Bernd Hey, Leiterdes landeskirchlichen Archivs Bielefeld, der in diesem Jahrin den Ruhestand tritt, eine Bilanz seiner langjährigenTätigkeit, in der er die Besonderheiten seiner Institutionhervorhob, die sich insbesondere in der dezentralen Pfarr-archivpflege zeigt. Hinsichtlich einer Kooperation mitanderen Archiven wünschte er eine stärkere wissenschaft-liche Zusammenarbeit und einen intensiveren Informati-onsaustausch, dem auch das Gemeindebuch Rechnungtragen soll, das derzeit für den Bereich der evangelischenKirche in Westfalen erarbeitet wird.

Gegenüber dem Archiv der evangelischen Kirche, dasklare Kompetenzen und Aufgaben wahrnimmt, ist dasBergbau-Archiv in Bochum, wie Dr. Michael Farrenkopfbetonte, eine Einrichtung, die hinsichtlich ihres Samm-lungsgebietes in Konkurrenz mit anderen Archiven steht.Notwendig sind Absprachen und Abgrenzungen mit kom-

munalen und staatlichen Archiven und mit den übrigenArchiven der Wirtschaft. Nur durch eine vertrauensvolleZusammenarbeit und eine nach außen erkennbare Profilie-rung ist eine eigenständige Arbeit möglich.

Von einer wohl einmaligen Einrichtung im Bundesge-biet berichtete Anja Moschke. Im Archivverbund Bautzenbefinden sich städtisches und staatliches Archivgut untereinem Dach. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen demFreistaat Sachsen und der Stadt Bautzen konnte die staat-liche Überlieferung der Oberlausitz, die innerhalb Sach-sens eine verfassungsgeschichtliche Sonderstellung ein-nahm, für die Region gesichert werden. Für die Errichtungdes Archivverbundes ist sogar das sächsische Archivgesetzentsprechend abgeändert worden.

Die Kooperation zwischen dem Landesarchiv Nord-rhein-Westfalen und den Kommunalarchiven behandelteFrau Dr. Prieur-Pohl vom Staatsarchiv Detmold. Dabeiging sie auf zwei Komplexe ein: 1. die Archivierungsmo-delle, die derzeit vom Landesarchiv entwickelt werden,und die Zusammenarbeit von staatlichen und kommuna-len Archiven bei der Überlieferungsbildung und 2. diehistorische Bildungsarbeit am Staatsarchiv Detmold, demKreisarchiv Lippe und Stadtarchiv Detmold personellangegliedert sind. Kritisch musterte dann Dr. Claudia Becker vom Stadtarchiv Lippstadt die staatlichen Doku-mentationsstrategien aus kommunaler Sicht, wobei sie miteinem historischen Rückblick an frühere Überlegungen zurÜberlieferungsbildung erinnerte.

In der anschließenden Diskussion, die von Dr. RobertKretzschmar geleitet wurde, verwies dieser einführendauf drei Bereiche, bei denen eine Kooperation der Archivesinnvoll und notwendig sei: 1. bei der Überlieferungsbil-dung, 2. bei der Erschließung und dem Informationsaus-tausch und 3. bei der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.Pragmatische Verbünde seien gerade auch bei der Restau-rierung und der Archivierung elektronischer Unterlagensinnvoll. Die recht lebhaft geführte Diskussion beschäftig-te sich zunächst mit den vom Landesarchiv angestrebtenArchivierungsmodellen, auf die sich die Kommunalarchi-vare hinsichtlich der Auswirkung auf die regionale Über-lieferungsbildung mehr Einfluss wünschen, ging dann aufkonkrete Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in der histo-rischen Bildungsarbeit und der Absprache beim Erwerbnichtstaatlichen Archivguts über. Einigkeit herrschte darin,dass sich die Dokumentationsziele einem klar definiertenÜberlieferungsprofil zuordnen lassen müssen.

Anschließend bestand die Möglichkeit zur Besichtigungdes neuen Stadtarchivs in Bad Oeynhausen. Der Abendschloss mit einem Empfang durch den Bürgermeister undeinem Abendessen auf Einladung der Stadtsparkasse BadOeynhausen.

Die Arbeitssitzung am zweiten Tag, moderiert von Rick-mer Kießling, widmete sich dem Bau und der Einrich-tung von Archiven. Trotz knapper werdender Mittel sindin Westfalen gerade in den letzten Jahren eine Anzahl vonArchiven in neue Räumlichkeiten umgezogen und habenverbesserte Arbeitsmöglichkeiten erhalten oder befindensich in der heißen Planungs- und Umsetzungsphase. Sehrhäufig handelt es sich um ältere städtische Gebäude, dieeiner neuen Nutzung zugeführt werden und für die Belan-ge des Archivs entsprechend umgestaltet werden müssen.

Während Rico Quaschny für Bad Oeynhausen dar-stellte, wie die ehemalige Stadtbücherei in ein Stadtarchiv

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mit zeitweiliger schulischer Nutzung umgewandeltwurde, wird das Stadtarchiv Lübbecke, dessen bisherigeunzureichende Unterbringung von Christel Drostebeschrieben wurde, künftig in Räumen einer Hauptschuleuntergebracht werden. Tim Begler schilderte seine Erfah-rungen in Lüdenscheid aus dem Umbau einer Turnhalle zueinem Stadtarchiv und empfahl eine intensive Begleitungund Kontrolle der baulichen Maßnahmen. DauerhafteKontrolle ist auch im neuen Stadtarchiv Hamm nötig, dasvon Ute Knopp vorgestellt wurde, da sich ein Teil derMagazinräume unter dem Grundwasserspiegel befindet.Das Stadtarchiv Siegen, so der Archivleiter Ludwig Bur-witz, soll im November 2006 in einem ehemaligen Kauf-haus eröffnet werden, wo es endlich die Ausdehnung undAusstattung erhält, die seit Jahrzehnten zugesagt sind. Ver-mehrt um weitere Beiträge sollen die auf dem Archivtaggehaltenen Vorträge zu Bau und Einrichtung von Archivenin einer gesonderten Publikation zusammengefasst wer-den, die Vorträge des ersten Tages werden in der ZeitschriftArchivpflege in Westfalen-Lippe im Herbst 2006 erscheinen.

In der von Prof. Reimann geleiteten Aktuellen Stundeging es um die Entsäuerung von Archivalien, die Retrokon-version von Findmitteln, wozu Prof. Dr. Wilfried Reining-haus vom Landesarchiv Erläuterungen gab, den Internet-auftritt der Archive NRW, den Arbeitskreis EDV-Anwen-dungen in der Verwaltung in OWL und den Tag der Archi-ve am 6. und 7. Mai 2006.

Bevor der Archivtag, der dank des Einsatzes von Stadt-archivar Rico Quaschny organisatorisch sehr erfolgreichablief, mit dem gemeinsamen Mittagessen und einer Stadt-führung schloss, lud Michael Gosmann die Teilnehmerzum 59. Westfälischen Archivtag am 27. und 28. März 2007nach Arnsberg ein.

Münster Wolfgang Bockhorst

7. Arbeitstagung des Verbandes Schleswig-Holsteini-scher Kommunalarchivarinnen und Archivare e.V.

Die 7. Arbeitstagung des Verbandes Schleswig-Holsteini-scher Kommunalarchivarinnen und Archivare e.V. fand am22. März 2006 in Rendsburg statt, Schwerpunktthema wardie Kartensammlung. Im Gegensatz zu den letzten Jahrenwar sie eintägig. Die 1. Vorsitzende Jutta Briel begrüßtedie Kolleginnen und Kollegen und dankte dem Organisa-tionsteam. In der Einführung wies sie auf die Bedeutungder Karten als Quelle, aber auch auf die Probleme derErschließung und Konservierung im Archiv hin. Sie for-derte die Kolleginnen und Kollegen auf, trotz Aufgaben-fülle und Arbeitsdruck, Wert auf die Qualität der Arbeit zulegen.

Den Einführungsvortrag hielt Lennart Buhr, Mitarbei-ter der Stadt Wedel. In seinem Vortrag „Immer auf derFlucht – Wesen, Instrumente und Inhalt kommunaler Bau-leitplanung von 1875 bis heute“ gab er einen umfassendenBericht über die kommunale Bauleitplanung in Schleswig-Holstein seit der Inkorporation Schleswig-Holsteins nachPreußen. Als Gruselkabinett des Städteplaners bezeichne-te Buhr die Vielzahl der unterschiedlichen Pläne wie Flä-chennutzungspläne, Bebauungspläne, Fluchtlinienpläneund Aufbaupläne. An konkreten Beispielen erklärte er diePläne und stellte anhand von Beispielen aus unterschied-lich großen Städten dar, wie verschieden die Pläne, obwohlnach einheitlichen Kriterien erstellt, tatsächlich aussehenkönnen. Für die Interpretation der Karten sei wichtig, sich

immer vor Augen zu halten, dass nur der geplante Zustanddargestellt werde, der aber nicht unbedingt umgesetztworden sein müsse bzw. von dem durch Gemeindebe-schluss abgewichen werden könne. Es seien also keineBestandspläne. Eine einheitliche Regelung gäbe es erst seitdem Bundesbaugesetz von 1960. Die Pläne lägen in derRegel in 3 Originalen vor, in der Gemeinde, bei der Kreis-verwaltung und im Innenministerium, sie sollten in einfa-cher Ausfertigung im Archiv aufbewahrt werden. Danebenentstünden Planakten, die einheitlich aufgebaut seien.

Dr. Bernd Kasten vom Stadtarchiv Schwerin wandtesich in seinem Referat „Gehängt, gerollt, gefaltet – Kartenund Pläne im Archiv” der konkreten Behandlung der Kar-ten im Archiv zu. Bis DIN A 0 sollten die Karten in Karten-schränken aufbewahrt werden. Überformate müssten häu-fig gerollt werden, was einen sehr hohen Platzbedarf undProbleme bei der Benutzung bedeute, oder gehängt wer-den, wodurch sie sich schlecht transportieren ließen. ZurSchonung der Karten und als Service für die Benutzer habedas Stadtarchiv in Zusammenarbeit mit dem Katasteramtdiverse Nachdrucke von Karten hergestellt. Aufgrund dergeringen finanziellen Mittel sei man hierzu sowie zurRestaurierung der zahlreichen beschädigten Karten alleinnicht in der Lage.

Ausführlich behandelte Dr. Jürgen Hartwig Ibs,Lübeck, „Historische Karten als Quelle der Landesge-schichte – Auswertungsmöglichkeiten und Darstellungs-weisen”. In einem Überblick stellte er Karten aus verschie-denen Jahrhunderten vor. Die Meßtischblätter seien idealeKarten für die historische Forschung, die ältesten dürftennoch weitgehend den Zustand nach der Verkoppelung dar-stellen. Außerdem erläuterte Dr. Ibs den InteraktivenHistorischen Atlas Schleswig-Holstein. Da Sachdaten aufgeographische Räume bezogen würden, mache sich diegroße Anzahl von Gemeinden in Schleswig-Holstein posi-tiv bemerkbar, weil viele Daten erfasst würden, die inGroßgemeinden nicht so herruntergebrochen werden kön-nen.

Dr. Ulrich Simon vom Stadtarchiv Lübeck referiertekurz über die Entwicklung der Kartensammlung imLübecker Archiv. Insbesondere über die kriegsbedingtenKartenverluste sowie über die Auseinandersetzung zwi-schen dem Archiv und der Katasterverwaltung wegen demAufbewahrungsort der historischen Karten.

Zum Abschluss informierte Anke Rannegger vomStadtarchiv Wedel über die Aufbewahrungsfristen. Da esnur wenige gesetzliche Regelungen gibt, konnte sie ihreschriftliche Zusammenfassung an alle Anwesenden austei-len.

Die Hauptreferate werden in dem Mitteilungsheft desVKA, das im September erscheinen wird, abgedruckt.

Husum Almut Ueck

14. Allgäuer Archivtag in Kaufbeuren

Am 25. März 2006 trafen sich 23 Archivarinnen und Archi-vare aus dem württembergischen und bayerischen Allgäuzum 14. Allgäuer Archivtag in Kaufbeuren, das damit zumdritten Mal nach 1995 und 2001 Gastgeber war. Auch dieehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen aus demKreis der Archivpflegerinnen und Archivpfleger waren fastvollständig vertreten. Das Einzugsgebiet erstreckt sich vonOberstdorf im Süden, Füssen im Osten, Mindelheim imNorden bis nach Wangen im Westen.

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Die Teilnehmer wurden im Sitzungssaal des Rathaus-Altbaus von Oberbürgermeister Stefan Bosse und Stadt-archivar Dr. Stefan Fischer begrüßt, der mit der Ausrich-tung des Archivtages nicht nur kurzfristig in die Breschegesprungen war, sondern die Veranstaltung auch bestensvorbereitet hatte. Als neue Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter des eng mit dem Stadtarchiv kooperierenden Evange-lischen Kirchenarchivs Kaufbeuren konnte Dr. Fischer FrauIlgenfritz, Herrn Dürr und Herrn Schmidt vorstellen.

Der Schwerpunkt des anschließenden Meinungsaustau-sches lag auf der Thematik Archivgebührensatzung, einheute angesichts des Drucks der Archivträger auf ihreArchive, die Einnahmen deutlich zu steigern, mehr dennje aktueller Dauerbrenner der Diskussion. StadtarchivarDr. Franz-Rasso Böck stellte die neue Gebührensatzungdes Stadtarchivs Kempten (Allgäu) vor, die in einem erheb-lich umfangreicher gewordenen Gebührenkatalog erstmalsdifferenziert die Kosten für fotografische oder digitaleReproduktionen beinhaltet und bisher allzu großzügiggewährte Gebührenbefreiungen beschneidet. Selbstver-ständlich geht es aber – wie in der lebhaften Diskussionvon manchen Kollegen befürchtet – nicht darum, etwa diealte Stammkundschaft zu vergraulen oder potenzielle neueArchivbenützer abzuschrecken.

Das abschließende Mittagessen im Wintergarten desHotels „Goldener Hirsch“ bot weitere Möglichkeit zumErfahrungsaustausch und rundete einen gesprächsinten-siven Archivtag sehr angenehm ab.

Kempten (Allgäu) Franz-Rasso Böck

Urkunden, Doppik, digitales Desaster – das Kommunal-archiv im Spannungsfeld seiner Aufgaben

44. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Niedersächsi-schen Kommunalarchivare (ANKA e.V.) in WolfsburgDr. Ernst Böhme, 1. Vorsitzender der ANKA e.V. und Lei-ter des Göttinger Stadtarchivs, konnte am 27. März 2006 imAlvar-Aalto-Kulturhaus in Wolfsburg 94 Teilnehmer zur44. Arbeitstagung, die für 2 Tage angelegt war, begrüßen.Einleitend erläuterte er das Tagungsthema „Urkunden,Doppik, digitales Desaster – das Kommunalarchiv imSpannungsfeld seiner Aufgaben“. Dieses spiegele das brei-te archivische Aufgabenspektrum. Dessen Vielfalt erzeugezwangsläufig ein „Spannungsfeld“, in dem sich der Archi-var täglich zu beweisen habe. In seinem Grußwort freutesich der Wolfsburger Oberbürgermeister Rolf Schnelleckbesonders darüber, dass die ANKA mit ihrer Tagung erst-mals in Wolfsburg weilte.

Im Eröffnungsvortrag umriss PD Dr. Peter Aufgebau-er (Institut für geschichtliche Landeskunde, UniversitätGöttingen) „Neue Tendenzen in der Mittelalterforschung“.Den Wandel der Fragestellungen in der Mediävistik mach-te er an drei Beispielen deutlich: 1. Die Ergebnisse der Hirn-forschung, die in der von Wolf Singer postulierten „Neu-ronalen Wende“ schlagwortartig zusammengefasst wer-den können, und ihre Auswirkungen auf das weite Feldder „Erinnerung“ des Menschen. 2. Das Themenfeld „Resi-denzenforschung“, das mit der Erschließung bisher unge-nutzter Quellengruppen neue Einblicke etwa in dieUmstände adligen Wohnens und fürstlicher Herrschaftund Hofhaltung bietet. 3. Am Beispiel der Umweltge-schichte zeigte er, dass es aktuelle Probleme des Umwelt-schutzes strukturell schon im Mittelalter gegeben hat.

Die erste Arbeitssektion war „Sammlungen in Archi-ven“ gewidmet. Olaf Piontek (Stadtarchiv Braunschweig)gab einen Überblick über die Entwicklung von Frauenar-chiven, die seit den 1920er Jahren aus der Frauenbewegunghervorgegangen sind. Er stellte dann das FrauenarchivBraunschweig vor, wo man Frauengeschichte als Teil derStadtgeschichte sieht. Aus einer Initiative zum Internatio-nalen Frauentag 2000 entstand ein Verein, der 2006 plan-mäßig aufgelöst wurde. Das im Arbeitsprozess angefalle-ne Sammlungsgut (11,8 lfd. m) wurde vom Stadtarchivübernommen und durch ein Findbuch erschlossen.

Ein Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit im StadtarchivWolfsburg sind Projekte mit Zeitzeugen. Die junge, 1938 alsStadt des Kdf-Wagens gegründete Stadt Wolfsburg bietetdafür ideale Voraussetzungen. Dr. Birgit Schneider-Bön-ninger stellte verschiedene Projekte (Schülerwettbewerbe,Stadtteilinitiativen) vor. Ziel ist es den Sammlungsbestandetwa zur Mentalitätsgeschichte seit Gründung der Stadtsystematisch anzulegen und ständig zu erweitern.

Dr. Ernst Böhme berichtete dann über die rd. 12.000Stücke umfassende Plakatsammlung des Stadtarchivs, diebis in die Frühe Neuzeit zurückreicht. Der Bestand wächstjährlich um etwa 500 Stücke und bietet ein breites Über-lieferungsspektrum mit Schwerpunkt auf dem BereichKultur.

Den Aufbau eines „Digitalen Urkundenbuches“ derStadt Hannover stellte Rainer Kasties (Stadtarchiv Han-nover) vor. Bisher wurden über 500 Datensätze angelegt,womit die 480 Stücke des 1860 gedruckt erschienenenUrkundenbuch der Stadt Hannover zahlenmäßig bereitsübertroffen wurden. Die elektronisch verzeichnetenUrkunden sollen Mitte 2006 online verfügbar sein.

Die Nachmittagssektion stand unter dem Thema„Archivmanagement und die Renaissance des Akten-plans“. Katharina Tiemann (Westfälisches Archivamt) botin ihrem Vortrag anschauliche Beispiele für Strategien derArchive im Rahmen der bevorstehenden Verwaltungsre-formen. Sie berichtete über Praxiserfahrungen aus Nord-rhein-Westfalen mit dem neu eingeführten kommunalenRechnungs- und Steuerungssystem. Große Veränderungenwerden sich in Niedersachsen durch die Einführung derkaufmännischen doppelten Buchführung und die Ablö-sung der kameralistischen Finanzwirtschaft zum 1. Januar2007 ergeben. Der Eröffnungsbilanz kommt hier eine hoheBedeutung zu. Für Archivgut ist in Niedersachsen dabeikein Bilanzwert vorgesehen, da es sich fast immer umunveräußerliches Kulturgut handelt. Der Vortrag stehtunter www.anka-online.net zur Verfügung.

Zum Thema „Verwaltungsmodernisierung“ gehörtendie Ausführungen von Ulrich Mahner (Niedersächsi-scher Städtetag) über das Projekt eines landeseinheitlichenAktenplans. Auch im Zeitalter des angestrebten „papierlo-sen Büros“ bietet der einer systematischen Ordnung fol-gende Aktenplan Vorteile gerade für eine in der Endstufevoll elektronisch geführte Schriftgutverwaltung. Zusam-men mit der Fa. Hans Held und Musterkommunen wurdeein entsprechender Plan entwickelt.

Am Vormittag des zweiten Tages standen im Anschlussan die Mitgliederversammlung der ANKA Kurzreferateauf dem Programm. Die vormalige Leiterin des Stadtar-chivs Braunschweig, Dr. Bettina Schmidt-Czaia (heuteStadtarchiv Köln), berichtete über das ECE-Projekt„Schlossarkaden“ in Braunschweig. Am Ort des kriegsbe-schädigten und 1960 abgerissenen Braunschweiger Schlos-

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ses wird zurzeit mit der rekonstruierten Fassade des ehe-maligen Schlosses ein Büro- und Geschäftshaus gebaut. Indem Gebäudekomplex wird auch das Stadtarchiv Braun-schweig einen neuen, modernen Gesichtspunkten genü-genden Standort bekommen.

Dr. Jens Murken (Landeskirchliches Archiv Bielefeld)trug zu Erfahrungen und Ergebnissen mit dem „Tag derArchive“ vor. Sein Fazit, gegründet auf der Auswertungeiner detaillierten Umfrage zum Tag der Archive 2004:trotz Zusatzbelastung und etlichen Verbesserungsmög-lichkeiten bei der Vorbereitung, Bewerbung und Durchfüh-rung seien die Erwartungen der großen Mehrheit der teil-nehmenden Archive erfüllt worden.

Die Tagungssektion zu „Ausgründungen aus der Ver-waltung und ihre Auswirkungen auf die archivische Über-lieferung“ leitete Dr. Karljosef Kreter (Stadtarchiv Hanno-ver) mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen ein. Erwies vor allem darauf hin, dass die in der öffentlichen Ver-waltung zunehmend geübte Praxis, bestimmte Aufgabenzu privatisieren, Lücken in der Überlieferungsbildung zurFolge haben werde.

Dr. Bernd Kappelhoff (Niedersächsisches Landesar-chiv) brachte die Entstehungsgeschichte des Niedersächsi-schen Archivgesetzes und die dort getroffenen, recht weitgefassten Regelungen zur Anbietungspflicht in Erinne-rung, die auch Landesbetriebe erfassten, so weit sie nichtam Wettbewerb teilnähmen. Am Beispiel des streitigen Fal-les „Staatstheater Hannover“ zeigte er die Problemlage auf,die letztlich zu Gunsten der Archive ausgegangen sei. Mitder wachsenden Ausgliederung von Aufgaben ändere sichdie Lage für die archivische Zuständigkeit. Weitgehendunstreitig sei es, dass private Rechtsnachfolger bisheröffentlicher Einrichtungen Schriftgut, das bis zum Zeit-punkt der Übernahme öffentlicher Aufgaben angefallensei, den zuständigen Archiven anzubieten sei. Er fordertedie Archive auf, zeitnah auf dieses Schriftgut zuzugreifen.Für die Zukunft befürwortete er eine Anpassung derArchivgesetze. Um größere Überlieferungslücken zu ver-meiden, müssten die Archive bis dahin privatrechtlicheVereinbarungen abschließen.

Als Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit miteiner privatrechtlich geführten Gesellschaft, die seit ihrerGründung öffentliche Aufgaben erfüllt, stellte danach Dr.Christian Heppner, Hannover, die 2005 erfolgte Übernah-me der archivwürdigen Unterlagen der HannoverschenVerkehrsbetriebe ÜSTRA in das Stadtarchiv Hannover vor.Das kostengünstige Angebot eines Depositalvertrages,gepaart mit dem wohl bei der Geschäftsleitung vorhande-nen „kommunalen Bewusstsein“, führte zur Übernahmeund zügigen Erschließung eines Bestandes von 1.500Akten, 600 Fotos, 500 Streckenkarten und 500 Büchern. Ausder vertrauensvollen Zusammenarbeit erwuchsen weitereAbgaben (Personalakten).

Auf ein anderes Feld kommunal geprägter Wirtschafts-tätigkeit führte Dr. Michael Schütz (Stadtarchiv Hildes-heim) am Beispiel der 2005 fusionierten Sparkassen vonStadt und Kreis Hildesheim. Die Gründungsgeschichte derSparkassen als öffentlich getragener Geldleihinstitute isteng mit der jeweiligen Heimatkommune verbunden. Vondieser Ausgangslage ergibt sich prinzipiell eine Verbin-dung in das jeweilige Kommunalarchiv. Dennoch fehlte imStadtarchiv Hildesheim die entsprechende Überlieferungnach 1945. Die Beteiligung am Wettbewerb und die Furcht,das Bankgeheimnis könnte Schaden nehmen, verhinderten

die Aktenabgabe, trotz verstärkter Bemühungen des Stadt-archivs. 1997 gelang es nach langwierigen Verhandlungen,mit der Kreissparkasse einen Depositalvertrag abzuschlie-ßen. Dabei musste das Stadtarchiv besondere Rücksicht aufdie Belange des Kreditinstitutes nehmen und von der übli-chen Praxis abweichende Bedingungen akzeptieren, umdas Archivgut zu sichern. Es wurde Folgendes vereinbart:1. Die Benutzung des Bestandes muss durch die Kreisspar-kasse erlaubt werden. Für die Kreditakten wurden Sperr-fristen zwischen 80 und 130 Jahren festgelegt. 2. Das Stadt-archiv stimmt die Bewertung des Schriftguts mit demabliefernden Institut ab. Die Bewertung erfolgt nach dem„Stader Modell“, damit ist für vergleichende Unter-suchungen eine gleichartige Informationsbasis gesichert.1

Hannover ist auch Hafenstadt und verfügt über vier, seit1936 als kommunale Eigenbetriebe geführte Binnenhäfen.Dr. Cornelia Regin (Stadtarchiv Hannover) stellte daskreative Modell der Zusammenarbeit zwischen Hafenbe-triebsgesellschaft und Stadtarchiv vor. Die Anfänge gestal-teten sich schwierig, der Umzug der Verwaltung brachtedas Stadtarchiv schließlich ins Spiel. Bewertung undErschließung des Schriftguts ergaben, dass doch Unter-lagen nicht mehr für den Geschäftsgang benötigt und indas Stadtarchiv abgegeben werden konnten. Die übrigenStücke wurden in einer Datenbank virtuell zusammenge-führt.

Die Abschlusssektion der Tagung war dem Thema„Digitale Archive – Probleme und Perspektiven“ gewid-met. Eingeleitet wurde sie mit der Vorführung der NDR-Dokumentation „Das digitale Desaster“. Die unter Archi-varen schon lange bekannten Probleme der Langzeitsiche-rung und Nutzung digitalisierter Medien, wurden in demFilm auf sehr anschauliche Weise vorgeführt. Das eher pes-simistische Fazit lautete, dass das „digitalisierte Zeitalter“im Dunkeln des Vergessens unterzugehen drohe.

Eher von Optimismus geprägt waren gleichwohl dieanschließenden Vorträge. Dr. Martin Hube (Niedersächsi-sches Innenministerium) unterrichtete über den Stand derDiskussion zum Thema E-Government in Niedersachsen.Bis 2014 sollen in der Verwaltung systematisch elektroni-sche Verfahren eingeführt werden. Man will sich dabei aufErfahrungen aus 99 Fachprojekten stützen. MaßgeblichesEinzelpilotprojekt ist die Entwicklung der elektronischenAktenführung im Wirtschafts- und Innenministerium. DieLangzeitsicherung der Daten soll in drei Stufen erfolgen(Kurzzeit, Langzeit, Archiv), wobei die beiden letztgenann-ten beim IZN als Langzeitstudien erprobt werden.

Rainer Ullrich (Fa. Infora) stellte abschließend dieMöglichkeiten der Aussonderung und Archivierung elektronisch gestützter Vorgangsbearbeitung nach demDOMEA-Konzept vor. Seit 1996 wird im Rahmen diesesPilotprojekts schrittweise ein Anforderungskatalog für ein dreistufiges Einführungskonzept entwickelt(www.kbst.bund.de). Insgesamt wurde deutlich, was aufdie meist personell nur dürftig ausgestatteten Kommunal-archive im Zuge der Digitalisierung der Verwaltungzukommt.

Alle Vorträge werden in Heft 10 der Archiv-NachrichtenNiedersachsen (ANN) im März 2007 veröffentlicht.

Meppen Heiner Schüpp

1 B. Kappelhoff/H.P. Fitschen, Ein zukunftsweisendes Modell für dieFortentwicklung eines Firmenarchivs, in: Sparkasse. Manager-Magazin fürdie Sparkassen-Finanzgruppe (Zeitschrift des Deutschen Sparkassen- undGiroverbandes), 113 (1996), S. 240 ff.

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52. Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchive beimLandkreistag Baden-Württemberg in Wertheim-Bronnbach

Am 5. April 2006 traf sich die Arbeitsgemeinschaft auf Ein-ladung des Kreisarchivs Main-Tauber-Kreis im Tagungs-haus Kloster Bronnbach. Nach der Begrüßung durch denVorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft, Wolfgang Kramer(Konstanz), und einem Grußwort des Dezernenten fürKreisentwicklung und Bildung des Main-Tauber-Kreises,Herrn Müssig, stellte Kreisarchivarin Claudia Wielandden 1988 begründeten Archivverbund Main-Tauber vor.Durch eine vertragliche Vereinbarung wurden hier das frü-here Staatsarchiv Wertheim und das Stadtarchiv Wertheimmit dem damals neu geschaffenen Kreisarchiv des Main-Tauber-Kreises unter eine gemeinschaftliche Leitung undVerwaltung gestellt. Mit dem Erwerb und Ausbau derGebäude des ehemaligen Klosters Bronnbach durch denMain-Tauber-Kreis konnten optimale Bedingungen für dieArbeit des Archivpersonals und die Benutzung geschaffenwerden. Eine breite Bildungsarbeit ergänzt die klassischenAufgaben der drei den Archivverbund tragenden Institu-tionen.

Das Hauptthema der Sitzung lautete „Erschließung vonFotosammlungen“. Unter der Moderation von Dr. Wolf-gang Sannwald (Tübingen) wurden die EDV-Programmeder Firma FotoWare zur Erschließung digitaler Fotodatei-en und die digitalisierten Bestände des Landesmedienzen-trums Baden-Württemberg vorgestellt. Die gegebenenInformationen wurden ergänzt durch Erfahrungsberichtezur Erschließung von Fotosammlungen der LandkreiseEsslingen, Tübingen, Reutlingen und Konstanz. Ins Themaeinführend nannte Dr. Wolfgang Sannwald die immerbedeutender werdende Aufgabe der Kreisarchive, auchdigitalisierte Bestände übernehmen und erschließen zumüssen.

In der anschließenden kurzen Diskussion zum Tages-ordnungspunkt wurde deutlich, dass sich die Trennungder klassischen Archivbestände von der Dokumentationim Kreisarchiv vor allem im Bereich der Medien aufhebenwird. Wichtig bleibe vor allem die Frage der Langfristig-keit bei der Erhaltung digitaler Bestände.

Nach der Mittagspause stellte Wolfgang Kramer dasProjekt „1000 Ansichten aus dem Hegau bis 1850“ desKreisarchivs Konstanz vor. Diese Datenbank ist auch aufDVD erschienen und bildet die Grundlage für eine Erfas-sung aller alten Ansichten im Hegau bis 1850.

Der Landkreistag Baden-Württemberg besteht 2006 seit50 Jahren. Wolfgang Kramer informierte daher über denStand der Arbeiten für eine Festschrift zum Jubiläum.Neben der allgemeinen redaktionellen Bearbeitung durchdie Arbeitsgemeinschaft hatten alle Kreisarchive in Baden-Württemberg hierfür Kurzporträts der jeweiligen Land-kreise erstellt und eine ansprechende Bildauswahl getrof-fen.

Zum Thema „Bewertungsprojekt der Arbeitsgemein-schaft der Kreisarchive“ berichtete Dr. Andreas Zekorn(Zollernalbkreis), dass die Arbeitsgruppen die Bewertun-gen der einzelnen Aktenplanhauptgruppen bereits fertig-gestellt haben. Nach der Übernahme der Daten werden dieBewertungsempfehlungen in einem geschlossenen Online-Forum den angemeldeten Nutzern zur Verfügung stehen.

Kramer informierte über ein Retrokonversionsprojektder Deutschen Forschungsgemeinschaft, bei dem in gro-ßem Umfang klassische (will heißen: papierene) Findmit-

tel der Archive digitalisiert werden sollen. Ziel sei es dabei,die archivischen Findmittel in Internetpräsentationenzugänglich zu machen. Zur Teilnahme an dem Projekt kön-nen nur komplette Archive, nicht einzelne Teilbeständeangemeldet werden.

Am Ende der Tagesordnung wurden kurze Informatio-nen beziehungsweise Stellungnahmen zu folgenden allge-mein interessierenden Sachverhalten gegeben: Stellenaus-schreibungen, Schwierigkeiten bei der Gebührenfeststel-lung zu Auskünften aus dem Bundesarchiv, Festlegungvon Sperrfristen bei der Einsichtnahme in nichtöffentlicheProtokolle sowie Änderungswünsche und notwendigeErgänzungen zum aktuellen kommunalen AktenplanBaden-Württemberg.

Er berichtete abschließend noch sehr anschaulich überseinen Besuch im Archiv des Internationalen Suchdienstesin Bad Arolsen.

Im Anschluss an die Tagung bestand die Möglichkeitzur Teilnahme an Führungen durch die Gebäude der ehe-maligen Zisterzienserabtei Bronnbach und des Archivver-bunds Main-Tauber mit der Kreisarchivarin Claudia Wie-land und der stellvertretenden Leiterin des Staatsarchivs,Martina Heine, deren Ausführungen auf großes Interessestießen.

Heidenheim Markus Baudisch

Geschichtswissenschaft und Archive auf dem Weg zur E-History?

Fünf Themenkreise standen auf der vom Staatsarchiv derFreien und Hansestadt Hamburg und dem Zentrum fürGeisteswissenschaften in der digitalen Welt an der Univer-sität Hamburg veranstalteten Tagung „Forschung in derdigitalen Welt. Sicherung, Erschließung und Aufbereitungvon Wissensbeständen“ im Mittelpunkt. Die Problemeund die Chancen der Digitalisierung (Manfred Thaller,Patrick Sahle, Markus Heller/Georg Vogeler), dieMacht der Bilder und die Beschleunigung der wissen-schaftlichen Diskussion über die Visualisierung archäolo-gischer Befunde (Christoph Schäfer), Quelleneditionenim Bereich der mittelalterlichen und frühneuzeitlichenGeschichte (Jürgen Sarnowsky, Dieter Rübsamen/Andreas Kuczera, Berndt Schildt, Thomas Staecker),eine online-Enzyklopädie (Maren Lorenz/Stefanie Krü-ger) sowie Archive in der digitalen Welt (Rainer Hering,Dieter Heckmann, Frank M. Bischoff/Udo Schäfer)wurden präsentiert und diskutiert.

Schnell wurde deutlich, dass die Digitalisierung die For-schung längst beeinflusst, ohne dass ein eindeutiges Votumvon Historikern und Archivaren zu dieser Entwicklungbislang vorläge. Die auffallende Sprachlosigkeit der Fach-leute angesichts der boomenden Entwicklung im Bereichder E-Medien war bereits auf der 2004 in Hamburg abge-haltenen Tagung zum Thema „Im Netz des Positivismus?Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historischeErkenntnis“ sowie auf dem im selben Jahr durchgeführtenWorkshop in Fribourg (Schweiz) aufgefallen.1 In seinemGrundsatzreferat machte Manfred Thaller nochmals aufden schleichenden und bislang wenig reflektierten Verän-derungsprozeß aufmerksam, der durch das WWW und dieneuen Medien ausgelöst wurde. Dieser Übergang böte sei-ner Meinung nach zum ersten Mal die Möglichkeit zueinem radikalen Wandel der Geschichtswissenschaft. Ein

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 375

solcher „Paradigmenwechsel“, der diesen Namen wiekeine andere Richtungsänderung innerhalb der histori-schen Wissenschaft verdienen würde, könnte eine Dekano-nisierung und die Auflösung asynchroner Arbeitsvorgän-ge mit sich bringen. Dies würde jedoch wiederum den radi-kalen Wandel des Selbstverständnisses von Archivaren,Bibliothekaren und Forschern sowie einen kooperativenArbeitsstil erfordern.

Die vorgestellten Großprojekte zur Digitalisierung mit-telalterlicher und frühneuzeitlicher Quellen zeigen jedocheinen gegenteiligen Trend: Die Kanonisierung wird mitdiesen Unternehmungen eher verstärkt als abgebaut. DieUrkundenbücher zur mittelalterlichen Geschichte, dieRegesta Imperii und die Akten der Reichskammergerichts-prozesse spielten bereits vor der Online-Bereitstellung einegroße Rolle für die Forschung mittelalterlicher und früh-neuzeitlicher Themen. Während auf der einen SeiteGeschichtsschreibung also auch unter neuen technischenMöglichkeiten weitgehend alten Mustern folgt, zeigteThaller auf, dass auch das Festhalten an ehrwürdigen Tra-ditionen letztlich nicht die bereits in Gang gesetzte Ände-rung der Welt der Wissenschaften aufhalten können wird.

Patrick Sahle und Frank M. Bischoff führten einigeGrundüberlegungen zu Techniken und Standards für dieErschließung historischer Dokumente vor. Bischoff gab dieDevise aus, man müsse planmäßig, aber pragmatisch vor-gehen. Die Archive scheinen bezüglich der Vernetzung –trotz der Föderalismusproblematik – in dieser Hinsichteinen Schritt weiter zu sein als die universitäre Geschichts-schreibung. Regionale Archivportale sind bereits erstellt,an einem gemeinsamen Portal für Bibliotheken, Archiveund Museen in Deutschland wird zurzeit gearbeitet. Seit2002 wird vom Bundesarchiv Koblenz eine zentrale Daten-bank zu Nachlässen in Archiven geführt. Mit den von Thal-ler genannten ca. 90 Pilotprojekten in Deutschland, die einesystematische Umsetzung großer Bestände von archivali-schen Quellen und Bibliotheksbeständen anstreben, exi-stieren bereits vielversprechende, inspirierende Ansätzefür die weitere Vernetzung.

Zum Schluss der Tagung wurden „Archive als Gedächt-nis der Gesellschaft“ thematisiert. Wie die Geschichts-wissenschaft stehen auch die Archive vor technischen Her-ausforderungen und mentalen Umstellungen bei der Auf-nahme von Archivgut. Die Entwicklung der Verwaltungenhin zum E-Government verlangen nach neuen Wegen derArchivierung. Die Arbeitsprozesse werden sich verändern,Fragen der Benutzbarkeit und des Urheberrechts müssenbezüglich der neuen technischen Möglichkeiten berück-sichtigt werden. Nicht zuletzt müssen die historischenHilfswissenschaften diesem Prozess angepasst und weiter-entwickelt werden. Da Informationen niemals verlustfreivon einem Medium in ein anderes transportiert werdenkönnen, ist danach zu fragen, welche Informationen beider Digitalisierung verloren gehen könnten. Wieweit kann,wie Rainer Hering fragte, die notwendige Kontextualisie-rung der Dokumente geleistet werden? Wird in absehba-rer Zeit für die Forschung nur noch das existieren, was imWWW zu finden ist?

Ein erstes ehrgeiziges europaweites Ziel der Archive istdie Online-Bereitstellung aller Findbücher in absehbarerZeit. Ein Ziel bei der mit Nachdruck betriebenen Digitali-sierung wird die Schonung der Original-Bestände und dieSteigerung der Effizienz bei der Erschließung und der

Bereitstellung des Archivguts sein. Auch hier stellt sich dieFrage nach einheitlicher Software und einheitlichen Stan-dards bei der Aufbereitung der Archivalien, um den Infor-mationsaustausch und Konvertierungen zu erleichternund die Bestände nachhaltig zu sichern.

Archivare, so die Prognose von Frank M. Bischoff, wer-den sich zu Informationsbrokern entwickeln, nicht zuletztdeshalb, weil Archivaren keine Zeit mehr für die inhaltli-che Erschließung der Archivalien bleiben wird. Ob sichArchive, wie Manfred Thaller meint, von Reisezielen zuAnbietern von Ressourcen wandeln werden, wird nichtzuletzt von Entscheidungen zum Urheberrecht und zu denBenutzergebühren abhängen. Deutlich wurde in derAbschlussdiskussion, dass für die erfolgreiche Bewälti-gung der anstehenden Aufgaben eine enge Zusammenar-beit zwischen Archivaren und Historikern nötig ist, um dieArchive für die Zukunft zu Orten des „gesellschaftlichenGedächtnis“ zu entwickeln. Die Tagung lieferte für diesenwissenschaftlichen Austausch erste wichtige Anstöße.

Hamburg Angelika Schaser

10. Jahrestagung der AGOA in Erfurt 2. bis 4. Mai 2006

Vom 2. bis 4. Mai 2006 fand im Bildungshaus St. Ursula inErfurt die diesjährige Jahrestagung der Arbeitsgemein-schaft der Ordensarchive mit gewohnt zahlreicher Beteili-gung statt. 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus bei-nahe ebensovielen verschiedenen Archiven besuchten dieVeranstaltung, die in der seit Jahren praktiziertenMischung theoretische und praktische Themen, aber auchExkursionen miteinander vereinte.

Am Nachmittag des Anreisetages (2. Mai) begann dasProgramm mit einem Führungsteil. Einzelne Gruppenkonnten parallel an einer Stadt- oder Domführung, eineFührung durch das Ursulinenkloster oder auch durch dasArchiv der Außenstelle Erfurt der Bundesbeauftragten fürdie Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali-gen DDR bzw. das zugehörige Informations- und Doku-mentationszentrum teilnehmen. Am Abend hielt Prof. Dr. Josef Pilvousek (Erfurt) einen Vortrag zum Thema„,An alle frommen Bürger zu Erfurt’. Martin Luther inErfurt“ vor. Die Arbeitssitzungen begannen am MittwochVormittag mit einem Vortrag von Günter Müller (Thürin-ger Universitäts- und Landesbibliothek Jena) über „Uner-setzliches auf Papier für die Zukunft erhalten“ mit instruk-tiven Beispielen über Schäden an Bibliotheksgut unddurchgeführte Restaurierungen an Papier. Im Anschlussdaran stellte Doris Land (Landsoftware-EntwicklungOberasbach) die Archivierungssoftware „Faust“, nachdemdem Plenum im Vorjahr bereits das Programm „Augias“vorgestellt worden war. Der Nachmittag war der Exkursi-on vorbehalten, die diesmal nach Weimar führte. Dorterfolgte gruppenweise ein Besuch des Nietzsche-Archivs,des Goethe-Schiller-Archivs, von Goethes Wohnhaus amFrauenplan bzw. der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek.Abgeschlossen wurde die Exkursion durch ein gemein-sames Abendessen in einem historischen Restaurant inWeimar. Den dritten Tagungstag eröffnete Dr. ClemensBrodkorb (München) mit einem Vortrag über „’Prakti-sche Vorschläge betr. die Archive der Provinzen, Häuserund apostolischen Werke’ – eine Handreichung der Jesui-ten-Archivare zu Archivfragen“. Im Anschluss daran fandder Konferenzteil der Mitgliederversammlung der AGOA

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statt. Mit dem Mittagessen klang die diesjährige Jahresta-gung aus. Im April 2007 trifft sich die AGOA zu ihrer näch-sten Jahrestagung im Katholisch-Sozialen Institut in BadHonnef.

Köln/Brauweiler Wolfgang Schaffer

„Lernort Archiv“ – eine archivpädagogische Tagung desStadtarchivs Hof zum „Tag der Archive“ am 6. Mai 2006

Am 6. Mai 2006 trafen sich etwa zwanzig Gymnasiallehrer,Archivare und Vertreter von Einrichtungen der politischenund kulturellen Bildung aus mehreren Bundesländern imMuseum Bayerisches Vogtland, um an der Tagung „Lern-ort Archiv“ des Stadtarchivs Hof teilzunehmen. Im Mittel-punkt des Vormittags stand die Diskussion über Möglich-keiten und Projekte der Zusammenarbeit von Schulen undanderen Bildungseinrichtungen mit Archiven. Der staat-liche Archivpädagoge für den Bereich des Ministerialbe-auftragten für die Gymnasien in Oberfranken Eugen Ull-mann vom Kaiser-Heinrich-Gymnasium Bamberg stelltedas bereits seit mehreren Jahren laufende Projekt „Schuleund Archiv“ vor. Dabei werden Unterrichtssequenzen vonLehrern für Lehrer erstellt, in denen die Arbeit der Schülerim Archiv und mit Archivalien vorgesehen ist. Das Projekt,das ursprünglich auf die Kooperation mit den Staatsarchi-ven in Bayern beschränkt war, findet inzwischen ebensoPartner bei den Kommunalarchiven.

Mehrmals kam bei den Referaten von Josef Witt(Amberg) über die Integration von Flüchtlingen und Ver-triebenen in der Oberpfalz am Beispiel von Neutraublingund von Ulrich Ringsdorf über das Lastenausgleichs-archiv in Bayreuth das Thema Migration zur Sprache, dasauch die Hofer Geschichte sehr berührt.

Ganz anders als im Projekt Schule und Archiv ist derpädagogische Ansatz des Stadtarchivs Hof. Karsten Küh-nel stellte das archivkundliche Blockseminar für die gym-nasiale Oberstufe vor, in dem es darum gehe, Abiturientenauf ein Geschichtsstudium vorzubereiten. Die Ausrichtungdieses Projekts des Hofer Stadtarchivs sei daher ohne wei-tere Einbeziehung der Schulen allein auf die Bedürfnisseder Universität erfolgt.

Weitgehend unbekannt war vielen Teilnehmern die Auf-gabenstellung und das Profil des Bundesarchivs – Abtei-lung Lastenausgleichsarchiv – in Bayreuth. Im Gegensatzzu „normalen“ Archiven hätten Schüler, die ihre Facharbeitüber die Situation der Vertriebenen in einem bestimmtenOrt schrieben, in Bayreuth die Garantie, das benötigteMaterial nicht nur suchen zu können, sondern auch in dererwarteten Form zu finden. Das erst seit 1989 existierendeArchiv hat als Aufgabe neben der Archivierung der Unter-lagen über den Lastenausgleich für Vertriebene nach demZweiten Weltkrieg unter anderem die Verwahrung undNutzbarmachung einer in den 50er Jahren entstandenen„Ost-Dokumentation“. Darin befinden sich zahlreicheBerichte von Betroffenen über ihr Schicksal im Zuge derVertreibung, die Dokumente unterschiedlicher Art ergän-zen. Die referierenden Archivare beklagten einhellig diemangelhaften Kenntnisse der Oberstufenschüler im Lesender deutschen Schreibschrift. Unterrichtsangebote in die-sem Bereich würden kaum zur Kenntnis genommen.

Von einer gegenüber den übrigen Referenten völlig ver-schiedenen Warte geht Ulrich Novotny vom GymnasiumImmenstadt an die Archive mit seinen Schülern heran.

Nicht im Fach Geschichte, sondern in Latein werdenUnterlagen, die in Archiven zu finden sind, von ihm ein-gesetzt, angefangen mit reich verzierten Titelblättern jahr-hundertealter Folianten bis hin zur lateinischen Stadtge-schichte und zu Inschriften auf barocken Grabsteinen. SeinZiel ist weniger die quellenkritische Arbeit als vielmehr dieEmotionalisierung und Aktivierung der Phantasie bei derAufnahme und Weiterverarbeitung historischer Nachrich-ten aus der unmittelbaren Heimatregion. Durch NovotnysHandreichungen für den Lateinunterricht in Gestalt der„Lokalhistorischen Texte“ im Lindauer-Verlag soll zudemdas Heimatbewusstsein der Schüler gefördert werden.

In seiner abschließenden Zusammenfassung betonteKühnel, dass die historische Bildungsarbeit eine Kernauf-gabe der Archivare sei und forderte die Anwesenden auf,mehr als bisher auch von sich aus auf die Archive zuzuge-hen und Angebote und Projekte anzuregen.

Am Nachmittag trafen sich die Tagungsteilnehmer nochzu einer Führung durch das Stadtarchiv.

Bis zum 14. Mai wurde im Museum eine kleine Aus-stellung zum Thema „Lernort Archiv“ gezeigt.

Hof Karsten Kühnel

Jahrestagung 2006 des Bestandserhaltungsausschussesder ARK in Dessau

Wie im Archivar, Jg. 58, 2005, H. 4, S. 299 angekündigt, fandam 16./17. Mai 2006 erstmals eine Jahrestagung desBestandserhaltungsausschusses der Archivreferentenkon-ferenz (ARK) in Sachsen-Anhalt statt. Tagungsort warnicht die Abteilung Magdeburg als Sitz der Archivleitungbzw. Dienstort des Ausschussmitglieds, sondern die Abtei-lung Dessau. Hier befindet sich nämlich seit 2002 in derNachfolge von Oranienbaum die Zentrale Restaurierungs-werkstatt des Landes Sachsen-Anhalt, deren Leitung nachmehrjähriger Vakanz glücklicherweise einige Wochen vorder Tagung mit Herrn Henrik Otto hatte besetzt werdenkönnen. Die Freude hierüber konnten die Leiterin des Lan-deshauptarchivs, Frau Dr. Ulrike Höroldt, und die Leite-rin der Abteilung Dessau, Frau Angela Erbacher, der Ver-sammlung bei ihrer Begrüßung mitteilen. Herr Otto führ-te die Ausschussmitglieder durch das großzügige undmodern ausgestattete Werkstattareal und gab einen Über-blick über die Konzeptionierung und die Aussichten derlandesweiten Restaurierungsvorhaben.

Das Tagungslokal war der in seiner Art sicherlich ein-malige Veranstaltungs- und Ausstellungsraum der Abtei-lung Dessau des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, derim obersten (siebten) Stock eines ehemaligen, 1875/76errichteten Wasserturms untergebracht ist. Dieser beher-bergt in seinen anderen Etagen Magazinräume, jedoch gibtes auch noch einen modernen Magazinneubau, der diebauliche Verbindung zum Verwaltungstrakt darstellt, derseinerseits in einem in den dreißiger Jahren errichtetenGebäude der Wasserwirtschaft untergebracht ist. Die weit-gehend passive Klimatisierung der Magazine wurde durcheine moderate Klimatechnik ergänzt. Es handelt sich umeine manuell zu steuernde Klimatechnik, die nur imBedarfsfall und vorübergehend regulierend eingesetztwerden soll. Sie hat keine Verbindung nach außen; es wirdweder Außenluft angesogen noch Luft nach außen abge-geben, sondern lediglich die Innenluft umgewälzt undnach Bedarf gekühlt, erwärmt oder entfeuchtet.

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Hinsichtlich der jährlichen Erhebungen zur Verteilungvon Haushaltsmitteln für die Bestandserhaltung beabsich-tigt der Bestandserhaltungsausschuss eine nähere Abstim-mung mit dem Ausschuss „Sicherung und Nutzung durchbildgebende Verfahren – Fototechnischer Ausschuss“. Des-sen Überblick über die in den Archiven angewandten Ver-fahren zur Digitalisierung und Verfilmung ist gerade unterbestandserhalterischen Aspekten unverzichtbar.

Weitere Schwerpunktthemen waren die Frage, wieweitdie Fehlertoleranz bei Massenverfahren gehen darf, undkonkrete Vorgehensweisen bei Lagerung und VerpackungBei dieser Gelegenheit wurde noch einmal ins Bewusstseingehoben, dass unter dem „laufenden Meter“ oder „Regal-meter“ nicht überall dasselbe verstanden wird. Ohnehinsind die grundsätzlich anders konzeptionierten Magazinie-rungsstrategien der stehenden und liegenden Aufbewah-rung in metrischer Hinsicht nur bedingt vergleichbar. Wei-tere Tagesordnungspunkte waren die Notfallvorsorge, Bei-spiele für Bestandserhaltungskonzepte und die Öffentlich-keitsarbeit für die Bestandserhaltung. Der gerade ebenstattgefundene Tag der Archive und der Jahrestag desBrandes der Anna-Amalia-Bibliothek („Aktionstag zurErhaltung des schriftlichen Kulturguts“) haben reichlichGelegenheit geboten, der Öffentlichkeit Probleme undChancen der Bestandserhaltung nahe zu bringen.

Ein Arbeitsschwerpunkt 2006/07 wird wieder derUmgang mit Schimmelbefall sein. Die nächste Sitzungwird im Technischen Zentrum Münster-Coerde, also unterder Gastgeberschaft des Landesarchivs Nordrhein-Westfa-len, stattfinden.

Magdeburg Wilhelm Klare

29. Hessischer Archivtag in Limburg

Der 29. Hessische Archivtag am 13. Juni 2006 in Limburgstand unter dem Motto „Lernort Archiv: Unterricht – Fort-bildung – Geschichtswettbewerbe“. In der Mitgliederver-sammlung zog zunächst die Vorsitzende des hessischenLandesverbandes deutscher Archivare, Dr. BrigitteStreich, eine Bilanz der Arbeit des Verbandes. Zweiwesentliche Aspekte waren dabei zu nennen: Zum einenmehrere Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbän-den mit dem Ziel, auf die schwierige Lage der hessischenKommunalarchive aufmerksam zu machen, die bekannt-lich im Vergleich der Bundesländer eher schlecht dastehen.Dafür war der Austragungsort des Archivtages selbst, dietraditionsreiche Stadt Limburg, ein gutes Beispiel: Trotzumfangreicher historischer Bestände verfügt die Kommu-ne über kein hauptamtlich geführtes Archiv. Eine Anre-gung des Verbandes hessischer Archivare aufgreifend, ludder Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissen-schaft und Kunst, Prof. Dr. Felix-Joachim Leonhard, imJuli 2005 Vertreter der Staats- und der Kommunalarchiva-re, der beiden hessischen Archivverbände sowie des Hes-sischen Städtetages, des hessischen Städte- und Gemeinde-bundes, des hessischen Landtages und der Regierungsprä-sidien zu einer ersten Diskussionsrunde zur Lage derArchive ein. Auch wenn diese Runde zunächst ohne Ergeb-nis blieb – ein Anfang ist damit gemacht. Eine andere, vielbeachtete Aktion war die erstmalige Vergabe des hessi-schen Archivpreises im vergangenen Jahr, über die DerArchivar in Heft 1 dieses Jahres berichtet hat.

Der öffentliche Teil des Archivtages begann mit der Ver-lesung eines Grußwortes von Staatssekretär Prof. Dr. Leon-hard, der unter anderem die breite Palette von Themenbe-reichen würdigte, die von den bisher veranstalteten hessi-schen Archivtagen abgedeckt wurden und unter Bezug aufdas diesjährige Archivtagsmotto Strategien forderte, umdie in den Archiven verankerte Erinnerungskultur stärkersichtbar machen zu können. In diesen Zusammenhanggehöre der Hessische Archivpreis, der auch 2006 wiederausgeschrieben werde. Es folgten Grußworte des Bürger-meisters der Stadt Limburg, Martin Richard, des Dezer-nenten für Bildung und Kultur des bischöflichen Ordina-riats Limburg, Dr. Eckhard Nordhofen und Dr. MichaelDiefenbachers als Vertreter des Verbandes deutscherArchivarinnen und Archivare. Die beiden Vormittagsvor-träge von Prof. Dr. Bernd Hey vom LandeskirchlichenArchiv Bielefeld und Dr. Thomas Lange, Darmstadt,waren archivpädagogischen Fragen gewidmet. Unter demThema „Den Anschluss verpasst? Die evangelischen Kir-chenarchive und die Archivpädagogik“ berichtete BerndHey in seinem kurzweiligen Vortrag zunächst über einegeplante Tagung der Kirchenarchivare zu kirchen-, religi-ons- und archivpädagogischen Fragestellungen, die damiteinem vergleichsweise neuen Themenfeld gewidmet seinsollte, und ging auch den Gründen dafür nach, weshalbdiese Tagung am Ende doch nicht zustande kam. Heyschilderte sodann neue kirchenpädagogische Ansätze,etwa die touristische Erschließung von Kirchengebäudenund ihres Inventars, und machte deutlich, wo er die Rolleder Kirchenarchivare auf diesem Gebiet sieht: nämlich inder Ausarbeitung und Veröffentlichung von Führern fürkirchliche Gebäude und Anlagen und in der Organisationvon Besichtigungen und Führungen. Bei der Ausbildungvon Kirchenführern gehört in NRW ein Besuch des Landes-kirchlichen Archivs zum Ausbildungsprogramm, währendkirchengeschichtliche Angebote im Geschichts- und Religi-onsunterricht eher selten nachgefragt werden. Letzteresgilt ebenso für den Konfirmandenunterricht, für den Heyeine „Gegenwartsversessenheit“ konstatierte, die „dieGemeinde des wichtigen Ferments eines Bewusstseins alsTraditionsgemeinschaft mit gemeinsamer Geschichte unddaraus resultierenden Bindungen“ beraube. In seinerZusammenfassung bewertete Hey die Möglichkeiten einerevangelischen Archivpädagogik eher negativ, da die Vor-aussetzungen weder auf archivischer noch auf schulischerSeite gegeben seien, schloss dann aber doch mit einemBlick auf ein Erfolgsprojekt des landeskirchlichen Archivs,nämlich auf die Ausstellung „Kurt Gerstein (1905-1945) –Widerstand in SS-Uniform“, in deren Folge eine umfang-reiche Palette medialer Präsentationen, von der wissen-schaftlichen Biografie bis zum Spielfilm, entstanden ist.

Thomas Lange zog in seinem Beitrag „Historisches Ler-nen im Archiv“ zugleich eine Bilanz seiner 20-jährigenarchivpädagogischen Tätigkeit im Staatsarchiv Darmstadt.Ausgangspunkt seiner Überlegungen war der zunehmen-de Umgang von Jugendlichen mit elektronischen Medienund die Vernachlässigung von Büchern und Schriften – einmedialer Wandel, den die Archive aber auch als Chancenutzen könnten. Um die Lage der Archivpädagogik inDeutschland deutlich zu machen, zog Lange einen Ver-gleich mit Frankreich, wo um 1950 in Zusammenarbeit mitden Schulen ein pädagogischer Unterrichtsdienst an denArchiven institutionalisiert wurde, der personell und

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finanziell sehr viel besser ausgestattet ist als etwa inDeutschland. Auch in den skandinavischen Ländern exi-stieren breit angelegte archivpädagogische Angebote fürdie verschiedensten Alters- und Zielgruppen. Obwohl andeutschen Archiven eine sehr viel geringere Zahl anArchivpädagogen tätig ist, die zudem aufgrund von Spar-zwängen immer weiter reduziert wird, schätzte Lange dieMöglichkeiten der Archive als außerschulischen Lernortenpositiv ein, zumal die Schulen sich in Zukunft stärker öff-nen und ihre Lernziele zunehmend fachübergreifend undinterkulturell definieren werden: In einer verändertenLernlandschaft haben die Archive einen wichtigen Platz.Dies verdeutlichte Lange, als er abschließend auf Arbeits-formen und sich daraus ergebende Probleme bei der Arbeitmit Schülern im Archiv einging. Als positives Beispiel stell-te er eine von Schülern produzierte CD-ROM mit transkri-bierten Feldpostbriefen des 1. Weltkriegs aus dem Stadtar-chiv Darmstadt vor, ein Vorhaben, das durch die Initiative„Schulen ans Netz“ gefördert worden war.

Nach der Mittagspause war das diesjährige „Forum“einem Beitrag von Katja Fausser von der Körber-StiftungHamburg zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsi-denten gewidmet. Katja Fausser berichtete unter demStichwort „Erst habe ich mich unheimlich klein und verlo-ren gefühlt…“ über die Erfahrungen jugendlicher Spuren-sucher im Archiv und machte zugleich die Dimensionendeutlich, die der Geschichtswettbewerb mittlerweileerreicht hat: An der „größten historischen Laienfor-schungsbewegung“ beteiligen sich alle zwei Jahre rund6.000 Schülerinnen und Schüler mit 1.200 Beiträgen ausdem ganzen Bundesgebiet. Ziele des Wettbewerbes sinddas Prinzip des forschenden Lernens, angewandt auf dieLokalgeschichte und die Förderung des demokratischenVerständnisses von Kindern und Jugendlichen. Fausserbetonte die Bedeutung der Tutoren, der Lehrer also, die beider Themenfindung helfen und die Schüler auf etwaigeArchivbesuche vorbereiten. Die Körber-Stiftung bietet Hil-festellungen für Lehrer und Schüler in Form von Work-shops vor Ort an, in die auch die Archive einbezogen wer-den; weitere Informationen findet man auf der Homepageder Stiftung. Die Referentin machte eindringlich klar, dassSchülerinnen und Schüler die Archivnutzer von morgensind und dass sich eine Zusammenarbeit in jedem Fall aus-zahlt, äußerte aber zugleich ihre Besorgnis über Tenden-zen, die die Beteiligung an den Geschichtswettbewerben inZukunft schwieriger gestalten werden – Stichworte Zen-tralabitur, Abitur nach zwölf Schuljahren. Abschließendäußerte sie den Wunsch, dass sich die Archive den Schu-len als Kooperationspartnern weiter öffnen mögen. In derDiskussion wurde allerdings zu Recht angemerkt, dass dieKooperationsangebote der Archive an Schulen und Lehrerhäufig von letzteren unter Verweis auf die Zunahme ande-rer Aufgaben abgelehnt werden.

Wie schon an den zwei vorausgegangenen hessischenArchivtagen stellten sich auch diesmal wieder kleinereArchive vor. Die personelle Ausstattung, die räumlicheUnterbringung und die Bestände ihrer Archive schildertenMartina Wagner M.A. vom Bistumsarchiv Limburg undDr. Hermann-Josef Braun vom Bistumsarchiv Mainz.Abschließend berichtete die Vorsitzende des Verbandeshessischer Kommunalarchivare, Irene Jung, aus derArbeit ihres Verbandes.

Der mit etwa 100 Teilnehmern recht gut besuchteArchivtag endete gegen 17.00 Uhr. Im nächsten Jahr findeterstmals seit 1996 wieder ein gemeinsamer hessisch-thü-ringischer Archivtag statt. Aus Anlass der großen, der Hl.Elisabeth gewidmeten Landesausstellung auf der Wart-burg wird die Tagung am 10. und 11. Juli in Eisenach statt-finden.

Wiesbaden Brigitte Streich

20. Archivpädagogenkonferenz in Bremen

„Veränderte Strukturen – neue Chancen?“ – Strukturveränderun-gen im Bildungsbereich und in der Gesellschaft und ihre Auswir-kungen auf die Benutzung im Archiv

Am 16. und 17. Juni 2006 fand im Bremer Staatsarchiv dievon Dr. Günther Rohdenburg vorbereitete 20. Archiv-pädagogenkonferenz statt. Moderiert von Roswitha Link(Stadtarchiv Münster), kommissarische Sprecherin desVdA-Arbeitskreises „Archivpädagogik und HistorischeBildungsarbeit“, diskutierten ca. 20 Teilnehmerinnen undTeilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet engagiert dieVorträge und tauschten Informationen über neue Projekteund Vorhaben aus.

Dr. Konrad Elmshäuser (Staatsarchiv Bremen) wür-digte einleitend das überdurchschnittliche Engagementdes im Oktober ausscheidenden Kollegen Rohdenburg,dessen Stelle vorerst nicht wieder besetzt werden wird.Nach der Begrüßung zog Dr. Thomas Lange (HessischesStaatsarchiv Darmstadt) mit seinem Vortrag „20 JahreArchivpädagogik“ eine Bilanz. Thomas Lange würdigteinsbesondere die engagierte Arbeit von Günther Rohden-burg, der 1986 die archivpädagogische Initialzündung gab.

Dr. Birgit Schneider-Bönninger und Anita Placentivom Stadtarchiv Wolfsburg stellten „Perspektiven undPositionen der Archive“ am Beispiel des „WolfsburgerModells“ vor, das sich durch exzellente Rahmenbedingun-gen für die archivdidaktische Praxis und einen permanen-ten „Workshopcharakter“ auszeichnet. Prof. Dr. SusanneFreund, FH Potsdam, erläuterte in ihrem Referat „Verän-derungen an der Universität und Auswirkungen auf dieArchive“ die grundlegenden Strukturveränderungen imAusbildungsgang Potsdam, die sich aus der neuen Aus-richtung auf den Bachelorabschluss ergeben. Archive soll-ten sich insbesondere im Bereich der Historischen Hilfs-wissenschaften – in Kooperation mit den Universitäten –neu positionieren und neue Nutzerschichten erschließen.Aus der Sicht der Archivleitungen sprach Prof. Dr. VolkerRödel (Landesarchiv Karlsruhe, Abteilung Generallandes-archiv Karlsruhe) zum Thema „Archivpädagogik undStrukturen“. Prof. Rödel stellte das Spannungsverhältnisvon „Aufwand vs. Nutzen“ im Blick auf den archivpäd-agogischen Einsatz vor. Die Forderung, jeder Schüler mögeeinmal in seiner Schullaufbahn ein Archiv besuchen,wurde als problematisch und personell nicht leistbar dar-gestellt. Der Beitrag von Dieter Klose (Landesarchiv NRW,Staatsarchiv Detmold) widmete sich den „gesellschaftli-chen Veränderungen und ihren Auswirkungen auf dieArchive“. Unter dem Schlagwort „Risikogesellschaft“ skiz-zierte der Referent grundlegende gesellschaftliche Wand-lungstendenzen und die neue Konzentration auf „Schlüs-selqualifikationen“, die für die Archive eine handlungsori-entierte Themenorientierung (HOT-Prinzip) mit sichbringt. Zum Abschluss fasste Dr. Erika Münster-Schrö-

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er (Stadtarchiv Ratingen) die „Vielfalt der Ansätze“zusammen. Richtschnur sei heute, das Archiv in die Arbeitaller Kultureinrichtungen einzubinden und Synergien zuerzielen. Die Referentin wies auf die wachsende Verant-wortung der kulturellen Institutionen als „Kulturvermitt-ler“ hin. Als neues gesellschaftliches, von der Politik auf-gegriffenes Leitthema nannte sie das Thema „Jugend“. Imletzten Vortragsteil skizzierte Dr. Hans-Christian Herr-mann (Sächsisches Staatsarchiv Leipzig) die Situation derArchivpädagogik in den neuen Bundesländern. Der Refe-rent stellte dar, dass das Aufsuchen der Archive durchSchulen sowie die Beteiligung beim Geschichtswettbewerbdes Bundespräsidenten in den neuen Bundesländerndurch eine deutlich geringere Frequenz gekennzeichnet seials in den alten. Auch in der DDR habe es seit 1970 eineTradition von Öffentlichkeitsarbeit in Archiven gegeben. In der Diskussion wurde geraten, Archivpädagogik inLehreraus- und -fortbildung sowie in der Weiterbildungvon Archivaren fest zu verankern, was in Potsdam zwargeschieht, aber noch nicht in Marburg. Ein lockerer Mei-nungsaustausch in informellem Rahmen wurde am Abendfortgesetzt.

Der zweite Tagungstag begann mit der Mitgliederver-sammlung des Arbeitskreises (AK) Archivpädagogik undHistorische Bildungsarbeit. Joachim Pieper (Landesar-chiv NRW, Abteilung Hauptstaatsarchiv Düsseldorf) hatseine Tätigkeit als Sprecher vorübergehend ausgesetztwegen der Kürzung der Anrechnungsstunden in Nord-rhein-Westfalen. Roswitha Link hat daher kommissarischdiese Funktion übernommen. Sie berichtete, dass u. a. auchder AK wegen der Abwendung einer drohenden völligenAbschaffung der Anrechnungsstunden für Archivpädago-gik in Nordrhein-Westfalen und Hessen erfolgreich inter-veniert hat, allerdings eine Kürzung der Stunden nicht ver-hindert werden konnte. Der Koordinationsausschuss desAK hat sich im November 2005 und März 2006 zur Vorbe-reitung der Archivpädagogenkonferenz in Bremen und derSitzung des AK auf dem 76. Deutschen Archivtag in Essen(26. September, 16 – 18 Uhr) getroffen. Die eigentlich fälli-ge Sprecherwahl wurde wegen der noch unklaren Lage inNordrhein-Westfalen bis 2007 ausgesetzt. Allgemeinbedauert wurde, dass Dr. Günther Rohdenburg seine denAK über Jahre hin prägende Tätigkeit aus Altersgründenaufgibt. Auch Dr. Thomas Lange wird aus gleichen Grün-den künftig nicht mehr im AK aktiv sein.

Mit „Berichten aus den Archiven“ wurde die Konferenzdann fortgesetzt. Es wurde deutlich, dass in Leipzig, Karls-ruhe, Ulm, Berlin, Bielefeld, Düsseldorf, Detmold, Wiesba-den, Ratingen, Nürnberg, Münster und Darmstadt jeweilsnach unterschiedlich akzentuierten Ansätzen gearbeitetwird, dass aber Personalknappheit fast überall ein Problemdarstellt. Neue Impulse können von der Tendenz zu Ganz-tagsschulen ausgehen.

Sven Tetzlaff (Körber-Stiftung Hamburg) berichteteüber den diesjährigen, im September startendenGeschichtswettbewerb sowie die neue, stärker auf dieSituation in den Bundesländern eingehende, regionalisier-te Preisstruktur. Den Schlusspunkt setzte Dr. ClemensRehm (früher Generallandesarchiv Karlsruhe, jetzt bei derStabsstelle des Landesarchivs Baden-Württemberg u. a. fürarchivische Bildungsarbeit zuständig). Er schlug eineoffensive „Marktstrategie“ vor: ein Qualitätssiegel „Archivund Schule“ sei nach Vorliegen gewisser überprüfter Stan-

dards (z. B. Durchführung von Beratung, Führungen,öffentlichen Veranstaltungen) zu erteilen und solle bei denmöglichen Ansprechpartnern Aufmerksamkeit und Bereit-schaft zur Zusammenarbeit auslösen. In der Diskussionwurde diese Anregung kontrovers aufgenommen: eineBeschränkung auf „Archiv und Schule“ schien ungünstig,dies solle verallgemeinert werden auf „Archiv und Bil-dung“ bzw. „Archiv und Vermittlung“.

Die 21. Archivpädagogen-Konferenz wird am 8./9. Juni2007 in Wolfsburg stattfinden.

Wolfsburg/DarmstadtBirgit Schneider-Bönninger/Thomas Lange

Fundraising und Sponsoring in Archiven

Bericht zur Tagung „Erschließung von Finanzierungsmöglichkeitenfür Bibliotheken und Archive“

Archive wie auch Bibliotheken haben als öffentliche Ein-richtungen in den letzten Jahren verstärkt mit zum Teil dra-stischen Kürzungen ihres Etats zu kämpfen. Oft bestehterhöhter Legitimationszwang gegenüber den Trägern. DieKooperation mit Partnern und Geldgebern ist daher immerweiter in den Aufgabenbereich der Archive und Bibliothe-ken gerückt.

Am 28. Juni 2006 fand in Berlin die Fachtagung„Erschließung von Finanzierungsmöglichkeiten für Biblio-theken und Archive“ statt, bei der diese Thematik im Mit-telpunkt stand. Organisiert wurde die ganztägige Veran-staltung in Zusammenarbeit zwischen dem Weiterbil-dungszentrum der Freien Universität Berlin und der Fach-hochschule Potsdam. Die Moderation teilten sich Dr. RolfBusch, Leiter des Weiterbildungszentrums und Prof. Dr.Dagmar Jank, Dozentin an der Fachhochschule Potsdam.Auf der Basis von Beiträgen und anschließenden Work-shops sollten die Konturen eines Qualifizierungspro-gramms zum Thema Fundraising erarbeitet werden. Mit-arbeiter/innen von Archiven und Bibliotheken soll damiteine Hilfe bei der Erschließung von ergänzenden Finanzie-rungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden.

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung des StudiengangsBibliothek des Fachbereichs Informationswissenschaftenhaben Studierende des 6. Semesters eine kommentierteBibliographie erarbeitet. Sie beteiligten sich an den Work-shops, protokollierten die Veranstaltung und verfasstenvorliegenden Artikel. Die Bedeutsamkeit des Arbeitsgebie-tes Fundraising - Sponsoring - Friendraising und alterna-tive Betriebsformen für Archive wie Bibliotheken zeigte diegroße Resonanz von ca. 50 Teilnehmern aus ganz Deutsch-land.

Die BeiträgeUwe Hanf, Dozent an der Fachhochschule Potsdam imFachbereich Kulturarbeit, bot einen engagierten Einstiegmit seinem Vortrag über Marketing-Konzepte und die Not-wendigkeit der Nutzung alternativer Finanzierungsfor-men. Deutlich wurde dabei, wie wichtig die umfassendeAnalyse der eigenen Institution und eine darauf abge-stimmte Strategieentwicklung ist. Nur dann können pro-fessionelle Aktionen im Bereich Finanzierung durchge-führt werden. Der Leiter der Abteilung Zentrale Diensteder Stiftung „Stadtmuseum Berlin“ Christian Mothesberichtete über den Rechtsformwechsel seiner Institutionzur Stiftung hin. Er betonte dabei, dass vor allem der Aus-

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einandersetzung mit juristischen Fragen höchste Bedeu-tung zukäme. Das „Corporate Branding“ als eine Basis derFinanzierung von Bibliotheken und Archiven war dasThema von Prof. Frauke Schade von der Fachhochschulefür Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Danach gabder Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staats-bibliothek München einen interessanten Einblick in seineArbeit. Er stellte den Förderverein als klassisches Instru-ment der ergänzenden Finanzierung vor, ging aber auchdetailliert auf Bereiche wie Imagekorrektur und Imagever-besserung ein. Einen wichtigen Aspekt sprach Dr. BettinaWischhöfer, Leiterin des Archivs der Evangelischen Kir-che von Kurhessen-Waldeck, mit ihrem Beitrag zur kreati-ven Mitarbeiterbeschaffung von Archiven an. Viele Digita-lisierungs-, Erschließungs- und Verzeichnisprojekte derletzten Jahre wären ohne die Hilfe von Freiwilligen in zahl-reichen Archiven nicht möglich gewesen. Nur so konntenLow-Budget-Projekte ohne zusätzliche Finanzierungdurchgeführt werden. Wertvolle Bestände an Bild- undTextdokumenten sind nutzbar gemacht worden. DurchKooperation mit der Archivschule Marburg konnten imRahmen von Lehraufträgen und Referendariaten Findbü-cher erstellt werden. In der Zusammenarbeit mit der Uni-versität Kassel haben Studierende des Bachelor-Studien-gangs Geschichte die Möglichkeit, ihr zweimonatigesPflichtpraktikum auch im Landeskirchlichen Archiv zuabsolvieren um dort wertvolle Erfahrungen zu sammeln.Hinzu kommt eine Vielzahl von ehrenamtlichenHelfer/innen, die durch ihr Wissen beispielsweise imBereich EDV oder Kirchengeschichte einen unermesslichenBeitrag zur Erschließung von Beständen in Pfarrarchivenleisten. Aus den verschiedenen Projekten entwickeln sichoft langfristig gepflegte Partnerschaften von hohem wech-selseitigem Wert.

Der Praxisbericht von Dr. Hannelore Vogt, Leiterin derStadtbücherei Würzburg, bildete den Abschluss der Vor-tragsreihe. Auch ihre Einrichtung hat sich aus der Not her-aus mit dem Thema Sponsoring und Fundraising beschäf-tigen müssen. Der Einsatz von Kreativität und der Wille zuInnovationen zahlte sich aus. Mittlerweile haben sichKooperationen mit den unterschiedlichsten Partnern festetabliert.

Die WorkshopsIn eineinhalbstündigen Arbeitsgruppen wurde auf Grund-lage der Ideen und Erfahrungen der Teilnehmer ein Anfor-derungsprofil für ein zukünftiges Weiterbildungspro-gramm erarbeitet. Unterschiedlichste Impulse konntengenutzt werden, da die Teilnehmerschaft sowohl aus demArchiv- als auch dem Bibliotheksbereich kam. Die Ergeb-nisse der drei Workshops lassen sich wie folgt formulieren: 1. Öffentlichkeitsarbeit muss als Aufgabe der gesamten

Institution gesehen werden und kann nicht auf denArbeitsbereich einzelner Mitarbeiter eingegrenzt wer-den. Tragfähige Konzepte von Öffentlichkeitsarbeit las-sen sich beispielsweise auf der Basis des Leitbilds derjeweiligen Einrichtung erstellen. In einer Weiterbildungmuss daher der Wert auf die Bedeutung der Philosophieeiner Einrichtung gelegt werden, um daraus eine Stra-tegie entwickeln zu können.

2. Die Beschäftigung mit ethischen und juristischen Fragengeht mit der Erschließung von Finanzierungsmittelneinher. Nicht jeder Kooperationspartner ist uneinge-schränkt zu empfehlen. Neben dem Nutzen muss auchauf das Image der eigenen Einrichtung geachtet werden.Die Vernetzung der Fundraiser/innen zum Austauschvon Ideen und Konzepten muss verstärkt werden, eben-so die Zusammenarbeit mit potentiellen Sponsoren, umsich mit deren Erwartungen abstimmen zu können.

3. Sollte der Rechtsformwechsel der Institution geplantwerden, müssen zuerst genaueste betriebswirtschaftli-che und juristische Abwägungen vollzogen werden.Oftmals wird das in der Praxis versäumt und die „Nach-bereitung“ bringt viele Unstimmigkeiten zu Tage.

FazitEin Bewusstseinswandel in Zeiten knapper Ressourcenbrachte in öffentliche Einrichtungen in den letzten Jahrenviel Bewegung. Um sich weiterhin behaupten zu können,muss oftmals ein Finanzierungsmix aus Spenden, Sponso-ring und selbst erwirtschafteten Mittel gefunden werden.Zukünftig wird es verstärkt darum gehen, die Aufmerk-samkeit Anderer auf die Aufgaben und Ziele der Institu-tionen zu lenken. Herrschende Zwänge und Umständesollten nicht einfach so akzeptiert werden.

Ein Weiterbildungsprogramm zum Thema Sponsoringund Fundraising würde daher einen sehr wichtigen Bau-stein für die archivarische und bibliothekarische Arbeit inDeutschland darstellen.

Potsdam Niko Schachner/Nadin Weiß

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 381

AuslandsberichterstattungInternationales

Stage Technique International d’Archives im Wandel

Der von der französischen Archivverwaltung alljährlichveranstaltete Stage Technique International d’Archivesbefindet sich weiterhin im Umbruch: weg vom traditionel-len französischen, bevorzugt frontalen Vortragsstil, hin zueinem kooperativen, gegenseitig befruchtenden Erfah-rungsaustausch unter internationalen Archivarskollegen.So könnte man die im Stage 2005, der vom 6. April bis zum15. Juni in Paris stattfand, unübersehbare Entwicklungbeschreiben, deren Anfänge bereits von den deutschenTeilnehmern des Stage 2004 beobachtet worden waren.1

Dass dabei in den nächsten Jahren noch weitere Schritte –auch organisatorischer Art – vollzogen werden müssen,hinter denen sich noch sehr viel Entwicklungspotenzialverbirgt, liegt bei der Umstrukturierung einer über einenZeitraum von vier Jahrzehnten gewachsenen Veranstal-tung in der Natur der Sache.

Am Stage 2005 nahmen 41 Archivarinnen und Archiva-re aus 31 Ländern teil, darunter elf Osteuropäerinnen undelf Kolleginnen und Kollegen aus Nord- und Westafrika.Die Kollegen mit der weitesten Anreise stammten von denKomoren, aus Haiti, Argentinien und Kanada (Québec).Die unterzeichneten deutschen Teilnehmerinnen kamenaus dem Bundesarchiv und dem Stadtarchiv Mainz.

Das Programm der zehnwöchigen Veranstaltung unter-teilte sich in mehrere Abschnitte, die jeweils von französi-schen Spezialistinnen und Spezialisten des Nationalarchivsund der Archivdirektion moderiert wurden. Zudem warenregelmäßig Gastreferentinnen und -referenten aus dem In-oder Ausland geladen. Als einziger deutscher Referent indiesem Jahr berichtete Joachim Pieper vom Hauptstaats-archiv Düsseldorf über die Arbeit und Rolle der Archiv-pädagogik in Deutschland und insbesondere in Nord-rhein-Westfalen. Noch vor Beginn des Stage waren alleTeilnehmer aufgefordert worden, einen Vortrag oder eineModeration über ein oder mehrere selbst gewählte Themenvorzubereiten. Diese Beiträge wurden kurz vor Beginn desStage themengerecht bestimmten Veranstaltungsmodulenzugeordnet. Inwieweit Vorträge innerhalb der entspre-chenden Module berücksichtigt und diskutiert werdenkonnten, lag jedoch sehr im Ermessen der jeweiligenModeratoren. In diesem Bereich verbirgt sich zweifellosnoch ein gewisses Optimierungspotenzial für die nächstenJahre.

Positiv hervorzuheben ist, dass alle Exposés der Teil-nehmerinnen und Teilnehmer sowie viele Vorträge derGastreferentinnen und -referenten in schriftlicher Formverteilt wurden und nun auch im Internet abgerufen werden können unter www.archivesdefrance.culture.gouv.fr/fr/formation/index.html. Zudem stand es denTeilnehmern offen, selbst Diskussionsforen in Form von„Runden Tischen“ anzubieten. Unter anderem nutzte einKollege aus Québec diese Möglichkeit, um einen Erfah-rungsaustausch zum Thema Erwerb und Bearbeitung vonprivaten Archiven und Nachlässen zu moderieren – wasauf sehr positive Resonanz stieß.

Generell blieb man bei einem den traditionellen Zielender Veranstaltung verpflichteten generalistischen Ansatzund befasste sich mit den Kernaufgaben der archivarischenPraxis. Zugleich lagen, von den Kursteilnehmern angeregt,deutliche Akzente auf Themen von aktueller Bedeutung.So wurden unter anderem Verzeichnungsstandards undder Einsatz neuer Technologien bei der Findmittelerstel-lung, die internationale Vernetzung bei der Bereitstellungvon Findmitteln sowie der Umgang mit elektronischerSchriftgutverwaltung und Überlieferung thematisiert.Ausführlich ging man auch auf spezifische Fragen der Pla-nung von Archivneubauten ein und diskutierte aktuelleHerausforderungen in der bestandserhalterischen Arbeitangesichts von Naturkatastrophen. Weitere Themen-schwerpunkte der Veranstaltungsmodule galten der Aus-bildung von Archivaren, dem internationalen Archivrecht,der Bestandsbildung und Bewertung, dem Umgang mitSammlungsgut und nichtstaatlicher Überlieferung, derÖffentlichkeitsarbeit sowie der Archivtechnik.

Äußerst kooperativ und fruchtbar verlief das Veranstal-tungsmodul zum Thema „Internationale Zusammenar-beit“ unter der Leitung von Christine Martinez, der fürinternationale Kooperation Zuständigen bei der französi-schen Archivdirektion, und Vertretern des InternationalenArchivrats. Deutlich spürbar waren hier der Wille zu effek-tiver Kooperation sowie die Motivation, gemeinsame inter-nationale Projekte in Angriff zu nehmen. Konkrete Formennahm unter anderem die „Kampagne Vauban“ an, die sichdie Digitalisierung von Festungsplänen und verwandtenUnterlagen zum Ziel setzt, die im Archiv des französischenVerteidigungsministeriums aufbewahrt werden und meh-rere europäische – darunter viele deutsche – Städte betref-fen. Die Überlieferung soll konservatorisch gesichert undeiner breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.Auch fand sich eine Arbeitsgruppe zusammen, die sich mitFragen der internationalen archivfachlichen Terminologiebeschäftigt.

Das Veranstaltungsmodul selbst gliederte sich wesent-lich in vier Themenbereiche: Zunächst wurden Ziele undaktuelle Projekte des Internationalen Archivrats präsentiertsowie die Zusammenarbeit von ICA und DAF mit den ein-schlägigen internationalen Gremien problematisiert.Anschließend wurde die Ausbildung von Archivaren iminternationalen Vergleich thematisiert. Als Gastdozentstellte Hans Scheurkogel das reformierte Ausbildungs-konzept der Amsterdamer Archivschule vor und verglichderen stärker die Praxis der einzelnen Auszubildendenantizipierenden Ansatz unter anderem mit dem generali-stischen Ansatz der Archivschule Marburg. Kursteilneh-merinnen und -teilnehmer referierten über die Spezifikader Archivarsausbildung in Spanien, Argentinien und imLibanon. Christine Martinez präsentierte das Portail inter-national archivistique francophone (PIAF) mit seinem imAufbau befindlichen Online-Ausbildungsangebot sowieein Projekt zur Online-Ausbildung von mit Überlieferungzu auswärtigen Beziehungen befassten Archivaren. ZumThemenkomplex „Verwaltung von Archiven, Archivnetzein ausgewählten Ländern” wurden exemplarisch die Ver-hältnisse in Frankreich, Argentinien, Burkina Faso, Mali,Belgien, Tschechien, Togo, Luxemburg, im Senegal, in

1 Vgl. den Beitrag der deutschen Kursteilnehmer des Stage 2004, in: DerArchivar 58 (2005), H. 2, S. 124-126.

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Polen und Deutschland vorgestellt und Auswirkungen,Vor- und Nachteile von zentralistischen versus dezentrali-sierten Organisationsformen diskutiert. Zum ThemaArchivrecht wurden die gesetzlichen Grundlagen in Tune-sien, Algerien, auf den Komoren und im Niger vorgestellt,bevor Christine Martinez die Konzeption der im Entstehenbegriffenen Europäischen Archivrechtsdatenbank präsen-tierte.

Das Sitzungsmodul zur Bestandsergänzung undErschließung, geleitet von Claire Sibille, befasste sichzum Auftakt zunächst mit dem Sinn und Zweck nationa-ler und internationaler Normen und Standards im Allge-meinen und speziell mit deren Nutzen für das Archivwe-sen. Im Vordergrund stand dabei die Verzeichnung. Diebisher erzielten Ergebnisse hinsichtlich des internationalenAustauschs von Erschließungsdaten (ISAD-G, ISAAR[CPF], EAD) und die Einführung bzw. Anwendung vonStandards in verschiedenen Ländern wurden diskutiert.Deutlich wurde, dass in Frankreich insgesamt zwar einhoher Grad an Standardisierung in der praktischen Arbeitder staatlichen Archive erzielt wird, man aber dennoch mitregionalen Besonderheiten und Erfordernissen zu kämpfenhat.

Anschließend ging es um die Produktion von Findmit-teln. Hinterfragt wurden die hierbei gesetzten Prioritätensowie die angewandten Methoden und technischen Mittel.Besprochen wurden spezifische Beispiele aus der Praxis inFrankreich, Mali, Serbien-Montenegro, Spanien, Albanienund Armenien. Als deutscher Beitrag wurden zum einendie Findmittel des Stadtarchivs Mainz vorgestellt unddabei die traditionellen analogen Hilfsmittel wie Abliefe-rungslisten, Findbücher und Karteien den neuen digitalenMöglichkeiten – in diesem Fall einer alle Bestände umfas-senden Datenbank – gegenübergestellt. Von Seiten desBundesarchivs konnte das Projekt „Aufarbeitung des NS-Archivs des Ministeriums für Staatssicherheit im Bundes-archiv“ präsentiert werden. Diskutiert wurden insbeson-dere die methodischen Schwierigkeiten bei der prove-nienzmäßigen Erschließung von disparatem Sammlungs-gut sowie die Frage, inwieweit es archivfachlich zweckmä-ßig ist, ähnlich geartete Sammlungen aufzulösen respekti-ve in ihrem Verbund zu belassen.

Ein weiterer Themenschwerpunkt war der Umgang mitSammlungsgut, Nachlässen und privaten Archivbestän-den. Gesetzliche Grundlagen und Methoden des Erwerbswurden diskutiert und exemplarisch die Verhältnisse inKanada und Frankreich präsentiert. Im letzten Abschnittdes Moduls ging es um das Grundproblem des „Recordsmanagement“, Überlieferung in elektronischer Form, tech-nische und juristische Aspekte sowie die internationaleKooperation auf diesem Gebiet (Interpares, Erpanet).

Die Veranstaltungsmodule wurden durch themenbezo-gene Besuche in mehreren Archiven und Behörden vertieft,die sich in den meisten Fällen abwechslungsreich undinstruktiv gestalteten. Auf dem Besichtigungsprogrammstanden:– die Verwaltungsgebäude und Magazine des Nationalar-

chivs im Pariser Stadtzentrum– das Zwischenarchiv des Nationalarchivs in Fontaine-

bleau – die Archive des Außen- und des Verteidigungsministe-

riums– die Behördenarchive verschiedener französischer Mini-

sterien und der Postbehörde

– das Archiv der Versicherungsgesellschaft „Société Géné-rale“ im Pariser Stadtteil „La Défense“

– die Archives departementales de l’Essonne und des Yve-lines

– Gedenkstätten zum Ersten Weltkrieg in Péronne undUmgebung

– die Bibliothèque Nationale– die im Foyer des Kultusministeriums ausgestellten Ent-

würfe zum Neubau des Nationalarchivs für die moder-nen Bestände in St. DenisDie traditionelle einwöchige Exkursion führte Anfang

Mai nach Carcassonne, wo die Studiengruppe die Depar-tementalarchive de l’Aude in Carcassonne und du Tarn inAlbi sowie das Stadtarchiv Toulouse besichtigte. Sehrbeeindruckt waren die Kursteilnehmerinnen und -teilneh-mer vom archivpädagogischen Konzept, das im Departe-mentalarchiv de l’Aude vorgestellt wurde. Dort stehengroßzügige Räumlichkeiten für Schulklassen zur Verfü-gung, für die – je nach Alter – eigene Unterrichtsreihen und-materialien von den engagierten Mitarbeiterinnen desArchivs entworfen werden. Im Stadtarchiv Toulouse impo-nierten die Fortschritte bei der Digitalisierung von Archiv-gut sowie ein ambitioniertes Projekt zur Realisierung einesdigitalen Häuserbuches der Stadt für den Zeitraum von1478 bis 1830 (URBAN-hist), das mit der Unterstützungverschiedener staatlicher und städtischer Stellen durchge-führt wird (vgl. www.archives.mairie-toulouse.fr).

Die letzte Arbeitswoche war individuellen Recherchenund Hospitanzen vorbehalten. Für das Stadtarchiv Mainzwurde die Zeit genutzt, um mit Hilfe von Beständen derArchives Nationales2 die Frage zu erhellen, ob das Gnaden-gesuch des Schinderhannes tatsächlich Napoleon erreich-te und von ihm beschieden wurde.3 Im Archiv des franzö-sischen Verteidigungsministeriums im Schloss von Vincen-nes konnten unter den Nachlässen und der Serie N inter-essante Unterlagen zur französischen Besatzungszeit inMainz nach dem Ersten Weltkrieg aufgefunden werden.Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei eine Akte der„Postkontrollkommission“ Mainz4, einer Zensurstelle, dievon Januar bis September 1919 im Postamt Mainz durch-laufende Briefe von Privatpersonen nach inhaltlichenGesichtspunkten auswertete. Auch im Etablissement deCommunication et de Production Audiovisuelle de laDéfense (ECPA-D), einer weiteren Einrichtung des Vertei-digungsministeriums, wurden ausgewählte Bilder undFilme präsentiert, die vom französischen Militär in Mainzwährend den Besatzungen nach dem Ersten und ZweitenWeltkrieg aufgenommen wurden.

Eine andere Möglichkeit, die Zeit produktiv zu nutzen,boten Hospitanzen in ausgewählten Arbeitsbereichen desNationalarchivs. Bei einem Besuch der Alten Abteilung(section ancienne) z. B. konnte man die Arbeitsabläufe inder Siegelwerkstatt kennen lernen und mit Teilnehmernder dort regelmäßig abgehaltenen Lehrgänge für Konser-vatoren über gängige Restaurierungsverfahren sprechen.Mitarbeiter der Abteilung demonstrierten von Benutzern

2 Vgl. AF/IV/1232 (Procès-verbaux du conseil privé), AF/IV/933 (Secré-tairerie d’Etat, Feuilles de travail), BB/2/2 (Feuilles de travail du Mini-stère de la Justice), BB/28/2 (Registres du bureau des Grâces).

3 Die Ergebnisse der Recherche flossen in einen Aufsatz ein; vgl. Dobras,Wolfgang; Göbel, Ramona: Das Gnadengesuch des Schinderhannes anNapoleon, in: Mainzer Zeitschrift 100 (2005), S. 191-196.

4 Signatur: 16 N 1462. Ein Aufsatz über die interessanten Vorgänge istgeplant.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 383

angefragte Siegelreproduktionen sowie die Findmittel zuder umfangreichen Siegelsammlung und standen für Fra-gen nach der Bestandserhaltung und der Anwendungmoderner Technologien und internationaler Standards beider Findmittelproduktion zur Verfügung.

Zudem boten zahlreiche Archive die Möglichkeit, indi-viduelle Recherchen durchzuführen und die dortigenAbläufe kennen zu lernen. Im Archiv des Außenministeri-ums rief allerdings die Benutzersaalordnung Verwunde-rung hervor, die das Betreten und Verlassen des Saals ausSicherheitsgründen nur in Begleitung und zu festgelegtenUhrzeiten vorsieht. Eine Vorbestellung von Archivalienwar ohne vorher erfolgte Einschreibung ebenfalls nichtmöglich. Jedoch erwiesen sich auch die dort beschäftigtenFachkollegen als äußerst hilfsbereit und gesprächsoffen. Sobot sich auch die Gelegenheit, den Umgang mit laufendemund „zwischenarchivisch“ aufzubereitendem Schriftgutim Centre d’Archives et de Documentation (CAD) kennenzu lernen.

Sehr gewinnbringend war, vor allem weil Kolleginnenund Kollegen aus so unterschiedlichen Ländern zusam-mentrafen, nicht zuletzt der private und informelle Aus-tausch untereinander. Die Vielfalt an archivfachlichen Ein-drücken und die persönlichen Kontakte sind es, die denStage Technique International d’Archives so wertvollmachen.

Berlin/Mainz Sabine Dumschat/Ramona Göbel

Österreich

4. Österreichische Ordensarchivtagung 2006

Es ist bekannt, dass die Überlieferung historischer Quellenin Österreichs Klöstern ausgesprochen reichhaltig ist. DieAnzahl der Klosteraufhebungen bis und vor allem in derZeit Kaiser Josefs II. in den 1780er Jahren erreichte bei wei-tem nicht den Umfang der Säkularisierungsmaßnahmenin anderen Ländern. Darum können die über dreißig nochbestehenden österreichischen Stifte der so genannten„alten Orden“ eine Kontinuität in der archivischen Über-lieferung seit ihrer Gründung im Mittelalter vorweisen,was einzigartig in Europa ist.

Weniger bekannt ist, dass die Anzahl und Reichhaltig-keit österreichischer Ordensarchive jene der großen Stifteder Benediktiner, Zisterzienser, Augustiner-Chorherrenund Prämonstratenser weit übersteigt. Es gibt über vierzigösterreichische Klosterarchive mit Mittelalterbestand „insitu“. Zu den Stiften treten hier die Archive der Mendikan-tenklöster hinzu. Archivische Überlieferung aus der Frü-hen Neuzeit (bis 1800) bewahren zusätzlich nochmals min-destens ebenso viele Klöster und Ordensniederlassungen.

In Österreich unterhalten heute 87 Männerorden und130 Frauenorden mehrere hundert Ordensniederlassun-gen. Die Zählung der Ordensarchive ist insofern nicht ein-fach, als bei den so genannten „jüngeren Orden“ zwischenden Archiven der jeweiligen Niederlassungen – Ordens-häuser oder Klöster – und den Archiven der Provinzobe-ren und -oberinnen unterschieden werden muss. Umstruk-turierungen innerhalb der Ordensgemeinschaften wie dasAuflösen einer Niederlassung oder die Zusammenlegungvon Provinzen führen auch zu Änderungen bei den Archi-ven. In einigen Orden wurden und werden historischeBestände aus den einzelnen Häusern der Gemeinschaft inein zentrales Provinzarchiv überstellt.

Die österreichische Ordenslandschaft ist also wesentlichgrößer und bunter als es in einschlägigen Handbüchernoder Archivregistern verzeichnet ist, die Anzahl derOrdensarchivarinnen und –archivare dementsprechendgroß. Im Jahr 2003 wurde beim ersten Ordensarchivtag dieArbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichsbegründet und in der Folge als Fachreferat für das Archiv-wesen der Superiorenkonferenz der männlichen Ordens-gemeinschaften und der Vereinigung der Frauenorden ein-gerichtet. Seitdem finden jährliche Fachtagungen statt. Am22./23. Mai nahmen an der 4. Ordensarchivtagung in Inns-bruck rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fastebenso vielen Männer- und Frauenorden teil.

Das Thema der Tagung lautete „Ordenschroniken inForschung, Tradition und Praxis“. Sehr viele Ordensge-meinschaften führen statutengemäß nach wie vor kontinu-ierliche chronikale Aufzeichnungen. Zumeist ist damiteine Chronistin oder ein Chronist im Orden beauftragt, dernicht mit der Archivarin oder dem Archivar identisch ist,doch ergeben sich mit dem Ordensarchiv etliche Berüh-rungspunkte. Die Ordensarchive sind in der Regel Klein-und Kleinstarchive: durchschnittlich liegt der Umfang derBestände unter 500 Regalmetern, wenngleich einige Stifts-archive deutlich größer sind. Doch sind Ordensarchivenicht selten multifunktionale Einrichtungen und oft in Per-sonalunion mit anderen Bereichen im Orden wie Biblio-thek oder Sammlungen verbunden. Viele Ordensarchivesind auch Dokumentationsarchive: Sie übernehmen nichtnur Schriftgut aus den aktenproduzierenden Stellen, son-dern sammeln auch diverse Unterlagen über Veranstaltun-gen und Aktivitäten des Klosters oder der Kommunität.Das Dokumentieren und Aufzeichnen der Gegenwart fürdie Zukunft hat in den Ordensgemeinschaften Tradition.Geistliche Gemeinschaften leben stets in einem Span-nungsverhältnis zwischen Kontinuität und Innovation:Hier die oft jahrhundertealte Ordensregel, dort die immerwieder notwendigen Anpassungen der konkreten Statu-ten. Hier ein religiöser Lebensentwurf „sub specie aeterni-tatis“, dort der Auftrag zu einem konkreten Wirken inPastoral und Apostolat. Die chronikale Aufzeichnung derZeitläufte unterfängt dieses Spannungsverhältnis mit demPotential wahrgenommener Entwicklungschancen undmit der Reflexionsmöglichkeit von Krisen.

Neben diesen meist jahresweisen abgefassten Zeitchro-niken haben viele Klöster und Ordensgemeinschaften aucheine reichhaltige Überlieferung an historiographischenAufzeichnungen aller Art. Von der Darstellung einer Grün-dungsgeschichte bis zur Festschrift anlässlich einer Säku-larfeier, von erbaulichen Biographien berühmter Ordens-angehöriger bis zu den Anfängen diplomatischer undpaläographischer Forschung reicht hier die Palette.

Beiden Aspekten von Ordenschroniken hat sich dieösterreichische Ordensarchivtagung gewidmet. Den Ein-stieg in das Thema lieferte eine regionale Besonderheit desTagungsortes: Das Bundesland Tirol unterstützt in beson-derer Weise die Tätigkeit seiner Ortschronisten und unter-hält ein flächendeckendes Netz von über 300 Chronisten in260 Gemeinden. Der Vorsitzende der ARGE Tiroler Chro-nisten Helmut Hörmann hielt den Eröffnungsvortrag. Erreferierte über Struktur und Aufgaben des Chronikwesensin Tirol, über Anforderungsprofile an und Ausbildung vonChronisten sowie über Erfahrungen in der praktischenArbeit. Die anwesenden Ordensarchivarinnen undOrdensarchivare profitierten einerseits vom Vergleich zwi-

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schen den Arbeitsweisen der Ortschronisten und derOrdenschronisten: Etliche von Hörmann vorgetrageneÜberlegungen zur Frage bewusst reflektierter Subjektivi-tät des Chronisten, zu thematischen Aufgabenstellungenbei chronikalen Aufzeichnungen oder zu praktischenTipps, wie es von der berühmten Schuhschachtel angesammelten Material zur Chronik kommt, sind auch fürden Ordensbereich relevant. Andererseits ergaben sichauch neue Anknüpfungsmöglichkeiten zwischen derTätigkeit der Chronisten der Gemeinden und der Klösterin der gleichen Region.

Thomas Stockinger vom Institut für österreichischeGeschichtsforschung präsentierte das Forschungsprojekt„Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez (1709-1715)“.Die Patres Bernhard und Hieronymus Pez aus dem Bene-diktinerstift Melk in Niederösterreich hatten sich, angeregtdurch die Werke der Mauriner, dem Vorhaben verschrie-ben, eine allgemeine Literaturgeschichte des Benediktiner-ordens von den Anfängen bis zur Gegenwart zusammen-zustellen. Dieses Unternehmen war bei weitem zu kühnangelegt, um auch nur annähernd zu einer Vollendung zugelangen, doch gibt die nachgelassene Gelehrtenkorres-pondenz der beiden Brüder, die auch als Verfasser undHerausgeber von Historiographien und Quellensammlun-gen hervorgetreten sind, einen schillernden Einblick in dieTradition klösterlicher Geschichtsforschung zwischenbarocker Gelehrsamkeit und moderner Wissenschaft. Stockinger zeichnete die Entwicklung benediktinischerGeschichtsforschung und die Genese von Klosterchronikenim Zeitalter von Barock und Frühaufklärung nach, welcheihren Ausgang bei den herkömmlichen historiographi-schen Aufzeichnungsformen wie der Annalistik, dem Pro-fessbuch oder dem Äbtekatalog nahmen. Das intensiveQuellenstudium der Klosterchronisten war von umfangrei-chen Archivinventarisierungen begleitet und führteschließlich zur Entwicklung der historischen Hilfswissen-schaften. Auch auf die theologischen Implikationen dergroßen historiographischen Unternehmungen der Bene-diktiner ging Stockinger ein und erläuterte den engenBezug zum Weltverständnis barocker Eruditio. Abschlie-ßend wurde das Projekt, das vom Fond zur Förderung wis-senschaftlicher Forschung in Österreich finanziert wird,vorgestellt. In einer ersten dreijährigen Projektphase wirddie Edition der Korrespondenz der Brüder Pez für die Jahre1709 bis 1715 angestrebt, was etwa einem Viertel bis einemDrittel der gesamten, bis 1735 reichenden Überlieferung,entsprechen dürfte.

Als nächster Referent stellte P. Petrus Gratzl, Archivarund Bibliothekar des Zisterzienserstiftes Zwettl in Nieder-österreich, seine Dissertation zum Thema „Stift Zwettl inder NS-Herrschaft 1938-1945“ dar. In seinem Beitrag erör-terte er besonders die Haltbarkeit für verschiedene Thesen,die bislang eine Erklärung für das Weiterbestehen desKlosters zu geben versuchten. So wurde etwa argumen-tiert, die Nationalsozialisten sahen sich selbst als „Protek-toren“, in weiterer Folge als Nutznießer des Stiftes undwohl auch als seine eigentlichen Besitzer. Weiters hatteman die Kooperationsbereitschaft des Stiftes mit dem NS-System und dem Bemühen um einen „modus vivendi“hingewiesen. Das Stift Zwettl hatte einen starken Rückhaltin der Bevölkerung. Eine Aufhebung hätte zu jedem Zeit-punkt größeren Unmut ausgelöst. Das Stift wurde sehrfrüh von der Wehrmacht in Anspruch genommen. Zugrif-fe anderer Herrschaftsträger (z. B. Gestapo) wurden

dadurch hintan gehalten. Das Stift zählte nicht zu den rei-chen Klöstern, seine Ressourcen waren beschränkt. Zudemverwalteten die Patres das Stift und seinen Besitz gut,umsichtig und für die Nationalsozialisten nicht ungünstig.Diese Thesen wurden von Gratzl diskutiert, ihre quellen-kritische Fundierung überprüft und in Beziehung zu For-schungsergebnissen an anderen niederösterreichischenStiften, von denen ja die meisten weiter bestanden,gebracht. Er analysierte die chronikalen Quellen, die dafürim Kloster selbst vorhanden sind, und erläuterte weiterearchivische Recherchen und Interpretationsansätze. SeinVortrag gab unter anderem Anlass zur Frage der Quellen-überlieferung aus der NS-Zeit in den einzelnen Ordensge-meinschaften, führte aber auch zu grundsätzlicheren Über-legungen kirchlicher Positionen gegenüber dem NS-Regime.

Der zweite Tag wurde mit einem Vortrag von JohannTomaschek, Archivar und Bibliothekar des Benediktiner-stiftes Admont in der Steiermark, eröffnet. Tomaschekwidmete sich den Jubiliäumsschriften und zeichnete dieGeschichte klösterlichen Erinnerns und Feierns nach. Erführte aus, dass die Säkularfeier eine Erfindung der Neu-zeit war. Für die Klöster der alten Orden, auf die Tomasch-ek besonders einging, ist erstmals im Jahr 1582 eine Jubel-feier nachzuweisen, als die Salzburger Kirche und damitauch die Abtei St. Peter ihres tausendjährigen Bestehensgedachte. Die erste „Festschrift“ zu einem Jubiläum wardie Klosterchronik, die Stift Kremsmünster 1677 aus Anlassseiner 900-Jahr-Feier vorlegte. Eine Reihe anderer pracht-voll gestalteter Chroniken folgten bei diversen Säkularfei-ern anderer Stifte. Diese Tradition wurde im 19. Jahrhun-dert beibehalten und auch von anderen Ordensgemein-schaften aufgegriffen. In jüngerer Zeit hat es sich eingebür-gert, ein Jubiläum auch mit einer Ausstellung zu feiern.Der Ausstellungskatalog löst dabei die traditionsreicheKlosterchronik alten Zuschnitts immer mehr ab. Die klö-sterliche Historiographie findet einerseits Anschluss an diewissenschaftliche Publikationstätigkeit, pflegt aber ande-rerseits auch weiterhin Aufzeichnungsformen, die ihrPublikum innerhalb des Ordens und seines näherenUmkreises finden. Bei den Jubiläen geht es, so Tomaschek,nicht bloß um den Blick zurück, denn das Feiern findet imHier und Jetzt statt und gibt Anlass, sich die „aktuelleBefindlichkeit“ in einer Ordensgemeinschaft zu vergegen-wärtigen.

Der nächste Teil der Tagung stand unter dem Motto„Mitteilungen aus der Praxis“. Es referierten drei Ordens-leute über die konkrete Vorgehensweise beim Chronikver-fassen in ihrem Orden. P. Thomas Neulinger, Archivarder österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu, erläu-terte, dass die lange Tradition chronikaler Aufzeichnungs-praxis seines Ordens, die so genannten „Litterae annue“und die „Historiae domus“, beides herausragende Quellenzur Geschichte der Jesuiten, mit Modifikationen auchheute noch gepflogen wird. Er referierte die Ordenskonsti-tutionen, welche Richtlinien für den „Scriptor historiaedomus“ beinhalten.

Josefa Schneider, Mitarbeiterin bei den Franziskane-rinnen von Vöcklabruck, stellte die Vorgaben für die inhalt-lichen Schwerpunkte der Jahreschroniken in ihrem Ordenvor, nämlich personalstatistische Angaben, strukturelleÄnderungen (z. B. neue Niederlassungen), ordensinterneVeranstaltungen wie Kapitelsitzungen und Veranstaltun-gen im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit, vermögens-

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rechtliche Änderungen, Anschaffungen und Baumaßnah-men, Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen,besondere Veränderungen in den einzelnen Filialen undBerichte „zur allgemeinen Situation in Kirche, Welt undHeimat“.

Ein gänzlich anderes Modell des Chronikalen stellte P. Korbinian Birnbacher, Archivar der Erzabtei St. Peterin Salzburg vor, nämlich das Tagebuch. Tagebücher habenin St. Peter eine reiche Tradition. Haben sie in den Klösternihre frühneuzeitlichen Wurzeln in den eher Amtscharaktertragenden Diarien der Prälaten und Stiftsoffizialen, häufigals Eintragungen in Schreibkalender geführt, nehmen vorallem die Äbtetagebücher im Laufe des ausgehenden 18.und im 19. Jahrhundert zunehmend auch intimeren Cha-rakter an. Das persönliche Tagebuch erhebt nicht denAnspruch der „offiziellen“ Klosterchronik, bietet aber eine

Möglichkeit, der eher den äußeren Fakten verpflichtetenChronik eine subjektive Sicht auf das Innenleben derGemeinschaft festzuhalten. Dient das klösterliche Tage-buch zu Lebzeiten des Schreibers seiner Selbstreflexion,wird es für nachfolgende Generationen dereinst eine wich-tige Quelle darstellen.

Die Diskussion in diesem Teil der Tagung gestaltete sichäußerst lebhaft, förderte sie doch die Vielfalt an Möglich-keiten zutage. Den Abschluss der Veranstaltung bildeteeine Exkursion in das Prämonstratenserstift Wilten in Inns-bruck. Die Referate und Beiträge der Ordensarchivtagung2006 sind in einem Tagungsband zusammengefasst undkönnen auf der Website der ARGE Ordensarchive unterder Adresse www.ordensarchive.at kostenlos herunterge-laden werden.

Salzburg Helga Penz

Literaturbericht

Archive in Thüringen. Sonderheft 2004: Nachläs-se in Archiven. Hrsg. im Auftrag des Thüringer Kul-tusministeriums. Redaktion: Katrin Beger und BettinaFischer. Weimar/Rudolstadt 2004. 98 S., zahlr. Abb.,brosch. Kostenlos.

In dem vorliegenden Sonderheft 2004 sind Referate von der Früh-jahrsweiterbildung der Thüringer Archivare vom 3.-5. Mai 2004in Eisenach und vom 53. Thüringer Archivtag vom 16. Juni in Arn-stadt vereint. Den Herausgebern, der Archivberatungsstelle Thü-ringen mit Bettina Fischer, und dem Vorstand des ThüringerArchivarverbandes, ist es gelungen, nach dem Band „Sammlun-gen in Archiven“, einen weiteren wichtigen Bestandteil von Archi-ven – die Nachlässe – in den Mittelpunkt zu rücken.

Die private schriftliche Überlieferung unterliegt nicht automa-tisch archivrechtlichen Regelungen. Die Eigentumsverhältnissekönnen sehr unterschiedlich sein und von den Besitzverhältnis-sen abweichen. Nur die uneingeschränkte Schenkung des Nach-lasses an das Archiv erlaubt die archivrechtliche Nutzung. Nach-lässe können die zuständige Überlieferung nicht ersetzen, aberwirkungsvoll ergänzen. Wenn der Nachlass oder die Nachlässenicht oder nicht mehr vorhandene Überlieferungen ersetzen, wer-den sie zu wichtigen Quellen. Nach den starken Verlusten vonamtlichen Überlieferungen im 2. Weltkrieg haben diese „priva-ten“ Quellen an Bedeutung gewonnen. Im Eingangsreferatberichtet Bettina Fischer „Über das Sammeln von Nachlässen inArchiven“, zur Begriffsbestimmung, über Nachlass-Typen, überdie Bestandsbildung und über Ordnungsmodelle, die, denkt manan Zygmund Kol/ankowski oder Hermann Schreyer, schonvor fast 50 Jahren eine Rolle spielten. Tatsächlich hat sich die vor-geschlagene Dreiteilung oder einfache Klassifikation in Biogra-phie, berufliche Tätigkeit und öffentliches Wirken sowie in privateKorrespondenzen bewährt. Die innere Ordnung muss aber stetsneu vom Archivar erarbeitet werden. „Nachlassmaterialien“, soFischer, „sind bedeutende Primärquellen für die Auseinander-setzung mit Leben und Schaffen eines Einzelnen.“

Jochen Golz, langjähriger Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar, führt in bewährter Weise in die Geschichte sei-nes Archivs ein und nennt die Bedingungen, wie literarischeNachlässe am Ende des 19. Jahrhunderts gesammelt und archi-viert wurden. Der Altmeister der „Ordnung und Erschließung

von Nachlässen im Literaturarchiv“, Gerhard Schmid, der wiekein zweiter die archivwissenschaftlichen Grundsätze auf dieBestandsbildung von Nachlässen, nämlich auf das archivischeProvenienzprinzip angewandt wissen will, gibt noch einmal dievon Archivaren mühsam durchgesetzte Definition eines Nachlas-ses, die in der Gesamtheit des Schriftgutes einer Person gipfelt,wieder (vgl. S. 15). Die Handschriftenabteilungen der Bibliothe-ken und hier scheint mir Gerhard Schmid zu optimistisch, sindnoch längst nicht durchgängig bereit, das Provenienzprinzip fürdie Bestandsbildung anzunehmen. Beredtes Beispiel dafür ist dervon Detlef Döring seit 2000 herausgegebene „Katalog der Hand-schriften der Universitätsbibliothek Leipzig“, von dem bishervier von sechs geplanten Bänden vorliegen.

In weiteren Referaten werden Aspekte zu Musikernachlässen,zur Erfassung und Erwerbung oder zu Familienarchiven erörtert.Am Schluss des Bandes wird abweichend vom Generalthema des175. Geburtstages der umstrittenen Erfolgsautorin Eugenie John(E. Marlitt) gedacht und eine vorurteilslose Wiederbelebung ver-sucht. Es folgt noch ein Abriss zur 120 Jahre alten wechselvollenGeschichte des Jenaer „Glastechnischen Laboratoriums“ Schott.

Drei Referate gehen über den landesgeschichtlichen Rahmenhinaus. Marion Kazemi vom Archiv der Max-Planck-Gesell-schaft in Berlin-Dahlem berichtet über Gelehrtennachlässe amBeispiel ihres Hauses. Irene Streul informiert über die „Zentra-le Datenbank Nachlässe“ (ZDN) im Bundesarchiv; dort sind ca. 22.700 Nachlässe erfasst. Die Einträge werden ständig aktua-lisiert. Grit Ulrich beschreibt die Sicherung der Nachlässe ausden Archiven der Parteien und Organisationen der DDR in derStiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDRim Bundesarchiv.

Die vorliegende Schrift ist für jeden Archivar, der sich mitNachlässen befasst, nützlich. Zwei problematische Punkte bleibenallerdings offen: die Bewertung von Nachlässen, von GerhardSchmid früh erkannt, bleibt ausgespart, wie auch ein kritischerHinweis auf die 1997 von der DFG und dem Deutschen Biblio-theksinstitut verabschiedeten „Regeln der Nachlasserschließung“(RNA), die für von der DFG unterstützte Projekte verbindlichanzuwenden sind.

Leipzig Gerald Wiemers

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Archive und Gedächtnis. Festschrift für BothoBrachmann. Hrsg. von Friedrich Beck, Eckart Hen-ning, Joachim-Felix Leonhard, Susanne Paulukatund Olaf B. Rader. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2005. 738 S., 74,- €.

Zum 75. Geburtstag am 29. Oktober 2005 widmeten akademischeund archivarische Kollegen und nicht zuletzt eine große Zahl sei-ner Schüler Botho Brachmann, dem hoch verdienten Archivar undHistoriker, eine stattliche, 45 Beiträge umfassende Festschrift.Diese beeindruckt nicht nur in ihrer inhaltlichen Vielfalt, sondernvor allem durch die Fülle der Bezüge auf die Persönlichkeit Brach-manns und auf dessen langjähriges Wirken als Hochschullehrerfür Archivwissenschaft und Geschichte an der Humboldt-Univer-sität in Berlin. Das „Curriculum vitae“ und das 175 Nummernumfassende „Schriftenverzeichnis“ (S. 715-731) belegen den weitgespannten Horizont des bisherigen Lebenswerks des Jubilars,das breite Anerkennung findet. Die den Band einleitende „Tabu-la gratulatoria“ (S. 10-17) umfasst 122 Namen von Personen inunterschiedlichsten beruflichen Positionen. Viele der Autoren derFestschrift drücken expressis verbis ihre Dankbarkeit gegenüberdem akademischen Lehrer aus, heben sein selbstloses Engage-ment bei der Betreuung von Abschlussarbeiten und Dissertatio-nen hervor. Weggefährten würdigen die vielfältigen Anregungendes Jubilars für deren eigenen Arbeiten und loben dessen bewie-senes Interesse für die Erweiterung archivarischer Aufgaben, fürneue Überlieferungsformen. Auf die die Festschrift als „Prolog“und „Epilog“ umrahmenden Beiträge von Friedrich Beck(S. 19-26) und Wolfgang Hempel (S. 695-712) sei hingewiesen.

Die Herausgeber gliederten den Band in zwei „Generalia“ und„Spezialia“ genannte Hauptteile, wobei sich das fachliche Inter-esse primär auf die Beiträge richten dürfte, die in dem in vierAbschnitte untergliederten Spezialteil abgedruckt sind. Im erstenAbschnitt „Archivgeschichte“ beschreibt faktenbezogen Walde-mar Schupp „Die Anfänge und das Ende der Fachschule fürArchivwesen in Potsdam (1955-1993)“ als deren Direktor Brach-mann von September 1955 bis Januar 1960 wirkte (S. 177-200). Mitder Mahnung zur steten Wachsamkeit der Archivare für die ihnenanvertrauten Überlieferungen verbindet Volker Wahl seineDokumentation der „Archivarbeit unter Besatzungshoheit 1945 inWeimar“ (S. 201-216), die durch den Brand der Außenstelle Bad-Sulza am 13. April 1945 und durch die Schließung des Staatsar-chivs durch die sowjetische Besatzung vom 23. VII. bis zum 8. IX. 1945 geprägt war. Eine wichtige, auf zum großen Teil erst-mals ausgewertete Quellen gestützte Studie über die schwierigenAnfänge des Zentralarchivs in Potsdam steuert Simone Waltherbei: „Zum Umgang mit der NS-Vergangenheit beim personellenNeubeginn im zentralen Archivwesen der SBZ/DDR (1945-1952).Versuch einer Bestandsaufnahme“ (S. 217-236). Ins 18. Jh. führt dieStudie von Dirk Alvermann zurück, in der er Ordnungsschema-ta der Universitätsarchivare in Greifswald Augustin v. Balthasar(1701-1786) und Johann Carl Dähnert (1719-1785) vorstellt:„Archivare im Nebel. Zur schwedisch-pommerschen Archivtheo-rie im 18. Jh.“ (S. 133-146). Aus aktuellem Anlass der Auswirkun-gen des Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. IX. 1994 auf dieöffentlichen Archive in den neuen Ländern beschreibt JörgBrückner die bis ins 17. Jh. zurückreichende Entwicklung desGemeinschaftsarchivs des Hauses Stolberg. Große Teile der Archi-ve des Fürstenhauses werden heute von der Außenstelle Werni-gerode der Abteilung Magdeburg des Landeshauptarchivs Sach-sen-Anhalt verwahrt (S. 147-164). Peter Dusek gibt einen Über-blick über die Archive des österreichischen Rundfunks in Wien:„Die ‚Schatzgräber‘ vom Küniglberg. Anmerkungen über dieGeschichte der größten audiovisuellen Sammlung Österreichs imORF“ (S.165-175).

Den Abschnitt „Archivwissenschaft und Historische Hilfswis-senschaften“ eröffnet Lorenz Friedrich Beck mit einem eindring-lichen Plädoyer für das Studium und die weitere Entwicklung derhistorischen Hilfswissenschaften: „Die Historischen Hilfswissen-schaften im Informationszeitalter. Vom zeitlosen wie zeitgemäßenNutzen des quellenkundlichen Instrumentariums für Archivarund Historiker“ (S. 239-251). Er sieht die Entwicklung quellenkri-tischer Methoden für Materialien aus dem Umkreis der Neuen

Medien einschließlich digitaler Primärüberlieferungen als einewichtige Zukunftsaufgabe der Hilfswissenschaften, ein notwen-diger Appell! In seinem die aktuelle archivische Bewertungsdis-kussion bilanzierenden Beitrag „Maßstäblichkeit historischenErinnerns. Anmerkungen zur Verbindlichkeit archivarischer Aus-lesetätigkeit, gestuften Archivwürdigkeit und Bewertungsdoku-mentation“ (S. 253-275) fordert Frank M. Bischoff die größtmög-liche „Transparenz der archivischen Überlieferungsbildung undder angewendeten Wertmaßstäbe“, sie seien Voraussetzung fürderen künftige Auswertung durch die Nutzer. Als ein Kabinett-stück quellenkundlicher Handreichung findet sich überraschendan dieser Stelle die Studie „Eigenhändig. Grundzüge einer Auto-graphenkunde“ von Eckart Henning (S. 277-297). Der Geschich-te der Passion des Autographensammelns ist darin ebensogedacht wie der Einordnung als archivisches Sammlungsgut undder Kriterien für deren Nutzung. Die systematische Erfassungauch der ausländischen Literatur zum Thema verdient besonde-re Aufmerksamkeit. Nach den inhaltlichen und methodischenGemeinsamkeiten von Archiv- und Bibliothekswissenschaft fragtBrigitta Nimz: „,Die geteilte Erinnerung‘. Erschließung imArchiv- und Bibliothekswesen“ (S. 299-323). In enger Anlehnungan Positionen B. Brachmanns schlägt sie Brücken zwischen beidenDisziplinen. Während Lutz Schilling über die frühe und engeZusammenarbeit der Archivare mit den Verwaltungsdienststellenberichtet – „Vorfeldarbeit und Bewertung – die archivrechtlicheStellung des Archivars gegenüber Registraturbildnern in Thürin-gen“ (S. 325-330) –, appelliert Volker Schockenhoff an die Ver-antwortung des Archivars gegenüber der Gesellschaft, über daseigene Handeln Rechenschaft zu geben: „Archivwissenschaft inder Wende – Rückblicke und Perspektiven“ (S. 331-341). DassSchockenhoff einräumt, sich auf sein Examen in Archivwissen-schaft an der Archivschule Marburg im Jahre 1989 vorzugsweisemit dem von B. Brachmann 1984 herausgegebenen Handbuch„Archivwesen der DDR - Theorie und Praxis“ vorbereitet zuhaben, mag manchen Kollegen überraschen, seine Bemerkungenüber die lange Zeit fehlende Bereitschaft der Archivare, sich mitden Barrieren ihrer Lehrer während der NS-Diktatur auseinander-zusetzen, bleibt eine für die damalige Zeit gültige Feststellung.Der Beitrag Hermann Schreyers „Verwaltungsreform undArchivgesetz. Aktuelle Probleme des Archivwesens der Russi-schen Föderation“ (S. 343-354) beschließt diesen Abschnitt. Beialler Anerkennung des fachlichen Engagements der ArchivareRusslands unter dem Regiment des Präsidenten Putin sieht er eineFülle von Problemen auch nach Einrichtung der Bundesarchiv-agentur im Juni und dem neuen Archivgesetz von Oktober 2004,die skeptisch stimmen.

Der dritte Abschnitt im Haupteil der Spezialia vereint zwölfBeiträge über „Archive und Bestände“. Vera Enke und JohannaAberle berichten über Überlieferung und Erschließung vonBeständen der Forschungsbereiche der Akademie der Wissen-schaften der DDR im heutigen Archiv der Berlin-Brandenburgi-schen Akademie der Wissenschaften (S. 381-390 und S. 357-367),Matthias Buchholz beschreibt die Sammlung „Archiv unter-drückter Literatur in der DDR“ in der Stiftung zur Aufarbeitungder SED-Diktatur in Berlin (S. 369-379). In einem persönlichenRückblick erinnert Wolfgang Klaue an das frühe Interesse B. Brachmanns an der Arbeit des Staatlichen Filmarchivs derDDR, einer extremen Ausnahme unter den Archivaren („Aber einrichtiges Archiv ist das eigentlich nicht“, S. 397-402). Eindrucks-volle Situationsberichte steuern Norbert Moczarski über dasArchivdepot des Staatsarchivs Meiningen in Suhl und MatthiasLienert – wiederholt auf B. Brachmann bezogen - über dasArchiv in der Technischen Universität Dresden bei (S. 415-427 und403-414). Regina Rousavy und Heike Schroll berichten über dieneue Tektonik des Landesarchivs Berlin und über die dort betrie-bene Provenienzforschung zur Feststellung von NS-verfolgungs-bedingt entzogenem Kulturgut (S. 477-492 und 493-508). Von derIntensität der gegenseitigen Beobachtung der Fernsehprogrammeder BRD und der DDR zeugen die Ost- und West-Aufzeichnun-gen, die heute in der Abteilung Potsdam des Deutschen Rund-funkarchivs verwahrt werden, über die Susanne Paulukat refe-riert (S. 447-467). Über das in der Flutkatastrophe vom Frühjahr2002 fast vollständig vernichtete Redaktionsarchiv des Dresdener

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Druck- und Verlagshauses und die mühsame Rekonstruktion imRahmen des Aufbaus eines neuen Medienarchivs im Informati-onszeitalter schreibt Ute Essegern (S. 391-396). Norbert Rei-mann gibt einen komprimierten Überblick über die Betreuungder westfälischen Adelsarchive durch das von ihm geleitete West-fälische Archivamt in Münster (S. 465-476). Aus gegebenemAnlass erinnert Klaus Oldenhage in seinem persönlichgestimmten Erfahrungsbericht an den „Mißbrauch des Wortes‚Koblenz‘ in den Wochen vor dem 3. Oktober 1990“. In bewuss-ter Verkennung der Realitäten war damals der Sitz der Haupt-dienststelle des Bundesarchivs in Koblenz als drohender Lage-rungsort für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheitin die Diskussion eingeführt worden. Zu Recht schließt K. Olden-hage die Mahnung zu mehr Sachlichkeit bei künftigen Diskussio-nen an (S. 429-445).

Beispiele der „Auswertung“ archivalischer Quellen geben elfweitere Beiträge. Unter ihnen dürften Gerhard SchmidsBeschreibung von Goethes persönlichem Archiv (S. 677-686), des-sen von einem „elementaren Bedürfnis nach Ordnung" geprägterUmgang mit seinen schriftlichen Unterlagen, und Reinhard Klu-ges Studie über „Goethe als Behördenchef“ (S. 582-601) auchaußerhalb der archivarischen Zunft wahrgenommen werden.Eine lange vermisste Studie zur Biographie von Jacob Jacobsen(1888-1968), seit 1920 Leiter des 1905 begründeten Gesamtarchivsder deutschen Juden, steuerten Stefi Wenzel-Jersch und Tho-mas Jersch bei (S. 547-585). Vom Beispiel der verantwortungs-losen Verschleuderung archivalischen Kulturgutes auf Anord-nung von Allmachtswahn befallener Politiker berichtet ManfredKobuch: im Jahre 1949 wurden Originalbriefe Thomas Müntzersaus dem sächsischen Staatsarchiv von der Landesregierung zum 70. Geburtstag Stalins nach Moskau gegeben (S. 615-622). Entspre-chende Anmutungen aus Regierungskreisen sind leider kein Ein-zelfall. Die Autoren der weiteren Beiträge zu diesem Abschnittwerden um Nachsicht für die allein aus Platzgründen unterblei-bende Nennung ihrer Themen gebeten: Reiner Groß, MatthiasHermann, Wolfgang Knobloch, Ingo Materna, Maria Rüger,Oliver Sander, Gerald Wiemers sind betroffen.

Den Hauptteil der „Generalia" eröffnet Wolfgang Ernst ,„Kybernetik des Archivs - An der Grenze zum Medium“ (S. 29-37). Die vom Verfasser, Ordinarius für Medientheorien an derHumboldt-Universität, intendierte Reduktion von Archivalien aufihren Informationswert muss Widerspruch provozieren. Ernstmeint, „Anders als Museen hängen Archive nicht am Original,sondern an der Information“ (S. 35), nach Einschätzung desRezensenten ein fundamentales Missverständnis. Doch hat diesereinzuräumen, den theoretischen Entwürfen Ernsts nicht nur andieser Stelle mit wenig Verständnis zu begegnen. Demgegenüberbewertet er den Beitrag von Ina Prescher „Archive als Zeitma-schinen. Probleme der Überlieferung kreativer und transitorischerProzesse“ (S. 107-118) als anregend, zur fachlichen Diskussion ein-ladend. Edgar Lersch gibt einen Überblick über Archive desRundfunks: „,Immer die gleichen Bilder.‘ Audiovisuelle Medien-produktion und Mediendokumentation und ihr Beitrag zur For-mung eines kollektiven audiovisuellen Gedächtnisses“ (S. 73-85).Der Untertitel des Beitrags verspricht zu viel, nachdem darin dieÜberlieferungen in Filmarchiven, Kinematheken, Fototheken usw.unberücksichtigt bleiben. Innovative und den Horizont des kul-turgeschichtlichen Erinnerns erweiternde Ausblicke eröffnen dieBeiträge von Olaf Rader, „‚Knochenarchiv‘ und Gemeinschafts-gedächtnis. Zur Rolle der Gräber bei der Konstruktion kollektiverErinnerungen“ (S. 119-129), und von Michael Lindner, „VomWinde verweht. Das Reich und die Steppenvölker im hohen Mit-telalter“ (S. 87-105). Unvermutet steht an dieser Stelle der BeitragHelmut Knüppels „Ökonomie und Gemeinwesen. Anmerkun-gen zur politischen Kultur in Deutschland“ (S. 39-62), eine not-wendige Kritik des Neoliberalismus und von dessen aktuellengesellschaftlichen Folgen. „Verständigung durch Verstehen“ siehtJoachim Felix Leonhard als ein Leitmotiv der Auslandskultur-arbeit: „Kultur als Faktor in der globalen Lerngemeinschaft“ (S.63-72).

Insgesamt spiegeln die Beiträge zur Festschrift in einem reprä-sentativen Ensemble die Vielfalt der Themen, die die zu Beginndes 21. Jahrhunderts tätigen Archivare und quellennah arbeiten-

den Historiker beschäftigen. Der maßgebliche Anteil, den BothoBrachmann an der archivwissenschaftlichen Fundierung der Dis-kussion fachlicher Probleme hat, wird in ihnen deutlich. Eineüberzeugendere Anerkennung einer archivarischen Lebenslei-stung ist dem Rezensenten nicht vorstellbar.

Boppard Friedrich P. Kahlenberg

Aufbewahrung von Archivgut. Einsatz vonPapier und Schreibmaterial ien. Empfehlungendes Verbandes kirchlicher Archivare. Erarbeitet im Auf-trag des Verbandes kirchlicher Archive von MargitScholz, Hartmut Sander, Gabriele Stüber und Betti-na Wischhöfer. Kassel 2005. 37 S., brosch. (Kleine Schriften 2)

Die vorliegende Publikation wendet sich, wie die Verfasser aus-drücklich betonen, an kleinere kirchliche Archive, insbesondereGemeinde- und Kirchenkreisarchive. Im ersten, die Empfehlun-gen zur Aufbewahrung von Archivgut betreffenden Teil findensich grundlegende Hinweise zur Unterbringung und Aufbewah-rung von Archivgut, zur Raumbeschaffenheit und -ausstattung,zum Raumklima und zu vorbeugenden Schutzmaßnahmen. Imzweiten, die Empfehlungen zum Einsatz von Umweltschutz, d. h.genauer gesagt: Recyclingpapieren umfassenden Teil geht es umden archivisch wie umweltpolitisch angemessenen Einsatz vonPapier und Schreibmaterialien mit dem Ziel, die heute entstehen-de Überlieferung auf Dauer zu bewahren.

Die knappen, einprägsam abgefassten Beiträge stellen geradeauch dem archivisch nicht oder nur wenig vorgebildeten Leser dienotwendigen grundlegenden Informationen, praktischen Tippsund wissenschaftlich-technischen Daten zur Verfügung, um kon-ventionelles Schriftgut unter nicht immer sachgemäßen Bedin-gungen sicher zu lagern. Einprägsame Abbildungen unterstützendie Ausführungen der Verfasser, die von jeweils langjährigenErfahrungen in der praktischen Archivpflege und -beratung zeu-gen. Nützlich sind auch die in besonderen Fragen weiterführen-den Literaturhinweise und Links. Es bleibt festzustellen, dass dieüberaus praktische Handreichung durchaus auch über den kirch-lichen Bereich hinaus z. B. im kommunalen Archivwesen überausnützliche Verwendung finden kann.

Göttingen Ernst Böhme

Bergbaufi lme. Inventar zur Überl ieferung inArchiven, Museen und anderen Dokumentati-onsstellen in der Bundesrepublik Deutschland.Bearb. von Stefan Przigoda unter Mitarbeit von Hol-ger Menne. Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Muse-ums, Bochum 2005. 926 S., geb. 29,50 €.(Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 130. Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 16)

Filme, insbesondere Industriefilme, als eigenständige Quellen fürdie wissenschaftliche Forschung wahrzunehmen und zu nutzen,war lange Zeit ein Desiderat. Erst seit einigen Jahren zeigen sichFortschritte. Speziell in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrgebietsowie im Bundesarchiv entstanden mit Filmveranstaltungen undeiner Reihe von Publikationen erste Voraussetzungen für einenintensiveren Zugriff auf diese vielfach unterschätzte, aussagekräf-tige Quelle. Das hier besprochene Inventar über Bergbaufilmesetzt diesen Weg in herausragender Weise fort. Es basiert aufeinem von der VolkswagenStiftung finanziell im Rahmen ihresSchwerpunktes „Beispiele kulturwissenschaftlicher Dokumenta-tion: Archive als Fundus der Forschung – Erfassung und Erschlie-ßung“ geförderten Projekt, das noch von der langjährigen Leite-rin des Bergbau-Archivs, Dr. Evelyn Kroker, initiiert wurde. SeinHauptziel ist es, sämtliche in der Branche Bergbau in der Bundes-republik Deutschland entstandenen Filme und Videos zu erfas-sen. Das Ergebnis beeindruckt: 2304 Filme werden nachgewiesen,nach Bergbausparten und innerhalb dieser Gruppen alphabetisch

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nach Filmtiteln sortiert. Die meisten, 35 % der Filme und Videos,stammen aus der Sparte Steinkohle (einschließlich Pechkohle), 18 % aus der Sparte Bergbauzulieferindustrie und Bergbau-Spe-zialgesellschaften, jeweils etwa 12 % aus den Sparten Erz, Braun-kohle und dem Bereich Bergbau allgemein, 5 % aus der Sparteandere bergbaulich gewonnene Rohstoffe, 4 % aus der SparteKali- und Steinsalz und 2 % aus der Sparte Erdöl und Erdgas.Dabei galten als Bergbaufilme die von natürlichen oder juristi-schen Personen aus dem Bereich des Bergbaus in Auftrag gege-benen oder initiierten Streifen, außerdem aber auch Filme, die sichmit den verschiedenen Bearbeitungsstufen der Bergbauprodukte,der zugehörigen technischen Ausstattung, der Tätigkeit und demLeben der Bergleute sowie den zugehörigen politischen Themen,z. B. Kohlepolitik befassten. Im nächsten Abschnitt des Inventarsfolgen Informationen zu filmbezogenen schriftlichen Quellen imBergbau-Archiv. Anschließend werden die am Projekt beteiligtenArchive und Institutionen mit den dort verwahrten Beständenbzw. Sammlungen von Filmen und Videos vorgestellt. NachAbkürzungs- und Literaturverzeichnis folgen Register der Film-titel, Personen, Unternehmen und Institutionen, Sachbegriffe undgeographischen Begriffe. Sie ermöglichen einen vielfältigenZugriff auf die Filme, die dank fortlaufender Nummerierungschnell und eindeutig aufgefunden werden können.

Mit dem Inventar liegt ein äußerst nutzbringendes Hilfsmittelfür die weitere Erforschung der Bergbaugeschichte vor, das vorallem durch die Erfassung von Filmen und Videos auch in weni-ger bekannten Institutionen, z. B. den zahlreichen kleineren berg-baubezogenen Einrichtungen in den neuen Bundesländern beein-druckt. Bedauerlich ist, wenn auch wegen der immensen Neuzu-gänge im Verlauf des Projekts verständlich, dass zu den Streifenaus dem zentralen Bestand des Bergbau-Archivs selbst häufigüber den Titel hinausgehende Angaben zum Inhalt fehlen. Alsweiteres Ziel neben der Erfassung aller Bergbaufilme in Deutsch-land hatten die Bearbeiter formuliert, in ihrem Projekt zugleichpraxisorientierte Konzepte und Instrumente als Hilfe für dieErschließungsarbeit in kleineren Einrichtungen entwickeln zuwollen. Dem wären sie noch näher gekommen, wenn sie ihr kon-kretes Vorgehen bei der Filmerschließung detaillierter undanschaulicher dargestellt hätten, zumindest wäre ein Abdruck derverwendeten Eingabemaske hilfreich gewesen. Erst auf den zwei-ten Blick erschließt sich dem Leser zudem der sehr verdienstvolleVersuch, mit dem Inventar auch noch solche Filme aufzuspüren,die bisher nur in der Literatur, also nicht körperlich nachgewie-sen sind. In diesen Fällen (s. z. B. die Nummern 38, 74, 75, 103, 252,264, 372) werden die Literaturfundstellen ohne weiteren Kom-mentar in der Rubrik Überlieferungsnachweise genannt. Hierfehlt, ebenso wie in der Einleitung, ein erläuternder Hinweis, dassdiese Filme selbst noch gesucht werden.

Die genannten Kritikpunkte sollen aber den großen Wert desInventars für die wissenschaftliche Forschung und für die archi-vische Arbeit nicht mindern: als hilfreiches Nachschlagewerkgehört es wegen des inhaltlich weit gespannten Themenkreises indie Handbibliothek jedes Archivs, das sich mit filmischer Über-lieferung befasst.

Essen Renate Köhne-Lindenlaub

Die Bestände des sächsischen Bergarchivs Frei-berg. Hrsg. vom Sächsischen Staatsministerium desInnern. Bearb. von Andreas Erb unter Verwendung vonVorarbeiten von Uwe Grandke. mdv MitteldeutscherVerlag Halle/Saale 2003, 166 S., zahlr. Abb. geb. 20.- €.(Veröffentlichungen der Sächsischen Archivverwaltung,Reihe A, Bd. 4)

Die sächsische Archivverwaltung legt mit dieser Publikation erst-mals eine Bestandsübersicht für das Sächsische Bergarchiv Frei-berg der Öffentlichkeit vor. Die Auflistung der Bestände orientiertsich an der einheitlichen Tektonik der sächsischen Staatsarchive.Natürlich sind in den einzelnen Bestandsübersichten nicht allePositionen dieser Tektonik belegt, aber diese Methode gewährteinen sehr guten Überblick über die in den einzelnen Staatsarchi-

ven vorliegende Gesamtüberlieferung. Mit gegenwärtig rund4800 laufenden Metern Akten und Amtsbüchern und über 100 000Karten, Plänen und Rissen gehört das Bergarchiv Freiberg eher zuden kleineren Einrichtungen, aber als Spezialarchiv neben denBergbauarchiven in Bochum und Clausthal-Zellerfeld zu denwichtigsten seiner Art in Deutschland. Hier sind mehr als 500Jahre Bergbaugeschichte dokumentiert, eine unentbehrliche Infor-mationsquelle für Untersuchungen zum sächsischen Bergbauund Montanwesen, das weit über die sächsischen Grenzen denBergbau in der Neuen Welt, aber auch in Sibirien und in Skandi-navien befruchtet hat. Die Wurzeln des Archivs liegen in denBehördenarchiven der sächsischen Bergverwaltungen, die sichseit der frühen Neuzeit formierten. Die meissnischen Markgrafen,sächsischen Kurfürsten und Könige förderten, reglementiertenund kontrollierten den Bergbau gleichermaßen über Bergordnun-gen und landesherrliche Beamte. Diese Beamten bildeten sozu-sagen die Keimzelle der späteren Bergämter und des Oberberg-amtes zu Freiberg als zentraler Mittelbehörde. Die Gesamtheit derBergverwaltung wurde seit dem 18. Jahrhundert direkt als „Berg-staat“ bezeichnet. Die enge Bindung der Archivbestände an dieBergverwaltung zeichnete sich schon früh durch einige Besonder-heiten in der Schriftgutverwaltung aus. Zum einen führte die regeAufsichtführung infolge des Direktionsprinzips dazu, dass bereitsin der frühen Neuzeit eine Fülle von Schriftgut entstand, das überbergbauliche Sachverhalte selbst aus weit zurückliegenden Jahr-hunderten überraschend detaillierte Auskünfte bereithält. Aller-dings brachten die häufigen Neuaufschlüsse Standortwechsel mitsich, bei denen Schriftgutverluste nicht selten waren. Eine weite-re Besonderheit stellt das bergmännische Risswerk dar, das in allerRegel einen Großteil der Unterlagen ausmachte. Die lange Gültig-keit der markscheiderischen Messergebnisse bedeutete, dass sehroft Unterlagen aus weit zurückliegenden Zeiten für aktuellebehördliche und betriebliche Aufgaben benötigt wurden undnoch werden. Das erklärt vielleicht auch die wesentlich höhereWertschätzung und Sorgfalt, welche dem vorhandenen Risswerkeiner Grube gegenüber den Akten entgegengebracht wurde. Eshat nicht an Versuchen gefehlt, den Dualismus Akten – Risswerkzu überwinden. Ein markantes Beispiel dafür stellt die „Freiber-ga subterranea“ dar, die der Markscheider Simon Bogner gegenEnde des 17. Jahrhunderts (1694) vorgelegt hat. Indem er dasengere Freiberger Abbaugebiet sozusagen kombiniert aufnahm,hat er, den einzelnen Gangzügen folgend, die untertägigen Berg-gebäude und die obertägigen Fördereinrichtungen, wie Huthäu-ser, Kauen und Feldgestänge dargestellt und kommentiert, wobeier versuchte, auch historischen Komponenten und natürlich auchim Textteil die dazugehörigen Messergebnisse zu berücksichtigen.Einen kleinen Ausschnitt gibt der Umschlag der hier vorliegen-den Bestandsübersicht wieder. Aber abgesehen, dass hier einGebiet mit großer Bergbauintensität wiedergegeben ist, konnteauf diese Weise höchstens ein repräsentativer Ausschnitt im Folio-format dargestellt werden. Es gibt zwar für das ähnlich intensiveSchneeberger Revier ein vergleichbares Werk, aber insgesamtblieb es ganz einfach aus ökonomischen und technologischenGründen bei dem oben erwähnten Dualismus. FacharchivarischePrinzipien, aber auch elementare Grundsätze der Bestandserhal-tung, fanden deshalb bis ins 20. Jahrhundert hinein nur unzurei-chend Berücksichtigung. Erst 1679 erhielt die BergverwaltungSachsens in Gestalt des Oberbergamts ein Amtshaus in Freiberg,das dann als Fixpunkt für die Verwaltung und als Archiv bis indie Gegenwart diente und dient. Den häufigen Umstrukturierun-gen der Bergämter und der damit verbundenen Freisetzung vonArchivgut vermochte man aber nicht zu begegnen. Zwischen 1768und 1868, innerhalb von 100 Jahren also, wurden 12 Bergämteraufgelöst oder umstrukturiert. 1869, beim Inkrafttreten des Lan-desbergbaugesetzes, das den Übergang zum Inspektionssystemim sächsischen Bergwesen einläutete, waren nur noch vier Berg-ämter übrig geblieben, die nun auch aufgelöst werden mussten.

Den anfallenden Aktenmassen begegnete man mit rigiden Kas-sationen, denen 60 – 80 % der Bestände zum Opfer fielen. Die nochverbliebenen Bergamtsarchive in Schwarzenberg, Annaberg,Altenberg und Marienberg mussten so schnell wie möglichgeräumt und ihre Bestände, oder was davon noch übrig war, soll-ten dem neu gebildeten Landesbergamt Freiberg einverleibt wer-

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den. Die Nachteile von Behördenarchiven, übergroßes Autono-miebedürfnis gepaart mit mangelndem Sachverstand im Umgangmit historischen Unterlagen und deren konservatorischer Betreu-ung, haben teilweise katastrophale Zwischenlösungen zugelas-sen, die nur zu bald endgültig wurden. Ein besonders drastischesBeispiel solcher Art Betreuung stellten die so genannten Zechen-register dar. Zechenregister waren eine sich quartalsweise wieder-holende Art der Berichterstattung, die von jeder Grube eingereichtwerden musste und Auskunft über die anfahrende Mannschaft,die Ausbeute, den Betriebsfortschritt und die Rentabilität gebensollte. Diese, seit dem 15./16. Jahrhundert nachweisbare Bericht-erstattung stellte ein Depot von über 1000 laufenden MeternAkten dar, das bereits mehrfach umgelagert, nun völlig ungeord-net auf dem Boden einer ehemaligen Freiberger Kaserne zu über-mannshohen Aktenbergen aufgeschüttet war. Die Ordnung die-ser einmaligen Quelle zur Bergbaugeschichte Sachsens wurde vondrei Mitarbeiterinnen des Archivs in vier Jahreskampagnen getra-gen, denen jeweils drei bis vier studentische Praktikanten beige-ordnet waren. Bei brütender Hitze im Hochsommer, schlechterBeleuchtung und dem Staub der ständig aufgewirbelt wurde,gelang das Kunststück, die Aktenmassen zu ordnen und in Kar-tons zu verpacken, so dass sie am Ende in das Archiv überführtwerden konnten. Wir halten dieses Beispiel archivarischer Ein-satzbereitschaft für wert, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Nach dem Untergang der DDR wurden erneut große Akten-massen freigesetzt, für welche das Bergarchiv zuständig war unddie seine Bestände fast verdoppelten. Eine Außenstelle wurdeangemietet, um der Masse des Archivgutes Herr zu werden. Erst-mals sind nun aber alle wesentlichen Teile des sächsischen Berg-wesens (Erzbergbau, Steine und Erden, Stein- und Braunkohle-bergbau) im Archiv vereint, wenn auch die Liste der Ausnahme-regelungen (S. 18) noch lang genug ist.

Die hier vorgestellten über 170 Bestände und Sammlungenwerden nach einheitlichen Gliederungspunkten behandelt. NachLaufzeit und Inhalt folgt eine kurze Behördengeschichte mit denwichtigsten Daten über Zuständigkeit und Aufgaben, sowie überGründung und Aufhebung. Angaben über den Umfang des jewei-ligen Archivbestandes und über die vorhandenen Findhilfsmittelschließen die Darstellung jeweils ab.

Das Archiv steht nun vor einer neuen Veränderung. Nach demAusbau des Schlosses Freudenstein zu Freiberg, einst albertini-sche Nebenresidenz und Geburtsstätte der Kurfürsten Moritz undAugust, wird das Bergarchiv seinen zu eng gewordenen Standortim Oberbergamtsgebäude verlassen. Endlich werden alle Bestän-de an einem Ort vereinigt sein, was zweifellos der jetzt schonintensiven Benutzung weiteren Auftrieb geben wird. Die Be-standsübersicht, die jetzt vorliegt und auf knappem Raum allewesentlichen Informationen bietet, wird sicher von allen poten-tiellen Benutzern gern angenommen werden. Sie ist übersichtlich,klar gegliedert und gibt über eine der fassettenreichsten Verwal-tungszweige des sächsischen Staates auf engem Raum hilfreichAuskunft.

Gera Peter Langhof

Die Bestände des Staatsarchivs Wolfenbüttel .Bearb. von Horst-Rüdiger Jarck. Vandenhoeck & Rup-recht, Göttingen 2005. LXXVIII, 815 S., geb. 119,- €.(Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivver-waltung, Bd. 60)

Das frühere Braunschweigische Landeshauptarchiv ist heute nachdem Umfang der Bestände das zweitgrößte der Staatsarchive imNiedersächsischen Landesarchiv. Die moderne Tektonik desStaatsarchivs Wolfenbüttel wurde ab 1938 wesentlich vom lang-jährigen Leiter Hermann Kleinau geprägt. Hermann KleinausBeständeübersicht (Bd. 1, 1963) fixierte zunächst die neue Archiv-gliederung und erläuterte die Bestände bis 1814 auf 120 Seiten.Der fehlende zweite Teil erschien jedoch nie, stattdessen erstellteJoseph König 1977 eine pragmatische Kurzübersicht (des ganzenArchivs), reduziert auf listenartige Kerndaten (Bestandssignatur,Laufzeit, Umfang, Verzeichnungsstand).

Inzwischen sind beide Werke längst veraltet und der derzeiti-ge Archivleiter Horst-Rüdiger Jarck legt am Ende seiner Dienst-zeit mit einer vollständigen ausführlichen Beständeübersicht dasErgebnis langjähriger Arbeiten der Wolfenbütteler Archivare vor.Jarck gibt eine sehr kurze Einführung in die Archivgeschichte (siewurde von H. Kleinau 1953 umfassend dargestellt), 6 Seiten Lite-raturhinweise, auf 5 Seiten eine komprimierte Übersicht über die„Tektonik“, die jeder Nutzer zuerst lesen sollte. Daran anschlie-ßend eine „Übersicht über die Archivbestände nach Sachgrup-pen“ (S. XXVII-LXXVIII). Den Hauptteil macht die „Beschreibungder einzelnen Bestände“ aus (S. 1-610).

Das Staatsarchiv Wolfenbüttel umfasst über 25.000 Urkunden,14 Kilometer Akten und 40.000 Karten. Einen überdurchschnittli-chen Teil der Bestände machen die archivischen Sammlungen(Hauptabteilung Slg) aus, deren Aufbau dem langjährigen LeiterPaul Zimmermann zu verdanken ist. Dazu kommt eine Zei-tungssammlung (Hauptabteilung Z), die zu den bedeutenderenin den deutschen Archiven gehört. Zu den wichtigsten Beständen– um nur einige zu nennen – gehören 12 Neu (Staatsministerium,S. 190-228) mit allein ca. 10 Prozent der Akten des Archivs, 2 Alt(Kanzlei, S. 58-63), 37 Alt (Universität Helmstedt, S. 154 f.), 6 Urk(Kanonissenstift Gandersheim, S. 2), 6 Hs 13 (Studentenstamm-bücher, S. 30 f.). Die Beständegliederung umfasst aber auch vielekuriose Kleinigkeiten wie 38 O Slg (Gedenktage der Braunschwei-gischen Geschichte, S. 574) oder 81 Slg (Aktenstilformen derbraunschweigischen Verwaltung, S. 586). Eine WolfenbüttelerBesonderheit: Es gibt keine Abteilung „Deposita“, sie finden sichin der Gruppe „N“ (Nichtstaatliche Bestände). Das kürzlich neugegründete Wirtschaftsarchiv im Staatsarchiv Wolfenbüttel spie-gelt sich erwartungsgemäß noch nicht in der Beständeübersicht.

93 Prozent der Archivalien sind soweit verzeichnet, dass sie„zugänglich“ sind, wenn auch viele notdürftig in „vorläufiger“Weise (S. VIII), 60 Prozent nach dem aktuellen Stand in der AIDA-Datenbank, d. h. seit kurzem auch online recherchierbar(http://aidaonline.niedersachsen.de). Auch dort, wo es keinenVerzeichnungsfortschritt gegeben hat, ist die neue Übersicht aus-führlicher und präziser in der Angabe des Bestandsinhalts, knap-per ist fast stets der verwaltungsgeschichtliche Vorspann, aufarchivfachliche Bemerkungen wurde ganz verzichtet. Die Bestän-deartikel geben bei jedem einzelnen Gliederungspunkt Laufzeitund Aktenanzahl an (z. B. 14 Alt Konsistorium „[…] Predigerse-minar 1758-1913 (10); Zensur eingereichter Schriften 1662-1847 (7);[…]“), das ist wesentlich aussagefähiger als die bloße Gliederung.Auf Literaturhinweise bei den einzelnen Beständen wurde ganzverzichtet, andernfalls hätte wohl ein Band nicht mehr genügt.Insbesondere bei den Urkundenbeständen wären Hinweise aufEditionen wünschenswert gewesen. Von Vorteil wäre es auchgewesen, bei den entsprechenden Beständen auf die EDV-Erfas-sung zu verweisen, so wüsste der Benutzer, ob die Online-Recher-che möglich ist oder nicht. Nicht einmal beim Bestand 4 NdsWiedg findet sich ein Hinweis darauf, dass die Einzelfallakten zur„Wiedergutmachung“ auf sehr aufwändige Weise per EDV tieferschlossen wurden.

Der abschließende detaillierte Index der Orte, Namen undSachen (S. 611-815) macht bezeichnender Weise fast ein Viertel desgesamten Buches aus. Er verweist nicht auf Seitenzahlen, sondernauf die Bestandsbezeichnungen. Daher muss man die Gliederungder Tektonik kennen, um im Hauptteil die Bestände finden zukönnen. H. Kleinau gliederte das Archiv mit der im Idealfall zwei-teiligen Bestandsignatur aus Bestandsnummer und Sigle derHauptabteilung (tatsächlich sind allerdings etliche Beständesigna-turen erweitert, wie z. B. 12 Neu Kultus 2 = Bestand betr. Hoch-schulen im Braunschweig. Staatsministerium). Leider gebenweder die Übersicht der Tektonik (S. XXII-XXV) noch die Über-sicht nach Sachgruppen Seitenzahlen an, der Benutzer muss sichalso die Tektonik ein wenig einprägen und findig sein. Der „Teufel“ steckt hierbei auch im Detail. Wer weiß, dass er „12 NeuPräs 4“ (S. 194) vor „12 Neu Kultus 6“ (S. 225) findet, dass „12 NeuInn“ (S. 197) vor „12 Neu Fin“ (S. 208) steht?

Aber das sind gegenüber dieser gewaltigen ArbeitsleistungKleinigkeiten. Die Beständeübersicht des Staatsarchivs Wolfen-büttel liegt erstmals vollständig und detailliert vor – und für denBenutzer lohnt es allemal, sich mit der Tektonik dieses reichenArchivs zu befassen.

Bückeburg Stefan Brüdermann

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Rüdiger Braun, Die älteste Rechnung des Bürger-spitals von 1495. Verlag Ferdinand Schöningh, Würzburg 2005. X, 166 S., 73 Facs., 1 farb. Abb., brosch.18,- €.(Schriften des Stadtarchivs Würzburg, H. 15)

In den fast 700 Jahren der Geschichte des Würzburger Bürger-spitals standen die Verantwortlichen immer vor der Aufgabe, denStiftungszweck (die Versorgung von Armen) und den Erhalt desStiftungsvermögens miteinander auszugleichen. Wenn die Stif-tung dauerhaft Bestand haben sollte, musste sie wirtschaftlicharbeiten. Daran war auch der Rat der Stadt interessiert, dessenKontrolle die Stiftung unterstand. Um dies zu ermöglichen,erstellte das Spital Jahresrechnungen.

Rüdiger Braun, der langjährige Direktor des Bürgerspitals, hatnun die älteste erhaltene Rechnung des Spitals herausgegeben. Eshandelt sich um die fast 150 Seiten umfassende Jahresrechnungfür 1495. Die Rechnung wird in dem Band Blatt für Blatt faksimi-liert wiedergegeben, auf der gegenüberliegenden Seite begleitetvon tabellarischen Zusammenfassungen des Inhalts und Erläute-rungen. Auf Transkriptionen wurde verzichtet. Ein sinnvolles Ver-fahren, weil die immer gleich aufgebauten Rechnungseinträgesich gut in Tabellenform überführen lassen.

Die „Erläuterungen“ bieten eine Geschichte des Bürgerspitalsvon seiner Gründung bis 1495. Braun beschreibt u. a. die Aufga-ben des Spitalmeisters, die Funktionsweise des Pfründenwesens,Zustiftungen und Grundbesitz des Spitals. In vielen Einträgen derRechnung scheint das alltägliche Leben im Spital auf. Vor allemaber erklärt Braun eine Vielzahl von im Spätmittelalter gängigenwirtschaftlichen Transaktionsformen. Was sind Zinsen, was sindGülten? Was versteht man unter Wiederkauf und Rentenkauf?Braun erläutert solche Begriffe und ermöglicht so einen Blick indie Realitäten des spätmittelalterlichen Wirtschaftens. Die kom-plizierten Maß- und Währungseinheiten werden in einem Anhangerklärt.

In einer abschließenden „Wirtschaftlichen Bewertung“ zeigtBraun noch die Schwierigkeiten von Bilanzierungsversuchen.Der Spitalmeister errechnete seinerzeit ein geringfügiges Defizitvon 3,5 Prozent, womit das Spital hätte leben können. Braunmerkt aber an, nach heutigen Bilanzierungsmethoden ergebe sicheine Unterdeckung von rund 35 Prozent. Entschieden zu viel, umdie Substanz des Spitalsvermögens zu wahren. Die Stiftung hates trotzdem überstanden.

Würzburg Robert Meier

Erzbischöfliches Archiv München, Julius Kardi-nal Döpfner. Archivinventar der Dokumente zumZweiten Vatikanischen Konzil. Bearb. von Guido Treff-ler und Peter Pfister. Schnell + Steiner, Regensburg2004. 1080 S., geb. 24,90 €.(Schriften des Archivs des Erzbistums München undFreising, Bd. 6)

Der umfangreiche Band beginnt mit einem Geleitwort von Fried-rich Kardinal Wetter, worin dieser eingangs auf seinen Auftragvon 2000 hinweist, die Archivbestände seines Vorgängers JuliusKardinal Döpfner zu ordnen und zu verzeichnen sowie ein Find-buch dazu anzulegen. Bei einem Kolloquium anlässlich der Öff-nung des Konzilsarchivs sei, so Kardinal Wetter, offenkundiggeworden, dass „die Geschichte des Zweiten Vatikanums nichtvollständig ohne Döpfner und nicht ohne das Konzilsarchiv vonKardinal Döpfner geschrieben werden kann“. Es folgt ein Vorwortdes Herausgebers und Mitbearbeiters Peter Pfister, in dem er dieMeinung äußert, in der bisherigen Konzilsliteratur sei „einer derentscheidenden Konzilsväter, nämlich der Konzilsmoderator ...Döpfner, in seiner Bedeutung für die Koordination der verschie-densten Meinungen und Entscheidungsebenen ... nicht ausrei-chend gewürdigt“ worden und zwar deswegen, weil seine Kon-zilsakten für die Forschung kaum zugänglich gewesen seien. Pfi-ster informiert dann über die Arbeit am Bestand und über dessenBenutzung und bedauert dabei, dass „die Konzilsforschung inDeutschland den Impuls, der durch die Öffnung des wichtigsten

deutschen Bestands zum Zweiten Vatikanischen Konzil gegebenworden ist, bis jetzt nicht aufgegriffen hat ...“, obwohl die bishernoch wenig benutzten Konzilsakten Kardinal Döpfners „völligneue wissenschaftliche Erkenntnisse“ versprächen.

Der zweite Bearbeiter Guido Treffler bietet in seiner Einleitungu. a. eine Kurzbiographie von Kardinal Döpfner, skizziert dessenbedeutende Rolle beim Zweiten Vatikanischen Konzil undbeschreibt den genannten Archivbestand. Nicht ganz verständlichist dabei seine Unterscheidung zwischen „Archiv und Registra-tur“ (S. 20). Als wesentliches Unterscheidungsmerkmal der sobezeichneten Schriftgutbestände scheint er anzusehen, dass jenesim Unterschied zu letzterer einer gewissen Ordnung unterzogenworden ist. Danach liefert Treffler einen Arbeitsbericht über „Ord-nung und Verzeichnung der Konzilsakten“. Er nahm eine Einzel-blattverzeichnung vor, so dass jedes Dokument eine eigene Find-buchnummer erhielt. Eine Aktenaussonderung schloss er bei der„weltkirchlichen Bedeutung“ des überlieferten Schriftguts Kardi-nal Döpfners verständlicherweise völlig aus. In weiteren Kapitelnumreißt der letztgenannte Bearbeiter den Inhalt der von ihm ver-zeichneten Archivalien, die Forschungsmöglichkeiten, die sichdaraus ergeben, und die „Benutzung der Konzilsakten“.

Danach folgen noch eine chronikalische Darstellung des Kon-zilsverlaufs (1959-1967) und ein Verzeichnis von Literatur überKardinal Döpfner, bevor das Archivinventar einsetzt. Das Schrift-gut umfasst 5387 Verzeichnungseinheiten und ist in 13 Obergrup-pen eingeteilt, die wiederum zwischen drei und 25 Untergruppenumfassen. Es handelt sich im Wesentlichen um Sachakten undKorrespondentenakten. Die Schriftstücke sind genau beschriebenund es ist nach Möglichkeit das Tagesdatum angegeben. Ausführ-liche Indices, nämlich ein Orts-, ein Personen- und ein Sachregi-ster, schließen den Band ab. Zeithistoriker, jedenfalls Forscher zurGeschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, werden für diesesgediegene Hilfsmittel für ihre Arbeit überaus dankbar sein.

Regensburg Paul Mai

Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck. Festschriftfür Antjekathrin Graßmann zum 65. Geburtstag. In Ver-bindung mit dem Verein für Lübeckische Geschichteund Altertumskunde und dem Hansischen Geschichts-verein hrsg. von Rolf Hammel-Kiesow und MichaelHundt. Verlag Schmidt-Römhild, Lübeck 2005. 638 S.,zahlr. Abb., 1 CD-ROM, geb. 36,- €.

Völlig zu recht weisen die Herausgeber im Vorwort darauf hin,dass der Titel der Festschrift die „Befestschriftete“ als langjährigeLeiterin des Archivs der Hansestadt Lübeck ebenso charakterisiertwie das Archiv selbst. Gerade die Geehrte dürfte es für selbstver-ständlich halten, dass die ihr gewidmete Würdigung das Archiveinbezieht, für das sie ein ganzes Arbeitsleben lang mit großemErfolg gewirkt hat. Die in vier Abteilungen gegliederten 47 Bei-träge – Geschichte Lübecks, Geschichte der Territorien umLübeck, Geschichte der Hanse sowie Archivwissenschaft undArchivgeschichte – lassen zusammen mit ihrer Kurzbiographieund dem Verzeichnis ihrer Schriften deutlich erkennen, dass dasArchiv zwar den Kern und den Fixpunkt ihrer Arbeit bedeutete,diese aber weit über einen solchen engeren Bereich und auch überLübeck hinaus Wirkung hatte. Es war der Wunsch der Herausge-ber an die Beiträger der Festschrift, ihre Themen möglichst ausden aus der Auslagerung zurückgekehrten Beständen zu bearbei-ten, was in vielen Fällen auch geschah. Der Artikel von MeikeKruse, Lübeck, zeigt, welchen Erfolg die Bemühungen von FrauGraßmann und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hatten:90 % der ausgelagerten Bestände sind inzwischen wieder zugäng-lich.

Leider ist es nicht möglich, auf jeden Beitrag detailliert einzu-gehen. Aber auch der summarische Überblick lässt die Vielzahlder Gebiete erkennen, die in allen vier Abteilungen thematisiertwerden. Die Alltagsgeschichte Lübecks manifestiert sich in derFrage der zeitgenössischen Mode (Gisela Jaacks, Heidelore undDagmar Böcker) ebenso wie in der Darstellung der Festgestal-tung im Mittelalter (Carsten Jahnke). Probleme der Demogra-

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 391

phie (Jürgen H. Ibs), der Wirtschaftsgeschichte (Günter Meyer,Rolf Hammel-Kiesow, Niklot Klüssendorf, Marie-LouisePelus-Kaplan), der Rechtsgeschichte (Helge Bei der Wieden,Nils Jörn, Albrecht Cordes, Volker Henn) werden behandelt.Nicht weniger im Blick hatten die Verfasser der Beiträge Quellenwie die Hanserezesse (Joachim Deeters) mit einer Übersicht zurKölner Überlieferung, Siegel (Detlev Ellmers) oder die Nowgo-roder Schraen (Stuart Jenks). Letztere sind der Festschrift als digi-tale Edition beigegeben und verweisen auf eine zukunftsträchti-ge Möglichkeit der Herausgabe komplexen Quellenmaterials.Editionen finden sich auch als Anhänge zu den Beiträgen vonRobert Schweitzer und Ulrich Simon, Otto Wiehmann,Andreas Röpcke, Johann Peter Wurm und Albrecht Cordes.Eine weitere für höchst unterschiedliche Fragestellungen bedeut-same Quellengruppe wird in mehreren Beiträgen ausgewertet,nämlich Akten des Reichskammergerichts. So ist etwa der Gesell-schaftsvertrag, mit dem sich Albrecht Cordes beschäftigt, als Teilvon Prozessakten des Reichskammergerichtes erhalten. Der biszum Reichskammergericht geführte Streit um die Abgaben an dasNowgoroder Kontor (Peter Oestmann) ermöglicht Einblicke indie Verhältnisse der Lübecker Kollegien im 18. Jahrhundert undin ihre Beziehungen zum Rat. Etliche Beiträge suchen den Zugangzur lübeckischen Geschichte über Biographien höchst unter-schiedlicher Prägung (Jürgen Kühl, Alken Bruns, ManfredEickhölter, Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, Bernhart Jäh-nig, Peter-Joachim Rakow und Hartmut Bickelmann), vonHerzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg bis zum Direktor derLandesversicherungsanstalt der Hansestädte, dem lübeckischenSchreib- und Rechenmeister und, nicht zu vergessen, den Litera-ten.

Das Feld der Diplomatie spielte in einer Freien Reichsstadt eineerheblichere Rolle als in anderen Hansestädten und findet daherauch in den Beiträgen Beachtung, sei es als Betrachtung unmittel-bar nachbarlicher Beziehungen (Jürgen Sarnowsky, AndreasRöpcke), sei es als Darstellung diplomatischer Probleme (Hans-Jürgen Vogtherr, Ortwin Pelc, Michael Hundt). Nicht zuletztwidmen sich Beiträge der lübeckischen Geschichtsschreibung alsVersuch der Identitätsstiftung (Gerhard Fouquet) wie als Gegen-stand obrigkeitlicher Zensur (Hans-Bernd Spies).

Mit der materiellen Bestandserhaltung und der Erschließungder Archivschätze beschäftigen sich die Beiträge des letzten Teilsder Festschrift. Beides ist Voraussetzung dafür, dass das Archivder Hansestadt Lübeck wie in der Ära Graßmann eine „Annehm-lichkeit“ bleibt (Franklin Kopitzsch).

Lüneburg Uta Reinhardt

Geschichte „in die Hand genommen“: Die Ge-schichtl ichen Hilfswissenschaften zwischenhistorischer Grundlagenforschung und metho-dischen Herausforderungen. Hrsg. von GeorgVogeler. Utz-Verlag, München 2005. 310 S., 1 CD-ROM. 19,80 €.(Münchner Kontaktstudium Geschichte 8)

Zwischen dem Elfenbeinturm des wissenschaftlichen Spezialistenund der Bude des Marktschreiers ist noch ein Menge Platz. Wieman wissenschaftliche Erkenntnisse und damit auch die Praxiswissenschaftlichen Arbeitens an ein breiteres Publikum vermit-telt, ohne in falsch verstandener „didaktischer Reduktion“ nurnoch Infohäppchen auszuteilen, zeigt in vorbildlicher Weise die-ses Buch, das die Beiträge einer Weiterbildungsveranstaltung ver-sammelt. Es präsentiert die historischen Hilfswissenschaften alsernste Grundlagenforschung für weite Bereiche der Beschäftigungmit Geschichte. Das Sammelwerk schärft damit den Blick für dieBedeutung und Relevanz all jener Methoden und praktischenHerangehensweisen, die die historischen Objekte vor allem in denArchiven zum Sprechen bringen.

Den allgemeinen Rahmen zeigt zunächst Walter Koch (DieHistorischen Hilfswissenschaften als Basis historischer Forschungin der Entwicklung der Geschichtswissenschaft, 13-33) mit einerwissenschaftshistorischen Einordnung, die auf Einflüsse von

Methoden jenseits der traditionellen Geisteswissenschaften ver-weist. Für die erschließende Arbeit in den Archiven ist vor allemder Beitrag von Georg Vogeler (Digitale Edition von Urkunden,209-225) relevant. Vertiefte Erkenntnisse für die Arbeit mit ver-schiedenen Arten von Archivalien ergeben sich vor allem aus dreiBeiträgen. Julian Holzapfl (Layout und Benutzungskontext.Überlegungen zur Schriftlichkeitspraxis der mittelalterlichen Ver-waltung, 35-70) beschreibt am Beispiel der Verwaltungsschrift-lichkeit den aktuellen Stand der Forschung, die mündlichen Ele-mente der mittelalterlichen Kultur gleichberechtigt neben dieschriftlichen zu stellen. Joachim Wild geht zu den Wurzeln desdiplomatischen Protokolls zurück und zeigt, wie sehr das Zere-moniell des frühmodernen Staates auch auf sein außenpolitischesSchriftgut gewirkt hat (Formen und protokollarische Inszenie-rung der internationalen Diplomatie der Frühen Neuzeit im Spie-gel ihres Schriftguts, 245-257). Gerhard Leidel beschreibt denWandel räumlich darstellender Dokumente für den Verwaltungs-gebrauch (Der bürokratische Blick auf die Welt: Vom Augenscheinzur Flurkarte, 259-288).

Das weite Feld der historischen Hilfswissenschaften im Allge-meinen beleuchten die Beiträge von Hans-Jörg Künast (Buch-druck und Buchhandel von Gutenberg bis zur Mitte des 16. Jahr-hunderts, 71-99), Irmhild Schäfer (Restaurierung an der Bayeri-schen Staatsbibliothek, 101-115), Franz-Albrecht Bornschlegel(Epigraphische Überlegungen zu bekannten und verkanntenInschriftendenkmälern aus Bayern, 117-152), Albert Dietl (Epi-graphik und räumliche Mobilität. Das Beispiel italienischerKünstler des Hochmittelalters und ihrer Signaturen, 153-180),Christine Steininger und Ramona Epp (Einsatz inschriftlicherQuellen im Geschichtsunterricht, 181-194), Hubert Emmering(Geld im frühmittelalterlichen Bayern, 195-208) und ChristianFriedl (Der Beamtenstaat Friedrichs II. Geschichtsbild und Ver-waltungsrealität, 227-243).

Der Nutzen des erfreulich preiswerten Bandes wird durch Lite-raturverzeichnisse sowohl zu den Beiträgen als auch zum ganzenBand und durch die beigefügte CD mit zusätzlichen Abbildungennoch erhöht.

Göttingen Patrick Sahle

Eckart Henning, Beiträge zur Wissenschaftsge-schichte Dahlems. 2., erw. Auflage. Berlin 2004. 256S., 54 Abb., kart.(Veröffentlichungen aus dem Archiv zur Geschichte derMax-Planck-Gesellschaft, Bd. 13)

Nach 2000 erscheint die von Marion Kazemi besorgte zweiteAuflage der wissenschaftlichen Aufsatzsammlung von EckartHenning in erweiterter Auflage, vermehrt um vier bedeutendeAufsätze, darunter „Adolf v. Harnacks Amtskette als Präsidentder Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft {KWG] zur Förderung der Wis-senschaften“ und „Max Planck – ein ‚armer Wirrkopf’ als Kolla-borateur der Nazis?“ Sein wissenschaftliches Credo ist in demgleichfalls neu hinzugekommenen Aufsatz „Wissen, Wissenschaftund Wissenschaftsgeschichte“ formuliert. Für ihn spielt dasArchiv eine aktive Rolle in der Wissensgesellschaft, „es wird zueinem Labor der Reproduktion von Wissen.“

Um es vorweg zu sagen: Hennings Nachfolger im Archiv derMax-Planck-Gesellschaft (MPG) tritt ein Erbe an, das schwer zuverwalten sein wird. Henning webte nicht nur in der Wissen-schaftsgeschichte, er gestaltete sie mit und schuf wichtige Beiträ-ge zur Geschichte der KWG/MPG, zum Archiv der KWG und zuden Nachlässen bzw. Sammlungen. Ein Teil der Ergebnisse ver-eint der vorliegende Band, von der Entwicklung des Dorfes Dah-lem, dem „deutschen Oxford“ im Berliner Südosten, bis zur Vor-stellung des Nachlasses Max v. Laue. Es ist eine kleine Geschich-te der MPG im Allgemeinen und des Archivs im Besonderen. Nir-gends anders als in der hauseigenen Reihe, die Henning undKazemi mit einer Chronik der KWG begründet haben, hätte die-ser 13. Band erscheinen können (inzwischen steht der 19. Band vorder Auslieferung!). Bleibendes schuf Henning auch mit der Reihe„Dahlemer Archivgespräche“, die es seit 1995 auf 9 Bände

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gebracht hat. „Mehrmals jährlich“, so Marion Kazemi, „findendiese Gespräche im Archiv statt.“

Über 20 Jahre hat Eckart Henning das Archiv geleitet, Lehreund Forschung der historischen Hilfswissenschaften vorange-bracht, neue Akzente für die Öffentlichkeitsarbeit gesetzt undeine spektakuläre Erweiterung der Magazinräume erreicht: 1999konnte der aufwendige Innenausbau des „Debye-Turms“ oder„Turm der Blitze“ abgeschlossen und das Magazin bezogen wer-den. Die gediegene Warburg-Villa und der Turm sind zur Einheitverschmolzen.

Am 2. Februar 2006 leuchtete noch einmal das große Könnenvon Henning auf, als er in einer Vortragsreihe der LEOPOLDINAin Halle/S. über Max Planck im 3. Reich sprach. Zu diesem Zeit-punkt war er schon einen Tag Pensionär.

Ad multos annos im Dienste der Wissenschaftsgeschichte darfman dem 66-Jährigen wünschen und gleichzeitig wohl noch dieeine oder andere positive Überraschung erwarten.

Leipzig Gerald Wiemers

100 Jahre Staatsarchiv Bamberg im Hain. Eine Aus-stellung des Staatsarchivs Bamberg. Konzeption undBearbeitung: Achim Paulus in Zusammenarbeit mitRainer Hambrecht, Johann Pörnbacher und KlausRupprecht. Generaldirektion der Staatlichen ArchiveBayerns, München 2005. 64 S., mehrere s/w Abb.,brosch. 5,– €.(Staatliche Archive Bayerns – Kleine Ausstellungen Nr. 26)

Als das Staatsarchiv Bamberg 1905 seinen Neubau bezog, wardies einer der Anlässe, den 5. Deutschen Archivtag (an Stelle einerEröffnungsfeierlichkeit) in Bamberg zu veranstalten, wo gleichzei-tig auch eine folgenreiche Reichstagung der Denkmalpflegerstattfand. In einer kleinen, aber feinen Ausstellung erinnerte nundas Archiv an die baulichen Grundlagen seines Gebäudes unddessen weitere Entwicklung.

Konzipiert als Zweckbau im neubarocken Stil wurde das fürdie Behörden im heutigen Regierungsbezirk Oberfranken (außerCoburg) zuständige Archiv auf der „grünen Wiese“ errichtet,weitab von der damaligen Stadtbebauung, allerdings bald umge-ben von einem danach entstehenden Villenviertel. Das neueDienstgebäude sollte nach der äußerst beengten Unterbringungin der Neuen Residenz (heute Staatsbibliothek Bamberg) ca. 100Jahre Platz bieten für die geeignete Unterbringung der nach derSäkularisation zusammengeführten Archive aus dem FürstbistumBamberg und den Zollerschen Markgraftümern und die neu auf-zunehmenden Behördenabgaben des 19. Jahrhunderts. Unter Ver-wendung des kleinräumigen Kabinettsystems entstanden Maga-zine, die allerdings bereits 1960 die Erweiterung um ein „Bestän-dehaus“ notwendig machten.

Beachtenswert ist die aufwendige Fassadengestaltung, dieAusstattung mit Plastiken und ähnlichen Elementen und dasheute wieder Anerkennung findende hochwertige Mobiliar, nichtzuletzt auch die als Zier- und zeitweise auch als Nutz-Gartengenutzten Reserveflächen, die eine jederzeitige Erweiterunggestatten.

Widmet sich die Ausstellung vorwiegend den baulichen The-men, so geht sie in ihrem letzten Kapitel doch auch auf Fragen derGefährdung des Gebäudes und der Bestände ein, die glücklicher-weise jedoch nur wenige Verluste zur Folge hatten. Dabei warenes weniger die unmittelbaren Kriegseinwirkungen, die im Zwei-ten Weltkrieg zu Schäden führten (entsprechende Schutz- undEvakuierungsmaßnahmen verhinderten dies weitgehend), eherdie folgenden Zweckentfremdungen der Räume für Gefängnis-zwecke oder die Absicht, dort ein Tanzlokal für die Besatzungs-truppen einzurichten, die ein unkalkulierbares Risiko für dieSicherheit der Bestände darstellten, letztlich aber verhindert wer-den konnten.

Die kleine Ausstellung soll zunächst die Aufmerksamkeit derBevölkerung auf eine lokal und regional beachtete und weit

bekannte Institution richten, daneben gibt sie aber auch gute Ein-blicke in eine Phase des Archivbaus, die heute noch ihre Fortwir-kung hat.

Bamberg Robert Zink

Albert Lisse, Handlungsspielräume deutscher Ver-waltungsstellen bei den Konfiskationen in derSBZ 1945-1949. Zum Verhältnis zwischen deutschenVerwaltungsstellen und der Sowjetischen Militäradmi-nistration in Deutschland (SMAD). Franz Steiner Verlag,Stuttgart 2003. 246 S., 10 Abb., kart. 40,- €.(Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Nr. 99)

Die hier im Druck vorliegende Dissertation des Verfassers enthälteinführende Bemerkungen über die SMAD und deren Befehleund behandelt das Verhältnis der SMAD zu den deutschen Ver-waltungsstellen, die Bodenreform und die Industrieenteignungenin der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) sowie die Übergabesequestrierten Vermögens in deutsche Verwaltung; sie bietet – denüber 80-seitigen Anhang (Quellen- und Literaturverzeichnis,Dokumente) und den umfangreichen Anmerkungsapparat einge-schlossen – zahlreiche nützliche und interessante Informationenzum Thema. Ungünstig ist die kaum gegliederte „Reihung“ dernach Inhalt und Umfang recht ungleichwertigen Kapitel; dieKapitel 5, 8 und 12 umfassen nur je knapp zwei Seiten!

Von Anfang an wird deutlich, dass es dem Verfasser nicht umdie verwaltungsgeschichtlichen Aspekte des Themas geht, nichtum einen – laut Klappentext – „Beitrag zur Aufhellung der Vor-geschichte der DDR“ allgemein, sondern um eine sehr konkreteund aktuelle Fragestellung. In den amtlichen Verlautbarungen,Gesetzestexten usw. der Bundesrepublik, in der Literatur und„selbst in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes“würden die – so Lisse – durch die Bodenreform und vergleichbareMaßnahmen erfolgten „Vermögenswegnahmen“ in einer dem„rechtsstaatlichen Denken unerträglichen Terminologie“ als „Ent-eignungen“ bezeichnet. Entschädigungslose Enteignungen seienaber „Konfiskationen“ (S. 17, Fußnote 1); um die ginge es hier, undsie dürfe man nicht hinnehmen.

Ein Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Feststellung, „diedeutschen Handlungsspielräume für die wirtschaftspolitischeUmgestaltung in der SBZ 1945-1949“ seien erheblich größer gewe-sen, „als bisher von Rechtsprechung, Politik und Schrifttum ange-nommen“, und sie seien – „teilweise sogar exzessiv – von deut-schen Verwaltungsstellen ausgeschöpft“ worden (S. 156); vgl.auch Kapitel 10: „Exzessive und willkürliche Überschreitungsowjetischer Anweisungen durch deutsche Verwaltungen in derSBZ“ (S. 109 ff.) und Kapitel 14: „Die entschädigungslose Enteig-nung in der SBZ – ein Verstoß gegen die Haager Landkriegsord-nung in Deutschland“ (S. 141 ff.). In diesem Zusammenhang wirdBezug genommen auf die in den bisherigen Gerichtsverfahrenbetroffener Kläger stets als Rechtsgrundlage geltende „Gemein-same Erklärung“ der Regierungen der Bundesrepublik und derDDR vom 15. Juni 1990 als Teil des Einigungsvertrages, wonachEnteignungen zwischen 1945 und 1949 als „besatzungsrechtlicheoder besatzungshoheitliche“ Normen im Interesse des „Rechts-friedens in einem künftigen Deutschland“ nicht mehr rückgängigzu machen sind. Diese „Gemeinsame Erklärung“ stellt Lisse inFrage, da Politik und Rechtsprechung im vereinten Deutschlandsich geweigert hätten, „eine Grenze zwischen den besatzungs-rechtlichen/besatzungshoheitlichen und den durch deutsche Ver-waltungsstellen vorgenommenen Enteignungen zu ziehen“ (S. 145); und Letztere seien eben – wie er in seinem Buch feststellt– erheblicher gewesen als bisher angenommen.

Ob mit diesem Argumentationsansatz neue Ergebnisse für diebereits durch alle Instanzen gegangenen Restitutionsansprüche zuerzielen sein werden, steht dahin. Bisher ist das Beschreiten derverschiedenen Rechtswege durch die Interessengruppen zurErlangung von Rückgabe oder Entschädigung jedenfalls vergeb-lich gewesen.

Potsdam Hermann Schreyer

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 393

Jürgen Lotterer, Gegenreformation als Kampf umdie Landesherrschaft. Studien zur territorialstaatli-chen Entwicklung des Hochstifts Paderborn im Zeital-ter Dietrichs von Fürstenberg (1585-1618). BonifatiusVerlag, Paderborn 2003. 390 S., geb. 34,80 €.(Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte, Bd.42)

Mit dem Namen des Paderborner Bischofs Dietrich von Fürsten-berg verbindet sich gemeinhin die Vorstellung von der – je nachSichtweise: erfolgreichen – Rekatholisierung des Hochstifts undder blutigen Niederschlagung einer bürgerlichen Oppositionsbe-wegung in der seit den 1580er Jahren mehrheitlich dem protestan-tischen Bekenntnis zuneigenden Stadt Paderborn im Jahre 1604.Ziel der vorliegenden, von Heinrich Schoppmeyer, einem aus-gewiesenen Kenner der Paderborner Geschichte, betreutenBochumer Dissertation ist es, auf der Basis des im Wesentlichenvon H. Schilling und W. Reinhard entwickelten Konfessionalisie-rungs-Konzepts (ohne allerdings auf den Begriff „Gegenreforma-tion“ zu verzichten) die Amtszeit Dietrichs von Fürstenberg unterdem bislang weitgehend vernachlässigten Aspekt seiner Tätigkeitals Landesherr und Wegbereiter frühmoderner Staatlichkeit imHochstift zu untersuchen. In einem ersten Schritt analysiert derVerf. die Verhältnisse im Hochstift in der Zeit vor dem Amtsan-tritt Bischof Dietrichs und stellt, was z. B. die Existenz zentralerVerwaltungs- und Justizbehörden betrifft, einen deutlichen Ent-wicklungsrückstand gegenüber benachbarten Territorien fest, waser u. a. darauf zurückführt, dass während des gesamten 16. Jhs.bis zur Wahl Dietrichs fast ausnahmslos auswärtige Administra-toren an der Spitze des Bistums standen, die wenig herrscherli-che Präsenz zeigten und sich um die Angelegenheiten des Hoch-stifts wenig kümmerten. Dem „vorstaatlichen Territorium“ ent-sprach die „vorkonfessionelle“, in vortridentinischen Zuständenverharrende Kirche (S. 347). Das änderte sich erst unter Dietrichvon Fürstenberg, der bald nach seiner Wahl mit großer Energie diekatholische Reform im Bistum betrieb (Förderung der Jesuiten,Gründung der Universität 1614, regelmäßige Diözesansynoden,Publikation der neuen Agende 1602 zur Vereinheitlichung derkatholischen Glaubenslehre im Bistum), und Maßnahmen zurweltlichen Herrschaftsintensivierung ergriff. Zu diesen Maßnah-men gehörten die Einlösung verpfändeter Stiftsgüter, Rechte undÄmter, die Einführung einer allgemeinen Landessteuer, „die nichtnur zur dringend erforderlichen Einnahmesteigerung beitrug,sondern auch ein Zeichen der Unterwerfung [der zu Untertanenwerdenden Stiftsbewohner, V. H.] darstellte“ (205); weitere Felderder Herrschaftsintensivierung waren das Militär- und das Justiz-wesen (Neuordnung der Landesverteidigung, Einrichtung einesständigen Hofgerichts mit verbindlicher Gerichtsordnung undfestbesoldeten Funktionsträgern), während die oft mit disziplinie-renden Auflagen versehene Armenfürsorge in der Zeit Dietrichsnur von geringer Bedeutung war. Dabei verschweigt der Verf.nicht, dass manche der getroffenen Maßnahmen nicht mit derletzten Konsequenz durchgeführt wurden, dass andere erstlängerfristig ihre Wirkungen zeigen konnten und dass das fürst-liche Handeln des Fürstenbergers auch den Interessen der eige-nen Familie diente. Dass Bischof Dietrich seine politischen Zielenur gegen erhebliche Widerstände durchsetzen konnte, zeigt derVerf. in einem ausführlichen Kapitel an den Auseinandersetzun-gen mit den Edelherren von Büren, den Herren von Spiegel zumDesenberg, dem Domkapitel sowie der Stadt Paderborn zuBeginn des 17. Jhs. („Kampf um Paderborn“).

Es handelt sich um eine klar strukturierte, auf einer breitenQuellengrundlage basierende Arbeit, die sich durch eine umsich-tige Interpretation der Quellen auszeichnet, manche älteren For-schungsergebnisse korrigieren kann und insgesamt einen beach-tenswerten Beitrag zur Geschichte Ostwestfalens im 16. Jh. dar-stellt.

Trier Volker Henn

Nachlässe im Bayerischen Hauptstaatsarchiv1800 bis heute. Bearb. von Sylvia Krauss. General-direktion der Staatlichen Archive Bayerns, München2005. 296 S., zahlr. Abb. geb. 12,- €.(Bayerische Archivinventare 53)

Der Band enthält die Beschreibungen von 233 Nachlässen undFamilienarchiven aus dem 18. Jahrhundert bis heute, die in derAbteilung V Nachlässe und Sammlungen, der Abteilung IVKriegsarchiv und der Abteilung III Geheimes Hausarchiv desBayerischen Hauptstaatsarchivs verwahrt und der Forschungzugänglich gemacht werden. Nach dem bewährten archivfachli-chen Schema der bestandsbezogenen Erschließung von Nachläs-sen gliedert sich jede Beschreibung in sieben Rubriken: Name derPerson oder der Familie; Geburts- und ggf. Todestag; Qualifikati-on und Berufsfeld des oder der Personen mit Stationen und Datender beruflichen Tätigkeit; inhaltliche und formale Informationenüber den oder die Nachlässe mit Nennung prominenter Korres-pondenzpartner; Laufzeit; derzeitiger Erschließungsstand undVerweise auf die Zuständigkeit in der Organisation des Haupt-staatsarchivs und auf weitere Nachlassteile in anderen Einrichtun-gen. Ein Personenregister ermöglicht den Zugang auch zu denNennungen der Korrespondenzpartner in der alphabetisch geord-neten Abfolge der Bestandsbeschreibungen.

Das Buch besticht durch seine technische Qualität und vorallem durch die Übersichtlichkeit: Jede Nachlassbeschreibungbeginnt auf einer neuen Seite mit einem Photo oder einem Wap-pen, auch wenn es sich nur um ein Nachlassfragment geringenUmfangs handelt. Die Ausführlichkeit der biographischen undinhaltlichen Angaben ist jeweils der Bedeutung und dem Umfangdes Nachlasses angepasst. Die sieben genanten Rubriken sindauch graphisch hervorgehoben, sodass dem Leser die schnelleOrientierung leicht gemacht wird. Die Informationen in derRubrik „Inhalt“ sind präzis und knapp formuliert. Umso mehr istdas Fehlen eines Registers mit den dort genannten juristischenPersonen sowie anderen Gremien und Einrichtungen zu bedau-ern, das die Hinweise auf Unterlagen, z. B. zu den Themen „Par-lamentarischer Rat“, „Herrenchiemsee Konferenz“‚ „DeutschesBüro für Friedensfragen“, EWG, GATT, oder auf eine Vielzahl vonParteien einfacher zugänglich machen würde.

Die Bearbeiterin verweist in der Einleitung auf die ZentraleDatenbank für Nachlässe (ZDN) in deutschen Archiven(www.bundesarchiv.de), in der Beschreibungen von 267 Nachläs-sen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs ebenfalls recherchiertwerden können. Ein Vergleich zeigt, dass die biographischen undinhaltlichen Informationen der Buchpublikation detaillierter sind.Unklar ist, warum Nachlassbeschreibungen im Buch fehlen, diein der ZDN zu finden sind, und umgekehrt einzelne Beschreibun-gen nur in das Buch aufgenommen wurden. Ein Vergleich desBuchstabens B ergibt z. B., dass die Nachlässe von Fritz Baer,Gustav von Baranyai-Lörincz, Carl Philipp Bettinger, AlexanderBilabel und Otto Graf von Bray-Steinburg nur in der ZDNbeschrieben werden (Bray-Steinburg wird nur als Korrespondenz-partner im Buch genannt), die Beschreibungen der Nachlässe vonOtto Bauer, Herrmann Ritter von Beisler und Johann Böhm dage-gen in der ZDN fehlen. Carl Christian Bry ist im Buch nur unterseinem Namen, in der ZDN nur unter seinem Pseudonym„Decke“ zu finden. Mit dem im Oktober 2004 freigeschaltetenContent Management System für die ZDN kann jedes Archiv ineigener Verantwortung die Beschreibungen seiner Beständeändern, ergänzen oder löschen. Mit mehr als 163.000 Suchanfra-gen im Jahr 2005 ist die ZDN ein national und international häu-fig genutztes Findmittel, dessen Abgleich mit den Daten derBuchveröffentlichung sinnvoll wäre.

Ob das Buch den von der Herausgeberin in der Einleitung for-mulierten Zweck erfüllt, die „homines politici“ des Landes Bay-ern „zu mahnen, im Interesse künftiger Forschung ihre Tätigkeitzu dokumentieren“ und „die Zeugnisse ihres Handelns aufzuhe-ben“, sei dahingestellt. Richtig ist dagegen der Verweis auf denweiteren Zweck, mit dieser Veröffentlichung Verfügungsberech-tigte über Nachlässe zu motivieren, ihre Unterlagen dem Haupt-staatsarchiv zu überlassen. Die Beschreibung des eigenen Nach-lasses in einer Neuauflage eines so aufwendig gestalteten Bandes

1 Volker Ackermann, Das Tagebuch staatlicher Entscheidungen. ZurEdition der Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, in: Der Archivar 53 (2000), S. 318-323.

394 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

zu finden, ist für manche Ansprechpartner des Archivs sicher ein-drucksvoller als der Verweis auf Nennungen in einer Datenbankim Internet, deren Qualität und Vollständigkeit jedoch im Inter-esse der Forschung nicht vernachlässigt werden sollte.

Koblenz Wolf Buchmann

Eine neue Gründungsurkunde für die UniversitätHeidelberg. Hrsg. von Werner Moritz. verlag regio-nalkultur, Heidelberg – Ubstadt – Weiher – Basel 2005.60 S., 27 Abb., Paperback. 9,90 €.(Archiv und Museum der Universität Heidelberg,Schriften 8)

Nein, um eine fromme Fälschung handelt es sich nicht, wenn Wer-ner Moritz als Heidelberger Universitätsarchivar eine „neueGründungsurkunde“ für die altehrwürdige Ruperto Carola vor-legt. Hier müssen keine Dunkelmänner das Licht der Aufklärungscheuen. Im Gegenteil, selbstbewusst können Historiker undKünstler der Öffentlichkeit das Ergebnis ihrer Anstrengungenpräsentieren.

Was war geschehen? Spätestens bei der 600-Jahr-Feier 1986 warleider nicht mehr zu übersehen gewesen, dass die Gründungsur-kunde Pfalzgraf Ruprechts I. vom 1. Oktober 1386 im Gegensatzzu der Papst Urbans V. vom 23. Oktober 1385 den Lauf der Zei-ten nicht unbeschadet überstanden hatte. Dabei hatten ihr wohlnicht so sehr die Turbulenzen des ersten halben Jahrtausends, alsvielmehr die unsachgemäße Behandlung des letzten Jahrhundertsmit seiner extensiven Ausstellungspraxis zugesetzt. Die Jubilä-ums-Fotoaufnahmen der Urkunde von 1886, 1936 und 1986 doku-mentieren den unerbittlich fortschreitenden Prozess des Verfalls.Es galt zu handeln. Eine erneute Restaurierung und Faksimilie-rung waren nicht mehr möglich, weshalb Moritz auf die Idee einerRekonstruktion und Neuanfertigung verfiel. Sie wurde in bewun-dernswerter Weise von Andrea Popprová ausgeführt, die inihrem abgedruckten Aufsatz sehr schön den „mittelalterlichen“Arbeitsprozess in ihrer Prager Werkstatt beschreibt. Die notwen-digen Siegelvorlagen wurden dabei vom Bayerischen Haupt-staatsarchiv und dem Generallandesarchiv Karlsruhe zur Verfü-gung gestellt. Ergänzt wird Popprovás Schöpfungsbericht durchweitere Beiträge: Jürgen Miethke erläutert souverän die Grün-dungsgeschichte der Universität. Joachim Dahlhaus legt einespannende diplomatische Untersuchung der Urkunde vor, derenTranskription und Übersetzung von Reinhard Düchting besorgtwird. Werner Moritz schließlich stellt kritisch die Überlieferungs-geschichte der Gründungsurkunde vor. Ein Foto der Replik istdem Band als Beilage angefügt.

So bestechend die Idee der Neuanfertigung einer Urkunde fürdas 1996 eingerichtete Universitätsmuseum auf den ersten Blickist, bei längerem Nachdenken stellen sich auch Zweifel ein, wofüreine solche denn gut sein soll? Selbstverständlich ist es die vor-nehmste Pflicht des Archivars, den Verlust des kulturellen Erbeszu verhindern bzw. zu verzögern. Und so ist es nur zu begrüßen,wenn dem interessierten Publikum anstatt des hochgefährdetenOriginals nun eine perfekte Replik geboten wird, mit der Entste-hung, Inhalt und Form der Gründungsurkunde veranschaulichtwerden können. – Doch der Verlust bleibt ein Verlust. Ob einenachgemachte Urkunde oder die unlängst wieder eingeführtenTalare tatsächlich der „Pflege des Traditionsbewusstseins an derUniversität Heidelberg“ (S. 7) dienen, wird sich noch zeigen müs-sen. Aber machen wir uns nichts vor, der Zauber des Authenti-schen ist durch nichts zu ersetzen.

Karlsruhe Rainer Brüning

Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats1945-1954. Das Kabinett Ehard II. 20. September 1947bis 18. Dezember 1950. Band 2: 5.1.1949 – 29.12.1949.Bearb. von Karl-Ulrich Gelberg. R. Oldenbourg Verlag,München 2005. CXVI, 501 S., 14 Abb., geb. 59,80 €.

Kabinettsprotokolle sind als „Tagebuch staatlicher Entscheidun-gen“1 eine Schlüsselquelle für die historische Forschung. So ist esbesonders zu begrüßen, dass mit dem hier vorzustellenden Bandin rascher Folge die Edition eines weiteren Jahres der Protokolleder Sitzungen des Bayerischen Ministerrates der Öffentlichkeitvorgelegt wird. Seit Anfang der 1990er Jahre werden diese Proto-kolle für die Jahre 1945 bis 1954 im Auftrag der Historischen Kom-mission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften undder Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns ediert.Inzwischen umfassen sie einschließlich des neuesten sechstenBandes den Zeitraum bis zur Gründung der BundesrepublikDeutschland und füllen rund 3800 Seiten.

Der Aufbau des vorliegenden zweiten Teils der Protokolle desKabinetts Ehard II für das Jahr 1949 folgt der bewährten Form derbisher publizierten Bände. Nach Darlegung der editorischenGrundsätze schließt sich eine ausführliche Einleitung des Bearbei-ters an, die neben der Quellenlage u. a. personelle Veränderungenund Struktur des Kabinetts beschreibt, Clarence M. Bolds alsselbstbewussten (kommissarischen) Land Commissioner der fürBayern zuständigen amerikanischen Militärregierung vorstelltsowie die Schwerpunkte der Arbeit der Landesregierung zusam-menfasst. Den Hauptteil bilden die mustergültig kommentiertenMinisterratsprotokolle, deren Benutzbarkeit durch ein vorange-stelltes Verzeichnis mit den einzelnen Tagesordnungspunktenerleichtert wird. Die Sachanmerkungen dienen als Verständnishil-fe und verweisen auf weiterführende Literatur, auf die großenQuelleneditionen zur Nachkriegszeit und auf ungedruckte Quellen, v. a. die Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen. EinQuellen- und Literaturverzeichnis sowie ein umfangreiches Per-sonen-, Orts- und Sachregister schließen den Band ab.

Inhaltlich überwiegen in den Beratungen der BayerischenStaatsregierung landespolitische Themen. Eingehend erörtertwerden Flüchtlingsfragen, Lastenausgleich, Kriegsopferversor-gung, Kriegsheimkehrer, Wohnungsbau und die Pflege der KZ-Gedenkstätten. Im Unterschied zu anderen Editionen wird auchdie Behandlung der Personalangelegenheiten hier vollständigwiedergegeben, was den Nachvollzug des personellen Wieder-aufbaus von Verwaltung und Justiz des Freistaates Bayern nach1945 erlaubt. Da es sich um Verlaufsprotokolle handelt, wird derMeinungsbildungsprozess und das Profil der einzelnen Regie-rungsmitglieder deutlich. Die Anfänge Bayerns im Bund bildenden neuen thematischen Aspekt dieses Bandes: Gegenstände derBeratungen sind Konstituierung der Bundesrepublik, Arbeitsbe-ginn der obersten Bundesorgane, Aufbau der Bayerischen Vertre-tung beim Bund, Gesetzgebung des Bundes und generell die Posi-tionierung Bayerns im Bund. Die Protokolle gewinnen nun auchgroßen Quellenwert für die föderalistische Politik Bayerns in derÄra Adenauer. Wer sich allerdings weiteren Aufschluss über dieHintergründe der bayerischen Ablehnung des Grundgesetzes(Ehards Kompromissformel „Nein zum Grundgesetz und Ja zuDeutschland“) erhofft, wird zunächst enttäuscht. Über die ent-scheidenden Sitzungen des Ministerrates am 3., 5. und 10.5.1949wurden offenbar bewusst keine Protokolle verfasst. Dennochrekonstruiert der Bearbeiter deren Inhalt äußerst quellenkundigdurch Communiqués, Korrespondenz aus Nachlässen und Pres-seberichte, wobei die entsprechenden Dokumente in die Editionaufgenommen werden.

Mit gleicher Sorgfalt wie die vorhergehenden Bände erstellt,bietet dieser Band vielfältiges Material für sachthematische, pro-sopographische, biographische sowie rechts- und verwaltungsge-schichtliche Forschungen. Sehr hilfreich sind die in den Anmer-kungen enthaltenen Biogramme zu allen im Protokolltexterwähnten Personen, auf die auch im Personenregister mit einem

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 395

Sternchen verwiesen wird. Aus archivischer Sicht ist besondersbemerkenswert, dass die Kommentierung zentrale Bestände desBayerischen Hauptstaatsarchivs sachthematisch erschließt unddie Forscherberatung für den Archivar erheblich erleichtert.Abschließend bleibt nur der Wunsch, dass die edierten Protokolledes Bayerischen Ministerrates nach dem Vorbild des Bundes-archivs, welches dies bei der Edition der Kabinettsprotokolle derBundesregierung seit Oktober 2003 realisiert, auch in einer recher-chierbaren und navigierbaren Form im Internet zugänglichgemacht werden.

Augsburg Rainer Jedlitschka

Übersicht über die Bestände des Niedersächsi-schen Staatsarchivs in Bückeburg. Bearb. vonHubert Höing. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göt-tingen 2004. 312 S., geb. 42,90 €. (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivver-waltung, Bd. 57)

In den heutigen Zeiten, in denen die Tendenz dahin geht, Infor-mationen ausschließlich in digitaler Form anzubieten, könnte manes als Anachronismus auffassen, wenn sich Archive noch denLuxus leisten, ihre Bestände in klassischer Buchform zu präsen-tieren. Denn – so die landläufige Meinung – die elektronische Voll-textrecherche erlaubt es doch, blitzschnell auf Gesuchtes zuzu-greifen. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, welche Bedeu-tung das Lesen hat. Gerade bei der Recherche in Findmitteln wirdeinem oft erst, nachdem man in Ruhe einen Abschnitt durchgese-hen hat, klar, wonach man genau suchen muss. Und das Herum-stöbern, wie es nur ein Buch erlaubt, kann einen auf die Spur vonSachen führen, die man gar nicht gesucht hat. So ist es erfreulich,dass die niedersächsische Archivverwaltung bzw. das Landesar-chiv Niedersachsen klassische Beständeübersichten herausgibtund diese sind, wie das vorliegende Beispiel zeigt, erfreulicheBücher.

Die Bestände der schaumburg-lippischen Archive, die im Nie-dersächsischen Staatsarchiv Bückeburg verwahrt werden, um-fassen gegenwärtig rund 5.600 Urkunden, 3 Kilometer laufendeAkten und 20.000 Karten und Pläne. Bevor sie in der vorliegen-den Beständeübersicht im Einzelnen präsentiert werden, erfolgterst eine Darstellung der Archivgeschichte vor dem Hintergrundder schaumburg-lippischen Territorialgeschichte. Das historischePanorama reicht dabei von den Schaumburgern, die ab dem 12. Jahrhundert als Grafen sowohl ihre Stammlande an der Weserals auch die Grafschaft Holstein in Personalunion regierten, überdie Aufteilung der Wesergrafschaft nach dem Aussterben derGrafen im Mannesstamm im Jahr 1640 bis zu der Eingliederungdes Freistaates Schaumburg-Lippe in das Land Niedersachsenund zur Vereinigung der Schaumburger Landkreise, die 1977erfolgte. Anschließend führt ein Literaturverzeichnis Bibliogra-fien, Archivinventare, Nachschlagwerke zur Verwaltungs- undPersonengeschichte und Quelleneditionen auf.

Eine Übersicht der beschriebenen Bestände wird in zweifacherForm gegeben: Während die eine als klassisches Inhaltsverzeich-nis in ihrer Gliederung nach Bestandssignaturen die Archivtekto-nik abbildet, teilt die zweite die Bestände nach Sachgruppen ein.Zwar gibt es übergreifende Bestände wie Urkunden oder allge-meine Verwaltungsbehörden, die sich in eine solche Systematiknicht befriedigend einordnen lassen. Trotzdem bietet diese zwei-te Übersicht mit ihrer weit gefächerten Gliederung, die anfangendbei Landtag und Ständen und endend bei Medizin und Sozialemalle Sachbereiche erfasst, denen die Bestände von ihrem inhalt-lichen Schwerpunkt her zugeordnet werden können, einen aus-gesprochen funktionalen Einstieg zur sachthematischen Recher-che in der Beständeübersicht.

Die Beschreibungen der einzelnen Archivbestände, in der tek-tonischen Abfolge Urkunden, Akten staatlicher Provenienz,Akten nichtstaatlicher Provenienz und Sammlungen führenzuerst die Gesamtlaufzeit und – in erstaunlicher Präzision – denUmfang des Bestandes auf. Es folgen Angaben zur Erschließung,die in der Regel kurz die Form des oder der Findmittel benennen.

Die nachfolgende Beschreibung des Bestandes liefert dann jeweilsInformationen zur Territorial- oder Verwaltungs-, zur Behörden-oder Personen- oder zur Bestandsgeschichte. Teilweise erfolgenauch Hinweise auf die vornehmlich oder ausschließlich vorhan-denen Inhalte, Betreffe oder Aktentypen. Soweit vorhanden wirdaußerdem die inhaltliche Gliederung des Bestandes dargestellt.Ausführliche Literaturangaben und Verweise auf verwandteBestände runden das informative Bild, das von jedem Bestandgegeben wird, ab.

Ein Gesamtindex „der Orte und Personen sowie ausgewählterWörter und Sachen“ schließt die Beständeübersicht ab. Sicherlichvorbildlich ist die kurze methodische Einführung in den Umgangmit dem Index. Sie verweist darauf, dass er bei sachgerechter Nut-zung („Fündig wird der Findige“) als erster Einstieg für dieArchivrecherche dienen, jedoch nicht den sachthematisch verwal-tungsgeschichtlichen Zugriff auf das Archivgut ersetzen kann.Der Index selbst ist etwas unübersichtlich gestaltet. Eine Trennungin Orts-, Personen- und Sachindex würde gerade Benutzern, diesich im schaumburg-lippischen Raum nicht so gut auskennen,den Gebrauch erleichtern. Auch ist zu fragen, ob nicht bei Orts-oder Sachbegriffen, die im Index mit 20 oder mehr Fundstellenausgeworfen sind, eine Spezifizierung durch eine Mehrgliedrig-keit hilfreich gewesen wäre.

Insgesamt bleibt die Beständeübersicht aber, wie bereits obengesagt, ein ausgesprochen erfreuliches Buch. Welche Bedeutungeinem Territorium in der Geschichtsschreibung zukommt, hängtauch davon ab, wie es von der historischen Forschung wahrge-nommen werden kann. Schaumburg-Lippe war der bevölke-rungsärmste und von der Fläche her, wenn man von den Stadt-staaten absieht, kleinste Bundesstaat des Deutschen Reiches unddamit eines der langlebigsten Produkte deutscher Kleinstaaterei.Aufgrund der vorbildlichen Weise, in der seine archivische Über-lieferung der historischen Forschung präsentiert wird, kann essich aber im Hinblick auf die Dokumentation der eigenen Ver-gangenheit der Konkurrenz mächtigerer Territorien bedenkenlosstellen.

Schleswig Carsten Müller-Boysen

Die Überlieferung der Diktaturen. Beiträge zumUmgang mit Archiven der Geheimpolizeien in Polenund Deutschland nach 1989. Hrsg. Von Agnès Bensus-san, Dorota Dakowska und Nicolas Beaupré. Klar-text Verlag, Essen 2004. 247 S., brosch. 22,90 €.

Die vorliegende Publikation betrifft das politisch und historischnach wie vor wichtige Thema der Aufbewahrung und Auswer-tung des Archivgutes der „Sicherheitsorgane“ der VolksrepublikPolen und der DDR. Veröffentlicht sind die Vorträge einer durchdie Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheits-dienstes der ehem. DDR (BStU) und ihre polnische Parallelorga-nisation, das Institut für Nationales Gedenken (ING), unterstütz-ten Tagung des „Deutsch-Französischen Forschungszentrums fürSozialwissenschaften“, Berlin, April 2002, und einige ergänzendeBeiträge zum Thema. Der interessante Vergleich der deutschenund polnischen Gegebenheiten verdeutlicht nicht nur dieGemeinsamkeiten, sondern auch die historisch bedingten Unter-schiede in beiden Ländern, was zum besseren Verständnis desGesamtproblems beiträgt; vgl. auch die Besprechung einer ähn-lich vergleichenden Publikation des BStU: Lustration, Aktenöff-nung, demokratischer Umbruch in Polen, Tschechien, der Slowa-kei und Ungarn, hrsg. von D. Unverhau, Münster 1999, in: DerArchivar, 54 (2001), 2, S. 161.

Auf den einführenden, grundsätzlichen Beitrag der Herausge-ber „Der politische und wissenschaftliche Umgang mit den Poli-zeiarchiven des Kommunismus“ (S. 11-33) folgen die beiden Teiledes Sammelbandes: Teil 1: ING/BStU, ihre Archive und derenZugänglichkeit, v. a. mit den Beiträgen: P. Machcewicz, DasING. Das polnische Modell der Abrechnung mit der totalitärenVergangenheit, (S. 37-54); B. Gronek, Das Archiv des ING. Zieleund Aufgaben (S. 71-80); J. Beleites, Brauchen wir noch ein Son-derrecht für Stasi-Unterlagen? (S. 81-100) mit kritischen Anmer-kungen von G. Bormann dazu (S.101-109). Beleites beantwortet

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die gestellte Frage mit überzeugenden Argumenten: „Mittelfristigist (…) ein Abgleich von Datenschutzrecht, Archivrecht und Infor-mationsfreiheitsgesetzen auf Landes-, Bundes- und europäischerEbene erforderlich. Ein historisch begründetes, aber nicht mehrzeitgemäßes Sonderrecht für die Stasi-Unterlagen wird dabei kei-nen Bestand haben“ (S. 100). – G. Bormann, Das Archiv des BStU (S. 63-70), das – nach Meinung des Verfassers – „kein Archiv“ ist,weil die Stasi-Unterlagen „komplett übernommen und als einheit-licher Bestand erhalten“ wurden – im Unterschied zu „konven-tionellen Archiven, die nach einer Vorauswahl archivwürdigeVorgänge auswählen und aufbewahren“ (S. 65). Diese Argumen-tation ist unter archivfachlichen Gesichtspunkten schwer nachzu-vollziehen, da der Sachverhalt einer „kompletten Übernahme“von Akten nun gewiss nicht gegen die Bezeichnung „Archiv“spricht, sondern allenfalls für die Notwendigkeit, das übernom-mene Schriftgut – darunter auch nicht archivwürdiges – nachträg-lich zu bewerten, wie das übrigens in den „konventionellen Archi-ven“ ebenfalls oft geschehen muss.

Teil 2: Die geschichtswissenschaftliche Auswertung derGeheimpolizei-Archive, v. a. der quellenkundliche und quellen-kritische Aspekt. Hervorzuheben sind folgende Beiträge: A.Paczkowski, Das Archiv des Sicherheitsapparates der Volksre-publik Polen als Quelle – was schon getan ist, was noch zu tunbleibt (S. 129-147). – Th. Lindenberger, Öffentliche und gehei-me Polizei. Anmerkungen zu den Quellen der Herrschaftsge-schichte des SED-Staates (S. 173-193). – Ausdrücklich verwiesensei auf den für die DDR-Geschichtsschreibung grundsätzlichwichtigen Beitrag von K. H. Jarausch, Jenseits von Verdammungund Verklärung. Plädoyer für eine differenzierte DDR-Geschich-te (S. 229-240).

Unter dem Titel des Sammelbandes kaum zu vermuten unddaher unter den anderen Beiträgen etwas „verloren“: M. Blaive,Einige Etappen der Bewältigung der kommunistischen Vergan-genheit seit 1989 in der Republik Tschechien (S. 111-126).

Potsdam Hermann Schreyer

Die Überlieferung der preußischen Bergverwal-tung. Erfahrungen und Perspektiven zur Bearbeitungdes sachthematischen Inventars der preußischen Berg-,Hütten- und Salinenverwaltung, 1763-1865. Hrsg. vonMechthild Black-Veldtrup, Michael Farrenkopfund Wilfried Reininghaus. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Staatsarchiv Münster und Selbstverlag desDeutschen Bergbau-Museums Bochum 2004. 148 S., 41Abb., Paperback. 10,– €.(Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 131. Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 17. Veröffentlichungen des LandesarchivsNordrhein-Westfalen, Bd. 1)

Von 1999 bis 2003 haben das Geheime Staatsarchiv PreußischerKulturbesitz und die Staatsarchive in Düsseldorf, Münster, Mag-deburg, Breslau und Kattowitz ein groß angelegtes, von der VW-Stiftung gefördertes Projekt durchgeführt, bei dem die Überliefe-rung der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung von1763 bis 1865 erschlossen werden sollte. Nach Abschluss der Ver-zeichnungsarbeiten – entstanden sind acht Inventarbände, die alleim Archivar positiv rezensiert worden sind – trafen sich Bearbei-ter, Archivare und Montanhistoriker im Juni 2004 zu einem Work-shop, um kritisch Bilanz zu ziehen und weitere Perspektiven fürdie Zukunft aufzuzeigen.

Zu Beginn gibt Wilfried Reininghaus, einer der Hauptverant-wortlichen, einen Überblick über Entstehen und Verlauf des„äußerst ehrgeizigen Vorhabens“. Für ihn haben sich aber all dieMühen und Anstrengungen gelohnt. Die intensive Erschließungder Akten brachte nicht nur viel Neues zu Tage, sondern derGesamtüberblick ermöglicht eine bessere Planung von For-schungsprojekten und eine gute Vorbereitung von Archivbesu-chen. Reininghaus betont zudem den „symbolischen Wert“ desProjektes, der in der herzlichen Form der Zusammenarbeit derpolnischen und deutschen Kollegen liegt.

Janusz Gol/aszewski, Zdzisl/aw Jedynak, Susanne Brock-feld und Frank Althoff, alle Mitarbeiter des Projektes und damitdie besten Kenner der Bestände, beschreiben in ihren Referatenanhand von zahlreichen Beispielen die Themenvielfalt der Über-lieferung und, indem sie Besonderheiten hervorheben, geben sieAnregungen für die Forschung. Jedynak macht darüber hinausVorschläge für die polnische Ausgabe des oberschlesischen Inven-tarbandes. Diese sollte zum besseren Verständnis der polnischenBenutzer durch die heutigen Namen der aufgeführten Orte undBetriebe sowie durch Übersichtskarten ergänzt werden. Ebensohält er eine stärkere Bebilderung für wünschenswert. Auch werdedie Erweiterung des Bandes durch die Aufnahme von Karten undPlänen erwogen.

Den Nutzen für die Forschung umreißen Wolfhard Weberund Karl Heinrich Kaufhold, zwei ausgewiesene Montanhisto-riker. Nicht allein die Studien zur Industrialisierung Preußensoder eine – schmerzlich vermisste – Gesamtdarstellung des preu-ßischen Montanwesens werden von den Inventaren profitieren,sondern auch Spezialuntersuchungen z. B. zur Rekrutierung undAusbildung der Mitglieder der Bergverwaltung, die ein „staat-liches Wirtschaftselitecorps“ bildeten, oder zur Entwicklung derInfrastruktur in Bergbauregionen.

So wichtig die schriftliche Überlieferung auch sein mag, Archi-vare wissen, dass sie in der Regel lückenhaft ist. Es ist daher viel-fach unumgänglich, die Erkenntnisse der Montanarchäologie undder Siedlungsforschung miteinzubeziehen. Die fruchtbringendeKooperation von archivalischen Forschungen und Feldbegehun-gen demonstrieren Reinhard Köhne sowie Eufrozyna und Zyg-fryd Piatek am Beispiel des alten Erzbergbaus im kölnischenSauerland bzw. des niederschlesischen Bergbaus.

Zwei Quellengruppen werden besonders herausgestellt: dieKarten und Pläne, die bei der Verzeichnung unberücksichtigtgeblieben sind, und die Reiseberichte. Welchen Wert der kartogra-fischen Überlieferung zukommt, zeigt Michal¼ Maczka bei derBeschreibung der Plankammer des Oberbergamtes Breslau. Sieenthält nicht nur die Karten und Pläne des eigenen Bezirks, son-dern es wurden Unterlagen aus ganz Europa gesammelt. So fieldem Rezensenten besonders eine handschriftliche Karte über die„Lage des Steinkohlen Flötz Gebirges von Essen und Werden“auf. Reiseberichte preußischer Bergbeamten liegen ab 1778 vor.Die ersten, die sich auf die Reise begaben, waren der OberbergratKarl August Waitz Freiherr von Eschen und der Bergkadett KarlFriedrich Bückling, die Schweden, Norwegen, England undFrankreich aufsuchten und sich dort über die neuesten techni-schen Entwicklungen informierten. Jens Heckl schreibt dieser„Observationspolitik“ große Bedeutung für den preußischenBergbaubetrieb zu, was aber durch Spezialstudien zu verifizierenwäre.

Gebietsveränderungen haben es mit sich gebracht, dass Quel-len zum preußischen Bergbau auch in sächsischen Archiven zufinden sind. Über diese informieren Raymond Plache (Bergar-chiv Freiberg) und Peter Wiegand (Hauptstaatsarchiv Dresden).

Durch den Erfolg des Projektes sicherlich ermutigt, präsentiertMichael Farrenkopf, der Leiter des Bergbauarchivs in Bochum,erste Überlegungen zu einer Sammlung biografischer Daten zuden montanindustriellen Führungsschichten des 19. und 20. Jahr-hunderts. Zweifelsohne wäre ein solches Archivinventar „einwichtiges Hilfsmittel für die historische Bergbauforschung“.

Bei allen Beteiligten fällt das Urteil über das Erschließungspro-jekt positiv aus. Zwangsläufig ergeben sich daraus Anregungenüber Folgeprojekte wie die Erfassung der Bergbauüberlieferungnach 1865. Ein Vorschlag, von dessen Realisierung die Montanhi-storiker wohl nur träumen können.

Der Workshop diente der kritischen Bilanzierung, doch mas-sive Kritik äußerte lediglich Weber, der es nicht verstehen kann,daß im Inventarband des Geheimen Staatsarchivs die Altsignatu-ren fehlen. Die Nichtaufnahme ist in seinen Augen eine „verzeich-nerische Defizitleistung ersten Ranges“. Ansonsten überwiegt dasLob. Zu Recht, wie der Rezensent hinzufügen möchte.

Essen Klaus Wisotzky

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 397

Dagmar Unverhau, Das „NS-Archiv“ des Ministe-riums für Staatssicherheit. Stationen einer Ent-wicklung. 2. durchgesehene Auflage. Lit-Verlag, Mün-ster 2004. 257 S., geb. 19,90 €.(Archiv zur DDR-Staatssicherheit, Bd. 1)

Die anzuzeigende Publikation behandelt eine Sammlung vonAkten vor allem staatlicher Provenienz aus der NS-Zeit 1933-1945,die der mit der „Entlarvung und Verfolgung von Nazi- undKriegsverbrechen“ befassten Abteilung 11 innerhalb der Haupt-abteilung IX („Untersuchungsorgan“) des Ministeriums fürStaatssicherheit (MfS) als „Dokumentenablage“ (Archiv) diente.Die Akten stammten in ihrer Mehrheit aus in den 1950er Jahrenerfolgten Archivgut-Rückgaben der UdSSR an die DDR. Erheb-liche Teile dieser Rückgaben gelangten damals nicht in die zustän-digen staatlichen Archive, sondern gingen zur „operativen Nut-zung“ direkt an das MfS und verblieben dort – vermischt mitvielen anderen NS-Akten-Zugängen und der wissenschaftlichenÖffentlichkeit entzogen – bis zur Wende 1989/1990.

Der Hauptteil der Publikation (Darstellung, S. 1-105; Anhangmit acht Dokumenten, 1967-1988, aus dem Archiv der Bundesbe-auftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes derehem. DDR, S. 195-257) befasst sich mit Entstehung und Entwick-lung des „NS-Archivs“ und in diesem Zusammenhang vor allemauch mit der Gründung des Dokumentationszentrums – zunächstDokumentationsstelle – der Staatlichen Archivverwaltung (StAV)im Ministerium des Innern (MdI) der DDR zur einheitlichenErfassung und Auswertung von Unterlagen über Nazi- undKriegsverbrechen im Frühjahr 1964. Dieses Dokumentationszen-trum hatte nun zwar durch seine Aufgabenstellung durchaus mitdem „NS-Archiv“ des MfS zu tun, blieb aber in seiner Tätigkeitkeineswegs auf den MfS-Bereich beschränkt. Es war ein typischesBeispiel für das direkte Zusammenwirken von Parteiführung,MfS und MdI, in diesem Fall vertreten durch die StAV, zur Lösungeiner durch einen Ministerratsbeschluss gestellten politischenAufgabe.

In allen Archiven der DDR sollten die NS-Bestände einerdetaillierten Durchsicht zur Ermittlung von Unterlagen überNazi- und Kriegsverbrechen unterzogen werden; die ermittelten

Namen, Fakten und Dokumentensignaturen waren karteimäßigzu erfassen und einer Zentralstelle, eben dem Dokumentations-zentrum, zur Auswertung und politischen Nutzung, vor allem inder „Klassenauseinandersetzung“ mit der Bundesrepublik, zuzu-führen (vgl. hierzu das 1965 vom Nationalrat der NationalenFront der DDR herausgegebene „Braunbuch“ über die NS-Ver-gangenheit in der Bundesrepublik und in Westberlin tätiger hoherBeamter und Wirtschaftsleute). Das Dokumentationszentrum ent-wickelte sich zu einer Zentralstelle für alle Belange der Benutzungund Veröffentlichung von Archivgut der NS-Zeit und trug seitMitte der 1960er Jahre wesentlich zur Politisierung des staatlichenArchivwesens und zur Verstärkung des dortigen Einflusses vonPartei und Staatssicherheitsdienst bei – nicht zuletzt durch dieAnstellung seiner „Forschungsbeauftragten“ als Mitarbeiter derStaatsarchive. Insofern kommt dem Dokumentationszentrum eineerhebliche Bedeutung für die Archivgeschichte der DDR zu, einin der vorliegenden Publikation durch die Fixierung auf das „NS-Archiv“ des MfS kaum beachteter Aspekt.

Einen ähnlichen „Politisierungsschub“ bedeutete übrigensauch die im November 1983 vom Institut für Marxismus-Leninis-mus beim ZK der SED eingeleitete „zentrale Erfassung der in derDDR befindlichen schriftlichen Materialien zu Personen undSachverhalten des antifaschistischen Widerstandskampfes 1933-1945“, die erneut in allen Staatsarchiven zeit- und personalauf-wendige Aktionen erforderte. Hierauf beziehen sich die abge-druckten, leider unkommentierten Dokumente 5 und 6 (Anhang,S. 233-249), für die Erläuterungen angebracht gewesen wären.

Die Kapitel 5 und 6 (S. 107-172) behandeln die Übernahme des„NS-Archivs“ vom MfS durch das Zentrale Staatsarchiv der DDRin der Wendezeit 1989/1990 und den Übergang des Letzteren –und damit auch des „NS-Archivs“ – auf das Bundesarchiv, womitder aktuelle Stand markiert ist.

Die Arbeit bietet zahlreiche interessante Informationen. Einestrengere Auswahl der vielen Einzelangaben und Namen, einegenerelle Straffung der Darstellung und eine Kürzung der oftermüdend langen Zitate hätte die Lesbarkeit des Buches verbes-sern und die Argumentation überzeugender gestalten können.

Potsdam Hermann Schreyer

Wichtiger HinweisBitte melden Sie ab dem 1. 1. 2007 Veranstaltungs-termine und Personalnachrichten nicht mehr an dieRedaktion des Archivar, sondern an die VdA-Geschäfts-stelle, Wörthstr. 3, 36037 Fulda, Tel. +49 661 / 29 109 72,Fax +49 661 / 29 109 74, E-Mail: [email protected].

Bund

Bundesarchiv

Ernannt:Archivdirektor Dr. Rainer Hoffmann zum LeitendenArchivdirektor (6. 9. 2006),Regierungsinspektor z. A. Thomas Machunze zumRegierungsinspektor (1. 6. 2006),Gerald Konetkze zum Regierungsinspektor z. A. (1. 9. 2006).

In den Ruhestand getreten:Margret Fruth und Barbara Kontny (beide 31. 5. 2006).

Sonstiges:Oberstleutnant Christian Müller wurde von der Bun-deswehr zum Bundesarchiv (Abteilung Militärarchiv)abkommandiert (1. 8. 2006). Archivoberinspektorin Vera Hübel führt nunmehr denNamen Zahnhausen (26. 5. 2006), Archivoberinspek-torin Susanne Kotras den Namen Kaiser (7. 6. 2006).

Baden-Württemberg

In den Ruhestand getreten:Regierungsdirektor Prof. Dr. Rainer Loose beim Lan-desarchiv Baden-Württemberg – Abteilung Fachpro-gramme und Bildungsarbeit (1. 10. 2006).

Bayern

Ernannt:Archivoberrätin Dr. Maria Sagstetter M. A. beimStaatsarchiv Amberg zur Archivdirektorin (1. 9. 2006),Archivrätin Dr. Susanne Millet M. A. beim StaatsarchivMünchen zur Archivoberrätin (1. 8. 2006),

PersonalnachrichtenZusammengestellt von Meinolf Woste und Thomas Gebauer

400 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Wilhelms-Universität Bonn zum außerplanmäßigenProfessor ernannt (18. 5. 2006).Ltd. Archivdirektorin Dr. Ulrike Höroldt ist zur Vorsit-zenden der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt gewählt worden (23. 5. 2006).Ltd. Staatsarchivdirektorin Dr. Jutta Prieur-Pohl vomLandesarchiv Nordrhein-Westfalen Staats- und Perso-nenstandsarchiv Detmold wurde durch die UniversitätPaderborn zur Honorarprofessorin ernannt (18. 9. 2006).

Geburtstage85 Jahre: Werksarchivleiter i. R. Dr. Carl Anton Reich-ling, Ludwigshafen (18. 3. 2007). 75 Jahre: Archivamtsrat a. D. Hugo Angerer, Regens-burg (1. 2. 2007). – Archivdirektorin a. D. Dr. BrigittePoschmann, Bückeburg (18. 3. 2007). – Archivdirektora. D. Dr. Hans Schenk, Lorsch (14. 3. 2007). – Archiv-leiter i. R. Heinz Dieter Schweikert (19. 2. 2007). – Her-mann Weiß, Gröbenzell (29. 2. 2007). 70 Jahre: Direktor des Staatsarchivs a. D. Prof. Dr. Hans-Dieter Loose, Hamburg (18. 3. 2007). – Dipl.-Journalis-tin Sabine Salhoff, Berlin (1. 2. 2007).

65 Jahre: Staatsarchivoberamtsrat Volker Buchholz,Detmold (10. 2. 2007). – Archivdirektor Dr. AchimFuchs, München (18. 1. 2007). – Archivdirektor Dr.Peter Gabrielsson, Hamburg (11. 3. 2007). – Oberar-chivrätin a. D. Eva Gießler-Wirsig, Gundelfingen (26. 2. 2007). – Archivdirektor Dr. Jochen Golz, Weimar(25. 3. 2007). – Archivoberrat Bernward Helfer, Wies-baden (7. 2. 2007). – Kreisarchivar Ernst-Eberhard Hem-pel, Gifhorn (30. 1. 2007). – Archivdirektor Dr. NorbertGeorg Hofmann, Ludwigsburg (13. 3. 2007). – Archiv-direktor Dr. Wolfgang Knobloch, Berlin (20. 2. 2007). – Archivdirektor Dr. Gerhard Schwertl ,Landshut (1. 2. 2007). – Direktor des Bayerischen Haupt-staatsarchivs Prof. Dr. Joachim Wild, München (4. 3. 2007).60 Jahre: Archivdirektor Dr. Günther Högl, Dortmund(26. 2. 2007). – Ltd. Städt. Archivdirektor Prof. Dr. Clemens Graf von Looz-Corswarem, Düsseldorf(30. 1. 2007). – Archivdirektor Prof. Dr. Werner Moritz,Heidelberg (17. 2. 2007). – Oberarchivrat Dr. Jürgen Sig-gemann, Mainz (25. 2. 2007). – Archivinspektorin Dr.Dagmar Szöllösi, Chemnitz (1. 1. 2007). – Ministerial-rat und Leiter des Sächsischen Staatsarchivs Dr. JürgenRainer Wolf, Dresden (16. 2. 2007).

Nachrufe

Johannes Piotrowski †Geb. 19. August 1912 Berlin Gest. 10. September 2005 Berlin Im gesegneten Alter von 93 Jahren ist Alt-Archivar Johan-nes Piotrowski in seiner Heimatstadt Berlin verstorben. Erwar der einzige Sohn des Straßenbahnschaffners Wladys-laus Piotrowski (1883 – 1958) und seiner Frau Valeria geb.Kuchta (1883 – 1970). Die Eltern stammten beide aus West-preußen. Am Rande der damaligen Reichshauptstadt, inWilmersdorf am 19. August 1912 geboren, wuchs Pio-trowski zweisprachig auf. Trotz des doppelten „Makels“polnischer Herkunft und katholischer Konfession fühltesich die Familie in die reichsdeutsche Gesellschaft inte-griert und identifizierte sich mit der Hohenzollernmonar-chie, deren schmählicher Untergang 1918 Piotrowskis Mut-ter durchaus einige Tränen wert war. In der nahe gelege-nen St.-Ludwig-Kirche, die das Andenken an Bismarcksparlamentarischen Gegenspieler Ludwig Windthorstpflegt, war Piotrowski schon bald nach seiner Geburtgetauft worden. Hier empfing er auch 1924 die Firmungdurch den ersten in Berlin residierenden Breslauer Weihbi-schof Joseph Deitmer. Als Ministrant erlebte er den „Groß-stadtapostel“ Carl Sonnenschein, über den er noch im Altereindringlich zu erzählen wusste. Geistlich geprägt wurdePiotrowski durch den katholischen Jugendbund „Neu-deutschland“, der dem Programm der „neuen Lebensge-staltung in Christus“ verpflichtet war. Nach dem mit gutbestandenen Abitur (1931) an der Oberrealschule am Hin-denburgpark absolvierte er das Studium der KatholischenTheologie an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Univer-sität in Breslau und kam 1935 in Berlin auf das Priesterse-minar des noch jungen, erst 1930 errichteten Bistums.

Am Hochfest Peter und Paul 1936 wurde Piotrowskivon Bischof Konrad Graf von Preysing zusammen mit 11weiteren Diakonen in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedra-le zum Priester geweiht. Damit hatte er die wichtigste Etap-

pe seines Lebens bereits vor Erreichen des kanonischenAlters dank bischöflicher Dispens erlangt. Er wurdeKaplan an Herz Jesu in Berlin-Charlottenburg und betätig-te sich erfolgreich als pastoraler Gehilfe des Pfarrers. Hierlernte er auch Dompropst Bernhard Lichtenberg kennen,der regelmäßig seine frühere Wirkungsstätte an der Herz-Jesu-Kirche aufsuchte. Als so genannter Utraquist sorgtesich Piotrowski, wie auch in allen seinen späteren Anstel-lungen, nicht zuletzt um die polnischsprachigen Katholi-ken. Manche Anregung für seine Predigten entnahm erdem Warschauer Rundfunk.

Nach Kriegsausbruch geriet Piotrowski eigenen Anga-ben zufolge wegen illegaler Polenseelsorge mit der Gehei-men Staatspolizei in Konflikt. Vorsorglich wurde er 1941von seinem Bischof nach Königs Wusterhausen versetzt.Obwohl er die Pfarrkonkursprüfung mit gutem Erfolgbestanden hatte, war an die Übernahme einer eigenenPfarrstelle noch nicht zu denken. Als dann die schon län-ger befürchtete Verhaftung drohte, wurde er 1942 durchBischof Preysing diesmal in einen anderen Regierungsbe-zirk, nämlich nach Stralsund, versetzt, und schließlich imOktober des gleichen Jahres von der Wehrmacht eingezo-gen. Als Sanitätssoldat kam er auf den griechischen Kriegs-schauplatz. Nach einer Hepatatis-Infektion musste er 1943im Kriegslazarett in Larissa stationär behandelt werden.Beim Rückzug der deutschen Truppen fiel Piotrowski mitseiner Sanitätseinheit 1945 jugoslawischen Partisanen indie Hände. Unter menschenunwürdigen Umständenmusste er als Kriegsgefangener in einer Kupfermine arbei-ten.

Schwerversehrt kehrte er drei Jahre später nach Berlinzurück. Die Haut von Vitriol-Verätzungen übersät, derGang schleppend, die Hände zeitweise gelähmt, war sein

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 401

Wille zum priesterlichen Dienst ungebrochen. Beim Gene-ralvikar „Maxe“ Prange, der ihn sofort als Kaplan am Ost-bahnhof einsetzen wollte, trotzte Piotrowski eine Anstel-lung in West-Berlin ab: für drei Jahre kam er als Kaplannach Spandau, 1952 dann nach St. Sebastian in den prole-tarischen Wedding. Theologisch interessiert, nicht ohneAmbitionen, zählte Piotrowski zum Kreis um JohannesPinsk, den nicht ganz unumstrittenen Promotor der Litur-gischen Bewegung in Berlin.

Nach mehreren vergeblichen Bewerbungen auf vakan-te Seelsorgestellen übernahm Piotrowski 1957 die PfarreiSt. Marien (Unbefleckte Empfängnis) in Berlin-Friedenau.Gemeinsam mit zwei Kaplänen war er nun für die pasto-rale Versorgung von mehr als 7000 Katholiken verantwort-lich. Als die großräumigen Archipresbyterate 1963 in Deka-nate aufgeteilt wurden, übernahm Piotrowski viele Jahrelang zusätzlich die Aufgaben eines „Actuarius circuli“ fürdas neue Dekanat Berlin-Wilmersdorf.

Seine Amtszeit als Pfarrer fiel im Wesentlichen in diekonziliare Umbruchszeit. Das Zweite Vaticanum, das Pio-trowski freudig begrüßte, und die gesellschaftlicheReformeuphorie, die auch die „an der Nahtstelle der Syste-me“ gelegene West-Berliner Inselstadt erfasst hatte, präg-ten den pastoralen Alltag und führten zu einem nachhalti-gen Gestaltwandel der Kirche. Die eilig durchgeführteUmgestaltung des Altarraumes im Friedenauer Gotteshausmachte vor der ererbten Ausstattung nicht halt, die vonfrüheren Generationen unter größten Entbehrungen gestif-tet worden waren. Auch der „Abschied von Hochwürden“bedeutete mehr als nur den Verzicht auf Tonsur und Sou-tane; das Weihepriestertum an sich stand auf dem Prüf-stand. Bei aller Sympathie für den innerkirchlichenReformdiskurs – besondere Beachtung fand bis zu seinemKirchenaustritt (1974) das Gemeindemitglied Günter Grass– bemühte sich Piotrowski persönlich auch weiterhin umdie unspektakuläre priesterliche Pflichterfüllung. Durchdie zunehmende Fragmentarisierung des Gemeindelebensin seinem priesterlichen Leitungsanspruch offensichtlichimmer stärker angefochten, verzichtete Piotrowski 1979auf seine Pfarrei. Er konzentrierte sich nunmehr ganz aufseine priesterlichen Kernaufgaben. In bemerkenswerterTreue und geistiger Frische versah er – bis fast in sein letz-tes Lebensjahr – den priesterlichen Dienst als „Altarist“ inder Kuratie „Von der Auferstehung Christi“ in Berlin-Lankwitz.

Den rüstigen Ruheständler und engagierten Zeitzeugenbetraute Bischof Joachim Meisner mit einer neuen Aufga-be. Am 1. Oktober 1980 wurde Piotrowski „Leiter derArbeitsstelle des Archivs des Bistums Berlin im Westteilder Diözese“ mit dem Titel „Bischöflicher Archivar“. EinenMonat zuvor war erstmals für den Ostteil des Bistums mitdem Ruhestandsgeistlichen und Kirchenhistoriker Heri-bert Rosal ebenfalls ein Bischöflicher Archivar bestellt wor-den. Auf diese Weise wurde nun auch für das kirchlicheArchivwesen eine Entwicklung nachvollzogen, die seitdem „Mauerbau“ für die bischöfliche Oberbehörde gene-rell galt: Das nach wie vor ungeteilte Bistum Berlin besaßjeweils eine eigene Verwaltung in Ost und West. Die bei-den Arbeitsstellen des jungen Bistumsarchivs hatten aberauch noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Diezentrale Überlieferung des Bistums und seiner Vorgänger-einrichtung, der Fürstbischöflichen Delegatur für Branden-burg und Pommern (1821 – 1929), war nach einem Bom-benangriff in der Nacht vom 23. zum 24. November 1943

fast vollständig verbrannt. Nur die mehr als 2000 Einzel-fallakten des „Hilfswerks beim Bischöflichen Ordinariat“,das sich um die katholischen „Nichtarier“ und ihre Ange-hörigen sorgte, hatten den Krieg überstanden. Die Wieder-einrichtung eines Diözesanarchivs zog sich dann noch bisins Jahr 1970 hin. Im West-Berliner Ordinariat, das die zen-trale Schriftgutüberlieferung für den Zeitraum der Jahrevon 1945 bis 1961 verwahrte, wurde schließlich ein Archivins Leben gerufen. Nach dem Tod des profilierten „Grün-dervaters“ Dr. Johannes Allendorff (vgl. Der Archivar 32,1979, Sp. 421 f.) und dem kurzen Intermezzo des Ruhe-standsgeistlichen Werner Burkart hatte sich inzwischen derHandlungsspielraum für den neuen Archivar Piotrowskiallerdings verschlechtert. Ohne Mitarbeiter und Hilfsmit-tel musste er sich nicht nur um die wachsenden Beständekümmern, sondern hatte auch noch alle anderen anfallen-den Arbeiten, ob nun die Betreuung der Benutzer oder dieBearbeitung von Anfragen, an zwei Vormittagen in derWoche allein zu erledigen: 1985 kam endlich die erstehauptamtliche Ganztagskraft dazu. Wegen zunehmenderRaumnot mussten Teile des Archivs aus dem Hauptsitz desWest-Berliner Ordinariats in Charlottenburg nach Kreuz-berg ausgelagert werden. Schon bald ergaben sich aberneue Möglichkeiten, als das ehemalige Franziskanerklosterin Tempelhof in den Besitz des Bistums überging. In dreiEtappen konnte das Archiv 1986 und 1987 hier einziehen.Der Arbeitsanfall war inzwischen so angewachsen, dassPiotrowski nach seinem 75. Geburtstag um Entpflichtungvon seinen Aufgaben nachsuchte, die ihm 1990 schließlichgewährt wurde.

Auch nach seiner Emeritierung blieb er dem Diözesan-archiv verbunden. Historikern und Journalisten stand erauch weiterhin mit seinen anekdotenhaften, aber durchauszuverlässigen Erinnerungen als kritischer Gesprächspart-ner zur Verfügung. Weiterhin versah er den Altardienst inLankwitz, besuchte regelmäßige Veranstaltungen derTheologischen Fortbildung in Freising, widmete sich in sei-ner Eigentumswohnung einer breiten Lektüre theologi-scher und historischer Neuerscheinungen. Der Plan, nachHildesheim in den Haushalt der Tochter seiner verstorbe-nen Haushälterin zu ziehen, zerschlug sich, als diese uner-wartet verstarb. Von dem geselligen Kreis musizierenderPriester – Piotrowski spielte leidenschaftlich gerne Violine–, blieb er allein übrig. Es wurde einsam um ihn. Solangees seine Gesundheit erlaubte, – er lebte nikotin- und weit-gehend zuckerfrei –, fuhr er noch im eigenen Auto in dieSchweizer Berge. Munter feierte er 2001 das seltene Festdes 65. Priesterjubiläums. Vier Jahre später erlitt er einenSchlaganfall und wurde nun auf Dauer bettlägerig. SeinWunsch, zu Hause sterben zu dürfen, ließ sich nicht ver-wirklichen. In den frühen Morgenstunden des 10. Septem-ber 2005, nur wenige Wochen nach der Aufnahme in dasHeim der Aquinta-Schwestern in Berlin-Lichterfelde, ver-starb Johannes Piotrowski. 13 Tage später wurde er nacheinem Requiem mit Weihbischof Wolfgang Weider auf demSt.-Matthias-Friedhof im Grab seiner Mutter beigesetzt.Freunde, Bekannte und Mitbrüder hatte er dazu mit einereigenhändig vorbereiteten Anzeige eingeladen: „JesusChristus, mein bester Freund, hat mich heute aus diesemKosmos in sein Ewiges Reich gerufen. Und ich bringe Ihmmeinen Tod als meine letzte Tat in Gehorsam, in Freiheitund in Liebe dar.“

Berlin Gotthard Klein

402 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Ingelore Buchholz †Geb. 26. Oktober 1936 MagdeburgGest. 21. Juli 2006 MagdeburgAm 21. Juli 2006 verstarb nach schwerer Krankheit diefrühere langjährige und verdienstvolle Leiterin des Stadt-archivs Magdeburg Ingelore Buchholz. In der Reihe derMagdeburger Stadtarchivare war sie die mit Abstanddienstälteste Inhaberin dieses Amtes. Geboren wurde Inge-lore Buchholz am 26. Oktober 1936 in Magdeburg. IhreHeimatstadt sollte auch der Ort ihres lebenslangen Wir-kens werden. Nach dem Abitur studierte sie in den 50erJahren zunächst Geschichtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In den 70er Jahren absolvierte sienoch ein Hochschulfernstudium der Archivwissenschaft,das sie als Diplomarchivarin (Wissenschaftliche Archiva-rin) abgeschlossen hat.

Ihre Tätigkeit im Stadtarchiv Magdeburg begann am 1. Februar 1959. Fünf Jahre später wurde sie zu dessenLeiterin ernannt. Bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. November 2001 übte sie das Amt mit großem Engage-ment aus. Archivarbeit war ihre Berufung und Erfüllung.Zweifelsohne gehört es zu den Verdiensten von IngeloreBuchholz, das Stadtarchiv Magdeburg, das von seinenBeständen her eines der größten und bedeutendsten inMitteldeutschland ist, zu einer benutzerorientierten Ein-richtung ausgebaut zu haben. Viele Ordnungs- und Ver-zeichnungsarbeiten hat sie vorangetrieben. Dank ihrerKenntnis der Bestände und historischen Zusammenhängehat sie unzählige Wissenschaftler und Heimatforscher beiihren Recherchen beraten. In ihren letzten beiden Dienst-jahren widmete sie sich besonders der Herausgabe einerBestandsübersicht, für die sie auch noch im Ruhestandtätig war und die im Jahre 2002 erschienen ist.

Stets mit äußerst widrigen räumlichen Verhältnissenkämpfend, galt ihre Sorge immer auch der Bestandserhal-tung und Sicherung der Überlieferungsbildung. ImBewusstsein der Notwendigkeit bestandserhaltener Maß-nahmen war Ingelore Buchholz eine der ersten ArchivareSachsen-Anhalts, die nach der Wende die Mikroverfil-mung historisch wertvoller Bestände gezielt umgesetzthaben. Dadurch werden Akten und die Bände der ab 1717überlieferten Magdeburgischen Zeitung und des Magde-burger General-Anzeigers vor mechanischer Beanspru-chung resp. vor dem Zerfall geschützt, stehen aber gleich-zeitig einem großen Kreis von Benutzern zur Einsichtoffen.

Als Stadtarchivarin hat Ingelore Buchholz mit ihren Mit-arbeiterinnen mehrere Bücher und viele Artikel zur Mag-deburger Stadtgeschichte veröffentlicht. 1975 und 1977 warsie Mitglied des Redaktionskollegiums der 1. und 2. Auf-lage der „Geschichte der Stadt Magdeburg“. Zahllose The-men hat sie bearbeitet, darunter die Straßen und Straßen-namen der Magdeburger Altstadt, die Entwicklung desStadtbildes, das Wirken einzelner Bürgermeister und vie-les mehr. Für das 2002 erschienene Magdeburger Biogra-phische Lexikon des 19. und 20. Jahrhunderts schrieb sie

mehrere Beiträge. Mit dem Eintritt in den Ruhestand been-dete sie ihre stadtgeschichtliche Forschungs- und Publika-tionstätigkeit keineswegs. So arbeitete sie in Vorbereitungdes 1200-jährigen Stadtjubiläums aktiv im Arbeitskreis„Stadtgeschichte“ mit und veröffentlichte in dem 2005 vonder Landeshauptstadt Magdeburg herausgegebenen Werk„Magdeburg. Die Geschichte der Stadt 805 – 2005“ Artikelzum Leben in der Festungsstadt Magdeburg und zur wirt-schaftlichen Entwicklung Magdeburgs unter der Herr-schaft Brandenburg-Preußens. Zusammen mit ihrem Ehe-mann Dr. Jürgen Buchholz verfasste sie im Auftrag desStadtplanungsamtes eine Publikation zur Geschichte derMagdeburger Elbbrücken. Zuletzt, schon von ihrer schwe-ren Krankheit gezeichnet, beschäftigte sie sich mit Arbei-ten für ein Kartenwerk unter dem Titel „Magdeburg inAnsichten, Karten und Plänen“, das 2006/07 vom Fach-dienst Geodienste (ehemals Vermessungsamt) der Landes-hauptstadt Magdeburg herausgegeben wird. IngeloreBuchholz hatte noch so vieles vor! Gegen die Krankheit hatsie tapfer gekämpft, bis zuletzt.

Ingelore Buchholz war Mitglied mehrerer Vereine undGesellschaften. Viele Jahre arbeitete sie zum Beispiel in dervon dem späteren Ehrenbürger Heinz Gerling geleitetenArbeitsgruppe „Kulturhistorische Bauten“ der Stadt, spä-ter im Vorstand der Magdeburgischen Gesellschaft von1990 aktiv mit.

Neben ihrer Tätigkeit als Archivleiterin und Historike-rin hat sich Ingelore Buchholz mit gleicher Intensität für dieInteressen ihres Berufsstandes und die Förderung der Aus-und Weiterbildung des Nachwuchses eingesetzt. Zu DDR-Zeiten leitete sie eine Arbeitsgemeinschaft von Betriebsar-chivaren. Stets hatte sie ein offenes Ohr für die Problemeihrer Berufskolleginnen und -kollegen. 1990 war sie Vor-sitzende des neu gegründeten Verbandes der Archivare derDDR. Nach der Wiedervereinigung wurde sie zur Vor-sitzenden des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des Ver-eins deutscher Archivare gewählt. Diese Funktion übte siebis April 2002 aus. Maßgeblich durch ihre Initiative sowieihre organisatorische und inhaltliche Vorbereitung findetseit 1990 jährlich ein Archivtag des Landes statt, der sichanfangs jeweils besonders mit Problemen der ostdeutschenArchivare beschäftigte. Als Mitglied der Bundeskonferenzder Kommunalarchivare beim Deutschen Städtetag (BKK)hat Ingelore Buchholz vor einem Gremium ausgesuchterArchivare nicht nur archivfachliche Fragen zur Sprachegebracht und vorangetrieben, sondern auch dafür Sorgegetragen, dass jährlich eine Weiterbildungsveranstaltungder BKK auf dem Gebiet der neuen Bundesländer statt-fand.

Dank ihres Wissens und Einsatzes wurde sie von denBerufskolleginnen und -kollegen sehr geschätzt. Ihren ehe-maligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im StadtarchivMagdeburg wird sie darüber hinaus durch ihr uneigennüt-ziges, bescheidenes Wesen, ihre große Hilfsbereitschaftund ihr freundliches Auftreten in Erinnerung bleiben.

Magdeburg Maren Ballerstedt

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 403

Kurzinformationen, Verschiedenes

Adressen, Ruf- und Faxnnummern

Das Stadtarchiv Bad Staffelstein ist seit 1. September2006 neu eingerichtet worden. Die Anschrift lautet: StadtStaffelstein, Marktplatz 1, 96231 Bad Staffelstein; Tel.:0 95 73/41 52, E-Mail: [email protected] Stadtarchiv Hameln, Sudetenstr. 1, Pfortmühle,31785 Hameln hat die neue Rufnummer: 0 51 51/202-14 39und -13 39, Fax: 0 21 51/202-16 51, E-Mail: [email protected] oder [email protected] Diözesanarchiv Limburg, Weilburgerstr. 16, 65549Limburg hat ab 2. Januar 2007 neue Öffnungszeiten: Diens-tag, Mittwoch und Donnerstag von 9-12 und 13-16 Uhr,Montag ist der Lesesaal geschlossen. Wie bisher ist eineVoranmeldung erforderlich unter Tel.: 0 64 31/20 07-18oder E-Mail: [email protected] Archiv des Deutschen Museums in München istab Mitte November unter folgender Web-Adresse zu errei-chen: www.deutsches-museum.de/archiv.

Veranstaltungstermine(ohne Gewähr)

Wichtiger Hinweis:Bitte melden Sie ab dem 1. 1. 2007 Veranstaltungstermineund Personalnachrichten nicht mehr an die Redaktiondes Archivar, sondern an die VdA-Geschäftsstelle,Wörthstr. 3, 36037 Fulda, Tel. +49 661 / 29 109 72, Fax +49661 / 29 109 74, E-Mail: [email protected].

15. 3. bis 31. 12. 2006:Frankfurt/Oder

Ausstellung der Bundesbeauf-tragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehe-maligen DDR, Außenstelle Frank-furt/Oder „Eingesperrt… Unter-suchungshaft bei der Staatssicher-heit in Frankfurt/Oder“ (Gedenk-und Dokumentationsstätte„Opfer politischer Gewaltherr-schaft“, Collegienstr. 10)

13.7.2006 bis 17. 2. 2007: Ausstellung des Stadtarchivs LaufLauf a. d. Pegnitz a. d. Pegnitz „Vom Adler zur

Raute – Lauf wird bayerisch 1806“(Spitalstr. 5, Spitalhof)

5. 9. bis 1. 12. 2006:Dresden

Ausstellung des StadtarchivsDresden „Schätze aus dem Stadt-archiv“ (Elisabeth-Boer-Str. 1)

8. 9. 2006 bis 1. 1. 2007:Lemgo

Ausstellung des LandesarchivsNordrhein-Westfalen Staats- undPersonenstandsarchiv Detmoldund des Städtischen MuseumsLemgo „‚Wie Engel Gottes…’ –700 Jahre St. Marien in Lemgo“(Hexenbürgermeisterhaus)

16.9.2006 bis 31.1.2007:Nürnberg

Ausstellung des StadtarchivsNürnberg und des StaatsarchivsNürnberg in Zusammenarbeit mitden Stadtarchiven Erlangen undSchwabach, der StadtbibliothekNürnberg, dem Universitätsar-chiv Erlangen, der Universitätsbi-bliothek Erlangen und der VereineAltnürnberger Landschaft undVerein für Geschichte der StadtNürnberg „Vom Adler zumLöwen – die Region Nürnbergwird bayerisch“ (Eingangshalledes Stadtarchivs, Norishalle,Marientorgraben 8)

19.9.2006 bis 2.3.2007:Erfurt

Ausstellung des StadtarchivsErfurt „Der Erfurter KomponistKurt Kunert (1911-1996). EineAusstellung zum zehnten Todes-tag“ (Stadtarchiv, Gotthardtstraße21)

29.9.2006 bis 15.1.2007:Koblenz

Wanderausstellung des Landesar-chivs Baden-Württemberg –Hauptstaatsarchivs Stuttgart,ergänzt mit Fotos und Dokumen-ten aus dem Bundesarchiv „KurtGeorg Kiesinger 1904-1988.Rechtslehrer – Ministerpräsident –Bundeskanzler“ (Bundesarchiv)

4. 10. bis 29. 12. 2006:Neubrandenburg

Ausstellung der Bundesbeauf-tragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehe-maligen DDR, Außenstelle Neu-brandenburg „Wir sind ein Volk“(BStU, Neustrelitzer Str. 120)

4. 10. 2006 bis 2. 2. 2007:Wien

Ausstellung des Wiener Stadt-und Landesarchivs „Kapuziner,Einspänner, Scharlerl Gold – ZurGeschichte der Wiener Kaffeehäu-ser“ (Wiener Stadt- und Landesar-chivs, Gasometer D)

6. 10. bis 22. 12. 2006:München

Ausstellung des BayerischenHauptstaatsarchivs „Von dergemalten Landschaft zum ver-messenen Land. Eine Ausstellungdes Bayerischen Hauptstaatsar-chivs zur Geschichte der handge-zeichneten Karte in Bayern“(Bayerisches Hauptstaatsarchiv,Ausstellungsraum Ludwigstr. 14)

10. 10. bis 12. 12. 2006:Neubrandenburg

Ausstellung der Bundesbeauf-tragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehe-maligen DDR, Außenstelle Neu-brandenburg „Fluchtschicksale“(BStU, Neustrelitzer Str. 120)

404 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

12. 10. 2006 bis 31. 3. 2007:Berchtesgaden

Wanderausstellung des Staatsar-chivs Würzburg und des Institutsfür Zeitgeschichte München-Ber-lin in Verbindung mit dem BezirkUnterfranken „Wege in die Ver-nichtung. Die Deportation derJuden aus Mainfranken 1941-1943“ (Dokumentation Obersalz-berg)

27. 10. 2006 bis 14. 1. 2007:Aschaffenburg

Ausstellung des Stadt- und Stifts-archivs Aschaffenburg „Dalbergund Napoleon – Aschaffenburgals Residenz“ (Schönborner Hof,Wermbachstr. 15)

2.11.2006 bis 17.8.2007:Schleswig

Ausstellung im LandesarchivSchleswig Holstein „Kostbarkei-ten – Glanz, Verfall und Erhaltungvon Archivgut“ (Prinzenpalais)

6. 11. bis 30. 12. 2006:Rostock

Ausstellung der Bundesbeauf-tragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehe-maligen DDR, AußenstelleRostock „‚All you need is beat’:Jugend, Musik und Politik in derDDR 1955 – 1975“ (Dokumentati-ons- und Gedenkstätte der BStUin Rostock, Hermannstr. 34b)

7. 11. bis 4. 12. 2006:Coesfeld

Ausstellung des StadtarchivsCoesfeld „350 Jahre Apotheken inCoesfeld“ (Stadtarchiv, Walken-brückenstr. 25)

25. 11. 2006 bis 18. 2. 2007:Koblenz

Ausstellung des Mittelrhein-Museums, des Landeshauptar-chivs Koblenz und des Stadtar-chivs Koblenz „Die Türken kom-men! Exotik und Erotik: Mozart inKoblenz und die Orient-Sehn-sucht in der Kunst“ (Mittelrhein-Museum, Florinsmarkt 15-17)

27. bis 29. 11. 2006:Berlin

Weiterbildungsprogramm derFreien Universität Berlin zumNeu-, Aus- und Umbau vonBibliotheken sowie Ausstattungs-fragen: Seminar I (Tagungsgebäu-de des Weiterbildungszentrumsder Freien Universität Berlin,Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

27. bis 30. 11. 2006:Hofgeismar

Wanderausstellung des Landes-kirchlichen Archivs Kassel „Vongebrochenem Brot und zerbroche-nen Bildern – Die zweite Reforma-tion in Hessen-Kassel 1605“(Herbstsynode der EvangelischenKirche von Kurhessen-Waldeck)

1.12.2006 bis 31.1.2007:Dessau

Ausstellungsreihe des Landes-hauptarchivs Sachsen-Anhalt„Kostproben aus dem Archiv“:Weihnachtsbräuche in Anhalt(Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau, Hei-destr. 21)

6. 12. 2006 bis 31. 1. 2007:Stuttgart

Ausstellung des LandesarchivsBaden-Württemberg – Haupt-staatsarchiv Stuttgart „Wasserzei-chen des Mittelalters – MedievalWatermarks“ (LandesarchivBaden-Württemberg – Haupt-staatsarchiv Stuttgart)

8. 12. 2006 bis 21. 1. 2007:Paderborn

Ausstellung der Bundesbeauf-tragten für die Unterlagen desStaatssicherheitsdienstes der ehe-maligen DDR „Staatssicherheit –Garant der SED-Diktatur“ (Histo-risches Museum im Marstall, Mar-stall 9)

15. bis 16. 1. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul W 1: Innovationsmanage-ment – Projektmanagement (Ta-gungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

29. bis 31. 1. 2007:Berlin

Weiterbildungsprogramm derFreien Universität Berlin zumNeu-, Aus- und Umbau vonBibliotheken sowie Ausstattungs-fragen: Seminar II (Tagungsge-bäude des Weiterbildungszen-trums der Freien Universität Ber-lin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

7. 2. bis 30. 3. 2007:Stuttgart

Ausstellungsreihe des Landesar-chivs Baden-Württemberg –Hauptstaatsarchiv Stuttgart„Archivale des Monats“:Beschlagnahmte Briefschaften.Unterlagen aus dem Kriminalpro-zess gegen Joseph Süß Oppenhei-mer 1737/38 (LandesarchivBaden-Württemberg – Haupt-staatsarchiv Stuttgart)

26. bis 27. 2. 2007Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 405

Modul W 2: Erschließung vonFinanzquellen (Tagungsgebäudedes Weiterbildungszentrums derFreien Universität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

27. 2. 2007:Stuttgart

Kolloquium des LandesarchivsBaden-Württemberg „,1968’. Wasbleibt von einer Generation“(Landesarchiv Baden-Württem-berg – Hauptstaatsarchiv Stutt-gart)

12. bis 14. 3. 2007:Berlin

Weiterbildungsprogramm derFreien Universität Berlin zumNeu-, Aus- und Umbau vonBibliotheken sowie Ausstattungs-fragen: Seminar III (Tagungsge-bäude des Weiterbildungszen-trums der Freien Universität Ber-lin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

19. bis 21. 3. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul A W 1: Archive in derInformationsgesellschaft – Archiv-technik und Langzeitarchivierung(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

19. bis 23. 3. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 1-1: Einführung in die Ord-nung und Verzeichnung vonArchivgut(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

23. 3. 2007:München

6. Frühjahrstagung der Fachgrup-pe 1 im VdAThema: Einsatz von Hilfskräftenim Archiv – Möglichkeiten undGrenzen (Bayerisches Haupt-staatsarchiv)

23. 3. 2007:Karlsruhe

8. Karlsruher Tagung für Archiv-pädagogikThema: Zwischen Schnupperfüh-rung und Großprojekt. Methodender Archivarbeit mit Schülern(Landesmedienzentrum Baden-Württemberg)

27. bis 28. 3. 2007:Arnsberg

59. Westfälischer Archivtag(Schützenhalle)

29. 3. 2007:Wertheim-Bronnbach

Bronnbacher Gespräche – Schul-geschichte(n) (LandesarchivBaden-Württemberg – Staatsar-chiv Wertheim)Vortrag: „daß die Jugend richtigdenken und thätig handeln lerne...“. Die Geschichte der Schulbil-dung im Überblick

16. bis 17. 4. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul W 3: Bibliotheken undArchive in der Verwaltungsre-form und als Unternehmen(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

16. bis 17. 4. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 51-1: Elektronische UnterlagenI: IT-gestützte Vorgangsbearbei-tung und elektronische Aussonde-rung(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

16. 4. bis 31. 7. 2007:Stuttgart

Ausstellung des LandesarchivsBaden-Württemberg – Haupt-staatsarchiv Stuttgart „150 JahreStaatliche Hochschule für Musikund Darstellende Kunst Stuttgart“(Landesarchiv Baden-Württem-berg – Hauptstaatsarchiv Stutt-gart)

23. bis 25. 4. 2007:Norderney

45. Arbeitstagung der Arbeitsge-meinschaft niedersächsischerKommunalarchivare (ANKA)

24. bis 27. 4. 2007:Berlin

Tagung des Bundesarchivs „Inter-national Standards for Digitalarchives – Third European Confe-rence on EAD, EAC and METS“(Umweltforum Berlin Auferste-hungskirche GmbH, Pufendor-ferstr. 11)(Informationen und Anmeldungwww.instada.eu)

406 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

26. 4. 2007:Wertheim-Bronnbach

Bronnbacher Gespräche – Schul-geschichte(n) (LandesarchivBaden-Württemberg – Staatsar-chiv Wertheim)Vortrag: Adelige Bildung im 17.Jahrhundert. Studium und Kava-lierstour der fränkischen Reichs-ritter Christoph Ernst und Lud-wig Reinhold Fuchs von Bimbach1681-1686

26. bis 27. 4. 2007:Falkenberg/Elster

Brandenburgischer ArchivtagThema: Archivierung elektroni-scher Unterlagen

7. bis 8. 5. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul P 3: Führungskompetenz(II)(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

7. bis. 8. 5. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 52-1: Elektronische UnterlagenII: Archivierung(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

10. 5. 2007:Wertheim-Bronnbach

Bronnbacher Gespräche – Schul-geschichte(n) (LandesarchivBaden-Württemberg – Staatsar-chiv Wertheim)Vortrag: Zur Rolle und Bedeutungder Lateinschulen im frühneuzeit-lichen Bildungswesen

14. bis 16. 5. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 14: Internationale Erschlie-ßungsstandards in der Praxis(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

14. bis 16. 5. 2007:Stuttgart

Frühjahrstagung der Fachgruppe7 im VdA (Südwestfunk)

4. bis 6. 6. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 61: Digitale Bildbearbeitungim Archiv(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

8. bis 9. 6. 2007:Wolfsburg

21. Archivpädagogenkonferenz

11. bis 12. 6. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul W 4: Operatives Manage-ment: Prozessmanagement(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

15. 6. bis 27. 7. 2006:Wertheim-Bronnbach

Wanderausstellung des Landesar-chivs Baden-Württemberg –Hauptstaatsarchiv Stuttgart„Heute gerettet – gesichert für dieZukunft. Konservierung undRestaurierung von Kulturgut imLandesarchiv Baden-Württem-berg“ (Landesarchiv Baden-Würt-temberg – Staatsarchiv Wertheim)

18. bis 22. 6. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 1-2: Einführung in die Ord-nung und Verzeichnung vonArchivgut(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

22. bis 23. 6. 2007:Eppingen

67. Südwestdeutscher ArchivtagThema: Individualisierung derGeschichte. Neue Chancen für dieArchive? (Mensagebäude)

23. 6. 2007:Wertheim-Bronnbach

Fürstliche Musik im KlosterBronnbach. Komponisten undGeschichte(n) aus Löwensteini-scher Zeit Konzert mit Musik aus demUmfeld der Fürsten zu Löwen-stein-Wertheim und Texten aus

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 407

den Beständen des StaatsarchivsWertheim (Landesarchiv Baden-Württemberg – Staatsarchiv Wert-heim)

25. bis 27. 6. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 71: Praktische Umsetzung vonQualitätsmanagement und Perso-nalentwicklung in Archiven(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

2. bis 4. 7. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 11: Überlieferungsbildungund Bewertung im 21. Jahrhun-dert – Trends und neue Wege(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

2. bis 4. 7. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 32: Öffentlichkeitsarbeit imArchiv(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

9. bis 13. 7. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 2-1: Einführung in das Archiv-wesen(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

10. bis 11. 7. 2007:Eisenach

Gemeinsamer Archivtag Hessen –ThüringenThema: Archivlandschaft Hessen– Thüringen, Probleme und Per-spektiven

16. bis 18. 7. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 41: Archivrecht und Rechtsfra-gen im Archivalltag

(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

3. bis 7. 9. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 1-3: Einführung in die Ord-nung und Verzeichnung vonArchivgut (Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

September 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul A 1: Fachseminar – Füh-rungskräfte Training(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 364 in dieser Ausgabe)

20. 9. 2007:Wertheim-Bronnbach

Bronnbacher Gespräche – Schul-geschichte(n) (LandesarchivBaden-Württemberg – Staatsar-chiv Wertheim)Vortrag: Geschichte der Volks-schule in Stadt und GrafschaftWertheim

8. bis 10. 10. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 12: Nachlässe: Privates Schrift-gut in Archiven(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

15. bis 16. 10. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 51-2: Elektronische UnterlagenI: IT-gestützte Vorgangsbearbei-tungen und elektronische Ausson-derung (Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-

408 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

15. bis 17. 10. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 22: Schäden an Archivguterkennen, begrenzen und behan-deln (Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

17. bis 19. 10. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 72: Neuere Steuerungsmodel-le im Archiv(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

18. 10. 2007:Wertheim-Bronnbach

Bronnbacher Gespräche – Schul-geschichte(n) (LandesarchivBaden-Württemberg – Staatsar-chiv Wertheim)Vortrag: Begabtenförderung inDeutschland – elitär oder sozial?Beitrag zum aktuellen Stand derBildungsdiskussion in Deutsch-land

18. bis 19. 10. 2007:Berlin

Qualifizierungsprogramm derFachhochschule Potsdam für Füh-rungskräfte im Archivwesen„Bibliotheks- und Archiv-Management“Modul A 2: Rechtsfragen in Archi-ven und Bibliotheken(Tagungsgebäude des Weiterbil-dungszentrums der Freien Uni-versität Berlin, Otto-von-Simson-Str. 13/15)(Näheres auf S. 000 in dieser Ausgabe)

29. bis 31. 10. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 5: Einführung in die Paläogra-phie – 18. - 20. Jahrhundert(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

1. bis 2. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 6: Einführung in die Paläogra-phie – 15. - 17. Jahrhundert(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

5. bis 6. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 23: Vergabemanagement –Vorbereitung und Abwicklungvon Restaurierungsaufträgen(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

5. bis 6. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgAK 42: Digitalisierung und Onli-nestellung archivischer Findmittel(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

12. bis 13. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 52-2: Elektronische UnterlagenII: Archivierung (Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

12. bis 14. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgEK 62: MidosaXML-Schulung(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

19. bis 23. 11. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule MarburgGK 3: Aufgaben und Betriebe klei-ner und mittlerer Archive

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 409

Vorbemerkungen: Diese Übersicht berücksichtigt dievom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 erlassenen bzw. in die-sem Zeitraum veröffentlichten gesetzlichen Bestimmungenund Verwaltungsvorschriften und setzt damit die Zusam-menstellung von Heft 2/2006 (S. 229-230) fort. Es sind auchBestimmungen enthalten, die in der 1. Jahreshälfte 2005erlassen bzw. veröffentlicht, der Schriftleitung aber erstjetzt mitgeteilt wurden.

Die Bestimmungen werden mit ihrer Fundstelle (Veröf-fentlichungsblatt und, wenn bekannt, auch Internet)genannt. Erläuterungen oder Zusätze der Bearbeiter sindkursiv gebracht.Übersicht: 1. Bund, 2. Baden-Württemberg, 3. Bayern, 4.Berlin, 5. Hessen, 6. Mecklenburg-Vorpommern, 7. Rhein-land-Pfalz

1. Bund1. Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des

Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005. Bundesgesetzblatt I S. 2722.hier: § 13 Abs. 2.

Diese Bestimmung ergänzt § 5 Abs. 4 Bundesarchivgesetz mitdem Satz: „Gleiches gilt für Archivgut, soweit es vor der Über-gabe an das Bundesarchiv oder die Archive der gesetzgebendenKörperschaften bereits einem Informationszugang nach demInformationsfreiheitsgesetz offen gestanden hat.“ (vgl. DerArchivar, Jg. 58, 2005, S. 291 f.)

2. Baden-Württemberg1. Gemeinsame Anordnung der Ministerien über die Ver-

waltung des Schriftguts der Behörden, Dienststellenund sonstigen Einrichtungen des Landes (AnO Schrift-gut) vom 22. Dezember 2005. Nicht veröffentlicht.

Im Internet unter www.landesarchiv-bw.de/ einsehbar(Navigationspunkt: Behördenbetreuung – Rechtsgrundla-gen).

3. Bayern1. Aussonderung von Unterlagen bei den Bezirksfinanzdi-

rektionen des Freistaats Bayern. Schreiben desBayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 3. Februar 2005. Nicht veröffentlicht, kann bei der Gene-raldirektion der Staatlichen Archive Bayerns angefor-dert werden.

2. Änderung der Aufbewahrungsbestimmungen. Be-kanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums derJustiz vom 12. April 2005. Justizministerialblatt S. 40.

3. Änderung der Bekanntmachung betreffend Angelegen-heiten der Notare (Notarbekanntmachung). Bekanntma-chung des Bayerischen Staatsministeriums der Justizvom 6. Juni 2005. Justizministerialblatt S. 50-51.

Alle Vorschriften sind im Internet nicht einsehbar.

4. Berlin1. Verwaltungsvorschriften zur Änderung der Allgemei-

nen Verfügung über das Zentrale Grundbucharchivvom 14. November 2005. Amtsblatt für Berlin, Nr. 58vom 25. November 2005, S. 4387.

Im Internet unter amtsblatt.seninn.verwalt-berlin.de/babl/2005/heft58/58re.pdf einsehbar.

5. Hessen1. Organisationserlass der Archivschule Marburg: Erlass

des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 19. August 2005. Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr.38 vom 19. September 2005, S. 3601 f.

Im Internet unter www.staatsanzeiger-hessen.de einseh-bar.

6. Mecklenburg-Vorpommern1. Gesetz zur Reform der Landesverwaltung im Geschäfts-

bereich des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft undKultur vom 28. November 2005. Mitteilungsblatt desMinisteriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Nr.2/2006, S. 67-69.hier: Artikel 2: Änderung des Landesarchivgesetzes fürdas Land Mecklenburg-Vorpommern.

7. Rheinland-Pfalz1. Erstes Landesgesetz zur Stärkung der kommunalen

Selbstverwaltung durch Flexibilisierung landesrecht-licher Standards vom 5. April 2005. Gesetz- und Verord-nungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz Nr. 7/2005, S. 98 ff.hier: Artikel 10 Änderung des § 2 Abs. 2 des Landesar-chivgesetzes.

Im Internet unter www.landeshauptarchiv.de/lav/ einseh-bar.

GK 2-2: Einführung in das Archiv-wesen(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

(Anmeldeschluss: 8 Wochen vor Ver-anstaltungsbeginn. Kontakt: Archiv-schule Marburg, Bismarckstraße 32,35037 Marburg, Telefon: 06421/16971-12 (Christa Kieselbach), E-Mail: [email protected], Fax: 06421/16971-10)

3. bis 7. 12. 2007:Marburg

Fortbildungsveranstaltung derArchivschule Marburg

Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften für das staatliche Archiv-wesen und zur Archivpflege in der Bundesrepublik DeutschlandZusammengestellt mit Unterstützung der Landesarchivverwaltungen von Meinolf Woste und Thomas Gebauer

410 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

Der Vorsitzende des VdA – Verband deutscher Archivarin-nen und Archivare e. V., Dr. Robert Kretzschmar, Stutt-gart, begrüßt um 14.35 Uhr im Congress Center Essen, CCWest, Saal Europa die anwesenden Mitglieder zur sat-zungsgemäßen Jahresversammlung. Er stellt fest, dass zurMitgliederversammlung satzungsgemäß eingeladenwurde und dass sie beschlussfähig ist. Die Tagesordnungwurde mit der Versendung des Programms allen Mitglie-dern bekannt gegeben. Anträge auf die Behandlung weite-rer Punkte hat der Vorsitzende nicht erhalten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung wird der aus dem Kreisder Verbandsmitglieder seit dem letzten Archivtag in Stutt-gart 2005 verstorbenen Kolleginnen und Kollegen gedacht.Es verstarben– am 9. Oktober 2005 Prof. Dr. Robert Marczinsky, Fach-

hochschule Darmstadt, Fachbereich Informationsmana-gement und Medieninformation

– am 20. Dezember 2005 Dr. Walter Vogel, BundesarchivKoblenz

– am 31. Januar 2006 Dr. Gerhard Kaller, Generallandes-archiv Karlsruhe

– am 2. Februar 2006 Wolfgang Hassel, Landeshauptar-chiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg

– am 9. März 2006 Dr. Wolfgang Leesch, StaatsarchivMünster

– am 1. Juni 2006 Dr. Gerlinde Niemeyer, StaatsarchivMünster

– am 29. Juni 2006 Heiderud Mehl-Lippert, LandtagRheinland-Pfalz in Mainz

– am 21. Juli 2006 Ingelore Buchholz, Stadtarchiv Mag-deburg. – Frau Buchholz war bis 2002 Vorsitzende desLandesverbandes Sachsen-Anhalt im VdA.

TOP 1: Bericht des Vorsitzenden

1. VorstandsarbeitDer Vorsitzende berichtet, dass sich nach den Wahlen aufdem 75. Deutschen Archivtag 2005 in Stuttgart der neugewählte Vorstand Ende letzten Jahres konstituiert hat. Inder ersten Vorstandssitzung hat er sich für die nächstenJahre auf die folgenden Schwerpunkte in der Vorstandsar-beit verständigt:1. Weitere Professionalisierung der Verbandsarbeit2. Positionierung hinsichtlich des archivarischen Berufsbil-

des bzw. archivarischer Berufsbilder unter Einbezie-hung der Aus-, Weiter- und Fortbildung

3. Verstärkte Positionierung in Fachfragen4. Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit5. Weiterentwicklung des Internet-Angebots6. Teilnahme an der internationalen Diskussion.

Ein weiteres wesentliches Ergebnis der ersten Vor-standssitzung war die Bildung des GeschäftsführendenVorstands, über dessen Aufgabenverteilung in Heft 2/2006der Fachzeitschrift Der Archivar und im Internet berichtetwurde. Darüber hinaus wurden zur Betreuung und stän-digen Verfolgung spezieller Sachthemen im Vorstand fol-gende Zuständigkeiten geschaffen: – Rechtsfragen: Beate Dördelmann– Elektronische Unterlagen, Langzeitarchivierung: Dr.

Ulrike Gutzmann– Bestandserhaltung: Dr. Maria Rita Sagstetter.

Innerhalb des Vorstands wurde wieder ein Ausschussfür Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet, dessen Leitung Dr.Clemens Rehm übernommen hat. Er wird sich federfüh-rend der Zielsetzung annehmen, die Öffentlichkeitsarbeitweiter auszubauen. Er hat den Tag der Archive 2006 vor-bereitet und evaluiert (vgl. unten TOP 1 Punkt 10). Der Vor-sitzende dankt bei dieser Gelegenheit allen Archiven, diesich am Tag der Archive beteiligt haben. Er dankt zugleichfür alle Erfahrungsberichte und Anregungen, die dazu ein-gegangen sind und eine wichtige Hilfe für alle weiterenÜberlegungen zum Tag der Archive darstellen.

Der Vorsitzende berichtet, dass regelmäßig Besprechun-gen mit dem Bibliotheksverband (dbv) geführt werdensollen, damit ggf. Themen, von denen beide Verbändebetroffen sind, gemeinsam aufgegriffen werden können.

Er dankt dem Vorstand und Geschäftsführenden Vor-stand für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeitim vergangenen Jahr. Sein herzlicher Dank gilt allen, diesich in Organen des VdA engagieren, und ganz besondersden Leiterinnen und Leitern der Arbeitskreise, Fachgrup-pen und Landesverbände (Beifall).

2. ArbeitskreiseDer Vorsitzende berichtet sodann über die Entwicklung beiden Arbeitskreisen des VdA. Mit den Zielen für die näch-sten Jahre steht im Einklang, dass sich im VdA ein neuerArbeitskreis zum Thema „Berufsbild“ gebildet hat, der sichvor allem mit Ausbildungsfragen beschäftigt, aber auchmit Tariffragen, Einstufungen nach BAT und Tätigkeits-merkmalen.

Die bestehenden Arbeitskreise des VdA wurden vomneuen Vorstand bestätigt, jedoch hat der Arbeitskreis„Diplomarchivarinnen und -archivare“ seine Arbeit nichtmehr fortgesetzt, sondern sich in den neuen Arbeitskreis„Berufsbild“ eingebracht. Auch der Arbeitskreis „Ausbil-dung Fachangestellte“, der zur Abarbeitung einiger Punk-te zunächst noch bestehen blieb, wird im „ArbeitskreisBerufsbild“ aufgehen.

3. GeschäftsstelleEinen historischen Einschnitt auf dem Weg der weiterenProfessionalisierung des VdA stellt, so der Vorsitzende, die

Protokoll der Mitgliederversammlung des VdA – Verband deutscher Archivarinnenund Archivare e. V. am 27. September 2006 in Essen

MITTEILUNGEN DES VDA – VERBAND DEUTSCHERARCHIVARINNEN UND ARCHIVARE e.V.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 411

Einrichtung einer festen Geschäftsstelle in Fulda dar, die abJanuar 2006 bezogen und am 8. März 2006 in einer kleinenFeier unter Beteiligung des Oberbürgermeisters von Fuldaeingeweiht wurde. Näheres darüber wurde in der Fach-zeitschrift Der Archivar berichtet.

Der Vorsitzende präsentiert der Mitgliederversamm-lung eine Reihe von Fotografien der neuen Geschäftsstelleund stellt dabei auch die neue Mitarbeiterin im Sekretari-at, Frau Gabrielle Bug, vor, die auf einer halben Stellebeschäftigt ist.

Die Einrichtung einer festen Geschäftsstelle hat sich ausder Sicht des Vorsitzenden bisher gut bewährt. Die räum-liche Trennung vom Vorsitzenden bereitet im Alltag keineProbleme und funktioniert dank der elektronischen Kom-munikationsmittel reibungslos. Dass der VdA jetzt eineneigenen Sitzungsraum habe, sei ein großer Vorteil, der auchZeit und Kosten spare. Die Sitzungen des Vorstands unddes Geschäftsführenden Vorstands finden regelmäßig inFulda statt, vor allem kann man jetzt aber auch denArbeitskreisen, Ausschüssen und LandesverbändenRäumlichkeiten anbieten. Dies wird schon gerne genutzt.Organe und Gremien des VdA können den Sitzungsraumkostenfrei nutzen. Er wird aber auch weiteren Organisatio-nen, die das Archivwesen fördern, gegen eine kleineUnkostengebühr zur Verfügung gestellt und ggf. auchDritten gegen Kosten.

Der Vorsitzende dankt dem Geschäftsführer des VdA,Herrn Thilo Bauer, und Frau Bug für die Aufbauarbeitund für ihre engagierte Arbeit in der Geschäftsstelle.

Für die Übergangszeit zwischen dem 75. DeutschenArchivtag 2005 in Stuttgart und dem Umzug nach Fuldakonnte die Geschäftsstelle noch die Räume im Haupt-staatsarchiv Weimar nutzen. Der Vorsitzende dankt seinemVorgänger, Professor Wahl, ausdrücklich für dieses Entge-genkommen (Beifall).

4. MitgliederentwicklungDie Zahl der Mitglieder, für deren Service die Geschäfts-stelle eingerichtet wurde, ist auch dieses Jahr wieder ange-wachsen, wie der Vorsitzende anhand einer Folie zeigt.

Diese Entwicklung spiegelt sich in den Zahlen für die ein-zelnen Fachgruppen wieder, die der Vorsitzende ebenfallsanhand einer Folie erläutert. Insgesamt sind eher Zuwäch-se als Abnahmen zu vermelden, in mehreren Fällen aberauch schlichtweg Stabilität.

5. Homepage des VdAFür die Kommunikation zwischen den Mitgliedern wurdeein Forum im Internet eingerichtet, von dem bisher jedochnur wenig Gebrauch gemacht wurde. Der Vorsitzende

ermuntert dazu, die neue Möglichkeit für den fachlichenAustausch, Mitteilungen, Anregungen und Anmerkungenzu nutzen.

Für die laufende engagierte und zuverlässige Betreuungder Homepage spricht der Vorsitzende dem Webmasterdes VdA, Herrn Dr. Jens Murken, einen herzlichen Dankaus.

Das Internet-Angebot insgesamt weiter auszubauenund auf neue Beine zu stellen, hat sich der Vorstand für dasnächste Jahr vorgenommen. Erste Überlegungen dazuwurden vom Ausschuss für Öffentlichkeit schon angestellt.

Ab Januar 2007 wird die Geschäftsstelle des VdA inFulda die Pflege des Veranstaltungskalenders überneh-men, der bisher im Archivar gedruckt wurde, zukünftigaber nur noch im Internet in einem elektronischen Teil desArchivar, der mit der Homepage des VdA verlinkt ist,geführt werden wird. Dies steht im Zusammenhang damit,dass die bewährte Zusammenarbeit zwischen dem LandNordrhein-Westfalen und dem VdA bei der Publikationdes Fachorgans dieses Jahr auf neue Füße gestellt wurde.

6. Fachzeitschrift Der ArchivarIm August 2006 wurde ein Vertrag unterzeichnet, in demdas Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und der VdA erst-mals die gemeinsame Herausgeberschaft in dieser Weisevertraglich geregelt haben. Auf seiner Grundlage wird sichim Herbst 2006 ein neu gebildeter Beirat zusammensetzen,um die für den Archivar vorgesehene Neukonzeptionie-rung näher zu besprechen. Im Beirat sind das Landesarchivund der VdA jeweils mit drei Mitgliedern vertreten. Dergedruckte Archivar wird zukünftig drei Teile enthalten:einen allgemeinen Teil am Anfang, einen zweiten Teil mitMitteilungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen undeinen dritten Teil mit den Mitteilungen des VdA. Danebenwird es einen elektronischen Teil des Archivars geben. DieUmstellung ist für Heft 1/2008 vorgesehen.

Der Vorsitzende dankt dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen für die konstruktiven Verhandlungen und diegute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Er nutzt dieGelegenheit, um dem langjährigen Schriftleiter der Fach-zeitschrift, Herrn Dr. Peter Dohms, der in den Ruhestandgetreten ist, für seine 16-jährige verantwortungsvolle underfolgreiche Arbeit zu danken und überreicht ihm als klei-nes Zeichen des Dankes ein Geschenk (großer Beifall). AlsNachfolgerin in der Schriftleitung wird Frau Dr. MartinaWiech vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen vorge-stellt.

7. PublikationstätigkeitDie Tagungsbände zum Deutschen Archivtag werdenzukünftig nicht mehr als Beibände zum Archivar erschei-nen, sondern als Publikationen des VdA, der die Bändeauch bisher stets alleine finanziert und redigiert hat. DieNummerierung der Tagungsdokumentationen wird fort-geführt.

Der Band zum 75. Deutschen Archivtag in Stuttgart„Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus“wird im Herbst 2006 beim Klartext-Verlag erscheinen, derüberregional für zeitgeschichtliche Publikationen ausge-wiesen ist. Der Vorsitzende spricht seinen MitredakteurenAstrid M. Eckert, Dieter Speck, Heiner Schmitt undKlaus Wisotzky sowie allen, die einen Beitrag gelieferthaben, einen herzlichen Dank aus.

Mitglieder Persönliche KorporativeInsgesamt Mitglieder Mitglieder

12.09.06 2.257 2.091 165

16.09.05 2.243 2.092 151

FG 1 FG 2 FG 3 FG 4 FG 5 FG 6 FG 7 FG 8

2006 672 692 177 33 103 91 303 186

2005 685 679 183 33 102 91 296 174

412 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

8. ArchivtageDer Vorsitzende bedankt sich bei allen, die an der Vorbe-reitung und Durchführung des 76. Deutschen Archivtagsin Essen beteiligt waren, sehr herzlich. Unter großem Bei-fall dankt er besonders dem Stadtarchiv Essen und dessenLeiter, Herrn Dr. Klaus Wisotzky, für die gute Zusam-menarbeit. Frau Holtermann vom Stadtarchiv überreichter als Zeichen des Dankes einen Blumenstrauß (Beifall). Einweiterer Dank gilt dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalenund dabei besonders Herrn Prof. Reininghaus und Frau Dr. Hoen, dem Ortsausschuss, dem Programmausschussinnerhalb des Vorstands, der Geschäftsstelle des VdA undallen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Tagungsbüro.

Die Teilnehmerzahl, die sich statt erwarteter 700 Teil-nehmer auf 596 registrierte Teilnehmer belaufe, sei jedoch,wie der Vorsitzende ausführt, in Essen hinter den Erwar-tungen zurückgeblieben. Darin spiegele sich, dass die Rah-menbedingungen hinsichtlich der Finanzierung der Teil-nahme und der Dienstbefreiung immer schwieriger wür-den. In dieser Hinsicht habe man in den letzten Wocheneindeutige Hinweise erhalten. Darüber hinaus müsse mansich aber im Vorstand selbstkritisch und sehr intensiv mitden Ursachen für den allgemeinen Rückgang bei den Teil-nehmerzahlen und denkbaren Konsequenzen auseinan-dersetzen. Für alle Anregungen und Hinweise sei er dank-bar.

Der 77. Deutsche Archivtag 2007 wird vom 25. bis zum28. September 2007 in Mannheim stattfinden. Unter demRahmenthema „Lebendige Erinnerungskultur für dieZukunft“ sollen besonders Fragen der Überlieferungsbil-dung und -sicherung aufgegriffen werden. Der Call forPapers wurde veröffentlicht, so dass sich das Programm-komitee in der nächsten Zeit mit der konkreten Programm-planung beschäftigen kann.

Als Tagungsort für den Archivtag 2008 ist Erfurt vorge-sehen. Hier sind jedoch noch Verhandlungen über dieFinanzierung mit der Stadt und dem Land zu führen. The-matisch wird sich der Archivtag 2008 mit „Digitalisierung“beschäftigen.

9. Abschließende InformationenDer Vorsitzende berichtet über drei Punkte: 1. Am 22. September 2006 war der VdA auf dem Histori-

kertag in Konstanz mit einer Sektion präsent, die derArbeitskreis „Archivische Bewertung“ gestaltet hat. DerVorsitzende betont die Notwendigkeit, den Kontaktzum Verband der Historikerinnen und Historiker wie-der zu verstärken und den Dialog mit den Historikerin-nen und Historikern auszubauen, was mit solchen Ver-anstaltungen erreicht werden könne. Er dankt demArbeitskreis „Archivische Bewertung“ und dessen Lei-ter, Herrn Dr. Pilger, für die Vorbereitung und Durch-führung der Veranstaltung.

2. Der Vorstand beabsichtigt, ab 2008 Persönlichkeiten zuehren, die sich um das Archivwesen verdient gemachthaben. Gedacht ist dabei vor allem an Personen vonaußen, also nicht in erster Linie an Archivarinnen undArchivare. Vorgesehen ist ein ideeller Preis. Einzelheitenwerden in der nächsten Vorstandssitzung noch einmalnäher beraten.

3. Der Vorstand des VdA bereitet für die Mitgliederver-sammlung auf dem Archivtag 2007 in Mannheim einenVorschlag vor, die Satzung in zwei kleineren Punkten zu

ändern. Zum einen soll der Sitz des Verbands vonFrankfurt nach Fulda verlegt werden, da dies im Alltagviele Vorteile bringt und alle Behördenkontakte erleich-tert. Zum anderen sollen die Bezeichnungen der Fach-gruppen neu gefasst werden, um sie zum Teil zu verein-fachen und allgemein mit dem neuen Verbandsnamen„Verband deutscher Archivarinnen und Archivare“ inEinklang zu bringen. Darüber werde in der nächstenVorstandssitzung beraten und der Vorschlag dann recht-zeitig bekannt gegeben.

10. Tag der Archive 2006Der Vorsitzende des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit,Dr. Clemens Rehm, berichtet über eine Evaluation des 3. Tags der Archive 2006, die der Ausschuss vorgenommenhat. Da manche der teilnehmenden Archive sich nicht aufder Homepage des VdA eingetragen hatten oder an ande-ren Terminen – unter der Überschrift „Tag der Archive“ –ihre Veranstaltungen durchgeführt haben, kann die Zahlder Archive, die teilgenommen haben, nicht exakt benanntwerden; sie lag insgesamt unter dem Niveau des 2. Tagsder Archive 2004. Das Publikumsinteresse wies eine Band-breite auf von sehr guten bis hin zu extrem niedrigen Wer-ten. Vor allem die Konkurrenz durch andere Veranstaltun-gen am fraglichen Mai-Wochenende sowie das schöne Wet-ter nach einer Schlechtwetterperiode erwiesen sich als aus-gesprochen kontraproduktiv, so dass die Resonanz oft weithinter den Erwartungen zurückblieb.

Von den überregionalen Medien berichteten nur dpaund der Hessische Rundfunk über den Tag der Archive.Die Resonanz bei den lokalen und regionalen Medien wardagegen fast flächendeckend außerordentlich positiv. DasMedienecho wog sogar in manchen Fällen die niedrigenBesucherzahlen auf. Eine Beschäftigung mit dem Motto„Der Ball ist rund“ brachte in einigen Archiven überra-schende und spektakuläre Quellenfunde zu Tage, die vonden Medien gerne aufgegriffen wurden.

Der Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit empfiehlt, denZweijahresturnus und ein Motto beizubehalten, jedoch denTermin in den späten Herbst (November/Dezember) oderin den Jahresanfang (Januar/Februar) zu verlegen. Bei derWahl eines Mottos soll zukünftig die Mitgliedschaft einbe-zogen werden; erste Vorschläge liegen schon vor. Das Ziel,die Archive besser in der öffentlichen Wahrnehmung zuverankern, kann aus der Sicht des Ausschusses auchzukünftig mit dem Tag der Archive erreicht werden.Arbeitsmaterialien wie Plakatvorlagen und Flyer solltenweiterhin von der Geschäftsstelle zur Verfügung gestelltwerden.

Der Vorsitzende dankt dem Ausschuss für Öffentlich-keitsarbeit für die Vorbereitung und Evaluation des Tagsder Archive. Eine abschießende Bewertung im Blick auf dieWeiterführung des Tags der Archive wird im Herbst 2006in einer Vorstandssitzung erfolgen.

Mit diesem Hinweis schließt der Vorsitzende seinenBericht (Beifall).

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 413

TOP 2: Bericht des Schatzmeisters

Dr. Martin Dallmeier, Schatzmeister des VdA, erstattetsodann seinen Bericht für das Geschäftsjahr 2005 desGesamtvereins und seiner satzungsgemäßen Organe.

Die von den beiden Rechnungsprüfern des VdA, HerrnDr. Diether Degreif und Herrn Dr. Stephan Acht, in denRäumen des Fürst Thurn und Taxis-Zentralarchivs am 14. September 2006 geprüfte Jahresrechnung 2005 (ein-schließlich der Abschlüsse der Landesverbände und derFachgruppe 7) führte zu keinen Beanstandungen. Dasfinanzielle Ergebnis für den Verein ist grundsätzlich alspositiv zu bewerten.

1. Einnahmen 2005Die Mitgliedsbeiträge, die bereits zu etwa 75 % vom VdAper Einzugsermächtigung erhoben werden, betrugen 2005insgesamt ca. 102.000 €. Die Anzahl der ausständigen Mit-gliedsbeiträge 2004/2005 liegt unter 0,1 %. Für die ausge-zeichnete organisatorische und finanzielle Mitgliederver-waltung spricht der Schatzmeister der Geschäftsstelle,Herrn Thilo Bauer und Frau Bug, sowie der Buchhaltung,Frau Wernhilt Dietel, seinen Dank aus (Beifall).

Die eingegangenen Spenden in Höhe von etwa 38.000 €kamen fast ausschließlich den Landesverbänden und derFachgruppe 7 zugute. Dadurch verfügen die Landesver-bände teilweise über erhebliche Rücklagen, aus denenauch eigene Publikationen oder andere satzungsgemäßeProjekte ohne nennenswerte finanzielle Unterstützung desGesamtvereins finanziert werden können. Der Schatzmei-ster dankt in diesem Zusammenhang den zuständigenKolleginnen und Kollegen in den Landesverbänden „fürdas gute Wirtschaften“ und die ehrenamtliche Tätigkeit.

Aus der Rubrik Einnahmen sind noch Zinsen in Höhevon 1.500 €, Spenden von 1.610 € und Rückläufe aus demPublikationsverkauf (1.100 €) zu erwähnen.

2. 75. Archivtag 2005 StuttgartTrotz zeitweise schwieriger Phasen im Vorfeld gelang esden Verantwortlichen für den Archivtag (AT) Stuttgart2005, das finanzielle Ergebnis der Tagung einigermaßenausgeglichen zu gestalten.

Die Einnahmen des AT Stuttgart beliefen sich auf insge-samt ca. 129.000 €, davon entfielen (vor Steuern) 48.000 €netto auf die Archivistica, 56.000 € auf die Teilnehmerge-bühren und 25.000 € auf Zuschüsse der Stadt Stuttgart unddes Landes Baden-Württemberg.

Die Ausgaben des AT Stuttgart beliefen sich vor Steuernauf insgesamt ca. 111.000 €; dazu kommen für das Jahr2006 noch ca. 17.000 € für die Publikation des Tagungs-bands „Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozia-lismus“ sowie die Körperschafts- und Gewerbesteuer inHöhe von etwa 6.000 €. Insgesamt dürfte sich so dasErgebnis bei einem Defizit von ca. 5.000 € bewegen. Ursa-chen dafür waren die gegenüber den Erwartungen niedri-gere Teilnehmerzahl und die Nichtauslastung der verfüg-baren Fläche der Archivistica.

3. Ausgaben 2005Von den Gesamtausgaben in Höhe von 240.000 € entfallenauf die Personalkosten einschließlich Personalneben-

kosten, Solidaritätszuschlag und Lohnsteuer insgesamt79.000 €, auf die Zuschüsse an die Landesverbände 2.000 €, Reise- und Tagungskosten Gesamtvorstand- undGeschäftsstelle ca. 8.500 €.

Durch die Einrichtung einer festen Geschäftsstelle inFulda werden diese Kosten, die sich früher wegen derAnmietung von Tagungsräumen in Hotels und damit ver-bundenen Übernachtungskosten auf etwa 20.000 - 22.000DM belaufen haben, künftig stärker reduziert werdenkönnen. Von den Porto- und Versandkosten in Höhe von5.900 € fließt ein Anteil durch die geforderte Versand- undPortopauschale bei Publikationen, Plakaten für den Tagder Archive usw. wieder zurück (etwa 1.000 €). Hier sol-len auch durch den Aufbau eines E-Mail-Verteilers künftigKosten gespart werden.

Für die im Januar 2006 bezogene neue GeschäftsstelleFulda fielen 2005 bereits Kosten in Höhe von ca. 7.400 €an. Die Kosten für Tagungen und Reisemittel der Arbeits-kreise und Ausschüsse des VdA betrugen etwa 2.000 €. EinSonderposten 2005 bei den Ausgaben war die Erweiterungund Erneuerung der EDV-Mitgliederdatei mit 3.700 €.

Daraus ergeben sich für das Rechnungsjahr 2005 folgen-de Eckdaten:Einnahmen: 245.594,77 €Ausgaben: 240.150,23 €Vermögensstand zum 1.1.2005 70.465,00 €Vermögensstand zum 31.12.2005 75.909,54 €

Rechnerisch wurde danach das Vereinsvermögen um5.444,54 € erhöht.

4. Ausblick auf das Jahr 2006Trotz dieses positiven finanziellen Ergebnisses für dasRechnungsjahr 2005 müssen zur Zukunftssicherung derfinanziellen Verhältnisse des Vereins alle Einnahmen undAusgaben für 2006 und die folgenden Jahre auf den Prüf-stand: Der VdA hat seit einigen Jahren, besonders aber abdem Rechnungsjahr 2006 eine erhöhte finanzielle Belas-tung durch a) die in der Mitgliederversammlung auf dem 75. Deut-

schen Archivtag beschlossene Einrichtung und denUnterhalt einer festen Geschäftsstelle in Fulda mitzusätzlichen Kosten für eine halbe Personalstelle unddie Raummiete samt Nebenkosten, was für die weitereProfessionalisierung des Verbands erforderlich war,

b) die seit einiger Zeit zurückgehende Teilnehmerzahl anden Archivtagen, so in Stuttgart (750 Teilnehmer) undEssen (600 Teilnehmer), die mittelfristig sicherlich einProblem des Vereins darstellen kann.

Im Laufe der letzten Jahre wurden aufgrund der positivenfinanziellen Entwicklung des Vereins den VdA-Mitglie-dern Leistungen gewährt, die unter Beachtung der künfti-gen Entwicklung überprüft werden müssen, z. B. a) der kostenlose Tagungsband (inklusive Versand) für alle

Mitglieder des VdA,b) die Befreiung der Referenten von der Teilnehmergebühr

am Archivtag,c) die Bezuschussung des Gesellschaftlichen Abends,d) die kostenfreie Materialbereitstellung für den „Tag der

Archive“,e) die weitgehend kostenfreie Überlassung des Sitzungs-

raums in Fulda an archivische Einrichtungen ohne eige-ne Finanzmittel,

f) der Ausbau der Arbeitskreise und Ausschüsse.

414 Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4

5. FazitDer Verein sollte zunächst das wirtschaftliche Ergebnis desJahres 2006 mit den großen kostenwirksamen Änderungenund temporären Sonderausgaben durch die Einrichtungeiner festen Geschäftsstelle in Fulda und durch die vermin-derten Einnahmen aus den Archivtagen abwarten und ana-lysieren und dann erst die zuvor genannten Ausgaben aufden Prüfstand legen.

Der Schatzmeister des VdA ist insgesamt optimistisch,dass sich die Vermögensverhältnisse des Vereins auf dembisherigen hohen Niveau mittelfristig stabilisieren lassen.Aufgrund der sehr guten Beteiligung von Firmen an derArchivistica in Essen sei die finanzielle Situation des Ver-bandes keineswegs besorgniserregend, sondern als gut zubezeichnen. So war im vergangenen Jahr eine Steigerungdes Vermögens des VdA um 6.000 € auf nunmehr rund75.500 € möglich. Dazu trug nicht zuletzt auch die spar-same Wirtschaftsführung des Vorstandes bei, dessen Sit-zungen nunmehr generell in der Geschäftsstelle stattfindenund stets als eintägige Veranstaltungen durchgeführt wer-den.

Jahresabschluss 2005 (vereinfachte Aufstellung)

1. Einnahmen

2. Ausgaben

3. Gesamtabgleichung für das Rechnungsjahr 2005

Kostenstellen €

Mitgliedsbeiträge 2005 101.769,66Mitgliedsbeiträge 2004, 2006, 2007 845,25 Spenden 1.610,69Publikationsverkauf (7 %) 1.138,85Archivistica AT Stuttgart (16 %) 47.704,98Teilnehmergebühren AT Stuttgart 55.963,22Zuschüsse AT Stuttgart 25.000,00Sonstige Einnahmen 171,01 Rückerstattung Druckkostenzuschuss 1.538,00 Bearbeitungsgebühren AT 70,00Zuschuss Aufenthalt ausländischer Gäste AT Stuttgart 502,00Zinsen 1.568,62Umsatzsteuer 7 % 79,69Umsatzsteuer 16 % 7.632,80 Summe 245.594,77

Kostenstellen €

Personalkosten „Archivar“ 4.050,00Personalkosten „Schatzmeister/Buchhaltung“ 7.555,88Personalkosten Sonstiges 544,50Personalnebenkosten 2004 1.509,69Personalnebenkosten 2005 24.366,83Personalkosten Geschäftsstelle 2005 22.778,38Gewerbesteuerzahlungen 2003 Weimar 4.693,00Zinsen Gewerbesteuerzahlung 93,00Mitgliedschaftsbeiträge des VdA 793,00

Zuschüsse Landesverbände 2.000,00Landesverbände Tagungskosten 111,04Kosten AK Programmkommission Archivtag 442,14Kosten Tag der Archive 2006 276,50AT Stuttgart Honorare 1.013,00AT Stuttgart Aufenthaltskosten ausl. Gäste/Referenten 1.083,65AT Stuttgart Sachkosten 9.146,72AT Stuttgart Sonstiges 22.389,62AT Stuttgart Personalkosten 1.446,00 AT Stuttgart Raumkosten 68.396,22AT Stuttgart Portokosten 4.201,91Vorstand Reise- u. Tagungskosten 6.679,53Reisekosten Archivtage 2.641,06Geschäftsstelle u. Sonstige Reisekosten 1.842,75Aufwendungen AK Diplomarchivare 594,51Aufwendungen AK ArchivpädagogikHistorische Bildung 1.160,56Aufwendungen AK Famis Fachangestellte 26,70Aufwendungen AK Fachwirt 367,00Druckkosten Publikationen VdA Flyer 591,60Kosten Internationale Kontakte AA 2.903,73Sachkosten „Archivar“ 3.107,12Publikationen Sonstige Kosten 324,80Porto u. Versandkosten 5.872,08 Telefonkosten 1.047,81Büromaterial 912,13EDV-Bedarf 422,49Geschäftsstelle Sachkosten 453,60Sonstiges Sachkosten 463,00EDV-Wartung und Erweiterung 3.703,25GeSt. Fulda Erstausstattung/Einrichtung 6.207,33GeSt. Fulda Miet-u. Nebenkosten 1.199,30Steuerberatungskosten 784,74Bankgebühren 857,81Sonstige Kosten 1.277,28Nachzahlung Umsatzsteuer 2003 39,68Körperschaftssteuer 2005 1.541,00Lohnsteuer 2005 12.086,26Kirchensteuer 2005 961,79Solidaritätszuschlag 2005 + Körperschaftssteuer 2003 5.190,24Summe 240.150,23

Vermögensstand 31.12.2004 70.465,00Vermögensstand 31.12.2005 75.909,54Saldo + 5.444,54Einnahmen 2005 245.594,77 Ausgaben 2005 240.150,23

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 415

TOP 3: Bericht der Rechnungsprüfer

Die Jahresrechnung 2005 wurde von den beiden gewähl-ten Rechnungsprüfern Dr. Diether Degreif, Wiesbaden,und Dr. Stephan Acht, Regensburg, beim Schatzmeisteram 14. September 2006 geprüft. Dr. Degreif erstattet dazuden Bericht.

Geprüft wurde die reguläre Rechnung des Verbandes, inwelche die Rechnung des Deutschen Archivtages in Stutt-gart eingeflossen ist. Von den bestehenden Landesverbän-den des VdA waren dem Schatzmeister bis zum Termin derRechnungsprüfung noch nicht alle Jahresrechnungenzugegangen; diese werden von einem Steuerberater sepa-rat geprüft werden. Der Jahresabschluss der FG 7 ist ledig-lich unter formalen Gesichtspunkten überprüft und fürrechnerisch richtig befunden worden.

Sämtliche für die Prüfung erforderliche Belege, Konten-auszüge und sonstigen Unterlagen lagen übersichtlich vor.Die stichprobenartige, gleichwohl eingehende Prüfungergab eine sorgfältige Buchführung, so Dr. Degreif. DieRechnungsprüfer bestätigen, dass– die Buchführung und der Jahresabschluss 2005 den

gesetzlichen Vorschriften entsprechen,– die getätigten Einnahmen und Ausgaben mit der dem

Vorstand in § 1 Abs. 2 der Verbandssatzung vorgegebe-nen Aufgabenstellung zu vereinbaren sind und dass

– im Übrigen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse desVerbandes keine wesentlichen Beanstandungen ergebenhaben.Die Rechnungsprüfer konstatieren weiter, dass der Ver-

band auf einem gesunden Fundament stehe und dass diebesondere finanzielle Herausforderung der Schaffungeiner ständigen Geschäftsstelle vortrefflich gemeistert wor-den sei.

Die Rechnungsprüfer beantragen, den Vorstand bezüg-lich der Jahresrechnung 2005 des VdA zu entlasten unddem Schatzmeister für seine Tätigkeit Dank und Anerken-nung auszusprechen (Beifall).

TOP 4: Aussprache und Entlastung des Vorstandes

Auf Nachfrage von Dr. Hochstuhl, Freiburg i.Br., nachder Zahl der beteiligten Archive am Tag der Archive wiesDr. Rehm darauf hin, dass aufgrund des Aufwands keineexakte Erhebung bei den Archiven vorgenommen wordenwäre. Einzige Basis für Schätzungen sei die unvollständi-ge Liste der teilnehmenden Institutionen auf der Homepa-ge des VdA. [Anm.: Eine inzwischen durchgeführte Zäh-lung ergab 221 Einträge, die detaillierte Aufschlüsselungnach beteiligten Institutionen die Zahl von 252; es fehlenjedoch alle Institutionen, die sich nicht gemeldet haben,und diejenigen, die an anderen Terminen einen Tag derArchive durchführten, z. B. am Tag des Offenen Denkmals.Nach diesen Berechnungen des Ausschusses für Öffent-lichkeitsarbeit dürfte eine geschätzte Teilnahme von 300Archiven realistisch sein.]

Da keine weiteren Wortmeldungen mehr erfolgen,schließt der Vorsitzende die Aussprache und stellt den von

Dr. Degreif gestellten Antrag auf Entlastung des Vorstandszur Abstimmung. Der Antrag wird bei Enthaltung deranwesenden Mitglieder des Vorstands einstimmig ange-nommen.

TOP 5: Berichte der Arbeitskreise

1. Arbeitsbericht des VdA-Arbeitskreises Berufs-bild

Stefan Benning berichtet: Rasante Veränderungen in denberuflichen Anforderungen, Strukturveränderungen in derAusbildung im Rahmen des Bologna-Prozesses, neue Tarif-verträge im Öffentlichen Dienst u. a. begründen die Ein-richtung eines Arbeitskreises Berufsbild. Die Teilnehmersollen das gesamte Berufsspektrum repräsentativ ab-decken. Auch Vertreter der Ausbildungseinrichtungen undder Spitzenverbände beteiligen sich an der Arbeit. Die Mit-arbeit ist darüber hinaus für alle Mitglieder des VdA offen.

Die konstituierende Sitzung des neuen Arbeitskreisesfand am 5. Juli 2006 in Fulda statt. Zum Vorsitzendenwurde Stefan Benning (2. stellvetretender Vorsitzender desVdA) gewählt; dessen Stellvertreter ist Dr. Uwe Schaper.

Vier Themenkreise kristallisierten sich heraus: Tariffra-gen, Ausbildung, Fachangestellte für Medien- und Infor-mationsdienste (FAMI), Fort- und Weiterbildung. DasThema FAMI wurde an den AK FAMI delegiert, der alsUnterausschuss weiter bestehen und künftig dem AKBerufsbild zuarbeiten soll. Für Tariffragen wurde einUnterarbeitskreis unter der Leitung des Tariffachmanns Dr.Hans Holger Paul eingesetzt. Er wird archivarische Tätig-keitsmerkmale für die verschiedenen Entgeltgruppen erar-beiten. Diese werden dann zu gegebener Zeit durch denVdA den Tarifparteien übermittelt. Das Thema Ausbildungsoll im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Berufs-bilds behandelt werden.

Für die weitere Arbeit gilt es zunächst, bereits vorhan-dene Ansätze zu sammeln, zu sichten und die AK-Mitglie-der auf einen gemeinsamen Informationsstand zu bringen.Die nächste Sitzung des Arbeitskreises findet am 22. November 2006 in Fulda statt.

2. Arbeitsbericht des VdA-Arbeitskreises Ausbil-dung Fachangestellte für Archiv-, Medien- undInformationsdienste

Frau Dr. Angela Keller-Kühne berichtet: Der Arbeitskreisführte im Jahre 2006 zwei Sitzungen durch. Schwerpunk-te in diesem Jahr waren der Verlauf der Zwischen- undAbschlussprüfungen sowie Fragen der Ausbildungsorga-nisation. Hier wurde u. a. das im Archiv der SozialenDemokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung praktizierteModell vorgestellt. Besonders ist auf die enge Kooperationmit der Bibliothek dieses Hauses, die FAMIs der bibliothe-karischen Fachrichtung ausbildet, hinzuweisen. Als erfreu-lich wird seitens des Arbeitskreises die Mitarbeit von Fach-angestellten gewertet. So konnte u. a. Michael Ciuberskials Referent für das Ausbildungsforum auf dem DeutschenArchivtag in Essen, das sich mit dem Thema „Schule alsPartner im dualen System“ beschäftigt, gewonnen werden.In der dem Ausbildungsforum vorangegangenen Sitzungbeschloss der Arbeitskreis, wie bereits auf dem Archivtag

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in Stuttgart angekündigt, künftig seine Arbeit als Unter-ausschuss im Arbeitskreis Berufsbild fortzusetzen. AusKostengründen sollen die regelmäßigen Treffen einmaljährlich im Rahmen des Deutschen Archivtages stattfinden.

3. Arbeitsbericht des VdA-Arbeitskreises Archiv-pädagogik und Historische Bildungsarbeit

Die kommissarische Sprecherin des Arbeitskreises Roswi-tha Link berichtet: Die langjährigen und engagiertenArchivpädagogen Dr. Thomas Lange (HauptstaatsarchivDarmstadt) und Dr. Günther Rohdenburg (StaatsarchivBremen) sind in den Ruhestand getreten. Beide haben denArbeitskreis mitbegründet und die Arbeit maßgeblichgeprägt. Der AK wünscht Ihnen alles Gute für den näch-sten Lebensabschnitt.

Gegen die Aufhebung der archivpädagogischen Dienstein Hessen und NRW haben der AK und andere Einrichtun-gen (LAV NRW, Geschichtslehrerverbände, Körber-Stif-tung, Verdi) mit einem Teilerfolg protestiert. In Hessenläuft das Modell vorerst ähnlich weiter wie bisher. Auch inNRW wird das Modell der abgeordneten Lehrer fortge-setzt, allerdings mit reduzierter Stundenzahl. Die Lehrersind mit nur jeweils 0,2 Stellenanteilen im Archiv, das ent-spricht einem Arbeitstag. Es ist jetzt schon klar, dass dieNachfrage deutlich größer ist als das Stundenkontingentder Kollegen. Durch den Einsatz und die finanzielle Unter-stützung des LAV NRW konnte zusätzlich in der AbteilungMünster ein abgeordneter Lehrer eingestellt werden, sodass jetzt an jedem der drei Staatsarchive in NRW einArchivpädagoge tätig ist.

Im Berichtszeitraum fanden drei Treffen statt: Der Koor-dinierungsausschuss des AK traf sich im November 2005und im März 2006 jeweils in Münster. Es wurden vor allemdie Sektion des AK auf dem Archivtag und die Archivpäd-agogenkonferenz geplant sowie Maßnahmen zur Unter-stützung der abgeordneten Lehrer in Hessen und NRWüberlegt. Im Juni 2006 lud der AK zur 20. Archivpädago-genkonferenz nach Bremen ein. Das Thema lautete: „Ver-änderte Strukturen – neue Chancen? Strukturveränderun-gen im Bildungsbereich und in der Gesellschaft und ihreAuswirkungen auf die Benutzung im Archiv“. Mit achtVorträgen wurden die Entwicklungen und Perspektivenaus den unterschiedlichen Blickwinkeln vorgestellt undangeregt diskutiert. Gleichzeitig fand die Jahresmitglieder-versammlung des AK statt.

Unter der Regie von Dr. Wolfgang Antweiler (Stadtar-chiv Hilden) sind die Internetseiten des AK neu gestaltetworden. Sie sind zu finden unter: www.archivpaedago-gen.de. Für Rückmeldungen ist der AK dankbar. SeitAnfang des Jahres haben Roswitha Link (StadtarchivMünster) und Joachim Pieper (LAV NRW Hauptstaatsar-chiv Düsseldorf) die Verantwortung für den Newsletterdes Arbeitskreises übernommen. In diesem Jahr sind bis-her zwei Ausgaben erschienen.

4. Arbeitsbericht des VdA-Arbeitskreises Archi-vische Bewertung

Dr. Andreas Pilger, Düsseldorf, berichtet, dass sich derArbeitskreis Archivische Bewertung schwerpunktmäßigmit dem Zusammenhang von Bewertung und Ressourcen-druck beschäftigte. Diskutiert wurden dabei Ansätze derQuotierung, Möglichkeiten der Nachkassation und Ersatz-verfilmung sowie der Stellenwert von Sammlungen in

Archiven. Über die Ergebnisse der Diskussionen informie-ren die Protokolle des Arbeitskreises, die über die Internet-seite des VdA zugänglich sind.

Im September 2006 beteiligte sich der Arbeitskreis miteiner eigenen Sektion zum Thema „Geschichtsbilder derArchive / Geschichtsbilder der Wissenschaft. Dokumenteund Deutungen zur Anti-Atomkraftbewegung der 1970erJahre“ am 46. Deutschen Historikertag in Konstanz. Nebenübergreifenden Vorträgen zum Stand der gegenwärtigenBewertungsdiskussion und zu aktuellen Forschungsten-denzen im Bereich der Umweltzeitgeschichte stellten vierVertreter aus unterschiedlichen Archivsparten, zum TeilMitglieder des Arbeitskreises, beispielhaft und ganz kon-kret ihre Überlegungen zur Bewertung von Unterlagen ausdem Bereich der Anti-Atomkraft-Bewegung vor. Die Aus-führungen in Form von Kurzreferaten boten die Gelegen-heit, jenseits programmatischer Appelle zu prüfen und mitden Historikern zu diskutieren, inwieweit die aktuellenZiele und Methoden der Überlieferungsbildung in einerpluralistischen Archivlandschaft den Anforderungen derWissenschaft an die archivischen Quellen gerecht werden.Obwohl die Sektion mit dreißig Teilnehmern nur eine rela-tiv begrenzte Interessentengruppe auf dem Historikertagerreichte, belegt die Aufgeschlossenheit der Teilnehmer fürarchivische Fragen, insbesondere auch für Fragen derÜberlieferungsbildung, die Bedeutung und die Fruchtbar-keit eines intensiveren Austauschs zwischen Archiven undhistorischer Forschung. Bei seiner Arbeit, die sich in dennächsten Sitzungen verschiedenen Einzelthemen (Schuleund Bildung, Soziales, Verkehr und Umwelt) zuwendenwird, will der Arbeitskreis versuchen, diesen Austauschweiterhin zu pflegen bzw. zu verstärken.

TOP 6: 77. Deutscher Archivtag Mannheim

Der Leiter des Stadtarchivs Mannheim, Dr. Ulrich Nieß,spricht im Namen des Oberbürgermeisters die Einladungzur Durchführung des 77. Deutschen Archivtags in Mann-heim aus, der vom 25. bis zum 28. September 2007 stattfin-det und unter dem Titel „Lebendige Erinnerung für dieZukunft“ steht. In einer eindrucksvollen Videopräsentati-on werden Stadt und Kulturleben in Mannheim illustriert(Beifall).

TOP 7: Verschiedenes

Es erfolgen keine Wortmeldungen, so dass der Vorsitzen-de gegen 16.00 Uhr die Sitzung schließt (Beifall).

gez. 10. Oktober 2006 Dr. Robert Kretzschmar, Vorsitzendergez. 10. Oktober 2006 Dr. Heiner Schmitt, Schriftführer

Der Archivar, Jg. 59, 2006, H. 4 417

Neuwahl des Vorstandes des VdA-LandesverbandesBrandenburg

Auf der Mitgliederversammlung anlässlich des Branden-burgischen Archivtags 2006 in Cottbus vom 30. bis31. 3. 2006 wurde ein neuer Vorstand gewählt. SteffenKober (Stadtarchiv Cottbus), der seit dem Frühjahr 2002als Vorsitzender den Landesverband vertrat, stand nichtwieder zur Wahl. Auch auf diesem Wege sei ihm für seinEngagement herzlich gedankt.Zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde Dr. Wolfgang

Krogel , Leiter des Evangelischen LandeskirchlichenArchivs in Berlin. Der stellvertretende Vorsitz (Dr. KlausNeitmann, Brandenburgisches Landeshauptarchiv), dieKassenverwaltung (Marina Aurich, Kreisarchiv Oder-Spree) und die Schriftführung (Brigitta Heine, KreisarchivBarnim) blieben unverändert in den bewährten Händen.

Beisitzer sind nun Steffen Kober (Stadtarchiv Cottbus),Anke Richter (Stadtarchiv Brandenburg a.d.H). und Ralf-Rüdiger Targiel (Stadtarchiv Frankfurt a.d.O.). Die Lan-desfachstelle für Archive und öffentliche Bibliotheken imBrandenburgischen Landeshauptarchiv als korporativemMitgliedwird durch dessen Leiter, Dr. Michael Scholz, alsNachfolger für Dr. Uwe Schaper an den Vorstandssitzun-gen vertreten. Allen Mitgliedern des Landesverbandes seifür das Vertrauen gedankt, das sie mit ihrerWahl demVor-stand für seine Arbeit ausgesprochen haben.Der Brandenburgische Archivtag 2007 wird am

26./27.4.2007 in der Stadt Falkenberg/Elster stattfindenund sich mit dem Schwerpunktthema „Archivierung elek-tronischer Unterlagen“ beschäftigen.Berlin Wolfgang Krogel

Nieß, Ulrich, Wettengel, Michael, Zink, Robert Digitization ofArchival Collections. Recommendation of the Federal Conferenceof Local Archives at the Congress of Municipalities.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, S. 323–329.Based on definitions and literature the recommendation „Digitiza-tion of archival collections“ covers conditions and preparations forand background information of digitization projects especially ofposters, photographs or newspaper cuttings. In a second step it giveshints for different procedures of digitization (inhouse, outsourcingor combinations) and special advantages of either of them. The finalchapters discuss technical aspects such as storage formats, colourmanagement, storage devices and possibilities of presentation anduse of digitally accessible material.

Fischer, Ulrich, Reninghaus, Wilfried, Preparatory Analysis fora DFG-funded National Project on the REtroconversion of Paper-based Archival Finding Aids.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, S. 329–333.Between August 2005 and April 2006, the German Research Asso-ciation (DFG) funded a preparatory project at the state archives ofNorthrhine-Westfalia (LAV NRW) to analyse the requirements andto establish a framework for a national programme for the retrocon-version of paper-based finding aids. This programme is intended tosupport the ongoing efforts within the German archival communi-ty towards a digitization of finding aids. A survey conducted by theLAV NRW in Jan. 2005, reveled that in Germany public archivesapproximately 55-60 Mill. records in paper-based finding aids stillawait conversion to a digital format. On the basis of these figures,the preparatory project focussed on four different areas: 1) Establis-hing criteria for the fundability of individual conversion projects; 2)organising a workflow for the programme; 3) ensuring that techni-cal standards be met; and 4) estimating the costs for the entire pro-gramme. These tasks were adressed in close co-operation with morethan 100 representatives from German public archives, with produ-cers of archive software, librarians with esperience in organisinglarge-scale conversion programmes, academic scholars, and interna-tional experts. The preparatory project has submitted a detailed finalreport (available at www.archive.nrw.de/findbuch-digital), whichstresses that only a co-ordinated effort funded by the DFG can ensu-re that German archives will gradually be able to meet the require-ments of the public and academic researchers by providing digitalaccess to their catalogues. Consequentyl, the report has been com-bined with a application to the DFG to fund a national programmefor the retroconversion of finding aids.

Zekorn, Andreas, Proposals for the Evaluation of Records of theDistrict Administrations (Landratsämter) in Baden-Württembergin al Closed Internet Forum – A Project of the Association ofDistrict Archives (Kreisarchive) in Baden-Württemberg.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, S. 334–341.The Association of District Archives (Kreisarchive) in Baden-Würt-

temberg elaborated proposals for the evaluation of records of thedistrict administrationns (Landratsämter) in Baden-Württembergmainly in order to use synergetic effects and to avoid redundancy.These proposals are based on a catalogue of certain criterions of eva-luation and the persons participating in this project had to give rea-sons for each proposal, especially they had to point out the variousdocumentation purposes. The proposals for evaluation are publis-hed in an Internet forum where so far the access is limited to mem-bers of the Association of District Archives (Kreisarchive) in Baden-Württemberg only. In this forum, the proposals can be discussed,supplemented and developed in discouse. So evaluation is an openprocess and the proposals can be kept current.

Schneider-Bönninger, Birgit, Digging into the Sources: aHands-on didactic Approach at the Wolfsburg Municipal Archi-ves.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, S. 342–348.Author Dr. Birgit Schneider-Bönninger presents both a theoreticalframework and a novel educational objective. Didactic service is thecentral mission of theWolfsburgArchives, which sees itself first andforemost as an educational centre. The author begins by describingthe general setting at the archives: the young written documennta-ry heritage, the institutional unity of Municipal Archives and Histo-ry Workshop, modern project rooms and the democratic impetusunderlying user orientation. After then addressing the conzept of„reflexive and constructive archival didactics“, the author providesand exhaustive descirption of the organisations’s project-orientedarchival practive which has proved a great success with teachers andschoolchildren as well as more traditional users.

Müller, Peter, Koch, Elke, Educational service without teachers?– News Ways of the Cultural Youth Education at the State Archi-ves Ludwigsburg.

Der Archivar, Jg. 59, 2006, S. 348–355.For more than two decades, German archives offer teaching resour-ces. These offers meet with response especially in archives providedwith a regular teacher who is deputized by the ministry of educati-on. Today it is demanded that so-called external teaching locationsare included into the history lessons. Moreover, the public discour-se begins to pay more and more attention to the cultural educationof the youth. Therefore in the future the demand for teaching resour-ces in the archives might increase without creating new jobs for spe-cialized teachers in the archives. The state archives of Ludwigsburgtrying to put this into consideration have created a series of teachingmodels which enable groups of pupils of all ages an age-specific andexciting first introduction in theworld of archives and archival docu-ments whichmight also serve as a starting intomore demanding tea-ching projects. In realization these teaching resources the archivesare supported by volunteers who spend a gap year in the archivestaken to do voluntary work in the cultural sector.

Abstracts