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Armut im Wohlstand. edition suhrkamp, Neue Folge, Band 595 by Diether Döring; Walter Hanesch; Ernst-Ulrich Huster Review by: Frank Klanberg FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 49, H. 1 (1991/1992), pp. 128-129 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912480 . Accessed: 14/06/2014 20:13 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.88 on Sat, 14 Jun 2014 20:13:43 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Armut im Wohlstand. edition suhrkamp, Neue Folge, Band 595by Diether Döring; Walter Hanesch; Ernst-Ulrich Huster

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Armut im Wohlstand. edition suhrkamp, Neue Folge, Band 595 by Diether Döring; WalterHanesch; Ernst-Ulrich HusterReview by: Frank KlanbergFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 49, H. 1 (1991/1992), pp. 128-129Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912480 .

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endogenen (strategischen) Erbschaften. Simuliert wird die Wirkung einer Teilablösung des umlagefinanzierten Rentenversicherungssystems (der Beitragssatz wird um 40% ge- senkt) durch ein kapitalgedecktes System. Dabei erfolgt der Übergang nicht abrupt, sondern wird einige Perioden früher angekündigt. Auch hier ergibt sich zwischen An- fangs- und Endgleichgewicht ein starker Anstieg des Kapitalstocks pro Kopf (32,5%) und des Nutzenniveaus (17,1%). Desweiteren wird gezeigt, wie sich das Ersparnis- und Ar- beitsangebotsprofil im Lebenszyklus nach der Teilablösung verändert. Während sich insgesamt das Arbeitsangebot um 1 1 % erhöht, verdoppelt sich die Ersparnis.

Diese Ergebnisse scheinen ganz deutlich fur eine Teilablösung der gesetzlichen Renten- versicherung durch ein kapitalgedecktes System zu sprechen, wie sie auch von einigen anderen Autoren gefordert wird. Aber bei den Simulationsanalysen wird immer wieder gezeigt, daß die Generationen, die zur Zeit des Systemübergangs leben, erhebliche Nutzen- einbußen erleiden. Selbst bei einer Teilablösung beträgt diese Einbuße zwischen einem und sechs Prozent. Die „relativ nahe" Anpassung an das neue Gleichgewicht dauert immerhin 16 bis 24 Jahre, die vollständige weitaus länger.

Es ist unbestreitbar, daß Simulationsanalysen neben theoretischen Modellen und empi- rischen Studien zu den wichtigsten Instrumenten der Wirtschaftswissenschaft zählen. Daher ist die vorliegende Arbeit ein wichtiger Beitrag zur Analyse von Alterssicherungs- systemen. Dennoch sollte man den Wert solcher Studien nicht überschätzen. Ihr Wert hängt sehr stark von theoretischen und empirischen Studien ab, da diese die Basis für Simulationen bieten. Vor allem sollte man der Versuchung widerstehen zu glauben, daß mittels Simulationen brauchbare Voraussagen möglich sind. Allein schon die Ausklam- merung von Arbeitsmarktproblemen kann die quantitativen, möglicherweise sogar die qualitativen Resultate zunichte machen. Die neoklassische Wachstumstheorie geht von perfekten Arbeitsmärkten aus. Das ist insofern von besonderer Bedeutung, als das An- steigen des Arbeitsangebots bei einer Umstellung der Finanzierung der Rentenversiche- rung wichtige gesamtwirtschaftliche Folgewirkungen auslöst. Es ist aber durchaus frag- lich, ob das Mehrangebot auch tatsächlich auf eine entsprechende Nachfrage trifft.

Aber selbst wenn man diese Probleme ausklammert und sich nur an die Ergebnisse der Simulationen hält, muß man sich fragen, wie ein Übergang vor sich gehen soll, bei dem die Übergangsgenerationen schlechtergestellt werden. Zudem ist auch nicht klar, ob ein solcher Übergang politisch möglich ist.

Aloys Prinz

Diether Döring, Walter Hanesch und Ernst-Ulrich Huster (Hrsg.): Armut im Wohlstand, edition suhrkamp, Neue Folge, Band 595. Frankfurt am Main 1990. Suhrkamp. 402 Seiten.

Dieser Sammelband enthält neben einer Einführung der Herausgeber siebzehn indivi- duelle Beiträge zum Thema Armut in der (alten) Bundesrepublik Deutschland. Die Stichworte, die dabei abgehandelt werden, beziehen sich auf konzeptionelle Fragen (Ar- mutslagen: Glatzer/Hübinger; Unterversorgung: Schott- Winterer; Armutsberichterstat- tung: Buhr/Ludwig/Leibfried), auf empirische Probleme (Einkommensarmut: Semrau; Niedrige Arbeitseinkommen: Welzmüller; Vermögen der Armen: Schiomami), auf spe- zielle Bereiche einer „Unterversorgung" (Erwerbsarbeit: Adamy/Hanesch; Bildung: Ha- nesch; Wohnen: Ulrich sowie Specht; Gesundheit: Huster; Krankheit und Pflegebedürf- tigkeit: Gitschmann) sowie auf gesellschaftspolitische Zielvorstellungen, denen unter der Überschrift „Armutslagen und Sozialpolitik" ein eigener Abschnitt mit fünf Beiträgen gewidmet wird.

In den empirischen Arbeiten findet der Leser eine Vielzahl von Informationen zur quantitativen Bedeutung des Problems Armut. Als besonders nützlich in dieser Bezie- hung erweist sich der Beitrag von Semrau, weil dort die verfügbaren Informationen aus

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Querschnittsdaten der Einkommensstatistik und der Sozialhilfestatistik über einen länge- ren Zeitraum (1963-1986) zusammengestellt und in knapper, faktenorientierter Form kommentiert werden. Der interessierte Leser erfahrt hierbei, daß das Ausmaß der soge- nannten „verdeckten" Armut (Personen in Haushalten mit einem Nettoeinkommen unter der haushaltsspezifischen Sozialhilfegrenze) über den gesamten Zeitraum ziemlich kon- stant bei 1 % der Bevölkerung liegt. Eine überzeugende Deutung dieses Sachverhalts steht nach wie vor aus. Sie kann wohl auch mit den bisher verwendeten Methoden der Auswer- tung von Querschnittsdaten nicht beigebracht werden.

Anknüpfungspunkt der Beiträge mit konzeptioneller Zielsetzung ist das traditionelle Lebenslagenkonzept der Verteilungspolitik. Dieses Konzept impliziert ein Programm zur Verringerung der Ungleichheit der Einkommensverteilung in Abhängigkeit von bestimm- ten, „Lebenslagen" genannten, sozialpolitischen Tatbeständen. Normative Fixpunkte, die Voraussetzung für eine Operationalisierung eines solchen Programms sind, müssen dabei aus gesellschaftspolitischen Zielsetzungen abgeleitet werden. Es wäre somit eine reizvolle wissenschaftliche Aufgabe, die Veränderung möglicher Standards bei steigen- dem durchschnittlichen Wohlstand, gewissermaßen die Wohlstandselastizität von Mini- malstandards, zu ermitteln. Ein Buchtitel „Armut im Wohlstand", so sollte man meinen, sollte dafür eigentlich wie geschaffen sein. Zu diesem Problem findet man jedoch im vorliegenden Band so gut wie nichts. Normative Standards werden durchweg postuliert, anstatt analysiert. Armut wird daher fast folgerichtig ausschließlich unter dem Blickwin- kel eines Steuerungsdefizits des Wohlfahrtsstaates begriffen.

Eine solche im wesentlichen statische Sichtweise wird jedoch dem heutigen For- schungsstand nicht mehr gerecht. Sowohl die Forschung zu demoskopischen Armuts- grenzen als auch die Rawls-Diskussion haben Ergebnisse gebracht, die aus einer wissen- schaftlichen Behandlung der Armutsproblematik nicht mehr einfach ausgeklammert wer- den können. Der vorliegende Band liefert daher eine - vermutlich ungewollte - Illustra- tion dafür, wie weit sich die sozialwissenschaftliche Armutsdiskussion inzwischen von einer finanzwissenschaftlichen, „Public Economics" -orientierten Analyse (dazu etwa: Ch. Seidl, Poverty Measurement: A Survey, in: D. Bös, M. Rose, Ch. Seidl (eds.); Welfare and Efficiency in Public Economies, Berlin u.a.O. 1988) des Sachverhaltes entfernt hat.

Vielleicht hat diese Kluft auch damit zu tun, daß sich der vorliegende Sammelband eher als politische Streitschrift verstanden wissen will. Die in einem der Beiträge (Schütte, S. 352) explizit erhobene Forderung nach einer „Politisierung von Sozialpolitik" i.S. einer Debatte über die Verteilung öffentlicher Ressourcen zieht sich als Leitmotiv durch den gesamten Band. Entsprechend kräftig fallt dazu auch die Kritik am bestehenden Sozial- staat aus. Man könnte den knappen Raum des Finanzarchivs hier mit einer langen Liste von Zitaten füllen, die man als politische Meinungsäußerungen akzeptieren oder verwer- fen, als wissenschaftliche Aussagen aber nicht kritisieren kann.

Auch für den normalen Staatsbürger bedenklich werden derartige Äußerungen aber spätestens dann, wenn sie die Grenze zwischen rechtmäßiger Inanspruchnahme von Grundsicherungstransfers und der Verletzung bestehender Rechtsvorschriften zu verwi- schen beginnen. So wird die Praxis des Sozialhilfebezugs in der Bundesrepublik Deutsch- land wie folgt charakterisiert: „Der Sozialhilfebezug ist heute in manchen Fällen nur deshalb eine erträgliche Form der Existenzsicherung, weil die Verwaltung nicht alles weiß, nicht alles miteinander verknüpfen kann und weil sie vieles nicht registriert; wohlmei- nende Sachbearbeiter spielen hier nicht selten mit" (S. 351).

Man kann im Interesse nicht zuletzt der Sozialhilfeempfanger nur hoffen, daß dies noch nicht überall so ist. Sonst müßte man nämlich fürchten, daß mit einem Programm zur faktischen Maximierung von Moral hazard in der Sozialpolitik, wie es die zitierten Sätze exemplarisch zum Ausdruck bringen, genau jener Mobilisierungseffekt zugunsten hilfebedürftiger Mitbürger in unserer Gesellschaft verlorengeht, den sich Verfasser und Herausgeber von dem vorliegenden Band erhofft haben.

Frank Klanberg

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