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KARL BARTH . GESAMTAUSGABE KARL BARTH Im Auftrag der Karl Barth-Stiftung herausgegeben von Hans-Anton Drewes V Briefe Offene Briefe 1909-1935 TVZ OFFENEBRIEFE 1909-1935 Herausgegeben von Diether Koch rvz THEOLOGISCHER VERLAG ZÜRICH THEOLOGISCHER VERLAG ZÜRICH

KARL BARTH . GESAMTAUSGABE KARL BARTH OFFENEBRIEFE … · hrsg. von Hans-Anton Drewes. - Zürich : Theol. Verl. 5. Briefe Offene Brief'e I909-I935 / hrsg. von Diether Koch. - zoox

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KARL BARTH . GESAMTAUSGABEKARL BARTH

Im Auftrag der Karl Barth-Stiftung

herausgegeben von Hans-Anton Drewes

V Briefe

Offene Briefe

1909-1935

TVZ

OFFENEBRIEFE 1909-1935

Herausgegeben von Diether Koch

rvz

THEOLOGISCHER VERLAG ZÜRICHTHEOLOGISCHER VERLAG ZÜRICH

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Gedruckt mit Unterstützung der Evangelischen Kirche in Deutschlandund der Karl Barth-StiFtung

Die Betreuung des Bandes durch das Karl Barth-Archivwurde ermöglicht vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung

der wissenschaftlichen Forschung

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Bartb, KarL

Gesamtausgabe / Karl Barth. Im Auftr. der Karl-Barth-Stiftung

hrsg. von Hans-Anton Drewes. - Zürich : Theol. Verl.

5. BriefeOffene Brief'e I909-I935 / hrsg. von Diether Koch. - zoox

ISBN 3-290-I7I64-7

@ 200I Theologischer Verlag ZürichAlle Rechte vorbehalten

Printed in Germanyby Druckerei Sommer, Feuchtwangen

INHALT

Vorwort

Abkürzungen

Offene Briefe

VII

XII

558998

io6

s, An die Gemeindegenossen der Deutschen reformierten Ge-

meindeinGenf,I909 I

2. An Walter Hüssy, Safenwil/Aarburg, I9ü 4

3. An Prof. D. Martin Rade, Marburg, I9I4 I84. An Dr. Alfred Daniel, Balingen/Württemberg, I922

5. An das Appenzeller Sonntagsblatt, I922 (erster Brief)6. An das Appenzeller Sonntagsblatt, I5z2 (zweiter Brief)

7.-8. An Prof. Dr. Adolf von Harnack, Berlin, I923(zwei Briefe)

5). An Prof. Philipp Abraham Kohnstamm, Amsterdam, I925

io. An den Publizisten Dr. Wilhelm Stapel, Hamburg, I926i s. An Pfarrer Harald Wellejus, Korup in Dänemark, I926sz. An Francis P. Miller, Christlicher Studenten-Weltbund,

Genf, I928

r3. An Prof. Dr. Karl Heim, Tübingen, I928i4. An das Schweizerische Protestantenblatt, I928

I5. An die Evangelische Kirchengemeinde in Münster, I929

i6. An Pastor Gustav Friedrich Nagel, Hamburg, I929

s7. An Stadtpfarrer Walter Kiefner, Blaubeuren, I930

i8. An Pfarrer John McConnachie, Dundee, Großbritannien,

I IO

II3

114

I 19

I35

I40

I93I

I9. An Prof. Dr. Karl Heim, Tübingen, i5i3 rzo. An den Rektor der Universität, Prof. Dr. Gustav Aubin,

Halle, s53s

2I. An Pfarrer Alfred Funck, Miller/Süddakota, USA, I932

zz. An die Franldurter Zeitung, I932

z3. An Prof. D. Emanuel Hirsch, Göttingen, I932

z4. An die Tägliche Rundschau, Berlin, I932

z5. An Prof. D. Dr. GeorgWobbermin, Göttingen, I932 (ersterBrief)

s 58

s65

I70

I84zo8

lIl

v

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7-8

AN PROF. DR. ADOLF VON Hümacx, BERLIN

I923 (zwei Briefe)

Als Studem batte Bartb im Wintersemester zgo6/o7 in Berlin den

liberalen TbeoLogen Ado1f'Z10?2 Harnack (z8y-y5i3o) gebört und sicb

für seine PersönlicMeeit und seine Lebre begeistert.' Seit Harnack je-

docb bei Beginn des I. Weltkrieges rgr4 die Position des Deutscben

Reicbes obne Einscbr;'nkungen verteidigt batte2, war er kritiscb gegen

den tbeologiscben Lebrer geworden, und wribrend seiner Arbeit am

Rümerbrief batte er sicb irx den fo1genden Jabren immer weiter von

Harnack entfeym. Ende zgd erschien Bartbs «Der Römerbrief» in

erster, Ende }9.? r in zweiter Auflage üt neuer Bearbeitung.3 A4 der

Aarauer Studentenkonferenz prallten zr)»o die Gegensatze aufeinan-4

der,alsHarnackundEartbnacbeinanderalsRednerauftraten. Bartb

erinnerte sicb später sebr deutLicb des Entsetzens, mit dem Harnack5

sicb in der Diskussion nacb Bartbs Vomag äußerte.

' Brief an Agnes von Zahn-Harnack vom z3.zz.rg35, zitiert in Busch, Le-

benslauf, S. 5of. Dort aufö Schildening im Einzelnen.2

Barth hatte Harnacks Rede zur «Deutsch-Amerikanischen Sympathie-

kundgebung» vom II.8. und seine Antwort an englische Theologen vom

Iö.9.I9I4 durch das «I. Kriegsheft»» der Internationalen Monatsschrift für

Wissenschaft und Technik (Jg. 5i, H. z, I.IO.I9I4, S. 6-.i7) una den von ihm

mitunterzeichneten Aufruf «An die Kuluirwelt» vom 6.Iö.I9I4 durch ein

Flugblatt kennengelernt (Karl Barth-Archiv). Vgl.'X/. Hfüe, Der Aufruf der

g3 Intellektuellen vom 4. Oktober zgz4 und KarL Bartbs Brucb mit der libe-

raLen Tbeoiogie, in: ZThK, Jg. 72 (i5i75), S. zo5f. (S. auch Barths Offenen Brief

an Rade I9I4, Nr. 3).3

K. Barth, DerRömerbrxef, I. Aufl. Bern (datiert) I9I9, übernommen von

Cfü. Kaiser, München i5izo; Neuausgabe, hrsg. von H. Schmidt (Gesamtaus-

gabe, Abt. II), Zürich i5i85; 2. Aufl. in neuer Bearbeitung, München (datiert)

""Harnack sprach iiber'Xlas bat die Historie an fester Erkenntnis zur Deu-

tung der Weltgescbicbte zu bietenF, Barth über BiMiscbe Fragen, Einsicbten

und Ausblicke (Schildening bei Busch, Lebenslauf, S. rx7L).

Barth an Agnes von Zahn-Harnack vom 23.I2.I93 5 nach Busch, Lebens-

lauf, S. I27.

55

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Im Januar }923 veröffentlicbte Ado1f'Z1072 Harnack in der »Cbrist-

Licben Welt» «Fünfzebn Fragen an die Veräcbter der wissenscbaftli-

cben Tbeologie unter den Tbeo1ogen»6, die sofort Bartbs Interesse

wacbriefen. Er scbrieb am r4.r. an Harnack:

Hochverehrter Herr Professor! Eben lese ich in der »Christl. Welt«

Ihre z5 Fragen, von denen mir einige den Eindruck machen, als ob das

Ganze haupts;ichlich gegen mich gerichtet sei. Wenn dieser Eindruck

zutrifft, wenn ich also der Gefragte oder ein haupt.ächlich Mitbefrag-

ter bin, so bin ich bereit, Ihnen an derselben Stelle Zug um Zug zu

antworten. Ich möchte mich aber nicht unnötig exp6nieren und bitte

Sie daher höflichst, mir in zviei 'Worten zu sagen, ob Ihre Fragen

vielleicht mich angehen und ob Sie also von mir Antwort erwarten.

Ehrerbietigst und ergeben

}72 einem Rundbrief an seine Freunde scbrieb er am 23.}.": «Habt Ibr

Harnacks <Fünfzebn Fragen> in der Cbristlicben Welt geleserR Icb

ricbtete sofort nacb Kenntnisnabme an Excellenz die Frage, ob er micb

gemeim babe! in welcbem Fall icb bereit sei, ibm Zug auf Zug zu

antworten. Darauf beham icb folgende <Hmnack-Postkarte>: (icb

denhe, es macbt eucb Spaß, wenn icb sie abscbreibe!)

Ihr Karl Barth"

Berlin-Grunewald, I6.I.I923Verehrter Herr Kollege!

Ich habe jene Fragen vor etwa 6 Wochen in einem plötzlichen Ent-

scMuß ohne literarische Vorbereitung ein einem Zuge niedergeschrie-

ben auf Grund eines Gesamtkomplexes von Eindicken, die9 ich im

letzten Jahr teils aus Büchern und Aufsätzen, teils aus Gespr;ichen

" cw,lg. 37,Nr. I/2(II.I.I923),SP. 6-8.Wiederabgednicktin:A!o7j'zion

Harnack als Zeitgenosse. Reden und Scbriften aus den Jabren des Kaiserreicbs

und der Vleimarer RepuMik, TeiL i: Der Tbeologe und Historiher, hrsg. von

K. Nowak, Berlin/New York I996, S. 875-87F1.

' Barths Brief an Harnack ist von Nowak z.T. wiedergegeben in seiner

Historischen Einführung, a.a.O., S. 8%., dort jedoch irrtümlich unter dem

Datum des I4.2. In der Urschrift hat Barth angegeben: »Göttingen, i4. JanuarI923. Nikolausberger Weg 66«(.

a Bw.Th. II, S. s 34f.' In Barths Wiedergabe fälschlich: »den«.

56

geWOnnen habe und die mich mit Sorgen für die Zukunft unserer

wissenschaftlichen Theologie erfüllten. Zuletzt hatte ich einen Auf-

satz von Tillich und eine mir halbunverständliche Expektoration von

Gogarten gelesen. Von Ihnen habe ich im vergangenen Jahr, wenn

mein Ged;ichtnis mich nicht täuscht, nur einen Artikel gelesen, der

mich gleichzeitig zur Zustimmung und zu starkem Widerspruch nö-

tigte. Aber gewiß dürfen Sie annehmen, daß sich meine Fragen nicht

in letzter Linie auch an Sie richten, so wenig mir bei der einzelnen

Frage eine bestimmte Person vorschwebte. Ich kann mich daher nur

freuen um der Sache willen, wenn Sie meine Fragen öffentlich beant-

worten wollen. Gar nicht zu sprechen bin ich freilich in Bezug auf

Overbeck.'o Denn zu diesem Thema werde ich stets schweigen, ab-

wartend, ob die neue evangelische Losung: »Heiliger Franz, bitt' für

uns« durch eine noch verstiegenere überboten werden wird. Mit be-

stemGrußIhr v.Harnack

Bartb setzte seinen Rundbrief fort: «Icb benützte also derz Dies aca-

demicus am r8. Januar, um die <Secbzebn Ant'«uorten an Professorvon

Harnack> auszuknobeLn und zu Papier zu bringen. Sie sind, wie mir

Rade scbrieb, scbon <unter der Presse> und werden eucb also in abseb-

barer Zeit in der CbristL WeLt begegrten.»P

Harnack reagierte mit einem «Offenen Brief an Herrn Professor

KarLBartb», deram 8.3.zr)»3 in der «Cbristticben We(t» veröffemLicbt

wurde'2, worauf Bartb darin am 26.4.1923 eine «Antwort auf Herrn

Professor'Z107Z Harnacks Offenen Briefi gab.'3 Mit Harnacks «Nacb-

'o Barth hatte sgzo in einem Aufsatz UnerLedigte Anfragen an aie beutige

Tbeologie positiv zu der (posthumen) Veröffentlichung von Franz Overbeck

Cbristentum una Kultur. Gedardeen und Anmerkungen zur modernen Tbeo-

Logie, Basel I9I9, Stellung genommen (in: K. Barth/E. Thurneysen, Zur inne-

ren Lage des Cbristentums. Eine Bucbanzeige uml eine Predig3 Miinchen

s5zo, S. 3-z4.).

" CW, Jg. 37, Nr. 5/6 (8.2.I923), Sp. 89-9I. - Einen Sonderdruck dieses

Texts erwähnt Thurneysen in seinem Brief an Barth vom x5.5a5iz3, s.

Bw.Th. II, S. I60. - Die Antwort wurde sp;iter meistens unter dem Tite] Fünf-

zebn Antworten an Herrn Professor von Harnach abgedruckt.

" A.a.O., Nr. 9/IO, Sp. I4z -I44.

" A.a.O., Nr. s6/s7, Sp. 244-252. - Harnack schrieb am 5.4.I923 an den

Herausgeber der CW: «iDem neuen «Barth» sehe ich entgegen; hoffentlich ist er

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wort zu einem offenen Brief an Herrn Professor Kad Barth» wurdB

der Briefinecbsel am 24. 5.zg»3 abgescblossen.'4 Er zeigte große undrxacbbaltige Wirkung.'5 Ein Jabr später, am r6.4.z5)»4, kam Bartb irl

eimm Privatbrief an Harnack auf die Offenen Briefe des Vorjabreszurück.'6

verständlicher als der frühere.« (J. Jantsch [Hrsg.], Der Briefwecbse(zwiscbenAdoLf von Hmnack und kIartin Rade. Tbeologie auf dem öffentIichen Markt,

Berlin/New York s556, S. 777).

" A.a.O., Nr. zo/zs, Sp. 3o5f.

" Barth schrieb schon am I8.5.I923, als die Theologischen Blätter ihn zu

einem Beitrag aufgefortlert hatten, in einem Rundbrief: «Wahrscheinlich wird

das jetzt noch andere Journale lustig dünken, mich zu einem solchen öffent-

lichen Wett-Kegeln einzuladen, nachdem das Spiel mit Harnack dem Publi-

kum so gut gefallen hat!++ (Bw.Th. II, S. i65). In seinem Rundbrief vom

zo.y 2.I923 erw;ihnte Barth: «Aus dem fernen Iowa in Nordamerika erhalte ich

Nummern eines Organs «Der Wächter+, in denen die Harnack-Sache sukzes-

sive abgedruckt wird, und sogar an aen Ufern des Michigan-Sees scheint es zu

tagen+» (Bw.Th. II, S. 2Iö; Brief von C. V. Croter in Fulton, Michigan, an Barth

vom z5.y 1.I923). Vgl. Bibl. II/ s, Nr. Iö832, s 36g7, s4s 3 5, I6 56s, s7533', ferner:D. Braun, Der Ort der TbeoLogie. Entwurffur einen Zugang zum Verstandnisdes BriefwecbseLs zruiscbetz Adolf von Harnack urzd Karl Bartb, in: Parrbesia.

KarL Bartb zum 8o. Geburtstag am zo. Mai zg66, Ziirich I966, S. s I -4g. - Zu

Abdrucken von Teilen des Briefwechsels s. Bibl. II/I, Nr. r3z4>z3z4z.

" Er dankte Harnack am I6.4.I924 für die »überaus vornehme und ver-

söhnliche Art«, mit der er im Vorjahr das Gespräch rnit ihm geführt und abge-

schlossen habe, und für Harnacks »anhaltende freundliche Gesinnung« ihm

gegenüber. Das »gewisse Monitum« Harnacks habe ihm »ernsthaft zu denken

gegeben«: »Sie können gewiß sein, daß die Einsicht in die historische und

sachliche Relativität meines theologischen Versuchs mich Tag und Nacht be-

drängt - wenn es noch nötig gewesen wäre, so hätte schon meine Versetzung in

die verfängliche akademische Sphäre dafür gesorgt, daß die B;iume nicht ein-

mal in meinen Träumen in den Himmel wachsen - und daß ich mir der letzten

Gemeinsamkeit aller theologischen Versuche bewußt bin. Daß ein gewiß zwei-

deutiges Pathos der Absolutheit und des Gegensatzes fast unvermeidlich sich

einstellt, wo man in der Theologie ein ernsthaftes, von der vorangehenden

Generation vermeintlich vernachlässigtes Anliegen vemeten zu müssen meint,

dafür haben Sie sicher als historischer Kenner der Dinge-und nicht nur als das

- Verständnis und halten es meinen Freunden und mir, wie Sie sich auch zu

unseren Anliegen stellen mögen, zu Gute, wenn dergleichen gelegentlich bei

uns sichtbar wird. Die Not, die die theologische Arbeit uns selbst bereitet, und

der aufrichtige Respekt vor dem, was die Stärke der in Ihrien, verehrter Herr

Professor, repräsentativ verkörperten theologischen Art ist, wird dafür sorgen,

Bartb nabm den EriefwecbseL spater, z5i57, in den Band «Tbeolo-giscbe Fragen und Antworten» auf. Als Bartb acbtzig Jabre aLt wurde,Burde der BriefwecbseL'Z1072 Jürgen Moltmann in WestdeutscblandHnd von Walter Feuricb in Ostdeutscblarxd wieder abgedruckt, rggop@4 H.-W. Krurmniede abermals.'7

Ein Jabr vor Bartbs Tode erscbien eine engtiscbe Übersetzung undAnalyse alLer Texte durcb Martin Rumscbeidt, r5i86 eine neue eng-liscbe Zusammenfassung und Deutung.'8

Im folgendert werden die Texte nacb dem Urdrude in der «Cbrist-[icben 'Xlelt» wiedergegeben. Abweicbungen im Abdruck von z5i57

(KarL Barth, Theologische Fragen und Antworten, Gesammelte Vor-träge, 3. Band, ZoLlikon rg57, S. 7-3r) werden in den Anmerkungennotiert.

Fijnpzbhn FRAGEN AN DIE VERÄCHTER DER

WISSENSCHAFTLICHEN THEOLOGIE tmrp.x DEN THE0LOGEN'9

I. Ist die Religion der Bibel bzw. sind die Offenbarungen in derBibel etwas so Einstimmiges, daß man in Hinsicht auf Glauben, An-betung und Leben einfach von der «Bibel» spreclien darf? Wenn sie esaber nicht sind, darf man die Feststellung des Inhalts des Evangeliumsallein der subjektiven «<Erfahrung» bzw. dem ««Erlebnis» des Einzel-nen überlassen, oder sind hier nicht geschichtliches Wissen und kri-tisches Nachdenken nötig?

daß wir aus der Vorsicht und aus der Dankbarkeit tatsächlich nicht heraus-kommen werden.« (Das Original dieses Briefes, in Auszügen zitiert bei No-

wak [s. Anm. 6], S. 5o, befindet sich im Nachlaß Harnack in der Staatsbiblio-thek Berlin.)

" Siehe den Nachweis früherer Veröffentlichungen am Ende dieses Bandes.

' In: H. Martin Rumscheidt, Revelation and TbeoLogy.' An arxaLysis of tbe

Bartb-Harnack correspondence of 192J, Montreal (Ph.D.) I967, S. 29-53 (un-ter gleichem Titel auch London I972). Vgl. Barths Brief an Rumscheidt vom

I.I s.sg67, abgedruckt in: Briefe sg6s -I968, S. 435 -44i. - G. Hunsinger, TbeHarnack/Bartb Correspondetzce.' A Parapbrase witb Comments, in: Thomist

5o, S. 599 -(;zl, auch in: ders., Disruptive Grace. StuAies in tbe Tbeology of KarlBartb, Michigan/Cambridge zooo, S. 3 sg-337.

" Anklang an Fr. Schleiermacher, ßer die Religion. Reden an die Gebil-

deten unter ibren Veracbtern, Berlin I799.

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2. Ist die Religion der Bibel bzw. sind die Offenbarungen in d(4y

Bibel etwas so Eindeutiges und Ktares, daß man kein geschichtliches

Wissen und kein kritisches Nachdenken braucht, um ihren Sinn ricß

tig zu verstehen? Sind sie umgekehrt etwas so Unfaßlicbes und Ur4bescbreiblicbes, daß man lediglich abwarten muß, bis sie im herzen

aufstrahlen, weil keine menschliche Seelen- und Geistesfunktion arl

sie heranreicht? Oder sind nicht vielmehr beide Annahmen falsch,

und braucht man nicht, um die Bibel zu verstehen, neben der innererl

Aufgeschlossenheit geschichtliches Wissen und kritisches Nachden-ken?

3. Ist das Gotteserlebnis von der Emeckung des GLaubens ver-schieden oder mit ihm identisch? Ist es von ihm verschieden, wie

unterscheidet es sich von unkontrollierbarer Schwärmerei? Ist es mit

ihm identisch - wie kann es anders entstehen als aus der Predigt desEvangeliums, wie kann es aber eine solche Predigt geben ohne ge-schichtliches Wissen und kritisches Nachdenken?

4. Ist das Gotteserleben hontüir bzw. disparat zu allem sonstigen

Erleben, wie l;ißt sich die Notwendigkeit radikaler Wettflucbt ver-meiden oder wie läßt sich dem Sophismus entgehen, man müsse dochin der Welt bleiben, weil auch die Weltflucht auf dem eigenen Willens-

entschluß beruhe, also etwas Weltliches sei?isi5. Sind Gott und Welt (Leben in Gott und weltliches Leben)

schlechthin Gegensätze, wie ffißt sich die enge Verbindung, ja Gleich-setzung der Gottes- urid Näcbstenliebe, welche den Kern des Evan-geliums bildet, verstehen? Wie ist aber diese Gleichsetzung möglichohne Höcbstscb;itzung der Moral F

6. Sind Gott und Welt (Leben in Gott und weltliches Leben)schlechthin Gegensätze, wie ist eine Erziebung zu Gott bin, das heißtzum Guten, möglich? Wie aber ist Erziehung möglich ohne ge-

schichtliches Wissen und Höcbstschätzung der MoraL?

7. Wenn Gott alles das schlechthin nicht ist, was aus der Entwick-lung der Kultur und ibrer Erkenntnis und Moral von ihm ausgesagt

wird, wie kann man diese Kultur und wie kann man auf die Dauer sichselbst vor dem Atbeismus schützen?

8. Wenn der Pantheismus Goetbes oder der Gottesbegriff Kantsoder Verwandtes lediglich Gegensätze zu den wahrhaften Aussagenüber Gott sind, wie läßt es sich vermeiden, daß diese Aussagen derBarbarei2o ausgeliefert werden?

6o

5i. Wenn es aber umgekehrt richtig ist, daß, wie in aller physischenund geistlichen Entwicklung, auch hier Gegensätze zug(eicb Stufenund Stufen zugleicb Gegens;'tze sind, wie kann man diese grundle-gende Erkenntnis erfassen und ausbauen ohne geschichtliches WissenI,ll-id kritisches Nachdenken?

io. Wenn die Erkenntnis «Gott ist die Liebe»2' die höchste undgbschließende Erkenntnis Gottes ist und Liebe, Freude und Frie-de22 seine Sphäre sind, wie darf man immerfort zwischen Tür undAngel Mngen bleiben, Durchgangspunkte christlicher Erfahrungver-selbständigen und die Dauer ihrer Schrecföisse verewtgen wollen?

s'i. Wenn die befreiende Ermahnung noch gilt: «Was wabrbaftig is3u»as ebrbar, was gerecbt, was wobl lautet, ist etwa eine Tugend, istetwa ein Lob, dem denhet nacb» 23 - wie darf man Scheidewände zwi-schen dem Gotteserlebnis und dem Guten, Wahren und Schönen auf-richten, statt durch geschichdiches Wissen una kritisches Nachden-ken sie mit dem Gotteserlebnis zu verbinden?

I2. Wenn alle Sünde nichts anderes ist als Mangelan Ebrfurcbt undtiebe, wie kann man diesem Mangel anders steuern als durch diePredigt von Gottes beiliger Majestät urxd von Gottes Liebe? Wie darfman es wagen, alle möglichen Paradoxien und Velleitäten dazuzumi-

s 3. Wenn es gewiß ist, daß alles Unbetuußte, Empfint1ungsm4ige,Numinose, Fascinose usw. so lange untermenscblicb bleibt, als es nichtvon der Vernunft ergriffen, begriffen, gereinigt und in seiner berech-tigten Eigenart geschützt wird, wie darf man diese Vernunft schelten,ja auSmerZen wollen? Und was hat man zu gew;irtigen, wenn diesesherostratische"" Werkvollbracht ist? Erhebt sich nicht schon jetzt dergnostische 0kku1tismus25 auf den Trümmern?

ao Vgl. Fr. Schleiermacher, über seine Glaubenslebre, an Herrn Dr. Liicke,Zweites Sendschreiben: «(SOlI der Knoten der Geschichte so auseinander ge-hen: das Christentum mit der Barbarei, und die Wissenschaft mit dem Un-glauben:fö (ScMeiermacbers Sendscbveiben 4er seine Glaubenslebre an Lücke,neu &sg. von H. Mulert [SGNP.Q z3], Gießen I9ö8, S. 37).

" s. Joh. 4, 8.I6" Vgl. Gal. 5,zz."' Phil. 4,8." Herostratos setzte den Artemistempel in Ephesus in Brand, um beihmt

zu werden.

" Vgl. unten Anm. 38.

6I

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t4. Wenn die Person Jesu Cbristi im Mittelpunkt des Evangeliums

steht, wie l;ißt sich die Grundlage für eine zuverlässige und gemein-

schaftliche Erkenntnis dieser Person anders gewinnen als durch kri-

tiscb-gescbicbtlicbes Studium, damit man nicht einen ertr;'umten

Christus für den wirklichen eintausche? Wer anders aber vermag die-

ses Studium zu leisten als die wissenschaftliche Theologie?

s 5. Gibt es - Tr:igheit, Kurzsichtigkeit und zahlreiche Krankheiten

zugestanden - noch eine andere Theologie als jene, die in fester Ver-

bindung und Blutsverwandtschaft steht mit der Wissenscbaft über-bauptF Und wenn es eine solche etwa gibt, welche überzeugungskraftund welcher Wert kommt ihr zu?

Berlin-Grunewald Adolf von Harnack

SECHZEHN An"üo:a'rpn AN HERRN PROFESSOR VON HARNACK

Zum Tite]: Wer einen Einwand erhebt gegen die Porm protestan-

tisch-wissenschaftlicher Theologie, die sich seit den Tagen des Pietis-

mus und der Aufklärung urfö im besondern in den letzten fünfzig

Jahren deutscher Vergangenheit als maßgebend herausgebildet hat,

braucht darum noch kein «Verächter» der «wissenschaftlichen Theo-

logie» zu sein. Der Einwand lautet dahin, diese Theologie möchte sich

mehr als gut ist von ihrem (zuletzt durch die Reformation deutIich

gestellten) Thema entfernt haben.

r. Jenseits der «Religion» und der «Offenbarungen» der Bibel dürf-

te als Thema der Theologie auch die eine Offenbarung Gottes in Be-

trachtixoikommen. «Geschichtliches Wissen» könnteuns dannfreilich

sagen, daß die Mitteilung des «Inhalts des Evangeliums» jedenfalls

nach dessen eigener Aussage nur durch eine Handlung dieses «In-

halts» selbst sich vollziehen kann. Aber «kritisches Nachdenken»

könnte ja zu dem Ergebnis führen, daß diese Aussage des Evange]i-

ums im Wesen der Sache (der Beziehung zwischen Gott und Mensch)

begründet und also ernstlich zu respektieren ist. Die «Wissenschaft-

lichkeit» der Theologie wäre dann ihre Gebundenheit an die Erinne-

rung, daß ihr Objekt zuvor Su%ekt gewesen ist und immer wieder

werden muß - was mit «Erfahning» und «Erlebnis» an sich gzz;rnichts

zu tun hat.

6z

z. «Innere Aufgeschlossenheit» - Erfahrung, Erlebnis, Herz und

dergleichen - einerseits und «geschichtliches Wissen» und «kritisches

Nachdenken» andrerseits sind Möglichkeiten, die zum «Verstehen»

der Bibel ebensowohl förderlich, gleichgültig oder hinderlich sein

können. «Verstanden» wird die Bibel weder durch diese noch durch

jene «Seelen- und Geistesfunktion», sondern kraft des Geistes, der

ihrem Inhalt gleicb ist, und das im Glauben.

3. Also ist das sogenannte «Gottesedebnis>» von der Erweckung desGlaubens durch Gott so verschieden wie die Erde vom Himmel und

unterscheidet sich in der Tat nicht von «unkontrollierbarer Schwär-

merei». Warum sollte es darum nicht deutlicheres oder verworreneres

Symptom und Zeugnis von der Erweckung des Glaubens sein kön-

nerR Der GLaube aber kommt in der Tat aus der Predigt26, die Predigt

aber (wie es auch mit dem «geschichtlichen Wissen» und «kritischen

Nachdenken» des Predigers stehe) «durch das Wort des Christus».27

Die Aufgabe der Theologie ist eins mit der Aufgabe der Predigt. Sie

besteht darin, das Wort des Christus aufzunehmen und weiterzuge-

ben. Warum sollten dabei «geschichtliches Wissen» und «kritisches

Denken» nicht vorbereitenden Dienst leisten körmen?

4. Der von Gott erweckte Glaube wird die Notwendigkeit einesmehr oder weniger «radikalen» Protestes gegen diese Welt nie ganz

vermeiden können, SO gewiß er eine Hoffnung ist auf das verheißene

Unsichtbare28. Eine Theologie, die das Verständnis für die grundsätz-

liche Distanz des Glaubens gegenüber dieserVlelt etwa verlöre, müßte

im se]ben Maße auch der Erkenntnis Gottes des ScMpfers uneinge-denk werden. Denn es ist der «schlechthinige Gegensatz» von Gott

und Welt, das Kreuz, die einzige Art, in der wir als Menscben der

ursprünglichenundend1ichen!j»be,itvoniüiSchöpferund Geschöpf

gedenken können. Sophistik ist nicht die Einsicht, daß uns auch unser

Protest gegen die Welt vor Gott nicht rechtfertigen kann, wohl aber

der übliche Versuch, mit Hilfe des verflachten Schöpfungsgedankens

das Kreuz zu umgehen.

a' Röm. zo,s7a.

" Röm. io,x7b."a Vgl. Hebr. II,I.

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5. Gerade die evangelische Nebeneinanderstellungvon Gottes- urldNächstenliebe ist der st;irkste Hinweis darauf, daß das Verhfünis zyi-schen unserm «Leben in der Welt» und unserm «Leben in Gott» dgseines «schlechthinigen Gegensatzes» ist, der nur durch das Wunderdes ewigen Gottes selbst überwunden wird. Oder gibt es ein fremd-artigeres, ein unbegreiflicheres, ein mehr der Offenbarung Gottes be-dürftiges Faktum in der Welt als eben der «N;ichste» ? «Höchstschät-zung der Moral», ja, aber lieben wir aenn unsern N;ichsten, könnenwir es? Und wenn wir ibn rzicbt lieben, wie steht es dann mit unsererGottes1iebe?29 Was zeigt deutlicher als dieser «Kern» (nicht des Evan-geliums, aber des Gesetzes), daß Gott nicht lebendig macht, er tötedenn zuvor?3o

6. «Niemand kann zu mir kommen, es ziehe ihn denn der Vater, dermich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Ta-ge)>31

7. Die «aus der Entwicklung der Kultur und ihrer Erkenntnis undMoral» stammenden Aussagen über Gott mögen als Ausdruck be-sonderer «Gotteserlebnisse» (z.B. des Kriegserlebnisses) neben denenprimitiver Völker, die solch hohe Güter noch nicht kennen, ihre Be-deutung und ihren Wert haben (z.B. die Aussagen der Kriegstheolo-

gen aller Länder32). Als «Predigt des Evangeliums» (3.) kommen dieseAussagen jedenfalls nicbt in Betracht, und ob sie die Kultur und denEinzelnen «vor dem Atheismus scbützen» und nicht vielmehr, aus

dem Polytheismus stammend, Atheismus pflanzen, das dürfte in je-dem einzelnen Fall eine offene Frage sein.

8. «Wahrhafte Aussagen über Gott» werden überhaupt nur da ge-macht, wo man sich statt auf irgendeine Höhe der Kultur oder der

Religion vor die Offenbarung und damit unter das Gericbt gestelltweiß, unter dem mit allen menschlichen Aussagen über diesen Ge-genstand doch wohl auch die Goethes und Kants stehen. Schleier-machers Bangemachen vor der «Barbarei» ist als unwesentlich undunsachlich abzulehnen, weil das Evangelium mit der «Barbarei» soviel und so wenig zu tun hat wie mit der Kultur.

" Vgl. I. Joh. 3,z7; 4,zo.ao Vgl. s. Sam. z,6.

" Joh. 6,44." Anspielung auf Harnacks Rolle I9I4, S. Anm. z.

5i. Mögen innerhalb der menschlichen Aussagen über Gott untersicb «wieinallerphysischenundgeistigenEntwicklung» «Gegensätzezugleich Stufen und Stufen zugleich Gegensätze» sein, so gilt doch(und esi zziist, jedenfalls für die Tbeologie, dringlicher diese Erkenntniszu «erfassen» und «auszubauen»!), daß zwischen der Wahrheit Gottes(die ja auch in einer menschlichen Aussage ausgesprochen sein kann)und unsrer Wahrheit rxur Gegensatz, nur Enttveder-Oder besteht.Denn Demut, Sehnsucht und Flehen wird urzsrerseits wie das Erste, soauch immer das Letzte sein. Der Weg von der alten zur neuen Welt istkein Stufenweg, keine Entwicklung in irgendeinem Sinn, sondern einneues Geborenwerden.""

io. Wenn die Erkenntnis «Gott ist die Liebe» die höcbste und ab-scbließende Erkenntnis Gottes ist, wie darf man dann immerfort tun,gls ob man in ihrem Besitz w:ire? Ist der «Durchgangspunkt» nichtgenau SO lang wie die Zeit! Ist unser Glaube nicht immer auch Un-g1aube?34 0der sollenwir an unseren (Aauben glauben? Lebt er nichtdavon, daß er Glaube an Gottes Verbeißung ist? Sind wir etwa andersals in Hoffnung gerettet?35

s s. «Der Friede Gottes, welcher höber;st als alle Vernunft...», Phil.4,7. Die «Scheidewand» dieses <«böber»> ist grundsätzlich und unüber-steigbar. «Bewabrt er unsre Herzen und Sinne in Christo Jesu» undmacht so die Ermahnung Phil. 4,8 («Was wahrhaftig ist...») möglicb,dann a1s solcber, als der, der böber ist als alle Vernunft. Es ist eineVerbindung zwischen ihm und dem, was wir gut, wahr und schönnennen, aber die Verbindung ist eben die «Scheidewand», die göttlicheKrisis, auf Grund deren erst ernsthaft vom Guten, Wahren und Schö-nen gesprochen werden kann.

rz. Wenn Sünde vielleicht noch etwas mehr sein sollte als «Mangel

an Ehrfurcht und Liebe», n;im1ich477des Menschen von Gott undVerlorensein in eine Gottähnlichkeit, deren Ende der Tod ist, dann istdie Predigt (die Theologie) von Gottes heiliger Majestät und Liebe

" Vermudich auch eine Abgrenzung geger+über Schleiermacher, der «tBe-kehrung»+ als «iArfang einer höheren Let+ensform» gegeniiber einer «niederenLebensstufe» beschreibt (Der cbristlicbe GLaube, I830/3r', neu &sg. von M.Redeker, Ba. II, Berlin sg6o, S. i53.x68 [SIö8]).

" Vgl. Mk. 9,z4."' Röm. 8,z4.

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eine Aufgabe, die wunderlicbe Wege zu gehen unserm menschlichen

Denken und Reden nicht ersparen zu können scheint. Zuscbauer

theologie mag dann von «allen möglichen Paradoxien und Velleitä-

ten» reden. Wer in der Lage ist, dieselbe (aber dieselhe!) Aufgabe ein-

facher zu lösen, der zeige, wie man das macht. Geschichdiches Wissen

sagt uns, daß Paulus und Luther nicbt in dieser Lage waren.

z3. Welcbe theologische Tradition ist es doch, die von der Apotheo-

se des «Gefühls» ausgehend nun in dem schauerlichen Sumpf der Psy-

chologie des Unbewußten glücklich gelandet scheint?36 'Xler hat ab-

seits von der kritischen Vernunft eine besondere «religiöse» Erkennt-

nisquelle eröffnen zu können gemeint?37 Und ad vocem «gnostischer

Okkultismus»: 1131 we(cbe Theologie"s steht notorisch jeden Augen-

blick in Gefahr, ihre begabtesten Anh;inger an Dr. Steiner39 zu verlie-

ren ?

I4. Die Zuverlässigkeit und Gemeinschaftlichkeit der Erkenntnis

der Person Jesu Christi als Mittelpunkt des Evangeliums kann keine

andre sein als die des von Gott erweckten Gtaubens. Kritisch-ge-

schichtliches Studium bedeutet das verdiente und notwendige Ende

der «Grundlagen» dieser Erkenntnis, die keine sind, weil sie nicht von

Gott selbst gelegt sind. Wer es etwa noch nicht weiß (und wir wissen

es alle immer nocb nicht), daß wir Christus nach dem Fleische nicbt

a' Barth denkt wohl v.a. an Georg Wobbermin, dessen Systematiscbe Tbeo-Logie nacb reLigionspsycboLogiscber Metbode, z. Bd.: Das'Xlesen der ReLigion,

Leipzig s5zs, er gerade «mit Abscheu»+ gelesen hatte (Bw.Th. II, S. I29). Wob-berrnins «Parole lautet ausschließlich: zuick zu Schleiermacher! und: von

ScMeiermacher aus vorwärts!» (S. VI; vgl. S. i33). Im Sinne Schleiermachers,der als das Wesen der Religion Anschauung und Gefühl bestimmt hatte, soll«das religiöse Gninderlebnis» «der letzten Tiefe des menschlichen Seelenle-

bens» angehören (S. 67; vgl. S. 65))." Wahrscheinlich spielt Barth auf R. Otto und seine Lebre von der «iDivi-

nation» an, dem nicht rational-theoretischen itVermögen, das Heilige in derErscheinung ecbt zu erkennen» (Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee

des GöttLicben und sein Verhältnis zum Ratiorxalen, Breslau I9I8', S. I54ff.).' Anspielung auf den Theologen Friedrich Rittelmeyer (I872-I938), der,

ursprünglich von der liberalen Theologie herkommend, 1922 sein Pfarramtniederlegte und die anthroposophisch orientierte «Christengemeinschaft» be-

gründete. Vgl. dazu Barths Vomag Die Kircbe und die Offenbarung (I923), in:V.u.kl.A. I912 -sr)z5, S. 3o7-3o5i.3ü.3x4 -3s6.

' Rudolf Steiner (I86I-I925), Begründer der Anthroposophie.

66

mehr kennen4o, der mag es sich von der kritischen Bibelwissenschaft

sagen 1assen;4' je radikaler er erschrickt, um so besser für ihn und die

5ache. Und das mag dann etwa der Dienst sein, den «geschichtliches

Wissen» bei der eigentlichen Aufgabe der Theologie leisten kann.

s 5. Wenn die Theologie wieder den Mut zur Sachlichkeit bekäme,den Mut, Zeuge des Wortes von der Offenbarung, vom Gericht und

von der Liebe Gottes zu werden, so könnte es ja auch so sein, daß die

««wissenschaft überhaupt» nach «fester Verbindung und Blutsver-

wandtschaft» mit der Tbeologie ausschauen müßte, statt umgekehrt;

denn es stünde vielleicht auch um die Juristen, Mediziner und Philo-sophen besser, wenn sie wüßten, was die Theologen - wissen sollten.

Oder sollte die heutige zufällige opinio communis der Andern wirk-

lich die Instanz sein, von der wir unserem Tun «Überzeugungskraft»

und «Wert» zusprechen lassen müßten?

Göttingen KarlBarth

OFFENER BRIEF AN HERRN PROFESSOR K. BARTH

Hochgeehrter Herr Kollege!

Ich danke Ihnen, daß Sie auf meine «Fünfzehn Fragen» eingegan-

gen sind; sie waren ja aucb an Sie und vornehmlich an Sie gerichtet.

Durch Ihre «Antworten» ist mir einiges klarer, aber eben darum der

hier zwischen uns bestehende Gegensatz um so deutlicher geworden;

dies werde ich im folgenden zu formulieren versuchen. Anderes frei-

lich ist mirvollkommen dunkel geblieben odervielmehr geworden, so

vor allem Ihre ml Antwort auf meine erste Frage. Trotz heißem Bemü-hen42 ist sie mir total unverst;indlich. Da aber auf diese grundlegende

Frage sehr viel ankommt, so bleibt eine Hauptsache hier unter dem

Druck eines lastenden Nebels, nämlich Ihr Begriff der «Offenba-

rung»*

Zum Titel meiner Fragen und zu I5: Sie sehen in der wissenschaft-lichen Theologie der Gegenwart ein labiles und vergängliches Pro-

'o 2. Kor. 5,I6." Im Abdnick von sg57: Doppelpunkt." Anspielung auf J. W. von Goethe, Faust I, V. 3 57 (Nacht).

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dukt, das sich seit den Tagen des Pietismus und der Aufklärung ge

bildet hat und das nur den Wert einer zufälligen communis opinio

besitzt. Ich sehe in dieser wissenschaftlichen Theologie die einzige

mögliche Weise, sich des Gegenstandes erkenntnism;ißig zu bemäch-

tigen, eine Weise, die neu und alt zugleich ist - neu, weil sie erst seit

dem I8. Jahrhundert zu größerer Klarheit und Reife gekommen ist;

alt, weil sie begonnen hat, seitdem es denkende Menschen gibt. Sie

sagen: «Die Aufgabe der Theologie ist eins mit den Aufgaben der

Predigt»; ich erwidre: die Aufgabe der Theologie ist eins mit den Auf-

gaben der Wissenschaft überhaupt; die Aufgabe der Predigt aber ist

die reine Darstellung derAufgabe des Christen als Zeugen Christi. Sie

verwandeln den theologischen Lehrstuhl in einen Predigtstuhl (und

wollen, was «Theologie» heißt, an die profanen Fächer verteilen); ich

sage Ihnen auf Grund des Verlaufs der gesamten Kirchengeschichte

voraus, daß dieses Unternehmen nicht zum Erbauen43, sondern zum

Auflösen führt; oder soll Ihre Verkündigung nur als «Ferment» wir-

ken? Das darf niemand sich vornehmen und liegt gewiß auch nicht in

Ihrer Absicht. Dennoch - ich erkenne das Ferment an: Mut zur Sach-

lichkeit, Mut zur Zeugenschaft.

Zu Fragen 2 und 3: Was nach IhrerMeinungübrig bleibt, wenn man

verpflichtet ist, in bezug auf das Verständnis der Religion der Bibel

prinzipiell mit «Innerer Aufgeschlossenheit», «Erfahrung», <«Erleb-

nis», <«Herz», «Geschichtlichem Wissen», «Kritischem Nachdenken»

tabula rasa zu machen, verstehe ich nicht. Sie sagen zwar: <«Die Reli-

gion der Bibel wird nur verstanden kraft des Geistes, der ihrem Inhalt

gteicb ist, und das im Glauben»; aber da Sie fortfahren: «Also ist das

sogenannte «Gotteserlebnis> von der Erweckung des Glaubens durch

Gott so verschieden wie die Erde vom Himmel und unterscheidet sich

in der Tat nicht von «unkontrollierbarer Schwärmerei>», wird mir das

«AlSO>) ebenso dunkel wie die Berechtigung des von Ihnen gebrauch-

ten Bildes und wie Ihre Verhältnisbestimmung von Gotteserlebnis

und Glaube. Über Unverstandenes abervermagich nicht zu reden. Zu

meiner Freude unterschreiben Sie zwar die These: «Der Glaube

kommt aus der Predigt, und die Predigt durch das Wort"" des Chri-

" Vgl. z. Kor. I4,26.

" Im Abdruck von I957: ««... aus der Predigt durch das Wort...»

StuS)); alleinwie mir schon ««desi i )iChristus» stattJesu Christi kirchen-geschichtlicher Reminiszenzen wegen fatal erscheint45, so verstärkt

sich mein Mißtrauen in Hinsicht des Zusammenhanges, in welchemSie (zu Frage I4) von dem Paulinischen Wort: «Wir kennen Christumyiach dem Fleische nicht mehr», Gebrauch machen. Wir kennen also

den evangelischen, den geschichtlichen Jesus Christus nicht mehr?Wie soll ich das verstehen? Nach der Theorie vom exklusiven innern

Wort? Oder nach welcher dervielen anderen subjektivistischenTheo-

rien?

Zu Frage 4: Es schmerzt mich, daß Sie auf diese Frage nur eine sehrgewundene Antwort gegeben haben: «Dervon Gott geweckte Glaube

wird die Notwendigkeit eines mehr oder weniger (!) <radikalen» Pro-

testes gegen diese Welt nie ganz (!) vermeiden können, so gewiß er eine

Hoffnung ist auf das verheißene Unsichtbare.» Sind Sie an diesem

Punkt etwa noch nicht mit sich selbst im Reinen? Dann wäre es besser

gewesen, die Antwort aufzuschieben. So wie sie halbschlächtig lautet,

fehlt ihr entweder die Erkenntnis oder der Zeugenmut.

Zu Frage 5: Meine Frage in bezug auf die Gottes- und Nächstenlie-be beantworten Sie mit einer Problematik der Begriffe «der Nächste»

und «die Nächstenliebe», die zwar für Ihre Theologie besonders cha-

rakteristisch ist, nicht aberfür das Evangelium, welches hier Probleme

überhaupt nicht kennt. Ich sehe in Ihrer Ausführung den größten

Abstand von dem schlichten Evangelium.

Zu Frage 6 (Möglichkeit der Erziehung zu Gott): Sie antworten

einfachmitJoh. 6,44; wenn das alles ist, was Sie hier zu sagen haben, soverurteilen Sie alle christliche Pädagogik und zerschneiden, wie Mar-

cion"", jedes Band zwischen dem Glauben und dem Menschlichen.

Nach meinem Verst;indnis haben Sie hier das Vorbild Jesu gegen sich.

" Anspielung auf die in der Dogmengeschichte in verschiedenen Formen

begegnende Unterscheidung zwischen Jesus bzw. Jesus Christus und Christusbzw. tidem Chrisnis».

" Harnack hatte Marcions Leben und Lehre in seinem Buch Marcion. Das

Evangelium vom fremden Gott, Leipzig I92I, geschiMert. Die dadurch fürMarcion geweckte Aufmerksamkeit regte dazu an, den wenig später in der

Neubearbeitung erscheinenden Römerbrief Karl Barths entsprechend zu eti-kettieren - s. Vortr. u. kl. Arb. I922 -v)x5, S. 65if., Anm. zo.

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Zu Fragen 7-5i: Sie behaupten, es sei eine in jedem einzelnen Falloffene Frage, ob die in der Menschheitsgeschichte, abgesehen von derOffenbarung, erwachsene Gotteserkenntnis vor dem Atheismussch'ütze oder ihn pflanze. Dies ist nur eine halbe Antwort auf meineFrage, ob Gott alles das scblecbtbin nicbt ist, was aus der Entwicklungder Kultur und ihrer Erkenntnis urfö Moral von ihm ausgesagt wird,Oder darf ich annehmen, daß Sie eine solche Behauptung mit mirablehnen? Schwerlich! Denn Ihr Satz: «Das Evangelium hat mit der<Barbarei» so viel und so wenig zu tun wie mit der Kultur», kann dochwohl nur als radikale Verneinung jeglicher wertvollen Gotteserkennt-

nis innerhalb der Denk- und Moralgeschichte der Menschheit ver-II61standen werden. Und vollenas deutlich wird Ihr Standpunkt durchden Satz: «Zwischen der Wahrheit Gottes und unserer Wahrheit be-steht nur Gegensatz, nur Enttueder-Oder. Der Weg von der alten zurneuen Welt ist kein Stufenweg, keine Entwicklung in irgendeinemSinne, sondern ein neues Geborenwerden.» Aber schließt es sich47aus, die Begründung des eigenen Christenstandes so zu empfinden -und doch anzuerkennen, daß Gott ihn auf einem Stufenwege hat wer-den lassen, auf welchem bereits ewige Werte geschenkt wurden? Er-innern Sie sich doch, wie Augustin vom Werden seines Christenstan-des erzfölt! 48

Zu Fragen IO und r +: Die Antworten, die Sie auf die hier gestelltenFragen geben, sind meines Erachtens die, welche sich infolge der Pro-blematik, in die Sie den christlichen Glauben hineinziehen, am wei-testen von dem evangelischen Christentum entfernen: der «Durch-gangspunkt» von der Gottlosigkeit zu Gott soll für jeden Christen solange dauern wie die «Zeit»; unser Glaube ist auch immer Unglaube;gerettet sind wir nur in Hoffnung; eine Verbindung dessen, was wirgut, wahr und schön nennen, mit dem Frieden Gottes besteht nurinsofern, als auch eine Scheidewand verbindet usw. Indem Sie dieseAntworten auf meine Fragen geben, sprengen Sie mit dem, was demChristentum noch mangelt und was wir alle kennen, den Besitz selbstund machen die Zuversicht, in der er leben darf, zu einer Illusion unddie Freude, die sein Leben erfüllen soll, zu einer Frivolität. Das wer-

" Im Abdruck von I957: «tnicht»+."' In den Biichern 1- 9 seiner Confessiones.

den Sie bestreiten; aber was Sie an die Stelle setzen, ist die Darstellungeines Gemütszustandes, der im besten Fall von einigen wentgen als««Friede Gottes» empfunden werden kann und der keineswegs dienotwendige Voraussetzung für alle christliche Demut ist.

Von hier aus wird auch Ihre Antwort auf Frage I2 verstänalich. Dasschlichte Evangelium, aus welchem heraus Jesus seine faßlichen undtrostreichen Parabeln zur Errettung der Seelen gesprochen hat, paßtIhnen nicht, vielmehr könne die christliche Predigt «wunderlicheWege dem menschlichen Denken und Reden nicht ersparen». Derwievielste wird Sie auch nur begreifen können, da Sie ganz und gar insublimster Psychologie und Metaphysik stecken? Wenn Sie aberdann49 überraschend auf Paulus und Luther überspringen, so ist mirnicht zweifelhaft, daß es auch heute noch jeder Christ leichter hat, derVerkündigung und dem Lebensbilde dieser Christen nachzuleben alsIhrer Botschaft. Doch - sind uns Paulus und Luther Vorbilder zurNacbabmungF ? Können wir uns in ihre Rüstung stecken? Müssenwir Kleinerenuns abquälen, das zuerleben,was sie er1ebthaben?1x7iEsist - lassen Sie mich auch einmal in «Problematik» reden - unsereKraft und unser Scbicksal zugleich, daß wir Paulus und Luther erlebthaben. Gegen dieses Schicksal ilft nur das Trostwort, das eben sie unszurufen: «Ich glaube eine Vergebung der Sünden.» 5o

Auf die s3. Frage haben Sie nicht geantwortet, sondern sich mitdem Hinweise darauf begnügt, die herrschende Theologie oder eineihrer Linien habe in den Sumpf der Psychologie des Unbewußtengefiihrt und in den Okkultismus hinein. Da meine Frage gar nicht anIhre Theologie, sondern an eine andere Adresse gerichtet war, kannich hier schweigen, muß aber doch bemerken, daß mit dem Okkul-tismus jede Verachtung der Vernunft und Wissenschaft5' nach göttli-cher Ordnung bestraft wird und daß jede Zeit nur eine Wissenschaftbesitzt.

Auch bei der I4. Frage vermisse ich eine runde Antwort. Vollziehtsichdie &'weckung des Glaubens, soferner die Erkenntnis der PersonJesu Christi als Mittelpunkt des Evangeliums einschließt, ohne Rück-

"' Im Abdi'uck von I957: Jann aber+»."' Im Abdruck von 1957: ««Ich glaube an eine ...)) Vgl. den 3. Artikel des

«iApostolischen Glaubensbekenntnisses»." Anspielung auf J. W. von Goethe, Faust I, V. s 8 5 I (Studierzirnmer).

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sicht auf dessen geschichtliche Person? Wenn diese Frage verneiyl1

werden muß, kann der Glaube gescbicbtlicber Erkenntnis dieser Per-

In vorzüglicher Hochschätzung

v. Harnack i+si

ANTWORT ütrp HERRN PROFESSOR VON HARNAcxS OFFENEN BRIEF

Vgl. Confessis AAugustana VII (BSLK, s. 6I).

son entraten? Wenn diese zweite Frage bejaht werden muß, kann kri

tisch-gescbicbtlicbes Studium derselben in Hinsicht des Glaubens et

was Abwegiges sein, ist es nicht vielmehr schlechthin notwendig? Was

Sie demgegenüber in bezug auf die Bibelwissenschaft andeuten, läßt

sich doch wohl auf die Formel bringen: Immer hat die radikalste Bi-

belwissenschaft recht, und Gott sei Dank, daß dem so ist; denn damit

sind wir sie los. Dieser aus der neuern Kirchengeschichte zweiter

Ordnung sattsam bekannte Standpunkt schafft den Freibrief für jede

beliebige Phantasie und für jede theologische Diktatur, die das Ge-

schichtliche unserer Religion auflöst und die Gewissen Anderer mitder eigenen Erfahrung zu foltern sucht.

Ich bedaure aufrichtig, daß Ihre Antworten auf meine Fragen nur

die Größe der Kluft zeigen, die uns trennt; aber weder auf meine noch

auf Ihre Theologie kommt etwas an, sondern allein darauf, wie das

Evangelium recht gelehrt wird.52 Wenn Ihre Weise zur Herrschaft

gelangen sollte, wird es aber überhaupt nicht mehr gelehrt, sondern

ausschließlich in die Hand der Erweckungsprediger gegeben, die i&

Bibelverständnis frei schaffen und ihre eigene Herrschaft aufrichten.

Hochgeehrter Herr Doktor!

Es bedarf keiner Versicherung, daß ich die ausführliche Bespre-

chung, die Sie meinenAntworten auf Ihre Fragen gewidmet haben, als

eine Auszeichnung empfinde, für die ich Ihnen zu Dank verpflichtet

bin. Trotzdem trete ich nur mit Zögern an die mir vom Herrn Schrift-

leiter als selbstverst:indlich zugewiesene Aufgabe heran, Ihnen auf

Grund Ihres Briefes weitere Auskünfte über meine theologischen

Gedanken zu geben. Sie stellen ja selbst fest, daß Ihnen meine Ant-

worten nur die Kluft gezeigt haben, die uns trennt. Ist es nicht nutzlos

und ;irgerlich, wenn ich Ihnen und wohl den meisten Lesern der

«Christlichen Welt» nun noch weitere R;itsel aufgebe? Meine Lage ist

auch in anderer Beziehung mißlich: Sie haben das erste Mal wirkliche

pragen gestellt, auf die ich als einer von denen, die es anging, so gut

oder schlecht es mir gegeben war, antworten mußte und konnte. In

Ihrem Brief aber treten Sie mir - und es liegt mir aufrichtig ferne,

Ihnen als meinem verehrten einstigen Lehrer das Recht dazu zu be-

5treiten - als der Fertige urfö Wissende entgegen, der nicht nur für

andere Antworten als die, die er selbst sich geben würde, sondern

auch für andere Fragen als seine eigenen auf Grund der Erfahrung und

des Nachdenkens eines reichen Menschenlebens keine Zeit und kein

Ohr mehr hat. Gibt es auf Ihre Feststellungen noch etwas zu antwor-

ten? Ist das Gespräch nicht beendigt? Aber da Sie mir sagen wollten -

woran ich allerdings nicht gezweifelt habe -, daß meine Antworten

nicht die seien, in deren Besitz Sie Ihre Fragen aufgestellt haben, bin

ich es Ihnen und den Zuhörern doch wohl schuldig, meinerseits zu

5ekennen, daß ich meine Antworten zwar selber als sehr diskutabel

ansehe und mir für die Zukunft und für den Fall besserer Belehrung

alles Weitere vorbehalte, daß mich aber Ihre Einwendungen doch dar-

in nicht irre machen können, zunächst in der füchtung jener Antwor-

ten - weiterzufragen. Lassen Sie mich also, aber etwas zusammenfas-

send diesmal, Punkt für Punkt noch einmal berühren. Zum eigentli-

chen Verständnis meines andauernden Widerspruchs müßte ich Sie

freilich - wie Sie es in fönlicher Lage gewiß auch tun wiirden - auf

meine und meiner Freunde Gogarten und Thurneysen (für die andere

1191 Gruppe der von Ihnen Interpellierten übernehme ich keinerlei

Verantwortung!) ausführlich vorliegende Schriften verweisen. Weni-

ger zu Ihnen als zum Publikum gewendet erlaube ich mir die Fest-

stellung, daß man auf die Länge doch auch uns nicht wirkungsvoll

widerlegen können wird, ohne uns ernstlich gelesen zu haben.

Sie sehen in dem, was Sie «wissenscbaft(icbe Tbeologie» nennen,«die einzig mögliche Weise, sich des Gegenstandes erkenntnismäßig

zu bemächtigen», und nennen sie «neu, weil sie erst seit dem I8. Jahr-hundert zu größerer Klarheit und Reife gekommen ist, alt, weil sie

begonnen hat, seitdem es denkende Menschen gibt». Ich hoffe, Ihnen

nichts unterzuschieben, wenn ich bei dieser durch den Verweis auf das

I8. Jahrhundert deutlichen Bestimmung annehme, daß für Sie (mit

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dem fatalen Geschlecht der «<Erweckungsprediger» überhaupt) vonden Reformatoren vielleicht nicht Zwingli und Melanchthon, wohlaber Luther und Cafüin als «wissenschaftliche Theologen» ausfa11e7zund daß Ihnen vollends der Gedanke, etwa den Apostel Paulus (nebendem, was er sonst war) ernsthaft als solchen in Anspruch zu nehmeH,ganz fremdartig ist. Aber wie dem auch sei, ich meine in alten undneuen Jahrhunderten «denkende Menschen» zu kennen, die als Theo-logen ganz und gar andere Wege gegangen sind als die seit dem y8,Jahrhundert als normal betrachteten und deren «Wissenschaftlich-keit» in Abrede zu stellen (wenn <«Wissenschaft1ichkeit» etwa «Sacb-licbkeit» bedeuten sollte!) mir sehr bedenklich scheint. Sie können (5

sich nur als überheblichen Nachahmungsversuch erkfüen, wenn mansich auf die Theologie des Paulus oder Luthers benift. Diesseits der<«Kluft» sieht derVorgangverh:iltnismäßig einfach so aus, aaß sich unsdie sachliche Überlegenheit dieser und anderer älterer Theologen, sowenig sie in das heutige Zunftschema passen, so unwiderstehlich auf-gedrängt hat, daß wir uns weder durch den Protest des Geistes derNeuzeit (der sich selbst vielleicht erst verstehen lernen muß!) nochdurch den von Ihnen geltend gemachten Glauben an die Vergebungder Sünden(!) von der Pflicht entbunden fühlen können, ihren prin-zipiellen Ansatz ernstlicher auf seine allfällige Berechtigung hin inErwägung zu ziehen, als es speziell in der letzten Epoche der Theo-logie trotz aller Paulusforschung und Lutherbegeisterung geschehenist. '[Jm Repristinationen kann es sich dabei grunds;'tzlich nicht han-deln. Ich habe zwar die Privatansicht, daß die Übung im Repristinie-ren eines klassischen theologischen Gedankenganges, die zur Zeit dermitte1alterlichenund protestantischen Scholastikizoi «Theologie» hieß,wahrscheinlich instruktiver war als der chaotische Fakultätsbetriebunserer Tage, dem der Begriff eines maßgeblichen Gegenstarides vorlauter Maßgeblichkeit der Metbode fremd und ungeheuerlich gewor-den ist. Aber ich meine auch zu wissen, daß dasselbe nicht wiederkeh-

ren kann noch soll und daß wir in unserer Zeit für unsere Zeit zudenken haben. Auch darum handelt es sichwirklich nicht, speziell diein den letzten Jahrhunderten ausgebildete historisch-kritische Me-thode der Bibel- und Geschichtsforschung von der theologischenArbeit fernzuhalten, sondern danim, sie und die clurch sie bedingteVerschärfung der Fragestellung jener Arbeit in sinnvoller Weise ein-

zuordnen. Ich meine das in meinen Antworten 2, 3 und I4 gesagt zuhaben und darf doch wohl ein wenig staunen darüber, daß Sie mirimmer noch zur Last legen, ich betrachte die kritische Bibelwissen-schaft als etwas «Abwegiges», ichwolle sie JOS)) sein und müsse daherWegen Verachtung von Vernunft und Wissenschaft mit der «nachgöttlicher Ordnung» auf solches Vergehen gesetzten Strafe des Ok-kultismus bedroht werden. Wogegen ich mich zur Wehr setzen muß,das ist nicht die historische Kritik, wohl aber die auch Ihre heutigenÄußerungen charakterisierende Selbstverst;indlichkeit, mit der mandie Aufgabe der Theologie erttleert, das heißt an die Stelle dessen, wasdie Alten «<das Wort» (die Korrelation von <«Schrift» und «Geist»>)nannten, dies und jenes durch die historische Kritik jenseits der«Schrift» und abgesebert vom «Geist» eruierte sogenannte ««scb)icbteEvangelium>» gesetzt hat, ein Evangelium, das nur noch tropisch«<Wort Gottes» genannt werden kann, weil es tatsächlich bestenfallsein menschlicher Eindruck davon ist. Der Sie und Andere so absto-ßend anmutende Satz, daß die Aufgabe der Theologie eins sei mit derAufgabe der Predigt, istfür mich als Programmsatz (zu dessenDurch-führung freilich nochVieles zu'überlegen ist) unvermeidiicb. Ich setzedabei allerdings als zugestanden voraus, daß auch der Prediger vonRechts WegeIl «das Wort» zu verkündigen hat und nicht etwa seineeigenen Erfahrungen, Erlebnisse, Maximen und Reflexionen53. Daß«durch das Wort des Christus» (das «des» ist mir sehr gleichgültig!)die Wahrheit der Predigt und der Glaube kommt, haben Sie ja einge-r:iumt. Ist aber dies «Wort» wiederzugeben die Aufgabe des Predigers,so ist dies auch clie des (mit jenem in mindestens virtueller Personal-union befindlichen) Theologen. Die taktisch-praktischen Verschie-denheiten der Ausführung sind selbstverst:indlich, und ebenso, daßEiniges auf das Katheder gehört, was auf der Kanzel unterbleibenkann,izxiundumgekehrt.Das ThemadesTheologenaber,demerinderGescichte nachzugehen und um dessen seiner eigenen Lage ange-messenen Ausdruck er zu ringen hat, kann keine zweite Wahrheitneben der Wahrheit sein, die ihm als Prediger zu vertreten obliegt. Das

" Zwei Begriffe, mit denen Goethe x8zz eine Reihe von Spichen und Be-trachtungen überschrieb und mit denen später das ganze Goethesche Spruch-werk in Prosa benannt wurde.

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Aufgabe des Theologen und des Predigers seine Richtigkeit hat, als

Thema des Einen wie des Andern ganzlicb ausf, das ist mit Allem,

was bloß menschlicher Eindnick und nicht Wort Gottes ist, ein

«<scblicbtes EvangeJium», das als angebliche «Offenbarung» in d(y

Bibel übrig bleibt, nachdem der in der Korrelation von «Schrift» uld

«Geist» gegebene zureichende Erkenntnisgrund aller Offenbarung

grundsätzlich ausgeschaltet vvorden ist.

Aber hier setzt nun Ihre kategorische Erklärung ein, daß Ihnen

mein «<Begrif der Offenbarung» «total (von Ihnen gesperrt!) unVer-

ständlich» sei. Sie hatten (Frage I) gefragt, wie es zur «Feststellung des

Inhalts des Evangeliums» kommen könne ohne geschichtliches Wis-

sen und kritisches Nachdenken. Ich habe darauf geantwortet: r. (Ge-

scichtliches Wissen!): Das Evangelium selbst bekundet, daß diese

Feststellung exklusiv durch eine Handlung (durch ein Tun und Re-

den) dieses «Inhalts» (Gottes oder Christi oder des Geistes) selbst

geschieht. Einzelne Belegstellen für diese These werden Sie gevtiß

nicht von mir verlangen. 2. (Kritisches Nachdenken!) Es kann nicht

wohlgetan sein, diese Ordnung umzukehren und aus dem «SO spricht

der Herr» ein «So hört der Mensch» zu machen. Gibt es einen Weg zu

diesem «Inhalt», so muß der Inhalt selbst der Weg, die redende Stim-

me auch das hörende Ohr sein. Alle andern Wege führen nicht zu

diesem Ziel, alle andern Ohren 5ören nicht diese Stimme. Daß nun

Gott selber wie allein das Ziel, so auch allein der Weg ist, das ist, wie

ich Ihnen gerne einräume, mirwie Ihnen «totzzfunverst;indlich», nicht

nur «Nebel», sondern, mit Luther zu reden, Finsternis.54 Würden Sie

mir sagen, daß man an einen Weg Gottes zu urzs, dem augenscheinlich

kein Weg von uns zu Gott entspricht (denn er ist immer wieder aufs

exklusivste der Weg Gottes zu t,ms), nicht «glauben» könne, so könnte

Barth griff diese Formulierung Luthers auch I928 in seinem Artikel Das

Wagnis des Glaubens auf (Abdruck und Nachweise in V.u.kl.A. I925 -xg3o,

76

ich Ihnen nur antworten, daß ich im Innersten meines Herzens genau

so denke. Aberliegt es nicht, ganz abgesehenvondem, was dielzziBibel

auf allen Seiten davon sagt, schon im Begrife der Offenbarung (und

ZWar wirklich nicht nur in meinem Begriffe!), daß man sie nicht «glau-

5(n» kann? Wäre es, wenn «Offenbarung» etwa nur die Bezeichnung

für eine höchste oder tiefste, aber immerhin möglicbe menscMicbe

Entdeckung sein sollte, nicht besser, auf dieses volltönende Wort zu

y(.rzichten? Oder sollten wir Theologen, wenn wir dies rzicbt wollen,

Bicht den Mut fassen, unsre Theologie anfangen zu lassen mit der

vielleicht grundskeptischen, aber jedenfalls klaren Erinnerung an das

aLLerdings «total unverständliche», unhörbare und unglaubliche, at-

lerdings :irgerniserregende Zeugnis, daß Gott selbst etwas gesagt und

getan hat, und zwar ein Neues außerhalb der Korrelation aller

menschlichen Worte und Dinge, aber als dieses Neue in diese Kor-

relation hineingestellt, ein Wort und Ding neben andern, aber dieses

Wort und dieses Ding?Ich rede jetzt nicht von der Möglichkeit, dieses

Zeugnis anzunehmen, ich frage nur, ob wir nicht zunächst einmal viel

nüchterner recbnen sollten mit der Tatsache, daß das sogenannte

Christentum mit diesem Zeugnis seinen ersten uns erkennbaren An-

fang genommen hat? Dieses Zeugnis, das durch die historische Kritik

nicht genugin sich zergliedertwerden kannund das darum doch nicht

auföören wird, dieses Zeugnis zu sein, nenne ich in seiner Totalität die

«Schrift». Wobei mir die Frage der Abgrenzung der «Schrift» gegen-

über - anderen Schriften eine sekund:ire Frage zu sein scheint. Sofüe

eine außerkanonische Schrift dieses (aber wirklich dieses!) Zeugnis in

bemerkenswerter Weise enthalten, so kann eine Unmöglichkeit a

priori, dieses Zeugnis auch durch sie reden zu lassen, nicht bestehen,

im Gegenteil. Von dieser Feststellung bis zur Kanonisierung des

«Faust»55 etwa ist ein weiter Weg, den eine einsichtige Kirche eben

rxicbt gehen wird.

Also die Schrift bezeugt Offenbarung. Man braucht ihr nicht zu

glauben; man kann das auch nicht. Aber man sollte auch nicht daran

rütteln, daß sie Offenbarung bezeugt, und zwar ecbte Offenbarung,

nicht eine mehr oder weniger verhüllte religiöse Menschenmöglich-

" Anspielung auf die Hochschätzung Goethes und seines ««Faust» durch

liberale Theologen. Vgl. z.B. auch Bw.Th. II, S. 33o.

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keit, sondern die Möglichkeit Gottes, daß er gehandelt hat in d@yHülle einer Menschenmöglichkeit - und dies als Wirklicl.»keit. DasZeugnis lautet, daß das Wort Fleiscb ward56, Gott selbst menschlichgeschichtliche Wirhlicbkeit, und zwar in derPerson Jesu Cbristi. Ab(ydaraus folgt für mich keineswegs, daß dieses Geschehen auch Gegenstand menschlich-geschichtlicher ErJeenntnis sein kann, sondern ge-rade das ist, weil und sofern es sich um aiese Wirklichkeit handelt,ausgeschlossen. Die allenfalls historisch er-z3ikennbare Existenz einB5Jesus von Nazareth zum Beispiel ist nicht diese Wirklichkeit. Auchein historisch erkennbares, weil menschlich einleuchtendes, ein keinÄrgernis bereitendes und also wohl in Ihrem Sinne «schlichtes Evan-gelium», ein Wort oder eine Tat dieses Jesus, die wirklich nichts An-deres w;ire als die Realisierung einer menschlichen Möglichkeit, wärenicht diese Wirklichkeit. Ich bezweifle freilich, daß es an irgendeinemerheblichen Punkt, auch nur historisch betrachtet, möglich ist, ein

Wort oder eine TatJesu von dem Hintergrund JieserWirklichkeit, dasheißt von der die Offenbarung unt4 damit auch das Ärgernis bezeu-genden Schrift zu lösen und als «schlichtes Evangelium» in IhremSinne aufzufassen. Warum ich dies zum Beispiel in bezug auf das Ge-bot der Gottes- und Nächstenliebe für unmöglich halte, habe ich dasletzte Mal in Antwort 5 angedeutet und bin von Ihnen deswegenwohlgestraft, aber nicht widerlegt worden. Ich kann jetzt auch gegen Ihre

Bezeichnung der Gleichnisse Jesu als «faßlicher und trostreicher»Parafüln nur im Vorbeigehen Protest einlegen und hoffe beide Malewenigstens einige Historiker auf meiner Seite zu haben. Aber selbstwenn es Ihnen gelingen sollte, den einen oder andern Punkt der Über-lieferung für Ihre Auffassung in Anspruch zu nehmen, so würde dar-aus nur folgen, daß dieser Punkt nicbt oder nur im Zusammenhangmit andern Gegenstand des Zeugnisses, des Kerygmas ist, das dochwohl auch nach Ihrem Urteil der alleinige Sinn der neutestamentli-chen Schriftstellerei gewesen ist. Der Gegenstand des Zeugnisses aber

ist von den Aposteln und Evangelisten selbst so sehr als Offenbarung,als Handeln Gottes selbst kenntlich gemacht, so sehr in eine höchstunscMichte Verborgenheit geickt, so sehr gegen alles direkte Verste-henwollen gescbützt worden, daß nicht nur alle offenkundig auf die-

"' NachJoh. I,14.

Sen <«Mittelpunkt des Evangeliums» hinweisenden Aussagen, wie sieetWa im zweiten Artikel in ein bedenklich drohendes Bündel zusam-mengerafft sind, sondern wahrhaftig auch die «Bergpredigt», dieGleichnis- und Streitreden Jesu, die Leidensgeschichte einer vorsich-tigen Betrachtung nur das Urteil übrig lassen, daß von einer direktengeschichtlichen ErkennJgarheit der hier behaupteten geschichtlichenSVirklicbkeit (der Offenbarung!) keine Rede sein kann. Erkennbar istimmer nur das Andere, das die historische Umgebung der behaupte-ten Offenbarung bildet. Jenseits dieses Andern fällt der Schlagbaum,und es droht das Ärgernis, die Fabel oder - das Wunder. Die ge-schichtliche Wirklichkeit Christi (als der Offenbarung, als des <«Mit-telpunkts des Evangeliums»!) ist nicht der «historischeiz4iJesus»i deneine allzu eifrige Geschichtsforschung unter Umgehung jener in denQuellen selbst aufgerichteten Warnungen hat feststellen wollen (umguf eine Banalit;it zu stoßen, die man vergeblich als Kostbarkeit aus-gerufen hat und ausrufen wird), freilich auch nicht ein, wie Sie sagten,«ertr:iumter» Christus, wohl aber der Auferstandene, oder sagen wir,zurückhaltend um unsres Kleinglaubens willen: der als der Aufer-standene bezeugte Christus. Das ist «der evangelische, der geschicht-liche Jesus Christus», und anders, nämlich abgesehen von diesemZeugnis von ihm, abgesehen von der Offenbaning, die hier geglaubtwerden müßte, <tkennen wir ihn jetzt nicht mehr». In diesem Sinnemeine ich mich auf z.Kor.5,i6 (xatä aäpxa gehört wohl zu%vtoxapev)57 legitim berufen zu diirfen. An der entscheidenden Stelle,nämlich bei der Beantwortung der Frage: was Jesus zum Christusmacht? durcb die Auferstehung58, wird also, vom Menschen aus ge-sehen, in der Tat nur Ihr «totafünverständlich» übrigbleiben. Und ichgestehe Ihnen gerne, daß ich mich dem Nein, der Verweigerung desGlaubens, die Sie auf Gnind dieses Tatbestandes proklamieren, immernoch hundertmal lieber anschließe als den Künsten einer «positiven»Theologie, die darauf liinauslaufen, das Unverständliche unter derHand doch wieder als ganz selbstverständlich und einleuchtend er-scheinen zu lassen: eine Entleerung und Verleugnung der Offenba-rung, die mit ihrem scheinbaren Bekenntnis dazu schlimmer ist als die

' Die Erläuterung in Klammern ist im Abdruck von sg57 weggefallen."" Im Abdruck von I957: «durch den Hinweis auf die Auferstebung+».

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bitterböseste Glaubensverweigerung, die jedenfalls den Vorzug d(y

Sachgem;ißheit hat. In diesem Sinne ist aber auch meine Sympathie-

erklärung für die «radikalste» Bibelwissenschaft gemeint. Die refor-

matorische Theologie hatte diese negative Disziplin darum nicht nö-

tig, weil sie noch den Mut hatte, das Ärgernis der Offenbarung nicbt

zu umgehen, und darum die Frage nach einem historisch erkennbaren

Mittelpunkt des Evangeliums überhauptnicht aufwarf. Wirbaben Bi(

nötig, weil wir auf der Flucht vor dem Argernis auf diese unmögliche

Frage verfallen sind. Uns a posteriori klar zu machen, daß es so nicbt

geht, daß wir es in der Bibel mitZeugnissenund immerwieder»«rmit

Zeugnissen zu tun hafün, darin sehe ich die theologische Funktion

speziell der historischen Kritik. Und ich stelle fest, daß dies die Funl(-

tion ist, die sie seit den Tagen D. Fr. Straußens59 tatsächlich unter unS

erfüllt hat, trefflich in ihrer Art, wenn auch weithin nicht verstanden

und vor allem selber nicht wissend, was sie tat.

DieAnnabme nun dieses unglaublichen Zeugnisses der Schrift nen-

ne ich den Glauben. Wobei ich wiederum nicht zugeben kann, daß

dies ein Fündlein meiner Theologie sei, sondern frage, was denn,

wenn wir vonlzsl Sentimentalitäten absehen wollen, Glaube etwa an-

deres sein könnte als der Gehorsam, den ich einem menschlichen

'!Xlort schenke, das mir Gottes «ort als an mich gerichtet bezeugt, als

wäre es selber Gottes Wort. Daß dies ein unerhörtes Geschehen ist,

daß nun vom beiLigen Geist die Rede sein muß, wenn nicht alle die

Einwände zu Recht bestehen sollen, die uns Herrmann gegenüber

einem «Fürwahrhalten» historischer Dinge a%eseben von diesem

Erkenntnisgrund eingeh;immert hat6o, darüber darf man sich hier

nicht täuschen. Ich unterscheide danim den Glaufün als Gottes Werk

an uns (denn nur Gott kann uns hörbar sagen, was wir nicbt Mren

können, s.Kor. 2,9) von allen bekannten und unbekannten mensch-

lichen Organen und Funktionen, auch von allen unsern sogenannten

«Gotteser1ebnissen». Ist das [eine]" so unerhörte Neuigkeit? Muß ich

als Reformierter die Frage aufwerfen, ob Luthers Erkffirung des drit-

"" DavidFriedrichStrauß(r8o8-i874),BeginderderradikalenBibe1kritik:

Das L4en Jesu, kritiscb bearheitet, Tübingen I835/36.

"o Vgl. Barths Ausführungen in seinem Vortrag Die dogmatiscbe Prinzipien-

Lebre bei WilbeLm Herrmann (V.u.kl.A. 15z2 -I925, bes. S. 5g7 und 6oxf.).61 -

So erganzt im Abdruck von sg57.

ten Artikels im kleinen Katechismus62 eigentlich gilt oder nicht gilt?

Und sollte es Ihnen nicht einleuchten, daß eben durch die unbedachte

preisgabe dieses Glaubensbegriffs um das Linsengericht eines weniger

paradoxen dem anthroposophischen Tohuwabohu von Glauben und

okkulten «Fähigkeiten» des Menschen, dem die offizielle Theologie

docheinfachratlosgegenübersteht,TürundTorgeöffnetwordenist? -

Es muß so sein: Alles, was sich gegen die Möglichkeit der Offenba-

ning sagen läßt, läßt sich mit gleichem Gewicht auch gegen die Mög-

lichkeit des Glaubens sagen. 'Und dann muß als die zweite ausge-

schlossene Möglichkeit die übrig bleiben, daß der Gott, der nach dem

2eugnis der Schrift «das Wort des Christus» gesprochen"", eS durcb

das Zeugnis der Schrift, in Kraft gesetzt durch das testimonium spi-

ritus sancti internum, auch zu mir spricht, daß ich es böre und, indem

ich es höre, glaube. Sollte dies nun die «Theorie vom exk]usiven in-

neren Wort» sein oder eine von den «vielen andern subjektivistischen

Theorien»? Sie haben in Frage 3 selbst von Emeckurtg des Glaubens

geredet. Ich stimme zu, aber in der Meinung, daß es sich dabei, wie in

der «faßlichen und trostreichen Parabel» vom verlorenen Sohn Luk.

s 5,3z vorgesehen, um die Erweckung eines Toten, also ebenso wie bei

der Offenbarung um das 'Xlunder Gottes handelt. Zu einer andern

Objektivit:it als der hierdurch oder durch die Korrelatbegriffe

«Schrift» und «Geist» bezeichneten habe ich allerdings kein Zutrauen

und am allerwenigsten zu dem Papat einer Wissenschaft, die ihre un-

bedingte Superiorität gegenüber dem subjektivistischen Treiben der

«Erweckungsprediger» erst durch Taten bewfören müßte. Bz61

Aber nun haben auch Sie, hochgeehrter Herr Doktor, den Schatten

Marcions gegen mich beschworen mit der Behauptung, daß ich «das

Band zwischen dem Glauben und dem Menschlichen zerschneide».

Darf ich fragen, wie Sie das aus meinen Antworten 2 und 3 begin-

den? Habe ichwirklich mit jenen menschlichen Organen, Funktionen

und Erlebnissen «tabula rasa» gemacht? Jedenfalls denJr-e ich gar nicht

daran, das zu tun. Ich meine wirklich auch zu wissen, daß der Mensch

glaubend oder nicht glaubend weiterlebt: als Mensch, in der Zeit, in

der Welt der Dinge, von ihm aus gesehen immer ausschließlich auf

' WA 3o I, 367f.

"' Vgl. Röm. xo,i7b.

8o 8I

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seine eigenen menschlichen Möglichkeiten angewiesen. Ich mein@

auch das zu wissen, daß des Menschen Glaube jeden Augenblick reSt-

los bestimmbar ist als «innere Aufgeschlossenheit»i «Erfahrung»,

«Erlebnis», «Religion», «geschichtliches Wissen», «kritisches %;1(6

denken» usf., gerade wie ja auch das Zeugnis von der Offenbarung

restlos gedeutet werden kann, ja gedeutet werden muß (sofern nicht

Gott se]bst dazwischentritt!) als ein Stück unerfreulich dunk]er

menschlicher Geistes- und Kulturgeschichte. Ich würde nun hier wie

dort gerade nicht «abschneidem> (was ein ganz sinriloses Unterneh-

men wäre!), sondern sagen: Das Menschliche ist das Relativum, das

Zeugnis, das Gleichnis - also nicht, wie es jedenfalls in der Konse-

quenz Ihrer Sätze liegt: auf irgendwelchen Spitzen und Höhen der

Entwicklung selber das Absolute!, wohl aber der (verstandene oder

unverstandene) Himueis auf das Absolute. Danach wäre also das ßi-

storisch-psycho1ogisch Faßbare, das wir an uns selbst und Andern als

«Glauben» kennen, Zeugnis und Symptom jenes Werks und Wunders

Gottes an uns, des Glaubens, der, durch Jas Wort» geschaffen und irl

«das Wort» vertieft, mit Luther zu reden, unsre Gerechtigkeit vor

Gott selbst ist.'4 Gerade wie dann die Religionen der Bibel, bei denen

ja Ihre erste Frage einsetzte, Zeugnis und Symptom w;iren der ge-

schichtlichen Wirklichkeit der Menschwerdung Gottes. Der Er-

kenntnisgrund beider aber: des rechtfertigenden Glaubens und der

Offenbarung, wäre das Handeln Gottes durch sein Wort an uns. Ob

ich Ihnen so wirklich nicht deutlichwerde?-Aber, und hier meine ich

auf den Nerv aller Ihrer Einwände zu stoßen: an dem Zeugnisch.trak-

ter alles dessen, was hier wie dort in der Zeit und vom Menschen aus

geschieht, lasse ich mir nun allerdings genügenb5 und negiere aus-

dicklich die Möglichkeit, irgendwo und irgendwie, sei es in der Ge-

schichte, sei es in uns selbst, ein ReIatives als absolut zu setzen, Kier-

kegaardisch geredet: vom Zeugnis zur «direkten Mitteilung» über-

zugehen66,iz7idie,wennichdieBibeIunddieReformationnichtgänzlich

" %l.z.B.InepistolamPauliadGalatasCommentarius(s5v)):««iustic'aestfides Jesu Christi [...]++ (WA z,5o3,36)

"' Vgl. z. Kor. 12,9.

" S. Kierkegaard, AbscbLi4ende urmissenscbafthcbe Nacbscbrift zu den

Pbilosopbiscberx Brocken. Erster Teil, Gesammelte Werke, I6. Abt., Düssel-

dorf/Köln I957, S. 269; ders., Einübung ins Cbristentum, Gesammelte Werke,

z6. Abt., Düsseldorff/Köln o.J., S. s 3 5ff.

IHißverstehe, im exklusivsten Sinne Gottes Sache sein und bleiben

Inuß. Denn daß die Ewigkeit Zeit, das Absolute relativ, Gott Mensch

wird (und damit - nur damit! - jedesmal auch das Umgekehrte!), daß

also die Sache mit dem Zeichen und damit das Zeichen mit der Sache

zusammenfällt, wie es Luther in seiner Abendmah1s1ehre67 in letzter

ßinsicht, aber streifend an die natürlich-titanische Überhebung des

fiomo religiosus behauptet hat, das ist nur wahr als Wort und Werk

Gottes, als Handlung der Trinität selbst, die nur als offenbart bezeugt

Bnd geglttubt werden kann, nie und nimmer aber als historisch-psy-

chologische Wirklichkeit, die etwa irgendwo in unserm religiösen

Erleben, in den Peripetien unsres Gewissens, in den Beziehungen

zwischen Mensch und Mensch, und wenn es die reinsten wären, in

den Gottesgedanken Goethes und Kants oder welche Türme mensch-

licher Gott;ihnlichkeit Sie immer nennen mögen, direkt erkennbar

werden. Wird sie erkennbar, hier oder dort, so ist das Wunder ge-

schehen, das wir nicht leugnen, mit dem wir aber auch nicht wie mit

einer Möglichkeit oder gar wie mit einer allgemeinen Wahrheit recb-

nen dürfen, sondern das wir, wenn es da ist (als das Wunder Gottes da

ist!), anzubeten haben. Mein Gegeneinwand gegen Ihren Vorwurf des

««Abschneidens», den ich nicht als gerecht anerkenne, lautet also da-

hin, daß Sie durch die Kontinuität zwischen dem «Menschlichen» und

dem Glauben, die Sie behaupten, den GLauben ebenso entleeren, wie

durch die von Ihnen behauptete Kontinuität zwischen der Geschichte

und der Offenbarung die Offenbarung entleert wird. Ich schneide

nicht ab, ich bestreite aber auch jede Kontinuität zwischen hüben und

drüben; ich behaupte eine dialektische Relation, die auf eine nicht zu

vollziehende und darum auch nicht zu behauptende Identität hin-

weist. Lediglich Gleicbniswert ist darum den Stufenwegsbildern zu-

zumessen, die die «christliche» Biograpbie aller Zeiten (die trotz Au-

gustin oder vielmehr gerade im Blick auf ihn als ein ebenso verhei-

ßungsvolles wie zweideutiges Unternehmen zu bezeichnen ist) uns zu

entrollen pflegt, lediglich Gleicbnisswert den Bemühungen und Erfol-

gen der «christlichen» Padagogik, die das Heidentum wahrhaftig und

' Vgl. Barths Aufsatz Ansatz und Absicbt in Lutbers Abendmablslebre

(x5iz3) in: V.u.kl.A. 1922-v)z5, bes. S. 26I mit dem Verweis auf WA z,ü4,x:

«tChristus ist das Brot».

8z 83

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mit Grund noch zu keiner Zeit losgeworden ist und der man Ehre und

nicht Unehre antut, wenn man sie unter die Hoffnung und unter das

Gericht von Joh. 6,44 stellt, lediglich Gleicbniswert aber auch allem

«christlichen» Protest gegen die Welt, der als menschliches Unterneh

menjawirklich (wanimverlangen Sie die Konsequenz derTollheitvH

mir?iz8i ich wiederhole in aller Form meine «gewundene» Antwort:)

nur ein mehr oder weniger «radikaler» Protest, ein «halbschlächtiges»

Protestlein, eine Demonstration, eine Geste sein, nie und nimmer aber

dasVergehendieserWe1tunddas Kommendes Reichesvorwegnehmen

und realisierenwollen kann. Gleichnis, Gleichnis nur kann alles «Wey

den» sein gegenüber der Geburt vom Tode zum Leben, durch die wir

allein - aber nur auf dem Wege, den Gott selbst geht und ist - von der

Wahrheit des Menschen zu derWahrheit Gottes kommen.

Sie wollen (immer im Zusammenhang der Anklage auf Marcioni-

tismus) eine «ganze» Antwort von mir auf die Frage, «ob Gott alles

das schlechthin nicht ist, was aus der Entwicklung der Kultur und

ihrer Erkenntnis und Moral von ihm ausgesagt wird». Es sei denn;

aber ich darf Sie dann wohl bitten, wirklich meine ganze Antwort zu

hören. Also: Neirt, Gott ist «alles das schlechthin nicht», so gewiß der

Schöpfer nicht das Geschöpf oder gar das Geschöpf des Geschöpfes

ist. Aber eben in diesem Nein, das nur im Glauben an die Offenba-

rung ganz scharf ausgesprochen werden kann, erkennt sich ja das

Geschöpf als Werk und Eigentum des Schöpfers, eben in diesem Nein

wird Gott als Gott erkannt, als der Ursprung und das Ziel auch der

Gedanken, die der Mensch sich in der Finsternis seiner Kultur und

Unkultur von Gott zu machen pflegt, eben dieses durch die Offen-

baning endgültig gesetzte Nefö ist nicht ohne «das tiefe heimliche Jaunter und über dem Nein», das wir «mit festem Glauben auf Gottes

Wort fassen undhalten» sollen «und Gott recht gebenin seinem Urteil

wideruns, so haben wir gewonnen». Also so steht es mit diesem Nein:

«eitel Ja ist drinnen, aber gar68 tief und heimlich, und scheint eitelNein.» Welcher «Kontrastlüstling» mag das gesagt haben? Kierke-

gaard oderDostojewski?Nein, Lutber ! E.A. I I,I2C).69 Ist Luther etwa

auch des Marcionitismus verd;ichtig?Nach Zwingli ja7o, aber ich den-

"" So auch in Barths Exemplar der CW korrigiert aus «je».

" WA x7/II,zo3,z7f. (Fastenpostille x5»5 zu Matth. I5,2I-z8).

'o Vgl. H. Zwingli, Recbenscbaft über den GLauben (i53o), Scbriften IV,Zürich I995, S. tz3.

l((;, Sie werden ihn mit mir besser verstehen als so, und warum solltenSie dann nicht nebenbei auch7' micb etwas besser verstehen? Sollte das%enschliche wirlclich dadurch bedeutungslos werden, daß im Glau-5B an die Offenbarung seine Krisis anbricht, die alle Identifizierun-gen zwischen hübenund drüben-immer abgesehen von der einen, die

auSZuSagen unS nicht geziemt (von dem i.Kor. I 5,z8 vorgesehenenßyide aller Dinge) - endgültig verunmöglicht? Sollte es nicht geradedadurch bedeutungs- und verheißungsvoll, erst wichtig und möglichwerden, daß es aus dem Zwielicht vermeintlicher Erfüllung in das

Licht wirklicher Izgl Hoffnung geriickt wird? Sollte es uns wirklichriicbt genügen, im Vergänglichen das Gleichnis des Unvergängli-

(hen72 zu haben und anzuschauen, darin zu leben und dafür zu ar-

beiten, uns als Menschen zu freuen, daß wir wenigstens das G(eicbnis

paben, und als Menschen darunter zu leiden, daß es nur das Gleichnis

i5t - obne doch das «Verschlingen des Todes in den Sieg»"" in einem

unechten Ewigkeitsbewußtsein vorwegzunehmen, gerade weil das

große zeitliche Significat dem größeren ewigen Est74 gilt und nichts

Anderem? Habe ich wirklich «tabula rasa» gemacht?

Ja, Sie sagen es, hochgeehrter Herr Doktor, und müssen wissen,=u»arum Sie es sagen, obwohl Sie es aus meinen Äußerungen nicht

begründen können. Ich fürchte hier, gerade hier müssen Sie mich

wirklich mißverstehen, auch wenn wir uns über Offenbarung und

Glauben einigen könnten. Wie kommt es, daß Sie gerade hier, wo es

gerade um die existentielle Frage unsrer Stellung zu Gott und Welt,

um die Bewährung75 des Offenbarungsglaubens in der Hoffnung

geht, die Rolle des Verteidigers der Wissenscbaft ganz unzweideutigvertauschen gegen die des Verteidigers des sogenannten christlichen

«Besitzes»? Was soll die Klage über die «Sublimität» meiner Meta-

physik und Psychologie, als ob Ihnen nun auf einmal Gemeinver-

" So in Barths Exemplar der CW korrigiert aus ««doch»."' Anspielung auf den «Chorus mysticus» am Schluß von Goethes Faust II

(V. üxo4f.)." Nach s. Kor. s5,55." Begriffe aus dem Abendmahlsstreit des i6. Jahrhunderts. Significat: Brot

und Wein bedeuten Leib und Blut Christi, Est: Sie sind Leib und Blut; vgl. oben

Anm. 5 5.' Im Druck von I957: «iBewahrung».

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Page 19: KARL BARTH . GESAMTAUSGABE KARL BARTH OFFENEBRIEFE … · hrsg. von Hans-Anton Drewes. - Zürich : Theol. Verl. 5. Briefe Offene Brief'e I909-I935 / hrsg. von Diether Koch. - zoox

standlicbkeit der Maßstab der rechten Theologie wäre? Was soll das

Feststellen der Distanzen, die mich hier mehr, hier weniger vom s

genannten «evangelischen Christentum» trennen sollen, als handle (;5

sich in unserem Gespr;ich auf einmal um die Cbristlicbkeit meiner

Theologie? Was soll der Vorwurf der <«Anpreisung» 76 eines Ihnen un-

sympathischen «Gemütszustandes», wo doch Ihr wissenschaftliches

Bedenken dahin zielte, daß bei mir weder Offenbarung noch Glaube

in der bekannten «schlichten» Weise als Gemütszustand verständlicp

gemacht wird, der <«Gemütszustand» also offenbar von Ihnen hier in

die Debatte getragen ist? Was sollen alle die starken Worte von «Il-

lusion», «Frivolität», «Kontrastlüstlingen» usf., wo Sie doch sicher

das Recht nicht bewiesen haben, aus meinen vielleicht unbefriedigen-

den, aber jedenfalls vorsichtigen Antworten, solche tumultuarische

Folgerungen und Anklagen abzuleiten? Wie soll ich mir diesen Über-gang von der Belehrung zur Bestrafung erkfüen, wie darauf antwor-

ten? Sie erraten gewiß, daß auch ich mir meine zornigen Gedanken

mache über den Zusammenhang zwisclien dem rnissenscb4lichenCharakter Ihrer Theologie, der Sie zur Ablehnung dessen, was ich

(und nicht nur ich) Offenbaning und Glauben nenne, nötigt, und

ihrer Cbristlicbkeit, diesichdarin;iußert,daß das paulinischei3oi«geret-

tet in Hoffnung»77 als «Problematik» verdächtigt werden muß. Auch

ich w;ire also in der Lage, gerade an dem Punkt, wo das Mißverständ-

nis zwischen uns hoffnungslos scheint, stärkste Bedenken anzumel-

den und schärfste Worte auszustoßen. Aber was würde ich damit tun,

als diese Hoffnungslosigkeit auch meinerseits zu besiegeln, und das

soll man nicht tun. Es wird auch sonst in jeder Beziehung besser sein,

wenn ich hier Halt mache.

" Nach einem handschriftlichen Vermerk in einem Belegexemplar Barths

hatte der hier gemeinte Satz «im ersten Dnick» so gelautet: «was Sie an die

Stelle setzen, ist die Anpreisung eines Gemütszustandes++ (vgl. oben S. 7o).

Offenbar hatte Rade am 28.2.I923 Barth einen Fahnenabzug von Harnacks

offenem Brief zugesandt (vgl. Karl Bartb - Martin Rade. Ein BriefiuecbseL,

hrsg. von Chr. Schwöbel, Gütersloh I98I, S. i87), der in der CW am 8.3. andieser Stelle verändert im Di'uck erschien. Nur an dieser Stelle? Da es sich um

den einzigen Vermerk dieser Art handelt, kann man nur vermuten, daß in der

Fortsetzung des Satzes, wo jetzt etwas blaß von «einigen wenigen» gesprochen

wird, ursprünglich kräftiger von den ««Kontrastlüstlingen» die Rede war, die

Barth zweimal ei'wähnt.

" Nach Röm. 8,z4.

Noch einmal: Ich gedenke nicht, mich in den Stellungen zu ver-

steifen, in denen ich mich Ihnen, hochgeehrter Herr Doktor, und

unSern freiwillig-unfreiwilligen Zuhörern in diesem Gespräch gezeigt

habe, schon weil ich weiß, wie erschütternd relativ Alles ist, was man

über den großen cegenstand, der Sie und mich beschäftigt, sagen

kann. Ich weiß, daß es nötig sein wird, noch ganz anders davon zu

reden, als es meiner jetzigen Einsicht entspricht, und ich möchte auch

iH Zukunft aufmerksam auch auf das, was von Ibnen kommt, hören

können. Aber daß Sie mich mit Ihren Fragen und Antworten aus dem

Felde geschlagen hätten, wie ich es gerne erleiden will, wenn es wirk-

lich gescbiebt, das kann ich für diesmal nicht zugeben.

Ehrerbietigst ergebenIhr Karl Barth

NACHWORT Z?T MEINEM OFFENEN BRIEF

AN HERRN PROFESSOR KARL BARTH

Auf meinen offenen Brief hat Professor Barth sehr ausführlich ge-

antwortet; ich danke ihm für seine inhaltsreichen Darlegungen. Zu

meinem Bedauern aber vermag ich die Auseinandersetzungen jetzt

und in dieserZeitung nicht fortzuführen, da die Zahl und das Gewicht

der Probleme zu groß ist, um in Kürze und an diesem Ort behandelt

zu werden. Doch ein Doppeltes möchte ich nicht unausgesprochen

lassen: z. Paulus und Luther sind mir allerdings in erster Linie nicht

Subjekte, sondern Objekte der wissenschaftlichen Theologie, und

ebenso Herr Kollege Barth und alle diejenigen, welche wie Prediger

ihr Christentum als Propheten und Zeugen zum Ausdruck bringen,

mögen sie dies nun in biblischen Kommentaren oder in Dogmatiken

usw. tun. Im Leben sind zwar wissenschaftliche Theologie und Zeu-

genschaft oft genug vermengt; aber weder die eine noch die andere

kann gesund b1ei-i3iiben, Wenn die Forderung, sie getrennt zu halten,außer Kraft gesetzt wird. «Sachlich» sind beide - nicht nur die Zeu-

genschaft, wie es nach Professor Barths Ausführungen erscheinen

kann -, aber die Art der Sachlichkeit ist hier und dort eine ganz ver-

schiedene. Entzünden und erbauen kann auch eine wissenschaftlich-

föeologische Darlegung, dank ihrem Ot»jekt; aber der wissenschaft-

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liche Theologe, der auf Entzündung und Erbauung ausgebt, bringt

fremdes Feuer auf seinen A1tar78; denn wie es nur eine wissenscha{1

liche Methode gibt, so gibt es auch nur eirze wissenschaftliche Auf

gabe - die reine Erkenntnis ihres Objekts. Was der Wissenschaft au

ßer dieser Frucht als Erfolg zuteil wird, das ist unberechenbares Ge

schenk. z. Der Begriff der Offenbarung ist kein wissenschaftlicherBegriff; die Wissenschaft vermag das Gottesbewußtsein und die para-

doxe Predigt der Religionsstifter und Propheten (sowie die religiösen

Erlebnisse überhaupt) weder unter einem Gattungsbegriff zusam-

menzufassen noch als «Offenbarung» zu erkl;iren. Vollends aussichts-

los aber ist der Versuch, ein «Wort» dieser Art als etwas so rein «Ob-

jektives» zu fassen, daß das meiüschliche Sprechen, Hören, Aufneh-

men und Verstehen sich in seiner Einwirkung ausschalten läßt. Ich

habe den Eindruck, daß Professor Barth so etwas versucht und dabei

eine Dialektik zu Hilfe ruft, die uns auf einen unsichtbaren Grat führt

zwischen dem absoluten religiösen Skeptizismus und dem naiven Bi-

blizismus - die qu;ilendste Ausdeutung des christlichen Erlebnisses

und des christlichen Glaubens! Aber da sie seit Jahrhunderten immer

wieder unter neuen Kulissen dargestefü wird, ist sie wohl individuell

berechtigt und muß daher mit Achtung hingenommen werden. Aber

vermag sie eine Gemeinschaft zu bilden, und sind die Keulenschl%eberechtigt, mit denen sie Alles, was sich sonst als christliche Erfah-

rung gibt, niederschffigt? Und wenn der, der den christlichen Glauben

in dieser Weise und niemals anders empfindet, auf seiner Gletscher-

brücke Fuß zu fassen vermag, ist auch nur für seine Kinder und

Freunde auf ihr noch Platz? T:ite nicht auch er, statt ein starres Ent-

weder-Oder aufzurichten, besser, wenn er anerkennte, daß er seirt

Instrument spielt, Gott aber noch andere Instrumente hat?

In der Antwort Barths tritt an einigen Stellen eine gewisse Emp-

findlichkeit hervor, die sich bis zu der Äußerung steigert, meine Ent-

gegnung laute wie eine «Bestrafüng». Ich kann nicht Richter in ei-

gener Sache sein; um so lieber erkläre ich, daß mich keine andere

Absicht in meinem Briefe bewegt hat, als einem befreundeten Theo-

logen gegenüber Zur Klarheit Zu kommen.

Berlin A.v.Harnack

"' Lev. IO,I.

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