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Ronald Asch: Absolutismus s. Reinalter Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus und Peter Wilson (Hg.). A companion to Eighteenth Century Europe , 2009 "Absolutismus" ist im Gegensatz zu "absoluter Monarchie" kein zeitgenössischer Begriff des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern des beginnenden 19. Jahrhunderts, das damit in bewußt kritischer Weise eine noch in die Gegenwart hineinreichende, aber eigentlich der Vergangenheit angehörende Herrschaftsform kennzeichnen wollte. Allerdings wurden diese eher pejorativen Konnotationen des liberalen Absolutismusbegriffs in der späteren Historiographie des 19. Jahrhunderts insbesondere in Deutschland ins Positive gewendet. Absolutismus bezeichnete nun die notwendige Überwindung des "dualistischen Ständestaates" durch einen modernen, ganz auf den Monarchen hin zentrierten Anstaltsstaat, der zusammen mit der Souveränität nach außen und nach innen und einem unbestrittenen Gewaltmonopol vor allem auch die legislativen Kompetenzen der Staatsgewalt festigte. Auch heute noch wird unter Absolutismus meist "die Entfaltung einer Staatsform" verstanden, "die in Theorie und Praxis auf die unumschränkte Herrschaft von Monarchen angelegt war, deren Legitimation auf dem Gottesgnadentum der Dynastien und der Gewährleistung von Sicherheit und Wohlfahrt beruhte." (Kunisch, Absolutismus, S. 20). Allerdings ist dieser traditionelle Absolutismusbegriff schon nach dem zweiten Weltkrieg auf deutliche Kritik gestoßen. Er ließ nicht in ausreichendem Maße erkennen, wie sehr selbst noch in den scheinbar klassischen absoluten Monarchien des 17. und 18. Jahrhunderts, wie z. B. Frankreich - dem Paradigma absoluter monarchischer Herrschaft schlechthin -, die ständischen und korporativen Kräfte es verstanden, zumindest auf der lokalen und regionalen Ebene ihren Einfluß zu wahren und der Monarch sich seinerseits immer noch mindestens ebenso stark als Wahrer des überkommenen Rechtes wie als Inhaber einer - in der Theorie - unbegrenzten legislativen Gewalt verstand. Darüber hinaus leidet der Absolutismusbegriff, wenn er als Epochenbezeichnung verwandt wird, darunter, daß er die Phasenverschiebungen der Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern nicht ausreichend erkennen läßt. So befanden sich die spanische Monarchie und die Machtstellung der Krone in Kastilien und seinen Nebenlanden in der Mitte des 17. Jahrhunderts, als in Frankreich vor allem nach 1661 (Beginn der selbständigen Regierung Ludwigs XIV.) die volle Entfaltung der monarchischen Machtvollkommenheit erst einsetzte, bereits in einer Phase des Niedergangs und andererseits erlebte z. B. in Preußen die Autorität der Krone ihre Vollendung unter Friedrich II. nach 1740, als sich in Frankreich schon deutliche politische Krisensymptome zeigten. Gerade in jüngster Zeit hat es daher auch nicht an Versuchen gefehlt, den Absolutismusbegriff ganz zu verwerfen und als einen Mythos der neueren Historiographie zu

Art. Absolutismus Lex. H. REINALTER

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Ronald Asch: Absolutismus s. Reinalter Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus und

Peter Wilson (Hg.). A companion to Eighteenth Century Europe , 2009

"Absolutismus" ist im Gegensatz zu "absoluter Monarchie" kein zeitgenössischer Begriff des

17. und 18. Jahrhunderts, sondern des beginnenden 19. Jahrhunderts, das damit in bewußt

kritischer Weise eine noch in die Gegenwart hineinreichende, aber eigentlich der Vergangenheit

angehörende Herrschaftsform kennzeichnen wollte. Allerdings wurden diese eher pejorativen

Konnotationen des liberalen Absolutismusbegriffs in der späteren Historiographie des 19.

Jahrhunderts insbesondere in Deutschland ins Positive gewendet. Absolutismus bezeichnete nun

die notwendige Überwindung des "dualistischen Ständestaates" durch einen modernen, ganz auf

den Monarchen hin zentrierten Anstaltsstaat, der zusammen mit der Souveränität nach außen

und nach innen und einem unbestrittenen Gewaltmonopol vor allem auch die legislativen

Kompetenzen der Staatsgewalt festigte. Auch heute noch wird unter Absolutismus meist "die

Entfaltung einer Staatsform" verstanden, "die in Theorie und Praxis auf die unumschränkte

Herrschaft von Monarchen angelegt war, deren Legitimation auf dem Gottesgnadentum der

Dynastien und der Gewährleistung von Sicherheit und Wohlfahrt beruhte." (Kunisch,

Absolutismus, S. 20). Allerdings ist dieser traditionelle Absolutismusbegriff schon nach dem

zweiten Weltkrieg auf deutliche Kritik gestoßen. Er ließ nicht in ausreichendem Maße erkennen,

wie sehr selbst noch in den scheinbar klassischen absoluten Monarchien des 17. und 18.

Jahrhunderts, wie z. B. Frankreich - dem Paradigma absoluter monarchischer Herrschaft

schlechthin -, die ständischen und korporativen Kräfte es verstanden, zumindest auf der lokalen

und regionalen Ebene ihren Einfluß zu wahren und der Monarch sich seinerseits immer noch

mindestens ebenso stark als Wahrer des überkommenen Rechtes wie als Inhaber einer - in der

Theorie - unbegrenzten legislativen Gewalt verstand. Darüber hinaus leidet der

Absolutismusbegriff, wenn er als Epochenbezeichnung verwandt wird, darunter, daß er die

Phasenverschiebungen der Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern nicht

ausreichend erkennen läßt. So befanden sich die spanische Monarchie und die Machtstellung der

Krone in Kastilien und seinen Nebenlanden in der Mitte des 17. Jahrhunderts, als in Frankreich

vor allem nach 1661 (Beginn der selbständigen Regierung Ludwigs XIV.) die volle Entfaltung der

monarchischen Machtvollkommenheit erst einsetzte, bereits in einer Phase des Niedergangs und

andererseits erlebte z. B. in Preußen die Autorität der Krone ihre Vollendung unter Friedrich II.

nach 1740, als sich in Frankreich schon deutliche politische Krisensymptome zeigten.

Gerade in jüngster Zeit hat es daher auch nicht an Versuchen gefehlt, den

Absolutismusbegriff ganz zu verwerfen und als einen Mythos der neueren Historiographie zu

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entlarven. Besonders intensiv wurde diese Opposition gegen den Absolutismusbegriff von

angelsächsischen Historikern wie u. a. Nicholas Henshall artikuliert, die als Gegner der

traditionellen, fortschrittsgläubigen liberalen Deutung der englischen Geschichte den Gegensatz

zwischen der englischen und der kontinentaleuropäischen Verfassungsentwicklung zu relativieren

versuchten. Diese Kritik unterschätzt allerdings ihrerseits zum Teil, daß, wenn schon nicht der

"Absolutismus", so doch die "absolute Monarchie" durchaus bereits ein Kampfbegriff der

Staatstheorie und politischen Publizistik der frühen Neuzeit war, und daß auch "Mythen"

geschichtsmächtige Kräfte sein können. Die Selbstdarstellung, aber auch die Selbstauffassung

von Herrschern wie Ludwig XIV. von Frankreich oder der preußischen Könige des 18.

Jahrhunderts unterschieden sich deutlich vom Herrscherbild des 16. Jahrhunderts in den

jeweiligen Ländern oder ihrer Vorläuferterritorien, als ständisch geprägte Rechtsvorstellungen

noch ein größeres Gewicht hatten. Man mag zweifeln, ob der "Absolutismus" jemals

systematisches politisches Programm - im Gegensatz zu einer pragmatischen Politik, die auf

Krisensituationen reagierte - war, auch wenn etwa die dänische lex regia (Kongelov) von 1665 ein

Beispiel dafür bietet, wie eine ständisch geprägte Wahlmonarchie bewußt zu einer dem Anspruch

nach unumschränkten Erbmonarchie umgestaltet wurde; die böhmische Verneuerte

Landesordnung von 1627, die den 1620 errungenen Sieg des Kaisers über seine ständischen und

konfessionellen Gegner festschrieb, bietet dazu eine gewisse Parallele. In jedem Fall gab es aber

eine offizielle politische Sprache der absoluten Monarchie, die die realen Schwächen der

monarchischen Autorität bewußt verbergen wollte, und auch noch als Rhetorik die realen

Handlungsmöglichkeiten sowohl des Herrschers als auch der Beherrschten mitbestimmte. In der

politischen Kultur der absoluten Monarchien der frühen Neuzeit hoben das offizielle Staatsrecht,

aber auch die höfische Selbstdarstellung des Monarchen und die politische Theorie den

unüberbrückbaren Abstand zwischen Herrscher und Untertanen und das Recht des Herrschers,

sich jeder menschlichen Kritik zu entziehen, um nur Gott allein oder seinem Gewissen

Rechenschaft abzulegen, hervor. Die politische Rhetorik der absoluten Machtvollkommenheit

des Monarchen, so wenig sie im einzelnen den Realitäten entsprechen mochten, schränkte die

Möglichkeiten politischer Kritik deutlich ein. So konnte und wollte der absolute Monarch des 17.

und 18. Jahrhunderts es sich in der Regel auch nicht leisten, offen mit seinen eigenen Untertanen

zu verhandeln oder gar Verträge mit ihnen zu schließen, wie es seine Vorgänger im späten

Mittelalters und zum Teil noch im 16. Jahrhundert getan hatten. In einer barocken politischen

Kultur, in der Rang und Status alles waren, hätte es einen gefährlichen Prestigeverlust für die

Krone mit sich gebracht, sich auf öffentliche Verhandlungen mit den Untertanen oder einzelnen

privilegierten Korporationen einzulassen (siehe P. Campbell, Power and Politics). Verhandlungen

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fanden zwar statt, aber meist hinter den Kulissen des barocken Herrscherkultes. Dennoch war

dieses politische System, das vielleicht eher als barocke denn als absolute Monarchie bezeichnet

werden sollte - ein Begriff, der nicht zuletzt auf den theatralischen, durchinszenierten Charakter

der monarchischen Herrschaft anspielt -, durchaus effizient, wenn es um den Ausgleich zwischen

unterschiedlichen Interessen ging. Nur schwer waren freilich ideologische Konflikte zu

kanalisieren, die eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Hier liegen wesentliche Unterschiede zu

jenem vom Parlament geprägten politischen System, wie es sich insbesondere in England seit

1688 entwickelte. Diese Unterschiede sollte auch eine legitime Kritik am überkommenen

Absolutismusbegriff nicht verwischen.

Allerdings, eine Definition des Absolutismus als Herrschaft unter Zurückdrängung oder

vollständiger Ausschaltung der Stände und ihrer Versammlungen und Vertretungen wie man sie

oft findet, bleibt dennoch in vieler Hinsicht unbefriedigend, denn das Verhältnis zwischen

Herrscher und Ständen war nie ein Nullsummenspiel, so daß einer Schwächung der Stände

notwendigerweise ein proportionaler Machtzuwachs der Krone entsprochen hätte und

umgekehrt. In Kastilien etwa bewältigte die Krone im späten 16. und zu Beginn des 17.

Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der spanischen Hegemonialstellung, die Herausforderung, die

die Herrschaft über ein Weltreich darstellte, zeitweilig in enger Zusammenarbeit mit den Ständen,

den Cortes. Der Niedergang der Cortes nach 1660 fiel andererseits zusammen mit einem Verfall

der monarchischen Autorität, da die Krone zunehmend Vollmachten an lokale Herrschaftsträger,

Adlige genauso wie städtische Obrigkeiten, hatte delegieren müssen, mochte unter den

Bourbonen nach 1700 diese Entwicklung auch ganz oder teilweise revidiert werden. Auch für

Frankreich war die Zurückdrängung der Ständeversammlungen nicht das entscheidende

Kriterium für den Absolutismus, denn zumindest die Generalstände - im Gegensatz allerdings zu

manchen Provinzialständen - waren auch vor der Mitte des 17. Jahrhundert weitaus mehr ein

eher seltenes Ereignis gewesen als eine feste Institution. Daß sie nach 1614 (bis 1789) nicht mehr

einberufen wurden, sagt über den Charakter der monarchischen Herrschaft in dieser Epoche

noch nicht sehr viel aus. Wichtiger war gerade in Frankreich, daß es nach 1660 gelang, die etwa

100-jährige Schwächeperiode des französischen Staates zu beenden, die durch die

Religionskriege, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen unter den adligen Magnaten und

zwischen diesen und der Krone und die zeitweilige vollständige Zerrüttung der Staatsfinanzen

gekennzeichnet war. Die Wiederherstellung der monarchischen Autorität, zu der die Beendigung

der Herrschaft von Favoriten und von übermächtigen leitenden Ministern ebenso gehörte wie die

zumindest partielle Abkehr von den rechtlich problematischen administrativen Notmaßnahmen

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der vorhergehenden Krisenjahre, bei gleichzeitiger Intensivierung der staatlichen Herrschaft

wurde von den traditionellen Eliten grundsätzlich durchaus begrüßt, da damit auch ihr eigener

Status und ihr lokaler Einfluß weitgehend abgesichert wurden. Der klassischen Vorstellung vom

Absolutismus als einer Herrschaft ohne ständische Mitsprache findet ihre Bestätigung, auf

entgegengesetzte Weise, noch am ehesten in Brandenburg-Preußen und - ex negativo - in

England. In Preußen wurden die Ständeversammlungen in den meisten Provinzen - die

westlichen Landesteile behielten hier freilich eine Sonderstellung - nach 1648 in der Tat

zurückgedrängt und marginalisiert und traten dann spätestens im 18. Jahrhundert nicht mehr

zusammen. In England hingegen war es doch wesentlich die erfolgreiche Selbstbehauptung des

Parlamentes im Bürgerkrieg der 1640er und erneut in der Verfassungskrise der späten 1680er

Jahre, die die politische Entwicklung dieses Landes im 18. Jahrhunderts in andere Bahnen als die

der meisten kontinentaleuropäischen Monarchien lenkte, obgleich das traditionelle Bild vom

einem Kampf zwischen parlamentarischer Freiheit und monarchischem Absolutismus, der sich

unter den Stuarts mit innerer Zwangsläufigkeit entfaltete, auf weite Strecken eine in teleologischer

Absicht vorgenommene Konstruktion der späteren Geschichtsschreibung oder bestenfalls der

zeitgenössischen Propaganda ist. Die Habsburgermonarchie schließlich bietet im späteren 17.

Jahrhundert ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Dynastie mit einer Koalition konfessionell

und politisch loyaler ständischer Kräfte, nachdem zuvor die regionalen Eliten unter Ausschluß

der ständisch-konfessionellen Opposition neu konstitutiert worden waren. Die traditionellen

Mitspracherechte der Stände vor allem im finanziellen Bereich blieben dabei bis weit ins 18.

Jahrhundert hinein durchaus erhalten, mochten diese auch eine ganze Reihe politischer

Kompetenzen einbüßen.

Komplex war auch das Verhältnis der absoluten Monarchen zur Kirche, respektive den

Kirchen. Der Konfessionalisierungsprozeß des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts wird

namentlich von der deutschen Historiographie oft als Teil einer allgemeinen Intensivierung

staatlicher Herrschaft und einer damit Hand in Hand gehenden "Sozialdisziplinierung" gesehen,

und scheint damit Strukturmerkmale des Absolutismus vorwegzunehmen. In der Tat verband

sich vor allem in den katholischen Staaten und Territorien die Stärkung der monarchischen

Herrschaftsgewalt meist eng mit der katholischen Reform und Gegenreformation. Die spanische

und die österreichische Habsburgermonarchie bieten dafür besonders anschauliche Beispiel.

Auch in Frankreich blieb die quasi neutrale Schiedsrichterrolle, die die Krone unter Heinrich IV.

(1589-1610) im religiösen Bürgerkriegskrieg übernahm, auf eine kurze Zwischenphase

beschränkt, auch wenn diese Rolle durch die Staatstheorie Jean Bodins, die oft als das

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entscheidende intellektuelle Fundament der absoluten Monarchie überhaupt angesehen wird,

schon in den 1570er Jahren intensiv vorbereitet worden war. Doch schon Ludwig XIII. (1610-

1642) und noch mehr Ludwig XIV. (1642-1715) identifizierten sich wieder rückhaltlos mit der

katholischen Kirche bis hin zur Aufhebung (1685) der von Heinrich IV. 1598 gewährten

religiösen Toleranz für die Hugenotten, auch wenn es nun immer mehr die Krone war, die die

Bedingungen der Zusammenarbeit mit der Kirche bestimmte. Die Autorität des Papsttums

wurden daher ebenso eingeschränkt wie die Entfaltungsmöglichkeiten kirchlicher

Reformbewegungen, die nicht bereit waren, den Primat der Politik bedingungslos anzuerkennen

(Jansenismus). In den protestantischen Ländern war die Reformation hingegen oft unter

Mitwirkung der Stände durchgeführt worden. Dem monarchischen oder landesherrlichen

Kirchenregiment waren daher von Anfang an Schranken gesetzt, zum Teil war die Kirche wie in

vielen lutherischen Gebieten geradezu eine Hochburg ständischen Einflusses, der auf der lokalen

Ebene nicht zuletzt über das Patronatsrecht abgesichert war. Hier konnte die Zuwendung des

Herrschers zu neuen Formen des Protestantismus, wie zur calvinistisch geprägten zweiten

Reformation in wichtigen deutschen Territorien im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, dem

landesherrlichen Kirchenregiment neue Gestaltungsmöglichkeiten - auch gegen die Stände -

eröffnen. Später wandten sich wichtige protestantische Dynastien in Deutschland und Europa (z.

B. die Wettiner in Sachsen in den 1690er Jahren und die Stuarts in England schrittweise nach

1660) hingegen ganz vom Protestantismus ab. Die Anziehungskraft der spezifisch katholischen

barocken Hofkultur und außenpolitische Gesichtspunkte der dynastischen Politik mögen hier

eine Rolle gespielt haben, aber offensichtlich war die Rolle als "summus episcopus" oder

"supreme governor" einer protestantischen Kirche auch nicht mehr wirklich attraktiv, da sie im

Inneren wie nach außen mit zu vielen Einschränkungen des politischen Bewegungsspielraums

verbunden war. Freilich konnte man den Autoritätsanspruch der Kirche in politischen Fragen

auch durch eine dezidierte Toleranzpolitik, wie in Preußen im 18. Jahrhundert, irrelevant werden

lassen.

Der Schwerpunkt der Intensivierung staatlicher Herrschaft, die für die volle Entfaltung der

absoluten Monarchie seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts charakteristisch ist, lag in der

Regel freilich ohnehin nicht mehr primär auf dem Gebiet des Kirchenregimentes und der

Konfessionspolitik. Wichtiger waren der Aufbau eines stehenden Heeres und einer

bürokratischen Verwaltung und die Mobilisierung immer neuer finanzieller Ressourcen. Die

stehenden Heere des 17. und 18. Jahrhunderts sind oft als ein klassisches Herrschaftsinstrument

der absoluten Monarchie gesehen worden. Der nicht selten nachhaltige ständische Widerstand

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gegen ihre Finanzierung bestätigt dieses Urteil auch zum Teil. Auch gelang es nach der Mitte des

17. Jahrhunderts, das vorher weitverbreitete Kriegsunternehmertum zurückzudrängen und das

Heerwesen stärker als vorher zu verstaatlichen. Elemente eines "Mitunternehmertums" der

Offiziere bei der Heeresfinanzierung und -organisation blieben allerdings auf der Ebene der

einzelnen Kompanien und Regimente oft bis weit in das 18. Jahrhundert erhalten, zumal

Offizierspatente nicht selten, wie etwa in Frankreich, käuflich waren. Überdies blieben

Beförderungen und Karrieren im militärischen Bereich genauso wie im zivilen nicht selten von

traditionellen Patronagebeziehungen bestimmt, die die absolute Monarchie hier genauso wie auf

anderen Gebieten weniger zu beseitigen, als vielmehr im eigenen Interesse zu instrumentalisieren

suchte. Insgesamt ist die Rolle des Militärs und des Krieges als Motor der Staatsentwicklung im

der absoluten Monarchie ambivalent. Der zunehmende Finanzbedarf des Staates in Kriegszeiten

konnte zur Beseitigung überkommener Privilegien und ständischer Rechte führen, aber auch als

Hemmnis für durchgreifende Reformen wirken.

Ähnliche Ambivalenzen sind aber auch auf dem Gebiet der Verwaltung sichtbar. In vielen

gemeinhin als absolut geltenden Monarchien blieb die Lokalverwaltung besonders außerhalb der

Städte ganz oder teilweise eine ständische Selbstverwaltung oder auch durch die unmittelbare

Herrschaftsgewalt des Adels (etwa in Form der Gutsherrschaft in Preußen) geprägt, und

ähnliches galt unter Umständen mutatis mutandis sogar für die Verwaltung ganzer Provinzen auf

regionaler Ebene, wie in der Habsburgermonarchie noch in der ersten Hälfte des 18.

Jahrhunderts. Auch konnten wie in Preußen administrative Teilbereiche wie die Justiz und das

Schulwesen - im Gegensatz zu Militär- und Finanzverwaltung - als Domänen des ständischen

Einflusses von einer stärkeren herrschaftlich-monarchischen Durchdringung lange Zeit

ausgespart bleiben. In Frankreich wiederum gelang zwar der Aufbau einer auch zahlenmäßig sehr

umfassenden bürokratischen Verwaltung, die schon im 17. Jahrhundert mit ihren rund 50.000

Amtsträgern theoretisch nahezu omnipräsent war, aber die Ämter dieser Verwaltung waren in

aller Regel käuflich und oft auch erblich. Der König hatte daher über das Heer seiner Beamten,

von den wenigen nicht-käuflichen Schlüsselpositionen abgesehen, nur eine recht eingeschränkte

Verfügungsgewalt, und die patrimonial organisierte Bürokratie stellte nicht nur ein

Herrschaftsinstrument der Monarchie, sondern zugleich ein gewichtiges Hindernis für die

effiziente Umsetzung des monarchischen Herrschaftswillens dar.

Nicht nur in Frankreich pflegten die absoluten Monarchen sich mit dem überkommenen

System ständischer und korporativer Privilegien meist zu arrangieren, solange der wachsende

Finanzbedarf des Staates einigermaßen gedeckt werden konnte. In der Tat gelang es in den

absolutistisch regierten Staaten im 17. und 18. Jahrhundert eine erhebliche Steigerung der

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Staatseinnahmen zu erzielen, die z. B. in Frankreich schon zwischen 1620 und 1640 in ihrem

realen Wert annähernd verdoppelt werden konnten. Nach einer anfänglichen, z. T.

konfliktreichen Phase der fiskalischen Expansion kam es dann allerdings nicht selten zu einer

Stagnation, da neue, auch die privilegierten Schichten (Adel, Klerus, städtisches Bürgertum)

stärker belastende Steuern nur schwer durchsetzbar waren, oder der Monarch sich an die

ursprünglichen Vereinbarungen mit den Ständen, auch wenn diese nicht mehr zusammentraten,

gebunden fühlte. Die eigentliche Achillesferse der absoluten Monarchie blieb allerdings das

Kreditwesen. Gerade ein dem Anspruch nach absoluter Herrscher war als Schuldner wenig

vertrauenswürdig, und so scheiterte etwa in Frankreich auch der Versuch, in den Jahren 1718-20

eine Staatsbank nach englischen Vorbild zu errichten. Es blieben als Auswege die Aufnahme von

Krediten zu vergleichsweise überhöhten Zinsen, der Rückgriff auf Steuerpächter, ausländische

Finanziers sowie (besonders in Mitteleuropa) Hofjuden als Bankiers, die vor allem in Preußen

praktizierte Thesaurierung von Geld und Edelmetallen in Friedenszeiten, und schließlich noch

die inflationäre Münzverschlechterung im Krieg, ein in der Habsburgermonarchie in den frühen

1620er Jahren und in Preußen im Siebenjährigen Krieg angewandtes Mittel. Weniger

finanzkräftige Staaten konnten sich im Kriege auch um ausländische Subsidien bemühen oder gar

ihre Untertanen als Soldaten vermieten, wie manche deutsche Territorialfürsten im 18.

Jahrhundert. In jedem Fall blieben die absoluten Monarchien bei der Mobilisierung von Krediten

Staaten mit einer starken Beteiligung von Ständeversammlungen an der politischen Macht meist

deutlich unterlegen, wie insbesondere der ohne ein außerordentlich leistungsfähiges Steuer- und

Kreditsystem undenkbare Aufstieg Englands zur Großmacht im 18. Jahrhundert und vorher

bereits die erfolgreiche Selbstbehauptung der niederländischen Republik im 17. Jahrhundert

zeigen.

Die Finanz- und Steuerpolitik der absoluten Monarchien blieb letztlich eingebunden in das

Gefüge der traditionellen ständischen Gesellschaft, deren Grundstrukturen vor dem späten 18.

Jahrhundert kaum je offen in Frage gestellt wurden, so sehr der Staat auch einzelne Vorrechte

und überkommene Freiheiten einschränken mochte. Doch gab es nicht nur vielfältige

Kompromisse mit den traditionellen Eliten, es wurden oft auch neue Privilegierungen

vorgenommen, von denen nicht nur die Funktionseliten des Staates (etwa in Frankreich der

Amtsadel) oder die höfische Aristokratie, sondern auch Angehörige der Mittelschichten wie z. B.

zünftisch organisierte Handwerker profitieren konnten. Überdies konnte selbst der Familienvater

sich gegenüber seinen Angehörigen in seiner Position durch die Monarchie gestärkt und geradezu

als ein Abbild des absoluten Herrscher im Kleinen fühlen, da der monarchische Staat etwa in

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Frankreich die jurisdiktionellen Sondervollmachten des Königs (lettres de cachet) gezielt einsetzte,

um die überkommene patriarchalische Gesellschaftsstruktur zu stabilisieren.

Die absoluten Monarchen beanspruchten für sich freilich zunehmend die Kompetenz,

sozialen Status und sozialen Rang zu definieren, bis hin zur Zugehörigkeit zum Adel, sei es nun

durch Überprüfung der bestehenden Adelstitel (in Frankreich sog. recherches de la noblesse unter

Ludwig XIV.) oder durch extensive Nutzung des Nobilitierungsrechtes. Es gab tendenziell

keinen vom Urteil der Krone wirklich unabhängigen sozialen Status mehr, und gerade der Hof

des Herrschers wurde zur Schaltstelle für die Anerkennung sozialer Statusansprüche. Schon im

Hinblick auf die Kompetenz des absoluten Monarchen den ständischen Rang seiner Untertanen

innerhalb der überkommenen Ordnung zu definieren, aber auch weil der Herrscher für die

Anerkennung oder Zuerkennung von Status- und Ehrenvorrechten einen zum Teil erheblichen

Preis verlangte - z. B. in Form finanzieller Leistungen oder des oft recht kostspieligen Dienstes in

der Armee - ist es problematisch, in der absoluten Monarchie einfach ein Instrument der

privilegierten sozialen Schichten zu sehen, mit dem sie die systematische "Ausbeutung" der

übrigen Bevölkerung betrieben, wie etwa David Parker dies noch jüngst, die traditionelle

marxistische Interpretation des Absolutismus erneuernd, getan hat. Im erheblichem Maße haben

erst der Staatsbildungsprozeß und die Genese der absoluten Monarchie selbst jene soziale

Ordnung neu geformt, deren Erhaltung dann freilich eine der wesentlichen Aufgaben des Staates

wurde.

RONALD G. ASCH

Literatur

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monarchie entre Renaissance et Révolution 1515-1792, Paris 2000, S. 284-354,• DUCHHARDT, Heinz, Das Zeitalter des Absolutismus, 3. Aufl. München 1998.• DWYER, P. g. (ed.) The Rise of Prussia 1700-1830, (Harlow 2000)• HENSHALL, Nicholas, The Myth of Absolutism, London 1992• HINRICHS, Ernst (Hg.), Absolutismusm Frankfurt/M. 1986.• KWASS, Michael, Privilege and The Politics of Taxation in eighteenth-century France. Liberté, Egalité, Fiscalité (Cambridge, 2000)• BÉLY L. (Hg.), Dictionnaire de l'Ancien Régime, 1996. • MILLER, John (Hg.), Absolutism in Seventeenth-Century Europe, Basingstoke 1990.• PARKER, David, Class and State in Ancien Régime France: The Road to Modernity?, London 1996.• WILSON, P., Absolutism in Central Europe (London, 2000).