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Der Radiologe 6•2000 | 495 Zusammenfassung Chronische Infektionserkrankungen verlaufen über Monate bis Jahre und sind in der Regel nur von milden klinischen Erscheinungen begleitet, organspezifische Symptome fehlen oft ganz. Sie treten gehäuft bei abwehrgeschwächten Personen auf. Genaue Anamnese, körperliche Untersu- chung, Labordiagnostik, mikrobiologische Diagnostik und bildgebende Verfahren führen in den meisten Fällen zur Diagnose- stellung. Die wichtigsten Differentialdiagno- sen sind Autoimmunerkrankungen, Amyloidosen und maligne Lymphome. Schlüsselwörter Chronische Infektionserkrankungen · Symptomatik · Diagnostik Einleitung Chronische Infektionen verlaufen im Gegensatz zu akuten Infektionen, die sich als rasch einsetzende Erkrankun- gen mit akuter Symptomatik manifestie- ren, über Monate bis Jahre. Dabei entste- hen primär chronische Infektionen ohne klinische Zeichen einer akuten Entzündung, während sekundär chroni- sche Infektionen aus einer akuten Ent- zündungsphase hervorgehen, bei der zumeist ein pathogener Keim durch die Abwehrreaktion des Organismus nicht beseitigt werden konnte.Wenn die aku- te Entzündung als Folge eines Versagens der Abwehrreaktion des Immunsystems zu rezidivierenden Schüben führt, kann es weiterhin zur Entstehung folgender chronischer Entzündungsreaktionen kommen: chronisch-eitrige Entzündung, chronisch nicht eitrige Entzündung, chronisch granulomatöse Entzün- dung, andere chronische Entzündungen. In Abhängigkeit vom Erreger präsentie- ren sich chronische Infektionen auf un- terschiedliche Art und Weise. Die klas- sischen Zeichen einer akuten Entzün- dung wie Calor, Rubor, Tumor, Dolor und Functio laesa finden sich bei chro- nischen Infektionserkrankungen oft nur in abgeschwächter Form, weshalb eine chronische Infektion sehr häufig sym- ptomarm bis symptomlos verläuft. Prä- disponiert für chronische Infektionser- krankungen sind immunsupprimierte Patienten,deren Abwehrstärke aufgrund sehr unterschiedlicher Ursachen beein- trächtigt ist. Hierzu gehören alte Men- schen, Patienten mit Diabetes mellitus, Raucher,Alkoholiker, Patienten mit kon- sumierenden Erkrankungen, Patienten, die unter einer chronischen Erkrankung des kardiopulmonalen Systems leiden, Drogensüchtige und Patienten, die mit immunsupprimierenden und/oder zy- tostatischen Medikamenten behandelt werden. Eine besondere Risikogruppe sind Tropenreisende,die ebenfalls ein erhöh- tes Risiko für chronische Infektionen haben. Chronische Infektionen treten je- doch auch bei gesunden Individuen auf, die eine normale Abwehrlage haben. Symptomatik Je nach Erreger und Lokalisation der In- fektion können organspezifische Sym- ptome auftreten. So weisen beispielswei- se dumpf bohrende Schmerzen und Chronische Infektionen Radiologe 2000 · 40:495–499 © Springer-Verlag 2000 R. Haas · U. Germing Klinik für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Aspekte des Internisten U. Germing Klinik für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Moorenstraße 6, 40225 Düsseldorf, E-Mail: germing@haemonk. uni-duesseldorf.de

Aspekte des Internisten

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Page 1: Aspekte des Internisten

Der Radiologe 6•2000 | 495

Zusammenfassung

Chronische Infektionserkrankungen verlaufen über Monate bis Jahre und sind in der Regel nur von milden klinischen Erscheinungen begleitet, organspezifischeSymptome fehlen oft ganz. Sie treten gehäuft bei abwehrgeschwächten Personenauf. Genaue Anamnese, körperliche Untersu-chung, Labordiagnostik, mikrobiologischeDiagnostik und bildgebende Verfahren führen in den meisten Fällen zur Diagnose-stellung. Die wichtigsten Differentialdiagno-sen sind Autoimmunerkrankungen,Amyloidosen und maligne Lymphome.

Schlüsselwörter

Chronische Infektionserkrankungen · Symptomatik · Diagnostik

Einleitung

Chronische Infektionen verlaufen imGegensatz zu akuten Infektionen, diesich als rasch einsetzende Erkrankun-gen mit akuter Symptomatik manifestie-ren, über Monate bis Jahre. Dabei entste-hen primär chronische Infektionenohne klinische Zeichen einer akutenEntzündung, während sekundär chroni-sche Infektionen aus einer akuten Ent-zündungsphase hervorgehen, bei derzumeist ein pathogener Keim durch dieAbwehrreaktion des Organismus nichtbeseitigt werden konnte.Wenn die aku-te Entzündung als Folge eines Versagensder Abwehrreaktion des Immunsystemszu rezidivierenden Schüben führt, kannes weiterhin zur Entstehung folgenderchronischer Entzündungsreaktionenkommen:

● chronisch-eitrige Entzündung,● chronisch nicht eitrige Entzündung,● chronisch granulomatöse Entzün-

dung,● andere chronische Entzündungen.

In Abhängigkeit vom Erreger präsentie-ren sich chronische Infektionen auf un-terschiedliche Art und Weise. Die klas-sischen Zeichen einer akuten Entzün-dung wie Calor, Rubor, Tumor, Dolorund Functio laesa finden sich bei chro-nischen Infektionserkrankungen oft nurin abgeschwächter Form, weshalb einechronische Infektion sehr häufig sym-

ptomarm bis symptomlos verläuft. Prä-disponiert für chronische Infektionser-krankungen sind immunsupprimiertePatienten,deren Abwehrstärke aufgrundsehr unterschiedlicher Ursachen beein-trächtigt ist. Hierzu gehören alte Men-schen, Patienten mit Diabetes mellitus,Raucher,Alkoholiker,Patienten mit kon-sumierenden Erkrankungen, Patienten,die unter einer chronischen Erkrankungdes kardiopulmonalen Systems leiden,Drogensüchtige und Patienten, die mitimmunsupprimierenden und/oder zy-tostatischen Medikamenten behandeltwerden.

Eine besondere Risikogruppe sindTropenreisende, die ebenfalls ein erhöh-tes Risiko für chronische Infektionenhaben.Chronische Infektionen treten je-doch auch bei gesunden Individuen auf,die eine normale Abwehrlage haben.

Symptomatik

Je nach Erreger und Lokalisation der In-fektion können organspezifische Sym-ptome auftreten.So weisen beispielswei-se dumpf bohrende Schmerzen und

Chronische InfektionenRadiologe2000 · 40:495–499 © Springer-Verlag 2000

R. Haas · U. GermingKlinik für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Aspekte des Internisten

U. GermingKlinik für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie,Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,Moorenstraße 6, 40225 Düsseldorf,E-Mail: [email protected]

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Chronische Infektionen

R. Haas · U. Germing

Aspects in internal medicine

Abstract

Chronic infectious diseases may run overmany months and years, accompanied byonly mild clinical signs and often without or-gan-specific symptoms. People with anykind of immuno deficiency are more fre-quently affected by chronic infections. Histo-ry, physical examination, laboratory tests, mi-crobiological tests and imaging methodsmay lead to an exact diagnosis.The most im-portant differential diagnosis are autoim-mune diseases, amyloidosis and malignantlymphoma.

Keywords

Chronic infections · Symptoms · Diagnosticmeasures

Schwellung einer Extremität auf einechronische Osteomyelitis hin. Häufigersind jedoch chronische Infektionen vonunspezifischen Symptomen begleitet,die den Patienten zum Arzt führen.Hierzu gehört v. a. länger anhaltendes,rezidivierendes oder undulierendes Fie-ber, das mit Nachtschweiß und Ge-wichtsverlust einhergeht.Die Symptomeverlaufen meist mit einer Verschlechte-rung des Allgemeinzustands, wie kör-perlicher Schwäche, Müdigkeit und Ab-geschlagenheit. Diese Veränderungensind nicht nur Folge einer Anämie, son-dern auch Ausdruck eines verändertenZytokinmilieus mit Erhöhung der pro-inflammatorischen Mediatoren Inter-leukin 1 und Tumornekrosefaktor α(ΤΝF-α).

Bei chronischen Infektionserkran-kungen kann es zu kontinuierlichem, re-mittierendem, intermittierendem,undulierendem und rekurrierendemFieber kommen. Der Fiebertyp gibt je-doch nur vage Hinweise auf die Art derInfektion. Klassisches Beispiel eines Fie-bertyps bei einer chronischen Infekti-onserkrankung ist das rekurrierendeFieber bei den einzelnen Formen derMalaria. Je länger Fieber anhält, destomehr muss neben chronischen Infektio-nen wie Tuberkulose und Sepsis auch anKollagenosen, Tumore und insbesonde-re an Lymphome und Leukämien ge-dacht werden. Etwa 30–40% der Fällemit unklarem Fieber liegt eine chroni-sche Infektionserkrankung zugrunde, in20–30% eine Tumorerkrankung und in10–20% eine Autoimmunerkrankung.Anhand der Symptome kann jedoch inder Regel nicht zwischen chronischerInfektion, Autoimmunerkrankung undNeoplasie unterschieden werden.

Diagnostik

Anamnese. Art des Fiebers, andere or-ganspezifische Syptome,Vorerkrankun-gen,Medikamentenanamnese, Insekten-stiche, Zeckenbisse, Verletzungen, Kon-takt mit Tieren, Reiseanamnese, sexuel-le Präferenzen.

Körperliche Untersuchung. Eintrittspfor-ten, Nasennebenhöhlen, Zähne, OslerSplits, Hautveränderungen

Laboruntersuchungen. Differentialblut-bild,Blutkörperchensenkungegeschwin-digkeit (BSG), C-reaktives Protein

(CRP), Elektrophorese, Fibrinogen,Urinstatus, Blutkulturen, Urinkultur,Stuhl, Sputum, Magensaft, insbesondereauf säurefeste Stäbchen, Eiter aus Ab-szessen, Wundabstriche, Fremdkörperwie venöse Zugänge und Blasenkatheter,Antikörpernachweis, Serologie, ggf.dicker Tropfen zum Nachweis von Ma-lariaerregern, Knochenmarkuntersu-chung, u.a. bei der Suche nach Leishma-nien, Funktionstests.

Bildgebende Verfahren. Sonographie desAbdomens bei der Suche nach Leber-und Milzabszessen,Echinokokkenzysten,Röntgen des Thorax transthorakale, ggf.transösophageale Echokardiographie,CT, MRT, szintigraphische Methoden.

Jede internistische Diagnostik be-ginnt mit einer sorgfältigen Anamnese.Trotz der oft unspezifischen Beschwer-den gelingt es meist,das Spektrum der inFrage kommenden Erkrankungen einzu-grenzen. Mit Hilfe einer gründlichenkörperlichen Untersuchung können häu-fig organspezifische Befunde erhobenwerden.Die Planung der weiteren apara-tiven Diagnostik und Labordiagnostikwird gezielter, preisgünstiger und ratio-neller, wenn mittels Anamnese und kör-perlicher Untersuchung schon eine Ver-dachtsdiagnose gestellt wird. Gerade beiden chronischen Infektionserkrankun-gen, die oft keine organspezifischen Be-schwerden verursachen, ist jedoch oft ei-ne Labordiagnostik erforderlich.Bildge-bende Verfahren bieten dem Kliniker we-sentliche Informationen und tragen zurDiagnosstellung maßgeblich bei.

Laborbefunde

Typische, aber leider sehr unspezifischeLaborbefunde bei chronischen Infekti-onserkrankungen sind eine beschleu-nigte BSG, erhöhte Werte des C-reakti-ven Proteins und Veränderungen derElektrophorese. Bei chronischen Infek-tionen findet man regelhaft eine Sen-kugsbeschleunigung bis 100 mm in derersten Stunde, erhöhte CRP-Werte undeine Vermehrung der α2- und γ-Globu-line.Gleichsinnig wie die BSG verändernsich auch die Plasmaviskosität und dieFibrinogenspiegel bei chronischen In-fektionen.Fast jede chronische Infektiongeht mit einer Anämie einher. Die An-ämie ist in der Regel durch folgende La-bormerkmale gekennzeichnet: Es han-delt sich meist um eine normochrome,

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normozytäre oder leicht hypochromeAnämie mit einer Hb-Konzentrationvon selten unter 9 g/dl. Der Grad der An-ämie hängt von Schweregrad der Er-krankung ab und geht mit einer Vermin-derung des Serumeisen und der tota-len Eisenbindungskapazität, normalemoder oft erhöhtem Serumferritin einher.Dieser Befund spiegelt eine Eisenver-wertungsstörung im Knochenmark wie-der, die durch ein normales retikuloen-dotheliales Speichereisen im Knochen-mark bei vermindertem Sideroblasten-index gekennzeichnet ist. Außerdem istzumeist der Erythropoietinspiegel ver-mindert. Das retikuloendotheliale Eisenwird nur vermindert freigesetzt undsteht den Erythroblasten nur in vermin-dertem Umfang zur Verfügung.Dadurchwird es auch den pathogenen Erregern,die die Infektionserkrankung unterhal-ten, vorenthalten, was teleologisch als„sinnvolle“ Abwehrmaßnahme des Or-ganismus gedeutet werden kann. An-ämien durch chronische Infektionser-krankungen können zwar durch Zufuhrvon Erythropoietin gemildert werden,eine dauerhafte Korrektur der Anämieist jedoch nur durch die erfolgreiche Be-handlung der Grundkrankheit möglich.Thrombozytopenie und Veränderungender Granulozytopoiese können durch

chronische Infektionserkrankungen auf-treten. So treten leukämoide Reaktionenmit sehr hohen Leukozytenzahlen auf,wobei chronische parasitäre Infektions-erkrankungen mit einer Eosinophilievergesellschaftet sind. Monozytose kannbei allen chronisch bakteriellen Infek-tionen auftreten.

Bakterielle chronische Infektionen

Die meisten chronischen Infektionenwerden durch Bakterien verursacht undoft durch einen Immundefekt oder eineverminderte Abwehrlage begünstigt. Zuden häufigsten bakteriellen chronischen

Infektionen gehört die Tuberkulose, diein Deutschland nicht zuletzt durch Im-migration aus Osteuropa und Asien wie-der häufiger vorkommt. Es handelt sichum eine oft schubweise verlaufende Er-krankung mit Latenzzeiten von Wochenbis Jahrzehnten. Leitsymptome sind ne-ben Fieber,Nachtschweiß und Gewichts-verlust Husten mit z. T. blutigem Aus-wurf. Die chronifizierte Form kann aucheine Splenomegalie verursachen. Nebender Bildgebung spielt die Erregerdia-gnostik in Sputum, ggf. Bronchialsekret,Magensaft und Urin die entscheidendeRolle. Differentialdiagnostisch muss dieSarkoidose, Silikose, allergische Alveoli-tis und hämatogene Metastasierung ab-gegrenzt werden.Gelegentlich kommt eszu Knochen-, Nieren- und Prostatatu-berkulose.

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Abb. 1 m Endokarditis (zur Verfügung gestellt durch Dr. Mira Schannwell, Klinik für Kardiologie,HHU Düsseldorf)

Abb. 2 c Nachweis vonPlasmodium falciparum

im peripheren Blut

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Chronische Infektionen

Eine weitere, sehr häufige chroni-sche Infektionserkrankung ist die bak-terielle Endokarditis ( Abb. 1) in Formder Endokarditis lenta.

Diese Infektion wird meist durchStreptococcus viridans verursacht, selte-ner ist ein mykotischer Befall der Herz-klappen.Es kommt zu Nekrosen, throm-botischen Auflagerungen, Sehnenfäden-abrissen und anderen Schäden. Diagno-stisch wegweisend ist neben Allgemein-veränderungen ein neu aufgetretenesHerzgeräusch. Die Diagnose wird durchpositive Blutkulturen gesichert.

Bei der Osteomyelitis sind oft Sta-phylococcus aureus,seltener Pilze oder Vi-ren pathogener Keim. Anamnese, klini-scher Befund mit Lokalreaktionen und inspäteren Stadien bildgebende Verfahrenführen zur Diagnosestellung. Trotz Anti-biotikatherapie können Osteomyelitidenauch noch nach vielen Jahren wieder auf-flammen. Eine über Jahre andauerndeOsteomyelitis kann zu einer Amyloidoseführen,die oft erst durch ihre Folgeerschei-nungen wie Proteinurie,Niereninsuffizienzund Polyneuropathie entdeckt wird.

Chronische Entzündungen der Na-sennebenhöhlen sind in der Regel auf-grund ihrer typischen Beschwerdesym-ptomatik in Zusammenschau mit bild-gebenden Verfahren einfach zu diagno-stizieren. Sie spielen jedoch darüberhinaus als potentielle Streuherde eineRolle, die rezidivierende Bronchitidenunterhalten können.

Chronische Infektionen der Gallen-blase treten oft im Rahmen einer Chole-zystolithiasis auf und können zu einerSchrumpfgallenblase oder Gallenbla-senkarzinomen führen. Meistens sinddiese Erkrankungen symptomarm, sel-tener sind akute Schübe einer chroni-schen Cholezystitis.

Die Symptomatik bei chronischerPyelonephritis sind ebenfalls unspezifisch.Die Erkrankung wird oft erst durch Folge-schäden wie Schrumpfniere, Hypertonieund Niereninsuffizienz manifest.

Viel seltener ist die Borreliose, diedurch eine Infektion mit Borrelia burg-dorferi hervorgerufen wird. Es ist einetypische chronische Infektionserkran-kung, die durch Zeckenbiss oderMückenstich auf den Menschen über-tragen wird und mehrere Stadien durch-läuft. Bei unspezifischen Allgemeinsym-ptomen nach Zeckenbiss und Auftreteneines wachsenden, in der Mitte im Ver-lauf abblassenden Exanthems muß dieDiagnose einer Borreliose in Betrachtgezogen werden.Eine entsprechende Se-rologie oder Mikrobiologie bestätigtdann den Befund.

Erkrankungen durch Bruzellen füh-ren regelhaft zu chronischen granuloma-tösen Infektionen. Die sog. Bang-Krank-heit und das Maltafieber werden entwe-der durch Kontakt mit Rindern übertra-gen oder durch kontaminierte Milchpro-dukte von Schaf und Ziege. Neben Allge-meinsymptomen kann es zu Organome-

galie, Lymphknotenschwellung, Pleuritisund Perikarditis kommen.Bei Organma-nifestation finden sich Granulome in Le-ber, Milz und Knochen. Eine genaue Be-rufs-,und Sozialanamnese liefert die not-wendigen Hinweise zur Differentialdia-gnostik. Schäfer, Melker, Metzger, Land-wirte, aber auch Tierärzte sind als Risi-kopatienten für eine Bruzellose zu be-trachten.

“Erkrankt der Bauer auf dem Feld,wird er mit der Schubkarre nach Hausegefahren“.

Diese Beschreibung des MorbusWeil, einer Leptospirose, stellt heraus,dass es sich bei den Leptospirosen umzunächst akute Infektionserkrankungenhandelt.Ein biphasischer Krankheitsver-lauf mit späterer Organmanifestation wieHepatitis, Nephritis und Meningitis dau-ert gelegentlich Wochen. Die Beschrei-bung stellt jedoch ebenfalls die Risko-gruppen heraus; Landwirte, Kanalarbei-ter,aber auch Angler und Wassersportlerinfizieren sich mit infektiösem Harnvon Nagetieren, Schweinen und Hundendurch Arbeit in feuchtem Erdböden.

Eine chronische Infektionserkran-kung mit typischem klinischem Bild istdie Aktinomykose. Actinomyces wirdnach größeren Traumen oder Bissverlet-zungen und Mikroläsionen der Schleim-haut pathogen und verursacht eine gra-nulomatöse Entzündung mit Abszess-und Fistelbildung. Fast immer ist dieZervikofazialregion betroffen.

Chronische Infektionserkrankun-gen stellen natürlich auch die Besied-lung des Gastrointestinaltrakts mit He-licobacter dar. Diese Infektionen habenklinisch und pathophysiologisch eineganz andere Bedeutung als die vorhergennanten.

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Abb. 3 b Leberzyste durch Echincoccus multilocularis (zur Verfügung gestellt durch Dr. Alexandra von Herbay, Klinikfür Gastroenterologie, Hepatolo-gie und Infektiologie)

Abb. 4 m Nachweis von Toxoplasmen im Knochenmark

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Chronische tropische Infektionserkrankungen

Die nach der Tuberkulose weltweit häu-figste Infektionserkrankung ist die Mala-ria. 40% der Weltbevölkerung sind derMalaria exponiert. Es werden etwa 500Mio. Neuerkrankungen pro Jahr ge-schätzt. In Mitteleuropa erlangt die Ma-laria zunehmend Bedeutung durch denMassentourismus in die Tropen. In etwaeinem Drittel liegt Malaria quartana oderMalaria tertiana vor. Die Malaria tropicadagegen kann nicht chronifizieren. Trotzder leicht zu erhebenden Reiseanamnesebei Patienten mit rekurrierendem Fieberund Verschlechterung des Allgemeinzu-stands wird die Malaria leider immerwieder übersehen.Die Diagnose kann je-doch mit Hilfe eines Blutausstrichs unddem Nachweis von Plasmodien rasch ge-stellt werden (Abb. 2).

Weit über 200 Mio. Menschen lei-den an einer Bilharziose, einer Infektionmit Saugwürmern der Gattung Schisto-soma. Meist infizieren sich Touristendurch Gewässerkontakt. Nach Überwin-den der Akutphase kommt es oft zu ei-ner chronischen Infektion mit hämato-genem Ausschwemmen der Schistoso-ma-Eier in Leber und Lunge und andereOrgane. Granulomartige Pseudotuber-kel, die im Verlauf verkalken, führen ofterst zur Diagnose. Je nach Lokalisationkommt es zu Beschwerden. Mikrobiolo-gische Methoden sichern die Diagnose.Eine Vielzahl weiterer tropischer Infek-tionserkrankungen, die bei uns nur eineuntergeordnete Rolle spielen, kannchronifizieren.

Tropische, aber auch heimischeBand- Faden- und Spulwürmer und ver-schiedene Protozoen wie Entamoeba his-tolytica und Giardia lamblia führen zuchronischen Infektionen. Sonogra-phisch eindrucksvoll können Zysten derLeber durch Echinokokken sein (Abb.3).

Opportunistischer Infektionserkrankungen

Die Infektion mit dem HI-Virus ist selbsteine chronische Infektionserkrankung,begünstigt aber im Verlauf eine Reiheanderer opportunistischer Infektionser-krankungen, die ihrerseits chronifizie-ren können. Enzephalitiden mit Toxo-plasma gondii (Abb. 4), Pneumoniendurch Mycobacterium tuberculosis undatypische Mykobakterien, Meningoenze-phalitiden durch Kryptococcus neofor-mans, Candida und andere Pilzen, In-fektionen mit dem Cytomegalievirusund Infektionen mit Viren der Herpes-Gruppe sind bei Patienten, die an Aidserkrankt häufig.Differentialdiagnostischist der Arzt in der Regel auf mikrobiolo-gische oder serologische Befunde an-gewiesen.

Auf dem Gebiet der sexuell über-tragbaren Erkrankungn gibt es nochweitere potentiell chronische Infektio-nen. Eine Infektion mit Neisseria gonor-rhoeae ist eine in aller Regel auf die Ge-nitalregion beschränkte, selten chronifi-zierende Erkrankung. Im chronischenStadium kann es zu Gelenkentzündun-gen, Meningitiden, Endokarditiden undanderen Entzündungen kommen. Die„Seronarbe“ weist in der Regel auf einechronische Syphilis hin. Die Syphilisnimmt in den letzten Jahren an Häufig-keit wieder zu, chronische Verläufe sindjedoch selten geworden. Die Tabes dor-salis mit ihren neurologischen Folgen isteine typische, wenn auch äußerst selteneErscheinungsform der Lues. Hier ist ei-ne behutsame Sexualanamnese als weg-weisende diagnostische Maßnahme ge-eignet.

Autoimmunerkrankungen, Amylo-idose und Lymphome gehören zu denwichtigsten Erkrankungen, die differen-tialdiagnostisch in Betracht kommen,wenn der Verdacht auf eine chronischeInfektionserkrankung vorliegt. DieSymptomatik ist ebenso vielgestaltig wiedie der chronischen Infektionserkran-kungen. Gemeinsam ist jedoch allen 3Krankheitsgruppen, dass sie mit febri-len Temperaturen, Nachtschweiß undGewichtsverlust einhergehen. Die Ana-mnese und der körperliche Untersu-chungsbefund allein sind für die Dia-gnosestellung nicht wegweisend. In derRegel kann erst durch eine serologischeUntersuchung oder einen zytologischenoder histologischen Befund die Diagno-se gestellt werden. Nicht selten prädis-poniert ein malignes Lymphom zu einerchronischen Infektionserkrankung mitder Folge einer Amyloidose.

Weiterführende Literatur

1. Gross, Schölmerich, Gerok (Hrsg) (1996) Die Innere Medizin, 9. Aufl. Schattauer, Stuttgart

2. Mandell GL, Dolin R, Bennett JE (1995) Principles and practice of infectious diseases,4th edn.Vol I and II. Churchill Livingstone,New York

3. Hoeprich PD (1994) Infectious diseases,5th edn. Harper and Row, Philadelphia

4. Tuberkulose (1995) Schwerpunktheft Internist,Heft 10. Springer-Verlag Heidelberg

5. Infektionserkrankungen (1996) Schwer-punktheft Internist, Heft 9. Springer-VerlagHeidelberg

6. Wandel in der Erregerdiagnostik (1995)Schwerpunktheft Internist, Heft 2. Springer-Verlag Heidelberg

7. Reisemedizin (1999) Schwerpunktheft Internist, Heft 11. Springer-Verlag Heidelberg

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